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Budgets und Steuern in Belgien nach dem Kriege Author(s): Robert J. Lemoine Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 45. Jahrg., H. 2 (1928), pp. 148-171 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40907793 . Accessed: 12/06/2014 23:04 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 62.122.79.78 on Thu, 12 Jun 2014 23:04:34 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Budgets und Steuern in Belgien nach dem Kriege

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Budgets und Steuern in Belgien nach dem KriegeAuthor(s): Robert J. LemoineSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 45. Jahrg., H. 2 (1928), pp. 148-171Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40907793 .

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Budgets und Steuern in Belgien nach dem Kriege. Yon Robert J. Lemoine.

Vor dem Kriege konnte die Finanzlage des belgischen Staates als gut an- gesehen werden, obschon die angewandten Methoden in bezug auf Steuern und Anleihen sehr mangelhaft waren *).

Das Steuersystem stammte größtenteils aus der Zeit der französischen (1793 bis 1815) und holländischen (1815-1830) Besetzung. Zwischen 1833 und 1913 sind keine neuen Steuern eingeführt worden. Der Mehrbetrag der Steuern ge- nügte zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichtes der Budgets, welche sämtlich mit Ueberschüssen abschlössen. Der Ueberschuß fürs Jahr 1913 belief sich auf 23 Millionen Pranken.

Die Tilgung der Staatsschuld erfolgte in normaler Weise, dagegen wagten es die verschiedenen Regierungen, weil von zu schwachen Majoritäten unterstützt, nicht, eine gründliche und tiefgehende Umgestaltung des gutmütigen und unzeit- gemäßen Fiskalsystems vorzunehmen, sondern nahmen vielmehr zu Anleihen Zuflucht, um sich die für öffentliche Arbeiten und in gewissen Fällen sogar für Er- neuerung des Eisenbahnmaterials nötigen Gelder zu verschaffen, wobei zu berück- sichtigen war, daß die vom Staat betriebenen Eisenbahnen Belgiens infolge der besonderen wirtschaftlichen Lage als Land der Schwerindustrie und des Roh- materialien- und Lebensmittelimportes eine Politik billiger Transporte betreiben mußten 2).

Nach Professor Baudhuins Schätzungen absorbierten die Fiskaleinnahmen Belgiens, - Staats-, Provinz- und Gemeindesteuern mitgerechnet, - etwas weniger als 7% der belgischen Einkünfte, davon 5%% für die Staatssteuern.

Das belgische Budgetsystem war, wie bereits angedeutet, größtenteils dem fran- zösischen nachgebildet; es bot dem Steuerpflichtigen die in Ländern mit stark entwickeltem parlamentarischem System üblichen Garantien. Die Kammer und der Senat genehmigten die Gesetze, und eine höhere, durch die Abgeordneten- kammer ernannte gerichtliche Behörde - der Oberrechnungshof - , übte die Kontrolle über die Zahlungsanweisungen aus. Leicht erträglich, besonders für die besitzende Klasse, wurde das belgische Fiskalsystem nur von den Theo retikern kritisiert. Die Verfassung hatte die Steuererhebung und -Verausgabung mit Garantien umgeben, die als genügend erschienen, und die günstige wirtschaft- liche Entwicklung, welche das Land durchschritt und welche Mehreinnahmen zur

x) R. J. Lemoine: „La Politique d'Emprunt du Gouvernement belge avant la Guerre" (Die Anleihepolitik der belgischen Regierung vor dem Kriege) „Revue Economique Internationale, November 1927, Brüssel. „Les Impôts en Belgique avant la Guerre" (Die Steuern in Belgien vor 1914) Moniteur des Intérêts Matériels. 12. und 18. Januar und 23. Februar 1928, Brüssel.

F. Bandheim: Les Finances de la Belgique, de la Révolution de 1830 à la Guerre mon- diale. Bulletin d'Etudes et d'informations. Anvers 1927. Derselbe: Nos finances publiques: Revue catholique soziale et juridique Louvain, Septembre 1922.

2) Georges de Leener, „Les Chemins de Fer en Belgique" (die Eisenbahnen Bel- giens) Lamertin 1927, Brüssel.

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Folge hatte, machte es möglich, einer Krisis als Resultat von Reformversuchen aus dem Wege zu gehen. Die öffentliche Meinung interessierte sich weder für das Budget - noch für das Fiskalproblem. Professor Big wood gab im Jahre 1914 folgende Gründe für diese Indifferenz 1). „Ich sehe eine der Ursachen in dem großen Wohlwollen und der übermäßigen Nachsicht der belgischen Steuerverwaltung; eine weitere in der heute verhältnismäßig leichten Steuerlast, und schließlich eine dritte in dem Umstände, daß das belgische Steuergesetz alten Datums ist ; es stammt in der Tat aus der französischen und holländischen Epoche und wenn in letzter Zeit einige Finanzeinrichtungen geschaffen und auch einige Reformen vorgenom- men worden sind, so sind sie doch nebensächlicher Natur, und es besteht im Grunde genommen das in Kraft befindliche Finanzsystem, besonders was Steuern an- belangt, im großen und ganzen seit unserer Unabhängigkeit. Der Gesetzgeber hat immer wenig Eifer an den Tag gelegt, wenn es sich darum handelte, sich mit Finanz - fragen zu beschäftigen. Aus alledem ergibt sich, daß die nationale Wirtschaft sich den öffentlichen Finanzen angepaßt und im Einklang mit ihnen entwickelt hat, und daß besonders die öffentlichen Steuern, welche in gewissem Maße un- wandelbar geworden sind, ihren Einfluß langsam und natürlich ausgeübt und ihre endgültige Auswirkung ohne Stoß und Hindernis gefunden haben. Es hat auf diese Weise eine solche Verschmelzung stattgefunden, daß es außer Zweifel steht, daß irgendwelche Reform, so groß auch ihre Ueberlegenheit im Vergleich zu dem zu Ersetzenden sein mag, Unbehagen und Störungen hervorrufen und eine ungünstige Aufnahme finden muß."

Prophetische Worte: Die außergewöhnliche Heftigkeit der Parlamentsdebatten und der Preßkampagnen anläßlich der unumgänglich notwendigen Reform des belgischen Fiskalwesens seit 1918 hat gezeigt, daß in der Tat das belgische Volk, nach dem beinahe erblich gewordenen Steuerfrieden, nicht ohne bittere Klagen die Folgen neuer Zustände angenommen hat.

Im allgemeinen warfen die nicht von Wahlerwägungen beeinflußten Autoren dem belgischen Budgetsystem folgende Unvollkommenheiten vor:

Io - Jedes Spezialbudget wurde separat diskutiert wie ein gewöhnlicher Gesetzentwurf und dieses Verfahren verhinderte eine Gesamtprüfung des ganzen Budgets.

2° - Es war schwierig, auf Grund des Budgets sämtliche sich auf dasselbe Objekt beziehende Ausgaben zu kennen; ihre Zersplitterung in verschiedenen Ministerien machte Nachforschungen in verschiedenen Abteilungen des Budgets nötig.

3° - Es existierte keine kaufmännische Buchhaltung für den Eisenbahn- betrieb.

4° - Die Unterscheidung zwischen Posten des ordentlichen und des außer- ordentlichen Budgets war willkürlich.

Es ist uns nicht möglich, auf die interessante Frage der belgischen Staats- bahnen näher einzutreten. Es mag nur daran erinnert sein, daß in voller Friedens- und Gedeihenszeit sehr oft zur Anleihe gegriffen wurde, um Ausgaben für Ver- besserung und Vervollkommnung des Eisenbahnnetzes zu decken.

Wir geben nachstehend eine Uebersicht über die Zusammensetzung der öffent- l) Georges Bigwood, „Le Budget Belge et les Principes de la Science Financière"

( Das belgische Budget und die Prinzipien der Finanzwissenschaft) Revue de 1 Université. Brüssel 1911-12.

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Hohen Finanzen für drei Jahresperioden während der verschiedenen Phasen der wirtschaftlichen Entwicklung Belgiens:

Totalausgaben Totaleinnahmen Staatsschuld

J hr Betrag in Franken Betrag in Franken Betrag in Franken

Gesamt- per Gesamt- per Gesamt- per summe Einw. summe Einw. summe Einw.

1835 i 87104 005 - 91075 226 - 117 237 380 - 1880 1382 908 429 69,35 394 215 932 71,41 1422 814 049 257,76 1908 770 451013 104,30 694 420 091 94,66 3 606427 850 488,25

Prozentual verteilten sich die Ausgaben wie folgt:

T , Verzinsung Militär- Eisenbahn- Andere Aus- T ±oiai f i Jaùr T der Schuld ausgaben betrieb gaben

T ±oiai f

1880 17,77 14,69 32,79 34,75 100 1908 17,47 10,32 38,60 33,61 100

Was die Einnahmen anbetrifft, so setzen sie sich nach Einteilung von Prof. B i g w o o d (nicht nach derjenigen der Finanzverwaltung) wie folgt zusammen x) :

1880 j 1908 Bruttoeinnahmen Bruttoeinnahmen

in Franken Gesamt- per . o. Gesamt- per -n 0, /o summe Einw. '° summe Einw. -n /o

Industrielle und Staats- guteinkommen . . 123 544 530 22,20 31,33 310 000 483 41,97 44,32

Direkte Steuern . . . 44 571674 7,98 11,30 68 458 777 9,86 9,78 Verbrauchssteuern und

Zolleinnahmen. . . 54 049 953 9,79 13,71 134 047 186 18,14 19,16 Stempelgebühren, Ta-

xen und Schleußen- gelder 59 797 531 10,83 15,16 83 925 516 11,36 12,-

Andere Einnahmen. . 112 252 244 | 20,61 28,50 102 988 129 13,94 14,86 Total 394 215 932 71,41 |100,- | 699 420 091 ( 94,67 | 100, -

In den Posten „andere Einnahmen" sind zwei konsolidierte Anleihen ein- begriffen, und zwar eine von Fr. 97 000 000 Anno 1880 und eine von Fr. 81 000 000 Anno 1908, welch letzterer Fr. 70 000 000 Schatzscheine beizufügen sind.

Die Zunahmen zwischen diesen beiden Jahren verteilen sich wie folgt: Absolute Zunahme Per Einwohner

O/ O' O/ /o /o Industrielle und Staatsgutein-

kommen 159,00 59,05 Direkte Steuern 53,59 16,04 Verbrauchssteuern und Zollein^

nahmen 148,00 85,29 Stempelgebühren, Taxen und

Brückengelder 40,36 4,97 Andere Einnahmen 8,23 32,36

x) Georges Bigwood, Loc. cit. 150

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Man wird sofort die geringe Proportion der direkten Steuern im belgischen Vorkriegsbudget bemerken und sogar deren prozentuale Abnahme zwischen den beiden Vergleichsjahren. Ferner wird man feststellen, wie sehr die Verbrauchs- steuern und die Zolleinnahmen zugenommen haben, obschon Belgien nicht auf- gehört hat, ein Land des Freihandels zu sein.

