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VIII. Aus der Kgl. Universitiits-0hrenklinik zu Halle a. S. (Direktor Geh. Rat ProL Dr. H. Sehwartze). Beitr~ige zur operativen Freilegung des Bulbus venae jugularis. (Fortsetzung). Yon Dr. Laval~ fr. Hilfsassistent der Klinik, jetzt 0hrenarzt in Magdeburg. Fall I. Oskar Sch6nfeld, 9 Jahre alt, aus Halle a. S.; aufgenommen am 11. April 1904, entlassen am 15. Juli 1904. Anamnese: Beginn mit 0hrschmerzen links vor vier Wochen, bald darauf Ohreiterung, seit einigen Tagen erneute Kopfschmerzen, Fieber und Mattigkeit. Schmerz in und hinter dem linken 0hre, 0hrensausen. Da auch Schwellung hinter dem Ohre aufgetreten ist, wird der Patient der Klinik zugeftihrt. S t a t u s p r a e s e n s: Schw~chlicher, an~mischer Knabe, macht den Ein- druek eines Schwerkranken. Herz und Lungen ohne Besonderheiten, ge- ringe Milzschwellung, siimtliche Reflexe erbalten, Pupillen gleich groii, reagieren prompt, kein Nystagmus, Augenhintergrund ohne Besonderheiten. Urin normal. Temperatur 39,8. Umgebung des Ohres: Geringe Anschwellung hinter dem linken Obre. Sehmerzen bei Druck in der ganzen Ausdehnung des Prec. mast., besonders hochgradig in der Gegend des Emissarium. Geb6rgang- und Trommelfellbefund: Links: Geh6rgang welt, Trommelfell hinten oben vorgew61bt uud ger6tet, vorn unten in der Nahe des Umbo verklebte Perforation, kein Eiter im @eh6rgang. Reehts: Otitis externa. H6rpriifung: Rinne beiderseits positiv, Fliistersprache rechts I m, links ~/2 m. Fis 4 beiderseits normal, c t nicht lateralisiert. D iag n o se: Akute Mastoiditis, Sinusthrombose. Auf Parazentese des Trommelfells entleert sich etwas dtinnfltissiger Eiter. 12. April. T y p i s c h e A u fm ei 1~ 1u n g 1i n k s : Weichteile etwas speckig infiltriert. Corticalis blutreich. Im Antrum und Aditus dtinnflfissiger grttn- gelber Eiter. Nach Wegnahme der Spitze des Proc. mast. zeigen sich auch die in der Tiefe freigelegten Zellen eitrig infiltriert. Freilegung des Sinus yore Knie his zum Bulbus hin. An der Einmlindungsstelle des Emissarium, sowohl auf diesem wie auf dem Sinus, fibrinSse Auflagerungen in geringer, kleinbohnengrot~er Ausdehnung. Sinuswand etwas verfi~rbt. Bei Sondierung gelangt man bier in eine Fistel6ffnung des Sinus, es quillt nur wenig Blur naeh der Herausnahme der Sonde hervor. 1Nach Jugularisunterbindung Spaltung des Sinus in der ganzen freigelegten L~nge. Vom Sinus trans- versus her starker Blutstrom, dagegen unterhalb der Einmtindung des Emis- Archly f. Ohrenheilkun4e. LXIX. Bd. 11

Beiträge zur operativen Freilegung des Bulbus venae jugularis

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Page 1: Beiträge zur operativen Freilegung des Bulbus venae jugularis

V I I I .

A u s der Kgl . U n i v e r s i t i i t s - 0 h r e n k l i n i k zu H a l l e a. S. ( D i r e k t o r

Geh. R a t P r o L Dr . H. S e h w a r t z e ) .

Beitr~ige zur operativen Freilegung des Bulbus venae jugularis. (Fortsetzung).

Yon

Dr. Laval~ fr. Hilfsassistent der Klinik, jetzt 0hrenarzt in Magdeburg.

F a l l I. Oskar Sch6nfeld, 9 Jahre alt, aus Halle a. S.; aufgenommen am 11. April 1904, entlassen am 15. Juli 1904.

A n a m n e s e : Beginn mit 0hrschmerzen links vor vier Wochen, bald darauf Ohreiterung, seit einigen Tagen erneute Kopfschmerzen, Fieber und Mattigkeit. Schmerz in und hinter dem linken 0hre , 0hrensausen. Da auch Schwellung hinter dem Ohre aufgetreten ist, wird der Patient der Klinik zugeftihrt.

S t a t u s p r a e s e n s: Schw~chlicher, an~mischer Knabe, macht den Ein- druek eines Schwerkranken. Herz und Lungen ohne Besonderheiten, ge- ringe Milzschwellung, siimtliche Reflexe erbalten, Pupillen gleich groii, reagieren prompt, kein Nystagmus, Augenhintergrund ohne Besonderheiten. Urin normal. Temperatur 39,8.

U m g e b u n g d e s O h r e s : Geringe Anschwellung hinter dem linken Obre. Sehmerzen bei Druck in der ganzen Ausdehnung des Prec. mast., besonders hochgradig in der Gegend des Emissarium.

G e b 6 r g a n g - u n d T r o m m e l f e l l b e f u n d : Links: Geh6rgang welt, Trommelfell hinten oben vorgew61bt uud ger6tet, vorn unten in der Nahe des Umbo verklebte Perforation, kein Eiter im @eh6rgang. Reehts: Otitis externa.

H 6 r p r i i f u n g : Rinne beiderseits positiv, Fliistersprache rechts I m, links ~/2 m. Fis 4 beiderseits normal, c t nicht lateralisiert.

D i a g n o se: Akute Mastoiditis, Sinusthrombose. Auf Parazentese des Trommelfells entleert sich etwas dtinnfltissiger

Eiter. 12. April. T y p i s c h e A u fm ei 1~ 1 u n g 1 i n k s : Weichteile etwas speckig

infiltriert. Corticalis blutreich. Im Antrum und Aditus dtinnflfissiger grttn- gelber Eiter. Nach Wegnahme der Spitze des Proc. mast. zeigen sich auch die in der Tiefe freigelegten Zellen eitrig infiltriert. Freilegung des Sinus yore Knie his zum Bulbus hin. An der Einmlindungsstelle des Emissarium, sowohl auf diesem wie a u f dem Sinus, fibrinSse Auflagerungen in geringer, kleinbohnengrot~er Ausdehnung. Sinuswand etwas verfi~rbt. Bei Sondierung gelangt man bier in eine Fistel6ffnung des Sinus, es quillt nur wenig Blur naeh der Herausnahme der Sonde hervor. 1Nach Jugularisunterbindung Spaltung des Sinus in der ganzen freigelegten L~nge. Vom Sinus trans- versus her starker Blutstrom, dagegen unterhalb der Einmtindung des Emis-

Archly f. Ohrenheilkun4e. L X I X . Bd. 11

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162 VIII. LAVAL

sarium eitrig zerfallener obturierender Thrombus, der mit dem scharfen LSffel entfernt wird, darauf Blutung vom Bulbus her. Tamponade. Verband.

Abends 39,8. Patient hat die Operation gut iiberstanden. i3. April. Temperatur normal, Puls 90, Euphoric. 16. April. Temperatur dauernd normal, Pals 68, Patient schlaft vie],

Appetit befriedigend. 18. April. Temperatur 37,l~ Puls I00. Erster Verbandwechsel. Bei

Entfernung des nach dem Bulbus zu eingefiihrten Tampons keine Blutung, peripher geringe Blutung~ weshalb ein Tell des Tampons liegen bleibt. Wunde sieht gut aus, beginnt zu granulieren, GehSrgang trocken.

19. April. Abendtemperatur ;~7,9. 20. April. Verbandweehsel. Temperatur 37,1, Puls 90. Wunde gra-

nuliert, sieht gut aus. Tampon nach dem Sinus transversus gelockert. Nach dem Bulbus zu steht im Sinus kein Eiter. Appetit and Allgemeinbe- finden gut.

21. April. Abendtemperatur 38,0. 22. April. Temperatur 36,7. Verbandwechsel. Wunde sieht gut aus.

Tampon aus dem Sinus transversus entfernt, keine Blutung. Am Halse zwi- schen beiden Wunden eine geschwellte Lymphdrlise.

