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XLV. Aus dem pharmakologischen Institut der Universit~it Jena. Beitrige zur Kenntniss der Gicht. VII. Erg/£nzungen zu unseren fri~heren VerSffentliehungen fiber dig Beziehungen zwisehen Harns/iure und Amidos'/iuren. Von I-l. Kionka und E. Ft'ey. Es lag nicht in unserer Absicht, diese ,Erg/~nzungen" als eine be- sondere Arbeit zu publiciren; wir wollten sie gelegentlich einer sp~teren Ver(iffentliehung fiber Fragen aus dem Gebiete der Gichtlehre nut anhangs- weise erw~hnen. Indessen zeigt uns dig soeben erschienene zweite Auf- lage des klassischen Werkes yon Ebstein (1) fiber dig Natur und Be- handlung der Gicht~ class selbst dieser Autor sich durch eine vet einiger Zeit gegen unsere Ansiehten erhobene unbegriindete Einwendung zu einer unrichtigen Beurtheilung unserer Anschauungen hat verleiten lassen. Wir kSnnen daher nicht l~nger mit unseren Nachtragen und Bemerkungen zurfiekhalten. Wir hat~en in unseren Ver~iffentlichungen (2) gezeigt~ welch' grossen Einiluss die Anwesenheit yon Glycocoll auf die Ausf~llbarkeit yon Ura~en auszuiiben im Stande ist, und dadurch eine Erkl~rung ffir das Auftreten der Uratablagerungen beim Gichtiker zu geben versueht. Es bestand aber damals noch die allgemeine Ansicht~ dass sieh Glyeoeoll~ ebenso wie andere Amidos/iuren~ nur in sp/irlicher Mange beim Abbau h(iherer N-haltiger Producte im Organismus bilde, weshalb wir a.n die Harns/~ure als die Hauptquelle fiir das Glycocoll beim Gichtiker dachten. Diese Ansicht schien eine Best'~tigung zu finden durch die Untersuchungen yon Ignatowski (3), wonach nut beim Gichtiker und Leuk/~miker griissere Mengen Glycocoll im Ham ausgeschieden werden sollten. Inzwischen erschienen die Arbeiten yon Magnus-Levy (4), R. Cohn (5) und Wieehowski (6), welche iibereinstimmend zu dem Schlusse kamen 7 dass beim Pflanzenfresser wenigstens (Kaninehen und Sehaf) wohl das gesammte Eiweiss fiber Glyeocoll als Zwischenproduct abgebaut wfirde. Samuely (7) h~lt es auch: beim ~Ienschen fiir ein Product des inter- medi~ren Sfoffwechsels. Unter diesen Umstt~nden erschien kS sehr merk- wiirdig, dass nicht auch unter anderen Verh/tltnissen und nicht bless bei Anwesenheit grSsserer Harnsauremengen im Blute~ wie es beim Gichtiker

Beiträge zur Kenntniss der Gicht

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Page 1: Beiträge zur Kenntniss der Gicht

XLV.

Aus dem pharmakologischen Institut der Universit~it Jena.

Beitrige zur Kenntniss der Gicht.

VII. Erg/£nzungen zu unseren fri~heren VerSffentliehungen fiber dig Beziehungen zwisehen Harns/iure und Amidos'/iuren.

Von

I-l. Kionka und E. Ft'ey.

Es lag nicht in unserer Absicht, diese ,Erg/~nzungen" als eine be- sondere Arbeit zu publiciren; wir wollten sie gelegentlich einer sp~teren Ver(iffentliehung fiber Fragen aus dem Gebiete der Gichtlehre nut anhangs- weise erw~hnen. Indessen zeigt uns dig soeben erschienene zweite Auf- lage des klassischen Werkes yon Ebste in (1) fiber dig Natur und Be- handlung der Gicht~ class selbst d iese r Autor sich durch eine vet einiger Zeit gegen unsere Ansiehten erhobene unbegriindete Einwendung zu einer unrichtigen Beurtheilung unserer Anschauungen hat verleiten lassen. Wir kSnnen daher nicht l~nger mit unseren Nachtragen und Bemerkungen zurfiekhalten.

