BRZ BzL Rheinwiesenlager Nr.63 Web

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  • BL T TERZUM LANDNr. 63Kriegsgefangenschaft in den Rhein wiesenlagern (1945 bis 1948)

    In den letzten Monaten des Zweiten Welt-kriegs im Mrz, April und Mai 1945 gerie-ten Millionen deutscher Soldaten in Kriegs-gefangenschaft. Die alliierten Streitkrfte waren auf eine solch groe Zahl von Kriegs-gefangenen in einer so kurzen Zeitspanne nicht ausreichend vorbereitet. Daher wurden die Soldaten sowie uniformierte oder ver-dchtige Zivilisten zunchst in proviso-

    rischen Lagern am Rhein den sogenannten Rheinwiesenlagern interniert. Whrend es an Unterknften, Nahrung und Medizin fr alle Menschen in Deutschland mangelte, war auch das Leben der Kriegsgefangenen gekennzeichnet von Hunger, Krankheiten und vllig unzureichenden hygienischen Verhlt-nissen.

    Heute sind die Rheinwiesenlager, ihre Ursachen und Folgen zumeist nicht mehr bekannt. Nach Kriegsende lag das Interesse der deutschen Bevlkerung verstrkt auf den Kriegsgefangenenlagern in der Sowjetunion, in denen

    noch bis 1955 deutsche Sol-daten interniert waren. Zu-

    dem fhrten insbe-sondere politische Entscheidungen dazu, dass For-schungsergebnis-se der Historiker-Kommission

    unter Leitung von

    Regentag, Bretzenheim 1945, Zeichnung Wilhelm Gtting, VG Bild-Kunst, Bonn 2014, Quelle: Dokumentationszentrum Bretzenheim;

    Fotografie Remagen, Quelle: Gckelhorn/Kleemann 2013.

  • 2Prof. Erich Maschke in der ffentlichkeit nicht verbreitet wurden. Die Kommission hat-te in den 1960er und 1970er Jahren intensiv Tausende Erlebnisberichte ausgewertet und dabei erste Hochrechnungen zu den Todes-zahlen in den Rheinwiesenlagern gemacht. Die Ergebnisse der Kommission wurden aber nur in der Fachwelt wahrgenommen. Damals waren es daher vor allem ehemalige Kriegs-gefangene, deren Angehrige, der Verband der Heimkehrer und engagierte Personen aus den Umgebungen der Lager, die sich ver-pflichtet fhlten, die Erinnerung in Gedenk-veranstaltungen oder durch Mahnmale wach zu halten.Wenn heute an die Rheinwiesenlager er-innert wird, entstehen oft stereotype Vor-stellungen des Leids, die den historischen Hintergrund ausblenden. Vertreter der extremen Rechten nutzen die Thematik und verbreiten falsche, bertriebene oder aus dem Zusammenhang gerissene Darstellun-gen der Bedingungen in den Kriegsgefan-genenlagern. Die Rheinwiesenlager mssen aber mit dem politischen und militrischen Geschehen vor 1945 in Verbindung gebracht werden, denn die Lager sind eine Folge der NS-Diktatur, des von Deutschland ausge-henden Zweiten Weltkriegs sowie der na-tionalsozialistischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

    Alliierte Planungen zu den Kriegsge-fangenenlagern in DeutschlandDie Alliierten hatten die Frage der deutschen Kriegsgefangenen bereits im Mrz 1943 und im Dezember 1944 thematisiert. Man vereinbarte zwei wichtige Aspekte: Erstens sollte es Frankreich erlaubt sein, Kriegs-gefangene in sein von deutschen Truppen zerstrtes Land zu bringen, damit diese dort Aufbauarbeiten leisteten. Zweitens wollten sich Grobritannien und die USA die Gefan-genen aufteilen, um die Belastung gleichm-ig zu verteilen. Bis August 1944 brachten die Amerikaner ihre Kriegsgefangenen daher ber Sammellager in Nordfrankreich und Belgien direkt in die USA oder in Lager in Grobritannien. Dort konnte die Versorgung

    der zu diesem Zeitpunkt etwa 300.000 deutschen Mnner besser gewhrleistet werden als im europischen Kriegsgebiet.Insgesamt wurden rund 11 Millionen Deut-sche whrend des Zweiten Weltkriegs und danach zu Kriegsgefangenen. Davon befan-den sich etwa 7,7 Millionen in westalliierter Obhut. Ihr Schicksal hing von verschiedenen Faktoren ab: wo sie in Gefangenschaft gerie-ten, ob sie noch whrend des Krieges oder erst nach Kriegsende gefangen genommen wurden, wie alt und gesund sie bei der Ge-fangennahme waren, welchen zivilen Beruf sie angaben, zu welcher Einheit sie gehrten oder welchen militrischen Rang sie inne hatten. Entscheidend fr das weitere Schick-sal war auch, in welches der Kriegsgefange-nenlager in den USA, Kanada, Grobritan-nien, Belgien, Frankreich oder Deutschland sie gebracht wurden. Denn die Lager an sich unterschieden sich in erheblichem Mae. So gab es etwa die Kriegsgefangenenlager (POW-Camps) in den USA, in denen ver-gleichsweise gute Bedingungen herrschten. In den provisorisch angelegten Rheinwiesen-lagern, die zumeist zwischen sechs und acht Wochen bestanden, litten die Gefangenen hingegen massiv unter den zeitweise katast-rophalen Verhltnissen und es wurden weit-aus mehr Todesflle verzeichnet.

  • 333

    Kriegs- und vlkerrechtliche Grundlagen fr den Umgang mit KriegsgefangenenDie Haager Landkriegsordnung von 1907 sowie die Genfer Konventionen von 1929 regelten offiziell den rechtlichen Status von Kriegsge-fangenen und ihre Behandlung. So sollten diese genauso ausreichend mit Lebensmitteln ver-sorgt werden wie die eigenen Truppen, und ihre Familien sollten nach der Registrierung beim Internationalen Roten Kreuz ber die Gefangen-nahme informiert werden. Viele der kriegfh-renden Regierungen versuchten, diese Vorgaben einzuhalten. Die Sowjetunion hingegen hatte sich 1929 geweigert, den dritten Genfer Vertrag ber die Behandlung von Soldaten in Gefan-genschaft zu unterzeichnen, und hielt sich auch nicht an die noch durch den russischen Zaren unterzeichnete Haager Landkriegsord-nung. Das Deutsche Reich verweigerte seinen Kriegsgefangenen weitgehend die Behandlung gem den Konventionen whrend des Zweiten Weltkriegs. Dies zeigt insbesondere der Um-gang mit den sowjetischen Kriegsgefangenen, deren Sterblichkeitsrate in deutscher Kriegsge-fangenschaft durch Verhungern, Verwahrlosung und mangelnde medizinische Hilfe bei ber 50 Prozent lag. Die Genfer Konventionen wurden vor allem auch dadurch missachtet, dass man viele von ihnen in Konzentrationslager ber-stellte, wo die SS sie systematisch und in groer Zahl ermordete.

    Aufgrund der pltzlich ansteigenden hohen Anzahl der Gefangenen konnten die amerika-nischen Streitkrfte, trotz der Bemhungen von offizieller Seite, die Bedingungen der Genfer Konventionen ab Mrz 1945 nicht mehr einhalten. Formal whlte man daher fr all jene, die nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands am 8./9. Mai 1945 in Gefangenschaft gerieten, den Status Dis-armed Enemy Forces (entwaffnete feindli-che Krfte, DEF) statt wie zuvor Prisoner of War (Kriegsgefangener, POW). Die Briten bezeichneten diese Gruppe als Separated Enemy Personnel (SEP). Dies hatte zur Folge, dass Regelungen, die fr Kriegsgefangene nach den Genfer Konventionen galten, hier nicht zur Anwendung kommen mussten.Der Groteil der Gefangenen in den Rhein-wiesenlagern galt jedoch als POW. Generell war dies ohnehin zumeist eine rein formale Differenzierung und die Behandlung der POWs und der DEFs unterschied sich in den Kriegsgefangenenlagern nicht erheblich. Die-se Regelung stellte zwar einen Versto gegen die Genfer Konventionen dar, doch wre eine regelkonforme Versorgung nur auf Kosten der deutschen Zivilbevlkerung und der Displaced Persons (DPs) darunter fielen im Sommer 1945 mehr als 10 Millionen befreite Zwangsarbeiter und ehemalige Hftlinge aus Konzentrationslagern mglich gewesen, was moralisch nicht vertretbar war.

