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Bemerkungen fiber die Kerne der rothen BlutkSrperchen. Yon Dr. Alexander Brandt, Privatdocenten an der Universitiit zu St. Petersburg. Entgegen der allgemeinen Annahme, haben bekanntlich einige Forscher, so namentlich B(ittcher (Virchow's Arch. Bd. 36 u. 39), mittelst Reagenzen, in den rothen Blutkih'perchen des Menschen cinen Kern nachwcisen wollen. Neuerdings ist BSttcher nochmals hierauf zuriickgekommen, wie aus einem Aufsatze zu ersehen ist, welchen er ktirzlich der K. Akademie der Wissenschaften zu St. Peters- burg zum Drucke iibersandt hat. Angeregt durch diesen Aufsatz, sah ich mich veranlasst einige Controllbeobachtungen anzustellen. Indem ich hiermit die bestiitigend ausgefallenen Resultate derselben der Oeffentlichkeit iibergebe, erlaube ich mir ihrer Darlegung einige Erwiigungen vorauszuschicken, welche mir schon seit 1/tngerer Zeit theoretisch das Vorhandensein des fraglichen Kernes mSglich er- scheinen liessen. Allerdings werde ich hierbei etwas weit ausholen. Bereits vor einer Reihe yon Jahren land ich Gelegenheit ein- gehendere Studien tiber das Blut der Sipunculiden zu machen 1). 1) Anatomisch-histol. Unters. lib. d. Sipunculus nudus L. St. Petersb. 1870. 4, (Auch in den M~moires de l'Acad, de St. P6tersb. VII. s6r. T. XVI. No. 8.) - - Sipuneulus uud Phaseolosoma besitzen in ihrer LeibeshShle eiu hellrSthliches Blur mit rothen und farblosen BlutkSrperchen, deren Unter- suehung den Histologen nieht warm genug empfohlen werden kann. Es sind n~mlich beide Arden yon BlutkSrperehen der genannten Wfirmer in Form und Farbe denen des Menschen hSchst iihnlich, fibertreffen sie jedoch an

Bemerkungen über die Kerne der rothen Blutkörperchen

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Page 1: Bemerkungen über die Kerne der rothen Blutkörperchen

B e m e r k u n g e n f iber die Kerne d e r r o t h e n B l u t k S r p e r c h e n .

Yon

Dr. A l e x a n d e r B r a n d t ,

Privatdocenten an der Universitiit zu St. Petersburg.

Entgegen der allgemeinen Annahme, haben bekanntlich einige Forscher, so namentlich B ( i t t c h e r ( V i r c h o w ' s Arch. Bd. 36 u. 39), mittelst Reagenzen, in den rothen Blutkih'perchen des Menschen cinen Kern nachwcisen wollen. Neuerdings ist B S t t c h e r nochmals hierauf zuriickgekommen, wie aus einem Aufsatze zu ersehen ist, welchen er ktirzlich der K. Akademie der Wissenschaften zu St. Peters- burg zum Drucke iibersandt hat. Angeregt durch diesen Aufsatz, sah ich mich veranlasst einige Controllbeobachtungen anzustellen. Indem ich hiermit die bestiitigend ausgefallenen Resultate derselben der Oeffentlichkeit iibergebe, erlaube ich mir ihrer Darlegung einige Erwiigungen vorauszuschicken, welche mir schon seit 1/tngerer Zeit theoretisch das Vorhandensein des fraglichen Kernes mSglich er- scheinen liessen. Allerdings werde ich hierbei etwas weit ausholen.

Bereits vor einer Reihe yon Jahren land ich Gelegenheit ein- gehendere Studien tiber das Blut der Sipunculiden zu machen 1).