23. April. Abendtemperatur 37,8, Puls 93. 24. April. Abendtemperatur 37,2. Verbandwechsel. Wunde sieht gut

aus~ Drfise am Halse vergr61~ert, feuchter Verband mit Burowscher L6sung. 25. April. Temperatur 38,7. 26. April. Temperatnr 37,1. Da beim Verbandwechsel in der Tiefe

Eiter yore Bulbus her hervorquillt, wird die Jugularis gespalten. Ausflut~ yon Eiter. Durchsptilung gelingt nicht. Drainage der Jugularis. Anurie, feuchtwarmer Umschlag auf den Unterleib.

27. April. Temperatur 38,7. Verbandwechsel. Aus der Jugularis kein Eiter, dagegen quillt vom Bulbus her gelber : ~er nach Entfernung des Tampons hervor. Durchsptilung nicht m6glich. Abendtemperatur 40.

28. April. Temperatur 37,9, Puls 114. Patient klagt fiber Kopfschmerz, Schmerzen in der Nackengegend. Geringer Nystagmus. Linksseitiger pleu- ritischer Erguit. Probepunktion ergibt trfibe diplokokkenhaltige Fliissigkeit~ ungefi~hr 40ccm, B u l b u s o p e r a t i o n F r e i l e g u n g des I tu lbus und t ier V e n a j u g u l a r i s i n t e r n a . A u s dem B u l b u s wi rd ein f e s t e r T h r o m b u s e n t f e r n t . Die W a n d u n g t ier J u g u l a r i s i s t g e l b g r f i n v e r f a r b t , die g a n z e U m g e b u n g su lz ig , i n f i l t r i e r t u n d g e s e h w o l - len. Temperatur nachmittags 38,0~ Puls ll0y Kopfsehmerz noch vorhanden, deshalb Eisblase.

29. April. Temperatur 38,1~ Pals 122~ pleuritisches Exsudat zurfick- gegangen, wo gestern D~mpfung~ heute pleuritische Reibeger~msche.

30. April. Temperatur 37,6, abends 39,l, Puls i12: Kopfschmerz. Appetit befriedigend.

2. Marl Temperatur 36~7~ Puls 112. Kopfschmerzen geschwunden, links hinten unten schwache pleuritische Reibegerhusche. Atemger~usch nicht abgeschwaeht.

3. Mai. Verbandwechsel. Wunde reinigt sich, die Umgebung der Wunde noch derb infiltriert~ in der Unterkieferwinkelgegend vereinzelte geschwollene Driisen. Links hinten unten fiber der Lunge ist pleuritisches Reiben noch zu hiiren. Keine Abschw~tchung des Atemger~usches. Unterhalb der alten Punktionsstelle eine etwa zwei Querfinger breite Schallabsehwachung. Ge- ringer Hustenrelz. Temperatur fhllt allmhhlich.

6. Mai: Abends wieder hohe Tempetatur, morgens Abfall um etwa 2% Lungenbefund unverandert. Nochmalige Probepunktion im zehnten Inter- kostalraum ergibt nur wenige Tropfen schleimig-blutiger Fltissigkeit.

8. Mai. Das Eiterfieber besteht fort. Keine Anderung im Befund. 10. Mai. l]ei Druck auf die linke Parotis entleert sieh aus einem Fistel-

gang reichlich rahmiger Eiter in die Op.erationshShle. Tamponade des Gan- ges. Temperatur fa[lt ab.

12. Mai. Verbandweehset. Heute entleert sich aus einem Gang% der nach tier Wirbels~ule ftihrt, viel rahmiger Eiter. Narkose. Es werden zwei

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Beiirhge zur operativen Freilegung des Bulbus venae jugularis. 163

Senkungsabszesse gefunden, yon denen der eine zwischen Querfortsatz des Atlas und Hinterhaupt, der andere bis vor die WirbelkSrper zu verfolgen ist. Reichliche Eiterentleerung. Tamp0nade.

13. Mat. Abendtemperatur wieder hSher. Aus beiden Eiterg~ngen reichliche Eiterentleerung, Erweiterung der G~nge, sodaI~ aus belden eine H5hle wird. Entfernung des rauh sich anfahlenden Querfortsatzes des Atlas. Auch an der vorderen Fl~che des WirbelkSrpers ist rauher Knochen zu ftihlen. Bet der Untersuchung der hinteren Raehenwand per os fiihlt sich dieselbe ~dematSs an, keine besondere VorwSlbung daselbst. Drain, trockener ¥erband.

15. Mat. Heute entleert sich auch aus dem unteren Wundwinkel reich- lieh Eiter. Daselbst ein Fistelgang, der hinter der Articulatio sterno-clavi- cutaris naeh der Pleurakuppel fiihrt, ohne dieselbe zu erreichen. Digitale Erweiterung des Ganges, Tamponade aller Buchten und G~nge. Temperatur unver~ndert hoch. Pals beschleunigt, mittelkrhftig, regelmal~ig.

19. Mat. Temperatur ist ailmi~hlich gefallen. ]m Befand der Wunde keine Anderung. Die rechte Pupille erscheint heute welter als die linke, zeigt aber gate Reaktion. Pals besehleunigt. ?2her den Lungen normaler Befund. Geringer Dekubitus infolge h~,ufigen Bettn~ssens.

25. Mat, Temperatur heute normal. Die Eiterabsonderung ist ge- ringer geworden. Wohlbefinden.

5. Juni. Temperatur meist normal geblieben. Die Eiterabsonderung ist wesentlich geringer geworden. Der Fistelgang am unteren Wundwinkel hat sich geschlossen. Auch die grol~e WundhShle, die nach der Wirbel- s~ule zu and hinter den 0sephagus ftihrte~ ist bedeutend kleiner geworden. Dekubitus geheilt. Die rechte Pupille ist noch welter ats die linke. Deut- Iiche Facialisparese rechts.

12. Juni. Wunde hat sich in den letzten Tagen auffallend verkleinert, nur noch geringe Eiterabsonderung. Temperatur normal.

22. Juni. Wunde bis auf eine kleine Stelle verheilt. Pat. steht auf. ]5. Juli. Wunde ist seit mehreren Tagen fast vernarbt. Die linke

Halsseite erscheint durch partielle Atrophie der Muskulatur abgeflacht; der Querfortsatz des Atlas springt etwas vor. Mittelohr trocken. Fltistersprache reehts 7, links 6 m.

Mat 1905. Patient stellt sich wieder vor, da durch kleine Verletzungen sich nassende Exkoriationen auf der I~arbe gebildet haben. Die Exkoria- tionen heilen schnell unter Pulverbehandlung. Aul~er der umfangreichen l~arbe, die in der Hiihe des Ohrl~ppchens 3 cm breit ist, ist eine Atrophie des Musculus sternocleidomastoideus and eine Volumabnahme der seitlichen Halsmuskulatur zu konstatieren. Sie ist auf die operative Freilegung der Senkungsabszesse zurttckzuftihren. Eine weitere Folge besteht darin, da~ durch da s ~berwiegen der rechtsseitigen Nackenmuskulatur eine Drehung des Kopfes gegen die Halswirbels~ule nach rechts and dadurch eine leichte Prominenz des linken Processus transversus Atlantis nach seitlich hinten bedingt ist. Der Kopf ist in seinen Bewegungen unerheblieh eingesehr~nkt, Arme and Schultern vSllig fret. Die Facialisparese ist geheilt. Der funk- tionelle Befund des Ohres ist normal. Die Facialisparese ist v011ig ver- schwunden.

E p i k r i s e. I n der au f die J u g u l a r i s u n t e r b i n d u n g and Sinus-

opera t ion fol~'enden Woche war im Beginn ein vSlliger Abfall

der Tempera tu r zur :Norm zu konstatieren~ dann aber folgte

innerha lb wei terer 8 Tage mit et l ichen Remiss ionen ein al lm~h- l icher Anstieg~ der am 27. April 400 erreichte. Gleichzeit ig kam

eine ausgesprochene Metastase in Form eines pleur i t ischen Ex-

sudats zur Beobaehtung. Es war daher zu vermuten~ dal~ an

i rgend ether Stelle des infizierten Gefiii~bezirks noch ein Ei ter- t1"

Page 4: Beiträge zur operativen Freilegung des Bulbus venae jugularis

164 "VIII. LAVAL

herd vorhanden war, fur den trotz der bisherigen welt zentral- warts durehgeflihrten Sinusfreileg'ung kein gentigender AbfluB vorhanden, der vielmehr in weiterer Ausdehnung begriffen war. Der Kopfschmerz, der besonders in die Naekengegend verlegt wurde, zumal der wiederholt negative Ausfall des Dureh- sptilungsversuchs yon der Jugularis her, wies auf Bulbusthrom- bose bin. Wir entsehlossen uns daher zu der radikalen Bulbus- und Jugularisfreilegung. Aber aueh trotz der Operation hielt das Eiterfieber, wenn aueh in geringerer HShe, noch tiber drei Woehen an. Die Ursaehe waren mehrere Senkunffsabszesse, die bei der Operation noeh nieht erkannt werden konnten und bei der kSrperliehen Reduktion des Patienten sieh allmahlieh ausgedehnt hatten. Yon Interesse sind besonders die Senkungen naeh hin- ten zwisehen Proeessus transversus Atlantis and Hinterhaupts- sehuppe und naeh vorn hinter der Parotis hindureh naeh dem Pravertebralraum.

