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Chemische Kenntnisse von Studienanfängern: Mario Gerwig Hinweis Bei dieser Datei handelt es sich um eine Wissenschaftliche Hausarbeit (1. Staatsexamensarbeit), die am Fachbereich Chemie der Philipps-Universität Marburg angefertigt wurde. Weitere Wissenschaftliche Hausarbeiten können auf der Seite http://www.chids.de/veranstaltungen/wiss_hausarbeit.html eingesehen und heruntergeladen werden. Zudem stehen auf der Seite www.chids.de weitere Versuche, Lernzirkel und Experimentalvortäge bereit. Dr. Ph. Reiß, im Juli 2009

Chemische Kenntnisse von Studienanfängern: Mario … · naturwissenschaftliches Studium vor? Chemie gilt unter Schülern als sehr theoretisch, ihr haftet noch immer der Ruf ... 7

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Chemische Kenntnisse von Studienanfängern: Mario Gerwig Hinweis Bei dieser Datei handelt es sich um eine Wissenschaftliche Hausarbeit (1. Staatsexamensarbeit), die am Fachbereich Chemie der Philipps-Universität Marburg angefertigt wurde. Weitere Wissenschaftliche Hausarbeiten können auf der Seite http://www.chids.de/veranstaltungen/wiss_hausarbeit.html eingesehen und heruntergeladen werden. Zudem stehen auf der Seite www.chids.de weitere Versuche, Lernzirkel und Experimentalvortäge bereit.

Dr. Ph. Reiß, im Juli 2009

Erste Staatsprüfung

für das Lehramt an Gymnasien

Wissenschaftliche Hausarbeit im Fach Chemie

vorgelegt von Mario Gerwig

Thema:

Chemische Kenntnisse von Studienanfängern

Schul- und Lehrplanwissen auf dem Prüfstand

Gutachter: Dr. Philipp Reiß Datum: 08. Dezember 2008

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Vorwort...................................................................................................................1

0 Einleitung .........................................................................................................6

1 Vorarbeit...........................................................................................................9 1.1 Konstruktion des Fragebogens......................................................................9

1.1.1 Allgemein...................................................................................................9

1.1.2 Teil A – allgemeine Fragen......................................................................10

1.1.3 Teil B – Aufgabenteil...............................................................................10

1.1.4 Teil C – sozialstatistische Daten ..............................................................15

1.2 Bewertung der Fragen im Teil B (Aufgabenteil) ........................................16

2 Expertenbefragung .........................................................................................32 2.1 Gründe für die Befragung ...........................................................................32

2.2 Durchführung und Rücklaufquote...............................................................33

2.3 Die Expertenkommentare – Bewertung und Folgen für den Fragebogen...34

3 Studentenbefragung........................................................................................36 3.1 Durchführung ..............................................................................................36

3.2 Aufbereitung der Daten...............................................................................37

4 Analyse...........................................................................................................39 4.1 Auswertung der Expertenumfrage ..............................................................39

4.1.1 Konstantenberechnung für den Schwierigkeitsgrad ................................39

4.1.1.1 Berechnung von Ki und Kib...................................................................39

4.1.1.2 Berechnung von Mi und Mib .................................................................41

4.1.1.3 Normierung der Punktzahlen ................................................................43

4.1.1.4 Zusammenfassung der Ergebnisse........................................................45

4.1.2 Streuung der Expertenmeinungen............................................................53

4.2 Auswertung der Studentenbefragung..........................................................55

4.2.1 Humanbiologie / Biomedical Science......................................................56

4.2.1.1 Allgemein..............................................................................................56

4.2.1.2 Fachlich.................................................................................................65

4.2.1.3 Fazit.......................................................................................................72

4.2.2 Biologie „Bachelor of Science (B. Sc.)“..................................................76

4.2.2.1 Allgemein..............................................................................................76

4.2.2.2 Fachlich.................................................................................................83

4.2.2.3 Fazit.......................................................................................................89

4.2.3 Biologie Lehramt .....................................................................................92

4.2.3.1 Allgemein..............................................................................................92

Inhaltsverzeichnis

4.2.3.2 Fachlich...............................................................................................100

4.2.3.3 Fazit.....................................................................................................105

4.2.4 Medizin ..................................................................................................108

4.2.4.1 Allgemein............................................................................................108

4.2.4.2 Fachlich...............................................................................................117

4.2.4.3 Fazit.....................................................................................................122

4.2.5 Pharmazie...............................................................................................124

4.2.5.1 Allgemein............................................................................................124

4.2.5.2 Fachlich...............................................................................................131

4.2.5.3 Fazit.....................................................................................................138

4.2.6 Evangelische Theologie .........................................................................139

4.2.6.1 Allgemein............................................................................................139

4.2.6.2 Fachlich...............................................................................................146

4.2.6.3 Fazit.....................................................................................................151

4.3 Vergleich der Gruppen..............................................................................153

4.3.1 Allgemeines ...........................................................................................153

4.3.2 Punkteverteilung ....................................................................................157

4.3.2.1 Übersicht .............................................................................................157

4.3.2.2 Aufteilung nach Bereichen der Chemie..............................................166

4.3.2.2.1 Allgemeine Chemie und übergreifende Aufgaben ..........................167

4.3.2.2.2 Anorganische Chemie......................................................................170

4.3.2.2.3 Organische Chemie und Biochemie ................................................173

4.3.2.3 Aufteilung nach fachspezifischen Inhalten.........................................177

4.3.3 Gründe für Ergebnisse und Korrelationen zwischen Variablen.............185

5 Zusammenhänge zwischen Experten- und Studentenbefragung..................190

6 Einhaltung der Gütekriterien........................................................................196 6.1 Objektivität................................................................................................197

6.2 Reliabilität .................................................................................................197

6.3 Validität.....................................................................................................198

7 Bilanz und Motivation..................................................................................202

Anhang ...............................................................................................................207

Literaturverzeichnis ............................................................................................208

Vorwort

1

Vorwort

2003 deckte eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte

Studie1 auf: 14 % aller Studenten2, die im Wintersemester 2000/2001 ihr Studium

abgebrochen haben, verfügten zu Beginn ihres Studiums nach eigenen Angaben

über ein nur unzureichendes naturwissenschaftliches Wissen.3 Die Studie der HIS-

GmbH Hannover, die 3.000 Studienabbrecher von 63 Fachhochschulen und Uni-

versitäten sowie 2.800 Absolventen und 1.000 Hochschulwechsler befragte, bringt

es auf den Punkt:

„[…] bestehen starke Defizite in Mathematik und Naturwissenschaf-

ten, so wird der Einstieg ins Studium erschwert oder gelingt über-

haupt nicht.“4

Auch für Studenten bestimmter Studienrichtungen legt die Studie Ergebnisse vor:

So brechen 23 % aller Universitäts-Studenten der Fächergruppe Mathema-

tik/Naturwissenschaften ihr Studium ab, 14 % von ihnen geben Leistungsproble-

me als entscheidenden Grund an. Ähnlich verhält es sich bei Biologiestudenten:

15 % beenden ihr Studium nicht, 14 % führen dies auf Leistungsprobleme zurück.

Bei Medizinstudenten liegt die Studienabbruchquote zwar bei nur 8 %, doch 35 %

halten Prüfungsversagen oder Leistungsprobleme für den entscheidenden Grund

zum Abbruch des Studiums.

„Vor allem die Zwischenprüfungen erweisen sich für einen Teil der

Studierenden als eine nicht zu überwindende Barriere.“5

Inwieweit chemische Kenntnisse bei den genannten Studienabbrechern eine Rolle

spielten, untersuchte die Studie nicht – doch eines fällt auf: Alle genannten Fach-

bereiche benötigen Chemie in einem nicht unerheblichen Maß, zuweilen muss

Chemie sogar als Nebenfach belegt werden. Eine fundierte chemische Grundla-

1 Heublein, Spangenberg, Sommer (2003) 2 Ab sofort wird der Einfachheit halber jeweils das männliche Genus geschlechtneutral und gleich-

bedeutend für Studentinnen und Studenten, Schülerinnen und Schüler etc. verwendet. Wenn also im Folgenden von diesen die Rede ist, sind immer ausdrücklich die Frauen und Mädchen mitge-meint.

3 vgl. Heublein, Spangenberg, Sommer (2003), S. 50 4 a. a. O., S. 51 5 a. a. O., S. 106

Vorwort

2

genbildung ist daher unverzichtbar. Fehlt diese, könnte das bei der Entscheidung

der Studenten das Studium abzubrechen, eine entscheidende Rolle spielen. Doch

woraus resultieren Leistungsprobleme und Überforderung? Ergeben sie sich aus

schulischen Defiziten? Bereitet die Schulchemie etwa nicht ausreichend auf ein

naturwissenschaftliches Studium vor?

Chemie gilt unter Schülern als sehr theoretisch, ihr haftet noch immer der Ruf

einer schwer zu erlernenden Wissenschaft an.6 Und das, obwohl Chemie allge-

genwärtig ist. An ein Leben ohne Chemie ist wahrlich nicht zu denken – der All-

tagsbezug ist unheimlich hoch. Auch in vielen Berufsfeldern ist Chemie in einem

nicht geringen Maß vertreten.

Was sollte die Schulchemie also schwerpunktmäßig vermitteln? Der hessische

G9-Lehrplan7 formuliert die Ziele des Chemieunterrichts folgendermaßen:

„Ein übergeordnetes Erziehungsziel des Unterrichts ist es, die Schüle-

rinnen und Schüler zur Bewältigung zukünftiger Lebenssituationen

und zur Teilnahme an demokratischen Entscheidungsprozessen zu

befähigen […]. Dieses Ziel beinhaltet auch, sie mit einer zeitgemäßen

naturwissenschaftlichen Grundbildung auszustatten. […] Dem Che-

mieunterricht fällt dabei die besondere Aufgabe zu, die materiale

Umwelt zu erschließen sowie Verständnis und Kompetenz im alltäg-

lichen Umgang mit Stoffen zu vermitteln. Er trägt mit dazu bei, die

Vorgänge in der Natur zu verstehen sowie der – auch durch die fort-

schreitende Technisierung verursachten – Naturentfremdung entge-

genzuwirken. […] Im gymnasialen Bildungsgang wird daneben ein

wesentlicher Schwerpunkt in der Vermittlung wissenschaftlicher Ar-

beitsmethoden und der vertiefenden Beschäftigung mit naturwissen-

schaftlichen Konzepten und Verfahren liegen. […] Insbesondere sol-

len Schülerexperimente […] den Wissensdurst der Schülerinnen und

Schüler fördern und Anregungen zu forschendem Lernen geben. […]

Durchgängiges Unterrichtsprinzip sollte deshalb die Einbeziehung

6 vgl. Kaufmann (2000), S. 36 7 Diese Arbeit bezieht sich nicht auf einen der hessischen G8-Lehrpläne aus den Jahren 2005 oder

2008, sondern auf den G9-Lehrplan aus dem Jahr 2003, da die im Rahmen der vorliegenden Ar-beit befragten Studenten nach diesem älteren Plan ihr Abitur erwarben.

Vorwort

3

der Alltagserfahrungen der Schülerinnen und Schüler und ihrer da-

durch entstandenen Vorstellungswelt sein.“8

In Bezug auf die gymnasiale Oberstufe heißt es weiter:

„Ziel des Chemieunterrichts in der gymnasialen Oberstufe ist es so-

mit, Schülerinnen und Schüler zu befähigen, in Lebensbereichen, in

denen chemisches, naturwissenschaftliches und technisches Ver-

ständnis erforderlich sind, sachkompetent und verantwortungsbe-

wusst zu handeln und zu entscheiden.“9

Ein zentrales Ziel des Chemieunterrichts ist es also, den Jugendlichen möglichst

viele Phänomene aus Alltag und Lebenswelt nahe zu bringen und verständlich zu

machen: nicht nur der Lehrplan, auch Richtlinien und zahlreiche Schulbücher be-

mühen sich, Wege zu diesem Ziel aufzuzeigen. Des Weiteren regen lernpsycholo-

gische Grundprinzipien dazu an, Sachverhalte aufzugreifen, die Jugendliche aus

eigener Anschauung kennen. Es sind oftmals die einfachsten Naturphänomene,

die nicht zu durchschauen sind – zumindest nicht, ohne eine naturwissenschaftli-

che Modellvorstellung zu kennen: das Verdunsten einer Regenpfütze oder das

Verbrennen von Grillkohle – heute gültige und zutreffende Interpretationen sind

erst auf der Grundlage von Vorstellungen zum Aufbau der Materie aus Atomen,

Ionen oder Molekülen möglich. Und die Schulchemie ist – laut Lehrplan – dazu

da, um diese naturwissenschaftlichen Modellvorstellungen zu vermitteln.

Das ist wahrlich eine große Aufgabe. Wird ihr die Schulchemie gerecht? Bereitet

sie auf Leben, Studium und Arbeit vor? Für die Beantwortung dieser Fragen ver-

sucht die vorliegende Arbeit Beiträge zu liefern. Dabei unterstreichen nicht nur

die aktuellen Differenzen und Umbrüche in der Schulpolitik die Aktualität, auch

Kommentare von Chemie-Lehrern, die im Rahmen der für diese Arbeit durchge-

führten Expertenbefragung (vgl. KAPITEL 2) abgegeben wurden, betonen die Bri-

sanz und Zeitnähe des Themas [Orthographie und Grammatik wurden in den fol-

genden Expertenkommentaren stets wahrheitsgetreu angepasst, -mg-] 10:

8 Hessischer G9-Lehrplan Chemie (2003), S. 2 9 a. a. O., S. 3 10 Anmerkungen meinerseits werden stets kursiv in eckigen Klammern angeführt und jeweils mit

dem Kürzel „-mg-“ (Mario Gerwig) versehen.

Vorwort

4

„Ich unterrichte seit ungefähr 30 Jahren am Oberstufengymnasium.

Die Schüler kommen bei uns an und haben überwiegend keine Vor-

kenntnisse! In Klasse 11 fangen wir (fast) von vorne an! Inhalte in 12

und 13: Organische Chemie, chemisches Gleichgewicht, pKs- und

pH-Werte. Schüler, die in diesen Jahrgängen Chemie belegen, sollten

sich auf diesen Gebieten auskennen. […] Schüler, die Chemie nach

der 11 abwählen, sind die Chemie betreffend in der Regel so ah-

nungslos, wie man es sich kaum vorstellen kann.“11

Ein weiterer Kommentar drückt die Situation ähnlich hart aus:

„Schüler, die Chemie nach der 11 abwählen, finden das Fach furcht-

bar und haben nie einen Zugang bekommen. Diese überleben in der

Regel die Klasse 11 mit Müh und Not und wissen hinterher fast

nichts mehr.“12

Die vorliegende Arbeit will daher untersuchen, ob Abiturienten, die gerade erst

die Schule verlassen haben, mit einem chemischen Grundwissen ausgestattet wur-

den – so, wie es die Lehrpläne vorsehen – oder ob sie tatsächlich keine grundle-

genden chemischen Fragen beantworten können. Stimmt, was folgende ausge-

wählte Expertenkommentare behaupten?

„Es besteht grundsätzlich ein großer Unterschied zwischen dem, was

Schüler aus dem Unterricht können sollten und was sie tatsächlich

wissen.“13

„Schüler, die Chemie in der Jahrgangstufe 11 abgegeben haben, wis-

sen sehr, sehr wenig.“14

Oder stimmt eben dies nicht, und der Chemieunterricht wird seiner durch die

Lehrpläne festgelegten Aufgaben gerecht? Vielleicht starten Abiturienten ausges-

tattet mit einem chemischen Grundwissen und durchaus studierfähig in ihr Uni-

versitätsstudium. Genauso ist es aber auch möglich, dass Teile der angewandten

11 Gerwig (2008), ausgewählter Kommentar der Expertenbefragung zur vorliegenden Arbeit „Che-

misches Wissen von Studienanfängern“. 12 a. a. O. 13 a. a. O. 14 a. a. O.

Vorwort

5

Chemiemethodik und -didaktik zur Erreichung der im Lehrplan formulierten Ziele

und damit der gesamte Chemieunterricht überdacht werden müssen – dies ist zu

untersuchen.

* * *

Danken möchte ich im Besonderen Herrn Dr. Philipp Reiß für die Anregungen,

Hilfen und die in allen Phasen der Arbeit gewährte Unterstützung. Außerdem be-

danke ich mich bei den Professoren und Mitarbeitern der Philipps-Universität

Marburg, die mich bei der Planung und Durchführung der Umfrage für die einzel-

nen Fachbereiche unterstützt haben und mir einige Minuten ihrer Vorlesungszeit

geschenkt haben: Prof. Dr. Bernhard Neumüller (Fachbereich Chemie – Vorle-

sung „Anorganische Experimentalchemie für Studierende der Humanmedizin, der

Zahnheilkunde und der Biologie/Lehramt“), Prof. Dr. Andreas Greiner und PD

Dr. Seema Agarwal (Fachbereich Chemie – Vorlesung „Organische Chemie für

Biologen und Humanbiologen“), Dr. Astrid Brandis-Heep und Dr. Bettina Maier

(beide Fachbereich Biologie), Prof. Dr. Torsten Steinmetzer (Fachbereich Phar-

mazie), Prof. Dr. Angela Standhartinger und Prof. Dr. Wolfgang Nethöfel (beide

Fachbereich Evangelische Theologie) sowie Michael Boßhammer (Studierenden-

sekretariat der Universität) für die Bereitstellung von Informationen zu Einschrei-

bungszahlen und hochschulintern zulassungsbeschränkten Studiengängen. Zu gu-

ter Letzt geht der größte Dank an die wichtigste Personengruppe dieser Wissen-

schaftlichen Hausarbeit, ohne die es diese Studie nicht geben könnte: die 676 be-

fragten Studentinnen und Studenten, welche den – zugegebenermaßen recht um-

fangreichen – Fragebogen gewissenhaft und ehrlich beantwortet haben.

Vielen Dank!

Mario Gerwig Marburg, im November 2008

Einleitung

6

0 Einleitung

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine deskriptive Querschnittstudie.

Sie beschreibt die Beziehungen, die zwischen dem G9-Lehrplan „Chemie“ des

Bundeslandes Hessen aus dem Jahr 2003 und dem tatsächlichen Wissen von Stu-

dienanfängern ausgewählter Fachrichtungen, die nach diesem Lahrplan ihr Abitur

erworben haben, bestehen. Die Untersuchung lehnt sich dabei an eine 1986 am

Fachbereich Chemie der Philipps-Universität Marburg durchgeführte Arbeit an.15

Diese überprüfte die Chemie-Kenntnisse der Studienanfänger aller Fachbereiche.

Von dieser Arbeit sind jedoch nur noch wenige Seiten erhalten – die meisten Ka-

pitel fehlen, genau wie die Auswertung der erhaltenen Ergebnisse, gänzlich. Le-

diglich die Fragen der Studentenbefragung sind noch vorhanden. Stellen, an denen

auf die 1986er-Arbeit intensiver Bezug genommen wird, sind besonders ausge-

zeichnet.

Als Stichprobe dieser Querschnittstudie dienen insgesamt 676 Erstsemesterstu-

denten, die im Wintersemester 2008/2009 ihr Studium an der Marburger Philipps-

Universität aufgenommen haben. 620 von ihnen haben eines gemeinsam: Chemie

spielt in ihrem Studium eine zentrale Rolle. Konkret: Insgesamt wurden 620 Stu-

denten der Fachrichtungen Humanbiologie, Biologie „Bachelor of Science (B.

Sc.)“ und Biologie Lehramt, Human- und Zahnmedizin sowie Pharmazie befragt.

Als Vergleichsstichprobe wurde ein weiterer, gänzlich „unchemischer“ und nicht

zulassungsbeschränkter Fachbereich, ausgewählt: Erstsemesterstudenten der E-

vangelischen Theologie (insgesamt 56 Studenten, die jeweils auf Lehramt oder

kirchliches Examen studieren).16 Dieser Auswahl liegt die Vermutung zu Grunde,

dass Schüler, die keinen Zugang und kein Interesse am Fach Chemie haben, später

auch kein Fachgebiet studieren, in welchem chemische Kenntnisse vonnöten sind.

Denn diese Fächer werden eher von Studenten belegt, die schon als Schüler ein

15 Da der genaue Titel dieser Arbeit unbekannt ist, wird sie im Folgenden schlicht als „1986er-

Arbeit“ bezeichnet. 16 Studenten der Fachrichtungen Human- und Zahnmedizin werden im Folgenden der Einfachheit

halber zusammengefasst und wertungsfrei schlicht als „Mediziner“ bezeichnet. Gleiches gilt für die Theologiestudenten (Lehramt und kirchliches Examen). Bei den Biologen wird hingegen stets zwischen Bachelor- und Lehramtsstudenten unterschieden, wobei die Bezeichnung „B. Sc.“ stets verdeutlichen soll, dass es sich um Biologiestudenten mit Abschluss „Bachelor of Science“ handelt. Humanbiologiestudenten, die zum Fachbereich Medizin gehören, werden getrennt be-handelt.

Einleitung

7

nicht geringes Interesse an Chemie hatten. Die Wahl eines nicht zulassungsbe-

schränkten Studiengangs wird damit begründet, dass es sich Studenten zulas-

sungsbeschränkter Studiengänge in der Regel nicht leisten können, in einem

Schulfach, also auch in Chemie, „nur“ durchschnittliche Leistungen zu erbrin-

gen.17 Gänzlich unberücksichtigt bei dieser Untersuchung bleibt hingegen der

Fachbereich Chemie. Diesen Studenten kann sicherlich ein nicht geringes Interes-

se am Fach Chemie unterstellt werden, weshalb sie sich bereits in der Schule ein

recht großes chemisches Wissen angeeignet haben dürften und die gestellten Auf-

gaben somit nahezu problemlos beantworten können sollten.

Um die Beziehungen zwischen Lehrplan und Wissen der Abiturienten untersu-

chen zu können, wurde in der ersten Semesterwoche des Wintersemesters

2008/2009 mit Hilfe eines sechsseitigen und aus drei Teilen bestehenden Frage-

bogens eine Umfrage unter den betreffenden Studenten durchgeführt. Um die Stu-

dentenumfrage möglichst objektiv und differenziert auswerten zu können, wurde

bereits einige Wochen zuvor eine schriftliche Expertenumfrage gestartet. Als Ex-

perten wurden dabei die Fachvorsteher des Faches Chemie aller 156 hessischen

Schulen mit gymnasialer Oberstufe angesehen. Basierend auf diesen Ergebnissen

wurde zum einen der Fragebogen für die Studentenumfrage abgeändert, zum an-

deren wurden Regeln für die Auswertung der Studentenbefragung aufgestellt.

Nach der Durchführung der Befragung und der Aufbereitung der daraus erhalte-

nen Ergebnisse wurden diese schließlich ausgewertet, analysiert und im Rahmen

dieser Arbeit dargestellt.

Die Arbeit ist chronologisch aufgebaut. So ging der Befragung der Erstsemester-

studenten einiges voraus. Ganz am Anfang standen die Auswahl der Fragen und

die Erstellung des Fragebogens, was Gegenstand des KAPITELS 1 ist. Anschlie-

ßend wurde zunächst die Expertenumfrage geplant und durchgeführt, was in KA-

PITEL 2 beschrieben wird. Daran schloss sich die Befragung der Erstsemesterstu-

denten an, deren Planung in KAPITEL 3 näher erläutert wird. Die Auswertung der

Experten- und der Studentenbefragung sowie die Dokumentation der daraus erhal-

tenen Ergebnisse sind Gegenstand des 4. KAPITELS. Dabei werden zunächst der A-

17 Der NC für das Fach „Psychologie“ lag bspw. im WS 2008/2009, abhängig vom Bundesland, in

dem das Abitur erworben wurde, zwischen 1,0 und 1,3. Um dieses Fach studieren zu können ist also ein sehr gutes Abitur Voraussetzung – also auch gute bis sehr gute Leistungen in Chemie.

Einleitung

8

und C-Teil der Fragebögen jeweils für alle sechs Fachbereiche ausgewertet, bevor

die Ergebnisse des B-Teils für jeden Fachbereich sehr ausführlich analysiert wer-

den. Die Unterkapitel dieses Abschnitts gleichen sich dabei im Aufbau, was je-

doch aus Vergleichbarkeitsgründen nicht anders möglich ist. Außerdem vergleicht

dieses Kapitel die Ergebnisse der Studentenbefragung untereinander in Abhängig-

keit der unterschiedlichen Fachrichtungen, so dass es für den geneigten Leser aus-

reichend ist, den entsprechenden Unterpunkt des vierten KAPITELS (4.2.1 bis

4.2.6) in Verbindung mit KAPITEL 4.3 (Vergleich der Gruppen) zu studieren. KA-

PITEL 5 beschreibt schließlich die Differenzen und Gemeinsamkeiten zwischen

den Einschätzungen der Experten und den Antworten der Studenten. Abschlie-

ßend wird im 6. KAPITEL die Einhaltung der drei Gütekriterien Objektivität, Vali-

dität und Reliabilität diskutiert. Nach einem kurzen Schlusswort (KAPITEL 7) folgt

der Anhang und das Literaturverzeichnis.

Vorarbeit

9

1 Vorarbeit

1.1 Konstruktion des Fragebogens

Als Grundlage für die vorliegende Studie dient eine im Wintersemester 2008/2009

an der Philipps-Universität Marburg durchgeführte Erhebung, welche das chemi-

sche Wissen von Studienanfängern dokumentiert. Als Messinstrument wurde, mit

Bezug auf die bereits im Vorwort erwähnte 1986er-Arbeit, ein sechsseitiger, aus

drei Teilen bestehender, teilstandardisierter Fragebogen erstellt.18 Über die Aus-

wahl der Fragen sowie die Erstellung des Fragebogens informieren die folgenden

Kapitel.

1.1.1 Allgemein

Der Fragebogen der Studierendenbefragung bestand aus insgesamt drei Teilen.

Durch die Anordnung dieser drei Teile (leicht-schwierig-leicht in der Beantwor-

tung) und der Reihenfolge der Fragen wird eine Spannungskurve aufgebaut, wel-

che die Motivation beim Ausfüllen des Bogens möglichst lange erhalten soll.

Im ersten Teil werden zehn allgemeine Fragen zum Chemieunterricht der Befrag-

ten gestellt. Dieser Teil, der lediglich einige subjektive Einschätzungen verlangt,

ist recht leicht zu beantworten und bietet einen schnellen Einstieg in den Fragebo-

gen. Etwas anspruchsvoller wird es im zweiten Abschnitt, in welchem den Befrag-

ten 21 Fragen aus verschiedenen Bereichen der Chemie und spezifischen Inhalten

des Chemieunterrichts gestellt werden. Den wiederum leicht zu beantwortenden

Abschluss bildet der dritte, aus sieben sozialstatistische Fragen bestehende Teil.

18 vgl. Anhang 2

Vorarbeit

10

1.1.2 Teil A – allgemeine Fragen

Die zehn Fragen des ersten Teils sollen klären, wie die Befragten ihren letzten

Chemieunterricht, ihre letzten Chemielehrer, die eigenen Schulnoten sowie einige

allgemeine Dinge den Chemieunterricht betreffend beurteilen. Zum Beantworten

dieser Fragen ist kein chemisches Wissen notwendig, sie verlangen lediglich eine

persönliche Einordnung allgemeiner Sachverhalte.

Die erste Frage, bei welcher der letzte Chemieunterricht der Befragten mit Hilfe

von insgesamt neun vorgegebenen Eigenschaftspaaren beurteilt werden soll, dient

als so genannte „Eisbrecherfrage“. Diese subjektive Charakterisierung soll einen

leichten Einstieg in den Fragebogen bieten und so auf die folgenden Teile vorbe-

reiten. Sie bleibt später unberücksichtigt und geht in die Auswertung nicht mit ein.

1.1.3 Teil B – Aufgabenteil

Bei der Erstellung des zweiten Fragebogenteils wurden die Fragen zu einem gro-

ßen Teil aus der 1986er-Arbeit übernommen. Hierfür gibt es mehrere Gründe:

Zum einen sind die Fragen bereits erprobt worden und haben mehrere Testläufe

durchlaufen, d.h. sie haben sich als valide erwiesen.

Die Teile A und C („Allgemeine Fragen“, „Sozialstatistische Fragen“) wurden

gänzlich aus der 1986er-Arbeit übernommen. Der Aufgabenteil hingegen durch-

lief einige Veränderungen, wobei jedoch immer darauf geachtet wurde, dass das

Kriterium „Vergleichbarkeit der Arbeiten“ erhalten bleibt und die Fragen bzgl. der

unterschiedlichen Kategorien („Allgemeine Chemie“, „Anorganische Chemie“,

„Organische Chemie“) möglichst breit gefächert sind.

Der Aufgabenteil des Fragebogens der 1986er Arbeit bestand aus 25 Fragen. Vier

dieser Fragen wurden für diese Arbeit ersatzlos gestrichen, so dass der aktuelle

Bogen nur noch aus 21 Aufgaben besteht. Einige dieser 21 Fragen wurden ergänzt

oder verkürzt, andere wurden auf Grundlage der im folgenden KAPITEL 2 genauer

betrachteten Expertenbefragung verändert. Die beiden folgenden Tabellen infor-

mieren über diese Änderungen.

Vorarbeit

11

Tab. 1: Auswahl und eigene Umformulierungen der Fragen aus der 1986er-Arbeit.

Gestrichene oder veränderte Frage Begründung

Frage 119:

gestrichen

Missverständliche Aufgabenstellung;

mehrere Antwortmöglichkeiten, je nach

Wahl des Kriteriums.

Frage 3 (2)20:

mit Zusatz „ohne Prozentangaben“

Aufgabenstellung ohne Zusatz leicht

missverständlich

Frage 4 (3):

ohne Stichwortbegründung

schwer zu beantworten und zu aufwen-

dig in der Auswertung

Frage 1721:

gestrichen

Die Frage ist die Antwort zu Frage 18

(16), welche nach der Bedeutung der

Zahl 6,023 · 1023 fragt.

Frage 2322:

gestrichen

Sehr komplexe Frage mit vielfältigen

Antwortmöglichkeiten. Eine eindeutige

Beurteilung der Antworten wäre nicht

möglich.

Frage 2423:

gestrichen

Auswertung kompliziert, da das Emp-

finden von Vor- und Nachteilen sehr

subjektiv ist.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008)

19 In der Chemie werden häufig Stoffe aufgrund Ihrer Eigenschaften zu Stoffgruppen zusammen-

gefaßt. Teilen Sie nachfolgende Stoffe/Gegenstände mit Hilfe eines von Ihnen zu wählenden Kriteriums in zwei Stoffgruppen ein, und schreiben Sie die jeweiligen Kennbuchstaben in die entsprechenden Felder. (A) Würfelzucker (B) Nagel (C) Salzkristall (D) Konservendose (E) Diamant (F) Geldstück (G) Zinnfigur“

20 Fragennummerierung in der alten Arbeit. Die entsprechende Fragennummer dieser Arbeit ist in Klammern angegeben.

21 „Was verstehen Sie unter dem Mol eines Stoffes?“ 22 „Welches Umweltproblem wird durch die übermäßige Anwendung dieser stickstoffhaltigen

Salze [Düngemittel, -mg-] verursacht?“ 23 „Kunststoffe sind inzwischen in alle Bereiche des täglichen Lebens eingedrungen. Nennen Sie

bitte einige Vorteile und einige Nachteile, die mit der Verwendung von Kunststoffen verknüpft sind.“

Vorarbeit

12

Tab. 2: Übernommene und auf Expertenkommentaren ruhende umformulierte Aufgaben

aus der 1986er-Arbeit.

Frage in der Schulversion 24 Umformulierte Frage, ruhend auf

den Meinungen der Experten

Frage 325:

Im Folgenden finden Sie einige Vor-

gänge aus dem Alltagsleben. Kreuzen

Sie bitte diejenigen an, von denen Sie

meinen, dass die Chemie dabei eine

Rolle spielt. […]

Frage 3:

Im Folgenden finden Sie einige Vor-

gänge aus dem Alltagsleben. Kreuzen

Sie bitte diejenigen an, von denen Sie

meinen, dass die Chemie dabei eine

Rolle spielt (d.h. entscheiden Sie, ob

es sich um einen chemischen Vorgang

handelt oder nicht). […]

Frage 6:

Nennen Sie bitte die Namen einiger

Laugen!