Auch wird dem Leser nicht entgehen, welch bedeutende Rolle die Anleihen gespielt haben. Schließlich wird der enorme Prozentsatz des Ertrags der Eisen- bahnen auffallen (Industrielle und Staatsguteinkommen), welcher 44% der Ge- samteinnahmen darstellt, obschon deren Betrieb nicht auf Erzielung großer Ge- winne ausging.

Die öffentliche Schuld betrug im Jahre 1913 4277 Millionen, wovon 3743 konsolidiert sind. Wie man sieht, behalf sich die Regierung sehr gerne mit der schwebenden Schuld, welche sie nach einiger Zeit durch eine langfristige konsoli- dierte 1). Diesen Ziffern ist die Schuld der Kongokolonie beizufügen, welche dem Gesetze nach ihr zur Last fällt und von ihr mit ihren eigenen Mitteln bestritten werden sollte. Trotz seriöser theoretischer Unvollkommenheiten hemmte das Finanzsystem die wirtschaftliche Entwicklung Belgiens vor dem Kriege nicht. Die jährlichen Zins- und Schuldtilgungslasten betrugen nur 6 Franken per Ein- wohner. Die Militärausgaben per Einwohner erhoben sich auf 12 Franken jährlich. Die Erhöhung der Staatsschuld hatte also noch keine unangenehme Rückwirkung auf die Steuern, wohl aber auf den Staatskredit ; die Belgier haben nie eine spezielle Vorliebe bekundet für Werte mit fester Verzinsung, und dies erklärt, daß der Staatspapiermarkt schnell übersättigt war, was das Fallen der Rentenkurse her- beiführte.

Der Krieg hat für Belgien eine tragische Situation geschaffen, der Ueberfall des Landes und seine Besetzung wurden von dem freiheit- und ruheliebenden Volk besonders stark empfunden. Die Politik gewisser Oberstatthalter war un- geschmeidig. Die Zerstörungen und die Wegnahme der Fabrikeinrichtungen durch die Besetzungstruppen lähmten die belgische Industrie nach Räumung dea Gebietes gänzlich auf längere Zeit hinaus, verurteilten das Land zur Arbeitslosigkeit und beraubten so den Staat steuerbarer Materie zu einer Zeit, wo er mehr als je be- deutende Einkünfte benötigte, um den Anforderungen des Wiederaufbaus zu genügen 2). Da außerdem die deutschen Kriegsbehörden die belgische Bevölkerung zur Annahme der Mark zu einem Zwangskurs genötigt hatte, sah sich die belgische Regierung aus politischen Gründen in die Notwendigkeit versetzt, sie zu diesem Kurse zurückzunehmen, was zu einer Inflation von mehr als 7 Milliarden Franken führte, indem der Staat zu Vorschüssen seitens der Banque Nationale de Belgique Zuflucht nehmen mußte s). Die belgische Regierung, ihrer Einnahmen beraubt,

x) Nicolai, Étude historique et critique de la dette publique en Belgique. (Historische und kritische Studie der Staatsschuld in Belgien.) Brüssel, Hayez 1921.

2) Comte C. deKer chove de Denterghem, „L industrie belge pendant l'occu- pation allemande." (Die belgische Industrie während der deutschen Besetzung) Publication Carne- gie, Paris 1927. Fernand van Langenhove, „L'action du gouvernement belge en matière économique pendant la guerre." (Das Vorgehen der belgischen Regierung während des Krieges in wirtschaftlicher Beziehung) Publication Carnegie, Paris 1927.

8) LouisFranck, „La Stabilisation monétaire en Belgique. " (Die Frankenstabilisierung in Belgien) Paris, Payot 1927. B. S. Chlepner, „La Belgique restaurée (Les Finances)." (Das restaurierte Belgien (Die Finanzen) Institut de Sociologie Solyay Bruxelles 1926. Fernand B a u d h u i n , „La stabilisation et ses conséquences." (Die Stabilisation und ihre Folgen. Brüssel Dewit 1928. H. Schacht, „Stabilisierung der Mark." Poeschel, Verlag Stuttgart 1927. Ban- que Nationale de Belgique; Bericht an den König, Brüssel 1918.

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gezwungen, die Verproviantierung des aller Vorräte entblößten Landes sowie dessen industriellen Wiederaufbau zu finanzieren und wie alle andern europäischen Län- der genötigt, zahlreichen Auslagen sozialen Charakters zu genügen, mußte zu einer Anleihens- und strengen Steuerpolitik greifen, welche eine gründliche Umänderung des ganzen Fiskalsystems bedang.

Vom politischen Standpunkte aus befand sich die belgische Regierung in einer schwierigen Lage, als sie das in Genesung begriffene Land mit Steuern über- lasten sollte, denn die öffentliche Meinung war in Belgien wie in Frankreich mit der wirtschaftlichen und finanziellen Erschöpfung Deutschlands wenig vertraut, und daher erstaunt, von diesem letztern die Wiederaufbauentschädigung, deren dieses kleine Land so dringend bedurfte, nicht zu erhalten.

Es ist zu bemerken, daß trotz dieser Schwierigkeiten die belgische Regierung zur Inflation nur Zuflucht genommen hat für den Austausch der Mark und später im Jahre 1926 nach dem Mißerfolg des ersten Stabilisierungsversuches.

Dagegen wurde in großem Maßstabe zur Anleihe gegriffen; man wandte sich zu diesem Zwecke sowohl an die einheimische Sparkraft, wie auch ans Ausland. Die aufeinanderfolgenden Regierungen waren außerdem zur Aufnahme einer be- deutenden schwebenden Staatsschuld gezwungen, und dies war eine der Ursachen des Mißerfolges der ersten Währungsreform. Am 25. Oktober 1926 hat Belgien endlich sein Geld stabilisiert auf der Basis von einem Siebentel seines Vorkriegs- wertes, nachdem es vorher das Budgetgleichgewicht hergestellt, die schwebende Schuld konsolidiert und die Staatseisenbahnen umgewandelt hatte in eine Aktien- gesellschaft, deren Stammaktien sämtlich im Besitze des Staates blieben, während ein Teil der Vorzugsaktien, zur Zeit der Konsolidierung der schwebenden Schuld, dem Publikum angeboten wurde im Austausch gegen die Schatzscheine 1). Die Tilgungskasse, mit ordentlichen und bedeutenden Einnahmequellen dotiert, wurde autonom erklärt 2). Diese notwendigen Einzelheiten vorausgeschickt, gehen wir nun zum Studium der Entwicklung des Budgets und des Steuerwesens in seinen Hauptlinien über.

Die Entwicklung des Budgetwesens war äußerst komplex; Form wie Anzahl der Budgets wechselten und die langsame aber tiefgehende Entwertung des Geldes hat oft zu Kreditüberschreitungen geführt. Der Generalbericht für 1925 drückte sich diesbezüglich wie folgt aus: „Was Genauigkeit anbetrifft, so muß zugegeben werden, daß die ersten Budgets ungenügend waren."

1920 und 1921 waren die Kreditüberschreitungen kontrollen- und praktisch schrankenlos.

Die Ergänzungskredite haben für die verschiedenen Budgets zusammen die folgenden Beträge erreicht:

1920 1469 Millionen Franken 1921 1149

Vor dem Kriege kannten die Finanzen Belgiens nur zwei Kategorien von Bud- gets: das ordentliche und das außerordentliche. Der Unterschied zwischen diesen zwei Kategorien war willkürlich, besonders was die Regien anbetraf, und Ausgaben für Erneuerung und Unterhalt figurierten oft im außerordentlichen Budget.

*) Marcel Peschaud, „La réorganisation des chemins de fer belges." (Die Neuorgani- sation der belgischen Staatsbahnen) Revue Politique et Parlamentaire, Paris, Nov. 1926.

s) llené Jacques, „Le fonds d amortissement de ia dette pu Diique. (vei xngungsionas der Staatsschuld.) Revue Economique Internationale. Brüssel. Januar 1927.

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Nach Beendigung des Krieges wurde das außerordentliche Budget unverhält- nismäßig überlastet und ein Budget der wiedereinzubringenden Ausgaben ge- schaffen. Ueberdies, bemerkt Prof. Chlepner1), schied man das Budget der Regie und dasjenige der Nahrungsversorgung aus. Was das Budget der wieder- einzubringenden Ausgaben anbetrifft, so wurde dasselbe mit den Ausgaben be- lastet, welche im Prinzip zu Deutschlands Lasten waren, aber, wie sich bald herausstellte, von diesem nicht integral übernommen wurden.

Es ist übrigens zu bemerken, daß, da das ordentliche Budget mit einem Defizit abschloß, die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Budgets im Grunde genommen keine große praktische Bedeutung hatte, so daß die beste Art, sich über die finanzielle Lage während der verflossenen Jahre Rechenschaft zu geben, darin besteht, die verschiedenen Budgets jedes Jahres zusammenzufassen.

Die Defizite stellen übrigens nicht alle Lasten der seit 1918 entstandenen Schuld dar, da die Regierung „außer Budget" die Marklast, die Kriegsschuld der Provinzen und einen Teil der Gemeindeschulden übernommen hat.

Da der Steuerapparat unfähig war, sich den neuen Anforderungen mit der nötigen Raschheit anzupassen, behalf sich die Regierung mit Anleihen, unter gleichzeitiger, stufenweiser Erhöhung der normalen Einnahmen.

Beim Aufstellen der Budgets wurden im Laufe der ersten Jahre schwere Fehler begangen, welche teilweise dem offiziellen Optimismus bezüglich der von Deutschland zu leistenden Zahlungen auf Reparationskonto zuzuschreiben sind, sowie dem Glauben an die Möglichkeit der Reduzierung der Indexziffern für Lebensunterhalt, ohne daß jedoch die Regierung eine Geldpolitik gehabt hätte, welche eine solche Verminderung hätte nach sich ziehen können. Da man die hohen Preise als nur vorübergehend betrachtete, so wurden die Teuerungszulagen den außergewöhnlichen Budgets einverleibt. Man scheint dem Einfluß der all- gemeinen Goldentwertung und der Noteninflation auf die Inlandspreise nicht Rechnung getragen zu haben.

Wir können nicht in die Einzelheiten der Motivierungen der verschiedenen Budgets seit dem Waffenstillstand eingehen. Jean Vauthier schreibt dies- bezüglich 2) : „Man findet darin gewiß wertvolle Angaben, aber was überrascht, ist weniger das Vertrauen, das sie bezeugen, als das Interesse, welches sie bieten vom Standpunkt einer scharfen Analyse unserer Finanzlage. Man kann ohne Uebertreibung sagen, daß die Geschichte unserer Budgets die Geschichte vieler Illusionen ist." Dagegen sind die Rechnungsergebnisse ihrer Budgetrhetorik be- raubt viel weniger glänzend.