Bei dem starken Verfall der KSrperkrafte des yon vornher- ein sehleeht gen~hrten Patienten war die Prognose des Falles ziemlieh sehleeht. Wir sehreiben den sehliefiliehen gtinstigen Ausgang lediglieh der ausgedehnten Bulbus- und Jugularisfrei- legung zu; denn diese allein ermSglieht die Beherrsehung der dutch Senkungsabszesse aul~erordentlieh komplizierten EiterhShle.

Die Faeialisparese kam erst etwa seehs Woehen naeh der Bulbusoperation zur Beobaehtung. Sic steht also nicht in Be- ziehung zu dieser, sondern ist wohl auf Infektion des Nerven durch den vorderen, zum Tell periparotischen SenkungsabszeB zurliekzufiihren.

F a l l II. Carl Berger, 36 Jahre att, Arbeiter, aus Greppin bei Bitter- feld; aufgenommen am t7. April 1904, entlassen am 14. September 1904.

A n a m n e s e : Bei gleichzeitig bestehendem Schnupfen traten am 10. April heftige Scbmerzen im reehten Ohre auf. Dabei klagte Pat. tiber Sausen, Schwerhfrigkeit im kranken Ohre und Schwindel.

~achdem am Tage vor tier Aufnahme in tier Poliklinik Parazentese gemacht war, hatten Schmerzen und Schwindel sofort aufgeh6rt.

S t a t u s p r a e s e n s : Krhftig entwickelte Muskulatur, fahle unreine Gesichtsfarbe, Chlorakne m~.l~igen Grades. Kein Nystagmus, Pupillen gleich grog, reagieren prompt. Herz und Lungen ohne Besonderheiten. Tempe- ratur, Puls und Urin normal.

O h r b e f u n d : Keine Weichteilschwellung. Druckschmerz an der Spitze des rechten Prec. mast. GebOrgang welt, Trommelfell m~Big gerStet, hinten unten Parazentesenfffnung, aus der eitriges Sekret ilieBt. Linkes Trommel- fell normal.

I t f r p r i i f u n g : Rinne reehts -j-. F1Qstersprache rechts ~/~ m, Fis4 normal, c ~ nach rechts lateral.

Bei C a t h e t e r i s m u s t u b a e h6rt man rechts Perforationsgerhusch mit Rasselgerhuschen.

D i a g n o s e : Akute Eiterung rechts.

Page 5: Beiträge zur operativen Freilegung des Bulbus venae jugularis

Beitrage zur operativen Freilegung des Bulbus venae jugularis. 165

17. April. Temperatur 36,6. Eisbtase hinter das rechte 0hr. Bettruhe. 19. April. Eisblase wird fortgelassen, da die Empfindlichkeit dos Prec.

mastoid, geschwunden. Sekretion bat etwas nachgelassen. 28. April. Am Abend re,her Temperatur 38,4. Schfittelfrost, Schmer-

zen in den Zahnen, besonders im rechten Unterkiefer. Eiterretention, des- halb Erweiterung der ParazentesenSffnung.

29. April. Temperatur 37,2, profuse Sekretion, Schmerzen in der Gegend des rechten Emissarium. Eisblase, Bettruhe.

10. Mai. Sekretion hat erheblich nachgelassen, keine Schmerzen mehr. i6. Mai. Pat. lag bis heute in der Filiale und wird heute, da er ~ber

Schm£rzen im linken 0hre klagt, auf die Station genommen. Linkes Trommel- fell gerStet, obon und hinten vorgewSlbt. Parazentese, wobei sich etwas dannfl~issiger Eiter entleert. Temperatur 38,6. Geringe Druckempfindtich- keit des linken Prec. mast Eisblase, Bet~ruho.

17. Mai. Temp. 37,9--38,6. 18. Mai. Temp. 37,5--38,6. 19. Mai. Klagen tiber Kopfschmerzen in der linken Stirngegend und

stechende Schmerzen im linken Ohr. Parazentesenwunde klafft weir, spar- liche dfinne Eiterabsonderung, nicht fibelriechend. In der Gegend des lin- ken Planum ()dem, keine sichere Fluktuation, starke Druckempfindlichkeit des ganzen Processus mastoideus. Pupillen beiderseits gleich weir, reagieren prompt. Augenhir, tergrund normal, kein Nystagmus, keiae SprachstOrungem Gang sicher, kein Schwindel. Reflexe normal. Am rechten Ohre nur ge- tinge ~Eitersekretion, sonst ehne Besonderheiten. Temperatur 37,6--38,0.

20. Mai. Befund unverandert. Pat. hat schlecht geschlafen, Tem- peratur 36,7.

Typ i s che Aufmei l~lung links. Geringes Odem des Periosts, Btut- punkte auf dem Planum mastoideum vermehrt. Antrum ziemlich groin, ent- halt keinen Eiter, abet grfinlich mil~farbene eitrig infiltrierte Schleimhaut. Dura wird fiber dem Aditus freigelegt, da hier Eiter enthattende Zellen bis an die Tabula vitrea heranreichen. Resektion der SpRze. Es finder slch bier neben mehreren Eiter und geschwellte Schleimhaut enthaltenden Zeilen eine zentral gelegene vSllig weii]e nekrotische Partie der Zellzwischenw~nde von im ganzen Bohnengr(ifle. Zellen, samtlich mit mAi]ig geschwellter, in- jizierter und mit Eiter bedeckter Schleimhaut ausgekleidet, ziehen weir nach hinten in das Os occipitale hinein und naeh oben bis fiber das Knie des Sulcus transversus hinauf. Senkrechter Weichteilschnitt nach hinten auf den ersten Hautschnitt aufgesetzt. Das Emissarium mastoideum zieht etwa 4 mm Durchmesser haltend, in geschl~mgeltem Verlaufe durch die er- wahnten Zellen hindurch. Bei seiner Freilegung tritt eine mM~ige Blutung aus drei kleinen Yerletzungen der Wandung ein. Der Sinus sigmoideus, der auffallend weir medialwarts liegt, wird in der Ausdehnung einer Bohrm freigelegt, seine Wand ist weii~lich ~erdickt, aber glair. Tamponade, Fixa- tionsnahte, Verband. Temp. abends 37,1, nachts 39,7--38,2.

21. Mai, Temp. 37,6--38,8, nachts bis 3S,5. 22. l~Iai. Temp. 37,6--38,1. Kopfschmerzen geschwunden, Pat. ffihlfi

sich wohler. Verbandweehsel. Wunde sieht schmierig aus. 23. Mai. Temp, 37,4--38,1, nachts 39,5--39,6--39,7, 24. Mai. Temp. 3%0--39,3. Pat. war in den letzten Nachten sehr

nnruhig, ktagt wieder tiber Sehmerzen in der linken Stirngegend und aul~er- dem tiber Klopfen in der Operationswunde. An den Augen normaler Be- fund. Beklopfen des Kopfes nicht besonders schmerzhaft. Puls besehleu° nigt (120), regelmfi£ig und leidlich kraftig. Stuhl in letzter Woche angehalten, sodal~ oft Klystier gegeben werden mul~.

S i n u s o p e r a t i o n : Unterbindnng der vSllig kollabierten Yena jugu- laris interna oberhalb der Vena facialis. Weitere Freilegung des Sinus. In der Sinuswand eine Fistel, aus der braunliche dfinnflfissige Jauche qnillt. Er6ffnung des Sinus und Entfernung yon Thrombenmassen mit dem scharfen L6ffel. Veto Bulbus her nur sp~rliche Blutung. Aus dem peripheren Ende ein ungefahr 3 cm langer Thrombus entfernt, dessen zentrales Ende eitrig

Page 6: Beiträge zur operativen Freilegung des Bulbus venae jugularis

166 ¥III. LAVAL

zerfallen ist. Darauf sehr kr~ftige Blutung. Tamponade mit Jodoformgaze. Temperatur nachts dauernd sehr hoch, bis 39,6.