    Die Ausgangssituation 1945Im Frhjahr 1945 machten die Alliierten auf deutschem Boden an allen Fronten Kriegsge-fangene. Zahlreiche Soldaten der Wehrmacht folgten dem Aufruf auf Flugblttern, sich zu ergeben. Laut amerikanischen Quellen stieg die Zahl der Kriegsgefangenen allein in der Woche vom 1. bis zum 8. Mai 1945 um eine Million Soldaten an. Diese Gefangenen mussten nun versorgt werden, sie waren oft verletzt, erschpft und ausgehungert.

    Remagen mit deutlich sichtbaren Schlangen der Gefangenen, die fr Nahrung oder Wasser anstehen; Quelle: Gckelhorn/Kleemann 2013.

  • 41 Bderich (PWTE A4)

    2 Rheinberg (PWTE A1)

    3 Wickrathberg (PWTE A9)

    4 Remagen (PWTE A2)

    5 Sinzig (PWTE A5)

    6 Siershahn (PWTE A18)

    7 Andernach (PWTE A11)

    8 Urmitz (PWTE A13)

    9 Plaidt/Miesenheim (PWTE A14)

    10 Diez (PWTE A19)

    11 Koblenz (PWTE A10)

    12 Heidesheim (PWTE A12)

    13 Hechtsheim (PWTE A17)

    14 Dietersheim (PWTE A8)

    15 Zahlbach (PWTE A16)

    16 Winzenheim/Bretzenheim (PWTE A6)

    17 Biebelsheim (PWTE A7)

    18 Planig (PWTE A15)

    19 Bad Kreuznach (PWTE A3)

    20 Ludwigshafen-Rheingnheim (PWTE C2)

    21 Bhl-Iggelheim (PWTE C1)

    22 Heilbronn (PWTE C3)

    23 Heilbronn (PWTE C4)

    Rhein

    Nordrhein-Westfalen

    Hessen

    Rheinland-Pfalz

    Rheinland-Pfalz

    Saar-land

    Baden-Wrttemberg

    Baden-Wrttemberg

    Belgien

    Luxem-burg

    Luxem-burg

    Frankreich

    12

    3

    45 67

    108 119

    14 12 13151617

    18

    20

    19

    21

    2223

    Die allgemeine Situation war aus mehreren Grnden schwierig: Europa war sechs Jahre lang Kriegsschauplatz gewesen, Millionen Menschen litten unter den Folgen des Krieges und hungerten in den zerstrten Stdten. Ebenfalls waren fast berall die Transportwe-ge und -mittel, Brcken, Bahnhfe kurz: die ganze Infrastruktur zerstrt worden. Die Al-liierten mussten in krzester Zeit die Versor-gung der eigenen Soldaten, der berlebenden aus den befreiten Konzentrationslagern, der ehemaligen Zwangsarbeiter, der Zivilisten in den zerbombten Stdten und der Kriegsge-fangenen organisieren, ohne ber gengend Ressourcen zu verfgen. Es sollte vor allem zunchst die Ernhrung der amerikanischen

    Soldaten, der DPs und der deutschen Zivilis-ten gesichert werden den Kriegsgefangenen konnten und wollten die US-Truppen keine Sonderrechte einrumen.Die gescheiterte deutsche Ardennenoffensive, die berquerung des Rheins bei Remagen durch amerikanische Streitkrfte am 7. Mrz 1945 und die Kapitulation im sogenannten Ruhrkessel lieen die Zahl der deutschen Sol-daten in westalliierter Kriegsgefangenschaft explosionsartig ansteigen. Alleine bei der Kapitulation im Ruhrgebiet gerieten Mitte April 1945 ca. 325.000 deutsche Soldaten in Gefangenschaft. Als Deutschland schlielich im Mai 1945 kapitulierte, wuchs diese Zahl weiter: Whrend zu Beginn des Jahres 1945

    bersicht der Rheinwiesenlager mit offizieller amerikanischer Bezeichnung (PWTE = Prisoner of War Temporary Enclosure)

  • 51 Bderich (PWTE A4)

    2 Rheinberg (PWTE A1)

    3 Wickrathberg (PWTE A9)

    4 Remagen (PWTE A2)

    5 Sinzig (PWTE A5)

    6 Siershahn (PWTE A18)

    7 Andernach (PWTE A11)

    8 Urmitz (PWTE A13)

    9 Plaidt/Miesenheim (PWTE A14)

    10 Diez (PWTE A19)

    11 Koblenz (PWTE A10)

    12 Heidesheim (PWTE A12)

    13 Hechtsheim (PWTE A17)

    14 Dietersheim (PWTE A8)

    15 Zahlbach (PWTE A16)

    16 Winzenheim/Bretzenheim (PWTE A6)

    17 Biebelsheim (PWTE A7)

    18 Planig (PWTE A15)

    19 Bad Kreuznach (PWTE A3)

    20 Ludwigshafen-Rheingnheim (PWTE C2)

    21 Bhl-Iggelheim (PWTE C1)

    22 Heilbronn (PWTE C3)

    23 Heilbronn (PWTE C4)

    Rhein

    Nordrhein-Westfalen

    Hessen

    Rheinland-Pfalz

    Rheinland-Pfalz

    Saar-land

    Baden-Wrttemberg

    Baden-Wrttemberg

    Belgien

    Luxem-burg

    Luxem-burg

    Frankreich

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    etwa 300.000 bis 370.000 Deutsche in ame-rikanischer Kriegsgefangenschaft waren, stieg die Zahl in den Wochen um die Kapitulation auf fast 2,6 Millionen Soldaten sprunghaft an.Als die britische Heeresleitung im Febru-ar 1945 die Versorgung fr die deutschen Kriegsgefangenen ablehnen musste, weil sie diese nicht mehr leisten konnte, blieb die Verantwortung fr die Unterbringung der Kriegsgefangenen zunchst ganz den Amerika-nern berlassen. Diese legten insgesamt 200 Kriegsgefangenenlager verschiedener Gre in ganz Europa an, um die Menschenmassen unterzubringen. Die Rheinwiesenlager waren die grten und von den Lebensbedingungen hrtesten dieser Lager.Da in den Monaten Mrz bis Mai 1945 noch Krieg herrschte, konzentrierten sich die US-Truppen vorrangig auf den militrischen Sieg und nicht auf die Versorgung der Kriegsgefan-genen. Im Verlauf der letzten Kriegsmonate befreiten alliierte Einheiten zudem Konzen-trationslager wie Bergen-Belsen oder Buchen-wald und wurden so zu Augenzeugen der Verbrechen, die dort begangen worden waren. Ebenfalls wurde bekannt, wie menschenun-wrdig die deutsche Wehrmacht ihrerseits mit Kriegsgefangenen, besonders mit den sowje-tischen, umgegangen war. Dies beeinflusste sicherlich auch die Haltung gegenber den deutschen Gefangenen. Feindbilder, die in der amerikanischen Kriegspropaganda jahrelang genutzt wurden und sich oft auch mit dem Bild deckten, das die Nationalsozialisten von sich selbst entwarfen, wirkten sich ebenfalls auf die Behandlung in den Kriegsgefangenen-lagern aus. Dazu gehrten die Vorstellungen etwa vom niemals endenden Kampfeswillen nationalsozialistischer Untergrundorganisati-onen wie dem Werwolf oder der Erziehung der Jugend zu fanatischen Kmpfern in National-sozialistischen Erziehungsanstalten (Napola). Sie lieen der amerikanischen Militrregierung eine sehr breite Verhaftungswelle folgerich-tig erscheinen, da die Sicherheit der eigenen Soldaten Vorrang hatte. Daher wurden neben Brgermeistern auch Zivilisten vor allem wenn sie eine Uniform trugen, wie etwa Poli-zisten, Frster, Bahn- und Postbedienstete in

    Kriegsgefangenenlager gebracht, sofern sie nicht in sogenannten Zivilgefangenenlagern interniert wurden. Jugendliche und alte Mn-ner ber 60 Jahre gerieten in Kriegsgefangen-schaft, wenn sie im Verdacht standen, entwe-der dem Volkssturm oder dem sogenannten Werwolf anzugehren. Letzterer war eine NS-Untergrundorganisation, die in bereits von den Alliierten besetzten Gebieten mit Sabota-geakten den Kriegsverlauf noch beeinflussen sollte. Noch kurz vor Kriegsende wurde im September 1944 unter Befehl von Heinrich Himmler mit dem Volkssturm ein letztes Aufgebot einberufen. Von der NS-Propaganda angestachelt, hatten sie an manchen Orten verbissen den sinnlosen Endkampf gefhrt und dabei viele Tote auf alliierter Seite verursacht.