Der Finanzminister fürchtete nicht zu sagen, als er der Kammer das Budget von 1925 vorlegte: „Heute, wo wir uns einem Modellbudget gegenüber befinden, tadellos in seiner Anordnung und ausgeglichen ..." „Das Budget, welches wir Ihnen vorlegen, ist dieses Mal absolut und solide in Gleichgewicht und in allen Punkten mit einem Vorkriegsbudget zu vergleichen." In Wirklichkeit bestand ein Defizit von 675 Millionen, und dies trotz eines Einnahmeüberschusses von 586 Millionen, welcher vom Budget der wiedereinzubringenden Ausgaben her- rührte und die Folge der Prioritätszahlung Deutschlands an Belgien war.

*) B. S. Chlepner, Loc. cit. •) jean vautnier, „Lies .Budgets et la Trésorerie depuis i Armistice (Die .Budgets unn

das Schatzwesen seit dem Waffenstillstand) Revue Economique Internationale, Brüssel Februar 1927. 153

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Die belgischen Budgets seit dem Waffenstillstand. (In Millionen Franken.)

Budget Regien Ordent- Außer- der Ordent- liches ordenti. Wieder- Nähr.- Außer- liches Total Budget Budget einzubr. Versor- ord. Budget

Ausg. gung Budg.

1919 Einnahmen 814 71 10 437 - 618 1950 Ausgaben 3390 210 1679 975 56_ 648 6958 Saldo -2576 - 139 -1669 - 538 - 56 - 30-5008

1920 Einnahmen 1521 10 215 968 - 1844 4 558 Ausgaben 2122 884 3120 1082 193 2958 10 359 Saldo - 601 - 874 -2905 - 114 -193 -1114 -5801

1921 Einnahmen 2179 116 455 1132 - 1301 5183 Ausgaben 2439 1166 2182 1246 256 1036 8 325 Saldo - 260 -1050 -1727 - 114 -256 + 265 -3142

1922 Einnahmen 3205 1 1475 1318 - 45 6044 Ausgaben 2890 1559 2505 1261 | 180 25_ 8420 Saldo + 315 -1558 -1029 -f 57 -180 + 20 -2384

1923 Einnahmen 4155 5 1655 1493 - 5 7 313 Ausgaben 3678 1104 2281 1537 250 6^ 8 856 Saldo + 478 -1100 - 626 - 43 -250 - 1-1543

1924 Einnahmen 3346 15 1636 1693 - 5 6 696 x) Ausgaben 3416 468 1840 1862 345 5_ 7 936

Saldo - 70 - 353 - 204 - 196 -345 - -1240 1925 Einnahmen 4268 116 977 2101 2 - 7 464

Ausgaben 4530 612 928 2146 582 - 8 798 Saldo - 262 - 506 + 49 - 45 -580 - -1334

1926 Einnahmen 5326 149 725 2343 1 - 8 519 Ausgaben 5323 291 652 2343 421 - 9 028 Saldo + 3-142+73 - -420 - - 509

1927 Einnahmen 7902 23 1001 649 1 - 9 578 Ausgaben 6341 191 580 636 165 - 7 915 Saldo +1560 - 168 + 421 + 13 -164 - + 1668 a)

1928 Einnahmen 8797 17 1067 679 8 - 10563 Ausgaben 7306 372 566 657 100 - 9 282 Saldo I + 1491 - 355 + 501 "+ 22 |- 108 |

- ¡ + 12813)

„Man kann behaupten, daß bis 1926 das Budget nie ins Gleichgewicht gebracht worden ist. Eine der Hauptsorgen der Regierungen war jedoch das ordentliche Budget ausgeglichen vorlegen zu können. Die Klarheit und die Logik wurden sehr oft dieser Budgetpolitik zum Opfer gebracht, in einem solchen Maße, daß

*) Was das Budget von 1924- und die nachfolgenden anbetrifft; verweisen wir auf die kritischen Richtigstellungen im Verfolge dieser Betrachtung.

*) Weniger 1500 Millionen tur den xngungstonas. 8) Von diesem Ueberschuü von 1280 Millionen sind lssuo Millionen als auueroraentncne nota-

tion des Tilgungsfonds abzuziehen, was den Nettoüberschuß auf 80 Millionen reduziert. 154

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eine nachträgliche und kritische Prüfung der vergangenen Budgets uns unvermeid- lich veranlassen müßte, eine vollständige Umgestaltung der verschiedenen Ru- briken vorzunehmen, die Stornierung zahlreicher Buchungen, die Richtigstellung von Uebertragungen von Konto zu Konto, deren Zweck gewesen war, das ordent- liche Budget zu entbürden oder auszustaffieren; kurz, Operationen zu korrigieren, welche mit einer gesunden öffentlichen Buchführung schwer vereinbar sind."

Uebrigens hat der Herr Finanzminister Theunis in seiner Gesamtüber- sicht zum Budget 1925 dies formell anerkannt.

„Als es sich darum handelte, die ersten Nachkriegsbudgets aufzustellen, be- fand man sich in einer Lage, welche verdient, ins Gedächtnis zurückgerufen zu werden. Einerseits waren die Einkünfte ganz und gar ungenügend trotz der in Eile vorgeschlagenen Steuern. Anderseits hatte der Versailler Vertrag, welcher im Jahre 1920 in Kraft trat, weitgehende Illusionen ins Leben gerufen; das große Publikum glaubte, Deutschland bezahle alles, was man von ihm verlangen würde und namentlich die 20 Milliarden Goldmark, welche es vor dem 1. Mai 1921 zu überweisen hatte. Schließlich fand man sich hohen Ausgaben einer bis dahin un- bekannten Art gegenüber, deren Klassifizierung sich den einfachen bis dahin angewandten Budgetregeln entzog, außergewöhnlichen Ausgaben, welche a priori nicht genügend dauernder und regelmäßiger Natur waren, um ohne weiteres in die ordentlichen Budgets aufgenommen zu werden, deren Erscheinen im außer- ordentlichen Budget aber, weil unproduktiv, zu Kritik Anlaß geben konnte. Die Unzulänglichkeit der Einnahmen und die Ungewißheit der Lage bestimmten jedoch die damalige Regierung, diese Ausgaben ins außerordentliche Budget ein- zureihen. So wurden die Teuerungszulagen der Beamten in das außerordentliche Budget aufgenommen, während sie doch notwendigerweise im ordentlichen Bud- get hätten figurieren sollen. Aber neben diesem außerordentlichen, mit unpro- duktiven Ausgaben überfüllten Budget, bestand ein anderes außerordentliches, gewiß berechtigtes, aber für den Kredit Belgiens nicht weniger gefährliches, das Budget des Wiederaufbaus. Wenn diese Ausgaben durch die deutschen Zahlungen hätten gedeckt werden können, so wäre daran nichts auszusetzen gewesen. Aber man weiß, was in Wirklichkeit geschah: die ungenügenden Zahlungen Deutsch- lands haben Belgien gezwungen, den größten Teil des Wiederaufbaus zunächst aus eigenen Mitteln zu bestreiten und sich durch Anleihen die Summen zu verschaffen. Ein solches außerordentliches und ein solches Reparationsbudget dauernd beizube- halten, wäre gleichbedeutend gewesen mit der Einverleibung der Anleihe in das Bud- get als dauernden Bestandteil desselben, mit der Aufnahme immer neuer Anleihen, um die Kosten der vorhergehenden zu decken, mit der raschen und definitiven Ruinierung des Landes. Es hieß deshalb sich rundweg entschließen - und das wurde in der Tat getan von September 1920 an - alle permanenten Ausgaben des Staates, welches auch ihr Ursprung sei, durch Einkünfte derselben Natur zu decken ... Ist es notwendig, zu sagen, daß ein solches Programm weder in einem Tag noch in einem Jahr verwirklicht werden konnte? Im Jahre 1921 erreicht das ordentliche Budget aufgestellt auf Basis des ordentlichen Budgets von 1920, aber in seiner Höhe den wirklichen Bedürfnissen angepaßt - so wie es die Kam- mern verließ, also ohne die Supplementarkredite in Betracht zu ziehen - den Be- trag von 2311 Millionen, mit einem sichtbaren Defizit von 210 Millionen (372 Mil- lionen mit den Supplementarkrediten). Im Budget von 1922 sind 50 Millionen

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256 Robert J. Le moi ne

vom außerordentlichen und vom Budget der wiedereinzubringenden Ausgaben (das wir der Einfachheit halber Vorschußbudget nennen wollen), auf das ordent- liche übertragen. Im Budget von 1923 erreichen die übertragenen Kredite ein Total von 167 Millionen, aber gleichzeitig verschwindet eine Kompensationsein- nahme von 97 Millionen als Gegenwert der Last für die Markrücknahme. Im Budget von 1924 sind die Fortschritte noch fühlbarer; die übertragenen Kredite erreichen die Summe von 309 Millionen, und es wird verzichtet auf eine Kompen- sationseinnahme für Reparationen von 457 Millionen; die Zahlungen Deutschlands können von nun an ganz dem Vorschußbudget zugewiesen werden. Die Mehr- lasten für das ordentliche Budget steigen auf 766 Millionen. Es verbleibt nun noch eine letzte Etappe: das Budget von 1925 schließt sie ab. Sämtliche Schuld- und Pensionslasten, welche bisher im Vorschußbudget figurierten, d. h. 484 Millionen, werden dem ordentlichen Budget zur Last gelegt.

Prüfen wir nun heute, wo wir einem Modellbudget uns gegenüber befinden, wie die früheren Budgets ausgesehen hätten, wenn sie auf derselben Basis auf- gestellt gewesen wären, wie dasjenige von 1925.

Das Defizit von 1924 hätte 732 Millionen betragen „ 1923 „ 1301 „ 1922 „ 1501 » 1921 „ 1710

Welches auch sein Ursprung sein mag, es steht auf jeden Fall fest, daß der Staat von 1919 - 1925 mehr denn 24 Milliarden durch Anleihen decken mußte. Eine Uebersicht über die konsolidierten Anleihen ergibt folgendes Bild:

1919 2903 Millionen 1923 1453 Millionen 1920 2864 ., 1924 2064 1921 1884 „ 1925 5291 1922 724

Was die durch das Schatzamt vermittels Emission von Schatzscheinen ge- deckten Defizite anbetrifft, so betrugen sie:

1919 2918 Millionen 1923 235 Millionen 1920 2846 „ 1924 Ueberschuß von 318 Millionen 1921 1321 „ 1925 „ „ 285 i) „ 1922 1670

was einer Totalemission von Schatzscheinen von 8388 Millionen entspricht. Der Gesamtbetrag der in Umlauf befindlichen Schatzscheine belief sich jedoch auf nur 5677 Millionen, dank verschiedener Schatzamtsoperationen und Konsoli- dierungen anläßlich der Emission langfristiger Anleihen. Es ist vom wirtschaft- lichen Standpunkt aus interessant, hervorzuheben, daß der Schatzschein, welcher vor dem Krieg als Geldanlage nur von den Banken und Großkapitalisten benutzt wurde, sehr rasch die Gunst des kleinen sparenden Publikums gewann und sich dieses nach und nach von den Geldanlagen auf lange Termine, die sein Vertrauen verloren hatten, abwandte. Man konstatiert diese Umwandlung, wenn man die

1) Ministerium des Auswärtigen „Situation économique de la Belgique en 1926 (et années pré- cédentes). (Wirtschaftliche Lage Belgiens in 1926 und den vorhergehenden Jahren.) Beilage des „Bulletin Commercial" Brüssel 1927.