Frage 6:

Nennen Sie bitte die Namen einiger

Laugen / Basen!

Frage 8:

Die chemische Formel des Stoffes

Natriumhydroxid ist NaOH. Geben Sie

bitte die chemischen Formeln der fol-

genden Stoffe an! […]

Frage 8:

Die Summenformel des Stoffes Natri-

umhydroxid ist NaOH. Geben Sie bitte

die Summenformeln der folgenden

Stoffe an! […]

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008)

Die so ausgewählten 21 Aufgaben26 fragen zum einen wesentliche Aspekte der

Schulchemie ab, werden aber zum anderen nie zu fachwissenschaftlich. Sie versu-

chen stets den Alltagsbezug herzustellen – ein äußerst wichtiger Aspekt, denn bei

den abgegebenen Expertenkommentaren taucht die Frage nach zentral wichtigen

24 Mit Schulversion ist die Version der Fragen gemeint, die in dem an die Schulen verschickten

Fragebogen der Expertenbefragung aufgeführt waren. 25 Nummerierungen dieser Tabelle beziehen sich auf den Fragebogen dieser Arbeit. 26 vgl. Fragebogen, Anhang 2

Vorarbeit

13

und langfristig benötigten Inhalten immer wieder auf. Diese ist sicherlich nicht

leicht zu beantworten. Der erstellte Fragebogen aber versucht genau diese Inhalte

abzufragen, indem er hauptsächlich allgemeinbildendes und alltagsrelevantes

Wissen prüft, dabei jedoch keinen der unterschiedlichen Bereiche der Schulche-

mie zu sehr vernachlässigen versucht. Alltagsphänomene sind allerdings oft viel

zu komplex, als das man ihre Erklärung in einer kurzen Befragung abprüfen könn-

te. Die hier ausgearbeiteten Fragen sind recht kurz gehalten, ihr Alltagsbezug of-

fenbart sich daher bisweilen erst auf den zweiten Blick.

Die Fragen des Aufgabenteils lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen.

Diese in den folgenden Tabellen aufgeführten Einteilungen sind für die spätere

differenzierte Auswertung besonders wichtig.

Tab. 3: Klassifikation der Aufgaben nach Bereichen der Chemie.

Bereich Fragen Anzahl Fragen

1 Allgemeine Chemie und über-

greifende Aufgaben

3, 5, 6, 7, 12, 13, 14,

15, 16, 18, 19, 21 12

2 Anorganische Chemie 1, 2, 4, 8, 17 5

3 Organische Chemie und Bio-

chemie 9, 10, 11, 20 4

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008)

Diese Einteilung zeigt, dass die beiden Bereiche Anorganische und Organische

Chemie – wie auch in der Schule – zu etwa gleichen Teilen behandelt werden.

Eine größere Bedeutung wird allerdings der Allgemeinen Chemie zugeschrieben,

da zum einen sehr viele Alltagsphänomene, zum anderen chemisches Grundwis-

sen, welches in der Schule in den ersten Jahren erworben wird, diesem Bereich

zugeschrieben werden können. Aus diesem Grund haben die diesen Bereich

betreffenden Fragen den größten Anteil im Fragebogen (57 %).

Eine weitere Einteilung der Fragen ist nach spezifischen Unterrichtsinhalten mög-

lich.

Vorarbeit

14

Tab. 4: Klassifikation der Aufgaben nach fachspezifischen Inhalten.

Inhalt Fragen Anzahl Fragen

1 Beispiele für Stoffgruppen 5, 6, 9 3

2 Elementsymbole, Formeln, Re-

aktionsgleichungen 4, 8, 11, 17 4

3 Definitionen, Gesetze, Konstan-

ten 12, 13, 14, 15, 16, 18 6

4 Allgemeine Probleme, Chemie

des Alltags27 1, 2, 3 3

5 Angewandte Chemie, Techno-

logie 7, 10, 19, 20 4

6 Geschichte der Chemie 21 1

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008)

Diese Einteilung zeigt, dass die ausgewählten Fragen zu etwa gleichen Teilen fünf

prägnante und schwerwiegende Inhalte der Chemie behandeln und damit einen

Großteil wichtigen Schulstoffs abdecken. Allein die „Geschichte der Chemie“

wird nur mit einer einzigen Frage angesprochen. Aufgaben, die rein fachwissen-

schaftliche Themen abfragen, sind stark in der Minderheit. Dazu ein Auszug eines

Expertenkommentars:

„Wir vermissen Fragen zu übergeordneten chemischen Konzepten,

z.B. Elektronegativität, Zusammenhänge zwischen Atombau, Stel-

lung im PSE und Reaktionsverhalten von Elementen, […], Salz ↔

Ion, Moleküle ↔ Nichtmetalle, polare Bindungen, Dipol oder nicht

Dipol, Löslichkeitsverhalten, polar/unpolar […], zwischenmolekulare

Wechselwirkungen, Zusammenhänge zwischen sichtbarer Ebene und

Teilchenebene (Siedeverhalten). Diese Themen sind für Studenten

27 Die Grenzen zwischen den einzelnen Klassen, besonders zur Grenze „Chemie des Alltags“, sind

fließend. Fast alle Fragen haben einen gewissen Alltagsbezug.

Vorarbeit

15

der Naturwissenschaft mit Nebenfach Chemie von deutlich höherer

Bedeutung als der im Fragebogen angegebene Sachverhalt! […]“ 28

Fragen diesen Typs wurden allerdings absichtlich nicht in den Fragebogen mit

aufgenommen, denn die Überprüfung solch extremen fachspezifischen Wissens ist

nicht Gegenstand dieser Arbeit. Sie fragt eben nicht nur auswendig gelerntes Wis-

sen ab, daher finden sich nur wenige Fragen nach fachwissenschaftlichen und

fachspezifischen Fakten und Sachverhalten. Der Schwerpunkt liegt woanders: Es

soll untersucht werden, inwieweit alltagsrelevantes Wissen, also Stoff, mit dem

Alltagsphänomene erklärt werden können, bei den Abiturienten vorhanden ist.

Fachwissenschaftliche Inhalte treten dazu deutlich in den Hintergrund, das chemi-

sche Schulwissen der Abiturienten steht auf dem Prüfstand.

1.1.4 Teil C – sozialstatistische Daten

Den letzten Teil des sechsseitigen Fragebogens bilden die zur Auswertung nötigen

sozialstatistischen Daten. Dieser Teil ist der für die Befragten am leichtesten zu

beantwortende Teil. Hier werden neben dem Geschlecht und dem Alter u.a. auch

der Ort, wo die Hochschulreife erworben wurde, und die in der Oberstufe belegten

Leistungsfächer abgefragt. Diese Daten werden benötigt, um später Aussagen

bspw. über Herkunft und Alter der Befragten treffen zu können. Die Anonymität

bleibt dabei jedoch zu jeder Zeit erhalten. Fragebögen, die wegen bestimmter

Antworten einen Rückschluss auf die ausfüllende Person erlauben – bspw. wenn

das Abitur sehr lange zurückliegt oder wenn der ausfüllende Student die Hoch-

schulreife als einziger in einem bestimmten Land erworben hat – wurden aus der

Wertung heraus genommen.

28 Gerwig (2008), ausgewählter Kommentar der Expertenbefragung zur vorliegenden Arbeit „Che-

misches Wissen von Studienanfängern“.

Vorarbeit

16

1.2 Bewertung der Fragen im Teil B (Aufgabenteil)

Bei den im Fragebogen gestellten Fragen handelt es sich zum Teil um geschlosse-

ne Fragen, d.h. die Befragten müssen aus gegebenen Vorgaben die ihrer Meinung

nach richtigen Antworten auswählen oder ankreuzen, sowie um offene Fragen, bei

denen ein Sachverhalt oder ein Konzept mit eigenen Worten erklärt werden muss.

Um alle Fragebögen möglichst objektiv, einheitlich, vergleichbar und gerecht be-

werten zu können, ist es notwendig, Bewertungskriterien für jede einzelne Frage

des Aufgabenteils festzulegen.

Dazu werden die Fragen zunächst in vier Kategorien eingeteilt:

Tab. 5: Einteilung der Fragen des Aufgabenteils nach Typen

Typ Aufgaben Anzahl Aufgaben

1

Mit Antwortvorgabe –

Richtige Antworten aus

einer Menge vorgegebe-

ner Antworten identifizie-

ren

1, 3 2

2

Ohne Antwortvorgabe –

Konzept oder Begriff mit

eigenen Worten erläutern

12, 13, 14, 15, 16 5

3

Ohne Antwortvorgabe –

eine nicht limitierte Anzahl

von zutreffenden Ant-

wortmöglichkeiten nennen

5, 6, 7, 9, 10, 19, 20, 21 8

4

Ohne Antwortvorgabe –

es existiert eine eindeutig

beurteilbare Lösung, die

genannt werden muss

2, 4, 8, 11, 17, 18 6

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008)

Vorarbeit

17

Für Fragen, bei denen es eine eindeutig zu beurteilende Lösung gibt oder bei de-

nen aus einer Menge von Antwortmöglichkeiten die richtigen herausgesucht wer-

den müssen (Typen 1 und 4), ist das Aufstellen solcher Bewertungsrichtlinien

recht unproblematisch. Komplizierter aber wird es, wenn Antworten selbst formu-

liert werden müssen und somit auch teilweise richtig oder falsch wiedergegeben

werden können, die Lösung also nicht eindeutig als richtig oder falsch klassifiziert

werden kann (Typen 2 und 3).

Hier (Typ 2) wird folgendermaßen vorgegangen: Für eine gänzlich richtige Ant-

wort wird eine maximal zu erreichende Punktzahl P festgelegt. Abweichende, d.h.

nicht ganz korrekte oder unvollständige Antworten, führen in der unten definier-

ten Weise zu einer geringeren Punktzahl.

Ähnlich wird bei Fragen vorgegangen, bei denen eine nicht festgelegte Anzahl an

Antworten gegeben werden soll (Typ 3). Hier wird für jede richtige Nennung eine

zu vergebende und ggf. eine abzuziehende Punktzahl für falsche Nennungen fest-

gelegt. Schwieriger festzulegen ist jedoch, ab welcher Anzahl von Nennungen

eine Frage als vollständig gelöst angesehen werden kann. Ein Beispiel: „Frage 10:

Nennen Sie bitte wichtige Verwendungszwecke von Kohlenwasserstoffen!“ Wie

viele Antworten müssen nun gegeben werden, um die volle Punktzahl zu errei-

chen? Sicherlich hätte man schon in der Frage eine Anzahl vorgeben können – die

Auswertung der Frage würde so erheblich erleichtert – doch stellt dies eine

schwerwiegende Einschränkung dar. Denn weiß ein Befragter mehr Antworten als

gefordert sind, soll er sie auch nennen – das würde er bei einer vorgegebenen

Menge an erwarteten Antworten jedoch nicht tun.

Dennoch muss für die Auswertung der Frage eine Anzahl an Antworten, für die

später die maximal zu erreichende Punktzahl vergeben werden kann, festgelegt

werden – ein Problem. Wer soll diese Zahlen möglichst gerecht festlegen? Und

wie? Um dieses Problem leichter in den Griff zu bekommen, wurde – anders als in

der 1986er-Arbeit – bereits bei der Expertenbefragung (vgl. KAPITEL 2 und An-

hang 1) um eine zahlenmäßige Einschätzung der möglichen Antworten gebeten.

Diese Zahlen dienen als Orientierung zur Festlegung der erwarteten Anzahl an

Antworten.

Vorarbeit

18

Die weiteren Bewertungsrichtlinien sind mit denen der 1986er-Arbeit nahezu i-

dentisch:

„1. Richtig wiedergegebene „ältere“ Konzepte (z.B. Oxidation als

Aufnahme von/Reaktion mit Sauerstoff) werden niedriger bewer-

tet als richtig wiedergegebene „moderne“ Konzepte (z.B. Oxida-

tion als Abgabe von Elektronen).

2. Die Bewertung erfolgt in Form einer Punktebewertung.

3. Die Bewertungen werden so festgelegt, daß nur ganzzahlige

Punktergebnisse auftauchen.

4. Für Fehler, fehlende Komponenten oder unpräzise Begriffe gibt

es Punktabzüge; in Zweifelsfällen unterbleiben die Punktabzü-

ge.“29

Der folgende fünfte Punkt wurde jedoch ein wenig verändert. In der 1986er-

Arbeit heißt es:

„5. In den Fällen, in denen durch Ankreuzen aller Vorgaben automa-

tisch auch alle richtigen Vorgaben angekreuzt wurden, führte das

Ankreuzen der falschen Vorgaben zu Punktabzügen.“30

Ankreuzen einer falschen Lösung führte in der vorliegenden Befragung hingegen

immer zu Punktabzügen.

Diese konzipierten Bewertungslinien führen bei jeder Aufgabe zu einer maximal

erreichbaren Punktzahl, welche jedoch nicht bei allen Fragen gleich ist (bei Auf-

gabe 1 können bspw. neun, bei Aufgabe 2 hingegen acht Punkte erreicht werden).

Unter den Gesichtspunkten Vergleichbarkeit und Brauchbarkeit der Ergebnisse ist

es jedoch notwendig, dass alle Fragen mit dem gleichen Gewicht in die spätere

Gesamtauswertung eingehen. Dafür sorgt ein entsprechender Berechnungsschlüs-

sel, der auch den unterschiedlichen, anhand der Expertenbefragung ermittelten

Schwierigkeitsgrad der Aufgaben berücksichtigt (vgl. KAPITEL 4.1.1).

29 1986er-Arbeit, S. 20 30 a. a. O.

Vorarbeit

19

Im Folgenden ist der Bewertungsschlüssel für jede der 21 Fragen des Aufgaben-

teils grafisch komprimiert aufgeführt. Jeder ausformulierten Frage folgt entweder

die maximal zu erreichende Punktzahl P oder die, auf den Einschätzungen der

Experten ruhende, festgelegte maximale Punktzahl P*, sowie die zugrunde lie-

genden Erwartungen für das Erreichen dieser Punktzahl, die Regeln bzw. Bewer-

tungsrichtlinien und ggf. einige kurze Anmerkungen.

Rostet an der Luft �

Ist rötlich glänzend �

Ist sehr spröde �

Verbrennt mit grellem Licht �

Wird im Laufe der Zeit grün

1111

Sie sollen bestimmen, woran man Kupfer erkennt. Dazu finden Sie rechts eine Liste von Eigen-schaften. Kreuzen Sie bitte alle diejenigen an, die Ihrer Meinung nach für den Stoff Kupfer zutref-fen.

Färbt sich bei Reaktion mit Sauerstoff schwarz

PPPP = 9

Erwartungen: -

· Für jede Nennung von 2., 5. und 6. jeweils 3 Punkte Regeln:

· Für jede falsche Nennung jeweils

· Für jede fehlende Nennung

- 3 Punkte

- 1 Punkt

Anmerkung: Eine negative Gesamtpunktzahl wird auf 0 Punk-

te aufgerundet

Vorarbeit

20

2222 Aus welchen Bestandteilen ist Luft zusammengesetzt (ohne Prozentanga-ben)?

PPPP = 8

Erwartungen: -

Regel: · Für jede Angabe von Stickstoff, Sauerstoff,

Kohlendioxid und Edelgas jeweils 2 Punkte

Anmerkung: Angaben von Luftverunreinigungen werden nicht

als Fehler gewertet.

Getreide wird gemahlen �

Blei wird geschmolzen �

Ein Akku wird aufgeladen �

Ein Auto fährt mit Diesel-treibstoff

Milch wird sauer �

3333

Rechts finden Sie einige Vorgänge aus dem Alltagsleben. Kreuzen Sie bitte alle diejenigen an, von denen Sie meinen, dass die Chemie dabei eine Rolle spielt (d.h. entscheiden Sie, ob es sich um einen chemischen Vorgang handelt oder nicht).

Zucker und Mehl werden gemischt

PPPP = 9

Erwartungen: -

· Für jede Ankreuzung von 3., 4. und 5. jeweils 3 Punkte Regeln:

· Für jede falsche Ankreuzung jeweils

· Für jede fehlende Nennung

- 3 Punkte

- 1 Punkt

Anmerkungen: Eine negative Gesamtpunktzahl wird auf 0 Punk-

te aufgerundet

Vorarbeit

21

Sauerstoff

Chlor

Eisen

Stickstoff

Phosphor

4444

Die chemischen Elemente werden jeweils durch ein Elementsymbol gekennzeichnet. Geben Sie bitte die Elementsymbole für die folgenden Elemente an!

Blei

PPPP = 12

Erwartungen: -

· Für jede richtige Angabe des Symbols jeweils 2 Punkte Regeln:

· Für fehlerhafte Angaben, die nicht Symbol eines

anderen Elements sind (Cl2 statt Cl, Ph statt P)

· Für fehlerhafte Angaben, die Symbol eines an

deren Elements sind (F statt Fe, C statt Cl)

1 Punkt

0 Punkte

Anmerkungen: -

5555 Nennen Sie bitte die Namen einiger Säuren!

PPPP* = 10

Erwartungen: Nennung von fünf Säuren

Regeln: · Für jede genannte Säure (Name oder / und For-

mel) jeweils 2 Punkte

Anmerkungen: Fehlerhafter Name / Formel führt zu Punktabzug

Vorarbeit

22

6666 Nennen Sie bitte die Namen einiger Laugen / Basen!

PPPP* = 6

Erwartungen: Nennung von drei Laugen / Basen

Regeln: · Für jede genannte Lauge (Name oder / und For-

mel) jeweils 2 Punkte

Anmerkungen: Fehlerhafter Name / Formel führt zu Punktabzug

7777 Geben Sie bitte wichtige Verwen-dungszwecke von Salzen an!

PPPP* = 6

Erwartungen: Nennung von drei Verwendungszwecken

Regeln: · Für jeden genannten zutreffenden Verwen-

dungszweck jeweils 2 Punkte

Anmerkungen: Jeder zutreffende Verwendungszweck wird un-

abhängig vom Ausmaß seiner Bedeutung akzep-

tiert

Wasser

Kohlenmonoxid

Schwefeldioxid

Natriumchlorid

Natriumphosphat

Calciumcarbonat

Ammoniak

8888

Die Summenformel des Stoffes Natriumhydroxid ist NaOH. Geben Sie bitte die Summenformeln der folgenden Stoffe an!

Kupfersulfat

Vorarbeit

23

PPPP = 16

Erwartungen: -

· Für jede vollständig richtige Formel 2 Punkte

· Für Formeln mit allen Elementen aber einer fal-

schen Atomzahl (z.B. NaPO4 statt Na3PO4) 1 Punkt

Regeln:

· Für Formeln mit einem falschen oder fehlenden

Element und/oder zwei oder mehr falschen A-

tomzahlen

0 Punkte

Anmerkungen: Bei Kupfersulfat werden sowohl Kupfer(I)- als

auch Kupfer(II)sulfat korrekt gewertet.

9999

Nennen Sie bitte Namen von einigen Kohlenwasserstoffen (also Verbin-dungen, die nur aus Kohlenstoff und Wasserstoff bestehen)!

PPPP* = 12

Erwartungen: Je zwei Nennungen aus drei unterschiedlichen

Bereichen (z.B. homologe Reihen)

· Für jede erste Nennung unterschiedlicher Art

(z.B. zu unterschiedlichen homologen Reihen

gehörend) jeweils

3 Punkte

· Für die zweite und dritte Nennung gleicher Art

(z.B. aus derselben homologen Reihe) jeweils 1 Punkt

Regeln:

· Für die vierte und jede weitere Nennung dersel

ben homologen Reihe 0 Punkte

Anmerkungen: -

Vorarbeit

24

10101010 Nennen Sie bitte wichtige Verwen-dungszwecke von Kohlenwasserstof-fen!

PPPP* = 9

Erwartungen: Nennung von drei Verwendungszwecken

Regeln: · Für jeden genannten zutreffenden Verwen

dungszweck jeweils 3 Punkte

Anmerkungen: Jeder zutreffende Verwendungszweck wird un-

abhängig vom Ausmaß seiner Bedeutung akzep-

tiert.

Ethanol

Benzol

Methan 11111111

Geben Sie bitte die chemischen Formeln, egal ob Summen- oder Strukturformel, der folgenden Stoffe an!

Glucose

PPPP = 12

Erwartungen: -

· Für jede vollständige richtige Formel jeweils 3 Punkte

· Für jede Summenformel, die bis auf eine Atom-

anzahl richtig ist sowie jede Strukturformel, die

bis auf einen Strukturfehler richtig ist

2 Punkte

· Für jede vollständige richtige Formel aus der in

der Vorgabe angesprochenen Stoffgruppe / ho-

mologen Reihe anstelle der zutreffenden Formel

(z.B. C2H6 statt CH4)

1 Punkt

Regeln:

· Formeln mit zwei oder mehr Fehlern 0 Punkte

Anmerkungen: Kleinere Mängel bei Strukturformeln (z.B. stereo-

spezifische Aspekte) bleiben unberücksichtigt

Vorarbeit

25

12121212 Was verstehen Sie unter einer Säu-re?

PPPP = 10

Erwartungen: -

· Brønsted-, Lewis- oder analoge Definition 10 Punkte

· pH < 7 5 Punkte

· Reaktionsprodukte von Nichtmetalloxid und H2O 5 Punkte

Regeln:

· Für jede zutreffende Einzeleigenschaft (bewertet

werden maximal fünf) nach einer funktionellen

oder substantiellen Säuredefinition jeweils

1 Punkt

Anmerkungen: · Fehler führen zu Punktabzügen

13131313 Was verstehen Sie unter einer Oxida-tion?

PPPP = 10

Erwartungen: -

· Abgabe von Elektronen 10 Punkte

· Reaktion / Umsetzung mit Sauerstoff 8 Punkte

· Verbrennungsvorgang, Verbrennungsvorgang

an der Luft, Elektronenübertragung 5 Punkte

· Erhöhung der Oxidationszahl 3 Punkte

Regeln:

· Sehr eng gefasste Verbrennungsvorgänge /

Oxidationen (z.B. „Rosten“) 1 Punkt

Anmerkungen: -

Vorarbeit

26

14141414 Was verstehen Sie unter einem Ion?

PPPP = 10

Erwartungen: -

· Positiv oder negativ geladene Atome oder A-

tomgruppen 10 Punkte

· Positiv oder negativ geladene Teilchen 8 Punkte

· Elektrisch geladene Teilchen, elektrische Teil-

chen, geladene Teilchen 6 Punkte

· Geladene Atome 5 Punkte

· Negativ geladene Teilchen / Atome / Atomgrup-

pen / Elemente 4 Punkte

Regeln:

· Positiv geladene Teilchen / Atome / Atomgrup-

pen / Elemente 4 Punkte

Anmerkungen: Fehler, auch falsche Zusätze wie „kleinste“, füh-

ren zu Punktabzug

Vorarbeit

27

15151515 Was verstehen Sie unter einer Atom-bindung?

PPPP = 10

Erwartungen: -

· Zwei einfach besetzte Atomorbitale zweier Ato-

me überlappen zu einem Molekülorbital 10 Punkte

· Verknüpfung zweier Atome (zu einem Molekül)

durch ein gemeinsames Elektronenpaar 8 Punkte

· Elektronenpaarbindung 7 Punkte

· Verknüpfung von Atomen zu Molekülen; Bin-

dung in Molekülen 4 Punkte

· Kovalente Bindung; unpolare Bindung, EN ≤

fester Wert, Verbindung zweier Nichtmetalle 2 Punkte

Regeln:

· Nennung eines zutreffenden Beispiels

· Wortumschreibungen wie „Bindung zwischen

Atomen“

1 Punkt

0 Punkte

Anmerkungen: Fehler führen zu Punktabzug

Vorarbeit

28

16161616 Was sagt Ihnen die Zahl 6,023 · 10 23?

PPPP = 10

Erwartungen: -

· Anzahl der Teilchen von 1 Mol eines Stoffes;

6,023 · 1023 Teilchen besitzen die molare Masse

eines Stoffes

10 Punkte

· Anzahl der Teilchen in 22,4 L eines Gases unter

Normalbedingungen 9 Punkte

· Teilchenzahl 4 Punkte

Regeln:

· Avogadro-Zahl, Loschmidt-Zahl 3 Punkte

Anmerkungen: Fehler führen zu Punktabzug

17171717

Ein bekannter Schulversuch zeigt: Elementares Natrium reagiert mit Wasser zu Natriumhydroxid und Wasserstoff. Formulieren Sie die Reaktionsgleichung für diese Reak-tion!

PPPP = 10

Erwartungen: -

· Für jedes richtige Edukt und Produkt jeweils 2 Punkte Regeln:

· Für die Richtigkeit aller Koeffizienten 2 Punkte

Anmerkungen: Fehler führen zu Punktabzug

Vorarbeit

29

c (I2) · c (H2)

c2 (HI)

18181818

Das Massenwirkungsgesetz (MWG) macht eine Aussage über den Zu-sammenhang zwischen den Kon-zentrationen der Reaktionsteilneh-mer in einer Gleichgewichtsreaktion. Formulieren Sie bitte den MWG-Ausdruck für die folgende Gleichge-wichtsreaktion:

I2 + H2 ���� 2 HI (I2: Iod, H 2: Wasserstoff, HI: Iodwasserstoff)

PPPP = 10

Erwartungen: -

· richtige Lösung: K =

10 Punkte

· Zähler und Nenner vertauscht 8 Punkte

· Zählerexponent als Faktor 5 Punkte

· Nennerprodukt als Summe 5 Punkte

· Beschreibung als Gleichgewicht (ohne Formel) 5 Punkte

· Kehrwerte in Verbindung mit „Zählerexponent

als Faktor“ oder „Nennerprodukt als Summe“ 4 Punkte

· Zählerexponent als Faktor und Nenner als Sum-

me 2 Punkte

Regeln:

· Kehrwert in Verbindung mit „Zählerexponent als Faktor und Nenner als Summe“

1 Punkt

Anmerkungen: -

Vorarbeit

30

Name des Verfah-rens:

Hergestellter Stoff:

19191919

Nennen Sie bitte einige großtechni-sche Verfahren der chemischen In-dustrie zur Herstellung wichtiger Stoffe.

PPPP* = 9

Erwartungen: Nennung von drei Kombinationen

· Für jede richtig genannte Kombination jeweils 3 Punkte Regeln:

· Für die Nennung eines Verfahrens ohne Angabe

des hergestellten Stoffes 1 Punkt

Anmerkungen: Angabe eines Stoffes ohne zugehöriges Verfah-

ren führt zu 0 Punkten

20202020

Stickstoffhaltige Salze (Nitrate) wer-den in der Landwirtschaft in großem Umfang verwendet. Was wird damit bezweckt?

PPPP = 12

Erwartungen: -

· Düngung / Ertragssteigerung 4 Punkte

· Ersatz wichtiger Mineralien 4 Punkte

Regeln:

· Stickstoffzufuhr 4 Punkte

Anmerkungen: -

Vorarbeit

31

Namen berühmter Chemiker:

Gründe des Be-rühmtseins:

21212121

Nennen Sie bitte die Namen einiger berühmter Chemiker. Wenn möglich, geben Sie bei jedem Namen an, wa-rum der Genannte berühmt ist!

PPPP* = 12

Erwartungen: Nennung von drei Kombinationen

· Für jede richtige Kombination 4 Punkte

· Für zutreffende Namen ohne Angabe eines

Grundes oder mit Angabe eines falschen Grun-

des

2 Punkte

Regeln:

· Für jeden zweiten und jeden weiteren zutreffen-

den Grund in einer zutreffenden Kombination 1 Punkt

Anmerkungen: Namen von Physikern, Biologen, Medizinern,

Botanikern etc. bleiben unberücksichtigt

Expertenbefragung

32

2 Expertenbefragung

2.1 Gründe für die Befragung

Bei den für die Erhebung ausgewählten Aufgaben handelt es sich sowohl um of-

fene als auch um geschlossene Fragen. Einige von ihnen sind leicht und schnell zu

beantworten, andere bedürfen höherem Aufwand und beanspruchen zur Beant-

wortung mehr Zeit, womit sich die Fragen in unterschiedliche Schwierigkeitska-

tegorien einteilen lassen. Dies ist für die spätere Auswertung ein nicht zu vernach-

lässigender Sachverhalt, denn eine leicht zu beantwortende Frage muss später mit

größerem Gewicht in die individuelle Wertung eingehen als eine schwer zu be-

antwortende. Um jedoch die einzelnen Fragen als „leicht“ und „schwer“ kategori-

sieren zu können, ist ein gewisser Sachverstand vonnöten. Aus diesem Grund

wurde – wie schon in der 1986er-Arbeit – eine Expertenbefragung durchgeführt,

bei denen die Fachvorsteher des Faches Chemie aller hessischen Schulen mit

gymnasialer Oberstufe als „Experten“ angesehen wurden.

Neben der Einteilung der Fragen nach ihrem Schwierigkeitsgrad standen bei die-

ser Befragung noch weitere Aspekte, welche die möglichst genaue Einhaltung der

drei Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität gewährleisten sollen, im

Mittelpunkt31:

• Bei welchen Fragen ist die Einschätzung der Experten überwiegend gleich

bzw. sehr unterschiedlich? (vgl. KAPITEL 4.1.2)

• Stimmen die Einschätzungen der Experten mit den aus der Studierenden-

befragung erhaltenen Ergebnissen überein? (vgl. KAPITEL 5)

• Wie viele Antworten sollten für einen Schüler / Abiturienten bei den offe-

nen Fragen möglich sein? (vgl. KAPITEL 2)

Die letzte Frage wurde in der 1986er-Arbeit nicht berücksichtigt – dort wurden

die zahlenmäßigen Erwartungen für jede einzelne Frage schlicht festgelegt. Um

31 Zur Beurteilung der Gütekriterien s. KAPITEL 6.

Expertenbefragung

33

jedoch möglichst objektiv zu bleiben, wurden die Experten diesbezüglich um eine

Einschätzung gebeten.

Außerdem sollten die Fachvorsteher in einem am Ende des Fragebogens befindli-

chen Kommentarfeld die formulierten Fragen bewerten, kommentieren, bestätigen

oder verbessern und so auf Fehler, Ungenauigkeiten oder Unklarheiten aufmerk-

sam machen. Überraschenderweise wurde hiervon viel Gebrauch gemacht. Die

Ergebnisse dazu wurden in KAPITEL 2.3 berücksichtigt.

2.2 Durchführung und Rücklaufquote

Insgesamt konnten von 156 hessischen Schulen mit gymnasialer Oberstufe die

Adressen ermittelt werden. Die so ausgewählten Experten, d.h. die Fachvorsteher

des Faches Chemie, erhielten ein Anschreiben, welches zum einen über die Wis-

senschaftliche Hausarbeit, zum anderen über die Gründe der Expertenbefragung

informierte. Auf einem beiliegenden Fragebogen, der nach der Bearbeitung in

dem beiliegenden und bereits adressierten Rückumschlag zurückgeschickt werden

sollte, waren die einzelnen Fragen auf einer dreistufigen Likert-Skala ihrem

Schwierigkeitsgrad entsprechend einzustufen.32 Unterschieden wurde dabei in

folgende zwei Kategorien: „Müsste diese Frage/Aufgabe – Ihren Erfahrungen

nach – von Abiturienten, die Chemie in der Oberstufe belegt haben (Leistungs-

oder Grundkurs), sicher, vermutlich oder kaum beantwortet werden können?“ und

„Müsste diese Frage/Aufgabe – Ihren Erfahrungen nach – von Abiturienten, die

Chemie nicht in der Oberstufe belegt haben (weder Leistungs- noch Grundkurs),

sicher, vermutlich oder kaum beantwortet werden können?“.

Innerhalb der in dem Anschreiben festgelegten Antwortfrist reagierten 61 Lehrer

was eine Rücklaufquote von R = 0,39 = 39 % ergibt. Drei Antwortbögen konnten

jedoch nicht mit in die Wertung eingehen, da sie unzureichend, fehlerhaft oder

missverständlich ausgefüllt waren und Korrekturen der offensichtlichen Falschan-

gaben nicht eindeutig durchgeführt werden konnten.