    Die Rheinwiesenlager

    Errichtung und Aufbau der RheinwiesenlagerDie US-Armee errichtete im Zeitraum von April bis Juli 1945 zahlreiche Kriegsgefange-nenlager entlang des Rheins, unter anderem in Bretzenheim, Remagen und Sinzig. Sie bezeichneten sie offiziell als Prisoner of War Temporary Enclosures (PWTE) und num-merierten sie von A1 bis A19 sowie C1 bis C4 durch. Ein errichtetes Lager in Urmitz wurde nie in Betrieb genommen. Darber hinaus gab es weitere, teilweise nur wenige Wochen bestehende Sammellager unter anderem in Eckelsheim, die keine offizielle PWTE-Bezeichnung erhielten. Dort herrsch-ten allerdings dieselben Zustnde wie in den anderen Lagern entlang des Rheins. Auf den provisorischen Charakter, der aus der Not geboren wurde, weist bereits die offizielle Bezeichnung der Lager als Prisoner of War Temporary Enclosures (PWTE) hin, was den Begriff temporary (engl. fr zeitweise, vorbergehend) aufgreift. Da die Amerikaner die Gefangenen nicht lange unter ihrer Kon-trolle behalten wollten, etablierten sie keine ausgebauten Lager mit Lagerordnungen. Dies war eine Ursache fr die chaotischen Verhlt-nisse im Frhjahr und Sommer 1945.Die Entscheidung fr die Standorte am Rhein

  • 6wurde beeinflusst durch das Vorhandensein groer, freier Flchen, auf denen die Lager eingerichtet werden konnten. An alle Lager grenzten Drfer oder Stdte mit einem Bahn-anschluss, wodurch Weitertransport- und Versorgungsmglichkeiten gegeben waren. Die Amerikaner trennten mit Stacheldraht Ackerbereiche unter freiem Himmel ab und teilten sie in kleinere Einheiten, sogenannte Cages beziehungsweise Compounds ein, die jeweils 5.000 bis 10.000 Gefangene um-fassten. Die Gefangenen durften diese Cages nicht beziehungsweise nur in Ausnahmefllen verlassen. Ein Kontakt zwischen den Cages war kaum mglich, da sie oft durch einen mit Stacheldraht abgesperrten Weg voneinander abgetrennt waren. Die Rheinwiesenlager waren mit insgesamt ber einer Millionen Gefangenen vollkommen berfllt, waren sie doch fr ursprnglich weitaus weniger Men-schen vorgesehen.Bis zu 40.000 amerikanische Soldaten der 106. US-Infanterie-Division waren fr die Be-wachung, die Organisation und die Sanitts-dienste an die Lager abgestellt. Fr die Bewa-chung einiger Lager wurden auch Displaced Persons (DPs) eingesetzt. Die interne Ver-waltung berlieen die Alliierten den deut-schen Gefangenen. So bernahmen einige der Gefangenen organisatorische Aufgaben als Lagerleiter, Campleiter, Tausendschafts-, Hundertschafts- und Zehnerschaftsfhrer. Andere arbeiteten als rzte, Sanitter, Kche, Handwerker und Lagerpolizisten.

    GefangenenstrukturIn den Rheinwiesenlagern wurden vorwiegend deutsche Soldaten aus der Wehrmacht und der Waffen-SS gefangen gehalten. Ehemalige militrische Kampfeinheiten oder Gruppen, die gemeinsam in ein Lager gebracht worden waren, wurden zumeist aufgeteilt und ge-trennt untergebracht. Die deutschen Offiziere wurden ebenfalls von den gewhnlichen Soldaten separiert und waren besser gestellt, so erhielten sie beispielsweise Zelte, was den Vorgaben der Genfer Konventionen ent-sprach. Viele der Gefangenen waren durch die Rckzugsgefechte, die schlechte Versorgung

    und den Aufenthalt in den Sammellagern an der Front krperlich und seelisch geschwcht.Die Kriegsgefangenen stammten aus allen Gebieten des ehemaligen Deutschen Reichs und aus den verschiedenen sozialen Schich-ten. Ihre Kriegserlebnisse unterschieden sich ebenso wie ihr Alter. Neben den deutschen Wehrmachtsangehrigen gab es auch Lu-xemburger, Belgier, Slowenen, Ungarn, Volks-deutsche aus Polen und Soldaten aus Elsass-Lothringen, die mehrheitlich zwangsrekrutiert worden waren, um fr die deutsche Armee zu kmpfen. Oft waren sie unter Drohungen gegen ihre Familien in den besetzten Gebie-ten zum Militrdienst gezwungen worden. Eine kleinere Gruppe stellten jene auslndi-schen Soldaten aus den von der Wehrmacht besetzten Lndern dar, die sich freiwillig zum Dienst in der deutschen Wehrmacht oder bei der Waffen-SS gemeldet hatten. Unter den Begriff special nationals fielen in den Kriegs-gefangenenlagern auch auslndische Zivilis-ten, die in den von den Deutschen besetzten

  • 7Gebieten mit diesen kollaboriert hatten.Einer der zentralen Grnde fr die Errichtung der Rheinwiesenlager war das Aufspren und Separieren von Kriegsverbrechern, um diese spter gerichtlich zur Rechenschaft ziehen zu knnen. Denn unter den Gefangenen waren zahlreiche Mitglieder der SS und der Wehr-macht, die sich aktiv an Kriegsverbrechen beteiligt oder sich bei dem brutalen Vorgehen der deutschen Armee gegen Zivilisten in den besetzten Gebieten schuldig gemacht hatten.Unter den Gefangenen gab es zudem deut-sche Zivilisten, darunter auch Jugendliche und Frauen. Sie wurden als automatic ar-rests festgenommen, da sie entweder eine politische Funktion im Staat oder in der NSDAP inne hatten zum Beispiel als Brger-meister oder weil man sie verdchtigte, im Untergrund oder im Volkssturm weiter kmp-fen zu wollen. In den Rheinwiesenlagern wa-

    ren insgesamt etwa 2.600 Frauen interniert. Sie waren meist als sogenannte Wehrmachts- und Luftwaffenhelferinnen, als Funkerinnen, Sanitterinnen, Schreibkrfte oder fr das Deutsche Rote Kreuz an und hinter der Front ttig gewesen. In den Lagern selbst wurden die Frauen in separaten Lagerbereichen un-tergebracht, ihnen wurden Zelte zur Verf-gung gestellt und sie wurden besser verpflegt als die Mnner. Die meisten Frauen wurden nach wenigen Wochen wieder entlassen.Da die amerikanische Lagerleitung einige der Gefangenen mit Funktionen in der Ver-waltung des Lagers ausstattete, entwickelte sich eine Lagerhierarchie. Als Campleiter, Lagerpolizist, Dolmetscher oder Koch konn-ten sich diese Gefangenen Vergnstigungen verschaffen. Zudem mussten sie nicht unter freiem Himmel leben, sondern hatten einen Schlafplatz in den wenigen Baracken oder Husern der Verwaltung. Zwischen ihnen und den brigen Gefangenen kam es in vielen Lagern zu Missgunst und bergriffen, da sich die deutschen Hilfskrfte der Lagerleitung oft an den Lebensmittelvorrten bereicherten.Einige Zeitzeugen erinnern sich an Diebsthle und Schlgereien im Lager. Die Gefange-nen stritten um Lebensmittel, Trinkwasser, Schlafpltze oder notwendige Gebrauchs-gegenstnde wie Zeltplanen oder Besteck. Als Strafe wurden die Schuldigen von den anderen Gefangenen separiert oder intern blogestellt. In manchen Lagern wurden sie regelrecht an den Pranger gestellt und mit Schlgen von der deutschen Lagerpolizei oder den Mitgefangenen bestraft. Doch auch das Gegenteil war der Fall: Es formten sich im La-ger mitunter auch neue Gruppen, die sich ge-genseitig halfen. Sie leisteten praktische und emotionale Untersttzung, organisierten die Selbsthilfe, teilten ihre Besitztmer, wie zum Beispiel Zelte, und halfen sich in schwierigen Situationen. Dies war besonders wichtig, da die Gefangenen nicht mehr in ihren ursprng-lichen Einheiten und Truppen organisiert waren, sondern bei der Gefangennahme auf verschiedene Lager oder Cages verteilt wor-den waren.

    Frauen als Kriegsgefangene,Quelle: Gckelhorn/Kleemann 2013.

  • 8Schikane. Es kam auch darauf an, in wie weit sich ein amerikanischer Wachsoldat an das bestehende Fraternisierungsverbot hielt, welches ihm den persnlichen Kontakt mit den Gefangenen untersagte.Politisch wurde von amerikanischer Seite immer wieder vor und nach Kriegsende betont, dass der feste Wille bestnde, die Gefangenen gem der Genfer Konventi-onen und der Haager Landkriegsordnung zu behandeln. Auch abgeworfene alliierte Flugbltter sicherten den Deutschen zu, dass man sie versorgen und gut unterbringen wolle. Dass dies hufig nicht gelang, hing von den widrigen Umstnden ab. Von einer bewussten Tuschung, um Wehrmachtsol-daten zum Aufgeben zu bewegen, kann da-her nicht die Rede sein.