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Budgets und Steuern in Belgien nach dem Kriege. 157

Emission der Schatzscheine von 500 und von 1000 Franken verfolgt. Die Land- wirte, welche seit 1914 infolge des Mangels an Lebensmitteln und der dadurch bedingten beträchtlichen Preiserhöhung über große Geldmittel verfügten, haben diese oft in Schatzscheinen angelegt.

Die Vorliebe für diese bequeme und anonyme Art der Geldanlage war derart, daß die Provinzbanken, geschädigt durch die Abnahme in den Einlagen, sich ver- anlaßt sahen, Kassenscheine zu schaffen, welche äußerlich den Schatzscheinen glichen. Der hohe Zinsfuß dieser letzteren hat, im Verein mit andern Ursachen, eine Verteuerung des Geldes und der Kredite herbeigeführt.

Entgegen der in Frankreich konstatierten Praxis sind die Schatzscheine in Belgien nie als Zahlungsmittel benützt worden; sie bildeten wirklich ein Sparmittel oder eine kurzfristige Geldanlage. In dem Maße, in dem der inländische Markt sich den langfristigen Anleihen des Staats verschloß, war die Regierung gezwungen, mehr und mehr zu den amerikanischen, englischen und holländischen Märkten ihre Zuflucht zu nehmen, und so hat sich eine ausländische Schuld gebildet, die laut Budget von 1928 den Betrag von 28,7 Milliarden Franken, insgesamt den Be- trag von 55,2 Milliarden erreichte. Diese bedeutende Summe ist jedoch um 1900 Millionen geringer als die im allgemeinen Bericht zum Budget von 1927 figurierende und um 2289 Millionen geringer als per 1. Juli 1926. Es muß nebenbei bemerkt werden, daß während der Geldentwertungsperiode die belgische Industrie sich zwecks Erhöhung ihrer Betriebsmittel nur an den inländischen Markt, und nicht ans Ausland gewandt hat. Nur einige wenige Privatanleihen, bedeutungslos im Vergleich zur Masse der inländischen, wurden in der Schweiz, in Holland und in den Vereinigten Staaten abgeschlossen. Die von der Nationalbank und der Regie- rung verfolgte Politik war immer gegen diese Privatanleihen im Ausland gerichtet. Das in Deutschland bestehende Problem der Verschuldung der Privatindustrie dem Auslande gegenüber existiert deshalb in Belgien nicht.

Trotz aller Schwachheiten, Illusionen und Irrtümer der belgischen Regierung muß anerkannt werden, daß letztere immer darnach strebte, so rasch als möglich das Gleichgewicht des Budgets herbeizuführen. Eine Prüfung der Zahlen zeigt, daß schon von 1924 an das Budget eine bedeutende Verbesserung aufweist. Nach gewissen Richtigstellungen, bedingt durch eine Aenderung in der Verbuchungs- weise der Einkommensteuern, nach Uebertragung der zu Lasten Deutschlands fallenden Summen auf das laufende Fiskaljahr sowie nach Rückbuchung der nicht bezahlten Lasten, welche diesem Jahre zufallen, gelangt man zu einem Defizit von 350 Millionen für das ordentliche Budget bei einem Gesamtbudget von 4500 Millionen.

Das außerordentliche Budget, in welchem eine Rückzahlung an die Zentral- bank und Vorschüsse an eine Baugesellschaft für Arbeiterwohnungen figurierten, erhob sich auf 435 Millionen 1). Das Vorschußbudget schloß mit einem Plus von 647 Millionen ab, was sich daraus erklärt, daß Belgien 1924 seinen Wiederaufbau fast vollendet hatte mit Hilfe von Anleihen, so daß künftighin die Zahlungen Deutschlands nicht mehr direkt für den Wiederaufbau, sondern zur Verminderung dieser Anleihen verwendet wurden.

x) FernandBaudhuin, Loc. Cit. S. 52 f., S. 269 f. ., L'exposé général du Budget pour 1928" (der Generalrapport zum Budget für 1928). Bulletin der Nationalbank von Belgien. II. Jahrg. Band III, Nr. 5 (26. November 1927).

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158 Robert J. Lemoine

Nach den vorstehenden Berichtigungen wies das Gesamtbudget von 1924 folgende Zahlen auf (in Millionen Franken):

Budget Einnahmen Ausgaben Saldo Ordentliches 4333 4660 -327 Außerordentliches ... 17 451 - 434 Vorschuß- 1964 1317 -f 647 Total 6314 6428 -114

Das Budget von 1925 wies ein Defizit auf; zwei aufeinanderfolgenden Regie- rungen gelang es nicht, vom Parlament die für das Budgetgleichgewicht nötigen Steuern bewilligt zu erhalten. Der Mehrertrag der Steuern, 500 Millionen, reduzierte das scheinbare Defizit.

Wenn man auch für dieses Jahr gewisse Buchungsrichtigstellungen vornimmt und die Tilgung der Staatsschuld im Betrage von 350 Millionen in Betracht zieht und wenn man ferner die Vorschüsse an die Kolonie abzieht, so präsentiert sich das Gesamtbudget von 1925 wie folgt (in Millionen Franken):

Budget Einnahmen Ausgaben Defizit Ordentliches 5038 5108 - 70 Außerordentliches ... 126 399 - 273 Reparationen 1051 540 +511 Total 6215 6047 + 168

Dieser Ueberschuß ergibt sich nach Abzug der 350 Millionen für Tilgung der Staatsschuld, wurde aber durch Telephon- (94 Millionen) und Eisenbahnbauten (400 Millionen) absorbiert. So hat sich der Kassenüberschuß in ein Defizit für das Schatzamt verwandelt; diese Lage ist dem Frankenfall zuzuschreiben, welcher infolge entsprechender Erhöhung der Preise, dem Schatzamt 150 Millionen ge- kostet hat, die Ausgaben der Regien miteinbegriffen. Außerdem haben die Kapital- flucht und die Nicht- Wiedererneuerung der Schatzscheine im November 1925 eine Erhöhung des Zinsfußes dieser Scheine zur Folge gehabt. Diese verschiedenen Umstände rechtfertigen die Behauptung, daß die Budgetsanierung im Jahre 1925 beendigt, und daß die Regierung in diesem Moment berechtigt war, an die Stabili- sierung des belgischen Franken heranzutreten.

Die Finanzen Belgiens fürs Jahr 1926 stehen im Zeichen des Mißerfolgs des Stabilisierungs Versuches am 15. März. Der Ueberschuß der Rückzahlungen über die Erneuerungen der Schatzscheine, und die Entwertung des Franken auf den ausländischen Märkten, wo in einigen Tagen der Kurs von 107 auf 240 Franken für ein Pfund Sterling stieg, trieben die Regierung zur Inflation (1066 Millionen) und dann zur Demission. Die Regierung Poullet-Vandervelde- Janssen wurde durch das Ministerium Jaspar-Vandervelde-Francqui ersetzt. Dieses neue Kabinett kon- solidierte die schwebende Schuld, verschaffte sich Mittel durch den Verkauf von Vorzugsaktien der National - Eisenbahngesellschaf t, setzte neue Steuern durch und stabilisierte den belgischen Franken zum Kurse von 175 für ein Pfund Sterling.

Das Jahr ist vorbei, aber es ist noch nicht möglich, eine endgültige Meinung über dieses Budget zu äußern; man ist jedoch berechtigt, anzunehmen, daß es dank der Mehreinnahmen mit einem Ueberschuß abschließen wird. Laut General- rapport stellte sich das Budget für 1927 wie folgt (in Millionen Franken):

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Budgets und Steuern in Belgien nach dem Kriege. 159

Budgets Ausgaben Einnahmen Unterschied Ordentliches 6341 7902 + 1561 Außerordentliches ... 192 24 - 168 Reparationen 580 1001 + 421 Transporte1), Betrieb . 636 650 -f 14 Transporte einmalige Auslage ... 166 1 -f- 165 Total 7915 9578 + 1663

In diesem bedeutenden Ueberschuß ist eine außerordentliche Zuweisung von 1500 Millionen an den Tilgungsfonds inbegriffen, so daß dieser unter Zuziehung seiner ordentlichen Dotation 2066 Millionen der öffentlichen Schuld zurückzuzahlen in der Lage sein sollte, dem strengen, anläßlich der Stabilisierung aufgestellten Plan gemäß. Nach dem Generalrapport des Budgets von 1928 betrugen die ordent- lichen Ausgaben für 1927 7300 Millionen, d. h. 1 Milliarde mehr als in den ur- sprünglichen Krediten vorgesehen, und zwar infolge der Preissteigungen. Ander- seits wiesen die Einnahmen einen Mehrbetrag von 900 Millionen auf und be- liefen sich auf 8820 Millionen. Die Zuweisung an den Tilgungsfonds fand demnach uneingeschränkt statt, aber es ist noch nicht möglich, festzustellen, wieviel der Ueberschuß betragen wird.

Das Budget weist einen starken voraussichtlichen Ueberschuß auf. Die ordent- lichen Ausgaben, inklusive der voraussichtlichen Peräquationslasten, werden 7531 Millionen betragen, wovon 3660 Millionen auf Verzinsung und Tilgung der Staatsschuld kommen, während die Einnahmen auf 8798 Millionen geschätzt sind, und folglich einen Ueberschuß von 1267 Millionen in Aussicht stellen.

Der Finanzminister hat vorgeschlagen, 1200 Millionen als außerordentliche Dotation dem Tilgungsfonds zuzuweisen, in welchem Falle das ordentliche Budget einen Ueberschuß von nur 67 Millionen aufweisen würde. Es ist zu bemerken, daß so die außerordentliche Dotation von 1500 Millionen auf 1200 Millionen herab- gesetzt ist. Diese Reduktion rechtfertigt sich durch die Verminderung der durch die schwebende Schuld entstandenen Lasten. Diese letztere betrug am 1. Juni 1926 9706 Millionen Franken. Infolge Tilgung und halbforcierter Konsolidierung betrug sie am 1. Januar 1928 nur noch 1952 Millionen Franken, deren Tilgung wie folgt vorgesehen ist:

1928 618 970 000 1930 1 203 731 000

1. Semester 1929 129 484 000 Die Schuld von 2 Milliarden, welche der Staat der Nationalbank von Belgien schuldet, und welche den Saldo der Vorschüsse bilden, die das Emissionsinstitut für den Markaustausch geleistet hat, ist hier nicht berücksichtigt. Obschon eine erste Rückzahlung von 30 Millionen erst kürzlich stattgefunden hat, sind die Verwendungsmodalitäten der so zurückbezahlten Summen noch ziemlich ver- wirrt und außerhalb der leitenden Sphären ungenügend bekannt.