Wir hat~en in unseren Ver~iffentlichungen (2) gezeigt~ welch' grossen Einiluss die Anwesenheit yon Glycocoll auf die Ausf~llbarkeit yon Ura~en auszuiiben im Stande ist, und dadurch eine Erkl~rung ffir das Auftreten der Uratablagerungen beim Gichtiker zu geben versueht. Es bestand aber damals noch die allgemeine Ansicht~ dass sieh Glyeoeoll~ ebenso wie andere Amidos/iuren~ nur in sp/irlicher Mange beim Abbau h(iherer N-haltiger Producte im Organismus bilde, weshalb wir a.n die Harns/~ure als die Hauptquelle fiir das Glycocoll beim Gichtiker dachten. Diese Ansicht schien eine Best'~tigung zu finden durch die Untersuchungen yon I g n a t o w s k i (3), wonach nut beim Gichtiker und Leuk/~miker griissere Mengen Glycocoll im Ham ausgeschieden werden sollten. Inzwischen erschienen die Arbeiten yon M a g n u s - L e v y (4), R. Cohn (5) und Wieehowski (6), welche iibereinstimmend zu dem Schlusse kamen 7 dass beim Pflanzenfresser wenigstens (Kaninehen und Sehaf) wohl das gesammte Eiweiss fiber Glyeocoll als Zwischenproduct abgebaut wfirde. Samue ly (7) h~lt es auch: beim ~Ienschen fiir ein Product des inter- medi~ren Sfoffwechsels. Unter diesen Umstt~nden erschien kS sehr merk- wiirdig, dass nicht auch unter anderen Verh/tltnissen und nicht bless bei Anwesenheit grSsserer Harnsauremengen im Blute~ wie es beim Gichtiker

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und Leuki~miker der Fall ist, Amidos/~uren im Harn erschienen. Es war daher nieht fiberrasehend, als kurz darauf Embden und sein Mitarbeiter Reese (8) fanden~ dass bei einer geringen Modification der yon Igna- towski angewandten Bestimmungsmethode yon F i s c h e r - B e r g e l l es gel£nge, in j edem IIarn, aueh beim Gesunden, erhebliehe Mengen yon A midos~uren naehzuweisen.

Es entspann sieh nun eine l~ngere Debatte fiber den Werth der Methode zur klinisehen Harnuntersuehung und fiber die Bedeutung der von I']mbden vorgesehlagenen l~lodifieation, hueh wir haben in mannigfaeher Weise diese Methoden versuehL, kamen abet ebenfalls zu dem Sehlusse, dass 7 wie Berge l l (9) selbst sagt, diese urspriinglieh pr'/iparativen Methoden gar nieht zur analytisehen Verwendung im klinisehen Labora- torium geeignet sind, dass man vor Allem vergleiehbare quantitative Resultate damit nieht erzielen kiinne. Es ist dabei naeh unseren Er- fuhrungen ganz gleiehgiiltig, ob man sehwaeh alkaliseh, wit I gna towsk i , oder bei starker Alkaleseenz, wie es Embden vorsehl/igt, die Reaction zwisehen der AmidosSure und dem p'-Naphtalinsulfoehlorid gesehehen 15sst. Bei ganz stark alkaliseher Reaction wird die Ausbeute sogar eine viel sehleehtere. Entsehieden aber miissen wit naeh unseren Er- fahrungen das quantitative hbw/igen und Vergieiehen der zuMehst er- haltenen amorphen R0hproduete zurfiekweisen: da dieselben ganz uneontrollirbarer Zusammensetzung sind und daher nieht mit einander vergliehen werden diirfen. Aueh eine Stiekstoffbestimmung aus derartigen Misehprodueten sagt natfirlieh niehts.

Aueh die yon Neuberg und Manasse (10) neuerdings vorge- sehlagene Bestimmungsmethode mittelst Naphtyl-i-eyanat haben wir ver- sueht~ ohne damit bessere Resultate zu erhalten.

Wit befanden uns ja ausserdem in der sehwierigen Lage, class as sich bei unseren Thierversuehen manehmal um verhitltnissmSssig kleine Thiere und daher um die Verarbeitung und Bestimmung reeht kleiner Mengen yon Amidos/~uren handelte.

