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Beitrag zur Genese und Physiologie der Megakarioeyten. Von Walter F. Katzenstein. Mit 4 Textabbildungen. (Eingegangen am 19. Oktober 1925.) Bei unseren Studien fiber die Biologie des Knochenmarkes fanden wir eine Anzahl Riesenzellen im Knochenmark unserer als Versuchs- tiere benutzten Kaninchen, deren Abweichung yon den sonst stets ge- fimdenen Megakariocyten uns Veranlassung zur VerOffentlichung gab. Entstehung der Pr~parate. Die Versuche wurden so ausgeffihrt, (tab den als Versuchstieren be- nutzten Kaninchell Staphylokokken direkt in das Knochenmark ge- spritzt wurdenl). Das Knochenmark wurde den Tieren dann yore direkt infizierten wie yore an(teren Bein nach 6--48 Stunden entnommen und nach FormMinfixierung und Paraffineinbettung mittels Panchrom- mcthode gef/~rbt. Histologisch auff/~llig war das Verhalten der Riesenzellen, die bei den jungen Tieren 7 Stunden nach der Infektion am meisten vermehrt waren; ihre Zahl nahm dann langsam ab, w/ihrend ihr Auftreten bei den alien Tieren erst nach 24 Stunden begann. 2 Tage nach der In. fektion war die Zahl der Riesenzellen bei den alten Tieren so vermehrt, dab sie die abnehmende Anzahl der jungen Tiere erreichte. Durch (lie verschiedene aber regelm/il.~ig auftretende Zahl der Riesenzellen veranlal3t deren Unterschiede, wie wir nachweisen konnten, z. T. durch das Alter der Tiere bedingt war, entstand die Frage nach der Herkunft der Riesenzellen. Die Frage des Ursprunges der Megak~riocyten ist durchaus strittig. W/ihrend Ndiffeli 2) glaubt, dab sie aus den Myeloblasten entstehen, leitet 1) Genaueres siehe Katzenstein, W.F.: Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 1925. ") N¢igeli: BIutkrankheiten. 1919.

Beitrag zur Genese und Physiologie der Megakariocyten

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Page 1: Beitrag zur Genese und Physiologie der Megakariocyten

Beitrag zur Genese und Physiologie der Megakarioeyten.

Von

Walter F. Katzenstein.

Mit 4 Textabbi ldungen.

(Eingegangen am 19. Oktober 1925.)

Bei unseren Studien fiber die Biologie des Knochenmarkes fanden wir eine Anzahl Riesenzellen im Knochenmark unserer als Versuchs- tiere benutzten Kaninchen, deren Abweichung yon den sonst stets ge- fimdenen Megakariocyten uns Veranlassung zur VerOffentlichung gab.

Ents tehung der Pr~parate .

Die Versuche wurden so ausgeffihrt, (tab den als Versuchstieren be- nutzten Kaninchell Staphylokokken direkt in das Knochenmark ge- spri tzt wurdenl). Das Knochenmark wurde den Tieren dann yore direkt infizierten wie yore an(teren Bein nach 6--48 Stunden entnommen und nach FormMinfixierung und Paraffineinbettung mittels Panchrom- mcthode gef/~rbt.

Histologisch auff/~llig war das Verhalten der Riesenzellen, die bei den jungen Tieren 7 Stunden nach der Infektion am meisten vermehrt waren; ihre Zahl nahm dann langsam ab, w/ihrend ihr Auftreten bei den alien Tieren erst nach 24 Stunden begann. 2 Tage nach der In . fektion war die Zahl der Riesenzellen bei den alten Tieren so vermehrt, dab sie die abnehmende Anzahl der jungen Tiere erreichte.

Durch (lie verschiedene aber regelm/il.~ig auftretende Zahl der Riesenzellen veranlal3t deren Unterschiede, wie wir nachweisen konnten, z. T. durch das Alter der Tiere bedingt war, entstand die Frage nach der

Herkunft der Riesenzel len . Die Frage des Ursprunges der Megak~riocyten ist durchaus strittig.