    Lagerbedingungen und KrankheitenBereits unmittelbar nach der Gefangennah-me konnte man die deutschen Soldaten in den Sammellagern hinter der Front wegen der andauernden Kriegshandlungen nur mit Mhe unterbringen. So kamen die Ge-fangenen oft bereits von Hunger und Klte geschwcht auf LKW oder spter in Zgen in den Rheinwiesenlagern an. Dort mussten sie meistens, wenn dies nicht vorher geschehen war, ihre Besitztmer abgeben. Dies galt auch fr die militrische Ausrstung, fr Zelte, Decken, Wechselkleidung oder Nah-rungsmittel.Die ankommenden Gefangenen im Lager waren schockiert ber die Zustnde. Es hatte sich herumgesprochen, dass Kriegsge-fangene, die zuvor in den USA, Kanada und Grobritannien interniert worden waren, ihren Familien in Feldpostbriefen von der guten Behandlung dort berichtet hatten. In Verkennung der Gegebenheiten vor und bei Kriegsende erwarteten diese nun auch, in der amerikanischen Kriegsgefangenschaft in Deutschland gut versorgt zu werden.In manchen Rheinwiesenlagern gab es zwar Baracken fr Kranke, weibliche Gefangene und hhere Militrrnge, doch die meisten Kriegsgefangenen mussten der Witterung ausgesetzt unter freiem Himmel campieren.

    Das Verhltnis von amerikanischen Sol-daten und deutschen Kriegs gefangenenDie deutschen Kriegsgefangenen machten in den Lagern die unterschiedlichsten Erfah-rungen mit den amerikanischen Bewachern. Diese reichten von groben bergriffen und Schikanen bis hin zu Hilfe und Entgegen-kommen. Je nach Charakter oder Stimmung der amerikanischen Soldaten reagierten diese willkrlich, gleichgltig, bereicherten sich oder halfen den Internierten. Einige sahen das deutsche Volk insgesamt als Kriegsverbrecher und folglich in allen Gefan-

    genen schuldige Tter, die bestraft werden mssten. Andere waren berfordert durch die Vielzahl an deutschen Gefangenen, die sie bewachen mussten, und reagierten da-rauf mit Schlgen oder Schssen. Wieder andere beschlagnahmten die Wertsachen der Eingesperrten oder zerstrten diese aus

    US-amerikanisches FlugblattQuelle: Christiane Weber.

  • 9Waschmglichkeiten gab. Hufig kam es zu Lungenentzndungen, Hungerdemen, Glie-derschwellungen und extremen Schwchean-fllen. Gleichzeitig konnte keine umfassende medizinische Versorgung der durch den Krieg krperlich und seelisch geschwchten Sol-daten gewhrleistet werden, obgleich es in den Lagern notdrftig eingerichtete Lazarette gab. Besonders schwer Erkrankte wurden in Einzelfllen auch in amerikanischen und deutschen Krankenhusern auerhalb des La-gers behandelt. Die Gefangenen wurden mit dem damals blichen Insektizid DDT entlaust und gegen Typhus und Ruhr geimpft, um die weitere Verbreitung von Seuchen und Krank-heiten zu verhindern.Neben den krperlichen Folgen der Haft war fr viele Gefangene die seelische Belastung besonders schwer zu ertragen: Sie litten we-gen der Enge unter ngsten, Depressionen und Lagerkollern, verfielen Wahnvorstellun-gen, verzweifelten, wurden apathisch oder

    Sie versuchten, sich notdrftig gegen Regen, Sonne und nchtliche Klte zu schtzen: Sie teilten sich die wenigen Decken und Mntel, nutzten Pappe oder Holzbretter, wenn sie diese organisieren konnten, als Unterlage und viele von ihnen gruben sich verbotenerweise Erdlcher. Doch die vorhandenen Decken reichten nicht fr alle und waren zudem schnell vom Dreck und Regen durchweicht. In vielen Berichten von ehemaligen Kriegsge-fangenen heit es, dass der Regen die Lager in Schlammwsten verwandelt habe. Diese Bedingungen und das Fehlen von Toiletten und Abwasserkanlen man konnte in den ersten Monaten lediglich Fkaliengruben im Freien ausheben frderten die Verbreitung von Krankheiten und im regnerisch-khlen April 1945 auch von Erfrierungen. Besonders Infektionskrankheiten wie die Ruhr mit den typischen Durchfllen wurden fr die Kranken zur Qual, weil es keine oder nur vllig un-zureichende hygienische Einrichtungen und

    Zeichnung Wilhelm Gtting, Bad Kreuznach, Bretzenheim April 1945, VG Bild-Kunst, Bonn 2014,Quelle: Dokumentationszentrum Bretzenheim.

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    Kriegsgefangene funktionierten Konservendosen zu fen um, Zeichnung R. Kluge, Der Herr Oberstleut-nant beim Brotrsten, Bretzenheim 1945,Quelle: Dokumentationszentrum Bretzenheim

    Rheinwiesenlager hungerten in den ersten Monaten sehr, manche von ihnen erhielten erst nach Wochen das erste Brot. So aen sie auch alle mglichen Pflanzen, die sie im Lager fanden. Es war zudem schwierig, die mageren Tagesrationen zuzubereiten, da man sich das Brennholz und die fen erst orga-nisieren musste und es davon zu wenig gab. Daher aen die Gefangenen den Inhalt der Konservendosen meist kalt. Auch die Versor-gung mit Trinkwasser war nicht ausreichend und fr das stark gechlorte Wasser die amerikanische Lagerleitung versuchte so die Verbreitung von Krankheiten einzudmmen mussten die Kriegsgefangenen stundenlang anstehen.Teilweise gestatteten die Alliierten vorber-gehend die Zusatzversorgung der Lager durch die Bevlkerung aus den umliegenden Ort-schaften, weshalb zunehmend von Kirchen

    und lokalen Behrden Lebensmittel- und Kleidersammlungen organisiert wurden. Manchmal konnten Lebensmittelpakete auch von Zivilisten in die Lager gebracht werden. Doch zum einen hatten die Menschen au-erhalb der Lager selbst kaum noch Vorrte und daher Probleme mit der tglichen Ver-sorgung. Zum anderen verboten manche Wachen, Nahrung ber den Zaun zu reichen.

    aggressiv. Die meisten sahen sich nun als Opfer des Krieges. Nach ihrer Vorstellung hatten sie lediglich ihre Pflicht getan und waren Befehlen gefolgt, wohingegen sie im Lager kollektiv wie Tter behandelt wurden. Dass Einheiten der Wehrmacht andere Lnder brutal unterworfen und deren Ausbeutung ermglicht hatten, blendeten sie zumeist aus. Die Gefangenen so wird aus ihren Berichten deutlich fhlten sich hilflos dem Schicksal und den amerikanischen Bewachern ausge-liefert, da ihnen jegliches Handeln unmglich gemacht wurde. Besonders die ungewisse Zukunft setzte den Mnnern zu, da niemals klar war, ob und wann sie entlassen werden und ob sie Reparationsarbeiten in Belgien, Frankreich oder anderswo leisten mssen. Gleichzeitig realisierten die Gefangenen, dass alles zerstrt war, was ihr Leben zuvor bestimmt hatte. Auch plagte sie die Sorge um ihre Familien, deren Schicksal sie nicht kann-ten und wegen der Postsperre bis Juni 1945 auch nicht klren konnten. Selbst ber diesen Zeitpunkt hinaus konnten viele der Briefe nicht zugestellt werden, da das Postwesen in Deutschland noch nicht wieder funktionier-te oder die Gefangenen nicht wussten, wo ihre Familien nach der Flucht aus den Ost-gebieten oder aus bombardierten Stdten lebten. Um der bedrckenden Situation zu entkommen, kam es vereinzelt zu Fluchtver-suchen. Diese endeten zumeist tdlich, da die US-Armee den Befehl hatte, Flchtige zu erschieen. Einige Gefangene begingen auch Selbstmord.

    berleben und Sterbenim LagerDie Versorgung von 3,4 Millionen Kriegs-gefangenen mit Lebensmitteln war eine so groe logistische Herausforderung fr die amerikanischen Streitkrfte, dass sie diese in der kurzen Zeitspanne zwischen Ende Mrz und Juli 1945 nicht hinreichend gewhrleisten konnten. So waren vor allem in den ersten Wochen im April und Mai die ausgegebenen Lebensmittelrationen nicht ausreichend und selbst die kargen Rationen wurden nur unregelmig verteilt. Die Gefangenen der

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    ber die amerikanischen Lager und andere humanitre Organisationen wie die Young Mens Christian Association (YMCA) versuch-ten ebenfalls, die Situation in den Lagern zu verbessern und vermisste Soldaten in den La-gern zu finden. Erschwerend kam hinzu, dass es nach der bedingungslosen Kapitulation zunchst keine deutsche Regierung mehr gab. Lediglich einzelne politische und kirchliche Vertreter wie zum Beispiel die Erzbischfe von Kln und Trier versuchten, die Lage der Menschen in den Rheinwiesenlagern zu ver-bessern und auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Die dauerhaft nicht tragbaren Bedingungen wurden auch in zeitgenssi-schen Berichten amerikanischer Journalisten thematisiert.