Es war daher unser Bestreben, die Methode wenigstens so zu ge- stalten, itass sie einen qua l i t a t i ven Naehweis mSgliehst kleiner Mengen gestattete. Wit mussten deshalb von vornherein yon eincr Identifieirung der 7,gohproducte ~ absehen und unser Bestreben musste dahin g e h e n - wenn aueh unter grossen Verlusten - - mSgliehst reine krystallinisehe Produete zu erhalten. Das gelingt aueh in vielen Fiillen. Die Modi- fication yon Embden liefert dagegen sehr wenig krystallinisches Product. An eine Elementaranalyse der bei unserem sehr geringen Ausgangs- material natiirlieh h/iuIig nur sehr sp~rliehen Produetmengen war nieht zu denken. Selbst zur W/~gung und einfaehen N-Bestimmung reiehten dieselben meist night aus. Wir mussten uns daher darauf beschr/tnken, den S c h m e l z p u n k t zu bestimmen und vor Allem die K r y s t a l l f o r m zu untersuehen. Namentlieh die letztere Bestimmung gab sehr braueh- bare gesultate. Man konnte deutlieh das ~-Naphtalinsulfoglyeoeoll in seinen typisehen Krystallen ~) aueh unter eventuell noeh beigemengten Vet-

1) Lang% abgebrochene Nadoln, in biisehelfSrmiger Anordnung.

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unreinigungen, die nieht krystalliniseh waren odor anders krystallisirten, herauserkennen. Solche Verunreinigungen in einigermaassen gr6sserer Menge' stSrten abet natiirlieh den Sehmelzpunkt ausserordentlich. Vor Allem war bei Bestimmungen aus Ham das sich nebenbei immer bildende Naphtalinsulfoamid hSchst stSrend. Man erkannte die Anwesenheit grSsserer Mengen stets an einer starken Versehiebung des Sehmelzpunktes naeh oben, und mikroskopisch im krystallinischen Niedersdhlag war es deutlieh durch seine eharakteristischen rhombisehen P1/ittehen yon den buschelf5rmig angeordneten Nadeln des fl-Naphtalinsulfoglycocolls zu unterseheiden. Eine vSllige Beseitigung des Amids dureh wiederholtes LSsen des Niedersehlages dureh Ammoniak und Wiederausf/illen dureh S~ure ist bei den kleinen, uns zur Verfiigung stehenden Mengen nieht immer zu erreiehen. Das Amid ist eben in Spuren auch in Ammoniak 15slieh und erseheint daher immer wieder.

Im tIarn ist es deshalb in vielen F/illen aueh bei dieser Art des Arbeitens nieht mgglieh, Glyeoeoll naehzuweisen. Sonst ist aber diese Methode sehr empfindlich; sie zeigt in wiissrigen L6sungen unter Um- st/inden noeh einen Glyeocollgehalt yon 0,01 pCt. mit Sieherheit an.

Viei leiehter als im Ham gelingt der Naehweis im Blute. Wit stellten zur Erg/inzung der friiheren Versuehe des einen yon

arts (11} folgende Versuche an: In 8 Liter Wasser wurden 21,6 g Harns/iure suspendirt und Li OH

in Substanz his zur L6sung (bei sehwaeh alkaliseher Reaction) zugefiigt. Diese L6sung wird mit Chloroform versetzt und auf 400 erwXrmt. Dazu werden 5600 eem frisehes, defibrinirtes, warmes Hammelblut gesetzt und die Misehung 24 Stunden bei 40o stehen gelassen. Mit der ~-Naphtalinsulfoehlorid-Methode nach F i s e h e r - B e r g e l l litsst sieh naeh Enteiweissen ein gohproduet darstellen, welches mikroskopiseh neben amorphen Tr6pfehen einzelne sehr schSne Biisehel~ aus langen Nadeln bestehend, enth/ilt. Naeh einmaligem Umkrystallisiren erh/ilt man eine Triibung aus dieken Wolken, welehe mikroskopiseh ein einheitliehes Pr//parat darstellt und sieh aus langen Nadeln zusammensetzt, welehe sieh bei NHa-Zusatz sofort 15sen. Getroeknet sehmilzt dieser Niederschlag bei 154 o (uneorr.). Der Aethylester dieses Pr'/iparates besteht aus langen 7 diinnen Nadeln, deren Menge zur Sehmelzpunktbestimmung nieht aus- reicht.