1) Anatomisch-histol. Unters. lib. d. Sipunculus nudus L. St. Petersb. 1870. 4, (Auch in den M~moires de l'Acad, de St. P6tersb. VII. s6r. T. XVI. No. 8.) - - Sipuneulus uud Phaseolosoma besitzen in ihrer LeibeshShle eiu hellrSthliches Blur mit rothen und farblosen BlutkSrperchen, deren Unter- suehung den Histologen nieht warm genug empfohlen werden kann. Es sind n~mlich beide Arden yon BlutkSrperehen der genannten Wfirmer in Form und Farbe denen des Menschen hSchst iihnlich, fibertreffen sie jedoch an

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B92 A l e x a n d e r B r a n d t :

In den rothen BlutkSrperchen von gegen 100 lebenden Sipunculus nudus, deren Blut an und far sich ohne jeden Zusatz untersucht wurde, konnte durchaus ke ine S p u r eines Kernes wahrgenommen werden, wiihrend bei 2 Exemplaren, merkwfirdiger Weise, in allen Blutproben viele oder auch siimmtliche BlutkSrperchen einen deut - l i chen Kern enthielten; -- als eines dieser beiden Thiere am anderen Tage wieder angestochen wurde, boten seine BlutkSrperchen ke ine Kerne mehr dar. Bemerkenswerth ist es, dass die Blut- kSrperchen der dem Sipunculus so nahe stehenden Phascolosomen (Ph. laeve und granulatum) stets einen g a n z e x q u i s i t e n Kern zeigten, sich im Uebrigen aber yon denen des Sipunculus kaum un- terscheiden liessen. In Anbetracht dieser Beobachtungen sah ich reich veranlasst die Frage aufzuwerfen, ob man nicht vielleicht an- nehmen diirfte, dass die Kerne labile Gebilde seien, die durch ganz leichte Einfiflsse hervorgebracht oder s i c h t b a r gemacht , abet auch wieder zerstiirt oder u n s i c h t b a r g e m a c h t werden kSnnen? (Bei dieser Gelegenheit schon wies ich darauf bin, es kSnnten fort- gesetzte Untersuchungen an Sipunculiden das Ihrige dazu beitragen zu erkli~rei], wie es k~me, dass bei den verschiedenen Wirbelthier- classen die rothen Blutkiirperchen hier gekernt, dort nicht gekernt sind.) Nach Zusatz von Essigs~ure tritt in den rothen Blutk~irper- chert des Sipunculus ein rundes, umschriebenes Gebilde, ein Kern auf. Dieser liegt entweder central oder mehr oder weniger peri- pherisch und variirt betrachtlich in der Gr5sse. In ihm ist eine Anzahl kleiner, gliinzender KSrnehen eingebettet, die man immerhin als Kernkiirperchen bezeichnen mag, obgleich ~thnliehe KSrnchen hin und wieder auch im Protoplasma vorkommen. Auch zwei Kerne, statt des einen, wurden gelegentlich beobachtet. Sehr ~hnlich in ihren optischen Erscheinungen ist die Einwirkung von CarminlGsungen, welche iiberschiissiges Ammoniak enthalten. Der hierbei auf- tretende Kern erscheint bei st~rkerem Zusatz dieses Reagenz viel intensiver gefiirbt, als die tibrigen Theile des Blutk~irperchens. Je l~nger das Reagenz einwirkt, desto mehr vergrSssert sich der Kern (Quellung ?).

GrSsse, die rothen um das Doppelto des Durchmessers. Dabei tragen die rothen eigenthiimliche, au.f amSboide Beweglichkeit zuriiekfiihrbare Formen zur Schau, fiihren auch gelegentlich bereits bei Zimmertemperatur ergiebige Bewegungen aus und vermehron 8ich durch Theilung.

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Unter den soeben angefiihrten Thatsachen ist, ohne Zweifel am merkwiirdigsten erstens, dass von zwei so nahe stehenden Genera das eine die Blutkiirperchenkerne besitzt, das andere nicht; und zweitens, dass beim Sipunculus gelegentlich zeitweilige Kerne auf- treten. Neuerdings tauchte mir zur Erkl~trung dieser Thatsachen die Vermuthung auf, ob nicht das Verschwinden resp. anscheinende Fehlen des Kernes darauf beruhe, dass derselbe eine amSboid-zer- flossene, platte Gestalt annimmt; liess sich ja diese Vermuthung auch auf die Wirbelthiere ausdehnen zur Erkl~irung dessert, wie es k~ime, dass bet den Warmbltitern die Kerne vermisst werden, nicht aber bet den Kaltbltitern. Und in der That, in den farblosen Blut- kSrperchen und Uebergangsformen zu den rothen, sowie in den rothen des Embryo, fehlt der Kern ja auch beim Menschen und den fibrigen Warmbliitern nicht. Wenn er sp~iter wirklich zerstSrt werden sollte, warum f~tllt er hierbei nicht der sonst in der Regel eintretenden fettigen Degeneration anheim? Allerdings kiJnnte doch immerhin ausnahmsweise ein absterbendes Gebilde, start zu dege- neriren, direct aufgelSst werden; doch wie kommt es, dass ein Pro- toplasma, welches bisher sich fiir den Kern als durchaus unsch~td- liches, passendes Substrat auswies und bet anderen Thierformen zeit- lebens ausweist, mit einem Male den Kern in sich aufiiist?