    Alltag im LagerDie meisten Kriegsgefangenen abgesehen von jenen mit Funktionen innerhalb des La-gers mussten nicht arbeiten. Nur vereinzelt wurden Arbeitstransporte zu auswrtigen Einsatzorten zusammengestellt, die das Lager tagsber verlieen. So war der Alltag meist von Langeweile und Eintnigkeit bestimmt. Um dem Abhilfe zu schaffen, entwickelten die Kriegsgefangenen schnell ein improvisier-tes Freizeitangebot. So wird beispielsweise berichtet, dass Theaterstcke aus dem Ge-dchtnis vorgetragen wurden und ein Opern-snger fr seine Mitgefangenen sang. War es einem Gefangenen gelungen, ein Buch in das Lager zu schmuggeln, wurde daraus vorge-lesen, oder man lauschte den Berichten und Erzhlungen Einzelner ber die verschiedens-ten Themen. Die Gefangenen organisierten sich immer mehr, so bastelten sie sich in manchen Lagern Schachbretter und -figuren oder auch Spielkarten. Religise Gefangene nahmen an evangelischen oder katholischen Gottesdiensten teil und es gab Beichtgele-genheiten sowie Bibelstunden. Hierbei stand das Mutmachen auf eine baldige Zukunft auerhalb der Lager im Vordergrund. Andere vertrieben sich die Zeit beim Lesen, Zeichnen, Schreiben oder mit Sport, wenn dies ihr Zustand erlaubte. Je lnger die Lager be-standen, desto mehr bildeten sich auch Chre

    Einige der Kriegsgefangenen versuchten daher durch Tauschhandel mit den amerika-nischen Bewachern ihre Situation zu verbes-sern. Doch die Mehrheit im Lager litt trotz aller Bemhungen zunchst Hunger. Nach den katastrophalen Bedingungen im April 1945 verbesserte sich die Versorgung dann je-doch von Woche zu Woche in allen Bereichen stetig. Die Lagerverwaltungen arbeiteten nun effektiver und richteten Lagerkchen ein. Ab Juli 1945 kann man von einer weitgehend ge-sicherten Versorgung der Gefangenen in den Rheinwiesenlagern sprechen.Wegen der lange Zeit fehlenden Registrie-rung der Kriegsgefangenen und der Verstor-benen in den Lagern ist es schwierig, die Zahl der Toten in den Rheinwiesenlagern genau zu beziffern. Die zuletzt von Fachleuten angege-bene Zahl von 5.000 bis 10.000 Toten in den Rheinwiesenlagern, was weniger als einem Prozent der Gefangenen entspricht, kann da-her nur eine Orientierung darstellen. Grund-stzlich ist dabei festzuhalten, dass obwohl keine Seuchen ausbrachen die Sterblichkeit in den Rheinwiesenlagern zwar im Vergleich zu anderen westalliierten Kriegsgefangenen-lagern hoch war. Von einer systematisch ge-planten Ermordung deutscher Soldaten wie sie von Rechtsextremen behauptet wird oder einem planmig herbeigefhrten Mas-sensterben in der Grenordnung von einer Million Toten kann jedoch berhaupt nicht die Rede sein.

    Bemhungen von auenDie katastrophalen Bedingungen in den ers-ten Monaten April bis Juli 1945 wurden nicht nur von den Alliierten wahrgenommen, wofr ein ausfhrlicher Bericht der franzsischen Militrverwaltung nach der bernahme der Lager spricht. Von den Menschen auerhalb der Lager wurden sie ebenfalls bemerkt. So ist fr das Lager Ludwigshafen-Rheingnheim eine Beschwerde von Frauen aus der Umge-bung berliefert, die sich fr bessere Haftbe-dingungen der Gefangenen an den Oberbr-germeister wandten. Verschiedene Gruppen, etwa das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) mit seinen rund 160 Berichten

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    bereits Ende April/Anfang Mai an und waren vergleichsweise rasch abgeschlossen. Durch die zahlreichen Entlassungen und Verlegun-gen sank die Zahl der Gefangenen in den Rheinwiesenlagern innerhalb von sechs bis acht Wochen nach der Errichtung der Lager auf insgesamt 175.000 bis 180.000. Dadurch kam es rasch zu immer weiteren Schlieun-gen von Lagern: Mitte Juni 1945 wurden beispielsweise bereits die Lager in Remagen, Bhl-Iggelheim, Bad Kreuznach-Galgenberg und Biebelsheim geschlossen.Am 12. Juni 1945 wurden die Lager Rheinberg, Bderich und Wickrathberg an das britische Militr bergeben, da diese in dessen Besat-zungszone lagen. Acht andere Lager wurden aus demselben Grund am 10. Juli 1945 an die franzsische Militrverwaltung gegeben. Dieses Vorgehen war schon vor Kriegsende beschlossen worden, da diese Lnder durch die Kriegshandlungen stark zerstrt worden wa-ren und die deutschen Kriegsgefangenen nun

    und Gesangsgruppen, die in Variet-Vorstel-lungen auftraten. Ab Sptsommer 1945, als bis auf zwei alle provisorischen Rheinwiesenlager aufgelst worden waren, wurde auch das Bil-dungsangebot aus gebaut und systematisiert. Teilweise findet man hierfr die Bezeichnung Stacheldraht-Universitt (Arthur L. Smith). Thematisch waren die angebotenen Kurse breit gefchert und reichten von Sprachkur-sen in Englisch oder Geschichtsstunden bis zu Naturwissenschaften oder Fragen des Alltags.

    Entlassung, Arbeitseinstze in Frankreich und das Ende der RheinwiesenlagerDie meisten der Rheinwiesenlager bestanden nur wenige Wochen oder Monate und wur-den nach Kriegsende schrittweise aufgelst. Bereits im Mai 1945 begann das US-Militr mit der Entlassung von Frauen und Jugend-lichen, die sie als politisch unverdchtig einstuften. Es folgten die Mnner ber 50 Jahre, die kriegsver letzten Soldaten und all diejenigen, die zum Wieder aufbau der kriegsgeschdig ten Industrie und Land -wirtschaft in Deutschland bentigt wurden. Die Gefangenen mussten jedoch erst mehr-malige Verhre durchlaufen, um ihre Vergan-genheit und eventuelle Schuld an Kriegsver-brechen zu klren. In der Praxis unterschied sich das Ausma der Befragungen von Person zu Person und von Lager zu Lager. In Frageb-gen mussten die Gefangenen angeben, ob sie Mitglieder der Waffen-SS, Kriegsverbrecher oder Aufsichtspersonal in Konzentrationsla-gern gewesen waren. War dies der Fall, durf-ten sie nicht entlassen werden.Die USA waren die einzige Besatzungsmacht, die nicht auf die Arbeitskraft von Kriegsge-fangenen beim Wiederaufbau eines zerstr-ten Heimatlands angewiesen waren. Daher liefen die Entlassungen beziehungsweise berstellungen aus amerikanischen Lagern

    In Bretzenheim ausgestellter Entlassungsschein,Quelle: Dokumentationszentrum Bretzenheim

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    schen Bad Kreuznach und Bretzenheim, an Bretzenheim vorbei bis Langenlonsheim mit hohem Stacheldraht unter freiem Himmel 24 Cages eingeteilt, Wachtrme, Tore und eine innere Lagerstrae gebaut und Grben fr Wasserleitungen gezogen. Das Lager war fr 100.000 Gefangene ausgelegt, jedoch muss-ten zeitweise bis zu 110.000 Gefangene dort untergebracht werden. Beim Bau der Gebu-de fr die Verwaltung, die Lagerkommandan-tur, die deutsche Lagerpolizei und die Kchen wurden auch Kriegsgefangene aus dem nahen Lager in Bad Kreuznach eingesetzt.Die ersten Kriegsgefangenen wurden ab Mitte April 1945 auf die cker von Bretzen-heim gebracht. Viele weitere Transporte kamen am Bahnhof in Bad Kreuznach, an der Bahnstrecke zwischen Bingerbrck und Bretzenheim an. Bis in das Lager mussten die Gefangenen zu Fu gehen. Von Rdesheim am Rhein liefen Gefangene ca. 14 Kilometer ber eine Pontonbrcke bis in das Lager; an-dere wurden mit LKW direkt gebracht. Dies geschah, obwohl das Lager selbst noch nicht fertig errichtet war. Die oberirdischen Was-serleitungen vom Guldenbach und der Nahe funktionierten zum Beispiel erst im Laufe der ersten Maihlfte. Dies fhrte zu zu-nchst vllig unzureichenden hygienischen Bedingungen im Lager und erschwerte auch die Versorgung mit Trinkwasser.