Zur Controle werden 2500 ecru desselben Blutes mit 4 Litern Wasser bei 40 o unter Chloroformzusatz stehen gelassen. Es tritt am Schlusse der Glyeocollbestimmung keine Triibung auf.

Ausserdem werden 2 Liter Blut nach der Modification yon Embdon (7) mit ~-Naphtalinsulfochlorid behandelt; es resuitirto ein roichlichor Niederschlag, der makroskopisch lange Krystalle darbot, mikroskopisch abet aus lauter Rhomben be- stand. Schmelzpunkt 218 °, unlSslich in NH s (Amid). -- Macht man 2 Litor Blut mit NaOH stark alkalisch und l~sst dioso Mischung 24 Stunden bei 40 o stehen und bo- arbeitet darauf diese Fliissigkeit nach Ignatowski, so orhMt man mit fl-Naphtalin- sulfochlorid koine Verbindung.

Damit ist also der Beweis geliefert, dass thats/iehlich, wie es schon yon F r e y (11) festgestellt war, im Blute nach einigen Stunden Glycocoll

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auftritt, wenn demselben vorher Harns/~ure zugesetzt war, dass aber dieser Befund nicht zu erheben ist, o]me Harns~turezusatz.

Damit ist auch zugleich der oben schon erw/thnte Einwarid yon A b d e r h a l d e n und S c h i t t e n h e l m (12) zuriickgewiesen. Die Autoren geben an, sie h/~tten die Versuche yon F rey ,wiederholOk Das haben sis aber in Wirkliehkeit garnicht gsthan, sondern sie haben mit einer gewogenen Menge yon Harns~iure versetztes Bht mehrere Stunden im Brutschrank stehen gelassen und dann den Harns/turegehalt bestimmt. Das zwischen dieser Bestimmung uud der urspriinglieh zugssetzten Harn- s/iuremenge sich ergebende Deficit nahmsn sis dann als die vom Blute zerstSrte Harns/~uremenge an und berechneten hieraus die daraus m~')g- lichsrweise entstehende Glycosollmengs, die sie als zu gering zum exaeten Nachweise bezeishnen. Die Autoren haben also nishts welter gemacht, als die bekannten, schon vor Jahrsn in viel sorgf/fitigerer Weise yon K l e m p e r e r (13) angestelltsn Versuehs wiedsrholt, in welshen dieser die urolytisehe F/~higkeit des Blutss zeigte. Die Autoren h~tten also ihre Bersshnung einfach auf Grund der Versushs K l e m p s r s r ' s anstellen ki3nnen und w/~ren dabei sogar zu noch niedrigeren Zahlen gekommen. Abet nach dem obsn Mitgetheilten miissen wir eine dsrartige Beweis- fiihrung als unstatthaft zuriiekweisen. Denn einmal kann m a n that- s/~chlieh --- zwar nieht slsmentaranalytisch, aber dosh, wis oben gszeigt, viS|lig einwandfrei! - - Glyeocoll in viel kleineren Mengen, als A bder- ha lden und S s h i t t e n h e l m annehmsn, in LSsungen naehweisen. Sodann abet kann ein Versueh der Art, wie ihn jene Autoren angestellt haben, garnieht gegen die yon uns gefundsne Thatsaehs herangszogen wsrdsn, dass im iiberlebenden Blute naeh Harns/~urezusatz Glyeoeoll auftritt, das sonst nismals darin zu finden ist. Denn wenn man auch zu tier Ver- muthung neigt~ das gefundene Glyeoeoll entstamme alles der zugesetzten Harns/tur% so sind auch noeh folgende M6glichkeiten mit in Betracht zu ziehen:

1. Die Harns~ture wirke zersttirsnd auf die Eiwsissk6rpsr des Blutss, und aus deren Abbau stamme das Glycocoll. (Diese Ansicht ist kiirzlish auch yon Cohn (5) ausgesprochen worden.)

2. Die Anwesenheit der Harns~ure verhindere den weiteren, nor- malsn Abbau des aus den Eiwsissk~irpsrn des Blutes stammenden Glyeoeolls.

Untsr diessn Umst//nden ist der Versueh yon A b d e r h a l d s n und S e h i t t e n h e h n in keiner Wsise beweisend. Die Tha t s aehe , dass im i ibe r lebenden Blute nach Harns / iu rezusa t z Glyeoeo l l au f t r i t t : b ls ib t demnaeh als u n w i d e r l e g t bes tehen.