Der Finanzminister hat erachtet, daß die außerordentliche Dotation von 1200 Millionen zusammen mit der ordentlichen, dem Tilgungsfond erlauben wird,

1) Die Eisenbahnen, welche unabhängig geworden sind, nicht mit einbegriffen. 159

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J ßO Robert J. Lemoine

allen Verpflichtungen nachzukommen, und er hat vorgeschlagen, den Unter- schied von 500 Millionen zwischen der ursprünglichen und der neuangesetzten Dotationsziffer zur entsprechenden Verminderung der durch die Gesetze vom 7. und 8. Juni 1926 zur Speisung der Tilgungsfonds geschaffenen Spezialsteuern zu verwenden.

Die außergewöhnlichen Kredite sind besonders zur Verwirklichung eines Programms öffentlicher Bauten bestimmt: Instandstellung der Landstraßen und Schaffung von Kanälen. Diese Bauten sind dringend notwendig. Dr. H. Schacht hat in seinem Buche über die Stabilisierung der Mark die hohen Anleihen der öffentlichen Verwaltungen im Ausland wie folgt gerechtfertigt: „Vor dem Kriege erschien Deutschland als eines der entwickeltsten Länder, dessen öffentliche In- stitutionen, was Transporte, Hygiene, Erziehung und soziale Einrichtungen an- belangte, der ganzen zivilisierten Welt in mancher Beziehung als Muster dienten ; der Krieg und seine Folgen haben den Markt der einheimischen Kapitalien, welche dazu dienten, diese Ausgaben zu decken, vollständig zerstört; aber die Bedürfnisse dieser Art haben nicht abgenommen, und es war nicht möglich, das deutsche Volk auf das Niveau zurückzuführen, wo es vor mehreren Generationen stand."

Leider haben die öffentlichen Einrichtungen Belgiens keinen so eifrigen Ver- teidiger gefunden. In mancher Beziehung, u. a. was Schullokale, öffentliche Ge- bäude, Binnenschiffahrtswege anbetrifft, ist Belgien sehr zurückgegangen, und es ist höchste Zeit, das verlorene Feld wieder zu gewinnen. Der Staat war in solch bedrängter Lage, daß der König einen Aufruf ergehen lassen mußte, um die zur Unterstützung der wissenschaftlichen Anstalten des Landes nötigen Geldmittel aufzubringen. Bis heute sind 100 Millionen Franken zusammengebracht worden *).

Die Verwaltung der Kredite für die großen Bauten, welche sich über ein Jahr- zehnt erstrecken werden, wird einem vorübergehenden Nationalfonds für Straßen- bauten und einem anderen für große öffentliche Bauten anvertraut werden, was erlauben wird, die Ausgaben pro forma zu buchen und sie auf verschiedene Steuer- jahre zu verteilen. Die Summen, welche zur Speisung dieser beiden unabhängigen Fonds nötig sind, verschaffen die von der Ausführung des Dawesplanes herrühren- den Jahresraten Deutschlands.

Diese Raten waren ursprünglich bestimmt zur Tilgung der öffentlichen An- leihen, welche für die Wiederaufbauzwecke aufgenommen worden waren. Da es aber anderseits ganz natürlich ist, zur Anleihe zu greifen behufs Bestreitung der für öffentliche Bauten nötigen Ausgaben, welche mehreren Generationen zu- nutze kommen, so hat man es für angebracht gehalten, nicht zu gleicher Zeit zu tilgen und zu borgen, sondern einen Teil der Reparationszahlungen dringenden und unentbehrlichen Arbeiten zu widmen.

Der hohe Prozentsatz des jährlich dem Budget der öffentlichen Schuld zu- geteilten Betrages mag auffallen : 3668 Millionen, d. i. mehr als die Hälfte des ordentlichen Budgets. Dies erklärt sich durch die bedeutende Höhe der Staats- schuld infolge der durch die Restauration Belgiens absorbierten Summen.

x) R. J. L e m o i n e , „La Détresse de l'Enseignement Supérieur en Belgique". (Die bedrängte Lage des höheren Unterrichts in Belgien.) Verlag des „Moniteur des Intérêts Matériels" Brüssel 1927. Derselbe, „De Nood van het Hooger Oonderwys in Belgiè" De Vlaamsche Gids Anvers Novembre 1927.

ICO

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Budgets und Steuern in Belgien nach dem Kriege. JßJ

31. Oktober 1926 30. September 1927 Innere Schuld:

konsolidiert 22 032 000000 22 346 000000 schwebend 5 215 000000 4 180 000 000 *)

Aeußere Schuld: konsolidiert 28 897 000000 28 577 000000 schwebend 1019 000000 162 000000 Total 57 163 000 000 55 265 000000

Aus dieser kurzen und unvollständigen Uebersicht, müssen wir jetzt einige Schlußfolgerungen ziehen :

Nach mehreren Jahren unvermeidlicher, aber wohl mit zuviel Optimismus behandelter Defizite befindet sich das belgische Budget wieder auf solider Grund- lage; es erlaubt dem Tilgungsfonds die ganz bedeutende außerordentliche Zu- weisung von 1200 Millionen zu machen, außer der im ordentlichen Budget vor- gesehenen Jahresrate.

Es ist der belgischen Regierung daran gelegen, die Frage der schwebenden Schuld so rasch wie möglich zu ordnen, um die öffentliche Gesamtschuld zu redu- zieren und so die Steuerlast zu vermindern. Die belgische Budgetreform, nach den begangenen Fehlern, war wie diese die Folge der Umstände und nicht etwa die praktische Verwirklichung vorgefaßter Theorien.

Die ganze Finanz- und Wirtschaftsgeschichte Belgiens ist übrigens gekenn- zeichnet durch ein Sich-Anpassen an die Anforderungen des Augenblickes, An- forderungen, welche vielleicht hätten vorausgesehen werden können, hätte man den Lehren der Finanz Wissenschaft mehr Aufmerksamkeit zugewandt.

Steuerreformen. Der Moment ist gekommen, einige Worte über die Steuerreformen zu sagen,

welche seit dem Kriege in Belgien eingeführt wurden. Der belgische Steuerpflichtige genoß vor dem Kriege die Vorteile eines be-

quemen und veralteten Steuersystems 2). So wie es bestand, brachte ihm das An- wachsen des öffentlichen Vermögens keinen Vorteil. Es mußte deshalb, infolge der so tiefgehenden Umwälzung in der ganzen Oekonomie des Landes nach dem Kriege, vollständig umgestaltet werden. Reformprojekte waren übrigens durch die Berater der nach Le Havre geflüchteten Regierung ausgearbeitet worden.

Nicht das Bewußtsein großer künftiger Anforderungen an die Finanzkraft des Landes gaben allein die Veranlassung zum Studium dieses Problems. Wenn man sich darüber Rechenschaft gab, daß das alte Steuersystem nicht genügen würde zur Beschaffung der nötig werdenden bedeutenden Einnahmen, so erachtete man anderseits den Augenblick als gekommen, mehr Gerechtigkeit in die Ver- teilung der Steuerlasten zu bringen, und man war sich allgemein einig, hauptsäch- lich im besetzten Belgien, über die Notwendigkeit der Einführung der Einkommen- steuer 3).

1) Die Schuld der Bank gegenüber inbegriffen, nicht aber die Guthaben der Privaten auf den Postscheckkonti.

2) Cfr. J. Ingenbleek, „Impots directs et Indirects sur le revenu" (Direkte und indirekte Einkommensteuern). Leipzig, Misch und Thron, 1908. Derselbe, „La Justice dans l'Impôt. (Die Steuergerechtigkeit) Paris, Berger-Levrault 1918. B, i c h a 1 d , „Histoire des Finances publi- ques de la Belgique" (Geschichte des öffentlichen Finanzwesens in Belgien) Brüssel, Hayez 1884.

3) Chlepner, La Belgique restaurée (Das restaurierte Belgien). Finanzarchiv. XL V. Jahrg. 161 11

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Page 16: Budgets und Steuern in Belgien nach dem Kriege

2 62 Robert J. Lemoine

Dies war übrigens nicht die einzige Reform, welche sich als notwendig erwies. Keine Gesetzgebungsperiode verging ohne Einführung neuer Steuern oder Er- schwerung der alten. Es ist uns nicht möglich, hier im einzelnen deren Modali- täten auseinanderzusetzen.

Die belgische Gesetzgebung hat, was das Steuerwesen anbetrifft, seit dem Kriege mehrere Phasen durchschritten.

1919 und 1920 hatten die Reformen hauptsächlich die direkten Steuern zum Gegenstand; von 1921 - 1924 beschäftigte man sich sowohl mit den direkten wie auch mit den indirekten Steuern; schließlich im Jahre 1926 gestaltete der Gesetz- geber die direkten Steuern um, sowohl die Vermögenssteuer wie auch die Steuer auf den beweglichen Reichtum (Börsenoperationen). Das Jahr 1926 hat bedeutende Erhöhungen der bestehenden Steuern gesehen, behufs Deckung des durch die Geldentwertung provozierten Defizites. Dagegen wurden nach der Stabilisierung leichte Entlastungen, Koordinationen und Vereinfachungen vorgenommen.

1919 wurde wie in den meisten Ländern eine Besteuerung der Kriegsgewinne eingeführt, aber der Ertrag dieser Steuer war gering wegen der ganz speziellen Lage der belgischen Industrie während des Krieges und weil sie nur einige Er- zeuger traf.

Das Gesetz, welches die Einkommensteuer einführte, wurde im November 1919 veröffentlicht.

In Anbetracht des großen allgemeinen Interesses dieser Reform, geben wir hier eine kurze Analyse der Debatten, welche der Abstimmung über dieses Gesetz vorausgingen.

Die Regierung hatte ein Projekt unterbreitet, das nach französischem Muster sich für Einführung einer Serie von Zedularsteuern aussprach, ergänzt durch eine Steuer auf das Gesamteinkommen. Aber es handelte sich nicht um eine Steuer auf das eigentliche Einkommen. Die Steuern je nach der Einkunftsquelle im alten System waren basiert auf das vermutliche Einkommen der Steuerpflich- tigen; dies vermutliche Einkommen war aber bedeutend niedriger als das wirk- liche und die Grundlage ungenügend und stereotyp. Das Projekt sah die Erhebung der Zedularsteuern an ihrer Quelle vor. Was das Gesamteinkommen anbetrifft, so stützte sich die Besteuerung auf die äußern Vermögensanzeichen des Steuer- pflichtigen und auf Merkmale wie Mietverträge, Versicherungspolicen, Mobiliar usw., um das Totaleinkommen des Besteuerten zu bestimmen; dann multiplizierte der Steuerbeamte den Mietwert mit einem Koeffizienten (von 5 - 15), welchen er selbst festsetzte. Die so erhaltene Summe war das vermutliche Gesamteinkom- men. Der Angestellte des Finanzministeriums hörte vorerst den Steuerpflichtigen an, konnte ihn aber nur über „die äußeren Merkmale seiner Vermögensverhält- nisse befragen und nicht über die Zusammensetzung seines Einkommens." Seiner- seits konnte der Steuerpflichtige sein Einkommen unaufgefordert selbst erklären. Dieses Projekt kopierte wörtlich die Vorschläge des Oekonomisten J. Ingen- b 1 e e k , welcher nach einem gründlichen Studium der belgischen Finanzen sich von der Notwendigkeit eines nur etappenweisen Vorgehens überzeugt hatte, wie auch von der Unmöglichkeit der Einführung einer nur auf die Erklärung des Steuerpflichtigen basierten Einkommensteuer. Nach einer mehrere Tage dauern- den Debatte wurde dieses obschon sehr mäßige Projekt durch die konservativen Deputierten verworfen in der Hoffnung, auf diese Weise jede Art Globaleinkommen-

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Budgets und Steuern in Belgien nach dem Kriege. 1GQ

Steuer zu verhindern. Aber das Zentrum der Kammer reichte unter dem Einfluß der Sozialisten ein anderes Projekt ein, welches das Indiziensystem verwarf und die Besteuerung des wirklichen Einkommens einführte; wie im verworfenen Pro- jekt bestand die Steuer aus einer Serie von Zedularsteuern und einer Gesamt- einkommensteuer, „Supertaxe" genannt.