25. !~Iai. Temperatur 3%0--38,0. Auch sonstiger Befund unver~ndert. Da eine Durchspfilung des Bulbus yon der Jugularis her scheiterte, wird zur B u l b u s o p e r a t i o n geschritten: F r e i l e g u n g des g r a ug r f i n l i c h ver- f ~ r b t e n B u l b u s und der Vena j u g u l a r i s in f ib l icher W e i s e S p a l t u n g der W e i c h t e i l e yore B u l b u s her. In l e t z t e r e m ve r - f a r b t e r zum Te i l e i t r i g z e r f a l l e n e r T h r o m b u s , der s i ch fas t his zur U n t e r b i n d u n g s s t e l l e der J u g u l a r i s e r s t r e c k t und im Z u s a m m e n h a n g h e r a u s g e n o m m e n wird. E x z i s i o n der J u g u - l a r i s w a n d u n g bis zum Bulbus bin.

Temperatur, die abends 39,3 erreicht, f~llt nachts allm~hlich ab bis 37,5. 26. Mai. Temp. 37,3-37,9--38,4-'.~7,1. ~7. Mai. Temp. 37,2--38,8--38~9--38~2. 28. Mai. Temp. 37~5--~7~7--38~0-37~4. 29. Mai. Temp. 37,4 morgens, noch nicht zur Norm zurfickgekehrt.

Patient ist sehr unruhig, klagt zeitweise fiber stechende nnd klopfende Schmerzen in der Operationswunde. Wundfli~chen blaB, zum Teil mit schmierigem~ nicht besonders iibelriechendem Eiter bedeckt. Aus Aditus und Bulbus geringe diinnflitssige Eiterabsonderung. Obstipation halt an. An den Augen keine Abweichung yore Normalen. Refiexe gut vorhanden, Innere Organe gesund. Urin zuerst klar, trfibt sich dann leicht, geringe Albumenmenge. Puls beschleunigt, sonst ohne Besonderheiten. Temperatur nachts 37,6-38,1--37~1.

30. Mai. Temp. 37,2--37,~--37,7--37~3. 31. Mai. Temp. 37,4-3~9--39,2--37,4. Jodoformekzem, Verband mit

Xeroformgaze. 1. Juni. Temp. 37,4--37,0--36,7. 2. Juni. Temp. B7,3--40,0--40,6--38,8. 3. Juni. Temp. 38,7--39,0--38,6. 4. Juni. Temp. 37,9-38,7--37,5--38,6. 5. Juni. Temp. 38,0--38,0--39,0--37,7. Puls 126, kraftig, regelm~U3ig. 6. Juni. Temp. unver~ndert hoch. Puls 96, regelm~l]ig. Atmung 21,

ergiebig und gleichmal~ig. Wunde unvergmdert. Am Skrotum kleine Haut- metastase. Spaltung, es entleert sich Eiter. I~achts starke Schweil~e~ doch kein Schfittelfrost.

8. Juni. Temp. 37,4--39,0--39,i--37,9. Nachmittags Schiittelfrost yon einigen Minuten Dauer. Wunde am Skrotum fast verheilt, die am Ohr ohne Besonderheiten. Patient klagt fiber Schmerzen rechts vom Manubrium des Brustbeins, ausstrahlend nach der rechten Schulter. Unterhalb des reehten Sternoclaviculargelenks eine markstfickgroI~e Anschwellung, sehr druckempfindlich, keine Fluktuation. Hydropathischer Verband.

9. Juni. Temp. 38,1--38,9--39,5-3~,9-3~,3. Schfittelfrost. 10. Juni. Temp. 38,7--39,2-39.0-3S,4--37,5. Schtittelfrost, 20 Mi-

nuten anhaltend. Puls 126~ kraftig. Atmung etwas beschleunigt~ regel- mhfiig.

13. Juni. Temp. 36,8--40,4--38~9. Nachdem die Temperatur in den beiden letzten Tagen fast normal gewesen~ heute wieder Schfittelfrost, ~/: Stunde lang~ starker SchweiB. Skrotalwunde geheilt, Anschwellung am Sternoclaviculargelenk nicht ver/~ndert. Probepunktion negativ, innere Organe ohne Besonderheiten.

17. Juni. Seit 4 Tagen hohe Temperaturen, morgens zwisehen 38 und 39 ~, abends zwisehen 39 und 40 °, am 14. und heute Schfittelfrost. Patient sieht sehr elend aus. Pals meist 120, krhftig und regelm~i~ig. Atmung ohne Besonderheiten, ebenso Wunde am Ohr. Die Anscbwellung am rechten Sternoclaviculargelenk ist zuriickgegangen. Einspritzung yon 3 ccm Men- zerschen Streptokokkenserum. Temperatur 38,9--40,2--39,5--37,9 °.

18. Juni. Temperatur 38,i--39,4--39,1--38,5--37,7 o, 5 ccm Serum. 19. Juni. Temperatur 37~{)--37,8--39,i--37,8 °, 5 cem Serum. 20, Juni. Temperatur 38,0- 38,4--39,2--37,3--38,5 °, seit dem 17. Juni

keine SchfittelfrSste mehr, Befinden unverandert.

Page 7: Beiträge zur operativen Freilegung des Bulbus venae jugularis

Beitr~ge zur operativen Freilegung des Bulbus venue jugularis. 167

21. Juni. Temperatur 38,0--38,4-37,6--39,2--37,0 °. 22. Juni. Temperatur 37,'~--38,3--39,4--38,8--36,9, 10 ccm Serum. 23. Juni. Temperatur 37,3--39,4- 40,I--40~3--38,5. Heute wieder leich-

ter Schfittelfrost, eine Viertelstunde dauernd, starker Schweil~. Patient will sich heute im allgemeiaen wohler ftihlen.

27. Juni. Temperatur etwas gefalien, zwischen 36,8 und 39,5 °. Schtittel- frost nicht wieder aufgetreten. Leidliches Wohlbeflnden.

30. Juni. Temperatur welter gefatlen, hat 39,8 ° nicht iiberschritten. Patient ist ruhiger und ftihlt sich wohl. Wunde heilt langsam; reichlicher Appetit.

10. Juli. Seit dem 1. Juli halten sich die Morgentemperaturen dauernd unter 37,0 °, abends wurde 38,6 ° meistens fibersehritten.

20. Juli. Patient ist seit etwa 5 Tagen so gut wie fieberfrei, er steht auf. Wunde granuliert stark, aus der Gegend des Bulbus noch Eiterabson- derung.

5. August. Aus der Gegend des Bulbus noch st~trkere Eiterabsonderung. 30. August. Balbus granuliert jetzt zu, Aditus6ffnung bleibt bestehen.

Well sich hier Eiter entleert, wird veto GehSrgang aus durchgesptilt. 14. September. Wunde vSllig lest vernarbt, his auf geringe Granula-

tionen im Aditus, chronische Eiterung nach dem GehSrgang. Patient wird entlassen und poliklinisch welter behandelt.

Mai t905. Patient hat sich dauernd nur einmal in drei Wochen vor- stellen kSnnen. Die chronische Eiterung ist daher noch nicht v011ig ausge- heilt, dech besteht nur geringe, etwas fStide Sekretion. Der Aditus ist ge- schIossen, der Hautiiberzug zeigt hier nur einige oberfl~chliche Granula- tionen. Die Narbe ist im tibrigen lest und glatt. Patient behauptet, nur ganz Ieichte Arbeit tun zu k6nnen. Die Bewegungen seines linken Armes sind nur unerheblich beim Heben desselben eingeschrankt. Der Sternocleido- mastoideus ist mht~ig atrophiert, ebenso in noch geringerem Mat~e die vor- deren Partieen des Cucullaris. Patient aggraviert augenscheinlich. HSrweite ftir Fltistersprache rechts 5 m, links 1/~ m.