32 vgl. Anhang 1

Expertenbefragung

34

„Wer einen Fragebogen samt freundlichem Anschreiben […] ver-

schickt, wird selten Rücklaufquoten über 20 % erzielen. Je nach Ziel-

gruppe sind häufig nur Rücklaufquoten um die 5 % zu erwarten.“33

Bei dieser Befragung handelte es sich jedoch um eine Expertenumfrage unter

Fachleuten, welche zum Thema eine fundierte und verlässliche Meinung besitzen.

Eine Rücklaufquote von mehr als 20 % war deshalb durchaus zu erwarten. Even-

tuell hätte man sogar noch mit einer deutlich höheren Rücklaufquote rechnen kön-

nen, doch wurde die Umfrage zu einem sehr ungünstigen, allerdings einzig mögli-

chen Zeitpunkt, nämlich im Mai 2008, also in den Wochen vor den Sommerferien,

durchgeführt.34 Aus diesem Grund wird die erhaltene Quote von R = 39 % als

überaus zufrieden stellend angesehen.

2.3 Die Expertenkommentare – Bewertung und Folgen für den Fragebogen

Besonders erfreulich bei der Expertenbefragung war, dass bei 30 der insgesamt 58

in die Auswertung eingehenden Antwortbögen, also bei 52 %, von dem Kommen-

tarfeld am Ende des Bogens Gebrauch gemacht wurde. Dies war sehr überra-

schend, zumal die Fragen bereits in der 1986er Arbeit verwendet wurden und

schon damals einige Kontrollen durchliefen. Dennoch gab es auch bei dieser Be-

fragung einige – zum Teil sehr ausführliche – Hinweise und Empfehlungen, die

später bei der Konstruktion des finalen Fragebogens berücksichtigt wurden. So

sorgten viele dieser Kommentare unter anderem dafür, dass einige Fragen kleine-

ren Änderungen unterzogen wurden. Diese Änderungen wurden in KAPITEL 1.1.3

(Tabelle 2) bereits ausführlich behandelt.

Konkret wurde in einigen Kommentaren darauf hingewiesen, dass Schüler, die

Chemie in der Oberstufe nicht belegt haben, mit der Aufgabe 18 des Fragebogens

große Probleme haben dürften, das dort angesprochene Massenwirkungsgesetz

(MWG) werde schließlich erst in der Oberstufe unterrichtet. Diese Anmerkung

33 Diekmann (1998), S. 441 34 Dazu ein Expertenkommentar aus einem sehr spät eingetroffenen Schreiben: „Im Übrigen ent-

schuldige ich mich für die verspätete Bearbeitung, aber der Termindruck ist in diesem – extrem kurzen – Schuljahr […] besonders hoch!“.

Expertenbefragung

35

stimmt auch mit den zu dieser Frage gegebenen Einschätzungen überein: alle 58

Lehrer gaben an, dass ihren Einschätzungen nach die entsprechenden Schüler die-

se Frage „kaum“ beantworten können. Diese Tatsache wurde allerdings als nicht

sonderlich tragisch aufgefasst, weshalb die Frage auch schließlich unverändert im

Fragebogen verblieb. Wäre sie außerdem entfernt worden, hätten auch die Schüler

mit Chemie in der Oberstufe sie nicht mehr beantworten können – und gerade

diese sollten dazu nach Einschätzung der Experten recht „sicher“ in der Lage sein.

Des Weiteren wurde einige Mal angemerkt, dass eine Unterscheidung der Schüler

mit Chemie in der Oberstufe in Grund- und Leistungskurs sinnvoll sei. Diesem

Hinweis wurde jedoch nicht gefolgt, da die Studenten zum einen auch in der Ex-

pertenbefragung nicht in Grund- und Leistungskurs unterteilt wurden, und zum

anderen eine solche Kategorisierung für die Auswertung einen enormen, im Rah-

men dieser Wissenschaftlichen Hausarbeit nicht zu bewältigenden Mehraufwand

bedeutet hätte. Außerdem fragt Aufgabe 7 des A-Teils nach der Klasse, in welcher

der Befragte zum letzten mal in Chemie unterrichtet wurde, und die Aufgabe 6

des C-Teils nach den in der Oberstufe belegten Leistungskursen. Aus diesen bei-

den Fragen kann also durchaus eine Einteilung in die drei geforderten Kategorien

erfolgen, was in der späteren Auswertung jedoch nur Ausnahmefällen geschah.

Die Einteilung in die zwei Kategorien, welche auch die Expertenbefragung be-

rücksichtigte (Studenten mit und ohne Chemie in der Oberstufe), wurde hingegen

durchweg vorgenommen. Ebenfalls wurde angemerkt, dass die Formulierung der

Fragen nach dem Typ „Nennen Sie einige…“ etwas ungeschickt sei. Vielmehr sei

die Vorgabe fester Größen hilfreich („Nennen Sie drei…“). Diese Anmerkung

findet in der finalen Version des Fragebogens jedoch keine Berücksichtigung,

denn eine feste Größe könnte den Befragten dazu „zwingen“, entweder auf noch

vorhandenes Wissen zu verzichten (da nicht mehr Antworten aufgeführt werden

„dürfen“ als angegeben) oder sich eine noch fehlende Antwort auszudenken (da

eine vorgegebene Anzahl angegeben werden „muss“). Eben dies soll verhindert

werden, indem bei den entsprechenden Fragen keine zahlenmäßige Erwartung

vorgegeben wurde. Weiß ein Befragter viele Antworten, so soll er sie auch nennen

dürfen. Das Risiko einer Flut von Antworten wird jedoch als nicht sonderlich

hoch angesehen. Außerdem wurde die Bewertung einer solchen bereits durch die

entsprechenden Bewertungsrichtlinien festgelegt.

Studentenbefragung

36

3 Studentenbefragung

3.1 Durchführung

Der Hauptteil dieser Wissenschaftlichen Hausarbeit, die Befragung der Erstsemes-

terstudenten, wurde in der ersten Woche des Wintersemesters 2008/2009 durchge-

führt. Befragt wurden dabei Studienanfänger der Fachrichtungen Humanbiologie,

Biologie (B. Sc.) und Biologie Lehramt, Human- und Zahnmedizin, Pharmazie

und, aus bereits in der Einleitung zu dieser Arbeit erläuterten Vergleichsgründen,

Studenten der Evangelische Theologie. Insgesamt wurden 676 Erstsemesterstu-

denten befragt. Sie verteilen sich wie folgt auf die verschiedenen Fachrichtungen:

Tab. 6: Anzahl der befragten Studenten, sortiert nach Studienrichtung.

Studiengang

Anzahl der befrag-

ten Studenten

Gültige Fragebö-

gen (Prozent)

1 Humanbiologie 49 49 (100 %)

2 Biologie B. Sc. 144 130 (90,2 %)

3 Biologie Lehramt 35 35 (100 %)

4 Medizin 300 283 (94,3 %)

5 Pharmazie 92 85 (92,4 %)

6 Evangelische Theologie 56 56 (100 %)

Σ Summe 676 638 (94,4 %)

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Für den Fall, dass die vorliegende Arbeit später zur Erhebung einer Längsschnitt-

studie dienen soll, werden im Folgenden einige genauere Informationen zur

Durchführung der Befragung aufgeführt.

Studentenbefragung

37

Um die einheitliche Vorstellung des Forschungsauftrags zu gewährleisten erhiel-

ten die Studenten zu Beginn einer Befragung einige allgemeine Informationen

(Hintergründe und Ziel der Befragung, Hinweis auf Anonymität, grober Zeitrah-

men von rund 20 Minuten) sowie kurze Instruktionsanweisungen zum Aufbau und

zum Ausfüllen des Fragebogens. Durch diese gleich bleibende Behandlung der

sechs Befragungsgruppen sollte der Pygmalioneffekt möglichst klein gehalten

werden. Zu diesem Effekt kann es unter anderem kommen, wenn in verschiedenen

Versuchsgruppen zu identischen Problemstellungen unterschiedlicher Termini

benutzt werden.

„ [Es kommt, -mg-] zu einem Versuchsleitereffekt, wenn der VL [Ver-

suchsleiter, -mg-] durch sein Verhalten oder Auftreten die Ergebnisse

unbeabsichtigt und evtl. unbewußt verfälscht. Das kann z.B. dadurch

geschehen, daß der VL in einer von ihm unterrichteten VG [Ver-

suchsgruppe, -mg-] […] unbewußt engagierter auftritt als in einer e-

benfalls von ihm betreuten VGG [Vergleichgruppe, -mg-].“35

Aus diesem Grund wurde stets streng darauf geachtet, dass alle Befragten zum

Ausfüllen des Fragebogens die identischen Bedingungen hatten.

3.2 Aufbereitung der Daten

676 befragte Studenten, entsprechend 676 auszuwertende, aus 4.056 Seiten beste-

hende Fragebögen mit insgesamt 25.688 zu bewertenden Antworten – eine beina-

he erschlagende Fülle an Informationen. Um diese Flut an Fragebögen bewältigen

zu können, wurden sie zunächst nach Studienfach sortiert, nummeriert, anschlie-

ßend ausgewertet und aufbereitet. Die Auswertungen des A- und C-Teils waren

dabei verhältnismäßig unkompliziert. Die Anzahl der Fragebögen, die schließlich

in die Bewertung eingehen konnten, reduzierte sich während dieser Auswertung

jedoch auf 638 (94,4 %); 38 Fragebögen mussten aussortiert werden, da sie im

sozialstatistischen C-Teil unzureichend oder mit offensichtlichen Falschangaben

35 Möller (1999), S. 223

Studentenbefragung

38

ausgefüllt worden waren, oder weil durch eine Aufnahme der Bögen in die Aus-

wertung die Anonymität der ausfüllenden Personen nicht mehr hätte gewährleistet

werden können.

Die Bewertung des größeren B-Teils war sehr komplex. Jede einzelne der fast

14.000 Aufgaben wurde zunächst nach den in KAPITEL 1.2 aufgeführten Bewer-

tungskriterien beurteilt. Die sich schließlich ergebenden Punktzahlen jeder einzel-

nen Aufgabe wurden dann, wie auch die Ergebnisse des allgemeinen A- und des

sozialstatistischen C-Teils, zunächst in unterschiedlichen Dateien des Statistik-

programms SPSS (Statistical Package for the Social Sciences) gespeichert. Aus

den sich so ergebenden jeweils 38 Aufgaben-Variablen konnten nun neue Variab-

len berechnet werden. Dabei wurden bspw. die Punktzahlen der Aufgabe i (i =

1,…,21) mit dem entsprechenden Normierungsparameter Ni und den Multiplikato-

ren Mi bzw. Mib multipliziert.36 Nach ähnlichem Muster wurden weitere für die

Auswertung relevante Variablen erzeugt. Am Ende ergaben sich so Dateien mit

bis zu 83 Variablen (Spalten) und 638 Fälle (Zeilen). Mit den daraus erhaltenen

Daten wurde schließlich die Auswertung der Befragung vorgenommen.

36 Zur genaueren Erläuterung siehe nachfolgendes KAPITEL 4.

Analyse

39

4 Analyse

4.1 Auswertung der Expertenumfrage

4.1.1 Konstantenberechnung für den Schwierigkeitsgrad

Die aus der Expertenumfrage erhaltenen Ergebnisse wurden zunächst binär in eine

Excel-Tabelle eingegeben, aus der man durch einfache Spaltensummation die

gewünschten Ergebnisse erhalten kann. Das modular aufgebaute Programmpaket

zur statistischen Analyse von Daten „SPSS“, mit dem später die Studentenbefra-

gung ausgewertet wurde, stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht zur Verfügung.

Ein wichtiges Ziel der Expertenbefragung war die Einstufung der Fragen nach

ihrem Schwierigkeitsgrad. Aus diesen Einschätzungen konnte schließlich für jede

Frage i (i = 1,…,21) eine Konstante Ki bzw. Kib berechnet werden.37 Daraus wurde

später ein Multiplikator Mi bzw. Mib berechnet, mit dem dann die von den Befrag-

ten erreichte Punktzahl der Aufgabe i multipliziert wurde. Auf diese Weise wurde

sichergestellt, dass jede Frage entsprechend ihrem Schwierigkeitsgrad in die

Auswertung eingeht, d.h. also dass schwierige Fragen mit geringerem Gewicht in

die spätere Gesamtauswertung eingehen als leichte. Im Folgenden werden die

Berechnungen jeweils an einem Beispiel erläutert, Tabelle 8 in KAPITEL 4.1.1.4

zeigt abschließend das Ergebnis Gesamtergebnis.

4.1.1.1 Berechnung von Ki und K ib

Für die Antwortmöglichkeiten der Expertenumfrage „s“ (sicher), „v“ (vermutlich)

und „k“ (kaum) wurden die Multiplikatoren s* = 3, v* = 2 und k* = 1 eingesetzt, so

dass Fragen, die mehrheitlich „sicher“ zu beantworten sind, mit dem dreifachen

Gewicht einer „kaum“ zu beantwortenden Frage in die Bewertung eingehen.38

37 Mit „b“ werden jeweils die Fragen für Schüler, die Chemie nicht in der Oberstufe belegt haben,

gekennzeichnet. Fragen ohne Kennzeichnung beziehen sich auf Schüler mit Chemie in der Ober-stufe. Dies gilt für die Konstanten Ki, Ki

b, Mi, Mib.

38 Diese Tatsache wird damit begründet, dass die „sicher“ zu beantwortenden Fragen als „Basis-fragen“ angesehen werden, mit deren korrekter Beantwortung ein Student bereits einen Großteil der möglichen Punkte erreichen können soll. Schwierigere Fragen werden eher als Zusatzfragen eingestuft. Sie sollen zum Erwerb einiger Extrapunkte dienen.

Analyse

40

Die bestimmten Multiplikatoren wurden mit den Anzahlen der jeweiligen Nen-

nungen multipliziert, anschließend addiert und durch die Gesamtzahl der aus der

Expertenbefragung erhaltenen gültigen Antwortbögen – also durch 58 – geteilt.

Für die sich so ergebende, auf zwei Nachkommastellen gerundete Konstante Ki ( i

= 1,…,21) gilt 1 ≤ Ki ≤ 3.

Je größer also die Konstante, desto leichter ist nach den Einschätzungen der Ex-

perten die Frage für die jeweiligen Schüler zu beantworten und desto höher ist das

Gewicht der Frage in der späteren Auswertung.

Beispielrechnung zu Frage 1 (Kupfererkennung):

Somit folgt:

K1 = (35 · s* + 22 · v* + 1 · k*) / 58 = (35 · 3 + 22 · 2 + 1 · 1) / 58

= (105 + 44 + 1) / 58 = 150 / 58 ≈ 2,59.

K1b = (12 · s* + 31 · v* + 15 · k*) / 58 = (12 · 3 + 31 · 2 + 15 · 1) / 58

= (36 + 62 + 15) / 58 = 113 / 58 ≈ 1,99.

Die erste Frage des Fragebogens müssten also – nach Meinung der Experten –

Schüler, die Chemie in der Oberstufe belegt haben, recht „sicher“ beantworten

können (K1 = 2,59). Schüler, die Chemie nicht in der Oberstufe belegt haben,

können die Frage „vermutlich“ beantworten (K1b = 1,99). Die genauen Werte aller

Konstanten sind in Tabelle 8 (KAPITEL 4.1.1.4) aufgeführt. Das folgende Dia-

gramm gibt einen qualitativen Eindruck dieser Berechnungen.

Es gilt: #s = 35 #v = 22 #k = 1

#sb = 12 #vb = 31 #kb = 15

s* = 3 v* = 2 k* = 1

#Antworten = 58

Analyse

41

Diagramm 1: Konstanten Ki und Kib (i = 1,…21).

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Expertenbefragung).

Der Verlauf der beiden Kurven für die Konstanten Ki und Kib ähnelt sich auffal-

lend (der errechnete Pearson-Korrelationskoeffizient liegt bei 0,805, d.h. es gibt

einen hohen linearen Zusammenhang zwischen den Konstanten, vgl. dazu KAPI-

TEL 4.3.3). Dabei bleibt die Kib-Kurve stets unterhalb der Ki-Kurve, d.h. die Ex-

perten schätzten erwartungsgemäß alle Aufgaben für Schüler mit Chemie in der

Oberstufe als leichter lösbar als für Schüler ohne Chemie in der Oberstufe ein.

4.1.1.2 Berechnung von Mi und M ib

Die einzelnen Punkte, die ein Student bei einer Aufgabe erzielt, müssen, um ge-

recht und dem Schwierigkeitsgrad entsprechend bewertet werden zu können, mit

einem Multiplikator multipliziert werden. Die Konstanten Ki und Kib eignen sich

dafür jedoch nicht, da, wie das obige Diagramm 1 zeigt, Ki stets größer als Kib ist.

Eine leichte Aufgabe eines Studenten, der Chemie in der Oberstufe hatte, würde

also stets mit mehr Gewicht in die Gesamtbeurteilung eingehen, als die gleiche

Aufgabe eines Studenten, der Chemie nicht in der Oberstufe belegt hat. Dies darf

jedoch nur dann der Fall sein, wenn die Aufgabe für Schüler mit Chemie in der

Oberstufe „sicher“ und für Schüler ohne Chemie in der Oberstufe „kaum“ lösbar

ist, die Differenz zwischen Ki und Kib also besonders groß ist (≥ 1). Dennoch:

Analyse

42

Eine leichte Aufgabe soll mit mehr Gewicht in die Bewertung eingehen als eine

schwere. Aus den Konstanten Ki und Kib müssen also neue Multiplikatoren be-

rechnet werden. Dabei soll folgendes gelten: Der Multiplikator einer leichten

Aufgabe muss größer sein als der einer schweren, und Mi muss fast immer, d.h.

wenn die Differenz zwischen Ki und Kib nicht allzu groß ist, kleiner sein als Mi

b

(letzteres ist bei Ki und Kib eben nicht der Fall). Das folgende Beispiel erläutert

die Berechnung.

Die Umrechnung erfolgt nach folgender Formel:

Mi(b) = 21 · Ki

(b) / Σ Ki(b) , wobei Σ Ki = 55,40 und Σ Ki

b = 36,86 gilt.

Für M1 und M1b ergibt sich somit (gerundet auf zwei Dezimalstellen):

M1 = 21 · Ki / Σ Ki = 21 · 2,59 / 55,40 ≈ 0,98.

M1b = 21 · Ki

b / Σ Kib = 21 · 1,99 / 36,86 ≈ 1,13.

Die genauen Werte für die Konstanten sind ebenfalls in Tabelle 8 (KAPITEL

4.1.1.4) aufgeführt. Das folgende Diagramm gibt einen qualitativen Eindruck.

Diagramm 2: Konstanten Mi und Mib (i = 1,…21).

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Expertenbefragung).

Analyse

43

Mit diesen Werten werden die von den Befragten erzielten Punktzahlen der jewei-

ligen Aufgabe später multipliziert. Im Übrigen gilt: Σ Mi = Σ Mib = 21.

4.1.1.3 Normierung der Punktzahlen

Bei der Erstellung des Fragebogens und der Festlegung des Beurteilungssystems

ist es nicht gelungen, bei jeder Aufgabe eine gleich bleibende Punktzahl zu verge-

ben. So können bspw. bei Aufgabe 7 sechs Punkte, bei Aufgabe 8 hingegen 16

Punkte erreicht werden. Jede Aufgabe wird allerdings als gleich wichtig – nicht

zwangsläufig als gleich schwer – angesehen. Damit also jede Aufgabe, unabhän-

gig von den Multiplikatoren Mi und Mib, mit gleichem Gewicht in die Auswertung

eingeht, müssen die zu erreichenden Punktzahlen auf eine festgesetzte Zahl Z nor-

miert werden. Da bei den meisten Aufgaben 10 Punkte erreicht werden können

und es sich mit dieser Zahl leicht rechnen lässt, erscheint es sinnvoll, für jede

Aufgabe Z = 10 zu setzen. Dies geschieht durch einfache Multiplikation der

Punktzahlen Pi und Pi* mit bestimmten Parametern Ni. Die Parameter berechnen

sich dabei wie folgt:

Z = 10 = P i(*) · Ni ↔ Ni =

Die folgende Tabelle enthält die entsprechenden Parameter.

Tabelle 7: Parameter Ni (i = 1,…21), gerundet auf drei Dezimalstellen.

Nr. Kurztext PPPP i bzw. PPPP i* Ni

1 Kupfererkennung 9 1,111

2 Luftbestandteile 8 1,250

3 Chemische Vorgänge im Alltag 9 1,111

4 Elementsymbole 12 0,833

5 Namen von Säuren 10 1,000

P i(*)

10

Analyse

44

6 Namen von Laugen / Basen 6 1,667

7 Verwendungszwecke von Salzen 6 1,667

8 Stoffformeln 16 0,625

9 Namen von Kohlenwasserstoffen (KW) 12 0,833

10 Verwendungszwecke von KW 9 1,111

11 Formeln von organischen Stoffen 12 0,833

12 Definition einer Säure 10 1,000

13 Definition einer Oxidation 10 1,000

14 Definition eines Ions 10 1,000

15 Definition einer Atombindung 10 1,000

16 Avogadro-Zahl 10 1,000

17 Reaktionsgleichung 10 1,000

18 MWG 10 1,000

19 Großtechnische Verfahren 9 1,111

20 Nitrate in der Landwirtschaft 12 0,833

21 Berühmte Chemiker 12 0,833

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Bei den so normierten Punktzahlen gilt stets: P i · Ni = Z = 10. Die maximal zu

erreichende (normierte) Gesamtpunktzahl beträgt somit P max = 210.

Analyse

45

4.1.1.4 Zusammenfassung der Ergebnisse

Die folgende Tabelle 8 fasst die Ergebnisse der Berechnungen von Ki, Kib, Mi und

M ib zusammen. Der Kurztext erläutert dabei den Inhalt der jeweiligen Frage, die

Abkürzungen „s“, „v“ und „k“ stehen für „sicher“, „vermutlich“ und „kaum“ und

sind den Antwortmöglichkeiten des Fragebogens aus der Expertenbefragung ent-

nommen. Die folgenden beiden Spalten zeigen die absolute Anzahl der jeweiligen

Nennungen sowie die zugehörigen Prozentangabe. Des Weiteren sind die Kon-

stanten Ki, Kib, Mi und Mi

b aufgeführt.

Tab. 8: Schwierigkeitsgrad, Konstanten Ki und Kib, Multiplikatoren Mi und Mi

b.

Nr. Kurztext # Anzahl

absolut Prozent 39 K i bzw. K i

b Mi bzw. M ib

s 35 60,3

v 22 37,9 1

k 1 1,7

2,59 0,98

s 12 20,7

v 31 53,4 1b

Kupfererken-

nung

k 15 25,7

1,99 1,13

s 51 88,0

v 7 12,1 2

k 0 0,0

2,88 1,09

s 29 50,0

v 26 44,8 2b

Luftbestandtei-

le

k 3 5,2

2,45 1,40

39 Durch Rundungsfehler (gerundet wird auf eine Nachkommastelle) kann sich in der Summe ein

Wert von etwas mehr oder etwas weniger als 100 % ergeben.

Analyse

46

s 50 86,2

v 8 13,8 3

k 0 0

2,86 1,08

s 25 43,1

v 28 48,3 3b

Chemische

Vorgänge im

Alltag

k 5 8,6

2,34 1,33

s 46 79,3

v 12 20,7 4

k 0 0,0

2,79 1,06

s 8 13,8

v 35 60,3 4b

Elementsym-

bole

k 15 25,9

1,88 1,07

s 54 93,1

v 4 6,9 5

k 0 0,0

2,93 1,11

s 30 51,7

v 23 39,7 5b

Namen von

Säuren

k 5 8,6

2,43 1,38

s 51 87,9

v 6 10,3 6

k 1 1,7

2,86 1,08

s 18 31,0

v 32 55,1 6b

Namen von

Laugen / Ba-

sen

k 8 13,8

2,17 1,24

Analyse

47

s 21 36,2

v 32 55,2 7

k 5 8,6

2,28 0,86

s 4 6,9

v 24 41,4 7b

Verwendungs-

zwecke von

Salzen

k 30 51,7

1,55 0,88

s 31 53,5

v 24 41,4 8

k 3 5,2

2,48 0,94

s 3 5,2

v 16 27,6 8b

Stoffformeln

k 39 67,2

1,38 0,79

s 55 94,8

v 3 5,2 9

k 0 0,0

2,95 1,12

s 9 15,5

v 30 51,7 9b

Namen von

Kohlenwas-

serstoffen

k 19 32,8

1,83 1,04

s 42 72,4

v 14 24,1 10

k 2 3,5

2,69 1,02

s 13 22,4

v 22 37,9 10b

Verwendungs-

zwecke von

Kohlenwas-

serstoffen

k 23 39,7

1,83 1,04

Analyse

48

s 34 58,6

v 21 36,2 11

k 3 5,2

2,53 0,96

s 0 0,0

v 8 13,8 11b

Formeln von

organischen

Stoffen

k 50 86,2

1,14 0,65

s 50 86,2

v 7 12,1 12

k 1 1,7

2,84 1,08

s 10 17,2

v 33 56,9 12b

Definition ei-

ner Säure

k 15 25,9

1,91 1,09

s 52 89,7

v 6 10,3 13

k 0 0,0

2,90 1,10

s 21 36,2

v 27 46,6 13b

Definition ei-

ner Oxidation

k 10 17,2

2,19 1,25

s 54 93,1

v 4 6,9 14

k 0 0,0

2,93 1,11

s 17 29,3

v 27 46,6 14b

Definition ei-

nes Ions

k 14 24,1

2,05 1,17

Analyse

49

s 43 74,1

v 15 25,9 15

k 0 0,0

2,74 1,04

s 13 22,4

v 19 32,8 15b

Definition ei-

ner Atombin-

dung

k 26 44,8

1,78 1,01

s 30 51,7

v 27 46,6 16

k 1 1,7

2,50 0,95

s 6 10,3

v 19 32,8 16b

Avogadro-Zahl

k 33 56,9

1,53 0,87

s 40 69,0

v 16 27,6 17

k 2 3,4

2,66 1,01

s 8 13,8

v 16 27,6 17b

Reaktionsglei-

chung

k 34 58,6

1,55 0,88

s 29 50,0

v 27 46,6 18

k 2 3,4

2,47 0,94

s 0 0,0

v 0 0,0 18b

MWG

k 58 100,0

1,00 0,57

Analyse

50

s 18 31,0

v 30 51,7 19

k 10 17,2

2,14 0,81

s 0 0,0

v 7 12,1 19b

Großtechni-

sche Verfah-

ren

k 51 87,9

1,12 0,64

s 20 34,5

v 33 56,9 20

k 5 8,6

2,26 0,86

s 0 0,0

v 25 43,1 20b

Nitrate in der

Landwirtschaft

k 33 56,9

1,43 0,81

s 18 31,0

v 29 50,0 21

k 11 19,0

2,12 0,80

s 0 0,0

v 18 31,0 21b

Berühmte

Chemiker

k 40 69,0

1,31 0,75

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Expertenbefragung).

Einen graphischen Überblick über die Einschätzung des Schwierigkeitsgrads der

einzelnen Aufgaben, basierend auf den Ergebnissen der Expertenbefragung und

eingeteilt nach den beiden Kategorien Schüler mit Chemie in der Oberstufe und

Schüler ohne Chemie in der Oberstufe, geben die folgenden Diagramme. Sie er-

lauben jedoch lediglich einen qualitativen, keinen quantitativen Blick auf die Ver-

teilungen (bei diesen Einschätzungen ist stets zu beachten, dass diese subjektiv

Analyse

51

sind. Eine als „kaum“ zu beantworten eingestufte Frage heißt also nicht, dass das

betreffende Themengebiet im Unterricht nicht behandelt wurde):

Diagramm 3: Streuung der Experteneinschätzungen, sortiert nach dem Schwierigkeits-

grad für „Schüler mit Chemie in der Oberstufe“.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Expertenbefragung).

Wie bereits in KAPITEL 1.1.3 erläutert behandeln die einzelnen Aufgaben des Fra-

gebogens die verschiedenen Gebiete der Schulchemie fast zu gleichen Teilen. Das

obige, auf den ersten Blick sehr komplex erscheinende Diagramm zeigt, dass –

zumindest nach Einschätzung der Experten – auch der Schwierigkeitsgrad der

Aufgaben variiert und es zu annähernd gleichen Teilen sowohl schwierige als

auch leichte Aufgaben gibt. Die Grafik zeigt: Je weiter rechts im Diagramm (d.h.

hoher Wert auf der „Sicher-Achse“) sich ein Eintrag befindet, desto „sicherer“ ist

die jeweilige Aufgabe nach Expertenmeinung für die entsprechenden Schüler zu

beantworten. Ist ein Eintrag im Diagramm sehr weit oben (hoher Wert auf der

„Vermutlich-Achse“) angesiedelt, so müsste die Frage „vermutlich“ zu beantwor-

ten sein. Eine sehr weit vorne (hoher Wert auf der „Kaum-Achse“) aufgelistete

Aufgabe ist hingegen „kaum“ lösbar. Die Beantwortung der Fragen 21 und 19, die

Analyse

52

sich vergleichsweise weit oben links befinden, müsste den Befragten also nach

Einschätzung der Experten recht schwer fallen. Die „mittleren“ Fragen 20, 7, 8,

18, 11 und 16 sollten vermutlich beantwortet werden können, bei den übrigen

Fragen (im Diagramm im hinteren Bereich unten rechts) ist eine richtige Antwort

recht sicher zu erwarten – eine Tatsache, die von den jeweiligen Konstanten Ki

bestätigt wird (vgl. KAPITEL 4.1.1.4).

Ähnlich verhält es sich bei den Aufgaben für Schüler, die Chemie nicht in der

Oberstufe belegten:

Diagramm 4: Streuung der Experteneinschätzungen, sortiert nach dem Schwierigkeits-

grad für „Schüler ohne Chemie in der Oberstufe“.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Expertenbefragung).

Auch hier gibt es sowohl schwierige als auch leichte Aufgaben, doch sind diese –

wie durchaus zu erwarten war – anders verteilt. Schon an der Skalierung der Ach-

sen wird deutlich, dass die Experten für diese Schülerkategorie deutlich häufiger

„kaum“ und seltener „sicher“ angekreuzt haben.

Für Schüler ohne Chemie in der Oberstufe ist also insbesondere Aufgabe 18

„kaum“ lösbar.40 Ähnliches gilt für die Aufgaben 19 und 11. Die Aufgaben 2 und

40 Aufgabe 18 fragt nach dem Massenwirkungsgesetz, welches erst in der Jahrgangsstufe 12 be-

handelt wird und von Schülern, die Chemie zu diesem Zeitpunkt bereits abgewählt hatten, nach Einschätzung aller Experten deshalb „kaum“ beantwortet werden kann.

Analyse

53

5 hingegen sollten „sicher“ gelöst werden können – was die Konstanten K18b =

1,00; K19b = 1,12; K11

b = 1,14; K2b = 2,45 und K5

b = 2,43 bestätigen.

4.1.2 Streuung der Expertenmeinungen

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der mit der Expertenbefragung erarbeitet werden

sollte, war herauszufinden, bei welchen Fragen die Meinungen der Lehrer ausein-

ander gehen und wo sie eher übereinstimmen. Um genau hiervon einen Eindruck

zu erhalten wurden die obigen Diagramme 3 und 4 etwas abgewandelt: Zunächst

wurde jeweils ein zusätzlicher Punkt – der Punkt 22 – künstlich eingeführt. Hierzu

wurden die 58 aus der Expertenbefragung erhaltenen Antworten auf die drei Ant-

wortmöglichkeiten „sicher“, „vermutlich“ und „kaum“ gleichmäßig verteilt: Der

Punkt 22 trägt in den folgenden Diagrammen 5 und 6 jeweils die Koordinaten

(19,3; 19,3; 19,3) und ist somit der Punkt der größtmöglichen Streuung.41 Des

Weiteren wurden alle Einträge des Diagramms mit dem Zentroid verbunden. Die

Koordinaten des Zentroids sind die gewichteten Mittelwerte der einzelnen Ach-

sen. Ein qualitatives Maß für die Streuung erhält man nun wie folgt: Je weiter der

Punkt 22 vom Zentroid entfernt ist, desto weiter ist also der Punkt der größtmögli-

chen Streuung vom Mittelwert aller Einschätzungen entfernt, desto einheitlicher

sind somit die Einschätzungen der Experten. Je weiter die übrigen Punkte vom

Punkt 22 entfernt sind, desto verstreuter sind die einzelnen Einschätzungen der

Experten.