W/ihrend Ndiffeli 2) glaubt, dab sie aus den Myeloblasten entstehen, leitet

1) Genaueres siehe Katzenstein, W.F . : Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 1925.

") N¢igeli: BIutkrankheiten. 1919.

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6 0 8 W . F . K a t z e n s t e i n :

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Abb. 1. Altes Kan inchcn Nr. 61. Til)ia rechts , gc tS tc t m w h 7 S tundrn . -- Ok. 5; Obj. I m m . 2 r am. 520 la th .

Abb. 2. Altes K a n i n c h c n Nr. 6J, dassclbe l ' r ~ p a r a t wie Abb. 1, a b e t andere Stclle. -- Ok. 5; Ohj I m m . 2 ram. 520fach.

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M a x i m o w 1) ihren Ursprung yon den Lymphoeyten her; Schridde 2) end- lieh bezeiehnet <lie primgren Blutgeftt6wandzellen als ihre Stammzellen.

Unsere Abb. 1 und 2 s tammen yon dem Knoehenmark der reehten Tibia eines alten Kaninohens, dem 7 8tunden vorher Staphylokokken in die linke Tibia gespritzt wurden. Ma~l sieht vor allem Retieulum- zellen in Wandersohaft und sic extraeellulgr liegende Bakterien lmagoeytmrem Otese t~ecieutumzellen zelgen langgcs~'eekte Austiiufec; sic sind teilweise in der Nahe des Kernes granuliert und wir linden be- senders an ihren Enden Bakterien und deren Reste. Man sieht aber ferner auf Abb. 2 zwei grOBere Zetlen ohne (tie spitzen Ausl/iufer der Reticutumzellen. Sic sind kleiner als die Megakariocyten, abet ihr Kern erinnert an die Form, welche man h/~ufig bei Riesenzellen finder. Diese Zellen, die teilweise ebenfalls phagocyti*re Tgtigkeit aufweisen, wandern bei kleinerer VergrSgerung auf den Rand des Pr~tparates zu, an die Stelle, wo (tie l{iesenzellen vereinzelt gelagert sind. Auf Abb. 1 in der ~YIitte zeigt eine ebensolehe Zelle noeh ihre Ausl~ufev; sic sieht genau, besonders neben dem gleichzeitig siehtbaren Reticulumnetz, wie eine vielfach vergrSBerte Reticulumzelle aus; auf Abb. 2 befindet sich rechts eine ebensotche Zelle. Alle diese Zellen, die im Vergleich mit den Mega- kariocyten noch etwas kleiner als diese sind, wurden h/~ufig gefunden, aber nur zu einem Zeitpunkt, wo das betreffende Knochenmark, ent- sprechend der vort uns gefundenen und obea skizzierten Regel, noch zahlreich in der Bildung yon Leukocyten begriffen war. Wir glauben daher, dab es sich um lfbergangsbilder yon wandernden Reticulo- endothelien in Megakarioey~en handelt, und dab wir demgem/~B das Reticuloendothe[ als Ursprung der Magakariocyten anzusehen haben.

Zwei Eigenschaften sind es also, die nns an den Reticuiumzellen bei unseren Sehnitten dutch infiziertes Knochemnark besonders auf- fielen. Das ist einmal die Phagocytose und zweitens das Wandern einzelner Reticulumzellen. Stammen die Megakariocyten wirklich yore l~eticulum ab, sind (tie Bilder unserer t~bergangszellen riehtig gedeuteC dann wiirde die Theorie der Entstehung der Riesenzellen eine weitere Stfitze linden, wenn tier Nachweis gel/inge, <tab dieselbe physio- logische T~tigkeit unter denselben Bedingungen auch yon den Riesen- zellen ausgeiibt wird. 19her (tie

Physiologic der Megakarioeyten ist vor allem die vielfach bestrittene Erzeugung von Blutpl~ittchen zu erw/~hnen. Daneben sagen Schridde :~) und K a u f m a n n a) mit Einschr~in- kung, dab sic Leukoeyten und Erythrocyten aufnehmen kSnnen.