    In Bretzenheim waren alle Waffengattungen der deutschen Wehrmacht, SS-Angehrige und auch uniformierte oder anderweitig ver-dchtige Zivilisten interniert. Im dortigen La-ger wurde ein eigener Bereich fr jugendliche Gefangene, SS-Angehrige, fr Soldaten und Offiziere sowie fr Wehrmachtsangehrige der verschiedenen Nationen eingerichtet, die auf deutscher Seite gekmpft hatten, wie etwa Hollnder, sterreicher, Ungarn und andere. Die gefangengenommenen Frauen wurden ebenfalls separiert und spter in Zel-ten untergebracht. Genaue Grenangaben sind fr die verschiedenen Gruppen nicht be-kannt. Als hchste Anzahl weiblicher Kriegs-gefangener sind fr den 21. Juni 1945 1091 Frauen in Bretzenheim nachgewiesen.

    am Wiederaufbau und in der Landwirtschaft mitarbeiten sollten. Nach der bernahme der Lager durch das franzsische Militr wurden bestimmte Gruppen insgesamt ein Drittel der Gefangenen der Rheinwiesenlager in die Heimat oder in andere Lager in der jeweiligen Besatzungszone entlassen. Die meisten Kriegs-gefangenen wurden allerdings zu Reparations-arbeiten nach Frankreich gebracht; Kranke und Schwache entlie man vorher. Die Gefangenen erlebten diese Zeit in den Rheinwiesenlagern als besonders unsicher, da es Verlegungen gab, sie aber nicht wussten, wohin sie gebracht wurden und zu welchem Zweck dies erfolgten. Zudem verschlechterte sich die Versorgung mit Lebens-mitteln kurzfristig so sehr, dass das Rote Kreuz intervenierte und im Oktober 1945 Lebensmit-telrationen aus den USA in die Lager gebracht werden mussten. Ab Frhjahr 1946 herrschte eine allgemein ausreichende Versorgung in den zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden Lagern.Sowohl die franzsischen als auch die britischen Lager wurden rasch aufgelst und Ende Sep-tember 1945 existierten nur noch ein Lager in Heilbronn und Bretzenheim. Letzteres diente den Franzosen als Durchgangslager (Dpt de transit) fr die zur Aufbauarbeit in Frankreich bestimmten und von dort zurckkehrenden deutschen Kriegsgefangenen. Hierfr wurde das Lager ab Herbst 1945 mit Baracken ausgebaut. Am 31. Dezember 1948 wurde es als letztes Kriegsgefangenenlager in der Nhe des Rheins endgltig geschlossen und die Existenz der alli-ierten Kriegsgefangenenlager am Rhein fand so ein Ende.

    Das Lager Bretzenheim-Winzenheim (PWTE A6)

    Aufbau und Struktur des Lagers BretzenheimZwischen Bretzenheim und Winzenheim beide Namen werden in den Quellen fr dieses Lager genannt wurde von den US-Truppen im April 1945 eines der grten und das am lngsten bestehende Kriegs-gefangenenlager errichtet. Auf etwa vier Quadratkilometern wurden nur wenige Me-ter von der heutigen Bundesstrae 48 zwi-

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    mittel in das Lager brachten. Die berlieferten Reaktionen von amerikanischen Soldaten in Bretzenheim sind vielfltig: Manche lieen die bergabe an den Zunen zu oder riefen gar einzelne Gefangene an den Zaun, wenn diese etwas erhalten sollten. Sie setzten sich dabei ber das zu Anfang herrschende Kontaktverbot zwischen Bewachern und Gefangenen hinweg. Andere verhafteten oder verjagten die ber-bringer und ein Mann wurde sogar erschossen. Auffllig ist, dass speziell dunkelhutige ame-rikanische Wachposten von den Kriegsgefan-genen in Bretzenheim als besonders freundlich beschrieben wurden.Nach der bernahme des Lagers am 10. Juli 1945 durch die franzsische Militrregierung, befahl diese, dass der Kreis Bad Kreuznach fr die Lebensmittelversorgung in den Kriegs-gefangenenlagern und damit auch fr die Verpflegung und Unterbringung der franz-sischen Wachmannschaften sorgen msse.

    Obwohl die Lager zu diesem Zeitpunkt bereits stark verkleinert waren, stellte dies eine groe Herausforderung fr die Bevlkerung im Um-kreis dar. Da Frankreich stark durch den Krieg zerstrt und durch die deutsche Besatzung ausgeplndert worden war, konnte es die Verpflegung der Mnner nicht sicherstellen. Im Oktober 1945 schickte die amerikanische Militrregierung daher weitere Lebensmittel-rationen nach Bretzenheim.Die Kriegsgefangenen versuchten auch in Bret-zenheim Struktur in den eintnigen Alltag zu bringen und Abwechslungen zu schaffen: Es gab Gottesdienste und Bibelstunden, es haben sich Gedichte aus Bretzenheim erhalten und die Gefangenen bildeten offenbar besonders viele Chre, so dass ihr Gesang bis in die Nach-bardrfer zu hren gewesen sein soll. Aber

    Lebensbedingungen im Kriegs gefangenenlager BretzenheimAlle Gefangenen in Bretzenheim litten wie in den anderen Rheinwiesenlagern unter den katastrophalen Bedingungen. Krperlich und seelisch erschpft versuchten sie, die Zeit zu berstehen. Die Versorgung mit Lebensmitteln war nicht ausreichend, erst Mitte Mai wurde zum Beispiel das erste Brot in Bretzenheim aus-gegeben. Die Internierten wurden krank, da sie unter freiem Himmel schutzlos der Witterung ausgesetzt waren. Als Toiletten standen ihnen nur Gruben (Latrinengrben) zur Verfgung. Wasser zum Trinken und Waschen erhielten sie in den ersten Wochen mit einem Tankwagen aus den nahen Flssen, nachdem es stark ge-chlort worden war. Die Gefangenen mussten lange anstehen, um ihren Durst stillen zu knnen. Besonders in den heien Sommermonaten war dies eine Qual.

    Offiziell herrschte Postsperre, die in Bretzenheim al-lerdings durch den Briefschmuggel eines ortansssigen Bauern gelegentlich um-gangen wurde. Der Mann durfte in das Lager kommen, um Gras fr seine Tiere zu mhen, und nahm dabei Schreiben der Gefangenen an. Generell gab es in Bretzenheim offenbar mehr Kontakt zu der Bevlkerung in der nahen Umgebung als in anderen, strenger abgerie-gelten Lagern. So sind auch weitere Interakti-onen mit Bauern an den Lagergrenzen belegt. Offenbar versuchten unter anderem auch Familienangehrige der Gefangenen, als Land-arbeiter verkleidet, mit ihren Ehemnnern, Shnen oder Brdern zu sprechen. Bereits auf dem Fumarsch vom Bahnhof zum Lager versuchten die Bewohner der umliegenden Drfer zudem, den Gefangenen Lebensmittel zuzustecken, obwohl das von amerikanischen Soldaten unterbunden wurde und von offizi-eller Seite sogar verboten war. Fr den 6. Mai 1945 berichten dennoch ehemalige Gefangene etwa von einer Art Vlkerwanderung, bei der zahlreiche Brger aus der Umgebung Lebens-

    Von einem Gefangenen im Lager Bretzenheim ge-schnitzter Lffel, Mai 1945,Quelle: Dokumentationszentrum Bretzenheim.

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    Entscheidung hin wieder in ihre Heimat zu-rckkehren. Die meisten der arbeitsfhigen Mnner wurden aber von Bretzenheim aus nach Frankreich zu Reparationsarbeiten ge-schickt. Einige hatten sich auch fr die Frem-denlegion gemeldet, die in Bretzenheim ein Werbungsbro unterhielt. So sank die Zahl der Gefangenen immer weiter und die franz-sische Leitung konnte das Lager von ehemals ber 20 Cages auf neun verkleinern. Flchen, die nicht mehr bentigt wurden, konnten an die Bauern zurckgegeben werden.