41 Die scheinbar unterschiedliche Lage des Punktes in den beiden Diagrammen ist auf die unter-

schiedlichen Achseneinteilungen zurückzuführen.

Analyse

54

Diagramm 5: Streuung der Experteneinschätzungen für „Schüler mit Chemie in der O-

berstufe“.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Expertenbefragung).

Diagramm 6: Streuung der Experteneinschätzungen für „Schüler ohne Chemie in der

Oberstufe“.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Expertenbefragung).

Analyse

55

Diese qualitativen Diagramme 5 und 6 zeigen nun, dass die Antworten der Exper-

ten bezüglich der Schüler ohne Chemie in der Oberstufe deutlich weiter auseinan-

der gehen, als die Antworten für die zweite Schülergruppe. Zum einen ist der

Punkt 22 bei Diagramm 5 weiter vom Zentroid entfernt, zum anderen sind aber

auch die übrigen Punkte weiter vom Punkt 22 entfernt, als dies bei Diagramm 6

der Fall ist. Die Lehrer waren sich also bei ihren Antworten für die Schüler mit

Chemie in der Oberstufe weitaus einiger, als bei Schülern, die Chemie nach der

Klasse 10 nicht weiter belegt haben. Es scheint, als könnten die Lehrer die Leis-

tungen der Schüler, die Chemie auch in der Oberstufe belegten, weitaus realisti-

scher einschätzen als die Fähigkeiten derer, die das Fach frühzeitig abgewählt

haben.

4.2 Auswertung der Studentenbefragung

Die Punktzahl, die ein Student bei der Aufgabe k (k = 1,…,21) erzielt hat, wurde,

wie in KAPITEL 4.1.1.3 beschrieben, zuerst mit dem Normierungsparameter Nk

und anschließend mit dem Multiplikator Mk bzw. Mkb multipliziert. Auf diese

Weise wird sichergestellt, dass jede Aufgabe mit der gleichen Gewichtung und

entsprechend dem jeweiligen aus der Expertenumfrage resultierenden Schwierig-

keitsgrad in die Gesamtauswertung eingeht. Durch diese Behandlung sind maxi-

mal 10 Punkte pro Aufgabe, d.h. insgesamt 210 Punkte zu erreichen, wobei in

einigen Fällen wegen der Berechnung mit den Multiplikatoren Mi bzw. Mib und

der zum Teil offenen Fragestellungen auch mehr Punkte zu erzielen sind. Die je-

weiligen Gesamtpunktzahlen, die schlussendlich für jeden Studenten errechnet

wurden und mit denen die vorliegende Auswertung vorgenommen wurde, sind

somit untereinander ohne Einschränkungen vergleichbar. Im Folgenden werden

zunächst die Befragungsergebnisse der einzelnen Fachrichtungen Humanbiologie,

Biologie (B. Sc.), Biologie Lehramt, Medizin, Pharmazie und Evangelische Theo-

logie dargestellt. Dabei werden die Ergebnisse jeweils erst allgemein und fachlich

beschrieben und anschließend in einem Fazit bewertet. Danach werden alle Er-

gebnisse untereinander und mit den Resultaten der Expertenbefragung verglichen.

Analyse

56

4.2.1 Humanbiologie / Biomedical Science

4.2.1.1 Allgemein

Bei der befragten Gruppe handelt es sich um Erstsemesterstudenten der Human-

biologie („Biomedical Science“). Diese Studenten gehören zwar dem Fachbereich

Medizin an, besuchen jedoch die Chemie-Vorlesung gemeinsam mit den Biolo-

giestudenten (B. Sc.). Das Studium der Humanbiologie unterscheidet sich jedoch

sowohl von dem der Humanmedizin als auch von dem der Biologie (B. Sc.). Des

Weiteren ist der Studiengang Humanbiologie hochschulintern zulassungsbe-

schränkt. Im für die vorliegende Arbeit relevanten Wintersemester 2008/2009 lag

der NC bei 1,5. Aus diesem Grund werden die Humanbiologiestudenten in dieser

Arbeit getrennt von den Studenten der durch die ZVS (Zentralstelle für die Ver-

gabe von Studienplätzen) zulassungsbeschränkten Studiengänge Medizin und

Biologie (B. Sc.) behandelt. Hier lagen die NC zwischen 1,0 und 1,3 bzw. 1,2 und

2,3.

Im Rahmen der durchgeführten Untersuchung wurden 34 weibliche und 15 männ-

liche Humanbiologiestudenten befragt. Der Großteil dieser insgesamt 49 Studen-

ten bestand die Hochschulreife in Hessen (12 Studenten, 24,5 %) und Nordrhein-

Westfalen (10 Studenten, 20,4 %).

Analyse

57

Diagramm 7: Herkunft der befragten Humanbiologiestudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Bei der Befragung selbst schlossen die Humanbiologiestudenten, von denen rund

die Hälfte der Befragten (26 Studenten, 53,1 %) ihr Abitur 2008 machten, folgen-

dermaßen ab: Durch die Normierung der Punktzahlen sowie die Berücksichtigung

des jeweiligen Schwierigkeitsgrads pro Aufgabe waren insgesamt maximal 210

Punkte erreichbar. Durchschnittlich erreichte jeder Humanbiologie-Student 118,7

Punkte (56,5 % d. G.42). Die maximal erzielte Punktzahl liegt bei 192,3 Punkten

(91,6 % d. G.), das Minimum bei 37,3 Punkten (17,8 % d. G.).

Die Gesamtheit der erreichten Punkte verteilt sich wie folgt:

42 „d. G.“ heißt in diesem Zusammenhang „der Gesamtpunktzahl“. Die Abkürzung wird auch im

Folgenden verwendet um Verwechslungen auszuschließen und deutlich zu machen, dass es sich hier nicht um einen Prozentsatz der befragten Studenten, sondern um einen Prozentsatz der ma-ximal erreichbaren Punkte handelt.

Analyse

58

Diagramm 8: Punkteverteilung der befragten Humanbiologiestudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Dieses Boxplot-Diagramm zeigt, dass die 38 Humanbiologiestudenten, die Che-

mie in der Oberstufe belegt haben, ein besseres Ergebnis erzielt haben als die elf

Studenten, die Chemie spätestens nach der 10. Klasse abgewählt haben. Der Me-

dian (schwarzer Balken innerhalb des Kastens) beschreibt die Punktzahl, welche

alle Werte in genau zwei Hälften teilt. Er liegt bei den Studenten ohne Chemie in

der Oberstufe bei 94,2 Punkten (44,8 % d. G.). 50 % aller Befragten haben also

weniger, 50 % mehr als 94,2 Punkte erreicht. Der Median der befragten Human-

biologiestudenten mit Chemie in der Oberstufe liegt hingegen bei 126,4 Punkten

(60,2 % d. G.). Das 25%- und 75%-Perzentil (untere bzw. obere Kante des Kas-

tens) liegt bei den Studenten ohne Chemie bei 79,8 Punkten bzw. 118,5 Punkten

(38,0 % d. G. bzw. 56,4 % d. G.). Das bedeutet, dass 25 % der Befragten weniger

als 79,8 Punkte und 75 % weniger als 118,5 Punkte erreicht haben. Bei Studenten

mit Chemie in der Oberstufe liegt das 25%-Perzentil bei 100,4 Punkten und das

75%-Perzentil bei 148,3 Punkten (47,8 % d. G. bzw. 70,6 % d. G.). Ausreißer

oder Extremwerte werden in einem Boxplot-Diagramm durch Kreise bzw. Stern-

chen dargestellt. Eine Punktzahl wird dann als Ausreißer betrachtet, wenn sie

mindestens 1,5-mal größer (oder kleiner) als der Interquartilabstand ist, wobei der

Analyse

59

Interquartilabstand die Länge des Kastens beschreibt. Werte, die sogar mehr als

dreimal so groß sind, werden als Extremwerte betrachtet. Bei den Humanbiologie-

studenten gibt es jedoch beides nicht. Die zwei weiteren waagerechten Striche am

oberen und unteren Ende des senkrechten Strichs (der so genannte „Whisker“)

zeigen jeweils den größten und kleinsten Wert, welche noch nicht als Ausreißer

angesehen werden, an. Dies sind in diesem Fall 56,2 Punkte bzw. 141,1 Punkte

bei Studenten ohne Chemie in der Oberstufe (26,8 % d. G. bzw. 67,2 % d. G.)

sowie 37,3 Punkte und 192,3 Punkte bei Studenten mit Chemie in der Oberstufe

(17,8 % d. G. bzw. 91,6 % d. G.).

Die folgende Tabelle fasst die Werte noch einmal zusammen:

Tab. 9: Daten für Humanbiologiestudenten.

Studenten ohne Chemie in

der Oberstufe

Studenten mit Chemie in

der Oberstufe

Median 94,2 Punkte (44,8 %) 126,4 Punkte (60,2 %)

25%-Perzentil 79,8 Punkte (38,0 %) 100,4 Punkte (47,8 %)

75%-Perzentil 118,5 Punkte (56,4 %) 148,3 Punkte (70,6 %)

Minimum 56,2 Punkte (26,8 %) 37,3 Punkte (17,8 %)

Maximum 141,1 Punkte (67,2 %) 192,3 Punkte (91,6 %)

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Humanbiologie ist ein sehr naturwissenschaftlich geprägtes Studium, was ein

Blick in das Vorlesungsverzeichnis bestätigt. Neben medizinischen Veranstaltun-

gen wie Physiologie, Anatomie, Immunologie oder Virologie erhalten die Studen-

ten auch eine Einführung in die Allgemeine und Anorganische Chemie und be-

kommen die Grundlagen der Organischen Chemie sowie der Strahlenkunde

(Grundlagen der Kernphysik, Radiochemie und Strahlenbiologie) vermittelt – eine

gute naturwissenschaftliche Vorbildung kann dabei nur vorteilhaft sein. Das fol-

Analyse

60

gende Diagramm zeigt, wie viele Studenten des naturwissenschaftlich geprägten

Humanbiologie-Studiums eine oder sogar zwei Naturwissenschaften (Chemie,

Biologie, Physik, Mathematik) im Leistungskurs belegten.

Diagramm 9: Anzahl der Humanbiologiestudenten mit Naturwissenschaften als Leis-

tungskurs.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Nur vier der befragten Humanbiologiestudenten (8,2 %) belegten demnach keine

Naturwissenschaft als Leistungskurs. 34 Studenten (69,4 %) belegten eine, elf

Studenten (22,4 %) sogar zwei naturwissenschaftliche Fächer. Einen Chemie-

Leistungskurs belegten insgesamt fünf Studenten (10,2 %).43

Bei der Beliebtheit des Schulfaches Chemie sieht es etwas anders aus.

43 Da jeder Schüler in der Oberstufe zwei Leistungskurse belegen musste wird jeder Student in

dieser Betrachtung auch zweimal erfasst. Die Summe der Prozentzahlen ergibt deshalb hier – und an den gleichen Stellen der folgenden Kapitel – jeweils einen Wert von mehr als 100 %.

Analyse

61

Diagramm 10: Beliebtheit des Faches Chemie bei den Humanbiologiestudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

21 Studenten (42,9 %) kategorisierten Chemie als ein beliebtes Schulfach. Für 14

Studenten (28,6 %) war Chemie eher unbeliebt, ebenso viele konnten sich nicht

entscheiden. Ein ähnliches Ergebnis resultiert aus der subjektiven Einschätzung

des Schwierigkeitsgrads des Faches.

Diagramm 11: Subjektive Einschätzung des Schwierigkeitsgrads des Faches Chemie

durch die Humanbiologiestudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Analyse

62

Danach empfand ein Drittel der Befragten (16 Studenten, 32,7 %) Chemie in der

Schule als leicht, für 20 Studenten (40,8 %) hatte Chemie eine durchschnittliche

Schwierigkeit. Nur 13 Studenten (26,5 %) hatten Probleme mit dem Fach.

Mit dieser Einschätzung geht auch die Tatsache einher, dass rund die Hälfte der

Befragten (24 Studenten, 49,0 %) Chemie bis zum Abitur belegte.

Diagramm 12: Letzter Chemieunterricht der Humanbiologiestudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Die Beurteilungen, welche die Humanbiologiestudenten in ihrer Schullaufbahn in

Chemie erhielten, schätzten sie folgendermaßen ein. Sie unterstreichen die obigen

Ergebnisse eindrucksvoll.

Analyse

63

Diagramm 13: Einteilung der Humanbiologiestudenten in die der Gesamtheit ihrer Che-

mie-Zeugnisnoten entsprechenden Leistungsgruppe.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Niemand der befragten Humanbiologiestudenten machte bei dieser Frage sein

Kreuzchen bei „ausreichend“ bzw. „mangelhaft oder schlechter“. Drei Viertel

gaben sogar an, sehr gute bis gute Leistungen in Chemie abgeliefert zu haben –

eine überwältigende Mehrheit.

Bei den Fragen 5 und 6 des A-Teils („Wie beurteilen Sie die Bedeutung der Che-

mie und Ihrer Forschungsergebnisse / Produkte für Ihren Alltag?“ und „Wie beur-

teilen Sie die Bedeutung der Chemie und Ihrer Forschungsergebnisse / Produkte

für die Wirtschaft und die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands?“) kreuzten

jeweils rund 80 % „eher wichtig“ an. Nur für jeweils einen Befragten ist die Che-

mie unwichtig.

Analyse

64

Diagramm 14: Beurteilung der Chemie für den persönlichen Alltag durch die Humanbio-

logiestudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Diagramm 15: Beurteilung der Chemie für die Wirtschaft und die wirtschaftliche Entwick-

lung Deutschlands durch die Humanbiologiestudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Analyse

65

4.2.1.2 Fachlich

In diesem Kapitel soll erarbeitet werden, bei welchen Aufgaben und bei welchen

Inhalten die befragten Humanbiologiestudenten Schwierigkeiten hatten. Dazu

werden zunächst die Punkteverteilungen der einzelnen Aufgaben untersucht. An-

schließend werden die Aufgaben in verschiedene, schulrelevante Kategorien ein-

geteilt, um herauszufinden, wo das meiste Wissen und wo die größten Lücken

vorhanden sind.

Die beiden folgenden Boxplot-Diagramme zeigen, welche Aufgaben von den Be-

fragten gut und welche weniger gut beantwortet wurden (Kreise markieren Aus-

reißer, Extremwerte werden durch Sterne markiert, vgl. auch KAPITEL 4.2.1.1).

Diagramm 16: Punkteverteilung der einzelnen Aufgaben. Befragte Gruppe: Humanbiolo-

giestudenten ohne Chemie in der Oberstufe.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Analyse

66

Dieses Diagramm macht deutlich, dass die befragten Humanbiologiestudenten,

die Chemie in der Oberstufe nicht belegt hatten, vor allem mit den Aufgaben 10

(Verwendungszwecke von Kohlenwasserstoffen), 13 (Definition einer Oxidation),

18 (MWG), 19 (Großtechnische Verfahren) und 21 (Berühmte Chemiker) Prob-

leme hatten – der Median liegt hier jeweils bei Null Punkten.

Die Humanbiologiestudenten, die Chemie in der Oberstufe belegt haben, schnitten

bei den einzelnen Aufgaben folgendermaßen ab.

Diagramm 17: Punkteverteilung der einzelnen Aufgaben. Befragte Gruppe: Humanbiolo-

giestudenten mit Chemie in der Oberstufe.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Die meisten befragten Studenten gaben den Aufgaben 7 (Verwendungszwecke

von Salzen), 10 (Verwendungszwecke von Kohlenwasserstoffen), 18 (MWG), 19

(Großtechnische Verfahren), 20 (Nitrate in der Landwirtschaft) und 21 (Berühmte

Analyse

67

Chemiker) sehr wenige korrekte Antworten und bekamen aus diesem Grund ent-

sprechend wenige Punkte. Sehr gut hingegen fielen die Aufgaben 4 (Elementsym-

bole), 12 (Definition einer Säure), 13 (Definition einer Oxidation) und 17 (Reakti-

onsgleichung) aus. Mehr als die Hälfte der Befragten erreichte hier jeweils die

Maximalpunktzahl.

Um Wissen und Nicht-Wissen der befragten Studenten besser strukturieren zu

können, wurden bereits in KAPITEL 1.1.3 alle Aufgaben des Fragebogens nach

drei Bereichen der Chemie aufgeteilt.

Tab. 10: Klassifikation der Aufgaben nach Bereichen der Chemie.

Bereich Fragen

Anzahl

Fragen

Zu erreichen-

de Punkte

1 Allgemeine Chemie und

übergreifende Aufgaben

3, 5, 6, 7, 12, 13, 14,

15, 16, 18, 19, 21 12 120

2 Anorganische Chemie 1, 2, 4, 8, 17 5 50

3 Organische Chemie und

Biochemie 9, 10, 11, 20 4 40

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008)

Die Gesamtpunktzahlen, die in jeder Kategorie erreicht werden können, sind sehr

unterschiedlich. Um die Ergebnisse dennoch miteinander vergleichen zu können,

müssen alle Kategorien mit dem gleichen Gewicht in die Auswertung eingehen,

die jeweiligen Punktzahlen müssen also normiert werden. In diesem Fall werden

die Punktzahlen auf 70 erreichbare Punkte pro Kategorie normiert. Das geschieht,

indem die aufsummierten Punktzahlen des ersten Bereichs mit 70/120, die des

zweiten mit 70/50 und die des dritten Bereichs mit 70/40 multipliziert werden.

Insgesamt können also wieder 210 Punkte erreicht werden.

Bei den Bereichen der Chemie schnitten die befragten Humanbiologiestudenten

nun wie folgt ab:

Analyse

68

Diagramm 18: Erreichte Punktzahlen der Humanbiologiestudenten, aufgeteilt nach den

Bereichen der Chemie.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008)

Dieses Boxplot-Diagramm macht deutlich, dass beide Studentengruppen im Be-

reich „Anorganische Chemie“ die meisten Punkte erreichten. Im Bereich „Organi-

sche Chemie“ schnitten die Befragten hingegen schlechter ab – auch wenn die

Studenten mit Chemie in der Oberstufe hier nur ein wenig schlechter als im Be-

reich „Allgemeine Chemie und übergreifende Aufgaben“ waren. Besonders die

Studenten, die in der Oberstufe Chemie nicht belegt hatten, erreichten im Bereich

„Organische Chemie“ nur sehr wenige Punkte.

Die folgende Tabelle verdeutlicht die Punkteverteilung:

Analyse

69

Tab. 11: Klassifikation der Aufgaben nach Bereichen der Chemie (m. = Studenten, mit

Chemie in der Oberstufe; o. = Studenten, ohne Chemie in der Oberstufe). Angaben in

(gewichteten) Punkten.

Allgemeine Che-

mie und übergrei-

fende Aufgaben

Anorganische

Chemie

Organische

Chemie und

Biochemie

m. 39,2 53,1 38,6 Median

o. 29,0 49,4 16,1

m. 30,7 46,3 20,8 25%-Perzentil

o. 18,7 44,8 7,6

m. 50,7 61,3 48,0 75%-Perzentil

o. 38,1 54,2 18,0

m. 4,9 33,6 0 Minimum

o. 15,0 36,3 4,72

m. 67,0 71,1 71,2 Maximum

o. 49,1 60,0 30,1

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Um Wissen und Nicht-Wissen der befragten Studenten noch genauer dokumentie-

ren und spezifischen Inhalten des Chemieunterrichts zuweisen zu können, kann

die Einteilung der Fragen – wie bereits in KAPITEL 1.1.3 geschehen – noch akku-

rater erfolgen.

Analyse

70

Tab. 12: Klassifikation der Aufgaben nach spezifischen Inhalten.

Inhalt Fragen Anzahl

Fragen

Zu erreichende

Punkte

1 Beispiele für Stoffgruppen 5, 6, 9 3 30

2 Elementsymbole, Formeln,

Reaktionsgleichungen 4, 8, 11, 17 4 40

3 Definitionen, Gesetze, Kon-

stanten

12, 13, 14,

15, 16, 18 6 60

4 Allgemeine Probleme, Che-

mie des Alltags 1, 2, 3 3 30

5 Angewandte Chemie, Tech-

nologie 7, 10, 19, 20 4 40

6 Geschichte der Chemie 21 1 10

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Auch nach dieser Einteilung sind die zu erreichenden Punktzahlen der einzelnen

Gruppen recht unterschiedlich. Einem Vergleich muss also zunächst wiederum

eine Normierung der Punktzahlen vorausgehen. Dies geschieht nach der bewähr-

ten Methode, mit dem Unterschied, dass in diesem Fall die Punktzahlen auf 35

erreichbare Punkte pro Bereich normiert werden, so dass sich in der Summe wie-

derum 210 Punkte ergeben. Um dies zu erreichen werden die Punktzahlen der

Kategorie 1 mit 35/30, die der Kategorie 2 mit 35/40, die der Kategorie 3 mit

35/60, die der Kategorie 4 mit 35/30, die der Kategorie 5 mit 35/40 und schließ-

lich die der Kategorie 6 mit 35/10 multipliziert.

Mit den so umgerechneten Punktzahlen ergibt sich bei dieser Einteilung nach den

fachspezifischen Inhalten für die Humanbiologiestudenten folgendes Bild:

Analyse

71

Diagramm 19: Erreichte Punktzahlen der Humanbiologiestudenten, aufgeteilt nach spe-

zifischen Inhalten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Auffallend ist, dass beide Studenten-Gruppen besonders in den Bereichen „An-

gewandte Chemie, Technologie“ und „Geschichte der Chemie“ verhältnismäßig

wenige Punkte erzielen konnten. Auch wenn es in beiden Gruppen keinen „ein-

deutig besten Bereich“ gibt, schnitten alle Studenten bei den übrigen vier fachspe-

zifischen Inhalten besser ab. Die große Streuung in der Kategorie „Stoffgruppen“

spiegelt bei den Studenten mit Chemie in der Oberstufe das breite Leistungsband

wider: Viele gaben bei den betreffenden Aufgaben (Nennen einiger Säuren / Lau-

gen / Kohlenwasserstoffe) eine ganze Reihe richtiger Antworten, andere nur eini-

ge wenige oder überhaupt keine.

Die folgende Tabelle fast die wichtigsten Werte der Boxplot-Diagramme zusam-

men:

Analyse

72

Tab. 13: Klassifikation der Aufgaben nach spezifischen Inhalten der Chemie (m. = Stu-

denten, mit Chemie in der Oberstufe; o. = Studenten, ohne Chemie in der Oberstufe).

Angaben in (gewichteten) Punkten.

144 2 3 4 5 6

m. 27,9 29,3 20,8 22,5 7,8 9,3 Median

o. 20,9 20,6 16,4 20,7 4,9 0

m. 18,9 23,5 17,8 17,5 4,5 0 25%-

Perzentil o. 14,5 18,2 8,4 15,5 2,4 0

m. 38,8 33,0 27,8 28,7 11,0 18,7 75%-

Perzentil o. 22,8 25,9 22,2 27,9 8,4 8,7

m. 0 16,7 1,3 4,8 0 0 Minimum

o. 9,7 16,3 6,6 11,6 0 0

m. 53,2 34,7 35,1 36,8 18,4 37,3 Maximum

o. 35,4 27,0 27,9 30,7 12,6 17,5

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

4.2.1.3 Fazit

Alles in allem ist das Befragungsergebnis der Humanbiologiestudenten recht gut,

aber dennoch sehr breit gefächert. Jeder Humanbiologiestudent erreichte durch-

schnittlich 118,7 Punkte (56,5 % d. G.), der Median liegt – betrachtet man alle

Studenten unabhängig davon, ob sie Chemie in der Oberstufe belegten oder nicht

– bei 120,2 Punkten (57,2 % d. G.).

44 Die spezifischen Inhalte wurden aus Platzgründen durch die entsprechenden Nummerierungen

aus Tabelle 12 ersetzt.

Analyse

73

Eine These, die zu Beginn der Arbeit aufgestellt wurde, war, dass Abiturienten,

die schon in der Schule ein gesteigertes Interesse an Naturwissenschaften bzw. an

Chemie hatten, später auch eher ein naturwissenschaftliches Studium wählen.

Endgültig be- oder widerlegt werden kann diese These zwar erst nach der Aus-

wertung und dem Vergleich mit den anderen befragten Gruppen – insbesondere

mit den Studenten der Evangelischen Theologie – es bleibt jedoch festzuhalten,

dass 91,8 % der befragten Humanbiologiestudenten mindestens eine Naturwissen-

schaft als Leistungskurs und 49 % Chemie bis zum Abitur belegten. Für 42,9 %

gehörte Chemie zu den beliebten Fächern, für 32,7 % war es sogar ein leichtes

Fach.

Konkret hatten die Studenten ohne Chemie in der Oberstufe insbesondere mit der

Aufgabe 10 (Verwendungszwecke von Kohlenwasserstoffen) Probleme. 57 %

waren hier nicht in der Lage, eine Antwort zu geben – und das, obwohl Erdöl,

Erdgas, fraktionierte Destillation von Rohöl, Eigenschaften und Reaktionen gas-

förmiger und flüssiger Alkane sowie Bindungsverhältnisse und Strukturformeln

gesättigter Kohlenwasserstoffe bereits verbindlich in der Klasse 10.4, also in der

Mittelstufe, unterrichtet werden.45 Offensichtliche Probleme hatten diese Studen-

ten auch mit der Aufgabe 18 (MWG). 77,6 % konnten diese Frage nicht beantwor-

ten. Dies war jedoch durchaus zu erwarten, da das Massenwirkungsgesetz erst

Inhalt der Jahrgangsstufe 13 ist. Auch hatte mehr als die Hälfte der Befragten

Schwierigkeiten, Verwendungszwecke von Salzen (Aufgabe 7) zu nennen. Diese

werden jedoch bereits in der Klasse 9 angesprochen. Dort heißt es unter dem

Stichpunkt „Verbindliche Unterrichtsinhalte/Aufgaben“:

„Halogene und ihre Verbindungen im Alltag, […] Salzbegriff“46

Kein Problem war es für die Studenten hingegen, die Elementsymbole in Aufgabe

4 zu bestimmen und einige Namen von Säuren in Aufgabe 5 anzugeben. Auch das

Aufstellen der Reaktionsgleichung in Aufgabe 17 stellte niemanden vor größere

Probleme, genauso wenig wie Definition eines Ions in Aufgabe 14 – ganz wie es

45 vgl. Hessischer G9-Lehrplan Chemie (2003), S. 26 46 Hessischer G9-Lehrplan Chemie (2003), S. 18

Analyse

74

der Lehrplan vorgibt. In der Auflistung der konkreten Fähigkeiten und Kenntnis-

sen heißt es:

„Säuren, Laugen, Salze […], Atome, Moleküle, Ionen und deren

Verbände […], Modelle chemischer Bindung, Verhältnis- und Mole-

külformeln […], sicherer Umgang mit der chemischen Symbolik

[…].“ 47

Auch mit der ein organisches Thema betreffenden Aufgabe 11 (Formeln von or-

ganischen Stoffen) hatten die meisten Studenten keine Schwierigkeiten, obwohl

sie in der Oberstufe kein Chemie belegten und damit nur sehr wenig in Organi-

scher Chemie unterrichtet wurden. Dieser Sachverhalt kann jedoch damit begrün-

det werden, dass in dieser Aufgabe u.a. nach der Summenformel des Stoffes Glu-

cose gefragt wurde. Den meisten der Studenten war diese bekannt, vermutlich

jedoch eher aus dem Biologieunterricht der Ober- als aus dem Chemieunterricht

der Mittelstufe – immerhin belegten neun der elf Studenten (81 %) einen Biolo-

gie-Leistungskurs.

Die Studenten mit Chemie in der Oberstufe schnitten erwartungsgemäß bei den

Aufgaben insgesamt besser ab. Dennoch gab es auch hier einige Probleme: Be-

sonders schlecht fielen die Aufgaben 18 (MWG) und 19 (Großtechnische Verfah-

ren) aus. Der Median liegt hier jeweils bei null Punkten. Überraschend, da zum

einen das Massenwirkungsgesetz verbindlicher Inhalt der Jahrgangsstufe 13 ist –

zumindest die 24 Studenten (49,0 %), die zu diesem Zeitpunkt Chemie noch nicht

abgewählt hatten, hätten hier also punkten müssen, tatsächlich erreichten aber nur

21 Studenten einige Punkte und nur acht Studenten die volle Punktzahl – und zum

anderen großtechnische Verfahren wie das Haber-Bosch-Verfahren zur Herstel-

lung von Ammoniak oder das Ostwald-Verfahren zur Herstellung von Salpeter-

säure ebenfalls in der Jahrgangsstufe 13, teilweise sogar schon in der Jahrgangs-

stufe 12 angesprochen werden.48 27 Studenten (71,1 %) konnten jedoch kein ein-

ziges Verfahren nennen.

Mit den „typischen Mittelstufenthemen“ wie Elementsymbole, Definition einer

Oxidation oder Definition einer Säure hatte der Großteil der befragten Studenten 47 Hessischer G9-Lehrplan Chemie (2003), S. 27 48 vgl. Hessischer G9-Lehrplan Chemie (2003), S. 42

Analyse

75

mit Chemie in der Oberstufe erfreulicherweise keinerlei Probleme. Bei letzterer

gaben 28 Studenten (73,7 %) die korrekte Lewis- oder Brønsted-Definition an.

Bei beiden Gruppen fielen die Fragen zur Anorganischen Chemie am besten aus.

Große Unterschiede im Ergebnis der beiden Gruppen gibt es nicht. Zurückzufüh-

ren ist das sicherlich auf die schwerpunktmäßige Behandlung der Anorganischen

Chemie in der Schule. Wegen der Behandlung der Kohlenstoffchemie in den

Jahrgangsstufen 11 und 12 konnten jedoch insbesondere die Studenten mit Che-

mie in der Oberstufe auch die Fragen zur Organischen Chemie recht gut beant-

worten.

In Bezug auf die spezifischen Inhalte ist das jedoch ein wenig anders. In den Be-

reichen „Stoffgruppen“, „Elementsymbole, Formeln, Reaktionsgleichungen“,

„Definitionen, Gesetze, Konstanten“ und „Allgemeine Probleme, Chemie des All-

tags“ wurden in beiden Gruppen relativ gleichmäßige Ergebnisse erzielt. Dennoch

könnte der letztgenannte Bereich „Allgemeine Probleme, Chemie des Alltags“

besonders bei den Studenten mit Chemie in der Oberstufe etwas höher liegen. Die

Ergebnisse sind hier fast identisch mit denen der Vergleichsgruppe, in welcher

dieser Bereich der Alltagschemie der beste ist. Eine Tatsache, die wiederum für

den Chemieunterricht spricht: Chemie ist ein Fach mit einem enorm großen All-

tagsbezug, Chemieunterricht hat laut Lehrplan das zentrale Ziel, den Jugendlichen

möglichst viele Phänomene aus Alltag und Lebenswelt nahe zu bringen und ver-

ständlich zu machen. Zumindest bei den Humanbiologiestudenten scheint dieses

Ziel erreicht worden zu sein.

Analyse

76

4.2.2 Biologie „Bachelor of Science (B. Sc.)“

4.2.2.1 Allgemein

Die befragte Gruppe der Biologiestudenten (B. Sc.) unterteilt sich in 45 männliche

(34,6 %) und 85 weibliche Studenten. 68 dieser insgesamt 130 Studenten bestan-

den ihr Abitur im Jahr 2008 (52,3 %), 40 Studenten (30,8 %) schlossen die Schule

ein Jahr zuvor ab. Die meisten Studenten (41; 31,5 %) kommen aus Hessen. 29

(22,3 %) gingen in Nordrhein-Westfalen zur Schule. Die verbleibenden 60 Stu-

denten (46,2 %) verteilen sich auf zehn weitere Bundesländer.

Diagramm 20: Herkunft der Biologiestudenten (B. Sc.).