Die Zedularsteuern mußten Objektsteuern sein, im juristischen Sinne des Wortes, ohne Rücksicht auf die Person des Steuerpflichtigen. Selbst die kleinsten Einkünfte wurden besteuert und eine Progression existierte nicht. Nur die Supertaxe war persönlich, d. h. die Einkünfte bei der Person zusammenfassend; vorgesehen waren ein steuerfreies Minimaleinkommen, Progression und Nachlässe für Familienlasten. Die Taxe durfte 2% nicht überstreiten.

Dieser Mechanismus verfolgte die Idee - - und die Urheber gaben alle über- einstimmend diese Erklärung - die Besteuerung an der Quelle zu ihrer logischen Grenze zu führen durch Auferlegung des Maximalsatzes. In allen Fällen, wo die Taxation an der Quelle möglich ist, sagten die Erfinder des Systems, sollte sie angewandt werden, ob es sich nun um Zedularsteuern oder um eine progressive Globalsteuer handelt. Die Erhebung würde immer zum Maximalsatz stattfinden. Der Steuerpflichtige, welcher zu einem weniger hohen Satz berechtigt ist, hätte eine begründete Beschwerde einzureichen, woraufhin die Steuerbehörde die zuviel bezahlte Summe zurückerstatten würde. Der von den Urhebern verfolgte Zweck war, dem Fiskus die Mittel zu geben, die Steuerausweichung zu vermindern, je- doch unter Vermeidung einer zu scharfen Kontrolle über den Steuerpflichtigen; erfolgten doch die Abzüge zum Maximalprozentsatz und die Rückzahlungen nur gegen Beweisunterlagen, die der Steuerpflichtige selbst vorlegen konnte. Aber man überzeugte sich schnell, daß dieses System nur angewandt werden konnte unter der Voraussetzung eines sehr mäßigen Maximalsatzes. Im gegenteiligen Falle würden die Abzüge an der Quelle und die Rückzahlungen zu ernormen Propor- tionen erwachsen. Aber dieses System vermied in gewissen Fällen die Erklärung des Globaleinkommens.

Dieses Projekt wurde von der Oeffentlichkeit nicht günstig aufgenommen, einmal infolge des Fehlens der Steuererklärung, sodann weil die Besteuerung nicht progressiv war, da selbst die bescheidensten Einkommen zu Erhebungen Anlaß gaben und wegen der Schwierigkeiten, welche das System der Rückzahlungen hervorrufen muß.

Eine Anzahl Zusätze wurde eingefügt, welche tiefgehende Veränderungen zur Folge hatten; das Gesetz wurde am 29. Oktober 1919 angenommen und im November bekannt gegeben.

Es enthält drei Zedularsteuern: die Bodensteuer, Mobiliarsteuer und Berufs- steuer, ergänzt durch die Supertaxe, welche auf dem Globaleinkommen erhoben wird. Die Grundsteuer wird nach dem wirklichen Ertrag aus bebautem oder unbebautem Grundeigentum erhoben, unter Abzug eines Sechsteils des Er- trags für die Unterhaltungskosten. Der ursprüngliche Prozentsatz war auf 10% festgesetzt; er ist seither erhöht worden.

Die Mobilarsteuer von beweglichen Kapitalien bezieht sich auf die im Be- sitze des Steuerpflichtigen befindlichen belgischen oder fremden Wertpapiere irgendwelcher Art, auf in Unternehmungen angelegte Kapitalien, die nicht durch Wertpapiere, Forderungen, Bankhinterlagen usw. repräsentiert sind. Sie bezieht

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264 Robert J. Lemoine

sich auch auf Einkommen aus unbeweglichen, im Ausland gelegenen Gütern, sowie auf Einkommen aus Vermietung, Gebrauch oder Verleihung von beweg- lichen Gütern irgendwelcher Art.

Der Steuersatz ist stark vermindert für Einkommen aus belgischen Staats - papieren und Hinterlagen in der Allgemeinen Spar- und Alterskasse, sowie für im Ausland entstandene und besteuerte Einkommen.

Die Erhebung findet an der Einkommensquelle statt, mit Ausnahme der im Ausland direkt einkassierten Einkommen sowie derjenigen, welche aus vom Steuerpflichtigen in seinen eigenen Unternehmen angelegten Kapitalien herrühren. Die belgische Gesetzgebung kennt die gemischten Einkommen nicht. So muß der Steuerpflichtige, welcher Kapitalien in seinen eigenen Unternehmen angelegt hat, die Mobiliarsteuer bezahlen von dem Kapitaleinkommen und die Berufssteuer von dem Rest.

Wenn auch alle in Belgien entstandenen und einkassierten Mobiliareinkommen und die von in Belgien wohnhaften Personen im Ausland einkassierten Einkommen die Mobiliarsteuer zu bezahlen haben, so schreibt doch eine ministerielle Instruk- tion vor, daß „die Steuer nicht erhoben werden darf auf Einkommen, herrührend von fremden Wertpapieren oder Auslandsforderungen, die in Belgien deponiert sind durch Ausländer, welche im Lande weder Wohnsitz noch Domizil haben".

Die Deklaration des Einkommens ist obligatorisch und hat zu erfolgen durch die Unternehmen, welche das steuerpflichtige Einkommen auszahlen, oder durch die Person, welcher das Einkommen zukommt, wenn sie dasselbe selbst einzieht. Ende Dezember 1927 hat der Finanzminister entschieden, daß Bankinstitute, welche Hinterlagen besitzen von Ausländern, die in Belgien weder ansässig noch domiliziert sind, - insofern diese Kapitalien der Mobiliar- oder der reduzierten Steuer von 5% unterworfen sind - sich künftighin begnügen können, ihrer be- züglichen Steuererklärung eine Bescheinigung beizufügen, dahingehend, daß die zum reduzierten Steuersatz erklärten Einkommen nicht von durch Belgier oder in Belgien ansässigen Ausländern gemachten Anlagen herrühren.

Die Berufssteuer wird erhoben von Einkommen, die von Industrie-, Handels- oder landwirtschaftlichen Unternehmen herrühren, von den Honoraren der freien Berufe sowie von Gehältern, Besoldungen, Leibrenten oder Pensionen, mit Aus- nahme der Nahrungspensionen.

Die Gesellschaften, welche die juristische Person besitzen, sind der Steuer unterworfen, und zwar der Mobiliarsteuer für die an ihre Aktionäre verteilten Ge- winne, und der Berufssteuer für den Rest. Wie bereits hervorgehoben worden ist, geht dieses System auf das Gesetz vom 30. August 1913 zurück, welchem zu- folge die Gesellschaften die Gewerbesteuer nicht von den verteilten, sondern von den gemachten Gewinnen bezahlen mußten.

Was die landwirtschaftlichen Gewinne anbetrifft, so wird als steuerpflichtiges Einkommen der verdoppelte Betrag des Katastralertrages angenommen; Staat und Steuerpflichtiger sind zur gegenteiligen Beweisführung zugelassen. Der Steuer- satz ist progressiv. Ursprünglich betrug er 2% für den ersten Abschnitt von 3000 Franken und erhöhte sich stufenweise um ein halbes Prozent für jeden neuen Ab- schnitt, ohne jedoch 10% übersteigen zu können für den über 48 000 Franken hinausgehenden Teil. Vorzugssätze und Steuerbefreiung bestehen für die kleinen Einkommen.

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Budgets und Steuern in Belgien nach dem Kriege. 165

Für die Gehälter und Besoldungen erfolgt die Steuererhebung an der Quelle; dieser Entschluß wurde nicht ohne Zögerung gefaßt.

Die Supersteuer oder Generalsteuer von dem Gesamteinkommen wird erhoben von allen Nettoeinkommen des Steuerpflichtigen, gleichviel welcher Provenienz, selbst von denjenigen, welche von der Zedularsteuer befreit sind (Zin- sen von Anleihen, die von der belgischen Regierung seit dem Waffenstillstand aufgenommen worden sind). Die steuerfreien Minima variierten zwischen 3000 und 6000, 7500 und 16 000 Franken, je nach der Größe der Gemeinde und der An- zahl der Familienglieder.

Ursprünglich war der Steuersatz auf 1% festgesetzt für den ersten steuer- pflichtigen Abschnitt von nicht mehr als 10 000 Franken. Er erhöhte sich stufen- weise um ein halbes Prozent für jeden weitern Abschnitt von 5000 Franken, ohne 10% zu überschreiten für den 95 000 Franken übersteigenden Teil des Einkommens. Der so errechnete Steuerbetrag wurde um 5% vermindert für jedes Familienglied des Steuerpflichtigen, dessen Einkommen 5000 Franken nicht überstieg.

Jedes Familienhaupt bezahlt die Steuer sowohl von seinem eigenen Ein- kommen als auch von demjenigen der Familienglieder, welche mit ihm einen Haushalt bilden.

Die Steuer ist gegründet auf die Erklärung des Steuerpflichtigen. Die Kon- trollrechte der Steuerbehörde sind, was die Zedularsteuern und die Supersteuer anbetrifft, ziemlich weitgehend. Sie kann Drittpersonen verhören, Untersuchungen anordnen und die Bücher der Kaufleute prüfen.