    Nach der bergabe an die franzsische Mi-litrverwaltung wurde das Lager ausgebaut: Sanitre Anlagen wurden eingerichtet und weitere Feldkchen organisiert. Alle Gefange-nen erhielten bis Ende September 1945 Zelte und ab November 1945 wurden Baracken aufgestellt. Desweiteren entstanden eine Ka-pelle, ein Versammlungsraum, ein Sportplatz und ein Schwimmbecken, das 1947 gebaut wurde. Eine Lagernormalitt setzte langsam ein, was sich auch am Ausbau des Bildungs-angebots in Bretzenheim zeigte. Unterrichts-gruppen wurden gegrndet, die Fortbil-dungsmglichkeiten in den verschiedensten

    auch Konzerte mit professionellen Sngern, die sich unter den Gefangenen fanden, wurden im Lager organisiert, die dann in den verschiede-nen Campteilen auftraten. Einige Gefangene grndeten unter dem Musikclown Fypsilon, d.i. Fritz Schuler, im Lager die Knstlergruppe Die Optimisten.

    Besonders der lehmige Boden machte den Bret-zenheimer Gefangenen nach starken Regen-fllen in der ersten Woche im Mai zu schaffen. Erst nach der bernahme des Lagers durch die franzsischen Streitkrfte im Juli 1945 konnten fr alle Gefangene Zelte zur Verfgung gestellt werden. Zur medizinischen Versorgung wurde ein Lazarettzelt errichtet, das Platz fr mehrere Hundert Patienten bot. Allerdings stand kaum ausreichend Medizin und technisches Gert zur Verfgung. Besonders schlimme Flle wurden daher in Lazarette und Krankenhuser der Um-gebung gebracht, wie etwa nach Bad Kreuznach oder Idstein. Verlssliche Todeszahlen gibt es fr das Kriegsgefangenenlager Bretzenheim whrend der amerikanischen Zeit nicht, ge-schtzt 3.500 bis 4.500 Gefangene sollen dort gestorben sein. Die Toten des Lagers wurden auf den Soldatenfriedhfen in Bad Kreuznach (Gal-genberg) und nahe Stromberg bestattet. Heute liegen sie nach einer Umbettung in den 1950er Jahren auf dem Ehrenfriedhof Lohrerwald bei Bad Kreuznach, bei Koblenz und in Pfaffenheck.

    Bretzenheim als franzsisches DurchgangslagerAm 10. Juli 1945 bernahmen die franzsi-schen Streitkrfte die Fhrung des Lagers und benannten es in Dpt de transit No. 1 (Durchgangslanger Nr. 1) um. Die Amerikaner bergaben das Lager Bretzenheim und die zu diesem Zeitpunkt 17.200 Gefangenen zusam-men mit den Lagern Sinzig, Siershahn, Ander-nach, Dietersheim, Koblenz, Hechtsheim und Diez an die Franzosen. Zahlreiche Gefangene waren bereits in zwei groen Wellen von der amerikanischen Lagerverwaltung entlassen oder in andere Lager verlegt worden; weitere folgten auf Befehl der franzsischen Lagerlei-tung. Besonders Jugendliche, Frauen, Alte und Kriegsversehrte konnten so auf franzsische

    Ausgebaute Baracke im Lager Bretzenheim, nach 1946,Quelle: Dokumentationszentrum Bretzenheim.

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    100.000 Kriegsgefangene angelegt worden. Das Areal wurde in Folge des Zustroms von Kriegsgefangenen immer wieder erweitert. Im Sden grenzte es an den Nachbarort Kripp und an die heutige Bundesstrae 9, im Norden reichte es bis fast an die Ahr und im Westen begrenzte es ein Bahndamm. Durch das Lager verlief eine Strae, die die einzelnen Cages ver-band, in denen die Gefangenen in Gruppen zu jeweils 5.000 bis 7.000 untergebracht waren.Doch auch dieses Areal reichte nicht aus und so wurde zwischen Sinzig und Niederbreisig ein weiteres Lager fr 100.000 Menschen eingerichtet, das durch die Bahnlinie und den Rhein begrenzt wurde. Dieses Vorgehen brachte zunchst eine Ent-spannung in Remagen, da Gefangene nach Sinzig verlegt werden konnten, doch auch hier berstieg ihre stetig wachsende Anzahl bald den zur Verfgung stehenden Platz.Remagen und Sinzig waren als getrennte Lager geplant worden, wie die unterschied-

    Bereichen (Sprachen, Naturwissenschaften, Technik, Handwerk etc.) anboten. Die Gefan-genen durften auch kleine Grten anlegen, in denen sie Gemse anbauten.

    Im Oktober 1945 waren nur noch wenige Hundert Gefangene im Lager Bretzenheim untergebracht. Bis zu seiner Auflsung am 31. Dezember 1948 wurde Bretzenheim als Durchgangslager fr alle diejenigen deut-schen Kriegsgefangenen benutzt, die entwe-der noch nach Frankreich zum Arbeitseinsatz abkommandiert waren oder aus Frankreich zur endgltigen Entlassung in das Lager ber-stellt worden waren. Unter anderem wurden auch Kriegsgefangene, die zuvor in den USA, Grobritannien, der Sowjetunion und ande-ren Lndern interniert gewesen waren, nach Bretzenheim gebracht. Dort erhielten sie dann ihre Entlassungsscheine. Nach Angaben des Dokumentationszentrums Bretzenheim sollen ber 750.000 Kriegsgefangene das La-ger durchlaufen haben.

    Heute erinnert in Bretzenheim auf dem sogenannten Feld des Jammers ein 1966 eingeweihtes Mahnmal, das auf Initiative der lokalen Bevlkerung, des Verbands der Heimkehrer und ehemaliger Kriegsgefange-ner eingerichtet wurde, an das Lager.Eine 1985 eingerichtete Sammel- und Regis-trierstelle fr Dokumente und Informatio-nen zum Kriegsgefangenenlager entwickelte sich bis heute zum Dokumentationszent-rum Kriegsgefangenenlager bei der Orts-gemeinde Bretzenheim mit einer stndigen Ausstellung.

    Die Lager in Remagen und Sinzig (PWTE A2 und PWTE A5)

    Aufbau und Struktur der LagerDas Lager in Remagen, eines der ersten Rhein-wiesenlager neben Rheinberg und Bad Kreuz-nach, war schrittweise ab Mitte April 1945 fr

    Karte der Lager Remagen (Norden) und Sinzig (Sden), Quelle: Gckelhorn/Kleemann 2013.

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    gefangen genommen worden waren. Auch in Sinzig stieg die Zahl der Kriegsgefangenen, die mit LKW oder zu Fu in das Lager kamen, beispielsweise innerhalb von zwei Tagen (4. bis 6. Mai 1945) um etwa 24.000 Menschen an. Eine Entspannung in beiden Lagern trat ab Ende Mai 1945 ein, da zunehmend Gefan-gene entlassen oder in andere Lager verlegt wurden.

    Auch in Remagen und Sinzig waren in der nur wenige Wochen dauernden Existenz der Lager verschiedene Gefangenengruppen getrennt voneinander untergebracht. Es gab spezielle Bereiche fr Frauen, deren genaue Anzahl al-lerdings nicht bekannt ist. Sie waren jedoch im Gegensatz zu den mnnlichen Gefangenen bes-ser untergebracht, denn man stellte ihnen Zelte zur Verfgung. Die Offiziere wurden ebenfalls,

    lichen Bezeichnungen PWTE A2 (Remagen) und A5 (Sinzig) beweisen, sie lagen rum-lich aber sehr nah beieinander. Sie blieben dennoch whrend ihrer gesamten Existenz getrennt und wurden von unterschiedlichen Kommandos geleitet.

    Lebensbedingungen in den Kriegsgefan-genenlagern Remagen und SinzigDie Goldene Meile, wie der Lagerbereich entlang des Rheins zwischen Remagen und Sinzig wegen seiner Fruchtbarkeit traditionell genannt wird, war stark berfllt. Allein in Remagen wurden am 2. Mai 1945 170.000 Gefangene auf engstem Raum untergebracht und in Sinzig waren zeitweise bis zu 118.000 Gefangene interniert. Viele von ihnen waren Wehrmachtsoldaten, die bei der Kapitula-tion nach der Kesselschlacht im Ruhrgebiet

    Farbfotografie des Lagers Remagen, Quelle: Gckelhorn/Kleemann 2013.