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Die Befragung selbst verlief für die Biologiestudenten (B. Sc.) folgendermaßen:

Auch hier waren durch die Normierung der Punktzahlen sowie die Berücksichti-

Analyse

77

gung des jeweiligen Schwierigkeitsgrads pro Aufgabe insgesamt maximal 210

Punkte zu erreichen. Durchschnittlich erreichte jeder Biologie-Student 82,5 Punk-

te (39,3 % d. G.). Die maximal erzielte Punktzahl liegt bei 167,4 Punkten (79,7 %

d. G.), das Minimum bei 12,7 Punkten (6,0 % d. G.). Die Gesamtheit der erreich-

ten Punkte verteilt sich wie folgt:

Diagramm 21: Punkteverteilung der befragten Biologiestudenten (B. Sc.).

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Erwartungsgemäß haben die 101 Biologiestudenten (B. Sc.) (77,7 %), die Chemie

in der Oberstufe belegt haben, ein besseres Ergebnis erzielt als die 29 Studenten,

die Chemie spätestens nach der 10. Klasse abgewählt haben. Die folgende Tabelle

enthält die wichtigsten Daten.

Analyse

78

Tab. 14: Daten für Biologiestudenten (B. Sc.).

Studenten ohne Chemie in

der Oberstufe

Studenten mit Chemie in

der Oberstufe

Median 66,7 Punkte (31,8 %) 82,2 Punkte (93,1 %)

25%-Perzentil 48,4 Punkte (23,0 %) 61,4 Punkte (29,2 %)

75%-Perzentil 81,4 Punkte (38,8 %) 113,2 Punkte (53,9 %)

Minimum 14,5 Punkte (6,9 %) 12,7 Punkte (6,0 %)

Maximum 138,3 Punkte (65,9 %) 167,4 Punkte (79,7 %)

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Biologie ist eine der klassischen Naturwissenschaften. Ein Blick in das Vorle-

sungsverzeichnis macht deutlich, dass das Studium nicht nur durch biologische

Aspekte wie Pflanzenökologie, Mikrobiologie oder Tierphysiologie, sondern eben

auch durch die übrigen Naturwissenschaften Chemie, Physik und Mathematik

geprägt ist. So muss ein Biologie-Student unter anderem ein naturwissenschaft-

lich-mathematisches Kernmodul belegen. Zu diesem Modul gehören, ähnlich wie

es bei den Humanbiologiestudenten der Fall ist, eine Einführung in die Allgemei-

ne und Anorganische Chemie sowie Grundlagen der Organischen Chemie und die

Vorlesung „Experimentalphysik“ mit anschließendem Physik-Praktikum. Die

Ausbildung eines Biologiestudenten (B. Sc.) ist also naturwissenschaftlich breit

gefächert.

Im Folgenden sollen im gleichen Stil wie im vorhergehenden KAPITEL 4.2.1 eini-

ge Ergebnisse des A- und C-Teils des Fragebogens aufgeführt werden.

Bei den Biologiestudenten (B. Sc.) ist die Gruppe derer, die keine Naturwissen-

schaft als Leistungskurs belegten, mit 26,2 % wesentlich größer als es bei den

Humanbiologiestudenten der Fall war (dort waren es 8,2 %). Die Hälfte der Be-

Analyse

79

fragten belegte eine, gut ein Viertel (31 Studenten, 23,8 %) zwei Naturwissen-

schaften.

Diagramm 22: Anzahl der Biologiestudenten (B. Sc.) mit Naturwissenschaften als Leis-

tungskurs.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Bei der Beliebtheit des Faches sind die Einschätzungen mit denen der Humanbio-

logiestudenten nahezu identisch.

Diagramm 23: Beliebtheit des Faches Chemie bei den Biologiestudenten (B. Sc.).

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Analyse

80

Für 54 Studenten (41,5 %) gehörte Chemie danach zu den beliebteren Schulfä-

chern, bei 41 Studenten (31,5 %) war das Fach eher unbeliebt.

Bei der subjektiven Einschätzung des Schwierigkeitsgrads des Faches gehen die

Meinungen jedoch etwas auseinander.

Diagramm 24: Subjektive Einschätzung des Schwierigkeitsgrads des Faches Chemie

durch die Biologiestudenten (B. Sc.).

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Für mehr als die Hälfte der Befragten (70 Studenten, 53,8 %) hatte danach Che-

mie eine durchschnittliche Schwierigkeit, „leicht“ war Chemie nur für rund ein

Fünftel (28 Studenten, 21,5 %). Diese Einschätzung wird von der Tatsache bestä-

tigt, dass nur gut ein Drittel (48 Studenten, 36,9 %) Chemie bis zum Abitur beleg-

te.

Diagramm 25: Letzter Chemieunterricht der Biologiestudenten (B. Sc.).

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Analyse

81

Der Anteil der Studenten, die in der Mittelstufe zum letzten Mal im Chemieunter-

richt saßen, ist mit 22,3 % (29 Studenten) relativ hoch. Fast die Hälfte (61; 46,9

%) hatte in den Jahrgangsstufen 12 und 13 keinen Chemieunterricht mehr. Zum

Vergleich: Einen Biologie-Leistungskurs belegten 85 Studenten (65,4 %), Chemie

nur elf (8,5 %).

Die Noten, welche die Biologiestudenten (B. Sc.) während Ihrer Schullaufbahn in

Chemie bekommen haben, gaben die Befragten folgendermaßen an:

Diagramm 26: Einteilung der Biologiestudenten (B. Sc.) in die der Gesamtheit ihrer Che-

mie-Zeugnisnoten entsprechenden Leistungsgruppe.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Der Bereich „sehr gut – gut“ mit 40 % zwar recht groß, dennoch „nur“ halb so

groß wie es bei den Humanbiologiestudenten der Fall war. Der Bereich „ausrei-

chend“ oder schlechter fällt in dieser Gruppe sehr gering aus. Nur jeder Dreizehn-

te gab an, in diese Kategorie zu gehören.

Bei der Einschätzung der Wichtigkeit der Chemie für den persönlichen Alltag

bzw. die Wirtschaft und wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands gehen die

Meinungen der Biologie- und Humanbiologiestudenten wiederum kaum ausein-

ander. Mehr als drei Viertel (101 Studenten, 77,7 %) halten Chemie in ihrem per-

sönlichen Alltag für bedeutend. Für die Wirtschaft und die wirtschaftliche Ent-

Analyse

82

wicklung Deutschlands schätzen sogar 118 Studenten (90,8 %) Chemie als wich-

tig ein.

Diagramm 27: Beurteilung der Chemie für den persönlichen Alltag durch die Biologiestu-

denten (B. Sc.).

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Diagramm 28: Beurteilung der Chemie für die Wirtschaft und die wirtschaftliche Entwick-

lung Deutschlands durch die Biologiestudenten (B. Sc.).

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Analyse

83

4.2.2.2 Fachlich

Um Stärken und Schwächen der Biologiestudenten (B. Sc.) ausmachen zu kön-

nen, werden im Folgenden nach dem gleichen Verfahren, welches schon bei den

Humanbiologiestudenten angewandt wurde, zunächst die Punkteverteilung jeder

einzelnen Aufgabe, dann die erreichten Punkte in den Bereiche der Chemie („All-

gemeine Chemie und übergreifende Aufgaben“, „Anorganische Chemie“, „Orga-

nische Chemie und Biochemie“) und abschließend die Antworten der Fragen ka-

tegorisiert nach den spezifischen Inhalten untersucht. Zur graphischen Darstellung

dienen wiederum Boxplot-Diagramme, von denen die beiden folgenden zeigen,

bei welchen Aufgaben die befragten Biologiestudenten (B. Sc.) Schwierigkeiten

hatten und wo die Beantwortung der Aufgaben relativ problemlos war.

Diagramm 29: Abschneiden der einzelnen Aufgaben. Befragte Gruppe: Biologiestuden-

ten (B. Sc.) ohne Chemie in der Oberstufe.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Analyse

84

Das Diagramm verdeutlicht eindrucksvoll, dass die befragten Biologiestudenten

(B. Sc.), die Chemie in der Oberstufe nicht belegt hatten, bei einigen Aufgaben

große Schwierigkeiten hatten. Bei vier Aufgaben (10, 18, 19, 21) liegt das 75%-

Perzentil bei null Punkten. Mindestens 75 % der Befragten (98 Studenten) gaben

hier also keine oder eine falsche Antwort. Der Median liegt sogar bei neun Auf-

gaben bei null Punkten. Nichtsdestotrotz gibt es auch einige Studenten, die vor

allem bei den Aufgaben 2, 3, 4 und 5 gute Leistungen erbrachten. Die übrigen

Aufgaben wurden durchschnittlich beantwortet.

Die Biologiestudenten (B. Sc.) mit Chemie in der Oberstufe schnitten bei den ein-

zelnen Aufgaben folgendermaßen ab.

Diagramm 30: Abschneiden bei den einzelnen Aufgaben. Befragte Gruppe: Biologiestu-

denten (B. Sc.) mit Chemie in der Oberstufe.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Analyse

85

Gute Ergebnisse erzielten die meisten Befragten vor allem bei Aufgabe 5 (Namen

von Säuren). Der Median liegt hier bei sechs Punkten. 50 % der Befragten nann-

ten also mehr als drei Säuren. Noch besser schnitten die Studenten bei den Aufga-

ben 2 (Luftbestandteile), 4 (Elementsymbole) und 13 (Definition einer Säure) ab.

Schlecht hingegen fielen die Aufgaben 18 (MWG) und 19 (Großtechnische Ver-

fahren) aus. Auch bei den Fragen nach Verwendungszwecken von Kohlenwasser-

stoffen und der Definition einer Atombindung (Aufgabe 10 und Aufgabe 15)

konnten viele Studenten keine richtige Antwort geben. Namen von Kohlenwasser-

stoffen waren hingegen kaum ein Problem – im Schnitt gab jeder Befragte im-

merhin zwei Verbindungen an.

Im Folgenden soll genau untersucht werden, in welchen Bereichen der Chemie

Stärken und Schwächen der Befragten liegen (vgl. dazu Tabellen 10 in KAPITEL

4.2.1.2). Um die Ergebnisse untereinander vergleichen zu können wurden die

Punktzahlen der zu den jeweiligen Bereichen gehörenden Aufgaben summiert

und, wie bereits in KAPITEL 4.2.1.2 beschrieben, normiert.

Diagramm 31: Erreichte Punktzahlen, aufgeteilt nach den Bereichen der Chemie.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008)

Analyse

86

Beide Studentengruppen schnitten im Bereich „Anorganische Chemie“ am besten

ab. Im Bereich „Organische Chemie“ konnten bis auf wenige Ausnahmen die Stu-

denten ohne Chemie in der Oberstufe nur wenig punkten, bei den Studenten mit

Chemie in der Oberstufe sieht das ganze hingegen anders aus. Hier erreichten die

Befragten mehr Punkte als im Bereich „Allgemeine Chemie und übergreifende

Aufgaben“. In der folgenden Tabelle, welche die wichtigsten Daten des Dia-

gramms enthält, sind die entsprechende Werte markiert.

Tab. 15: Klassifikation der Aufgaben nach Bereichen der Chemie (m. = Studenten, mit

Chemie in der Oberstufe; o. = Studenten, ohne Chemie in der Oberstufe). Angaben in

(gewichteten) Punkten.

Allgemeine Che-

mie und übergrei-

fende Aufgaben

Anorganische

Chemie

Organische

Chemie und

Biochemie

m. 22,7 46,9 25,3 Median

o. 20,3 39,9 5,7

m. 14,1 40,3 9,2 25%-Perzentil

o. 11,9 28,4 3,8

m. 32,0 53,7 34,7 75%-Perzentil

o. 27,9 45,2 14,1

m. 1,4 14,4 0 Minimum

o. 3,2 10,3 0

m. 54,5 71,1 56,8 Maximum

o. 45,4 63,6 55,3

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Analyse

87

Um Wissen und Wissenslücken der befragten Studenten noch genauer ausmachen

zu können, werden nun die normierten Punktzahlen der nach spezifischen Inhalten

sortierten Aufgaben untersucht (vgl. Tabelle 10 in KAPITEL 4.2.1.2). Für die Bio-

logiestudenten (B. Sc.) ergibt sich nun folgendes Bild:

Diagramm 32: Erreichte Punktzahlen, aufgeteilt nach spezifischen Inhalten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Die Studenten ohne Chemie in der Oberstufe haben in den Kategorien „Ange-

wandte Chemie, Technologie“ und „Geschichte der Chemie“ verhältnismäßig

wenige Punkte erzielen können. Das Ergebnis für die Kategorie „Allgemeine

Probleme, Chemie des Alltags“ fällt hingegen recht gut aus und ist die beste der

sechs Kategorien – die Werte sind sogar höher als die in der gleichen Kategorie

der Studenten mit Chemie in der Oberstufe. In Tabelle 16 sind die entsprechenden

Zahlenwerte durch Fettdruck markiert.

Eher durchschnittlich lief es für beide Gruppen in den Kategorien „Stoffgruppen“

und „Definitionen, Gesetze, Konstanten“ – immerhin waren pro Kategorie 35

Punkte zu erreichen, jedoch liegt der Median in diesen Kategorien zum Teil deut-

lich unter 18 Punkten. Dass einige Studenten sogar bis zu 53,3 Punkte erreicht

haben ist damit zu erklären, dass bspw. bei Aufgabe 5 (Namen von Säuren, Be-

Analyse

88

reich „Stoffgruppen“) durch Nennen von vielen Säurenamen auch extrem viele

Punkte erreicht werden konnten. Eine Maximalpunktzahl war hier nicht vorgege-

ben.

Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Werte des Boxplot-Diagramms zu-

sammen:

Tab. 16: Klassifikation der Aufgaben nach spezifischen Inhalten der Chemie (m. = Stu-

denten, mit Chemie in der Oberstufe; o. = Studenten, ohne Chemie in der Oberstufe).

Angaben in Punkten.

1 2 3 4 5 6

m. 17,4 23,9 10,8 19,0 5,0 0 Median

o. 11,5 14,7 9,2 22,0 2,6 0

m. 10,5 18,2 6,1 15,9 2,5 0 25%-

Perzentil o. 6,4 10,6 7,1 15,9 2,4 0

m. 24,5 28,1 16,0 25,2 9,0 9,3 75%-

Perzentil o. 16,9 18,8 11,9 28,4 6,4 2,2

m. 0 6,7 0 0 0 0 Minimum

o. 0 2,3 0 0 0 0

m. 53,3 34,7 30,1 36,8 20,9 37,3 Maximum

o. 42,2 29,2 24,4 35,0 11,0 17,5

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Analyse

89

4.2.2.3 Fazit

Die zu Beginn der Arbeit aufgestellte These, dass die Abiturienten, welche schon

in der Schule ein gesteigertes Interesse an Naturwissenschaften bzw. am Fach

Chemie hatten, später auch eher ein naturwissenschaftliches Studium wählen,

wird – wenn auch nicht ganz so eindrucksvoll, wie es bei den Humanbiologiestu-

denten der Fall ist – von den Biologiestudenten (B. Sc.) bestätigt. 85 der 130 Stu-

denten (65,4 %) belegten in der Schule Biologie als Leistungskurs, einen Chemie-

LK wählten elf Studenten. 29 Studenten (22,3 %) wählten Chemie noch vor Be-

ginn der Oberstufe ab. Ein Grund für diese Zahlen liegt natürlich nicht nur in der

Beliebtheit des Faches (für 31,5 % war Chemie eher „unbeliebt“) oder in der Tat-

sache, dass in der Oberstufe nur eine Naturwissenschaft belegt werden muss – und

das ist bei Biologiestudenten (B. Sc.) offenbar meist Biologie – sondern auch in

der Gegebenheit, dass recht viele der Biologiestudenten (B. Sc.) (78; 60 %) „nur“

befriedigende oder schlechtere Beurteilungen in Chemie, und damit wahrschein-

lich auch schlechtere Beurteilungen als in Biologie, während ihrer Schullaufbahn

erhaltenen haben. Dennoch: Ein gesteigertes Interesse an Naturwissenschaften,

wenn auch nicht unbedingt an Chemie, kann mit diesen Ergebnissen auch den

Biologen unterstellt werden.

Die größten Schwierigkeiten hatten die befragten Biologiestudenten (B. Sc.) ohne

Chemie in der Oberstufe bei den Aufgaben 10 (Verwendungszwecke von Koh-

lenwasserstoffen), 18 (MWG), 19 (Großtechnische Verfahren) und 21 (Berühmte

Chemiker). Mindestens 75 % der Befragten konnten bei jeder dieser Aufgaben

keine korrekte Antwort geben, was auf der einen Seite, bspw. für die Aufgaben 18

und 19, sehr verständlich, auf der anderen Seite jedoch – aus den gleichen Grün-

den, die auch bei den Humanbiologiestudenten angeführt wurden – recht verwun-

derlich ist. So sind bspw. Kohlenwasserstoffe schon ein Unterrichtsthema in der

Klasse 10.49 Berühmte Chemiker werden im Unterricht zwar nicht explizit als ein

Themenblock behandelt, doch tauchen Namen wie Niels Bohr und John Dalton

(Atommodelle) oder Gilbert Newton Lewis und Johannes Nicolaus Brønsted

(Säuredefinitionen) oder Robert Wilhelm Bunsen und Justus von Liebig (Erfinder

des für seine Spektroskopieforschung benötigten Brenners bzw. Erfinder des Dün-

49 Hessischer G9-Lehrplan Chemie (2003), S. 26

Analyse

90

gers) immer wieder auf. Ebenfalls schlecht fielen die Aufgaben 6 (Namen von

Laugen / Basen), 12 (Definition einer Säure), 15 (Definition einer Atombindung)

und 16 (Avogadro-Zahl) aus, bei denen jeweils mindestens 50 % der Befragten

keinen Punkt bekamen. Diese Tatsache ist durchaus unverständlich. So konnten

17 der 29 Studenten (58,6 %) keinen Namen einer Lauge nennen – und das ob-

wohl „Säuren und Laugen“ ein zentraler und verbindlicher, mit 16 Schulstunden

ausführlich behandelter Unterrichtsinhalt der zehnten Klasse ist.50 Gleiches gilt

für die Frage nach einer Säuredefinition. Die Säure-Base-Theorie nach Brønsted

fällt ebenfalls in den in der zehnten Klasse behandelten Block „Säuren und Lau-

gen“. Das Thema „Atombindung“ wird sogar schon in der 8. Klasse – wenn auch

in stark vereinfachter Form – behandelt.51 Ähnliches gilt für die Avogadro-Zahl

(Aufgabe 16). Sie ist Thema der Klasse 9. Als verbindlicher Unterrichtsinhalt

heißt es unter der Überschrift „Einführung in die chemische Symbolsprache und

ihre Anwendung“ im zugehörigen Abschnitt des Lehrplans:

„Umgang mit dem Periodensystem, Größe und Masse von Atomen,

Masseneinheit (u, g) und Proportionalitätsfaktor (L = 6,023 · 1023),

Stoffmenge und ihre Einheit, molare Masse“52

Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass ein nicht unerheblicher Teil

des in der Mittelstufe vermittelten Wissens bei den Biologiestudenten (B. Sc.)

ohne Chemie in der Oberstufe nicht oder nicht mehr vorhanden ist. Bei anderen,

ebenfalls in der Mittelstufe behandelten Sachverhalten wie der Zusammensetzung

der Luft (Aufgabe 2), den Elementsymbolen (Aufgabe 4) oder Namen von Säuren

(Aufgabe 5) bewiesen viele der betreffenden Studenten hingegen mehr Wissen.

Auch die 11. Aufgabe (Formeln von organischen Stoffen) wurde von vielen Stu-

denten zumindest zum Teil korrekt beantwortet; wie schon die Humanbiologie-

studenten kannten auch hier viele der Befragten – wahrscheinlich eher aus dem

Biologie- als aus dem Chemieunterricht – die Summenformel der Verbindung

„Glucose“.

Bei der Studentengruppe mit Chemie in der Oberstufe fällt das Ergebnis der Be-

fragung besser aus. Dennoch offenbarten sich auch bei vielen dieser Studenten 50 Hessischer G9-Lehrplan Chemie (2003), S. 10 51 a. a. O., S. 11 52 a. a. O., S. 16

Analyse

91

große Lücken in Bezug auf in der Mittelstufe behandelte Themen. So konnten die

Aufgaben 10 (Verwendungszwecke von Kohlenwasserstoffen), 15 (Definition

einer Atombindung) und 16 (Avogadro-Zahl) von jeweils mehr als 50 % der Be-

fragten nicht beantwortet werden. Ähnliche Probleme gab es bei den Oberstufen-

themen „MWG“, „Großtechnische Verfahren“ und „Berühmte Chemiker“ (Auf-

gaben 18, 19 und 21). Die übrigen Aufgaben fielen überwiegend gut aus, der Me-

dian liegt jeweils – teilweise wie in Aufgabe 13 (Definition einer Oxidation) sehr

deutlich – bei über 5 Punkten.

Bei der Betrachtung der unterschiedlichen Bereiche der Chemie war wegen des

gesteigerten Interesses am Fach Biologie und dem damit verbundenen größeren

biologischen und biochemischen Vorwissen durchaus zu erwarten, dass die Bio-

logiestudenten (B. Sc.) im Bereich „Organische Chemie und Biochemie“ über-

durchschnittlich gut abschneiden. Diese Tatsache wurde nur einseitig, nämlich

von den 101 Studenten, die Chemie in der Oberstufe belegt haben, bestätigt. 67

von ihnen (66,3 %) belegten Biologie im Leistungskurs. Studenten ohne Chemie

in der Oberstufe schnitten in diesem Bereich trotz einer erhöhten „Biologie-

Leistungskurs-Dichte“ (18 der 29 Studenten ohne Chemie in der Oberstufe, also

62,1 %, belegten Biologie im Leistungskurs) sehr schlecht ab. Die die Aufgaben

des Fragebogens betreffende Biochemie wird also offensichtlich eher in der Ober-

stufenchemie als in der Oberstufenbiologie vermittelt.

Im Bezug auf die fachspezifischen Inhalte ist vor allem auffällig, dass der Median

der Studentengruppe ohne Chemie in der Oberstufe in der Kategorie 4 („Allge-

meine Probleme, Chemie des Alltags“) größer ist, als der Median der Studenten-

gruppe mit Chemie in der Oberstufe. Gleiches gilt für das 75%-Perzentil, das

25%-Perzentil liegt bei der gleichen Punktzahl. Die meisten Studenten ohne Che-

mie in der Oberstufe haben in dieser alltagsbezogenen Kategorie also besser abge-

schnitten, als der Großteil ihrer Kommilitonen mit Chemie in den Jahrgangsstufen

11, 12 und 13 – anscheinend eine Bestätigung der These, dass Alltagswissen of-

fenbar hauptsächlich in der Mittelstufe vermittelt wird. Dennoch muss dieses Er-

gebnis noch mit denen der übrigen Gruppen verglichen werden (vgl. KAPITEL

4.3).

Analyse

92

Bis auf den Bereich „Allgemeine Probleme, Chemie des Alltags“ schnitten die

Biologiestudenten (B. Sc.) ohne Chemie in der Oberstufe jedoch relativ schlecht

ab, was die entsprechende Werte für Median und Perzentile bestätigen. Besser

lief es hingegen bei den Studenten mit Chemie nach Klasse 10, auch wenn die

Ergebnisse weit von der erreichbaren 35-Punkte-Marke pro Kategorie entfernt

sind.

Die Gründe hierfür wurden bereits erörtert: Das Interesse für Chemie ist bei eini-

gen Biologiestudenten (B. Sc.) zwar vorhanden, steht aber weit hinter dem für das

Fach Biologie zurück. Die entsprechenden Unterrichtsinhalte wurden, wie im vor-

hergehenden KAPITEL 4.2.1 beschrieben, in der Schule zwar vermittelt – und ein

nicht unerheblicher Teil der Biologiestudenten (B. Sc.) belegte Chemie in der O-

berstufe – doch wegen des geringen Interesses entwickelte sich bei einem Großteil

der Studenten zu Schulzeiten auch kein richtiges Verständnis für das Fach Che-

mie. Die schulischen Leistungen und die damit zusammenhängenden, von den

Befragten angegebenen Beurteilungen bzw. Noten bestätigen dies.

4.2.3 Biologie Lehramt

4.2.3.1 Allgemein

Die 35 befragten Biologie-Lehramtsstudenten haben ihr Studium nicht im Winter-

semester 2008/2009, sondern bereits ein Jahr zuvor begonnen. Diese Tatsache

wird allerdings nicht als sonderlich tragisch angesehen, da Biologie-

Lehramtsstudenten erst im dritten Semester die Chemie-Vorlesung hören müssen

und bis zum Zeitpunkt der Befragung noch keinerlei Chemie-Veranstaltungen

besucht haben.

Die 35-köpfige Gruppe besteht aus neun männlichen (25,7 %) und 26 weiblichen

Studenten. 15 Studenten (42,9 %) machten ihr Abitur im Jahr 2007, zwölf (34,3

%) beendeten die Schule bereits 2006. Die Studenten kamen aus neun Bundeslän-

dern nach Marburg. Der größte Anteil (acht Studenten, 22,9 %) kommt aus Hes-

Analyse

93

sen, sechs Studenten (17,1 %) kommen aus Rheinland-Pfalz, jeweils fünf aus

Thüringen und Nordrhein-Westfalen (14,3 %). Die übrigen 21 Studenten verteilen

sich wie folgt auf sieben weitere Bundesländer.

Diagramm 33: Herkunft der befragten Biologie-Lehramtsstudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Die Befragung selbst verlief für die Biologie-Lehramtsstudenten folgendermaßen:

Durch die Normierung der Punktzahlen und die Berücksichtigung des jeweiligen

Schwierigkeitsgrads pro Aufgabe waren insgesamt maximal 210 Punkte erreich-

bar. Durchschnittlich erhielt jeder Biologie-Lehramtsstudent 79,9 Punkte (38,0 %

d. G.). Die maximal erzielte Punktzahl liegt bei 147,2 Punkten (70,1 % d. G.), das

Minimum bei 20,6 Punkten (9,8 % d. G.).

Die Gesamtheit der erreichten Punkte verteilt sich wie folgt:

Analyse

94

Diagramm 34: Punkteverteilung der befragten Biologie-Lehramtsstudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

In dieser Personengruppe schnitten die 23 Biologie-Lehramtsstudenten (65,7 %),

die Chemie in der Oberstufe belegt haben, deutlich besser ab als die Studenten,

die in der Mittelstufe letztmalig Chemieunterricht hatten, was die Lage von Medi-

anen und Perzentilen zeigt: Der Median in der Studentengruppe mit Chemie in der

Oberstufe liegt bei 81,7 Punkten (38,9 %) und damit nur knapp unter dem 75%-

Perzentil der der Studentengruppe ohne Chemie in der Oberstufe, welches bei

83,0 Punkten (39,5 %) liegt.

Die folgende Tabelle enthält die Daten des Diagramms:

Analyse

95

Tab. 17: Daten für Biologie-Lehramtsstudenten.

Studenten ohne Chemie in

der Oberstufe

Studenten mit Chemie in

der Oberstufe

Median 63,3 (30,1 %) 81,7 (38,9 %)

25%-Perzentil 54,7 (26,0 %) 67,1 (32,0 %)

75%-Perzentil 83,0 (39,5 %) 104,0 (49,5 %)

Minimum 20,6 (9,8 %) 45,4 (21,6 %)

Maximum 125,4 (59,7 %) 147,2 (70,1 %)

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Das Lehramtsstudium der Biologie ist – ähnlich wie der Bachelor-Studiengang –

im Besonderen durch Naturwissenschaften wie Chemie, Physik und Mathematik

geprägt. Auch Lehramtsstudenten müssen Veranstaltungen wie „Anorganische

Experimentalchemie“ und „Biochemie“ besuchen sowie ein „Chemisches Prakti-

kum“ absolvieren. Im Folgenden sollen in gewohnter Reihenfolge die Ergebnisse

des A- und C-Teils des Fragebogens zusammengetragen werden.

Das folgende Diagramm zeigt, dass auch die befragten Biologie-

Lehramtstudenten schon zu Schulzeiten ein gesteigertes Interesse an naturwissen-

schaftlichen Fächern hatten.

Analyse

96

Diagramm 35: Anzahl der Biologie-Lehramtsstudenten mit Naturwissenschaften als Leis-

tungskurs.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Drei Viertel aller Befragten (26 Studenten) belegte einen naturwissenschaftlichen

Leistungskurs in der Oberstufe, drei weitere Studenten (8,6 %) sogar zwei. Erwar-

tungsgemäß handelte es sich bei diesen naturwissenschaftlichen Leistungskursen

hauptsächlich um das Fach Biologie – 24 Studenten (68,6 %) wählten es als Leis-

tungskurs. Chemie wählte lediglich ein einziger Student.

In der Beliebtheit des Faches unterscheiden sich die Lehramtsstudenten deutlich

von den Humanbiologie- und den Bachelor-Biologiestudenten (B. Sc.).

Diagramm 36: Beliebtheit des Faches Chemie bei den Biologie-Lehramtsstudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Analyse

97

Bei nur gut einem Viertel (8 Studenten, 22,9 %) war Chemie zu Schulzeiten

beliebt, für fast die Hälfte gehörte es sogar zu den unbeliebten Fächern – und das,

obwohl für mehr als die Hälfte aller Befragten (19 Studenten, 54,3 %) Chemie

„nur“ eine durchschnittliche Schwierigkeit hatte.

Diagramm 37: Subjektive Einschätzung des Schwierigkeitsgrads des Faches Chemie bei

den Biologie-Lehramtsstudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Nur einer der 35 Biologie-Lehramtsstudenten belegte Chemie als Leistungskurs.

Als Grundkurs behielten jedoch insgesamt 13 Studenten (37,1 %) Chemie bis zum

Abitur. Dennoch belegte gut ein Drittel (12 Studenten; 34,3 %) in der Oberstufe

gar kein Chemie, weitere acht Studenten (22,9 %) wählten Chemie nach der 11.

Jahrgangsstufe ab.

Diagramm 38: Letzter Chemieunterricht der Biologie-Lehramtsstudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Analyse

98

Mit diesen Daten stimmen die Einschätzungen der Beurteilungen, welche die Stu-

denten in ihrer Schullaufbahn in Chemie bekommen haben, überein: 15 Studenten

(42,9 %) erhielten nach eigenen Angaben sehr gute bis gute Leistungen – neun

von ihnen behielten Chemie bis zum Abitur.

Diagramm 39: Einteilung der Biologie-Lehramtsstudenten in die der Gesamtheit ihrer

Chemie-Zeugnisnoten entsprechenden Leistungsgruppe.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Bei der Einschätzung der Wichtigkeit der Chemie für den persönlichen Alltag

bzw. die Wirtschaft und wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands gaben die Bio-

logie-Lehramtsstudenten folgende Einschätzungen ab:

Diagramm 40: Beurteilung der Chemie für den persönlichen Alltag durch die Biologie-

Lehramtsstudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Analyse

99

Diagramm 41: Beurteilung der Chemie für die Wirtschaft und die wirtschaftliche Entwick-

lung Deutschlands durch die Biologie-Lehramtsstudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

57,1 % halten demnach Chemie für ihren persönlichen Alltag für wichtig. Bei der

Einschätzung der Wichtigkeit für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands

sind es 85,7 %.

Analyse

100

4.2.3.2 Fachlich

Das chemische Wissen der Biologie-Lehramtsstudenten weist verhältnismäßig

viele Lücken auf, was die folgenden Diagramme belegen:

Diagramm 42: Abschneiden der einzelnen Aufgaben. Befragte Gruppe: Biologie-

Lehramtsstudenten ohne Chemie in der Oberstufe.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Deutliche Probleme hatten danach die befragten Studenten bei den Aufgaben 6

(Namen von Laugen / Basen), 9 (Namen von Kohlenwasserstoffen), 10 (Verwen-

dungszwecke von Kohlenwasserstoffen), 15 (Definition einer Atombindung), 16

(Avogadro-Zahl), 18 (MWG), 19 (Großtechnische Verfahren) und 21 (Berühmte

Chemiker). Bei jeder dieser acht Aufgaben liegt der Median bei null Punkten.

Ähnlich schlecht fiel das Ergebnisse der Aufgabe 11 (Formeln von organischen

Stoffen) aus. Drei der zwölf Befragten (25 %) wussten hier keine, acht Befragte

(66,6 %) nur eine richtige Antwort.