Ein weiterer Einwand yon A b d e r hal d e n und S c hi t t e n h e 1 m riehtete sieh gegen den Naehweis yon F[rey~ class im gequetsehten Knorpel gleiehfalls Glyeoeoll zu finden set. Aueh gegen diesen Einwand ist alles alas anzufiihren, was wit oben tiber die Empfindliehkeit des Nachweises gesagt haben. Haupts~;ehlieh wenden abet gegen diesen Versush die Autoren ein, dass neben Glyeoeoll auch noeh andere Amidos/~uren ent- standen und im Naehweise mit aufgetretsn sein miissten. Dies gebsn wir ohne Weiteres zu. Gewiss werden in vielen F'/illen das Glysoeoll

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BeitrKge zur Kenniniss der Gicht. 601

noch andere Amidosiiuren begleiten 7 nur ist unter ihnen das Glycocoll am leichtesten zu bestimmen. Abet nach den Darlegungen yon P r e y (14) miissen sich diese im Organismus physikalisch-chemisch der Harns/iure gegeniiber genau so vertialten, wie Glycocoll, das man eben nut seiner leiehtcren Reactionsfahigkeit mit den angewandten geagentien wegen stets am leichtesten wird erkennen und nachweisen kSnnen.

Es mag bier auch auf eine inzwischen aus dem Hofmeis te r ' schen Institut hervorgegangene Arbeit yon A lmag ia (15) hingewiesen werden, welche die Absorption des Knorpelgewebes f(ir Harns/~ure behandelt.

A lmag ia legte Knorpelstiickchen in neutral oder ganz schwach alkaliseh reagirende UratlSs~mgen und fand, dass der Gehalt der L~sung an Harns~ure abnahm. Dabei nahmen die Knorpelscheiben ein fleckiges: getriibtes Aussehen an und man erkannte mikroskopisch deutliche Krystall- prismen. Dieser Absorptionsvorgang /tndert sich mit der Temperatur, bei 37 o wird sehr viel mehr Harnsgure aufgenommen, als bei 6 o Alto agia unterscheidet mit Recht zwei Theilvorg~nge: 7~1. Die Absorption der Urate, die m i t der Aufnahme yon krystalloiden und colloiden Stoffen durch Colloide in eine Reihe zu stellen ist. 2. Das Auskrystallisiren der aufgenommenen Urate, alas einerseits die Aufnahme weiterer Urat- mengen ermSglieht, andererseits geeignet ist, die normale Beschaffenheit des KnorpeIgewebes mechanisch zu zerstSren."

Wenn sich der erste Vorgang aus dem ,Vertheilungsgesetz ~ am ein- fachsten erkli~rt, so bereitet alas Ausfallen der Urate der Annahme einer besseren ,~LSslichkeit ~ der Urate im Knorpelgewebe als im Wasser Schwierigkeiten. Wir sind geneigt, das Auskrystallisiren der Harns/iure auf das entstehende Glycocoll zudiekzuftihren, welches die Urate nieder- schliigt und so wieder ein Concentrationsgef/ille nach dem Knorpel zu schafft; alle diese Urasetzungen verlaufen aber bei hSherer Temperatur schneller, als bei niedriger (s. o.). w~hrend ein Auskrystallisiren aus einer LSsung bei tiefer Temperatur schneller vor sich gehen miisste.

So kSnnen wir die thatsitchlichen Einwendungen A b d e r h a l d e n ' s und S c h i t t e n h e h n ' s ohne Weiteres zuriickweisen. Wit miissen aber den Autoren noch einen Vorwurf machen. Dieselben ziehen aus ihrer vermeintlichen Widerlegung der angefiihrten Versuche yon F r e y den weitgehenden Schluss: ,~Es existirt somit kein einziger Versuch, der die Theorie yon K i o n k a stiitzen wiirde, und die Frage nach der Aetiologie der Gicht ist so often wie nur je. ~

Aus diesem Satze geht hervor, dass die genannten Autoren die Arbeiten, die sie sogar angreifen, garnicht ordentlich gelesen haben kSnnen. Sonst wiirden sie gesehen haben, dass die ,Theorie ~ darin ent- wiekelt worden ist anf Grund ganz anderer Ueberlegungen und nicht fussend auf die beiden yon ihnen angegriffenen Versuche. Dieselben sind vielmehr erst in einer sp/tteren Arbeit, nachdem sehon in einer voraus- gehenden Abhandlung die ganze Theorie entwiekelt ist, mitgetheilt.