E p i k r i s e . Withrend die rechtsseitige Ohrciterung'~ obwohl sie yon liingerem Fieber und einem Sehiittelfrost begleitet war~ bei etwa vierwSehiger Dauer abklang~ ftihrte die interkurrente linksseitige Eiterung zu lebengefi~hrdenden Komplikationen. Die am 5. Fiebertage vorgenommene typische Aufmeiiselung deekte sine ausgedehnte eitrige Entztindung der Zellen des umfang- reiehen Warzenfortsatzes auf, die bereits zur partiellen Knoehen- nekrose geftihrt hatte. Unsere Hoffnung auf Abfall des Fiebers~ gestiitzt auf den gtinstigen Befund bei der probatorisehen Sinus- freilegung~ erfiillte sich nieht~ so daiS naeh 4 Tagen die Sinus- operation notwendig wurde. Sie deekte eine ausgedehnte jau- chige Thrombose im unteren Tell des Sinus sigmoideus auf. Die Operation liel~ das sehwer gestSrte Allgemeinbefinden und die Temperatur unbeeinflul~t~ so daiS die grtindliche Freilegung des infizierten GefaiSbezirks, Bulbus und Jugularis~ erforderlieh was da ein Versueh~ die in diesen steckenden jauehigen Thrombea dureh Durehsptilung zu entleeren~ scheiterte.

Diese ausgiebige Operation hatte jedoeh nur den vort~ber- gehenden Erfotg~ die Temperatur ftir 6 Tage unter 39 ~ sinkea zu lassen. Dann traten wieder h$iufige Steigerungen bis tiber

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168 VIII. LAVAL

400 auf, SehtittelfrSste und Metastaseu (in der Skrotalhaut und in der Umgehung des Sternoclavicutargelenks), das Bild der sehwersten Pyamie, bei der tediglieh der stets leidliehe Appetit und die dauernde Intakthei t der inneren 0 rgane uns einen sehliel~. lichen gtinstigen Ausgang hoffeu lie~. Die Ursache ftir dieses Fort- dauern der pyitmischen Erscheinungen dutch 6 Wochen hindurch ist in einer septischen Thrombose der in den Bulbus einmtindenden Sinus und Venen zu suchen. Denn hierhin in den Bulbus bra- chert sehliel~lich die einsehmelzenden Thrombosen sieh Bahn und verursachten noch lange Zeit hindurch bis zum 5. August st~tr- kereEi terabsonderung an dieser Stelle. N u r d ie a u s g e d e h n t e F r e i l e g u n g d e s B u l b u s m i t d e r J u g u l a r i s e r m S g l i c h t e d i e g e n a u e l ~ h e r w a e h u n g u n d d a s l a n g e O f f e n h a l t e n d i e s e s w i e h t i g s t e n T e i l e s d e r 0 p e r a t i o n s r i n n e b i s z u m V c r s i e g e n d e r S e k r e t i o n .

Welchen Einflul~ das M e n z er sche Streptokokkenserum auf den schlielSlichen Ausgang dieser sehweren Py~imie gehabt hat, steht dahin. Die Infektion hatte bereits bei guter Herztittigkeit und leidliehem Appetit 4 Woehen gedauert , ernstere Komptika- tionen fehlten, die AbfluBverhitltnisse wareu durch die Operation die denkbar gtinstigten, die Prognosc daher ad meliorem partem vergens. Immerhin liil~t sich sehon in der ersten Woche nach Beginn der Serumtherapie ein Abfall besonders der Morgentem- peraturen konstatieren, wenngleich noah einmal 40,5 0 erreicht wurde und noch ein Schtittelfl'ost auftrat. Bis zur gtinzlichen Entfieberung vergingen noch etwas tiber 3 Woehen.

Fal l IIL Willy Ochse, 7 Jahre alt, aus Querflirt; aufgenommen 13.51o- vembcr, gestorben 18. November 1904.

Anamnese: Seit zwei Jahren stinkender AusfluIl aus dem linken Ohre, tiber die Ursache k6nnen die Ettern keine genauen Angaben machen. Die Eiterung hat dem Patienten niemals Beschwerden gemacht. Seit dem 6. dieses Monats pl6tzlich Schmerzcn hinter dem Ohre und heftige Schwindel- anf~lle. Seit dem I1. Schwellung hinter dem Ohre. Am 12. und 13. mehrere SehfittelirSste. Appetit und Allgemeinbefinden sehr schlecht.

S t at u s p r a e s e n s: Sehr blab aussehendes, sehlecht genhhrtes, schwer krankes Kind. Innere Organe ohne Besonderheiten. Puls sehr klein, 156. Im Urin kein Eiweill and kein Zucker. Allgemeine Hyperiisthesie, Opistho- tonus. Schwindet objektiv nachweisbar, Patient fiiltt beim Laufen nach links. Pupillen gleich welt, reagieren prompt, kein Nystagmus, die Venen des Augen- hintergrunds etwas starker geftillt, Papillen scharf umgrenzt. Temperatur 3 9 , 4 0 .

0hrbe fund : Die Gegend hinter dem Ohre, besonders nach der Spitze zu, mM~ig 6demat6s und stark druckempfindlich. Fluktuation nicht nach- weisbar. Die ganze Halswirbels~ute druckempfindlich, keine Spannung der Nackenmuskulatur. Rechtes Trommelfell getrtibt. Links: Geh6rgang durch Senkung der hinteren oberen Geh6rgangswand stenosiert, durch den Spalt dringt f6tider Eiter. Im Hintergrunde mehrere kleine Granulationen und viel macerierte Epidermis.

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Beitrage zur operativen Freilegung des Bulbus venae jugularis. 169

H6rp r f i f ung nicht ausffthrbar. T h e r a p i e : Bettruhe, Eisblase. 7 Uhr nachmittags Schfittetfrost, dar-

auf 40,4 °. Temperatar f~llt nachts bis 38,9 °,Puls 156. 14. November. Temperatur :~9~0 °,Puls 152. L u m b a l p u n k t i o n ergibt klaren, unter erhShtem Druek stehenden

Liquor. To t a l au fme i l~e lung l i n k s : Weichteile speckig infiltriert. EntIee-

rung eines subperiostalen, etwas fiber bohnengrofien Abszesses, der sich bis unter die Insertion des M. temporalis erstreckt. Nach £bl6sung des h~utigen Geh6rgangs liil~t sich feststellen, da~ der kn6cherne Geh6rgang in ungef~hr Linsengrf~e yon Cholesteatom durehbrochen ist. S~mtliche Mittelohrraume sind yon einem gro~en zerfallenen Cholesteatom ausgeftlllt, das biB an die Dura der mittleren Schhdelgrube heranreicht, diese mu~ daher in gro~er Ausdehnung freigelegt werden. Yon Ossiculis nur Hammerrest vorhanden. In der Spitze freier Eiter. Auf3erdem quillt aus der Gegend des Sinus Eiter hervor. Fortnahme der Sulcuswand. Der Sinus ist yon griingelbem Eiter umspfilt, sieht grtinlich aus und ffiltt den Suleus nieht aus.

J u g u l a r i s u n t e r b i n d u n g . F r e i l e g u n g des S i nus in g r o I ~ e r A u s d e h n u n g , I n z i s i o n und Spa l tung . Aus b e i d e n E n d e n werden e i t r i g z e r f a l l e n e T h r o m b e n m a s s e n mit dem s c h a r f e n L ( i f f e l en t - fe rn t . Vom Bulbus he r k e i n e B l u t u n g , s p ~ r l i c h e B l u t u n g aus dem S inus t r a n s v e r s u s . Plastik, keine Naht.

Whhrend der Operation starke Herzschwhche, Kampherinjektion. Nach der Operation trinkt Patient mehrmals heine Milch und heil]ea Wein, darauf Besserung der Herzt~ttigkeit. Temperatur f~llt allm~hlich bis 3645%

15. November. Patient hat eine ruhige Nacht gehabt. Allgemeinbefin- den und Appetit entsprechend gut. Klagen fiber Schmerzen im rechten Eilen. bogengelenk, Schwellung ist jedoeh nicht nachweisbar: Fixierender Schienen- verband. Temperatur 37,8--37,7--38,1--37 °, Puls 144, welch.

16. November. Schmerzen im linken Ellenbogengelenk, objektiv niehts nachweisbar: Umschlag mit Salicylspiritus. Temperatur 37,5--38,6--37,0 °, Pals i0$.

i7. November. Patient klagt fiber Schmerzen im linken Kniegelenk, ge- ringe Schwellung: Fixierender Verband. Sensorium frei, Nahrungsaufnahme gut. Temperatur 37,9--39,6--39,7--39,4 ° ,Puls if0, klein, schnellend, dikrot. Verbandwechsel. Im Mittelohr kein freier Eiter. Bei Liisung des peripheren Sinustampons sparliche Blutung; vom Bulbus her keine Blutung. t3ei Druck auf die Jugularisgegend entleert sich kein Eiter aus dem zentralen Sinusteil.

1S. November. Morgentemperatur 39,5°~ Puls 136, schnellend~ klein, regelmai~ig, dikrot.