Analyse

101

Wesentlich besser lief es bei hingegen bei Aufgaben 2 (Luftbestandteile). Vier

Studenten (33,3 %) konnten immerhin zwei der vier geforderten Hauptbestandtei-

le angeben, vier weitere Studenten erreichten die volle Punktzahl. Auch bei der

vierten Aufgabe (Elementsymbole) gaben viele Studenten richtige Antworten. Bis

auf einen Befragten gaben hier alle Studenten (91,7 %) wenigstens drei der sechs

geforderten Elementsymbole richtig an. Gänzlich korrekt lösten die Aufgabe zwei

Studenten (16,7 %).

Die Biologiestudenten (B. Sc.), die Chemie in der Oberstufe belegt hatten, beant-

worteten die einzelnen Aufgaben folgendermaßen:

Diagramm 43: Abschneiden der einzelnen Aufgaben. Befragte Gruppe: Biologie-

Lehramtsstudenten mit Chemie in der Oberstufe.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Erwartungsgemäß schnitt dieser Teil der Biologie-Lehramtsstudenten insgesamt

besser ab als die zugehörige Vergleichsgruppe. Dennoch: Auch hier gibt es mit

Analyse

102

den Aufgaben 10 (Verwendungszwecke von Kohlenwasserstoffen), 15 (Definition

einer Atombindung), 16 (Avogadro-Zahl), 18 (MWG), 19 (Großtechnische Ver-

fahren) und 21 (Berühmte Chemiker) sechs Fragen, bei denen der Median bei null

Punkten liegt. Auffällig ist, dass dies die gleichen Aufgaben sind, die auch schon

vielen Studenten ohne Chemie in der Oberstufe gehörige Probleme machten – dort

waren zusätzlich die Aufgaben 6 (Namen von Laugen / Basen) und 9 (Namen von

Kohlenwasserstoffen) nur unzureichend gelöst worden. Überraschenderweise ga-

ben die Studenten mit Chemie in der Oberstufe aber deutlich mehr Laugen als

Säuren an. Sieben Studenten (30,4 %) notierten sogar zehn unterschiedliche Ba-

sen. Das Maximum an genannten Säuren hingegen liegt bei acht, ebenfalls von

insgesamt sieben Studenten notiert.

Im Folgenden werden Stärken und Schwächen der Befragten weiter eingegrenzt

und nach bekanntem Vorgehen den verschiedenen Bereichen der Chemie zuge-

ordnet (vgl. dazu Tabelle 10 in KAPITEL 4.2.1.2).

Diagramm 44: Erreichte Punktzahlen, aufgeteilt nach den Bereichen der Chemie.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008)

Analyse

103

Auch die beiden Gruppen der Biologie-Lehramtsstudenten schnitten im Bereich

„Anorganische Chemie“ am besten ab. In diesem Bereich ist zwischen beiden

Studenten-Gruppen kaum ein Unterschied zu erkennen, in der Tabelle sind die

entsprechenden Werte mit Fettdruck hervorgehoben. Im Bereich „Organische

Chemie“ hingegen sind die Punkte für die Gruppe mit Chemie in der Oberstufe

sehr gleichmäßig verteilt, in der Gruppe ohne Chemie erzielten die meisten jedoch

nur sehr wenige Punkte. Der Bereich „Allgemeine Chemie und übergreifende

Aufgaben“ nimmt bei beiden Gruppen den Mittelfeldplatz ein.

Die folgende Tabelle enthält die wichtigsten Daten:

Tab. 18: Klassifikation der Aufgaben nach Bereichen der Chemie (m. = Studenten, mit

Chemie in der Oberstufe; o. = Studenten, ohne Chemie in der Oberstufe). Angaben in

(gewichteten) Punkten.

Allgemeine Che-

mie und übergrei-

fende Aufgaben

Anorganische

Chemie

Organische

Chemie und

Biochemie

m. 24,4 41,8 18,0 Median

o. 16,3 41,9 7,6

m. 20,1 34,4 9,2 25%-Perzentil

o. 13,2 33,7 7,6

m. 32,5 51,1 26,7 75%-Perzentil

o. 25,0 47,4 15,3

m. 10,9 28,4 0 Minimum

o. 2,5 22,9 0

m. 55,3 59,7 33,5 Maximum

o. 39,6 68,2 22,9

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Analyse

104

Eine ähnliche Analyse wird im Folgenden anhand spezifischer Inhalte des Frage-

bogens durchgeführt (vgl. Tabelle 12 in KAPITEL 4.2.1.2). Mit den normierten

Punktzahlen ergibt sich für die Biologie-Lehramtsstudenten folgendes Bild:

Diagramm 45: Erreichte Punktzahlen, aufgeteilt nach spezifischen Inhalten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Ist bei den Studenten mit Chemie in der Oberstufe noch der Bereich „Stoffgrup-

pen“ der stärkste, ist es bei den Studenten ohne Chemie der Bereich „Allgemeine

Probleme, Chemie des Alltags“ – jeder der in der Tabelle aufgeführten Werte liegt

hier höher als in der Vergleichsgruppe. Die Werte sind durch Fettdruck hervorge-

hoben. Die übrigen Bereiche bleiben hinter diesen lokalen „Spitzenwerten“ jedoch

weit zurück. Bedenkt man, dass durch die Umrechnung der Punktzahlen in jeder

Kategorie 35 Punkte erreicht werden konnten wird deutlich, dass die meisten Bio-

logie-Lehramtsstudenten durchweg Antworten gaben, welche nicht einmal die

Hälfte der zu vergebenden Punkte wert waren. In beiden Studentengruppen fielen

die Bereiche „Definitionen, Gesetze, Konstanten“, „Angewandte Chemie, Tech-

nologie“ und „Geschichte der Chemie“ besonders schlecht aus.

Analyse

105

Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Werte des Boxplot-Diagramms zu-

sammen:

Tab. 19: Klassifikation der Aufgaben nach spezifischen Inhalten der Chemie (m. = Stu-

denten, mit Chemie in der Oberstufe; o. = Studenten, ohne Chemie in der Oberstufe).

Angaben in Punkten.

1 2 3 4 5 6

m. 24,7 21,1 10,2 16,5 5,0 0 Median

o. 8,1 14,6 8,8 23,7 4,8 0

m. 19,0 18,5 8,2 13,6 2,5 0 25%-

Perzentil o. 4,0 9,1 7,0 16,1 2,4 0

m. 27,2 25,6 15,5 21,1 7,5 9,3 75%-

Perzentil o. 22,3 18,1 12,3 25,1 8,2 4,4

m. 6,8 10,0 0 2,5 0 0 Minimum

o. 0 5,5 0 11,7 0 0

m. 32,6 33,2 27,9 31,7 16,3 18,7 Maximum

o. 28,8 20,5 18,1 39,9 10,5 8,8

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

4.2.3.3 Fazit

Auch die Biologie-Lehramtsstudenten hatten zu Schulzeiten ein gesteigertes Inte-

resse an Naturwissenschaften, nicht jedoch am Fach Chemie. Die zu Beginn der

Arbeit aufgestellte These, dass eben genau solche naturwissenschaftlich interes-

sierten Abiturienten später auch eher ein naturwissenschaftliches Studium wählen,

Analyse

106

wurde bestätigt. Der größte Teil (29 Studenten, 82,9 %) belegte in der Schule we-

nigstens eine Naturwissenschaft als Leistungskurs, bei 24 Studenten (68,8 %)

handelte es sich dabei um Biologie. Ein gesteigertes Interesse an Chemie konnte

den Befragten hingegen nicht nachgewiesen werden. Für fast die Hälfte (17 Stu-

denten, 48,6 %) gehörte Chemie zu Schulzeiten zu den unbeliebten Fächern, leicht

fiel das Fach lediglich fünf Befragten (14,3 %). Mehr als ein Drittel (12 Studen-

ten, 34,3 %) wählte Chemie sogar vor Beginn der 11. Jahrgangsstufe ab. Dennoch

schätzte die deutliche Mehrheit der Biologie-Lehramtsstudenten die Bedeutung

der Chemie für Alltag und die wirtschaftliche Entwicklung Deutschland als

„wichtig“ ein.

Das auf die erreichten Punktzahlen bezogene Ergebnis der Biologie-

Lehramtsstudenten fällt verhältnismäßig überraschend aus. Insgesamt sind die

erzielten Punktzahlen recht gering: 75 % der Studenten mit Chemie in der Ober-

stufe konnte nicht einmal die Hälfte des Fragebogens korrekt beantworten (das

75%-Perzentil liegt bei 104,0 Punkten, also nur 49,5 % d. G.). Des Weiteren gibt

es eine ganze Reihe Aufgaben – auch Aufgaben zu Themen der Mittelstufe – die

von mehr als der Hälfte der Befragten nicht beantwortet werden konnten. Zu er-

warten war dies durchaus bei Aufgabe 18 (MWG), doch konnte bspw. auch fast

niemand der Befragten eine annähernd richtige Definition einer Atombindung

(Aufgabe 15) liefern.

Konkret: Neben den Aufgaben 10 (Verwendungszwecke von Kohlenwasserstof-

fen), 18 (MWG), 19 (Großtechnische Verfahren) und 21 (Berühmte Chemiker),

die schon bei den Humanbiologie- und Biologiestudenten (B. Sc.) zu Problemen

führten und die an den entsprechenden Stellen bereits ausführlich diskutiert wur-

den, hatten die Lehramtsstudenten der Biologie, die in der Oberstufe Chemie be-

legten, vor allem Schwierigkeiten mit den Fragen 15 (Definition einer Atombin-

dung) und 16 (Avogadro-Zahl). Auch die Biologiestudenten (B. Sc.) gaben bei

diesen Aufgaben größtenteils keine oder falsche Antworten, obwohl sowohl A-

tombindungen als auch die Avogadro-Zahl verpflichtend in der Klasse 10 bzw. 9

durchgenommen werden.53

53 vgl. Hessischer G9-Lehrplan Chemie (2003), S. 16 - 21

Analyse

107

Den Studenten ohne Chemie in der Oberstufe fielen außerdem die Aufgaben 6

(Namen von Laugen / Basen) und 9 (Namen von Kohlenwasserstoffen) besonders

schwer. Auch hier gilt: Das Thema „Säuren und Laugen“ ist ein zentraler und

verbindlicher, ausführlich behandelter und 16 Schulstunden umfassender Unter-

richtsinhalt der zehnten Klasse.54 Die Einführung in die Chemie der Kohlenwas-

serstoffe wird ebenfalls bereits in der 10. Klasse durchgenommen, so dass einige

Verbindungen den Schülern wegen der dort behandelten Themen „Eigenschaften

und Reaktionen gasförmiger und flüssiger Alkane“, „Qualitative Elementaranaly-

se“ und „Bindungsverhältnisse und Strukturformlen“ bekannt sein.55 Viele Stu-

denten konnten jedoch, obwohl sie in der Oberstufe Chemie nicht belegten und

damit nur sehr wenig in Organischer Chemie unterrichtet wurden, Teile der elften

Aufgabe (Formeln von organischen Stoffen) lösen. Auch hier waren, möglicher-

weise eher wegen der Besprechung im Biologieunterricht, die Zahl der korrekten

Antworten zur Frage nach der Summenformel der Verbindung „Glucose“ beson-

ders hoch.

Die Anorganische Chemie ist auch bei den Biologie-Lehramtsstudenten der Be-

reich, in welchem die meisten korrekten Antworten gegeben wurden – und zwar

mit deutlichem Abstand. Der Bereich „Allgemeine Chemie und übergreifende

Aufgaben“ liegt weit dahinter zurück. Noch schlechter lief es für die Studenten im

Bereich „Organische Chemie und Biochemie“. Dieser Aspekt ist in sofern etwas

überraschend, da die Biologie-Bachelor- und insbesondere die Humanbiologiestu-

denten – zumindest die Studenten mit Chemie in der Oberstufe – ein recht großes

Vorwissen in Organischer Chemie bzw. in Biochemie bewiesen. Auch einige der

Biologie-Lehramtsstudenten gaben bei den organischen Aufgaben korrekte Ant-

worten, für den Großteil aber waren diese Aufgaben unlösbar. Das beweisen Me-

dian und 75%-Perzentil: Die Hälfte der Befragten ohne Chemie in der Oberstufe

gaben Antworten, die insgesamt weniger als 7,6 Punkte von möglichen 70 Punk-

ten wert waren (10,9 %). Ein wenig besser ist das Ergebnis der Vergleichsgruppe:

Hier liegt der Median bei 18 Punkten (25,7 %).

Erfreulicherweise fielen die Aufgaben zum Bereich „Allgemeine Probleme, Che-

mie des Alltags“ auch bei den Biologie-Lehramtsstudenten ohne Chemie in der

54 vgl. Hessischer G9-Lehrplan Chemie (2003), S. 10 55 a. a. O., S. 26

Analyse

108

Oberstufe am Besten aus – diese Tatsache konnte auch schon bei den Humanbio-

logie- und insbesondere den Biologiestudenten (B. Sc.) festgestellt werden. Auch

der Median liegt mit 23,7 Punkten (67,7 %) bei einem zufrieden stellenden Wert.

Weniger erfreulich hingegen ist das Abschneiden in den übrigen fünf Bereichen.

Der „zweithöchste“ Median liegt mit 14,6 Punkten (41,7 %, Bereich „Element-

symbole, Formeln, Reaktionsgleichungen“) weit hinter dem ersten zurück, der

dritte liegt bei gerade einmal 8,8 Punkten (25,1 %, „Definitionen, Gesetze, Kon-

stanten“). Nicht viel besser sieht das Ergebnis für Studenten mit Chemie in der

Oberstufe aus: Vergleichbar mit der anderen Studentengruppe sind die durchweg

schlechten Resultate in den Gebieten „Definitionen, Gesetzte, Konstanten“, „An-

gewandte Chemie, Technologie“ und „Geschichte der Chemie“. Etwas besser fie-

len die übrigen drei Bereiche aus. In den beiden Klassen „Stoffgruppen“ und „E-

lementsymbole, Formeln, Reaktionsgleichungen“ erzielten die Studenten das bes-

te Ergebnis (Median: 24,7 Punkte, 70,6 % bzw. 21,1 Punkte, 60,3 %). Der Bereich

„Allgemeine Probleme, Chemie des Alltags“ schnitt, bedenkt man, dass es sich

um Studenten mit Chemie in der Oberstufe handelt, nicht gut und insbesondere

deutlich schlechter als in der Gruppe „Studenten ohne Chemie in der Oberstufe“

ab (16,5 Punkte, 47,1 %). Doch auch hier gilt: Um die Schlussfolgerung, Alltags-

wissen werde offenbar hauptsächlich in der Mittelstufe vermittelt, herleiten zu

können, bedarf es zunächst noch einem Vergleich mit den Ergebnissen der übri-

gen Gruppen.

4.2.4 Medizin

4.2.4.1 Allgemein

Bei der größten im Rahmen dieser Wissenschaftlichen Hausarbeit befragten

Gruppe handelt es sich um Studenten der Human- und Zahnmedizin. Der Frauen-

anteil ist in dieser Befragungsgruppe mit 61,1 %, d.h. mit 173 von insgesamt 283

befragten Studenten, recht hoch. Die Studenten kommen aus dem gesamten Bun-

desgebiet, was auf das Auswahlverfahren der ZVS (Zentralstelle für die Vergabe

Analyse

109

von Studienplätzen) zum Medizinstudium zurückzuführen ist. Dennoch schloss

der Großteil der Studenten (73; 25,8 %) die Schule in Hessen ab.

Diagramm 46: Herkunft der befragten Medizinstudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Da es für das Medizinstudium mehr Bewerber als Studienplätze gibt, ist der Stu-

diengang aufnahmebeschränkt. Dazu wird von der ZVS eine Note (Numerus clau-

sus, NC, in diesem Fall zwischen 1,0 und 1,3, abhängig vom Bundesland, in dem

die Hochschulreife erworben wurde) festgelegt, die entscheidet, mit welcher Zen-

sur ein Bewerber sein Abitur abgeschlossen haben muss, um sofort das Studium

der Human- oder Zahnmedizin beginnen zu dürfen. 20 % der verfügbaren Medi-

zinstudienplätze werden dann an die Abiturbesten eines Jahrgangs vergeben. Über

60 % der Studienplätze verfügen die jeweiligen Hochschulen selbstständig, die

verbleibenden 20 % werden, ebenfalls von der ZVS, über das Kriterium „Warte-

zeit“ besetzt. Abiturienten, deren Abiturdurchschnittsnote also nicht zu einem

Analyse

110

sofortigen Beginn des Studiums berechtigt, müssen, um ihr Studium dennoch be-

ginnen zu dürfen, einige Wartesemester vorweisen können. Dieser Sachverhalt

führt dazu, dass sich die Abiturjahrgänge der Medizinstudenten eines Semesters

extrem unterscheiden. Über die auch hier vorhandene Vielfalt soll deshalb an die-

ser Stelle ein Bakendiagramm informieren.

Diagramm 47: Abiturjahrgang der befragten Medizinstudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Die Befragung der 283 Medizinstudenten verlief wie folgt: Hier waren ebenfalls

durch die Normierung der Punktzahlen und die Berücksichtigung des jeweiligen

Schwierigkeitsgrads pro Aufgabe insgesamt maximal 210 Punkte zu erreichen.

Durchschnittlich erhielt jeder Medizinstudent 90,1 Punkte (42,9 % d. G.). Die

maximal erzielte Punktzahl liegt bei 183,0 Punkten (87,1 % d. G.), das Minimum

bei 16,5 Punkten (7,8 % d. G.). Die Gesamtheit der erreichten Punkte verteilt sich

wie folgt:

Analyse

111

Diagramm 48: Punkteverteilung der befragten Medizinstudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Auch in dieser Befragungsgruppe schnitten die 208 Medizinstudenten (73,5 %),

die Chemie in der Oberstufe belegt haben, besser ab als die Studenten, die letzt-

malig in der Mittelstufe in Chemie unterrichtet wurden. Der Unterschied zwischen

den Ergebnissen ist jedoch nicht allzu signifikant.

Die folgende Tabelle enthält die wichtigsten Daten:

Analyse

112

Tab. 20: Daten für Medizinstudenten.

Studenten ohne Chemie in

der Oberstufe

Studenten mit Chemie in

der Oberstufe

Median 75,6 ( 36,0 %) 92,9 (44,2 %)

25%-Perzentil 57,6 (27,4 %) 73,4 (35,0 %)

75%-Perzentil 99,5 (47,4 %) 113,6 (54,1 %)

Minimum 16,5 (7,9 %) 19,7 (9,4 %)

Maximum 134,0 (63,8 %) 183,0 (87,1 %)

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Entgegen der Erwartungen vieler Medizinstudenten handelt es sich auch beim

Studium der Human- oder Zahnmedizin, gerade in den ersten Semestern, um ein

Studium mit vielen naturwissenschaftlichen Inhalten. Wegen des niedrigen Nume-

rus Clausus sind an den medizinischen Fakultäten hauptsächlich gute Schüler zu-

gegen. Die meisten sie sind es gewohnt, dass ihnen Dinge leicht von der Hand

gehen und dass sie für Prüfungserfolg nicht viel lernen müssen. Die riesige Stoff-

menge der ersten Semester und nicht zuletzt auch die chemischen Veranstaltun-

gen, welche – hatte man in der Schule keinen Chemie-Leistungskurs – mit einem

größtenteils völlig ungewohnten Stoff wie bspw. der Orbitaltheorie aufwarten,

erwischen viele eiskalt. Erfahrungsberichte zahlreicher Medizinstudenten, die im

Internet ganze Seiten füllen, belegen dies eindrucksvoll:

„Nach einem Abitur mit 1,0 hatte ich das Gefühl, ich kann die Welt

erobern. Die Ernüchterung kam aber schnell. Ich fand den Stunden-

plan furchtbar, und allein für zwei Chemie-Klausuren habe ich mehr

gelernt als für mein ganzes Abitur.“56

56 Erfahrungsbericht einer Medizinstudenten im vierten Semester, Quelle:

http://www.thieme.de/viamedici/medizinstudium/vorklinik/pruefungen.html

Analyse

113

Andere Erfahrungsberichte geben ein ganz ähnliches Bild ab. Interesse an den

Fächern Chemie, Biologie, Physik und Mathematik sollte, das lässt sich aus vielen

Berichten ableiten, unbedingt bei jedem Medizinstudenten vorhanden sein. Ob

dies auch bei den hier befragten Studenten der Fall ist, erläutert das folgende Dia-

gramm:

Diagramm 49: Anzahl der Medizinstudenten mit Naturwissenschaften als Leistungskurs.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Mehr als ein Drittel der 283 Befragten (97 Studenten, 34,3 %) belegte keinen na-

turwissenschaftlichen Leistungskurs in der Oberstufe. Die Hälfte (144 Studenten,

50,9 %) hatte eine Naturwissenschaft im LK, gut ein Sechstel (42 Studenten, 14,8

%) sogar zwei. Die am häufigsten angegeben naturwissenschaftlichen Leistungs-

kurse waren dabei Biologie (116 Studenten, 40,1 %) – kein anderes, auch kein

geisteswissenschaftliches oder linguales Fach wurde häufiger gewählt – und Ma-

the (72 Studenten, 25,4 %). Einen Chemie-LK belegten lediglich 7,8 % (22 Stu-

denten).

Mit diesen Zahlen geht die Tatsache einher, dass bei den meisten Studenten (120;

42,4 %) Chemie in der Oberstufe eher zu den unbeliebten Fächern gehörte.

Analyse

114

Diagramm 50: Beliebtheit des Faches Chemie bei den Medizinstudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Nur gut 102 Studenten (36,0 %) zählten Chemie zu ihren beliebten Fächern. Mit

59 Studenten (20,8 %) ist die Zahl derer, denen Chemie in der Schule leicht fiel,

jedoch noch geringer, was das folgende Diagramm offenbart:

Diagramm 51: Subjektive Einschätzung des Schwierigkeitsgrads des Faches Chemie bei

den Medizinstudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Für gut ein Drittel (97 Studenten, 34,3 %) zählte Chemie danach zu den schwieri-

gen Fächern, für die meisten Studenten (126; 44,5 %) war es ein Fach mit durch-

schnittlichem Schwierigkeitsgrad.

Dennoch belegte gut ein Drittel (93 Studenten, 32,9 %) Chemie bis zum Abitur,

115 Studenten (40,6 %) wählten Chemie am Ende der Jahrgangsstufen 11 bzw. 12

Analyse

115

ab. Nur rund ein Viertel (75 Studenten, 26,5 %) wählte Chemie nicht in den Stun-

denplan der Oberstufe.

Diagramm 52: Letzter Chemieunterricht der Medizinstudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Anhand der eingeschätzten Gesamtbeurteilung der Schulleistungen steht die

Chemie wieder in einem recht guten Licht. Mehr als die Hälfte (155 Studenten,

54,8 %) gab an, in der Schule mit sehr guten oder guten Leistungen in Chemie

beurteilt worden zu sein. Befriedigende oder ausreichende Leistungen brachten

weitere 122 Studenten (43,1 %). Der Prozentsatz der Studenten mit mangelhaften

oder ungenügenden Leistungen ist mit 2,1 % (sechs Studenten) verschwindend

gering.

Diagramm 53: Einteilung der Medizinstudenten in die der Gesamtheit ihrer Chemie-

Zeugnisnoten entsprechenden Leistungsgruppe.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Analyse

116

Bei der Beurteilung der Wichtigkeit der Chemie für den persönlichen Alltag bzw.

die Wirtschaft und wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands gaben die Medizin-

studenten folgende Einschätzungen ab:

Diagramm 54: Beurteilung der Chemie für den persönlichen Alltag durch die Medizinstu-

denten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Diagramm 55: Beurteilung der Chemie für die Wirtschaft und die wirtschaftliche Entwick-

lung Deutschlands durch die Medizinstudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

64,3 % (182 Studenten) halten Chemie danach für ihren persönlichen Alltag für

wichtig, für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands sind es sogar 82,0 %

(232 Studenten).

Analyse

117

4.2.4.2 Fachlich

Die Unterschiede der bei dieser Befragung angegebenen Leistungen einzelner

Medizinstudenten sind bisweilen auffallend groß. Die Mehrheit jedoch verfügt

über ein recht vergleichbares chemisches Wissen. Dies wird zum einen durch die

zahlreichen positiven und negativen Ausreißer, zum anderen durch die Lage der

Mediane und Perzentile in den folgenden Diagrammen bestätigt.

Diagramm 56: Abschneiden der einzelnen Aufgaben. Befragte Gruppe: Medizinstuden-

ten ohne Chemie in der Oberstufe.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Deutliche Probleme hatte mindestens die Hälfte der Studenten bei den Aufgaben

10 (Verwendungszwecke von Kohlenwasserstoffen), 11 (Formeln von organi-

schen Stoffen), 15 (Definition einer Atombindung), 18 (MWG), 19 (Großtechni-

sche Verfahren) und 21 (Berühmte Chemiker) – der Median, zum Teil sogar das

Analyse

118

75%-Perzentil, liegen hier jeweils bei null Punkten. Besser lief es bei hingegen bei

den Aufgaben 2 (Luftbestandteile), 4 (Elementsymbole), 5 (Namen von Säuren)

und 13 (Definition einer Oxidation), auch wenn eine „beste“ Aufgabe nicht identi-

fiziert werden kann.

Die Medizinstudenten, die Chemie in der Oberstufe belegt hatten, erzielten bei

den einzelnen Aufgaben folgendes Ergebnis.

Diagramm 57: Abschneiden der einzelnen Aufgaben. Befragte Gruppe: Medizinstuden-

ten mit Chemie in der Oberstufe.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Erwartungsgemäß schnitt dieser Teil der Medizinstudenten insgesamt besser ab

als ihre zugehörige Vergleichsgruppe. Dennoch gab es auch hier bei einigen Auf-

gaben große Probleme. Besonders die Aufgaben 18 (MWG) und 19 (Großtechni-

sche Verfahren) wurden von kaum einem Studenten korrekt beantwortet. Interes-

Analyse

119

sant ist jedoch, dass es gerade bei diesen beiden Aufgaben die meisten Ausreißer

gibt (57 bei der Aufgabe zum MWG, 41 bei der Frage nach Großtechnischen Ver-

fahren. Durch Überlagerungen sind nur wenige der zugehörigen Sterne zu sehen).

Im Folgenden werden die erreichten Punktzahlen in Bezug auf die verschiedenen

Bereiche der Chemie dargestellt (vgl. dazu Tabelle 10 in KAPITEL 4.2.1.2). Aus

Vergleichbarkeitsgründen wurden auch hier die Punktzahlen auf 70 erreichbare

Punkte pro Bereich normiert. Insgesamt können also 210 Punkte erreicht werden.

Diagramm 58: Erreichte Punktzahlen, aufgeteilt nach den Bereichen der Chemie.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008)

Im Bereich Organische Chemie und Biochemie schnitten die Medizinstudenten,

die Chemie in der Oberstufe belegt haben, deutlich besser ab, als die Studenten

ohne Chemie in der Oberstufe. In den anderen Bereichen sind diese Unterschiede

jedoch wesentlich geringer. Besonders im Bereich Anorganische Chemie, einzel-

Analyse

120

ne Werte sind in der folgenden Tabelle durch Fettdruck hervorgehoben, erzielten

beide Studentengruppen nahezu die gleichen Ergebnisse.

Tab. 21: Klassifikation der Aufgaben nach Bereichen der Chemie (m. = Studenten, mit

Chemie in der Oberstufe; o. = Studenten, ohne Chemie in der Oberstufe). Angaben in

(gewichteten) Punkten.

Allgemeine Che-

mie und übergrei-

fende Aufgaben

Anorganische

Chemie

Organische

Chemie und

Biochemie

m. 27,3 47,8 21,6 Median

o. 25,3 44,1 4,7

m. 18,8 41,2 9,5 25%-Perzentil

o. 16,3 34,9 2,8

m. 37,0 54,2 31,9 75%-Perzentil

o. 31,7 50,7 15,0

m. 0 15,6 0 Minimum

o. 4,9 4,9 0

m. 65,2 69,9 62,8 Maximum

o. 48,1 72,1 37,5

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Eine ähnliche Analyse wird nun anhand spezifischer Inhalte des Fragebogens

durchgeführt (vgl. Tabelle 12 in KAPITEL 4.2.1.2). Mit den normierten Punktzah-

len ergibt sich für die Medizinstudenten folgendes Bild:

Analyse

121

Diagramm 59: Erreichte Punktzahlen, aufgeteilt nach spezifischen Inhalten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Die Medizinstudenten mit Chemie in der Oberstufe schnitten im Bereich „Ele-

mentsymbole, Formeln, Reaktionsgleichungen“ am besten ab. Der stärkste Be-

reich der Studenten ohne Chemie in der Oberstufe, der als einziger Bereich besser

ausfiel, als der entsprechende Bereich in der Vergleichsgruppe und deshalb in der

folgenden Tabelle durch Fettdruck hervorgehoben wird, ist hingegen erfreulicher

Weise der Bereich „Allgemeine Probleme, Chemie des Alltags“. Allerdings

kommen in vier Bereichen – bei den Studenten ohne Chemie in der Oberstufe sind

es sogar fünf – je 75 % der Befragten beider Gruppen nicht oder nur sehr knapp

über 20 Punkte der maximal erreichbaren 35 Punkte heraus, so dass bei den meis-

ten Studenten waren in diesen Kategorien maximal 57,1 % der gegebenen Ant-

worten korrekt waren. Die folgende Tabelle enthält die wichtigsten Werte des

Boxplot-Diagramms:

Analyse

122

Tab. 22: Klassifikation der Aufgaben nach spezifischen Inhalten der Chemie (m. = Stu-

denten, mit Chemie in der Oberstufe; o. = Studenten, ohne Chemie in der Oberstufe).

Angaben in Punkten.

1 2 3 4 5 6

m. 17,2 23,9 15,4 19,7 5,0 7,0 Median

o. 11,5 15,8 11,6 23,0 4,6 0

m. 12,0 19,1 9,5 14,9 2,5 0 25%-

Perzentil o. 6,4 12,0 7,8 17,2 0 0

m. 22,6 27,7 21,1 25,3 8,5 14,0 75%-

Perzentil o. 20,2 20,2 17,0 29,5 5,4 13,1

m. 0 3,0 0 3,2 0 0 Minimum

o. 0 0 0 5,0 0 0

m. 67,1 39,4 36,2 36,8 21,8 37,3 Maximum

o. 45,5 27,5 28,3 45,0 13,6 30,6

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

4.2.4.3 Fazit

Das Interesse an Naturwissenschaften der Medizinstudenten, gemessen an der

Wahl der Leistungskurse, ist recht hoch. 65,7 % (186 Studenten) wählten in der

Schule wenigstens eine Naturwissenschaft als Leistungskurs, 116 Studenten wähl-

ten dabei Biologie. Das Interesse am Fach Chemie ist für die Medizinstudenten

hingegen wesentlich geringer. Nur 22 Studenten belegten einen Chemie-

Leistungskurs, hinzukommt, dass das Fach für 120 Studenten (42,4 %) unbeliebt

Analyse

123

und für 97 Studenten (34,3 %) zu schwer war. Mehr als ein Viertel (75 Studenten,

26,5 %) wählte Chemie mit Beginn der Jahrgangsstufe elf ab.

Die problematischen Aufgaben der Medizinstudenten sind mit denen der Human-

biologie und Biologiestudenten (B. Sc.) nahezu identisch. Auch hier standen zum

Teil mehr als 50 % der Befragten ohne Chemie in der Oberstufe bei den Aufgaben

10 (Verwendungszwecke von Kohlenwasserstoffen), 11 (Formeln von organi-

schen Stoffen), 15 (Definition einer Atombindung), 18 (MWG), 19 (Großtechni-

sche Verfahren) und 21 (Berühmte Chemiker) vor schier unlösbaren Problemen.

Bei den Studenten mit Chemie in der Oberstufe beschränken sich die größten

Probleme auf die Aufgaben 18 (MWG) und 19 (Großtechnische Verfahren). Die

einzelnen Aufgaben und deren Einordnung im Lehrplan wurden bereits in den

vorhergehenden Kapiteln (jeweils im Fazit) ausführlich erörtert. Die Sachlage ist

identisch und soll aus diesem Grund an dieser Stelle nicht wiederholt werden.

Einzig Frage 11 (Formeln von organischen Stoffen) bedarf einer ausführlicheren

Behandlung.