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    spricht. Seuchen, an denen wesentlich mehr Gefangene gestorben wren, konnten verhin-dert werden. Die Toten aus den Lagern Rema-gen und Sinzig, aber auch aus den Lagern Mie-senheim, Andernach und spter auch Koblenz wurden zwischen dem 28. April und dem 15. Juli 1945 auf einem neuangelegten Friedhof in Bodendorf begraben. Insgesamt handelte es sich um 1090 Tote. Die 612 QM Graves Regist-ration Company informierte auf Formblttern darber das Internationale Rote Kreuz in Genf, das sich wiederum um die Benachrichtigung der Angehrigen bemhte. Im Lager verstor-bene Zivilisten wurden auf Zivilfriedhfen in Remagen, Kripp, Sinzig, Niederbreisig, Linz und in Ittenbach begraben. 1957 wurde der Bodendorfer Ehrenfriedhof vom Volksbund Deutscher Kriegsgrberfrsorge neu gestaltet und weitere Kriegstote aus der Umgebung zu-gebettet, so dass sich dort heute 1212 Grber befinden.

    Auflsung der Lager Remagen und SinzigAm 10. Juli 1945 wurde das Lager Sinzig mit zu diesem Zeitpunkt noch 25.200 Gefange-nen zusammen mit den Lagern Andernach, Siershahn, Bretzenheim, Dietersheim, Koblenz, Hechtsheim und Diez von der amerikanischen Militrverwaltung an die franzsische Militr-regierung bergeben, da sie in deren Besat-zungszone lagen. Remagen war bereits am 20. Juni 1945 aufgelst worden: Die Kriegs-gefangenen waren entweder entlassen dies traf vor allem auf Alte, Jugendliche, Frauen und jene Mnner zu, die beim Wiederauf-bau der deutschen (Land-)Wirtschaft helfen konnten oder in die Lager Rheinberg und Andernach verlegt worden. So war die Zahl der Gefangenen immer weiter gesunken: Allein zwischen Anfang und Ende Mai hatte sie sich in Remagen von ca. 170.000 auf 81.000 ver-ringert. Sinzig blieb zunchst ebenfalls mit stark sinkenden Gefangenenzahlen weiterhin bestehen, bis es von der franzsischen Armee nach knapp viermonatiger Existenz aufgelst wurde. Die letzten Gefangenen aus Sinzig mussten Mitte Juli zu Fu in das Lager Ander-nach marschieren.

    wie in den Genfer Konventionen vorgesehen, in einem eigenen Camp untergebracht und erhiel-ten auch Zelte. Spezielle Lagerbereiche wurden zudem fr die Jugendlichen und Kindersolda-ten eingerichtet. Der Groteil der Gefangenen musste allerdings in Remagen und Sinzig unter freiem Himmel bleiben und versuchte, sich mit selbstgegrabenen Erdlchern Schutz gegen die Witterung zu schaffen.

    In Remagen und Sinzig gab es schnell Bestre-bungen der amerikanischen Verantwortlichen, die Lager besser auszubauen. Gechlortes Rheinwasser wurde ber Leitungen in die Lager gefhrt und eine Stelle am Rhein eingerichtet, an der sich die Gefangenen waschen konnten. Es wurden Latrinengrben mit Balken zum Sit-zen aufgebaut, die jedoch von den Gefangenen oft als Brennstoff verwendet wurden, da kein anderes Material zur Verfgung stand. Die Ge-fangenen selbst arbeiteten wie in anderen La-gern auch daran mit und entwickelten zudem Initiativen, um das Nichtstun im Lager zu un-terbrechen: Wer konnte und wollte, gab seinen Mitgefangenen Unterricht in verschiedenen Themenbereichen, Theaterstcke wurden aus dem Gedchtnis aufgefhrt, Geistliche hielten evangelische und katholische Gottesdienste ab, Chre formierten sich und es wurde auch ein Variet gegrndet. Professionelle Opern-snger, Musiker, Zauberer, Komiker und andere Knstler zogen damit durch die verschiedenen Campbereiche und traten auf.

    Fr die Versorgung der Kranken und Verletz-ten der Lager wurden zwei Krankenhuser in Remagen sowie Linz wieder hergerichtet und im nahen Kripp wurde in der dortigen Leder-fabrik eine Behandlungssttte eingerichtet. Dort und in den Krankenrevieren in beiden Lagerteilen bestehend aus mehreren groen Zelten arbeiteten insgesamt 120 deutsche rzte und 750 deutsche Sanitter. Man hatte sie ausgewhlt, da das amerikanische Field-Hospital die medizinische Versorgung der Lager nicht gewhrleisten konnte. Trotz dieser Bemhungen starben etwa 1200 Menschen in den Lagern Remagen und Sinzig, was einer Sterblichkeitsrate von ca. 0,5 Prozent ent-

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    Besuchen Sie auch die ausfhrlichere Home-page zu den Rheinwiesenlagern der Landes-zentrale fr politische Bildung Rheinland-Pfalz unter www.rheinwiesen-lager.de.

    Kontakte von Ansprechpartnern vor Ort: Dokumentationszentrum und Ausstellung Kriegsgefangenenlager Bretzenheim bei Bad Kreuznach. Leiter: Wolfgang Spietz. Postanschrift: Am Sportplatz 8, 55559 Bretzenheim/Nahe (Telefon: 0671/33245, Fax: 0671/29552, Email: [email protected]). Friedensmuseum Brcke von Remagen, An der Alten Rheinbrcke, 53424 Remagen (Telefon: 02642/21863, Fax: 02642/981821, Email: [email protected]).

    Gedankt wird dem Dokumentationszentrum Kriegsge-fangenenlager Bretzenheim sowie den Regionalhisto-rikern mit Schwerpunkt Rheinwiesenlager in Remagen und Sinzig fr wertvolle Hinweise und Untersttzung.

    Heute halten lokale Initiativen die Erinnerung an die Kriegsgefangenenlager in Remagen und Sinzig auf vielfltige Weise, etwa durch Mahnveranstaltungen, wach. 1987 wurde eine Kapelle fr die Schwarze Madonna eine Sta-tue des Kriegsgefangenen Adolf Wamper, der schon whrend der NS-Zeit ein erfolgreicher Bildhauer gewesen war zur Mahnung zum Frieden eingerichtet. Das Friedens-museum Brcke von Remagen thematisiert in seiner Ausstellung die Lager Remagen und Sinzig.

    Kapelle Schwarze Madonna in Remagen, Quelle: Friedensmuseum Brcke von Remagen.

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    Weiterfhrende Literatur (in Auswahl)Seit 1945 wurden zahlreiche Bcher ber die Rheinwiesenlager geschrieben von Erlebnis-berichten ehemaliger Zeitzeugen ber wissen-schaftliche bis hin zu tendenziser Forschungs-literatur. Daher stellen die folgenden Titel eine Auswahl der zu empfehlenden Literatur dar:

    Benz, Wolfgang und Angelika Schardt (Hg.): Kriegsgefangenschaft. Berichte ber das Leben in Gefangenenlagern der Alli-ierten von Otto Engelbert, Hans Jonitz, Kurt Glaser und Heinz Pust. Mnchen 1991.

    Gckelhorn, Wolfgang und Kurt Kleemann: Die Rheinwiesenlager Remagen und Sinzig. Fakten zu einem Massenschicksal 1945. Eine Dokumentation. Aachen 2013.

    Landeszentrale fr politische Bildung Rheinland-Pfalz (Hg.): Kriegsgefangenenla-ger 1939-1950 Kriegsgefangenschaft als Thema der Gedenkarbeit (=Gedenkarbeit in Rheinland-Pfalz Bd. 9). Mainz/ Osthofen 2012.

    Maschke, Erich (Hg.): Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges. 22 Bnde. Bielefeld 1962-1974. Hier besonders: Die deutschen Kriegsgefangenen in amerikanischer Hand. Europa, Bd. X/2. Bearbeitet von Kurt W. Bhme. Bielefeld 1973.

    Overmans, Rdiger: Ein untergeordne-ter Eintrag im Leidensbuch der jngeren Geschichte? Die Rheinwiesenlager 1945. In: Volkmann, Hans-Erich (Hg.): Ende des Dritten Reiches Ende des Zweiten Welt-kriegs. Eine perspektivische Rckschau. Mnchen/Zrich 1995, S. 259-291.

    Smith, Arthur Lee: Die vermite Million. Zum Schicksal deutscher Kriegs-gefangener nach dem Zweiten Weltkrieg (=Schriftenreihe der Vierteljahrshefte fr Zeitgeschichte 65). Mnchen 1992.

    Autorin: Christiane WeberVerantwortlich: Wolfgang FallerRedaktion: Uwe Bader Herausgeber: NS-Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz, Gedenksttte KZ Osthofen, Ziegelhttenweg 38, 67574 Osthofen. Telefon: 06242/910810, Email: [email protected].

    Mahnmal Feld des Jammers in Bretzen-heim, Quelle: Dokumentations -zentrum Bretzenheim/Wolfgang Spietz.