Di'e yon uns e n t w i c k e l t e T heo r i e tier Gich t b l e ib t also naeh wie vor auf Grund der aus den T h a t s a c h e n g ezo g en en Schl i i sse und a n g e s t e l l t e n U e b e r l e g u n g e n u n w i d e r l e g t be- s tehen .

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602 H. Kionka und E. Frey,

Naeh dem oben Gesagten seheint ein p r ine ip i e l l e r Unterschied in den Ausscheidungsverhiil~nissen der Aminos~turen zwisehen dem Giehtiker und dem Normalen nieht zu bestehen, wie dies aueh aus den neueren klinischen Untersuehungen yon F o r s s n e r (16) hervorgeht. Indessen ist dies ja auch garnieht der Kernpunkt der Prage, ebenso wenig wie es darauf ankommt, ob das Blut als solehes Itarns/iure zu Glyeoeoll ab- baut, wie es yon K l e m p e r e r (13) u. A. angenommen, yon E b s t e i n (1) u. A. bestritten wird. Pest steht jedenfalls naeh den bekannten Unter- suehungen yon Wiener u. 2.., dass in der Leber und den Nieren vieler Thiere Harns/iure zu Glyeoeoll abgebaut wird. F iir das menschliehe Nierengewebe ist dies ebenfalls neuerdings yon P f e i f f e r (17) naehge- wiesen worden. Pest steht ferner naeh den Untersuehungen yon Got t - l ieb, Loewi u. A., dass in der Leber versehiedener Thiere tin Ferment vorkommt~ welches Glyeocoll und wohl aueh andere Amidos/~uren welter zu Harnstoff oder einem diesem ghnliehen KSrper abbaut. Da nun naeh ZerstSrung des Lebergewebes dureh Phosphor oder andere Gifte oder krankhafte Processe aueh beim Nensehen grSssere Mengen yon Amido- s/iuren im Harn auftreten, so muss man wohl aueh beim Menschen die Th~tigkeit des Abbaus tier Amidos~uren in die Leber verlegen. Diese Function muss eine sehr intensive sein. Denn es kSnnen yore Organis- mus sehr grosse Mengen zugefiihrter AmidosSuren verarbeitet werden~ wie die Versuehe yon S to l t e (18) u. A. zeigten. Die Leistung der- selben ist noch um so hSher einzuseh~itzen~ wenn wit annehmen mtissten, dass der normale Abbau aller EiweisskSrper fiber das Glyeocoll ge- schehe, da doeh stets nur Spuren im Ham ausgeschieden werden.

Unter diesen Umst~.nden diirfen wit aber auch nieht annehmen, dass dem Giehtiker im Gegensatz zum Normalen die Fithigkeit, Amidos~uren abzubauen, ganz abhanden gekommen witre; alsdann miisste man bei dieser Krankheit stets ganz ungeheure Mengen yon Amidos/iuren im Ham finden, was aber nieht der Fall ist. Wit miissen daher fiir den Giehtiker nicht eine absolute, sondern nur eine relative Insuffieienz in dieser Function annehmen. So wird es aueh verst/~ndlich, dass zeitweilig bei einem solehen Individuum die - wenn aueh gegen die Norm verminderte - - Function doch ftir den momentanen Bedarf ausreiehen kann: alas eine Mal also - - bei relativ hohem UnvermSgen - - grosse, alas andere Mal --- bei relativ geniigender Leistung der Amidos~uren abbauenden Th~tig- keit - - nur geringe Mengen im Ham auftreten. Die absoluten Zahlen der A midosSurenausseheidung werden daher kein Bild fiber die GrSsse der betreffenden Function geben, da die absolute Inanspruchnahme der- selben weehselt.

