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Belastungsfaktor Arbeitszeit in der Gefährdungsbeurteilung
Prof. Dr. Friedhelm Nachreiner
Institut für Psychologie, Abteilung Arbeits- und Organisationspsychologie
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
ArbSchG § 4 Allgemeine Grundsätze
Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen:
1. Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird;
2. Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen;
3. bei den Maßnahmen sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen;
ArbSchG § 5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen
(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.
ArbSchG § 5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen
(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch
1. die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
2. physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
3. die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
ArbSchG § 5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen
4. die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
5. unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten.
Gruber / Mierdel Leitfaden für die Gefährdungsbeurteilung
13.2 Arbeitszeit
Wird die Regelarbeitszeit grundsätzlich eingehalten? Bestehen durch Schicht-/Nachtarbeit zusätzliche
Belastungen für die Beschäftigten? Werden Nachtschichtarbeitern arbeitsmedizinische
Untersuchungen angeboten? Werden die gesetzlich festgelegten Ruhepausen
eingehalten? Werden bei der Organisation und Gestaltung der Pausen
ergonomische Erkenntnisse berücksichtigt?
Warum Arbeitszeit ?
Arbeit vollzieht sich immer in der Zeit
Arbeitszeit als (2.) Grunddimension der Arbeitsgestaltung, neben der Schwere der Belastung
B = f (I, T)
Rückgang der Normalarbeitszeit im europäischen Vergleich
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
U.K.
Sweden
Finland
Denmark
Germany
Austria
Greece
Italy
Spain
Portugal
France
Luxembourg
Belgium
Netherlands
TOTAL
<40 h/w
<40 h/w + <=10 h/d
<40 h/w + <=10 h/d + no night
<40 h/w + <=10 h/d + no night no + Sunday
<40 h/w + <=10 h/d + no night no + Sunday + no shift
<40 h/w + <=10 h/d + no night no + Sunday + no shift + no part-time
<40 h/w + <=10 h/d + no night no + Sunday + no shift + no part-time + no Saturday
Was sind die Grundmerkmale ?
Dauer der Arbeitszeit• z.B. täglich, wöchentlich, jährlich, etc.
Lage der Arbeitszeit• z.B. Schichtarbeit,
Verteilung der Arbeitszeit• Wechsel von Arbeits- und Ruhezeiten• z.B. Pausen, tägl. Ruhezeiten
Gefährdungsbeurteilung – Grundlage für wirksame Arbeitsschutzmaßnahmen
Gefährdung erkennen Gefährdung bewerten Gefährdung beseitigen Wirkung kontrollieren
Quelle: BAuA
Gefährdung erkennen
Häufigkeit von Beschwerden in Abhängigkeit von der Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit
5 1 0 1 5 2 0 2 5 3 0 3 5 4 0 4 5 5 0 5 5 6 0 6 5 7 0 7 5 8 0 8 5 9 0
Arbeitszeit [ h / Woche ]
0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5Rücken Magen Herz Stress Ermüdung Schlaf
Häufigkeit von Beschwerden in Abhängigkeit von der Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit, standardisiert
5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90
0
1
2
3
-1
-2
-3
Schlaf Z Ermüdung Z Stress Z Magen Z
Häufigkeit von Beschwerden in Abhängigkeit von der Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit,
gleitender Mittelwert
0 20 40 60 80 100
Arbeitszeit [ h / Woche ]
0
0,5
1
1,5
-0,5
-1
-1,5
Bee
intr
äch t
i gun
g [ z
]
Gleitender Mittelwert
Magenbeschwerden
S+ V+ I+S+ V+ I-S+ V- I+S+ V- I-
S- V+ I+S- V+ I-S- V- I+S- V- I-
S+..S-...V+..V-...I+..I-
0 0,02 0,04 0,06 0,08 0,1
< low high >
Schichtarbeit
Variabilität
Einfluss
SchlafproblemeS+ V+ I+
S+ V+ I-
S+ V- I+
S+ V- I-
S- V+ I+
S- V+ I-
S- V- I+
S- V- I-
S+..S-..
.V+.
.V-.
..I+
..I-
0 0,05 0,1 0,15 0,2
< low high >
„Stress“S+ V+ I+
S+ V+ I-
S+ V- I+
S+ V- I-
S- V+ I+
S- V+ I-
S- V- I+
S- V- I-
S+..S-..