B u l b u s o p e r a t i o n . Da in dem z e n t r a l e n S i n u s e n d e j a u c h i g e r E i t e r s t and , und e ine Durchsp f i l ung yon der e r i i f f n e t e n J u g u - l a r i s her mil31ang, wi rd z u n h c h s t in VerfoJgung des z e n t r a l e n S i n u s e n d e s dot B u l b u s f r e ige leg t und yon s e i n e n z e r f a l l e n e n T h r o m b e n m a s s e n befrei t . Auch j e t z t ge l i ng t es n i c h t , yon b i e r aus nach der J u g u l a r i s i n t e r n a e ine D u r c h s p t i t u n g zu m a c h e n . Desha lb Versuch, die J u g u l a r i s yon ih re r U n t e r b i n d u n g s s t e l l e aus nach oben zu ve r fo lgen bib in den S inu s h i n e i n . E ine bei d e m F o r t k n e i f e n d e s s t a r k e n P r o c , t r a n s v e r s u s des e r s t e n H a l s - wi rbe l s mit tier K n o c h e n z a n g e e n t s t e h e n d e s t a r k e B l u t u n g ans der A r t e r i a ~ e r t e b r a l i s zwang dazu , die O p e r a t i o n zu u n t e r - brechen. S t i i l u n g der B l u t u n g m i t t e l s t T a m p o n a d e . VonAnfang an schlechte Narkose.

Die HerztStigkeit war trotz sparsamsten Chloroformgebrauchs immer sehlechter geworden, sehlieBlich ausgesprochener Collaps. KoehBalzin~sion. Einlaufe yon warmem Wein. Kampherinjektionen. Kfinstliche Atmung. Trotz- dem Tod ~/4 Stunde naeh der Operation.

Auszug aus dem S e k t i o n s p r o t o k o l l :

Kindliche m~nnliehe Leiche in mal~igem Ernhhrungszustande, Haut- decken blag, Starre und geringe Flecks vorhanden. Hinter dem Iinken Ohr

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170 VIII. LAVAL

eine ausgedehnte Trepanationswunde, die sich in einem nach vorn offenen flaehen Begen fast bis zur Mittellinie des Halses fortsetzt. Wunde im ganzen 14 cm lang, sie ist tamponiert, Wundffmder yon gutem Aussehen, sind durch einzelne iN~hte zusammengehatten.

Seh~tdeldach entsprechend dtinn, Diploe blaI~, Dura ziemlich blal3, etwas gespannt, in der Mittellinie mit der Schhdelkapsel verwachsen, im Sinus lon- gitudinalis superior fliissiges Blur. Innenfl~cbe der Dura glatt and glanzend. Araehnoidea kaum getrtibt, subarachnoideale Fltissigkeit nicht vermehrt. Ge- fliBe der Pin von geringer Fttllung. Dura der Basis glatt und gl~nzend, je- doch ist sie an der linken Felsenbeinpyramide hinten injiziert und yon Blut- gerinseln bedeckt. Die rechtsseitigen Sinus sind frei, desgleichen der Sinus confluens. In dem Sinus transversus ragt ein peripher entfernter, sonst dunkelroter der Wand nicht anhaftender Thrombus hinein. Die Sinus des linken Schtafenbeins wurden nicht seziert. Die Pia der Basis ohne jede Trilbung, Gefgtl3e der Basis zart. Ventrikel nicht erweitert., Ependym zart. Plexus und Tela choroidea blaI~, 4. Ventrikel ohne Besonderheiten. Klein- hirn yon gnter Konsistenz und Zeichnung, Zen[ralganglien blaB, sonst aber ebenso wie Brticke und Medulla ohne Ver~nderungen.

Konsistenz des Gehirns ist gut, Blutpunkte maBig vorhanden. Rinde graurosa und etwas breit. Jugularis links ist am Abgang der Vena facialis unterbunden, der periphere Toil zeigt eine v611ig mi[$farbone, mit scbmie- rigem Eiter bedeckte Wandung. Das Gewebe um die Jugularis herum ist 6demat6s und infiltriert. Der zentrale Toil der Jugularis ist v611ig frei.

Ferner findet sich: Schlaffes Herz, akuter Milztumor, Nephritis paren- chymatosa, Trtibung des Leberparenchyms, An~mie.

Sek t i on des S c h l ~ f e n b e i n s : T o t a l a u f m e i B e l u n g s h 6 h l e mit a u s g e d e h n t e r F r e i l e g u n g der Dura der m i t t l e r e n und h i n t e r e n S c h ~ d e l g r u b e . Spi tze r e s e z i e r t , Su l cus - und s e i t l i ch h i n t e r e B u t b u s w a n d e n t f e r n t , S i n u s bis in den b re i t t i b e r s i c h t l i c b e n B u l b u s gespa l ten , l m B u l b u s d e r W a n d a n h a f t e n d , e inige gr i in- l i e h g e l b e b r f c k e l i g e T h r o m b e n r e s t e , S inus pe t ro sus i n f e r i o r und die gut e n t w i c k e l t e V. c o n d y l o i d e a p o s t e r i o r auf je 1 b is l l / 2cmwei t du rch mif~farbeneThr-omben ve r sch lossen , E r s t e r e r m i l n d e t d i c h t u n t e r h a l b des B u l b u s in den A n f a n g s t e i l d e r Vena j u g u l a r i s . D e r obe r s t e A b s c b n i t t d ieses Gefai~es m i t g l e i c h a r t i g e n T h r o m b e n v e r s c h l o s s e n , ih re Wa ndung v e r d i c k t , ebenso wie das p e r i v e n S s e Gewebe i n f i l t r i e r t ; yon der S c h n i t t - fli~che k a n n e t w a s E i t e r a b g e s t r i c h e n w e r d e n . L a b y r i n t h in t ak t .

E p i k r i s e . Dam sehweren Krankheitsbilde entsprach der arste Operationsbefund: Jauahig zerfallenes Cholesteatom, jau- ehiger perisinuSser Abszel~, jauahige Sinusthrombosc. Wenn nun zwar eia sklatanter Abfall auf 36,5 o am Tage der Operation er- zielt wurde, der zum Toil auf den Operationsshok zu beziehen ist, stie~ doah die Temperatur yon Tag zu Tag staffelFdrmig mit Remissionen wieder an bis 39,7 und 39,5 o. Dazu kamen noch weitere alarmierende Symptoms: Sehmerzen, zum Toil mit Sahwel- lung verbunden, naah einander in drei Gelenken, die sisher als Metastasen zu deuten sind, dann die ~uSerst sehleehte Herztiitig- keit. War diese yon Anfang an sshwach nnd bei dsr ersten Operation so ungenfig'snd, daf~ bereits energisshe Mafiregeln zu ihrer Beseitigung notwendig wurden~ so war der Puls drei Tage spater nosh immar klein, schnellend~ dikrot~ 110, am folgenden Tage 136, bei gleiehem Charakter. Es war nisht mehr alleia

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Beitrhge zur operativen Freilegung des Butbus venae j ugularis. 1 71

das Bild der Pyitmie, sondern einer sehweren Septikopyiimie, alle Symptoms mul~ten uns dahia dritngen, den unzweifelhaft nosh vorhandenen urs~tehliehen Eiterherd vSllig freizulegen. Und der konnte nut im Bulbus sitzen~ da die Untersuehung der in- neren: Organe negativ ausgefallen war, und ein Versueh der Durehspiilung mit dem Kathetsr yon dsr erSffneten Jugularis her mielang. Der schwere A]lgemeinzustand dtirfte uns nieht absehreeken, da die septiMtmischen Symptome yon Tag' zu Tag zunahmsn~ vielmehr dritngte er gsrade zur Opsration~ bei der lediglieh zu gewinnen, ohne die alles verloren war. Auch naeh der typischen Freilegung des Bulbus in Verfolgung des Sinus, gelang die Durehsptllung nieht~ so dab noch obturierende Throm- benmassen dieht nnterhalb des Bulbus in der Vena jugularis in- tsrna zu vermuten waren. Wir sehritten daher zur breiten Spal- tung aller dis Vene bedeekcnden Weichteile, da nur so dis erstrebte vSlligs Bsseitigung der putriden Thromben erreieht werden konnte. Dieser Eingriff~ bei dem gelegentlieh der par- tiellen Resektion des Proe. transversus atlantis eine Verletzung der Arteria vertebralis beobaehtet wurde~ konnte nieht zu Ends geftihrt werden. Die Herzaktion war trotz vorsiehtigsten Chloro- formgebrauehs noeh erheblieh sehleehter, als bei der ersten Operation, so da~ grSfitenteils nur in halber~qarkose operiert wurde.