Es lag nahe: zu versuehen, kiinstlieh das AbbauvermSgen fiir Amido- s/~uren relativ ungenfigend zu gestalten. Dies kann man ja einfaeh dadureh erreiehen, dass man grosse Mengen z. B. yon Glyeoeoll auf einmal in den KSrper einfiihrt, wie dies S to l l e (18) dureh intravenSse Infusion yon GlycocolllSsungen am Kaninchen~ S a l k o w s k i (19) dutch Beibringung sehr grosser Mengen yon Glyeocoll per os am Hunde erreieht haben. Wit versuehten dies dureh eine daue rnde Beeinflussung zu bewirken, und zwar dureh die Ern/~hrung.

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Beitriigs zur Kenntniss der Gicht. 603

Wir beobachteten die Ausscheidungen der Amidos/iuren an Hunden, die theils bei Mischfutter, t h c i l s - - v o n Gebur~ a n - bei reiner Fleisch- kost gehalten waren, bei Einfiihrung verschiedener Mengen yon Glyeoeoll und ohne dieselbe.

Aus dem Harn yon Hunden, die mit gewShnlieher Misehkost ern~hrt waren, haben wir in 37 Versuehen keine Spur yon GlyGocoll finden k6nnen; im Rohproduet waren Nadeln nieht zu entdecken und nach geinigung (z. B. zur Beseitigung von Amid) orhielten wit l~einen Niedorschlag mehr. Wenn wit den Schmelzpunkt des Rohproducts bestimmten, so erhielten wit Werthe yon 200--220 °, was far amidreiche Gomiseho sprechen wiirde.

Dagegen gelingt es aus dem Ham yon Hunden, welehe reine Pleisehkost dutch 15~ngere Zeit (1/2 3ahr) erhalten hatten, mitunter mikroskopiseh siohtbare Nadeln zu erhalten, deren SGhmelzpunkt einmal (Hund I 11100 g) bei 1540 lag. Verestert bilden sieh sehSne lange Nadeln. Naoh Eindamplen des 6tggigen Harnes dieses Hundes im Vacuum waren die Nadeln des fl-Naphtalinsulfoglycocolls zwar deutlich zu sehen, aber eine zu weiterer Analyse ausreiehendo Menge liess sieh nieht erhalten. Aueh ein zwoiter Hund yon 6000 g, welcher obenfalls 1/2 Jahr ausschliesslieh mit Fleiseh ern~hrt war, lieferte naeh Eindampfen des 4tiigigen Harnes die typischen Krystallnadeln im mikroskopisehen Bilde.

Um die F~ihigkeit des Glycoeollabbaues bei kiinstlicher Zufuhr zu priifen, er- hielten diese beiden Hundo je 15 g Glyeoeoll subeutan und desgleichen 2 Controll- thiere, die mit gemisehter Kost ernghrt waren. Dot Fleischhund [ (11 100 g) lieferte einen Harn, in dem mit dsr ~-Naphtalinsulfoehloridmethods deutliche Nadeln bei mikroskopiseher Bstrashtung zu erhalten waren. Aber gr6sssre Mengen als Spursn yon Glyeo¢oll traten auch danach nieht im IIarn auf. (Dis Sehmslzpunkte der Rob- products lagon an versehisdsnen Tagsn naeh dot Eingabe boi 185 °, 183 o und 195°.)

Der ldeine Hund I1 (6000 g) lieferte, wis zu srwartsn war, eine grSssere Mengs Glysoeoll (0,3522 g) yon typisehem Aussshen und veto Schmelzpunkt 156 0 (uncorri- girt) am erstsn 'rage naeh der Zufiihrung yon 15 g Glycocoll, ein Befund, der sohon von Salkowski (19) erhobsn worden ist.

Die beiden Controllhunde yon je 9250 g, die also beids kleinsr waren, als der Pleisehhund 1, liessen absr in ihrem Harn nach der subcutanen Beibringung vsn 15 g Glyeocoll trotzdem ]~eine Spur Glyeoeoll erkennen. Ein Rohproduet, das sieh gs- winnen liess, sehmolz bsi 218 o (Amid).