Die Human- und Zahnmedizinstudenten, die Chemie nicht in der Oberstufe beleg-

ten, sind die erste Gruppe, die mit der Frage nach Formeln organischer Verbin-

dungen große Schwierigkeiten hatten. Gaben bei ihrer zugehörigen Vergleichs-

gruppe noch 40 der 208 Studenten (19,2 %), die Chemie in der Oberstufe belegt

hatten, zu keinem der angegebenen Stoffnamen (Ethanol, Benzol, Methan, Gluco-

se) eine korrekte Summen- oder Strukturformel an, waren es bei den 75 Studenten

ohne Chemie nach Klasse 10 schon 39 Studenten (52,0 %) – und das, obwohl zu-

mindest Ethanol („Lösen fester, flüssiger und gasförmiger Stoffe in verschiedenen

Lösungsmitteln (Wasser, Alkohol, Benzin)“57) und Methan („Gesättigte Kohlen-

wasserstoffe“58) aus dem Chemieunterricht der Mittelstufe, und Glucose aus dem

Biologieunterricht bekannt sein sollten. Doch auch elf der 24 Studenten (45,8 %),

die in der Oberstufe zwar kein Chemie mehr, dafür aber einen Biologie-

Leistungskurs belegten, konnten keine der geforderten Summen- oder Struktur-

formeln – auch nicht die der Glucose – angeben.

57 Hessischer G9-Lehrplan Chemie (2003), S. 11 58 a. a. O., S. 26

Analyse

124

Die organisch-chemischen Aufgaben des Fragebogens fielen den Befragten ohne-

hin nicht allzu leicht. Die Studenten ohne Chemie in der Oberstufe schnitten hier

äußerst schlecht ab, 50 % der Befragten erreichten nicht einmal 7 % der zu verge-

benden Punkte. 50 % der Studenten mit Chemie erreichten immerhin ein Drittel

der Punkte, was dennoch sehr wenig ist. Im Bereich der Anorganischen Chemie

sind die Werte beider Gruppen nahezu identisch, was jedoch nicht besonders ver-

wunderlich ist, wird doch Anorganische Chemie zum größten Teil schon vor Be-

ginn der Oberstufe vermittelt.

In Bezug auf die fachspezifischen Inhalte fällt das Ergebnis der Befragung relativ

enttäuschend aus. In fünf von sechs Bereichen („Stoffgruppen“, „Elementsymbo-

le, Formeln, Reaktionsgleichungen“, „Definitionen, Gesetze, Konstanten“, „An-

gewandte Chemie, Technologie“ und „Geschichte der Chemie“) erhielten jeweils

50 % der 75 Befragten ohne Chemie in der Oberstufe weniger als die Hälfte der

erreichbaren Punkte, in dreien dieser Bereiche („Definitionen, Gesetze, Konstan-

ten“, „Angewandte Chemie, Technologie“ und „Geschichte der Chemie“) sind es

sogar mehr als 75 % der Befragten, in einem weiteren („Angewandte Chemie,

Technologie“) erreichte gar niemand die 50%-Punktemarke. Einziger Lichtpunkt:

der Bereich „Allgemeine Probleme, Chemie des Alltags“. Hier schnitten die Stu-

denten recht gut ab, der Median liegt bei 23,0 Punkten (65,7 %), das 75%-

Perzentil bei 29,5 Punkten (84,3 %). Mit diesem Ergebnis waren die Studenten

ohne Chemie nach Klasse 10 sogar besser als die Vergleichsgruppe mit Chemie in

der Oberstufe, die bis auf die Bereiche „Angewandte Chemie, Technologie“ und

„Geschichte der Chemie“, in denen der Median bei nur 5 bzw. 7 Punkten liegt

(14,3 % bzw. 20 %), zufrieden stellend aber keineswegs überragend abschnitten.

4.2.5 Pharmazie

4.2.5.1 Allgemein

Die Umfrage in der Gruppe der Pharmaziestudenten konnte aus organisatorischen

Gründen seitens des Fachbereichs Pharmazie erst in der zweiten Chemie-

Vorlesung durchgeführt werden. Der verantwortliche Hochschuldozent versicher-

Analyse

125

te jedoch, erst einige, kaum den Fragebogen betreffenden Grundlagen mit den

Studenten besprochen zu haben. Das bis zur Umfrage vermittelte Wissen dürfe

sich daher nur infinitesimal auf das Ergebnis der Befragung auswirken.

Insgesamt wurden 85, davon 61 weibliche (71,8 %) und 24 männliche Erstsemes-

terstudenten der Pharmazie befragt. Der Großteil der Studenten kommt aus Hes-

sen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen (61 Studenten, 71,8 %). Die übrigen

bestanden ihre Hochschulreife nahezu über das gesamte Bundesgebiet verteilt,

was das folgende Balkendiagramm verdeutlicht:

Diagramm 60: Herkunft der befragten Pharmaziestudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Zur Befragung der Pharmaziestudenten: Auch hier waren durch die Normierung

der Punktzahlen und die Berücksichtigung des jeweiligen Schwierigkeitsgrads pro

Aufgabe insgesamt maximal 210 Punkte zu erreichen. Durchschnittlich erhielt

jeder Pharmaziestudent 120,8 Punkte (57,5 % d. G.). Die maximal erzielte Punkt-

Analyse

126

zahl liegt bei 206,1 Punkten (98,1 % d. G.), das Minimum bei 27,4 Punkten (13,1

% d. G.). Die Gesamtheit der erreichten Punkte verteilt sich wie folgt:

Diagramm 61: Punkteverteilung der befragten Pharmaziestudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass es bei beiden befragten Gruppen weder po-

sitive noch negative Ausreißer gibt. Zudem liegt der Median der Studentengruppe

ohne Chemie in der Oberstufe sehr dicht beim 75%-Perzentil, was allerdings dar-

auf zurückzuführen ist, dass nur neun Studenten in der Oberstufe kein Chemie

belegt haben und von diesen drei Befragte zwischen 84,3 Punkten (Median) und

94,4 Punkten (75%-Perzentil) erreichten. Die Streuung bei den 76 Studenten mit

Chemie in der Oberstufe (89,4 %) ist entsprechend größer. Die folgende Tabelle

enthält die wichtigsten Daten:

Analyse

127

Tab. 23: Daten für Pharmaziestudenten.

Studenten ohne Chemie in

der Oberstufe

Studenten mit Chemie in

der Oberstufe

Median 84,3 (40,1%) 128,8 (61,3 %)

25%-Perzentil 43,2 (20,6 %) 100,4 (47,8 %)

75%-Perzentil 94,4 (45,0 %) 151,6 (72,2 %)

Minimum 27,4 (13,0 %) 31,2 (14,9 %)

Maximum 110,4 (52,6 %) 206,1 (98,1 %)

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Sind die chemischen Inhalte bei den Studiengängen der Human- und Zahnmedizin

zwar nur gering aber durchaus vorhanden, ist das Pharmazie-Studium deutlich

durch Chemie geprägt. Veranstaltungen wie „Chemie für Pharmazeuten“, „All-

gemeine und analytische Chemie der anorganischen Arznei-, Hilfs- und Schad-

stoffe“, „Organisch medizinische Chemie“, „Stereochemie“, „Arzneimittelanaly-

tik“ oder „Grundlagen der klinischen Chemie“ sowie entsprechende Seminare und

Praktika verdeutlichen dies beachtlich. Dieser Tatsache waren sich die Pharmazie-

studenten offenbar auch schon in der Schule bewusst, als sich viele für eine Na-

turwissenschaft entschieden, als es um die Wahl der Leistungskurse ging. Das

folgende Diagramm verdeutlicht dies:

Analyse

128

Diagramm 62: Anzahl der Pharmaziestudenten mit Naturwissenschaften als Leistungs-

kurs.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Nur ein Fünftel der Befragten belegte keinen naturwissenschaftlichen LK. Die am

häufigsten belegten Leistungskurse waren Chemie (35 Studenten, 41,2 %), Biolo-

gie (32 Studenten, 18,8 %) und Mathematik (28 Studenten, 33,0 %). Erst dann

folgen mit Englisch (22 Studenten, 25,9 %) und Deutsch (16 Studenten, 18,8 %)

die ersten nicht-naturwissenschaftlichen Fächer.

Ein ähnliches Ergebnis erzielt die Frage nach der Beliebtheit des Faches Chemie:

Diagramm 63: Beliebtheit des Faches Chemie bei den Pharmaziestudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Analyse

129

Danach war für mehr als zwei Drittel der Befragten (57 Studenten, 67,1 %) Che-

mie ein beliebtes Schulfach. Für rund ein Drittel (26 Studenten, 30,6 %) gehörte

es sogar zu den leichten Fächern, für mehr als die Hälfte der Befragten (44 Stu-

denten, 51,8 %) hatte es eine durchschnittliche Schwierigkeit.

Diagramm 64: Subjektive Einschätzung des Schwierigkeitsgrads des Faches Chemie bei

den Pharmaziestudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Dennoch belegte die deutliche Mehrheit von 62 Studenten (72,9 %) Chemie bis

zum Abitur – 35 Studenten, wie oben erwähnt, sogar als Leistungskurs.

Diagramm 65: Letzter Chemieunterricht der Pharmaziestudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Analyse

130

Entsprechend fiel auch die Einschätzung nach den Schulleistungen in Chemie aus.

Niemand gab danach an, in Chemie „mangelhaft oder schlechter“ gewesen zu

sein. Die deutliche Mehrheit (47 Studenten, 55,3 %) brachte nach eigenen Ein-

schätzungen sogar sehr gut bis gute Leistungen, 32 Studenten (37,6 %) haben be-

friedigende Beurteilungen erhalten.

Diagramm 66: Einteilung der Medizinstudenten in die der Gesamtheit ihrer Chemie-

Zeugnisnoten entsprechenden Leistungsgruppe.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Bei der Beurteilung der Wichtigkeit der Chemie für den persönlichen Alltag bzw.

die Wirtschaft und wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands gaben die Pharma-

ziestudenten folgende Einschätzungen ab:

Diagramm 67: Beurteilung der Chemie für den persönlichen Alltag durch die Pharmazie-

studenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Analyse

131

Diagramm 68: Beurteilung der Chemie für die Wirtschaft und die wirtschaftliche Entwick-

lung Deutschlands durch die Biologie-Lehramtsstudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Danach halten gut zwei Drittel der Befragten (58 Studenten, 68,2 %) Chemie für

ihren persönlichen Alltag für wichtig, für die wirtschaftliche Entwicklung

Deutschlands sind es sogar über drei Viertel (67 Studenten, 78,8 %).

4.2.5.2 Fachlich

Die Pharmaziestudenten schnitten, wie den aufgeführten Daten in KAPITEL 4.2.5.1

entnehmbar ist, vergleichsweise gut ab. Die bei den neun Studenten ohne Chemie

in der Oberstufe auftretende große Streuung der erzielten Punkte ist auf die kleine

Anzahl der Studenten zurückzuführen.

Analyse

132

Diagramm 69: Abschneiden der einzelnen Aufgaben. Befragte Gruppe: Pharmaziestu-

denten ohne Chemie in der Oberstufe.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Die Aufgaben 4 (Elementsymbole) und 13 (Definition einer Oxidation) fielen sehr

gut aus, der Median liegt in beiden Fällen bei mehr als 10 Punkten. Mit den Fra-

gen 2 (Luftbestandteile) und 14 (Definition eines Ions) hatte keiner bzw. nur einer

der Befragten Probleme, was die Lage des jeweiligen Minimums bestätigt.

Schwierigkeiten hatten die Befragten hingegen bei den Aufgaben 7 (Verwen-

dungszwecke von Salzen), 9 (Namen von Kohlenwasserstoffen), 10 (Verwen-

dungszwecke von Kohlenwasserstoffen), 12 (Definition einer Säure), 15 (Defini-

tion einer Atombindung), 18 (MWG) und besonders bei Aufgabe 19 (Großtechni-

sche Verfahren), bei der niemand eine korrekte Antwort gab.

Die gute Leistung der Studenten mit Chemie in der Oberstufe bestätigt das fol-

gende Diagramm, in welchem gut erkennbar ist, dass der Median bei den meisten

Analyse

133

Aufgaben über der 5-Punkte-Marke liegt. Das heißt, dass bei diesen Aufgaben

jeweils mehr als 50 % der Befragten mehr als die Hälfte der maximal zehn er-

reichbaren Punkte erzielt haben. Wegen des extremen Ausreißers (43,2 Punkte) in

Aufgabe 6 (Namen von Laugen / Basen) ist der Höchstwert der y-Achse im Dia-

gramm sehr groß. In Folge dessen sind die einzelnen Boxen etwas gestaucht.

Diagramm 70: Abschneiden der einzelnen Aufgaben. Befragte Gruppe: Pharmaziestu-

denten mit Chemie in der Oberstufe.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Größere Probleme hatten die 76 Befragten nur bei den Aufgaben 18 (MWG) und

19 (Großtechnische Verfahren). Überraschenderweise wurden die deutlich meis-

ten Punkte bei Aufgabe 6 erzielt, bei welcher das 25%-Perzentil höher liegt als die

Maximalerte von nahezu allen anderen Aufgaben.

Analyse

134

Im Folgenden werden die erreichten Punktzahlen in Bezug auf die verschiedenen

Bereiche der Chemie dargestellt (vgl. dazu Tabelle 10 in KAPITEL 4.2.1.2). Aus

Vergleichbarkeitsgründen wurden auch hier die Punktzahlen auf 70 erreichbare

Punkte pro Bereich normiert. Insgesamt können also 210 Punkte erreicht werden.

:

Diagramm 71: Erreichte Punktzahlen, aufgeteilt nach den Bereichen der Chemie.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008)

Auch bei den Pharmaziestudenten schnitten diejenigen, die Chemie in der Ober-

stufe belegt hatten, im Bereich Organische Chemie und Biochemie deutlich besser

ab, als ihre Kommilitonen ohne Chemie in den Jahrgangsstufen 11, 12 und 13.

Auch in den beiden anderen Bereichen sind Unterschiede, durchaus eindeutig aber

in wesentlich geringerem Ausmaß, zu erkennen. Die folgende Tabelle enthält die

wichtigsten Daten:

Analyse

135

Tab. 24: Klassifikation der Aufgaben nach Bereichen der Chemie (m. = Studenten, mit

Chemie in der Oberstufe; o. = Studenten, ohne Chemie in der Oberstufe). Angaben in

(gewichteten) Punkten.

Allgemeine Che-

mie und übergrei-

fende Aufgaben

Anorganische

Chemie

Organische

Chemie und

Biochemie

m. 42,7 52,3 35,3 Median

o. 27,2 39,8 10,2

m. 31,5 45,8 25,0 25%-Perzentil

o. 10,5 32,9 2,4

m. 49,2 58,7 43,7 75%-Perzentil

o. 30,3 47,6 14,3

m. 9,0 16,7 0 Minimum

o. 6,7 21,8 0

m. 79,2 68,6 62,5 Maximum

o. 43,1 51,0 18,8

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Eine ähnliche Analyse wird nun anhand spezifischer Inhalte des Fragebogens

durchgeführt (vgl. Tabelle 12 in KAPITEL 4.2.1.2). Mit den normierten Punktzah-

len ergibt sich hier für die Pharmaziestudenten folgendes Bild:

Analyse

136

Diagramm 72: Erreichte Punktzahlen, aufgeteilt nach spezifischen Inhalten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Im Bereich „Stoffgruppen“ schnitten die meisten der befragten Studenten mit

Chemie in der Oberstufe deutlich am besten ab. Nicht nur die extrem große Span-

ne zwischen 75%-Perzentil und Maximalwert, sondern auch der ungewöhnlich

hohe Median von 34 Punkten (zur Erinnerung: durch die Normierung der Punkt-

zahlen waren, ohne Berücksichtigung der Konstanten M i bzw. Mib und Ni, maxi-

mal 35 Punkte erreichbar) zeugen von einer sehr gute Bildung der Befragten auf

diesem Gebiet. Die folgende Tabelle enthält die wichtigsten Werte des Boxplot-

Diagramms:

Analyse

137

Tab. 25: Klassifikation der Aufgaben nach spezifischen Inhalten der Chemie (m. = Stu-

denten, mit Chemie in der Oberstufe; o. = Studenten, ohne Chemie in der Oberstufe).

Angaben in Punkten.

1 2 3 4 5 6

m. 34,4 29,6 18,0 20,8 5,8 11,7 Median

o. 11,3 16,9 13,5 25,5 2,4 8,7

m. 28,3 25,7 12,0 16,0 2,5 4,7 25%-

Perzentil o. 1,6 10,3 5,3 14,2 0 2,2

m. 47,8 32,7 23,4 24,7 10,7 23,3 75%-

Perzentil o. 23,1 21,0 19,0 26,3 5,2 8,7

m. 0 5,7 1,7 6,4 0 0 Minimum

o. 0 6,4 1,5 11,1 0 0

m. 96,7 34,7 33,2 36,8 23,4 56,0 Maximum

o. 25,6 23,4 26,8 28,2 7,5 17,5

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Auch in dieser Gruppe haben die Pharmaziestudenten ohne Chemie in der Ober-

stufe in der vierten Kategorie „Allgemeine Probleme, Chemie des Alltags“ besser

abgeschnitten als ihre Kommilitonen mit Chemie in der Oberstufe (in der Tabelle

fett hervorgehoben).

Analyse

138

4.2.5.3 Fazit

Unter Pharmaziestudenten ist Chemie unbestritten eines der beliebtesten Schulfä-

cher – das zeigen zumindest die Ergebnisse dieser Umfrage. Vier Fünftel (68 Stu-

denten) der befragten Pharmaziestudenten belegten in der Oberstufe mindestens

eine Naturwissenschaft als Leistungskurs, von denen Chemie am häufigsten ge-

wählt wurde (35 Studenten, 20,6 %). Außerdem war für mehr als zwei Drittel der

Befragten Chemie ein beliebtes Schulfach, welches für fast ein Drittel sogar zu

den leichteren Fächern gehörte und in welchem mehr als die Hälfte der Befragten

(47 Studenten, 55,3 %) durchweg sehr gute bis gute Beurteilungen erhielten. Und:

Nur neun Studenten (10,6 %) wählten Chemie nach der 10. Klasse ab, fast drei

Viertel (62 Studenten, 72,9 %) belegten es hingegen bis zum Abitur.

Schaut man sich diese beeindruckenden Werte an verwundert es nicht, dass die

Pharmaziestudenten bei der Befragung ein äußerst gutes Ergebnis ablieferten.

Durchaus gab es auch hier problematische Aufgaben – bei den Studenten ohne

Chemie in der Oberstufe waren es die Aufgaben 7 (Verwendungszwecke von Sal-

zen), 9 (Namen von Kohlenwasserstoffen), 10 (Verwendungszwecke von Koh-

lenwasserstoffen), 12 (Definition einer Säure), 15 (Definition einer Atombin-

dung), 18 (MWG) und besonders die Aufgabe 19 (Großtechnische Verfahren), bei

der zugehörigen Vergleichsgruppe beschränken sich die Probleme auf die Aufga-

ben 18 (MWG) und 19 (Großtechnische Verfahren) – der Großteil des Fragebo-

gens wurde aber von den meisten Befragten gut und ausführlich beantwortet. Die

problematischen Fragen wurden bereits in den vorangehenden Kapiteln jeweils im

Fazit behandelt. Auch der Bezug zum Hessischen G9-Lehrplan von 2003 wurde

dort hergestellt, so dass eine genauere Betrachtung an dieser Stelle entfällt.

Interessanter hingegen ist die Tatsache, dass besonders die Studenten mit Chemie

in der Oberstufe im Bereich Organische Chemie sehr gut abschnitten. Doch auch

die Studenten ohne Chemie in den Jahrgangsstufen 11, 12 und 13 erzielten hier

ein beachtliches Ergebnis. Immerhin erreichte die Hälfte der Befragten bei diesen,

hauptsächlich in der Oberstufe unterrichteten Themen, mehr als 10,2 Punkte (14,6

%). Die Anorganische Chemie ist hingegen auch bei den Pharmaziestudenten der

Analyse

139

Bereich, in welchem die Befragten die meisten Aufgaben lösen konnten. Die

Gründe hierfür wurden ebenfalls bereits erörtert.

Eine beeindruckende Leistung erbrachten die Pharmaziestudenten mit Chemie in

der Oberstufe in der Kategorie „Stoffgruppen“. Hier liegt der Median bei 34,4

Punkten – 35 Punkte waren maximal zu erreichen. Ein Viertel der Befragten er-

reicht sogar 47,8 Punkte. Wie ist das zu erklären? Zum Bereich Stoffgruppen ge-

hören die Aufgaben 5 (Namen von Säuren), 6 (Namen von Laugen / Basen) und 9

(Namen von Kohlenwasserstoffen). Bei jeder dieser Aufgaben handelt es sich um

eine offen formulierte Aufgabe, bei der eine bestimmte Anzahl an Nennungen

zwar durchaus erwartet, aber nicht vorgegeben wurde. Jede korrekte Nennung

wurde bewertet. Durch das Nennen von zahlreichen korrekten Antworten konnten

also auch zahlreiche Punkte erreicht werden (vgl. KAPITEL 1.2), und von dieser

Möglichkeit machten die Pharmaziestudenten reichlich Gebrauch. Auch in dem

Bereich „Elementsymbole, Formeln, Reaktionsgleichungen“ ist das Ergebnis her-

vorragend, der Median liegt bei fast 30 Punkten.

Die Studenten ohne Chemie in der Oberstufe erreichten, außer in den Kategorien

„Angewandte Chemie, Technologie“ und „Geschichte der Chemie“, ebenfalls ein

gutes Ergebnis. Besonders im Bereich „Allgemeine Probleme, Chemie des All-

tags“ – der beste Bereich dieser Befragungsgruppe – liegen die Werte für Median,

75%-Perzentil und Maximum über den Werten für die Gruppe mit Chemie nach

der 10. Klasse.

4.2.6 Evangelische Theologie

4.2.6.1 Allgemein

Bei der befragten Vergleichsgruppe handelt es sich um Erstsemesterstudenten der

Evangelischen Theologie (kirchliches Examen und Lehramt). Hier wurden 38

Studentinnen (67,9 %) und 18 Studenten befragt. Von diesen insgesamt 56 Stu-

denten machten 32 (57,1 %) ihr Abitur im Jahr 2008, 17 (30,4 %) legten es 2007

Analyse

140

ab. Die meisten Studenten kommen aus Hessen (26 Studenten, 46,4 %), es folgen

Niedersachsen (12 Studenten, 21,4 %) und Nordrhein-Westfalen (5 Studenten, 8,9

%).

Diagramm 73: Herkunft der befragten Theologiestudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Bei der Befragung selbst schlossen die Theologiestudenten folgendermaßen ab:

Durch die Normierung der Punktzahlen sowie die Berücksichtigung des jeweili-

gen Schwierigkeitsgrads pro Aufgabe waren maximal 210 Punkte zu erreichen. Im

Schnitt erreichte jeder Theologie-Student 57,9 Punkte (27,6 % d. G.). Die maxi-

mal erzielte Punktzahl liegt bei 127,5 Punkten (60,7 % d. G.), das Minimum bei

9,49 Punkten (4,5 % d. G.). Die Gesamtheit der erreichten Punkte verteilt sich wie

folgt:

Analyse

141

Diagramm 74: Punkteverteilung der befragten Theologiestudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Dieses Boxplot-Diagramm zeigt, dass die Theologiestudenten, die Chemie in der

Oberstufe belegt haben, ein etwas besseres Ergebnis erzielt haben als die Studen-

ten, die Chemie spätestens nach der 10. Klasse abgewählt haben, auch wenn der

Unterschied äußerst gering ist. Der Median liegt bei den Studenten ohne Chemie

in der Oberstufe bei 45,7 Punkten (21,8 % d. G.), bei der Vergleichsgruppe liegt

er bei 59,2 Punkten (28,2 % d. G.). Drei der vier Studenten, die Chemie in der

Oberstufe belegt haben und eine als „Ausreißer“ zu bezeichnende Leistung brach-

ten (die Kreise sind in der Grafik zum Teil überdeckt), belegten jeweils zwei Na-

turwissenschaften in der Oberstufe als Leistungskurs – eine davon war Chemie.

Die folgende Tabelle enthält die wichtigsten Daten:

Analyse

142

Tab. 26: Daten für Theologiestudenten.

Studenten ohne Chemie in

der Oberstufe

Studenten mit Chemie in

der Oberstufe

Median 45,7 (21,8 %) 59,2 (28,2 %)

25%-Perzentil 38,8 (18,5 %) 43,7 (20,8 %)

75%-Perzentil 63,2 (30,1 %) 72,2 (34,4 %)

Minimum 17,6 (8,4 %) 9,5 (4,5 %)

Maximum 75,0 (35,7 %) 127,5 (60, 7 %)

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Das folgende Diagramm zeigt jedoch, dass Studenten mit dieser Leistungskurs-

konstellation in der evangelischen Theologie eher selten anzutreffen sind:

Diagramm 75: Anzahl der Studenten mit Naturwissenschaften als Leistungskurs

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

34 (60,7 %) der befragten Theologiestudenten belegten demnach keine einzige

Naturwissenschaft (Chemie, Biologie, Physik, Mathematik) als Leistungskurs.

Analyse

143

Nur 28,5 % belegten eine, 10,7 % sogar zwei. Biologie und Mathematik waren

dabei die Naturwissenschaften, die am häufigsten gewählt wurde (12 bzw. 11 Stu-

denten, 21,4 % bzw. 19,6 %). Einen Chemie-Leistungskurs belegten nur drei Stu-

denten (5,4 %), Physik wurde sogar nur von zwei Theologiestudenten (3,6 %)

gewählt. Bei der Beliebtheit des Schulfaches Chemie sieht es ähnlich aus: Für

mehr als die Hälfte der Studenten war Chemie ein unbeliebtes Fach.

Diagramm 76: Beliebtheit des Faches Chemie bei den Theologiestudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Nur bei rund einem Fünftel gehörte Chemie zu den beliebten Fächern. Ähnliches

gilt für die geforderte Einschätzung des Schwierigkeitsgrads.

Diagramm 77: Subjektive Einschätzung des Schwierigkeitsgrads des Faches Chemie bei

den Theologiestudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Analyse

144

Danach empfanden nur vier Studenten (7,1 %) Chemie in der Schule als leicht, für

fast die Hälfte (27 Studenten, 48,2 %) zählte es sogar zu den schwierigen Fächern

– vermutlich ein Grund, warum viele Schüler (38 Studenten, 67,8 %) spätestens

nach der 11. Jahrgangsstufe Chemie abwählten.

Diagramm 78: Letzter Chemieunterricht der Theologiestudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Nur gut ein Drittel (18 Studenten, 32,2 %) der späteren Theologiestudenten beleg-

te Chemie auch in der Jahrgangsstufe 12, nur zehn (17,9 %) behielten das Fach bis

zum Abitur. Die Beurteilungen, welche die Theologiestudenten in ihrer Schul-

laufbahn in Chemie erhielten, schätzten sie folgendermaßen ein. Sie unterstrei-

chen die obigen Ergebnisse eindrucksvoll.

Diagramm 79: Einteilung der Theologiestudenten in die der Gesamtheit ihrer Chemie-

Zeugnisnoten entsprechenden Leistungsgruppe.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Analyse

145

Mehr als ein Viertel der Befragten (28,6 %) gibt an, in der Schule durchschnittlich

nicht besser als „ausreichend“ gewesen zu sein. Sehr gute und gute Leistungen

erbrachten nach eigenen Einschätzungen gut ein Fünftel (19,6 %).

Das Ergebnis der Fragen fünf und sechs des A-Teils aus („Wie beurteilen Sie die

Bedeutung der Chemie und Ihrer Forschungsergebnisse / Produkte für Ihren All-

tag“ bzw. „für die Wirtschaft und die wirtschaftliche Entwicklung Deutsch-

lands?“) fiel folgendermaßen aus:

Diagramm 80: Beurteilung der Chemie für den persönlichen Alltag durch die Theologie-

studenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Diagramm 81: Beurteilung der Chemie für die Wirtschaft und die wirtschaftliche Entwick-

lung Deutschlands durch die Theologiestudenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Analyse

146

Nur 55,4 % beurteilen die Chemie trotz des enormen Alltagsbezug und der Allge-

genwärtigkeit danach als „wichtig“ für ihren Alltag. Für die wirtschaftliche Ent-

wicklung Deutschlands halten 75 % die Chemie als bedeutend.

4.2.6.2 Fachlich

Die Studenten der Evangelischen Theologie bewiesen bei dieser Umfrage, dass

ihre Stärken nicht in der Chemie liegen. Mit den meisten Aufgaben hatte der

Großteil der befragten Studenten enorme Probleme.

Diagramm 82: Abschneiden der einzelnen Aufgaben. Befragte Gruppe: Theologiestu-

denten mit Chemie in der Oberstufe.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Analyse

147

In der Vergleichsgruppe fällt das Ergebnis nur geringfügig besser aus. Die zahl-

reichen positiven Ausreißer zeigen jedoch, dass einigen Theologiestudenten die

Beantwortung mancher Fragen weniger Schwierigkeiten bereitete.

Diagramm 83: Abschneiden der einzelnen Aufgaben. Befragte Gruppe: Theologiestu-

denten mit Chemie in der Oberstufe.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008, Studentenbefragung).

Bei dieser Befragungsgruppe wurde jede Aufgabe von wenigstens einem Studen-

ten korrekt beantwortet – selbst Aufgabe 18 (MWG) gab ein Student eine gänzlich

richtige Lösung an. Das hat es bei den anderen Fachbereichen nicht gegeben.

Im Folgenden werden die Fragen anhand der drei Bereiche der Chemie ausgewer-

tet. Aus Vergleichbarkeitsgründen mussten auch hier die Punktzahlen auf 70 er-

reichbare Punkte pro Bereich normiert werden. Insgesamt können also wieder 210

Punkte erreicht werden.

Analyse

148

Bei diesen Aufgaben schnitten die befragten Theologiestudenten wie folgt ab:

Diagramm 84: Erreichte Punktzahlen, aufgeteilt nach den Bereichen der Chemie.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008)

An diesem Boxplot-Diagramm ist deutlich zu erkennen, dass bei beiden Studen-

tengruppen die meisten Punkte im Bereich „Anorganische Chemie“ erreicht wur-

den. Im Bereich „Organische Chemie“ schnitten die Befragten – besonders die

Studenten, die in der Oberstufe Chemie nicht belegt hatten – hingegen schlecht

ab. Bis auf wenige Ausreißer erreichten aber auch die Studenten der Vergleichs-

gruppe in diesem Bereich nur wenige Punkte, der Median liegt bei 5,0 Punkten.

Die folgende Tabelle verdeutlicht die Punkteverteilung:

Analyse

149

Tab. 27: Klassifikation der Aufgaben nach Bereichen der Chemie (m. = Studenten, mit

Chemie in der Oberstufe; o. = Studenten, ohne Chemie in der Oberstufe). Angaben in

(gewichteten) Punkten.

Allgemeine Che-

mie und übergrei-

fende Aufgaben

Anorganische

Chemie

Organische

Chemie und

Biochemie

m. 15,46 39,8 5,0 Median

o. 12,4 33,2 4,7

m. 10,9 29,9 0 25%-Perzentil

o. 9,1 21,1 0

m. 20,1 44,9 12,5 75%-Perzentil

o. 22,3 40,1 4,7

m. 1,3 10,2 0 Minimum

o. 1,5 12,9 0

m. 38,4 61,7 40,5 Maximum

o. 24,1 45,2 7,6

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Diagramm 84 und Tabelle 27 zeigen, dass die Theologiestudenten vor allem in

den die Anorganische Chemie betreffenden Aufgaben Punkte sammelten. Große

Lücken hingegen weisen sie in der Organischen Chemie auf.

Um die Wissenslücken der befragten Studenten noch genauer auszumachen, wer-

den die Fragen nun anhand einiger fachspezifischer Inhalte ausgewertet. Das Er-

gebnis stellt sich wie folgt dar:

Analyse

150

Diagramm 85: Erreichte Punktzahlen, aufgeteilt nach spezifischen Inhalten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Auffällig ist, dass im Fragenbereich „Allgemeine Probleme, Chemie des Alltags“

in beiden Gruppen die meisten Punkte erreicht wurden. Die Studenten mit Chemie

in der Oberstufe konnten vor allem im Bereich „Elementsymbole, Formeln, Reak-

tionsgleichungen“ viele richtige Antworten geben.