Es fragt sich nun, was als direkte Ursache des nach der Operation trotz energischer Excitantien eintretenden Todes anzu- sehen ist. Die Verletzung der Arteria vertebralis kommt unseres Erachtens nieht in Betracht, da es gelungsn war, die Blutung sofort dutch Tamponade zu stillsn. Man kSnnte nur sins gs- wisse Shokwirkung in Erw~tgung ziehen. Dsch die Sektion kl~trte den tats~chliehen Saehverhalt auf. Es wurden parenehy- matSse Entztindungen der t~isren~ Lsber, Milz und des tierzens festgestellt, die ganz enisprechend dem klinisehen Bilde auf eins schwers Toxiniimie hinwiesen. Der Tod ist aIso~ begtlnstigt vou der Chtoroformwirkung, auf Versagen des dureh Toxine sehwer gesehitdigten Hsrzens zur|ickzuftihren. Die Beschaffenheit des Inhaltes des Bulbus mit seinen sinmtindenden Gefiifibahnsn und des oberen Jugularisabsehnitts, sowie ihres umgebendsn Gswe- bes erkl~irea den Fortbestand der schweren septikamisehsn Sym- ptome und erh~trten die lqotwendigkeiti der ausgedehnten Ope- ration.

Fall IV. Johannes Bernhard, 14 Jahre alt, Nebra, Breites{r. 75/76; aufgenommen 26. Februar 1905, entlassen am 31. M~ 1905.

Page 12: Beiträge zur operativen Freilegung des Bulbus venae jugularis

172 VIII. LAVAL

A n a m n e s e : Bet einem Schnupfen trat vor i4 Tagen plStzlich nachts Schmerz im Kopf und im linken Ohre auf, der seitdem fast gleichmat]ig an- hielt und nachts acerbierte. Therapie bestand his jetzt in Provenzer(il- tropfen. Es besteht mit dem Pulsschlag synchronisches Ohrensausen, links- seitige Schwerhiirigkeit, m~l~iger, objektiv nachweisbarer Schwindel, der je- doch wohl gr5l~tenteils auf die grol]e Schw~che des Patientenzu beziehen ist.

S t a tus p r a e s e n s : Eindruck eines Schwerkranken, Bl~sse, FrSsteln, H~.ndedruck krhftig, Pupillen-~ Patellar-usw. Reflexe normal, ebenso der Augenhintergrund. Keine motorischen L~hmungen, keine Hyper~sthesie. Schi~del beim Beklopfen, aul~er der linken Regio postauricularis, nicht emp- findlich. HerztSne dumpf, aber rein, Pals i20, Temperatur 39,4 °, Lungen ohne Besonderheiten, Milzdhmpfung tiberragt den Rippenbogen um 2i/2 Quer' finger, ttalswirbels~ule his zum 4. Wirbel herab druckempfindlich. Urin fret yon Zucker und Eiweil~.

O h r b e f u n d : Leichte SchweUung und RStung in der linken hinteren Ohrfalte, Planum, Gegend des Emissarium, besonders der Spitze druck- schmerzhaft~ Lymphknoten am Kieferwinkel schmerzhaft, gesehwellt. Rechts: GehSrgang und Trommelfell normal. Links: GehSrgang diffus mh~ig ge- schwellt und im medialen Drittel hyperhmisch. Trommelfeil geschwellt~ stark gerStet, hinten oben vorgewiilbt, Hammergriff nicht differenzierbar.

HSrpr i i fung: R inne : Rechts -4- links --. Fltistersprache rechts 6 bis 7 m, links 20 cm. Fis ~ rechts normal, links bet Kuppenanschlag, c~ stark nach links lateralisiert (veto recbten Prec. mastoideus).

In der Nase abheitende Coryza, Zunge belegt, Schleimhhute des Gau- mens und Schlundes blai].

Therapie~ 26. Februar. Parazentese, Eisblase hinter das Ohr, Bett- ruhe, Temperatur geht nachts bis auf 3S,3 ° zurtick.

27. Februar. Temperatur 38,8--40,4--40~6--39,6 °. 28. Februar. Temperatur 38,5--40,6-39,2% T y p i s c h e Aufmeil te-

lung : Weichteile und Corticalis normal. Nach Fortnahme der Corticalis quillt etwas Eiter hervor. ErSffnung des Antrum, das t'rei yon Eiter, wobei die Dura in etwa LinsengrSl~e freigelegt wird. Freilegung des Sinus sigmoi- deus mit Wegnahme der mit eitrigen Zellen durchsetzten Spitze. Peri- sinuSser Abszel~. Die Sinuswand ist im oberen Teile mit dickem Granula- tionspolster bedeekt. Weitere Freilegung des Sinus nach oben und des an- grenzenden Teiles des Transversus, der auch mit dickem Granulationspolster bedeckt ist, wobei oberhalb der Umbiegungsstelle ein kleiner Extradural- abszel~ erSffnet wird. Dura daselbst mit fibrintisen Auflagerungen bedeckt, keine Fistel, Tamponade, Verband.

1. Mi~rz. Temperatur 38,9~39,7° vormittags. Es wird daher zun~chst die Probepunktion des gestern welt freigelegten Sinus gemacht, es dringen nur einige Tropfen Blur heraus. Deshalb J u g u l a r i s u n t e r b i n d u n g und S i n u s o p e r a t i o n . S p a t t u n g des Sinus . Von oben und un t e n kr~f- t i g e r B l u t s t r o m . T h r o m b u s n i c h t ge funden . Tamponade. Einepro- visorische Naht. Patient fiihlt sich nach der Operation sehr schwach. Puls t i2 , klein, regelmiitfig, Temperatur 37,8 °. Nachdem Patient einige Tassen heil~e Milch und Wein getrunken, tritt gegen Abend erhebliche Besserung des Allgemeinbefindens ein. 6 Uhr nachmittags m~Biges Nasenbluten yon etwa 5 Minuten Dauer. Temperatur nachts 39,5--39,7--37,9°

2. Marz. Temperatur 37~5--3S,3--38,6--38,4 °. Puls regelm~i~ig, etwas gespannt, 100. Respiration20. Nahrungsaufnahme gut. Sensorium fret. Keine Druckempfindlichkeit der Hatswirbels~ule mehr.

3. Mhrz. Temperatur 38~6--3~,0--37~9--39,3. 4. Mhrz. Gegen Mittag Temperatursteigerung bis 40,2 °, Puls 104, Re-

spiration 28. Klagen tiber Schmerzen in der linken Stirn- und Kopfhhlfte. ~iedrigste Temperatur 39,4 ° gegen Morgen.

5. Mhrz. Verbandwechsel. LSsung bolder Sinustampons ohne Blutung. Bet Druck auf die seitliche Halsgegend entleert sieh kein Sekret aus dem zentralen Sinusteil. Im GehSrgang kein Eiter, im Antrum nur wenig Schleim- eiter. Temperatur 38,S--40,2 °.

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Beitrage zur operativen Freilegung des Bulbus venae ~ugulsris. 173

6. Marz. Temperatur 38,0--40,20 . Deshalb B u l b u s o p e r a t i o n : Schwarzliche Thrombenmassen im Bulbus. Thrombus aus dem Sinus trans- versus entfernt. Nach der Operation Pats sehr klein, schnellend, 120, Re- spiration 3S. 3/4 1 physiologische KochsalzlSsung subkutan. Patient erholt sich bald wieder. Temperatur nachts 37,9 °.

7. M~rz. Patient hat in der Nacht nur wenig geschlafen, er klagt fiber dumpfen Schmerz in der linken Kopfhalfte. Nahrungsaufnahme gut ; Sehnen- und Hautreflexe normal, Pupillen gleich weit, reagieren prompt. Augen- hintergrund ohne Besonderheiten (Universitats-Augenktinik). Lunge normal, Puls 120~ Respiration 20, Temperatur 36,8--38,9--37~3 °.

S. Marz. Temperatur 36,7--39,1--37,7 o. 9. Mhrz. Yerbandwechsel. Entfernung eines teilweise zersetzten Throm-

bus veto Dach des Bulbus in GrSi~e einer :Erbse. LSsung des peripheren Tampens~ sparliche Blutung. Milzdampfung fiberragt zwei Querfinger breit den Rippenbogen. Kopfschmerz unverandert. Temperatur 37~2--37,6--37,i °.