Soll die eben angedeutete Vermuthung, ob nicht vielleicht das Fehlen des Kernes bet den Warmbliltern ein scheinbares, durch seine amiJboid-zerfiossene Gestalt bedingtes set, berechtigt erscheinen, so bedarf es zuniichst des Nachweises, dass B l u t k S r p e r c h e n - k e r n e f i b e r h a u p t c o n t r a c t i l s e in kSnnen . - - In einer vor zwei Jahren publicirten Abhandlungl) widmete ich einen besonderen Abschnitt (p. 18--29) der Besprechung amSboider Erscheinungen an kernartigen Gebilden des Eies und der Zelle und fiihrte hierbei unter anderem an, dass die BlutkSrperchenkerne der Blatta von unbesti~ndiger Gestalt sind: hier trifft man einen runden, dort einen l~inglichen oder eckigen. Eine ~ihnliche Inconstanz der Kernform fiel mir auch an den Blutkiirperchen des lebenden, unverdiinnten

1) Ueb. d. EirShren d. Blatta (Periplaneta) orientalis. St. Petersb. 1874. 4. (Auch in d. M~moires de PAcad. de 8t .P~ersb. VII. s~r. T. XXI No. 12.) Eine kurze vorl~ufige Mittheilung, die activen Formver~nderungen des Keim- fleckes yon Periplaneta betreffend~ erschien in Bd. I0 dieBes Archlvs p. 505 bis 509.

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Blutes von Rana temporaria auf und veranlasste eine n~here Unter- suchung. Es erwies sich hierbei, dass die Kerne der rothen Blut- kiirperchen meistens zwar elliptisch, viele yon ihnen jedoch lanzett- oder stabfSrmig, einzelne rund erscheinen. Die yon verliingerter Gestalt waren gewShnlich, doch lange nicht immer, der Lange nach in den betreffenden BlutkSrperchen gestellt. Bald erschienen die Kerne, so besonders die mehr rundlichen und elliptischen, scharf umschrieben und auf ihrer Oberfiache glatt, bald yon einem ua- gleichmassigen, zackigen und hSckerigen Contur begrenzt. In letz- terem Falle hatte man irrthiimlich den I n h a l t der Kerne ftir gra- nulirt halten k~innen , wahrend es nur ihre Oberfiiiche war. Ein genaueres Zusehe, und Experimentiren bei erhShter Temperatur auf einem heizbaren Objecttische ergab far die Kerne der BlutkSr- perchen das Vorhandensein autochtoner Gestaltver~inderangen, ahn- lich wie sic fiir die Kernkiirperchen und Keimfiecke yon hnderen und mir selbst nachgewiesen wurden. Die Kerne der Froschblut- kiirperchen schienen mir allerdings in ihren Bewegungen trager, als die Keimfleeke der Blatta zu sein. Uebrigens nehmen auch sie ge- legentlich sogar eine wolkenfiirmige Gestalt an 1). _ Wie ware es