~) Maximow: Arch. f. mikr. Anat. 1910/11. z) Schridde: in Aschoffs Lehrb. d. pathol. Anat. 1919. 3) Schxidde: 1. e. 4) Kau/mann: Spez. pathol. Anat. 1922.

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610 W.F. Katzcnstein.

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~ ~ I Abb. 3. dunges Kaninchcn Nr. 65. Tibia links, ge tSt~f nach 28~/e Stunden. -- Ok. C 8; Obj . I m m

~/16mm. I280faeh .

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o t Abb. 1. A | tcs Kan lnchcn Nr. 63. Tibia l inks, ge tS lc t nach 6 Stmlden. - Ok. C 8; Obj . I m m . ~/~6 r am.

1280fach.

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Beitrag zur Genese und Physiologie der Megakariocyten. 61I

Was nun zun~chst die oben yon uns geforderte Phagocytose der Riesenzellen angeht, so zeigen wir dazu eine Riesenzelle aus dem in- fizierten Knochenmark der Tibia tines einen Tag nach der Infektion getSteten jungtn Kaninchens. Das ist der Zeitpunkt, wo nach unseren Erfahrungen in jungem infiziertem Knochenmark die Megakarioeyten gtgenfiber dt r Zahl des normalen jungtn Markes erheblich v t rmehr t sind (Abb. 3). Das eine Ende der Riesenzelle ist spitz ausgezogen und an diestr Stelle liegen extratellul~r mehrere Bakterien. Aus unseren Studien bei der Gewebeexplantation und nach den Erfahrungen an der lebenden Ze[ie m6eht~n wiv sagen, dab diese Riesenzelle im Begriff ist, die an ihrer Spitze [iegenden Bakterien zu phagocytieren. Wir sehen aueh ~nnerhalb der Zelle, wie es in der Abbildung seheint inmitten des Kernes, in Wirkliehkeit aber im Zellplasm~ fiber dem Kern bereits phagocytierte Bakterien und deren Reste.

Was nun endlich die Forderung na th der Wanderung der Riesen- zellen angeht, so konnten auth in dieser Richtung Beobathtungen yon uns angestellt werden. Auf Abb. 4, die von dem infizierten Mark t ints alten Kaninchens 6 Stunden nach der Infektion s tammt, sieht man eine der wenigen vorhandenen Riesenzellen abgebildet. Zu diesem Zeitpunkt, wo das Mark des alten Tieres noch nicht f~hig ist, sichtbar auf die Infektion zu reagieren, scheint diese Zelle in lebhafter T~tigkeit. Das eine Ende ist spitz ausgezogen, whhrend die Haupt- masse des Zelleibes mit dem plumpen Kern noch breit daliegt. Es ist dies das typisehe Bild der Pseudopodienausstreekung, wie man es am Beginn oder Ende der Vorwhrtsbewegung einer Zelle zu sehen ge- wohnt ist.

Zusammenfassung. Als Ergebnis unserer Beobachtungen kSnnen wir also sagen: 1. Wir finden in den Schnitten durch infiziertes Knochenmark von

Kaninehen Zellen, die ~bergangsformen zwisthen dem Reticulum und den Megakariocyten darstellen. Die Befunde werden im Sinne der Entstehung der Riesenzellen aus d e n Reticulumzellen des Knochen- markes gedeutet.

2. Zur Physiologie der Riesenzellen ist zu bemerken, dab sie n i th t nur wandern, sondern aueh bef~higt sind, Bakterien und deren Abbau- teilchen zu phagotytieren.

Z f. d. g. exp. Med. XLVIII. 40