10. M~trz Temperatur 36~5--37,6--36~9° 1l. Marz. Verbandwechsel. Bulbus gut fibersichtlich, vollkommen frei

yon Sekret. LSsung des peripheren Sinustampons ohne Blutung. Die Kopf- scbmerzen fast ganz geschwunden. Keine infiltration der Halsmuskulatur. Temperatur steigt abends bis 3979%

12. Marz. Temperatur 3S,3--39,7--3%6 °. Patient klagt wieder tiber dumpfen Kopfschmerz.

13. Mgtrz. Patient gibt an, daft er 'doppelt s~he. Abducensparese rechts. Gleichnamige Doppetbilder. Augenhintergrund normal, kein 0dem der Augenlider. Allgemeinbefinden leidlich, Appetit gut. Temperatur 37,7--39,3 --37~4 °.

14. Marz. Patient sieht Doppelbilder in 20 cm Entfernung, geringer Strabismus convergens. Temperatur 37,5--36,6--39,6 °.

15. 5~arz. Doppelbilder in 1 m Entfernung. Temperatur 38,8--35,5 --40,1 o .

16. Marz. Temperatur 38,8--37,2--39,9 °. 17. Marz. Temperatur zur Norm abgefallen, 3S,3--36,6--36,8° Doppel-

bilder in ~/e m. 18. Mi~rz. Temperatur tags normal, steigt nachts his 33,5% 19. M~irz. Temperatur 37,5--39,5--37~4 °. Es besteht noch Kopfdruck. 20. Marz. Doppelbilder in 1/2 m. ~ahrungsaufnahme vorziiglich. Tem-

peratur bis zum 23. normal, an diesem Tage 39,0 ° gegen Morgen. 24. und 25. M~rz. Temperatur wieder hoch zwischen 37~9 und 39,5 o. 26. bis 28. M~.rz. Temperatur normal. 29. Marz. PlStzlicher Anstieg his 39,8 ° ohne deutlichen Schiittelfrost.

Ordination: Chinini hydrochlorici 0,2 g thglich. 30. ~.Iarz. Temperatur 37,0--39,5--37,4 °. 31. Marz. Temperatur 36,0--39,8--37,.0 °. 7 Uhr nachmitags Schfittel-

frost yon 5 Minuten Dauer~ darauf 39,8 °. Uber der rechten Lunge, unter- halb des Skapularwinkels einige mittelblasige Rasselgerausche. Keine Dam- pfung. Stimmfremitus beiderseits gleich. Respiration 26. Doppelbilder in 1 m. Augenhintergrund normal.

¥on da halt sich die Temperatur in Form einer remittierenden pyami- schen Kurve dauernd bis zum I0. April hoch, sie zeigt Tagesschwankungen zwischen 40,2 und 36~6 °.

2. April Leichter Scht~ttelfrost yon kurzer Dauer. danach 39,8. Aui~er einigen wenigen Rasselgerausehen an der oben erwhhnten Stelle an den Lungen nichts nachweisbar. Taglich 0,2 Chinin. Subjektives Befinden sehr gut.

4. April. Die retroaurikulare Wunde sieht sehr gut aus. An Stelle der mil~farbenen Granulationen am Knie des Sinus transversus sind fiberall frischrote, leicht blutende aufgetreten, der gut aussehende Bulbus wird durch Tamponade noch often gebaIten. Ohr trocken. Lungen ohne Besonderheiten. Doppelbilder in 1/2 m.

16. und 17. April fibersChreitet die Temperatur 380 und zwei, bezw. ein

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Zehntel Grad. Am 18. April wird 3t~,0 ° noch einmal gemessen, sonst veto ll. April ab normale ']:emperatur. Patient erholt sich sichtlich

29. April. Keine Doppelbilder mehr. Operationswunde schliel]t sich. 5. Marl Bulbus durch Granulationen fest geschlossen. Lebhafte Epi-

dermisierungvon den Wundrandern her. Appetit vorztiglich. Wohlbefinden. P. verl$i~t thglich auf einige Stunden das Bert.

15. Mai. Wunde hinter dem Ohre fast vSllig epidermisiert. Geringe Einsenkung in der Bulbusgegend.

3l. Mai. Geheilt entlassen. L.: GehSrgang m~il~ig konzentrisch verengt, reizlos. Trommelfell diffus

getrtibt, verdickt Fliistersprache rechts 7 m, links 4 m. cl, veto Scheitel nach links Rinne L. : --. Reflexe normal. Pupillen gleiehweit, kein ~ystagmus. Kein Schwindel. Keine subjektiven Beschwerden yon Seiten des Ohres.

E p ik r is e: Nachdem die zun~tehst vorgenommene Parazen- tese das sehwer gestSrte Allgemeinbefinden und dis Temperatur unbeeinfiul~t gelassen butte, wurde der Verdaeht einer intrakra- niellen Komplikation der akuten Mastoiditis dutch den Opera- tionsbefund best~tigt. Die gesamte Spitze war erkrankt~ die Sinuswand mit Granulationen bedeekt and yon einem peri- sinuSsen Abszei~ umspillt~ der aueh nach oben, dicht oberhalb des Sinusknies einen Auslaufer entsandt hatte. Unsere Hoffnung" aufVerschwinden der sehweren S y m p t o m e - der Befund seltien diese hinreiehend zu e rk l lh ' en - trog~ so dal~ sehon am folgen- den Tage die Sinusoperation angeschlossen wurde, die eine wand- standige Thrombose aufdeekte, Naeh kurzem Fieberabfall~ noeh nieht zur Norm s folgte wieder ein Anstieg~ and am dritten, vier- ten und fiinften Tage wurde wieder 40° um zwei Zehntel tiber- sehritten. Die jetzt vorgenommene Bulbusoperation, Bildung einer Halbrinne aus Sinus und Bulbus~ butte den Erfolg, in drei Tagen einen staffelfSrmigen Abfall fast zur Norm herbeizuflihren. Trotzdem trat am ftinften Tage naeh der Bulbusoperation wie- der hohes~ remittierendes Fieber yon sehr unregelm~il~igem, typiseh py~tmisehem Charakter mit einzelnen mehrere Ta~e dau- ernden Intermissionen auf. Zweimal warden noeh Schtittelfi'Sste beobaehtet~ die einen mit einem gleiehzeitig" auftretenden katar- rhalischen Herde in der Lunge in kaasale Beziehung zu setzen sind. Die kurz naeh dem erneuten Temperaturanstieg auftre- tende reehtsseitige £bdueensparese wies auf einen intrakraniellen Ursprung des py~tmisehen Fiebers bin; aueh der Kopfsehmerz war nieht vSllig geschwunden, sondern hatte fiir mehrere Woehen einem dumpfen Druekgefiihl Platz gemaeht.

Wiihrend dureh die Sinus- und Bulbusfreilegung eine ideale Drainage aueh der in den Bulbus einmilndenden Venen und Sinus erreieht war, war die Thrombose im Verlaufe des Petrosus supe-

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Beitrage zur operativen Freilegung des Bulbus venae jugularis. 175

rior bis zum Sinus eavernosus vorgesehritten und butte den bTervus abdueens auf seinem Vertaufe dureh diesen Gef~Babschnitt er- reieht. Gleiehzeitig mit der eitrigen Einsehmelzung des Gerin- sels trat yon neuem Fieber, begleitet yon der Abduceusparese~ auf. Fiir diesen We B sprieht aueh der Umstand~ daft am Trans- versusknie~ der Miindungsstelle des Petrosus superior~ sieh lunge miI~farbene Belage und Sekretion zeigte, die erst vier Wochen post oper. dutch gesunde Granulationen verdr~tngt wurden. Weo nige Tage darauf folgte aueh der definitive Temperaturabfall, wenn wit yon einer vortiberg'ehenden Erhebung auf etwa 380 absehen, und etwa 2 Woehen spiLter war die Abdueensparese dauernd versehwunden.

Die Cavernosusthrombose kanu nur partiell gewesen sein, da der Abfiul~ des venSsen Blutes aus der Orbita nieht gestSrt wurde, weitere Liihmungen yon Augenmuskeln ebensowenig wie Chemosis und LidSdem beobachtet wurde.

Zu erwiLhnen ist noah das kurz nach der Jugularisunterbin- dung auftretende, sehnell voriibergehende Nasenbluten, das da- durch leieht erkl~rt wird, da5 die Thrombose nur wandst~tndig" war, und dutch die Operation eine plStzliehe Anderu,~ des intra- kraniellen Blutabfiusses eintrat.