1) Erst unl~ingst wurde ich darauf aufmerksam, dass n i c h t a l l e Forscher den hellen K6rper im FroschblutkSrperchen fiir einen Kern ge- halten haben, ja dass man mitunter in ibm t in postmortales Gebildo hat erblicken wollen. So behauptet F u nke (Lehrb. d. Physiol. 4. Aufl. Bd. I p. 17), dass die Froschblutkiirperehen innerhalb der Gef'~sse des lebenden Thieres keinen Kern zeigen, ~h(ichstens in einigen eine centrale Schattirung, welche fiir den Ausdruck eines Kernes gehalten worden ist, welche aber yon der Convexit~t herriihrt.~ Erst wenn die BlutkSrperchen in einem entleerten Tropfen e i n i g e Z e i t ausserhalb des Organismus verweilt haben~ so erscheine in ihrer Mitre ein ovaler Fleck, welcher wie ein Kern aussieht. Das fragliche Gebilde scheide sich im entleerten Blute unter dem Auge des Beobachters aus, wobei gleichzeitig der iibrige Bl~scheninhal~ erblasst, es finde mithin im BlutkSrperchen eine Zersetzang und Ausscheldung start. - - Um mir ein selbstati~ndiges Urtheil iiber diese F u nke 'schen Angaben zu bilden, habe ich die in der Schwimmhaut des Frosches kreisenden BlutkSrperchen mit System IX yon H a r t n a e k ins Auge gefasst, tIierbei babe ich Fo]gendes constatiren kSnuen. Es ist allerdings ~usserst schwierig in den kreisenden, sich iiber einander schiebenden BlutkSrperchen den Kern zu sehen, doch l~sst er sich unschwer nachweisen, wenn man durch Unterbinden der Froschpfote den Blutstrom sistirt oder auf ein Minimum reducirt und vereinzelt in weniger breiten Capillaren liegendc BlutkSrperchen fixirt. In solchen gewahrte ich

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nun, wenn sich die wolkenfSrmig verschwommene Gestalt des Kernes in den rothen BlutkSrperchen der Warmbl~iter wiederf~nde? Aller- dings wilrde der in dieser Frage enthaltenen Hypothese erst dann der Stempel der Wahrscheinlichkeit aufgedriickt, wenn sieh Fiille anftthren liessen, in denen a m S b o i d e s V e r s c h w i m m e n k e r n - a r t i g e r G e b i l d e so w e i t g ~ h t , dass l e t z t e r e s i ch den A u gen e r f a h r e n e r B e o b a c h t e r g ~ n z l i c h e n t z i e h e n . Nun kommen aber solche F~lle in der That vor, wie ich neuerdings nachgewiesen habe 1).

Bekanntlich wurde bisher, besonders nach Beobachtungen an viviparen kphiden, angenommen, dass bei eintretender Embryonal- entwickelung des Insecteneies zunachst das Keimbl~ischen seinen Keimfleck verliere, und auch die darauf an Stelle des KeimbD.s- chens tretenden Descendenten desselben keinen dem Keimflecke entsprechenden KSrper enthielten. Diese Angaben beruhen abet auf einem ganz entschiedenen Irrthume, wie ich an Aphiden sowohl,

einen durchaus unregelm~ssig gelappten, ~usserst blassen Kern, konnte aber direct verfolgen, wie er im Verlaufe yen einer Minute mehrmals ganz ex- quisit~ seine Gestalt iinderte, sich wohl auch zeitweilig zur regelm~ssigen Ellipse gestaltete und alsdann seharf und ~usserst deutlich als heller K6rper markirte. Nach diesen Beobachtungen diirfte auch der letzte Zweifel an der Pr~existenz des Kernes in den FroschblutkSrperchen fallen und dfirften gleich- zeitig die Angaben yon F u n k e ihre naturgemiisse Erkl~rung finden: inner- halb der Capillaren konnte er n~mlich leicht den Kern fibersehen, im ent- leerten Blare abet die gelegentliche Riickkehr eines amSboid gestalteten Kernes zu seiner scharf umschriebenen ursprfingliehen Form fiir eine Neu- bildung durch Niederschlag ansehen.

1) Zur Kenntniss d. weibl. Sexualdrfisen d. Insecten. Vorl. Mitth. in: Bulletin de l'Acad, de St. P6tersb. XXI. p. 21---.24 u. l~I61anges biol. T. IX. p. 492--496. Die betreffende ausfiihrliche Arbeit ist gegenw~rtig unter der Presse und wird vor der Hand in russischer, sp~ter auch in deutscher Sprache erscheinen und zwar unter dem Titel: Vergl. Unters. fib. d. Eir6hren u. d. Ei d. Insecten. (Wie schon in der vorl~ufigen Mittheilung angedeutet und in der ausfiihrlichen Arbeit ein Langes und Breites auseinander gesetzt wird, halte ich die alte Ansicht ffir richtig, dass das Keimbliisehen an sich die ur- spriingliche Eizelle darstelle und der Keimfleck mithin nicht als Kernk6rper- chen, sondern als Kern zu betrachten ist.) Das Schlusscapitel der Arbeit bespricht die bisher vorliegenden fremden und eigenen Beobachtungen fiber am6bo'ide Formver~nderungen an den einzelnen Formbestandtheilen des Eies und der Zelle.