.V+.
.V-.
..I+
..I-
0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5
< low high >
Passung von Arbeitszeiten und sozialem Leben
S+ V+ I+S+ V+ I-S+ V- I+S+ V- I-
S- V+ I+S- V+ I-S- V- I+S- V- I-
S+..S-...V+..V-...I+..I-
1 1,2 1,4 1,6 1,8 2 2,2 2,4
< fit don't fit >
Schlafstörungen
S- V++ E+S- V++ E-S- V+ E+S- V+ E-S- V- E+S- V- E-
+-+++-+-
1 1,5 2 2,5 3 3,5 4
nie immer
Schichtarbeit
Variabilität
Einfluß
S
V
E
Teilnahme am gesellschaftlichen Leben nach Wunsch
S- V++ E+S- V++ E-S- V+ E+S- V+ E-S- V- E+S- V- E-
+-+++-+-
1 1,5 2 2,5 3 3,5
immer nie
Schichtarbeit
Variabilität
Einfluß
Häufigkeit gesundheitlicher Beeinträchtigungen unter verschiedenen Formen flexibler Arbeitszeiten
1 2 3 4
cluster 1
cluster 2
cluster 3
cluster 4
cluster 5
Magenbeschwerden -
Verdauungsprobleme -
Übelkeit / Appetitlosigkeit -
Häufiges Aufstoßen / Sodbrennen -
Schlafstörungen -
Schwindelgefühl -
Innere Unruhe / Nervosität -
Herzschmerzen -
Mutlosigkeit / Traurigkeit / Bedrückung -
regelmäßig unregelmäßig
Bewerten
aber wie?
Arbeitszeitsysteme analysieren !
nach gefährdungsrelevanten gesetzlichen Vorgaben
nach gefährdungsrelevanten tariflichen Vorgaben
nach gefährdungsrelevanten arbeitswissenschaftlichen Vorgaben
RAS (Ximes)
Schichtlängen
0,00
1,00
2,00
3,00
4,00
5,00
6,00
7,00
8,00
9,00
10,00
11,00
12,00
13,00
14,00
15,00
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31
Wor
king
hou
rs
Days rostered
Startzeiten
06:00 18:00
00:00
12:00 12:00
Day
Night
BASS 4 (Uni Oldenburg)
BASS 4 Oberfläche
Lang-rückwärts rotiertes System
Kurz-vorwärts rotiertes System
Kosten lang-rückwärts rotiert
Kosten kurz-vorwärts rotiert
Beurteilung der körperlichen Belastung
Beurteilung der mentalen Belastung
Belastungsbezogene Bewertung der Schichtlänge
Gestalten / Umgestalten
BASS 4 Bewertung, ÖPNV-Dienstplan
BASS 4 Bewertung, nach 10‘ Optimierung
BASS 4 Bewertung, ÖPNV-Dienstplan 2
BASS 4 Bewertung, DP2, nach 10‘ Optimierung
Bewertung „flexibler Arbeitszeiten“
Fazit
Die Beurteilung der Arbeitszeit im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ist bereits gesetzlich vorgegeben
Merkmale der Arbeitszeitgestaltung können Sicherheits- und Gesundheitsziele gefährden, und zwar bereits innerhalb der gesetzlichen Vorgaben
Die Beurteilung der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben ist damit offensichtlich nicht ausreichend
Fazit 2
Dauer, Lage, Verteilung und Dynamik der Arbeitszeit sind belastungsbezogen zu beurteilen
Dauer, Lage, Verteilung und Dynamik der Arbeitszeit sind auch unter dem Aspekt der Sozialverträglichkeit zu beurteilen
Fazit 3
Im Interesse der Vermeidung unnötiger Gefährdungen ist eine stärkere Berücksichtigung arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse notwendig
Dafür gibt es in letzter Zeit geeignet erscheinende technische Hilfsmittel
Fazit 4
Eine sachgerechte, angemessene Gefährdungsbeurteilung wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen, nachdem das BAG höchstrichterlich festgestellt hat, dass die Gefährdungsbeurteilung der Mitbestimmung unterliegt
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !
weitere Informationen unter
http://www.psychologie.uni-oldenburg.de/aundo/
oder