Im Laufe des Jahres 1919 wurde eine übiigens als ungenügend erachtete Um- gestaltung der Erbschaftssteuer vorgenommen. In seinem Kommentar zum Budget von 1925 schrieb Prof. Chlepner: „Es scheint uns um so nütz- licher hierauf (auf die Notwendigkeit der Steuererhöhung) zu dringen, als wir ein Steuergut haben, das praktisch beinahe nicht besteuert ist: die Erbschaft. Vor dem Kriege trug die Erbschaftssteuer nur 32 Millionen Franken ein, ein lächer- licher Betrag für ein Land, dessen Nationalreichtum auf 50 Milliarden und sogar darüber geschätzt ist. Es ist bekannt, daß der Steuersatz äußerst niedrig, und daß das in direkter Linie geerbte Mobiliarvermögen steuerfrei war; die Erhebungs- methoden waren wirklich zu harmlos. Seit dem Waffenstillstand wurde die Gesetz- gebung verändert und verstärkt. Die Steuer hat aber nichtsdestoweniger im Jahre 1923 nur 121 Millionen Papierfranken abgeworfen; für 1924 ist die voraussicht- liche Einnahme auf 132 Millionen geschätzt und für 1925 auf 150 Millionen. Diese letztere Ziffer stellt weniger als 30 Millionen Vorkriegsfranken dar; der wirkliche Ertrag kommt also ungefähr demjenigen von 1913 gleich. Es muß zugegeben werden, daß das Nationalvermögen heute wohl geringer ist als vorher. Es steht aber nichtsdestoweniger fest, daß die Erbschaftssteuer ganz ernstlich verstärkt werden könnte, sogar verdoppelt oder verdreifacht, sie würde trotzdem noch be- trächtlich weniger abwerfen als in den meisten andern Ländern.

Während des Jahres 1919 wurde auch die Biersteuer verdoppelt, die Alkohol- steuer vervierfacht, und die Steuern auf Tabak und gewisse Stempel- und Regi- stergebühren wurden verstärkt.

Im Jahre 1920 wurde die Einkommensteuer etwas abgeändert, die Erbschafts- steuer und diet Steuer auf Schenkungen zwischen Lebenden um 50% verstärkt, um einen Fonds für die ehemaligen Streiter zu schaffen. Man setzte eine Steuer

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auf den außergewöhnlichen Gewinn per 1919 und 1920 ein und verstärkte die Schauspiel- und Vergnügungssteuer.

Was die Zollpolitik anbetrifft, so wurde ein veränderlicher Koeffizient ein- geführt, mit dem alle spezifischen Zollsätze multipliziert wurden, er durfte aber die Ziffer 3 nicht übersteigen.

1921 beschäftigten sich die Kammern mit der Revision der indirekten Steuern. Eine „Uebertragungssteuer" (Umsatzsteuer) wurde geschaffen, welche jede Ver- äußerung von Waren oder beweglichen Objekten mit 1% belegte, mit Ausnahme der unumgänglich notwendigen Nahrungsmittel. Steuerfrei waren die Detail- verkäufe und die ausgeführten Waren.

Eine Luxusumsatzsteuer von 5% von Verkäufen von gewissen Waren, die direkt an den Verbraucher gingen (Waffen, Juwelen, Automobile), wurde eingeführt und seither verdoppelt; ferner von den Mahlzeiten und dem Hotelaufenthalt, sofern ein gewisser Betrag überschritten wird. Dieser Minimalbetrag stellte bald, infolge der allgemeinen Preissteigerungen, eine immer überschrittene Grenze dar, so daß die Taxe von den Mahlzeiten bald den Charakter einer Luxussteuer verlor und eine wahre Verbrauchssteuer von den bescheidensten Mahlzeiten wurde.

Die Steuer auf verarbeiteten Tabak wurde heraufgesetzt. Der Multiplikations- koeffizient für die Zollsätze wurde auf 6 erhöht und die Einfuhr von [gewissen Luxusartikeln ebenfalls besteuert.

Unter den Schöpfungen des Jahres seien erwähnt eine direkte Möbelsteuer, sowie eine Spiel- und Wettsteuer, ferner die Erhöhung der Stempelabgaben von den Börsenoperationen.

Nach einer Ruheperiode von einem Jahr wurde 1923 der Satz der Mobiliar- steuer verstärkt, ebenfalls derjenige der Verbrauchssteuern auf Zucker und Tabak. Man erhöhte die Taxe von den Kraftwagen und schuf eine Zündhölzersteuer.

Das Jahr 1924 kennzeichnete sich durch die Erhöhung des Zolltarifs und der Alkoholsteuer. 1925 wurden die direkten Steuern erhöht.

Mit der Einführung des staatlichen Steuersystems ging Hand in Hand die Reform der Gemeinde- und Provinzfinanzen. Ein bedeutender Teil der neuen Steuern wird zugunsten der Gemeinden und Provinzen erhoben, da diese das Vorkriegsrecht, Steuern einzuführen, teilweise eingebüßt haben. Belgien ist in der Tat ein Land, wo, infolge historischer Umstände, die Gemeindeautonomie immer sehr groß gewesen ist.

Wie ersichtlich ist, hat der Gesetzgeber einen großen Teil seiner Aufmerksamkeit der Schöpfung neuer Steuerquellen zugewendet. Was ist das Resultat dieser Arbeit ?

Vor allem hat sich die Verteilung der Steuern stärk verändert, Einnahmen Voranschlag für

1914 1926 % %

Direkte Steuern 24,6 41,5 Zölle- und Verbrauchs-

steuern 47,5 24,7 Register- und Stempelge-

bühren 18,8 3,4 Erbschaftssteuer 9,1 304

Total 100 100 166

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Budgets und Steuern in Belgien nach dem Kriege. Iß7

Man sieht, daß die direkten Steuern im belgischen Steuersystem einen Um- fang angenommen haben, welcher mehr den Anforderungen des modernen Finanz- wesens entspricht. Was die Steuererträge anbetrifft, so haben sie sich mehr als verdreifacht in ihrem Goldwert, d. h. unter Berücksichtigung der Geldentwertung.

Die Umgestaltung der Fiskalgesetzgebung ging nicht vor sich, ohne Stürme von Protesten hervorzurufen: der Bürgerstand wollte seinerseits das ungewöhn- liche Vorkriegsregime, was direkte Steuern anbetrifft, aufrecht erhalten wissen, anderseits forderte das Proletariat eine für die besitzende Klasse äußerst strenge Steuerpolitik. Es handelte sich sogar, wie in allen Ländern, um eine Kapitalsteuer, welche sich nie ganz von den Konzeptionen der sozialistischen Publizisten befreit hat und nur einen akademischen Wert besitzt x).

Die Polemiken auf beiden Seiten waren ungeschickt: direkte Steuern, deren Einführung eine absolute Notwendigkeit war und die zu keinen Diskussionen hätten Anlaß geben sollen, wurden von der Linken mit theatralischen Erklärungen vorgeschlagen, welche zur Folge hatten, daß die Bürgerpresse sich sofort dagegen erhob. Diese letztere, deren Schulung viel zu wünschen übrig läßt, legte einen ab- soluten Mangel an gesundem Verstand und an theoretischen Kenntnissen an den Tag und übte einen Einfluß aus, den wir als geradezu gefährlich betrachten. Ein Jahrhundert fiskalischer Gleichgültigkeit hat beim Steuerpflichtigen einen Geist der Undisziplin und der Toleranzlosigkeit entwickelt.

Man könnte den verschiedenen Regierungen, die sich in Belgien seit dem Kriege gefolgt sind, vorwerfen, sie hätten das neue belgische Steuersystem blind- lings und stückweise aufgebaut und hätten die Steuersätze nur sehr langsam erhöht.

„Während England seine direkten und indirekten Steuern mit 4 und 7 multi- plizierte, legten wir, wie Ingenbleek 1920 schrieb, den Koeffizienten 5 an unsere direkten Steuern, aber nur 1,5 an unsere Verbrauchssteuern. tfc Dies ist rich- tig, aber wir glauben nicht, daß es möglich gewesen wäre, anders zu handeln, und zwar wegen der Heftigkeit der politischen Kämpfe, welche in Belgien immer sehr scharf waren. Es muß eben auch darauf Rücksicht genommen werden, daß sich das Land aus seinen Ruinen erheben mußte, und daß es nicht angezeigt war, die Produktion zu entmutigen durch mit Recht oder Unrecht als übertrieben bezeich- nete Steuern, nachdem die Steuerpflichtigen seitens des Fiskus während so langer Zeit ein schonendes Vorgehen gewohnt waren und unter dem neuen Regime eine oft vexatorische Behandlung erleiden mußten. Die Tageszeitungen publizieren oft genug unwiderlegbare Beispiele von Ungeschicklichkeiten der Finanzverwal- tung, obschon es wünschenswert wäre, diese nicht zu sehr zu unterstreichen.

Ohne genaue Beweise erbringen zu können, sind wir überzeugt, daß der Steuer- betrug enorm ist, sei es durch Kapitalflucht oder unrichtige Deklarationen; unsere Meinung gründet sich auf Tatsachen, deren wir gewahr geworden sind, ferner auf den Erfolg, welchen die von der konservativen Presse mit unglaublichem Zynismus verbreiteten Lehren hatten und die darauf ausgingen, den schlechten Willen zu rechtfertigen, den die Steuerpflichtigen an den Tag legten, wenn es sich darum handelte, an der Verwirklichung der Sozialreformen mitzuarbeiten und ihren Teil der durch die Weltkatastrophe geschaffenen Lasten zu tragen.

Die Finanzereignisse von März bis Juli 1926 haben jedoch das Land gezwungen,

x) B. S. Chlepner, „Le prélèvement sur le capital dans la théorie et dans la pratique." (Die Sonderbelastung des Kapitals in der Theorie und in der Praxis.) Brüssel, Lamertin 1925.

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Jßg Robert J. Lemoine

sich über seine Verantwortlichkeit klar zu werden und seine Wahl zu treffen, und man kann sagen, daß die unheilvollen Folgen dieser Krise abgeschwächt wurden durch die brutale Enthüllung einer Lage, deren Ernstes sich niemand bewußt war. Ein Gesetz vom 8. Juni 1926 erhöhte in bedeutender Weise zahlreiche Steuern 1). Die Uebertragungssteuer (Umsatzsteuer), die Stempelabgaben auf Fakturen und Honorarquittungen wurden verdoppelt, und die Umsatzsteuer wurde ausgedehnt auf Transaktionen, welche bisher steuerfrei waren. Die Steuerbefreiung wurde aufrechterhalten bei den See-, Wasser- und Eisenbahntransporten.

Erhöht wurde die Steuer von den Konsumtions- und Aufenthaltskosten in Hotels, Restaurants und anderen Etablissementen, in denen die Kundschaft an Ort und Stelle konsumiert; sie wurde auf 10% festgestellt für Mahlzeiten über Fr. 12,50, für eine Zimmermiete von 12 Fr. per Tag oder für Aufenthaltskosten von Fr. 25 per Tag. Es darf behauptet werden, daß angesichts der zu jener Zeit in Kraft befindlichen Preise, sämtliche Mahlzeiten besteuert waren, mit Ausnahme der in Eßlokalen dritten Ranges eingenommenen.

Die Auslagen von mehr als 3 Fr. in den Teelokalen wurden ebenfalls mit 10% besteuert, ebenfalls der Einkauf von Kuchen und Zuckergebäck im Werte von mehr als 5 Fr. Die Erhebung dieser Steuer fand statt in Form von auf die Fakturen aufgeklebten Papiermarken.

Die Luxussteuer wurde auf 6 oder 10% festgesetzt, je nach der Warenkategorie, welche von der Regierung zu bestimmen war.