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als neuerdings auch an anderen Insecten nachgewiesen habe. Der Keimfieck schwindet n i c h t , derselbe wird nur schwerer wahrnehm- bar, weil er immer mehr und mehr an amiiboider Beweglichkeit zunimmt und meist eine irregul~re, verschwommene Gestalt dar- bietet. Dem entsprechend haben auch die n~heren Descendenten des Keimbliischens alle einen verschwommenen, sich rastlos bewe- genden Keimfieck, welcher erst in den entferntercn Descendenten, den Embryonalzellen, eine concentrirtere Gestalt annimmt und leicht wahrnehmbar wird. Genau dasselbe bestiitigte sich auch f~ir die Eier yon Distomum cylindraceum 1).

Nach allem bisher Angefiihrten lag es nahe, bei den rothen BlutkSrperchen der Warmbltiter die Existenz eines Kernes zu ver- muthen, der sich in seinen amSboiden Eigenschaften zum Kern der farblosen Blutkiirperchen und dem der rothen bei den Kaltbl~itern etwa so verhalten miichte, wie ein Keimfieck bei den Insecten zur Zeit der ersten Embryonalentwickelung zu einem solchen im wer- denden oder erst eben ausgebildeten Eie. Auf diesem hypothetischen Standpunkte angelangt, wurde ich yon der neuen BSt tcher ' schen Arbeit angenehm fiberrascht und ergriff daher mit Freuden die Ge- legenheit, dessen Originalpr~iparate zu prtlfen, welche Herr Akade- miker Ows jann ikow die Gewogenheit hatte, mir anzuvertrauen. Diese Pr~iparate, zwei an der Zahl, stellen mit Alkohol behandelte BlutkSrperchen dar. Das eine davon ist mit Haematoxylin, das andere mit Anilinroth gef~rbt. Das erstere ist leider ausgefiossen und zur Untersuchung wenig tauglich, das zweite hingegen ist um so ausgezeichneter. An diesem glaube ich nun in der That mit der griissten Bestimmtheit, bereits mit System XI, und noch ungleich besser mit System XV, yon H a r t n a c k den Kern sehen zu kSnnen. Allerdings bedarf es hierzu einer genauen Einstellung des Tubus auf den grSssten Querschnitt ~) der BlutkSrperchen, wobei diese aussen eine sehr helle Zone zeigen, auf welche ein dunkler Ring und dann ein ziemlich helles Mittelfeld folgt. In letzterem liegt nun mehr oder weniger central ein vom Anilin merklich dunkler

1) Hieran reiht sich das in einer der vorstehenden Anmerkungen Ge- sagte fiber das angebliche Fehlen des Kernes im lebensth~tigen BlutkSrper- chen des Frosehes.

2) Cf. A. R o l l e t t in S t r i c k e r , Handb. d. Lehre v. d. Geweben, p. 274.

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gef~rbter, unregelmiissig, ))amiiboid(( gestalteter Fleck, hinreichend scharf differenzirt, um als Kern gelten zu kSnnen.