Somit l~sst sich aus dem tIarn yon Hunden, welche l~ngere Zeit ausschliesslich mit Fleisch erni~hrt wurden, Glycocoll in geringer Menge nachweisen. Bei Zufuhr yon Glycocotl trit~ im Harn yon solchen Hunden ebenfalls Glycocoll auf, und zwar naeh Dosen, die am normal ern~hrten I-Iund noch zu ke iner Glycocollausscheidung ffihren. Aber es handelt sich auch dann nur um Spuren yon Glycocoll (nur bei cinem sehr kleinen

Hunge traten grSssere Mengen auf). Wenn wit auch im Gegensatz dazu im Harn yon gemiseht erni~hrten

Hunden niemals Glycocoll gefunden haben: so wagen wir doeh aus diesen Befunden Sehliisse auf die urs~ehliche Bedeutung der Ern/thrung nicht zu ziehen, da nach den Arbeiten ,/on M a g n u s - L e v y (4), R. Cohn (5), W i e e h o w s k i (6), A b d e r h a l d e n und S e h i t t e n h e l m (20), Wohl- g e m u t h und N e u b e r g (21) aueh im normalen Harne Spuren yon Glyeoeoll auftreten k6nnen.

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604 H. Kionka und E. Frey~ Beitr~ige zur Kenntniss der Gioht.

L i t e r a tu r .

1. W. E b s t e i n , Die Natur und Behandlung der Gicht. 2. Aufl. Wiesbaden. 1906. 2. Kionka und Frey~ Beitr~ge zur Kenntniss der Gicht. 1--6. Zeitschrift ffir

experimentolle Pathologie und Therapie. Bd. 2. S. 1--45. 3. A l e x a n d e r Ignatowski~ Ueber das Vorkommen yon Aminos~uren im Harn,

vorzugsweise bei Gicht. Zeitschrift fiir physiologische Chomie. 1904. Bd. XLII. Heft 4. S. 371.

4. A. Magnus -Levy , Ueber die Herkunft desGlyeoeolls in der Hippurs~ure. Mfinch. med. Woehensohr. 1905. S. 2168.

5. R. Cohn, Zur Frage der Glyeocollbildung im thierischen Organismus. Arch. f. exp. Path. Bd. 53. S. 435.

6. W. Wiechowski , Die Gesetze der Hippurs~uresynthese. (Zugleich ein Beitrag zur Frage der Stellung des Glycoeolls im Stoffwechsel.) Hofmeister's Beitr. Bd. VII. S. 204.

7. F ranz Samue ly , Zur Frage der Aminos~uren nermMer nnd pathologiseher Harne. Zeitsehrift fiir physiolog. Chorale. Bd. 47. S. 316--390.

8. G u s t a v E m b d e n und Heinr ieh Reese, Ueber die Gewinnung yon Amino- s~uren aus normalem Ham. Hofmoister's Beitr. Bd. Vii. S. 411.

9. Berge l l , briefliche Mittheilung. 10. C. Neuberg und A. Manasse , Ber. d. dtsch, chem. Gesellseh. 38. 1359. 1905. 11. E. Frey , Beitr~ige zur Kenntniss der Gicht 5: Das Krankheitsbild ~Gicht ~ nach

Kionka's Theorie. Zeitschrift f. exp. Path. u. Thor. Bd. H. S. 36. 12. E. A b d e r h a l d e n und A. S c h i t t e n h e l m , Bemerkungen zu den Arbeiten yen

Frey fiber die Rolle des Glycocolls bei der Entstehung der Gicht. Zeitschrift L exp. Path. u. Thor. Bd. II. S. 431.

13. G. K lompere r , LSsung und Zorst~rung der Harns~uro im Blut Gesunder und Gichtkranker. Therapie dot Gegenwart. August 1901.

14. E. Frey , Beitr~ige zur Kenntniss der Gieht 4: Physicalisch-chemisches Verhalten des Glycoeolls bei tier F~llung harnsaurer Salze. Zeitschrift f. exp. Path. u. Thor. Bd. II. S. 26.

15. M. Almagia , Zur Lehre vom Harnsi~urestoffwechset. III. Mirth. Ueber das Ab- sorptionsvermSgen der Knorpelsubstanz fiir Harns~ure. Hofmeister's Beitr. Bd. YI[. Heft 10 u. 11.

16. F r o s s n e r , Zeitschr. f. physiolcg. Chemie. 47. Heft 1. 17. W. Pfe i f fe r , Zur Lehre vom Harns~urestoffweehsel. II. Mitth. Ueber die Zor-

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