Der Preis der Jagdscheine, der Berechtigungsgebühren zum Netzstellen usw. wurde ebenfalls in sehr starkem Maße erhöht, ferner die Verbrauchssteuern auf Bier, Essig, Zucker.

Durch die Not gedrängt, schritt die damalige Regierung einfach zur Erhöhung schon bestehender indirekter und Verbrauchssteuern. Da die Regierung zu jenem Zeitpunkt aus Vertretern aller politischen Parteien bestand, mit Ausnahme der Kommunisten, ist es augenscheinlich, daß diese Erhöhung nicht irgendwelcher doktrinärer Natur war. Die Steigerung der indirekten Steuern wurde von den Sozialisten nur mit Widerwillen ertragen; es ist anzunehmen, daß die Konservativen sie mit weniger Mißtrauen aufnahmen. Auf alle Fälle hat der realistische Sinn des Ministers Francqui, Seele der Geldreform und der Maßnahmen, die ihr voraus- gingen, begriffen, daß der Augenblick nicht gekommen war, die direkten Steuern so zu erhöhen, daß sie die Kapitalflucht zu verstärken drohten. Es läßt sich in dieser Beziehung eine Annäherung feststellen an die Vorschläge des französischen Expertenkomitees, das sich 1926 bildete, um einen Finanzreformplan aufzustellen. Dieses Komitee empfahl aus praktischen Erwägungen, im selben Augenblicke, auf eine Erhöhung der direkten Steuern zu verzichten und zur Erhöhung der indirekten und der Verbrauchssteuern zu greifen, weil diese allein in der Lage wären, einen hohen und sofortigen Ertrag zu sichern ohne kostspielige Kontrolle.

Wir haben gesehen, daß die Steuerlast 7% des Nationaleinkommens vor dem Krieg betrug. Anno 1924 erreichte sie die Ziffer von 12%% des Gesamteinkom- mens und 1927 20%, also dreimal mehr als vor dem Kriege, trotz der verhältnis- mäßigen Verarmung des Landes. Wenn man die ordentliche und außerordentliche Schuldentilgung 1927 in Betracht zieht (ca. 2220 Millionen), so vermindert sich die wirkliche Last auf 15,25%.

*) Moniteur Belge vom 16. Juni 1926, S. 3234 f. 168

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Budgets und Steuern in Belgien nach dem Kriege. 169

Steuerlast (in Millionen) 1).

cu. x r' • j Prozentsatz Staats- cu. x r' Gemeinde- • j 1^tal von National- steuern steuern Einkommen

1913 (Gold) 346 103 449 7% 1924 (Papier) 3400 430 3830 12%% 1927 „ 7600 810 8410 20% 1927 (nach Richtig-

stellung) 5600 810 6410 15%% In Goldfranken 1913 346 103 446 7% 1924 815 106 921 12%% 1927 1100 117 1217 20% 1927 (berichtigt) 805 171 922 15%%

Wenn außer Frage steht, daß die Annahme der Steuergesetze von 1926 not- wendig und durch die Umstände gerechtfertigt war, so war dagegen das Resultat erbärmlich, insofern als es eine Komplizierung der Steuerverordnungen darstellte.

Das Jahr 1927 dagegen und die ersten Tage von 1928 waren Zeugen einer Anstrengung behufs größerer Koordination und Vereinfachung. Anderseits wurde in einigen Fällen versucht, gewisse Steuern auf eine zum Frankenwerte in besserm Verhältnis stehende Höhe zu bringen. Ein Gesetz vom 20. April 1927 hat die Super- taxe abgeändert 2). Sein Zweck war, die Progressivst der Steuer etwas zu ver- mindern durch Heruntersetzung des Maximalsatzes und Erhöhung des steuer- freien Minimums. Es gewährte überdies Entlastungen zugunsten der kinder- reichen Familien.

Die Progressivität der Supertaxansätze erfolgt in Abschnitten von 10 000 Franken statt 5000 Franken. Die Ziffern 1, 1% und 2% sind beibehalten für die drei ersten Abschnitte, mit einer stufenweisen Erhöhung um 1% vom vierten Abschnitt an. Der Maximalsatz ist von 30 auf 25% heruntergesetzt für die Frak- tion des Globaleinkommens, welche 250 000 Franken übersteigt (statt 160 000), bis zu 1 000 000 Franken. Ueber diesen letzteren Betrag hinaus ist der Satz von 30% beibehalten.

Das steuerfreie Minimum wurde von 5400 auf 7500 Fr. erhöht und die Er- höhung dieses Minimums per Person zu Lasten des Besteuerten wurde auf ein Fünftel davon, statt wie bisher ein Sechstel, festgesetzt.

Vor der Annahme dieses Gesetzes belief sich die Steuerfreiheit per Kind zu Lasten des Besteuerten auf 1500 Franken vom vierten Kinde an. Dieses steuer- freie Minimum ist heute per Kind erhöht auf 2000 Fr. vom dritten Kind, und auf 3000 Fr. vom fünften Kind an.

Nachstehende Tabelle zeigt die Anwendungsweise der Supertaxe, in Ueber- einstimmung mit dem Gesetz vom 20. April 1927.

Deutschland hat Maßnahmen getroffen, um die Steuerlasten derjenigen Fir- men zu vermindern, welche fusionieren wollen. Am 23. Juli 1927 hat das belgische Parlament dieselbe Maßnahme getroffen zugunsten der Konzentration in Bel-

») B a u d h u i n , Op. cit. S. 242 f. 2) „Le régime fiscal belge depuis la stabilisation". (Das Delgiscne Steuersystem seit aer ötaDin-

sierung.) Bulletin Mensuel de la Mutuelle Solvay Nr. 1 Januar 1928. 169

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Betrag der f^^TTt^ ° Steuerbetrag Durchschnittl. steuerpflichtigen innhrfi?

° für ein Einkommen Steuersatz Einkommen in -io/ lt. Kolonne 1 m . o/ in /o m /o

10 000 1,00 100 1,00 20 000 1,50 250 1,25 30 000 2 450 1,50 40 000 3 750 1,875 50 000 4 1 150 2,30 60 000 5 1 650 2,75 70 000 6 2 250 3,214 80 000 7 2 950 3,687 90 000 8 3 750 4,166

100 000 9 4 650 4,65 110 000 10 5 650 5,136 120 000 11 6 750 5,625 130 000 12 7 950 6,115 140 000 13 9 250 6,607 150 000 14 10 650 7,10 160 000 15 12 150 7,593 170 000 16 13 750 8,088 180 000 17 15 450 8,583 190 000 18 17 250 9,078 200 000 19 19 150 9,575 210 000 20 21 150 10 071 220 000 21 23 250 10 568 230 000 22 25 450 11,065 240 000 23 27 750 11,562 250 000 24 30150 12,06 260 000 25 32 650 12,557 270 000 26 35 150 13,018 280 000 25 37 650 13,446 290 000 25 40150 13,844 300 000 25 42 650 14,216 400 000 25 67 650 16,912 500 000 25 92 650 18,53 600 000 25 117 650 19,608 700 000 25 142 650 20,378 800 000 25 167 650 20,956 900 000 25 192 650 21,405

1000 000 25 217 650 21,765 mehr als 1 000 000 30

gien x) 2). Die Register- und Uebertragungsgebühren im Fusionsfalle sind für die belgischen Gesellschaften während drei Jahren von 1,20 und 1,80% auf 0,40 und 0,60% reduziert worden für die vor dem 10. August 1927 existierenden Ge- sellschaften. Die Vorteile dieses Gesetzes sind ausschließlich den belgischen Ge- sellschaften reserviert. Natur und Kapitaleinschüsse nicht-belgischer Gesellschaften sind von diesem Vorteil ausgeschlossen.

Die Einkommensteuergesetze unterwerfen der Mobiliarsteuer alle Beträge, welche in einer Aktiengesellschaft an die Aktionären über das einbezahlte Aktien-

*) „Loi sur la fusion des Sociétés en Belgique" (Gesetz über die Fusion von Gesellschaften in Belgien.) Bulletin d'Information de la Banque Nationale de Belgique, 4. Juni und 13. August 1927.

a) „Le redressement des bilans." (Die Anpassung der .Bilanzen.) .Bulletin aimormauon ae ia Banque Nationale de Belgique 29. Januar, 5. Februar, 30. Juli und 12. November 1927.

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kapital hinaus verteilt werden. Das Fusionsgesetz stipuliert, daß die Fusion nicht als Aufteilung betrachtet wird, so daß die Mobiliartaxe nicht bezahlt werden muß. Wir gehen nicht näher auf die ministeriellen Zirkulare vom 6. April und 16. Juli 1927 betreffs Neubewertung verschiedener Aktivposten der Unternehmen ein, um sie mit der Frankenentwertung in Einklang zu bringen. Die Anwendung dieser Zirkulare ist fakultativ und hat bis jetzt nur in beschränktem Maße stattgefunden.

Zum Schluß erwähnen wir das ministerielle Zirkular vom 12. Januar 1928, welches eine wichtige Neuerung in die belgische Steuergesetzgebung einführt 1). Man erinnert sich, daß die Feststellung der Supertaxe basiert ist auf die Erklärung des Steuerpflichtigen und daß diese zu für den Letzteren unangenehmen Unter- suchungen Anlaß gibt. Das erwähnte Zirkular behandelt hauptsächlich die Frage der Erhebung der Berufssteuer im Zusammenhang mit den Spekulationsgewinnen, welche die Wechselagenten in der Ausübung ihres Berufes oder privatim reali- sieren. Das Zirkular fährt wie folgt weiter : Was Private anbetrifft, so werden ihre Gewinne aus Börsenoperationen nur insofern besteuert, als sie den Betrag ihres Einkommens zu beeinflussen vermögen. Es ist überflüssig, in diesem Zusammen- hang besondere Untersuchungen anzustellen; man wird sich begnügen, das Ein- kommen festzusetzen nach den äußern Vermögensmerkmalen; z. B. Höhe der Miete, Sommeraufenthalt, Anzahl der Bediensteten, Pferde und Automobile, all fällige Benützung einer Yacht, Jagdpachten, kurz alle Ausgaben, welche auf ein großes Einkommen schließen lassen. Der Ankauf bedeutender Liegenschaften ist ebenfalls ein Zeichen hoher Einkommen, es sei denn, daß er nur eine Kapital- umwandlung darstellt oder mit Hilfe eines Hypothekaranleihens stattgefunden hat, was leicht verifizierbar ist." Dieses Zirkular, welches vom Publikum sehr günstig aufgenommen worden ist, macht, dem Willen des Gesetzgebers von 1919 entgegen, aus dem Einkommensteuergesetz ein Steuergesetz nach äußern Merk- malen. Es bleibt abzuwarten, wie weit man in dieser Richtung gehen wird. Das Problem der Aufrechterhaltung von hohen Einnahmen, welche unerläßlich sind für den Staatshaushalt, wird noch lange alle Steuerreformen in Belgien beherr- schen (Februar 1928).

M Bulletin de la Banque Nationale de Belgique. 11. Februar 1928.

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