Jedermann weiss zur Geniige, wie leicht bei Anwendung yon Reagenzen histologische Kunstproducte entstehen, und dass sich daher in der neueren Zeit das Bestreben Bahn gebrochen, die histo- logischen Objecte, we irgend m6glich, lebend in indifferenten Medien zu studiren; kann man doch gewiss mit Fug und Recht den Satz aufstellen, dass ein jeder mit H~ilfe yon Reagenzen gewonnene Befund so lange mit Misstrauen zu betrachten ist, bis es gelingt, ihn am lebenden Pr~iparat zu best~tigen. Von dieser Maxime ausgehend, habe ich nun wiederholentlich die rothen BlutkSrperchen des Men- schen in frischem H~ihnereiweiss untersucht, mit welchem ich iiber- haupt in den letzten Jahren die gtinstigsten Erfahrungen gemacht habe. Auf die Spitze eines Fingers wird ein Tr~pfchen Eiweiss gebracht und darauf mit einer Nadel die Haut an der entsprechen- den Stelle angestochen, so dass ein Minimum von Blut sich direct dem Eiweisstropfen beimischt. Dieser wird nunmehr auf einen Ob- jecttr~ger gestrichen und mit einem verh~iltnissmRssig grossen Deck- gl~ischen bedeckt, damit er sich in miiglichst dfinner Schicht aus- breite und hierdurch das stSrende Hin- und Herfiottiren der Blut- k(irperchen vermieden werde. Zun~ichst suchte ich mir mSglichst genau die successiven Ansichten, welche ein und dasselbe BlutkSr- perchen bei verschiedenen Einstellungen der Mikrometerschraube bietet, einzupr~igen, so namentlich die abwechselnde Zu- und Abnahme der Fl~tchenausdehnung, das Wechseln yon Hell und Dunkel in den einzelnen Zouen, ferner die Spiegelungserscheinungen dieser ffir die Untersuchung so ungiinstig geformten Gebilde nach Kr~ften zu be- rficksichtigen. Ferner wurdcn auch mit dem Deckgl~ischen gequetschte Priiparate, in welchen die Blutkiirperchen stachelig und hSckerig geworden, gepriift. Ich erw~hne dieser einfachen, so selbstverst~ind- lichen Vorsichtsmassregeln, um der Beschuldigung vorzubeugen, als h~tte ich ohne Weiteres ir~end einen centralen Schatten, Reflex oder optischen Durchschnitt einer hiickerigen Hervorragung far einen Kern genommen. Dasjenige Gebilde, welches ich ftir einen solchen zu halten geneigt bin, entspricht in Gestalt und Lage genau dem B 6 t t c h e r ' s c h e n Kern und tritt, wie dieser bei der mittleren Focal- einstellung, wenn die Blutkiirperchenscheibe am gr6ssten und gleich- zeitig aussen vollkommen scharf umsehrieben erscheint, hervor. Man gewahrt alsdann, um es nochmals zu wiederholen, an dem Blut-

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kSrperchen aussen eine sehr helle Zone, welche nach innen ver- schwommen in einen sehr dunkelen Saum iibergeht; auf diesen folgt ein Mittelfeld, welches wiederum hell, doch dunkler, als die Rand- zone ist. Nahezu im Centrum dieses Mittelfeldes bemerke ich nun stets einen Fleck, welcher etwas dunkler als seine unmittelbare Um- gebung erscheint. Seinen Durchmesser sch~tze ich annahernd auf O,00i Mm.; seine Form ist unregelm~ssig rundlich oder sternfSrmig, in jedem einzelnen KSrperchen verschieden, sein ausserer Contur rein, abet durchaus scharf. Aeusserst platt und unregelm~ssig um- schrieben, wie er ist, konnte der Kern bei seiner Kleinheit leieht, besonders bei Anwendung yon weniger starken YergrSsserungen, als beispielsweise Syst. XV Hartn., abersehen werden, obgleich es kaum einen Mikroskopiker geben diirfte, der nicht mit besonderem Interesse die Blutk~rperchen studirt h~tte. W~ire nicht dieser letztere Umstand und hs wir es vielmehr mit einem wenig bekannten oder neuen histologischen Gebilde zu thun, so warde ich mit apo- dictischer Bestimmtheit die Existenz des fraglichen Kernes behaupten. So aber zwingt die Vorsicht immerhin zur Reserve. Daher soU denn auch die gegenwiirtige Notiz lediglich den Zweck haben, die Auf- merksamkeit erfahrener Beobachter abermals auf die Frage vom Sein oder Nichtsein des Kernes zu richten, und zwar vom neuen Standpunkte der muthmasslichen amSboiden Eigenschaften dieses Gebildes aus. (Active Formver~inderungen habe ich an dem fraglichen Kern allerdings nicht mit Bestimmtheit wahrnehmen kSnnen, doch dtirfte dies iibrigens auch nicht leicht sein, wenn man bedenkt, wie klein und diinn der Kern ist und welchen relativ grossen Einfluss auf seine scheinbare Gestalt schon die geringsten Verschiebungen am Mikroskope ausiiben m0ssen.)