Die folgende Tabelle fasst abschließend die wichtigsten Werte des Boxplot-

Diagramms zusammen:

Analyse

151

Tab. 28: Klassifikation der Aufgaben nach spezifischen Inhalten der Chemie (m. = Stu-

denten, mit Chemie in der Oberstufe; o. = Studenten, ohne Chemie in der Oberstufe).

Angaben in (gewichteten) Punkten.

1 2 3 4 5 6

m. 9,9 15,4 7,4 16,0 2,5 0 Median

o. 6,4 9,5 5,8 18,9 2,4 0

m. 5,2 10,4 3,2 10,3 0 0 25%-

Perzentil o. 3,2 4,7 0,7 15,2 0 0

m. 13,0 19,3 11,9 22,0 7,5 7,0 75%-

Perzentil o. 14,5 11,1 9,2 23,0 7,5 4,4

m. 0 2,1 0 1,3 0 0 Minimum

o. 0 0,9 0 14,5 0 0

m. 25,8 32,0 24,1 32,9 21,5 32,7 Maximum

o. 20,9 15,7 11,7 36,8 10,0 13,1

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

4.2.6.3 Fazit

34 (60,7 %) der befragten Theologiestudenten belegten zu Schulzeiten keine ein-

zige Naturwissenschaft (Chemie, Biologie, Physik, Mathematik) als Leistungs-

kurs. Die am häufigsten gewählten Fächer waren Deutsch (28 Studenten, 50,0 %),

Englisch (18 Studenten, 32,1 %) und Geschichte (14 Studenten, 25,0 %). Erst

dann folgt mit Biologie die erste Naturwissenschaft (12 Studenten, 21,4 %). Ma-

thematik wählten immerhin noch 11 Studenten (19,6 %), Chemie wurde jedoch

Analyse

152

nur noch von drei Studenten (5,4 %) als LK belegt, in einem Physik-

Leistungskurs saßen sogar nur zwei der späteren Theologiestudenten (3,6 %).

Das Ergebnis für die Theologiestudenten ohne Chemie in der Oberstufe ist ver-

heerend. Bei 13 der 21 Aufgaben liegt der Median bei jeweils null Punkten, bei

den Aufgaben 9 (Namen von Kohlenwasserstoffen), 10 (Verwendungszwecke von

Kohlenwasserstoffen), 18 (MWG) und 19 (Großtechnische Verfahren) gab sogar

keiner der Befragten überhaupt eine Antwort. Gleiches gilt für die Aufgaben 11

(Formeln von organischen Stoffen), 15 (Definition einer Atombindung) und 16

(Avogadro-Zahl), bei denen jeweils nur ein bzw. zwei Studenten eine Antwort

wussten. Auch fehlt den Theologiestudenten das eigentlich grundlegende Ver-

ständnis einer Atombindung. 47 der 56 Befragten (83,9 %) gaben hier keine Ant-

wort. Ebenfalls große Lücken ergaben sich beim Aufstellen der Reaktionsglei-

chung in Aufgabe 17 und der Nennung einiger großtechnischer Verfahren in Auf-

gabe 19. Punkten konnten die Theologiestudenten hingegen bei Aufgabe 13

(„Was verstehen Sie unter einer Oxidation?“). 50 % gaben hier eine „Umsetzung

mit Sauerstoff an“ und erhielten so immerhin acht der zehn möglichen Punkte.

Die Frage nach anorganischen Stoffformeln (Aufgabe 8) wurde von 80,9 % zu-

mindest halb beantwortet, wobei auffiel, dass die Summenformel der vier einfa-

cheren Verbindungen Wasser, Kohlenmonoxid, Schwefeldioxid und Natriumchlo-

rid in der Regel richtig notiert wurden. Bei den komplexeren Verbindungen Natri-

umphosphat, Calciumcarbonat, Ammoniak und Kupfersulfat hatten hingegen alle

Befragten große Probleme.

Es wäre müßig an dieser Stelle anhand des hessischen G9-Lehrplans zu begrün-

den, welche Fragen die Studenten eigentlich hätten beantworten können sollen.

Zum einen wurde die Lehrplanrelevanz vieler Aufgaben bereits in den vorherge-

henden Kapiteln diskutiert, zum anderen änderte eine solche Auflistung nichts an

dem wenig überraschenden Fazit: Theologiestudenten hatten zu Schulzeiten, das

belegen die in KAPITEL 4.2.6.1 aufgeführten Ergebnisse des A- und C-Teils des

Fragebogens eindringlich, ein gesteigertes Interesse an geisteswissenschaftlichen

Fächern und Sprachen. Naturwissenschaften, insbesondere Chemie, standen bei

fast allen stets hinten an.

Analyse

153

„Kompetenz ist – in griffiger Kurzform – der Dreiklang aus: Wollen

und Können und Wissen.“59

Anders gesagt: Kein Interesse, keine Leistung, kein Wissen. Aber: Muss ein

Theologiestudent über ein großes chemisches Wissen verfügen? Sicher nicht. Er

sollte in Alltagssituationen zurechtkommen und sich, wie es der Lehrplan vorgibt,

Alltagsphänomene erklären können. Und genau das können die meisten der durch

diese Untersuchung erfassten Theologiestudenten. In beiden Befragungsgruppen

wurden im Bereich „Allgemeine Probleme, Chemie des Alltags“ deutlich die

meisten Punkte erreicht. Konnte der Chemieunterricht diese Studenten auch nicht

besonders begeistern, so hat er wenigstens Alltagsphänomene erklären können –

und die Schüler von damals beherrschen einen Großteil der dazu notwendigen

Chemie bis heute.

4.3 Vergleich der Gruppen

In diesem Kapitel sollen die Ergebnisse der einzelnen Gruppen miteinander ver-

glichen werden. Dazu werden zunächst einige allgemeine Informationen heraus-

gearbeitet. Danach wird untersucht, wie die Fachbereiche in den drei Gebieten der

Chemie und den spezifischen Unterrichtsinhalten abgeschnitten haben. Abschlie-

ßend werden Gründe für diese Ergebnisse gesucht und Zusammenhänge zwischen

verschiedenen Variablen errechnet.

4.3.1 Allgemeines

Im Rahmen dieser Wissenschaftlichen Hausarbeit wurden in der ersten Woche des

Wintersemesters insgesamt 676 Erstsemesterstudenten unterschiedlicher Fachbe-

reiche befragt – 638 beantwortete Fragebögen gingen am Ende in die Auswertung

59 Miller: G8/G9 – eine schräge Debatte, Teil 5. (http://www.bildungswirt.de/2008/06/08/49)

Analyse

154

der Befragung mit ein. Diese 417 weiblichen und 221 männlichen Studenten

(Verhältnis von 65:35) gehören nicht nur sechs unterschiedlichen Studienrichtun-

gen an, sondern kamen zu ihrem Studium auch aus ganz Deutschland und z. T.

auch aus dem Ausland nach Marburg. Zusätzlich unterscheiden sich die Abitur-

jahrgänge der Befragten extrem, was die folgenden Tabellen und Diagramme be-

legen.

Diagramm 86: Herkunft der 638 befragten Studenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Auffällig ist, dass fast ein Drittel der Befragten (196 Studenten, 29,2 %) ihr Abitur

in Hessen gemacht haben.

„Einen zentralen Stellenwert nimmt aber auch nach wie vor die Nähe

der Hochschule zum Heimatort ein. Zwei von drei Erstimmatrikulier-

Analyse

155

ten richten ihre Hochschulwahl auch nach diesem Aspekt und für

18 % ist er sogar entscheidend.“60

Mit 144 Studenten (22,1 %) kommen außerdem sehr viele Studenten aus dem be-

nachbarten Nordrhein-Westfalen in die mittelhessische Universitätsstadt, was si-

cherlich genauso wie der hohe Zulauf aus Niedersachsen und Baden-Württemberg

auf die dort erhobenen (Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen: WS 2006/2007,

Baden-Württemberg: SS 2007) und seit dem für diese Arbeit relevanten Winter-

semester 2008/2009 in Hessen wieder abgeschafften Studiengebühren zurückzu-

führen ist.61

„Keine Studiengebühren zahlen zu müssen, war für ein knappes Drit-

tel ein (sehr) wichtiges Wahlmotiv […]; für 7 Prozent der Erstsemes-

ter ist es sogar das letztlich ausschlaggebende […].“62

Ähnliches gilt – neben der teilweise ungünstigen geografischen Lage – für die

niedrigen Studentenzahlen aus Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-

Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Schleswig-Holstein

und Thüringen – auch in diesen Bundesländern mussten Studenten im Winterse-

mester 2008/2009 keine Studiengebühren bezahlen.63

60 HIS-Pressemitteilung vom 31. Oktober 2008 in

http://www.his.de/presse/news/ganze_pm?pm_nr=388 61 Diese Argumentation gilt nicht für die Biologie-Lehramtsstudenten, da diese zum Zeitpunkt der

Befragung bereits im 3. Fachsemester waren. Hierbei handelt es sich jedoch nur um eine kleine Gruppe von 35 Studenten, also rund 5,5 % aller Befragten.

62 HIS-Pressemitteilung vom 31. Oktober 2008 in http://www.his.de/presse/news/ganze_pm?pm_nr=388

63 vgl. Iost (2008), in http://www.studis-online.de/StudInfo/Gebuehren/

Analyse

156

Diagramm 87: Abiturjahrgänge der 638 befragten Studenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Die Vielfalt der Abiturjahrgänge unter den Erstsemesterstudenten ist recht hoch.

Eine eindeutige Begründung dafür kann an dieser Stelle nicht geliefert werden, da

die Gründe für einen verspäteten Einstieg in das Studium vielfältig sind: Wehr-

und Zivildienst, Wechsel des Studiengangs, Ansammeln von Wartesemestern aber

auch das Erwerben der allgemeinen Hochschulreife auf dem zweiten Bildungsweg

begründen ein verspäteten Studienbeginn. So haben bspw. 42 der 638 Studenten

(6,6 %) ihr Abitur nicht auf dem ersten Bildungsweg erworben.

Analyse

157

4.3.2 Punkteverteilung

4.3.2.1 Übersicht

Im Folgenden sollen die von den einzelnen Studentengruppen erzielten Leistun-

gen miteinander verglichen werden. Die Unterscheidung zwischen Studenten mit

und Studenten ohne Chemie in der Oberstufe, welche in den einzelnen Kapiteln

vorgenommen wurde, wird dabei nicht mehr getroffen. Hierzu gibt es zwei Grün-

de: Zum einen ist der Aufwand einer solchen Unterscheidung um ein Vielfaches

höher und im Rahmen der für die vorliegende Arbeit gegebenen Zeit nicht zu be-

wältigen, zum anderen wurde diese Unterscheidung bereits getroffen. Die Ergeb-

nisse können in KAPITEL 4.2 genau studiert werden. Die dort getroffenen Schluss-

folgerungen für die einzelnen Fachrichtungen ähneln sich sehr. Aus diesem Grund

wird im Folgenden nur noch im Ausnahmefall zwischen den beiden Studenten-

gruppen mit und ohne Chemie in der Oberstufe unterschieden.

Das folgende Boxplot-Diagramm zeigt und vergleicht die Leistungen, welche die

Studenten der einzelnen Fachrichtungen bei der Befragung erzielt haben:

Analyse

158

Diagramm 88: Abiturjahrgänge der 638 befragten Studenten.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Die 638 befragten Studenten lassen sich leistungsmäßig offenbar in drei Gruppen

einteilen. Zur ersten Gruppe gehören die Fachrichtungen Pharmazie und Human-

biologie, die bei dieser Erhebung das deutlich beste Ergebnis erzielt haben. Grup-

pe zwei besteht aus den Fachrichtungen Biologie (B. Sc.), Biologie Lehramt so-

wie Medizin. Diese Studenten lieferten ein durchschnittliches, recht durchwach-

senes Ergebnis ab. Die dritte Gruppe besteht aus dem Fachbereich Evangelische

Theologie, der zumindest von der Punkteverteilung ausgehend weit hinter den

übrigen Bereichen zurückliegt. Die folgende Tabelle – ausnahmsweise beginnend

mit dem Mittelwert – enthält die wichtigsten Daten des obigen Diagramms und

begründet damit die hier vorgenommene Einteilung. Um innerhalb der Gruppen

besser vergleichen zu können, wurde der Fachbereich Pharmazie als zweites auf-

geführt. Die Anordnung der Studienfächer innerhalb der Tabelle entspricht damit

nicht mehr gänzlich der Anordnung im Diagramm 88.

Analyse

159

Tab. 29: Einteilung der Studiengänge in drei Gruppen in Abhängigkeit der Lage von Me-

dianen und Perzentilen.

Gruppe 1 Gruppe 2

Gruppe

3

Hum

an-

biol

ogie

Pha

rmaz

ie

Bio

logi

e

(B. S

c.)

Bio

logi

e

Lehr

amt

Med

izin

Ev.

The

olog

ie

Mittelwert 118,7 120,8 82,5 79,9 90,1 57,9

Median 120,2 124,5 77,3 77,9 88,8 57,8

25%-Perzentil 91,8 97,0 56,9 62,3 16,5 42,4

75%-Perzentil 146,1 145,4 105,3 89,2 109,7 71,1

Minimum 37,3 27,4 12,7 20,6 16,5 9,5

Maximum 192,3 206,1 167,4 147,2 183,0 127,5

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Die Studenten der Fachrichtungen Humanbiologie und Pharmazie (die Studien-

richtungen in der Gruppe 1) schnitten bei der Befragung deutlich am besten ab.

Die Studenten der Biologie (B. Sc.), Biologie-Lehramt und Medizin (Gruppe 2)

erreichten durchschnittliches Ergebnis, hinter dem die dritte Gruppe, die Studen-

ten der Evangelischen Theologie, jedoch deutlich zurück liegt.

Die Begründungen für das gute Ergebnis der Humanbiologen liegt nah: Human-

biologie ist ein aufnahmebeschränkter Studiengang mit sehr niedrigem Numerus

Clausus. Humanbiologie studieren somit nur die Besten eines Abiturjahrgangs,

die es sich eben wegen des niedrigen NC nicht leisten können, in einem Fach, also

auch in Chemie, „nur“ durchschnittliche Leistungen zu erbringen. Dieses Argu-

ment gilt jedoch auch für die Medizin- und Pharmaziestudenten. Auch hier be-

Analyse

160

schränkt ein NC die Aufnahme von Studenten, so dass auch Medizin und Pharma-

zie nur sehr gute Abiturienten studieren dürfen – wenn noch keine Wartesemester

angesammelt wurden, was in dieser Betrachtung jedoch auf Grund der Tatsache,

dass über 70 % der Medizin- und sogar über 85 % der Pharmaziestudenten im

Jahr 2007 oder 2008 ihr Abitur machten, vernachlässigt wird. Trotz des niedrigen

NCs erzielten zumindest die Medizinstudenten ein eher durchschnittliches Ergeb-

nis – das Ergebnis der Pharmaziestudenten ähnelt dem der Humanbiologiestuden-

ten sehr. Es muss also noch einen weiteren Grund für die enorm gute Leistung der

Humanbiologiestudenten geben – und der heißt „Interesse an Naturwissenschaften

und am Fach Chemie“ (vgl. Diagramme 9 und 10 in KAPITEL 4.2.1.1 sowie Dia-

gramme 49 und 50 in KAPITEL 4.2.4.1). Danach war für 42,9 % der Humanbiolo-

giestudenten Chemie ein beliebtes Fach, unbeliebt war es für nur 28,6 % der Be-

fragten. Bei Medizinern war Chemie eher unbeliebt: 42,2 % gingen nicht gerne in

den Chemieunterricht, der bei nur 36 % beliebt war. Auch die Chemie-

Leistungskurs-Dichte ist bei den Humanbiologiestudenten leicht höher: 10,2 %

belegten einen Chemie-LK, bei den Medizinstudenten waren es nur 7,7 %, womit

insgesamt auch das durchschnittliche Ergebnis der Medizinstudenten erklärt ist.

Bei der Beantwortung der Fragen paarte sich offenbar das naturwissenschaftlich-

chemische Interesse der Humanbiologiestudenten mit den guten schulischen Leis-

tungen, was zu dem insgesamt sehr guten Ergebnis führte. Bei den Medizinstu-

denten fehlte es hingegen am nötigen Interesse für das Fach.

Für das sehr gute Ergebnis der Pharmaziestudenten, welches mit dem Ergebnis

der Humanbiologiestudenten nahezu identisch ist – Median und Mittelwert liegen

bei den Pharmaziestudenten sogar noch ein wenig höher – sind ebenfalls mehrere

Gründe verantwortlich. Zum einen ist Pharmazie auch ein aufnahmebeschränkter

Studiengang – der NC lag im Wintersemester 2008/2009 zwischen 1,1 und 1,9

und damit vergleichsweise niedrig. Und auch hier gilt: Das Interesse am Fach

Chemie ist bei den Pharmaziestudenten extrem groß. Für nur rund jeden Sechsten

(17,6 %) war Chemie ein unbeliebtes Schulfach. 41,2 % der 85 befragten Studen-

ten belegten Chemie sogar als Leistungskurs, weitere 31,7 % als Grundkurs. Die

Bedeutung der Chemie im Pharmazie-Studiengang wurde bereits in KAPITEL

4.2.5.1 erläutert – und offenbar war den Studenten diese Bedeutung schon zu

Schulzeiten bewusst. Anders formuliert: Abiturienten, denen Chemie in der Schu-

Analyse

161

le Spaß gemacht hat, wählen häufig ein Pharmaziestudium, bei dem auch für Lai-

en die chemische Bedeutung für die Ausbildung wesentlich evidenter erscheint,

als bspw. bei einem Medizinstudium.

Sehr viel schlechter hingegen fällt das Ergebnis der Biologiestudenten (B. Sc.)

sowie der Biologie-Lehramtsstudenten aus. Auch hier sind die Resultate gut mit-

einander vergleichbar, die Mediane liegen auf dem gleichen Niveau. Der Inter-

quartilabstand ist bei den Lehramtstudenten hingegen weniger ausgeprägt, was auf

die geringere Anzahl von Studenten (130 Biologiestudenten (B. Sc.) gegenüber 35

Lehramtsstudenten) zurückzuführen ist. Das eher unerfreuliche Gesamtergebnis

beider Gruppen könnte auf das relativ geringe Interesse an Chemie zurückzufüh-

ren sein: Zwar gehörte für immerhin 41,5 % der befragten Bachelorstudenten

Chemie zu den beliebten Fächern, bei den Lehramtsstudenten waren es hingegen

gerade einmal 22,9 %. In beiden Gruppen behielt nur gut ein Drittel Chemie bis

zum Abitur, einen Chemie-Leistungskurs belegten allerdings nur sehr wenige (elf

Bachelor- und ein Lehramtsstudent, d.h. 8,5 % bzw. 2,9 %) – die Biologie-LK-

Dichte ist mit 65,4 % unter den Bachelor- und 68,6 % unter den Lehramtsstuden-

ten deutlich höher.

Die Studierenden der Evangelischen Theologie erzielten im Vergleich zu den an-

deren Gruppen das schlechteste Ergebnis. Bedenkt man jedoch, dass die meisten

Theologie-Studenten weder großes Interesse am Fach Chemie hatten, noch dass es

bei ihnen übermäßig beliebt gewesen ist – das war es nämlich nur für jeden Fünf-

ten – und dass nur 17,9 % Chemie überhaupt bis zum Abitur belegten, ist das Er-

gebnis wenig überraschend. Allerdings ist ein großes Wissen in Chemie für einen

Theologiestudenten auch sicherlich von sehr geringer Relevanz. Das Ergebnis

dieser Befragung zeigt jedoch deutlich: Die Theologiestudenten hatten in der

Schule kein großes Interesse am Fach Chemie. Für den Großteil (57,1 %) war es

unbeliebt, die meisten wählten es spätestens nach der Jahrgangsstufe 11 oder so-

gar schon früher ab (67,8 %). Entsprechend fiel die Wahl dieser Abiturienten auch

auf einen nicht naturwissenschaftlichen Studiengang. Die zu Beginn der Arbeit

aufgestellte These, dass Abiturienten mit einem geringen naturwissenschaftlichen

Interesse später auch kein naturwissenschaftliches Fach studieren, wurde damit

Analyse

162

bestätigt, zumal das Interesse für Naturwissenschaften der anderen im Rahmen

dieser Arbeit befragten Studenten wesentlich größer war.

Um zu untersuchen, ob die von den Studenten erbrachten Leistungen innerhalb

ihrer jeweiligen Gruppe normalverteilt sind, oder ob außergewöhnliche Häufun-

gen im oberen oder unteren Punktebereich auftreten, werden die folgenden

Histogramme betrachtet:

Diagramm 89: Punkte- und Normalverteilung der einzelnen Studiengänge.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Die einzelnen Balken geben an, wie oft eine bestimmte Punktzahl bei den befrag-

ten Studenten erzielt wurde. Die schwarze Kurve zeigt eine Normalverteilung,

eine theoretisch hergeleitete Verteilungsform, an, welche den gleichen Mittelwert

und die gleiche Standardabweichung wie die Variable hat. Sie zeigt, wie die Wer-

te verteilt sein müssten, wenn sie normalverteilt wären. Je größer also die Abwei-

chung der Balken von dieser Kurve ist, desto weniger normalverteilt ist die ent-

Analyse

163

sprechende Variable. Es genügt jedoch nicht, nur anhand der obigen Diagramme

zu entscheiden, ob die erreichten Punkte eines Fachbereichs normalverteilt sind.

Dazu sind statistische Tests nötig. Um dies beurteilen zu können, wurde der Sha-

piro-Wilk-Test durchgeführt. Dieser lieferte für die einzelnen Studiengänge die

folgenden Werte (bei einer perfekten Normalverteilung ergibt der Shapiro-Wilk-

Test eine Signifikanz von 100 %):

Tab. 30: Ergebnisse des Shapiro-Wilk-Tests.

Hum

an-

biol

ogie

Bio

logi

e

(B. S

c.)

Bio

logi

e

Lehr

amt

Med

izin

Pha

rmaz

ie

Ev.

The

olog

ie

Signifikanz 77 % 39 % 44 % 44 % 84 % 17 %

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Die Ergebnisse der Fachbereiche Humanbiologie und Pharmazie, also nach obiger

Einteilung die Studenten der Gruppe 1, sind danach in der Grundgesamtheit recht

gut normalverteilt. Die Gruppe 2, also die Studiengänge Biologie (B. Sc.), Biolo-

gie Lehramt und Medizin, weichen von einer Normalverteilung schon recht signi-

fikant ab, und der Studiengang Evangelische Theologie, die dritte Gruppe, ist nur

noch zu 17 % normalverteilt.

Wie sind diese Ergebnisse zu erklären? Zunächst fällt bei der Betrachtung der

Histogramme mit Normalverteilung die unterschiedliche Lage der Maxima, also

der Mittelwerte der Verteilungen auf (vgl. dazu Tabelle 29). Die Studiengänge

Humanbiologie und Pharmazie weisen danach die beiden größten Mittelwerte auf

(118,7 bzw. 120,8 Punkte). Zusätzlich sind die Ergebnisse der Studierenden recht

normalverteilt. Das bedeutet also, dass die Studierenden dieser Studiengänge sich

in ihren Leistungen nicht übermäßig unterscheiden, das Leistungsniveau also ei-

ner Gauß-Verteilung entspricht: Es gab bei der Befragung sowohl Studenten, die

ein sehr gutes Ergebnis erzielt haben, als auch Studenten, die nur wenige Punkte

bekamen. Dennoch bleibt das Niveau durch den sehr großen Mittelwert sehr hoch.

Analyse

164

Das Wissen der Humanbiologie- und Pharmaziestudenten ist also nicht nur sehr

groß, die Anzahl an sehr guten und weniger guten Studenten ist sogar fast nor-

malverteilt.

In der Gruppe 2 verhält es sich etwas anders. Einerseits sind die Mittelwerte deut-

lich niedriger als in der Gruppe 1 (Biologie (B. Sc.): 82,5 Punkte, Biologie Lehr-

amt: 79,9 Punkte, Medizin: 90,1 Punkte). Zum anderen weichen die Ergebnisse

von einer Normalverteilung ab. Stellt sich also die Frage, ob die Resultate nach

oben oder nach unten abweichen, d.h. ob es übermäßig viele Studenten gibt, die

über oder unter dem Mittelwert der erreichten Punkte liegen. Entsprechendes gilt

für die Studenten der Evangelischen Theologie. Hier weicht die Variable noch

deutliche von der zugehörigen Normalverteilung ab.

Diese Frage nach der Richtung der Abweichung beantwortet, neben der optischen

Analyse der Histogramme, die Schiefe bzw. die Symmetrie und die Steilheit (Kur-

tosis) der Verteilung.

Tab. 31: Schiefe und Kurtosis.

Hum

an-

biol

ogie

Bio

logi

e

(B. S

c.)

Bio

logi

e

Lehr

amt

Med

izin

Pha

rmaz

ie

Ev.

The

olog

ie

Schiefe - 0,154 0,412 0, 499 0,340 - 0,216 0,737

Kurtosis - 0,555 - 0,321 0, 695 0,003 - 0,209 0,806

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Allgemein gilt für die Schiefe und die Kurtosis: Ein positiver Wert der Schiefe

bedeutet, dass die Verteilung bei den hohen Werten stärker streut als bei den nied-

rigen, niedrige Werte also häufiger vorkommen als hohe; bei einem negativen

Wert ist es genau umgekehrt. Bei der Kurtosis ist es ähnlich. Sie misst die Steil-

heit der Wölbung im Vergleich zur Normalverteilung. Ein positiver Wert zeigt an,

dass die Werteverteilung steiler ist als die der Normalverteilung, bei einem nega-

tiven Wert ist die Verteilung entsprechend flacher.

Analyse

165

Die in Tabelle 31 aufgeführten Ergebnisse zeigen also, dass die Werteverteilung

der Humanbiologiestudenten im Vergleich zur Normalverteilung zum einen fla-

cher ist (negative Kurtosis), und dass zum anderen mehr große als kleine Werte

vorkommen (negative Schiefe). So kann nun die Abweichung zur Normalvertei-

lung erklärt werden: Es gibt einige Werte, die gleichmäßig links vom Mittelwert

fehlen und entsprechend gleichmäßig nach rechts verschoben worden sind, es also

überdurchschnittlich viele „gute“ und unterdurchschnittlich wenige „schlechte“

Humanbiologiestudenten gibt. Für die Pharmaziestudenten ist es sogar noch ein

wenig extremer: Die Verteilung ist – wenn auch nicht in dem Ausmaß wie bei den

Humanbiologiestudenten – ebenfalls flacher als die Normalverteilung, allerdings

auf Grund des im Vergleich zu den Humanbiologiestudenten kleineren Wertes der

Schiefe noch asymmetrischer. Die großen Werte kommen hier also deutlich häu-

figer vor als die kleinen, es gibt also auch im Bereich Pharmazie mehr, sogar deut-

lich mehr „gute“ als „schlechte“ Studenten.

In der Gruppe 2 verhält es sich mit der Schiefe und der Kurtosis genau entgegen-

gesetzt. In allen drei Fachbereichen hat die Schiefe einen positiven Wert, d.h. also,

dass bei den kleineren Werten eine positive, bei den größeren Werten hingegen

eine negative Häufung auftritt. Es gibt also überdurchschnittlich viele Studenten,

die im Vergleich zum Mittelwert weniger Punkte erzielt haben. Diese Tatsache ist

in dieser Gruppe 2 bei den Biologie-Lehramtsstudenten am deutlichsten, bei den

Medizinstudenten am wenigsten ausgeprägt.

Sehr deutlich fällt das Ergebnis für die Studenten der Evangelischen Theologie

aus. Hier weicht sowohl die Steilheit der Wölbung deutlich von der der Normal-

verteilung ab, als auch das Verhältnis der großen und kleinen Werte, die sich ü-

bermäßig häufen. Ein Blick auf das entsprechende Histogramm im Diagramm 89

bestätigt dies: Werte im Bereich um 100 Punkte gibt es nur sehr wenig, hingegen

häufen sich die Punktzahlen im Bereich 50 extrem.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass die Pharmazie- und Humanbiologie-

studenten ein in jeder Hinsicht gutes Ergebnis erzielt haben. Mittelwert und Medi-

an liegen sehr hoch und zusätzlich gibt es überdurchschnittlich viele Studenten,

die sehr viele Punkte erreicht haben. Das Ergebnis der Medizin-, Biologie- und

Analyse

166

Biologie-Lehramtsstudenten ist hingegen deutlich weniger gut. Sowohl Mittelwer-

te als auch Mediane liegen relativ niedrig, hinzu kommt, dass sich die Punktzah-

len im Bereich unterhalb des Mittelwerts häufen und es entsprechend weniger

Studenten gibt, die ein sehr gutes Ergebnis erzielt haben. Für die Studenten der

Evangelischen Theologie fällt das Ergebnis noch drastischer aus: Mittelwert und

Median liegen weit im niedrigen Bereich und zusätzlich sind viele Punktzahlen

der befragten Studenten unterhalb des Mittelwerts verschoben. Wollte man also

eine Platzierung der Fachbereiche vornehmen, müsste diese wie folgt aussehen:

1. Pharmazie, 2. Humanbiologie, 3. Medizin, 4. Biologie (B. Sc.), 5. Biologie

Lehramt, 6. Evangelische Theologie.

Im Folgenden sollen nun untersucht werden, ob alle Befragten über ein bestimm-

tes chemisches Grundwissen verfügen, oder ob sich Wissen und Wissenslücken

voneinander unterscheiden.

4.3.2.2 Aufteilung nach Bereichen der Chemie

In diesem Kapitel sollen die Leistungen der einzelnen Fachbereiche aufgegliedert

nach den drei diese Arbeit betreffenden Bereichen der Chemie (Allgemeine Che-

mie und übergreifende Aufgaben, Anorganische Chemie, Organische Chemie und

Biochemie) untersucht werden. Dazu dienen wiederum Boxplot-Diagramme, de-

ren genauen Daten in Tabellen zusammengefasst werden.

Bei dieser vorgenommenen Einteilung wurden die Punktzahlen der einem Bereich

zugehörigen Aufgaben nach der gleichen Vorgehensweise wie in Kapitel 4.2 nor-

miert. Dadurch sind maximal 70 Punkte pro Bereich erreichbar – abgesehen von

der Möglichkeit, durch die Nennung von sehr vielen korrekten Antworten bei of-

fen formulierten Aufgaben mehr Punkte als erwartet bekommen zu können.

Analyse

167

4.3.2.2.1 Allgemeine Chemie und übergreifende Aufgaben

Die so genannte „Allgemeine Chemie“ bezeichnet die chemischen Grundlagen,

welche in fast allen chemischen Teilgebieten von Bedeutung sind und stellt somit

das begriffliche Fundament der Chemie dar. Ohne dieses Mindestverständnis ist

es praktisch unmöglich, sich in chemische Spezialgebiete einzuarbeiten. Folge-

richtig nimmt die Allgemeine Chemie einen Großteil des Lehrplans ein. Der Auf-

bau eines Atoms, das Periodensystem der Elemente, Arten von chemischen Bin-

dungen oder Grundlagen der Stöchiometrie gehören zu diesem Basiswissen. In der

Schule werden diese Grundlagen in den ersten Jahren, in denen Chemie unterrich-

tet wird, behandelt. Der Lehrplan formuliert die Ziele folgendermaßen:

„[…] sollen die Schülerinnen und Schüler ein sicheres Fundament an

Einsichten, Erkenntnissen und Fähigkeiten erhalten, um Phänomene,

Fragen und Probleme aus dem Bereich der Chemie zu verstehen […].

Die Auswahl der Inhalte geschieht unter Beachtung mehrerer Katego-

rien, unter denen zunächst die Orientierung an der Fachwissenschaft

zu nennen ist.“64

Folgende fachliche Leitlinien sollen dabei berücksichtigt werden:

„Arbeitsweisen in der Chemie; Stoffe, Stoffgruppen und ihre Eigen-

schaften; Struktur und Eigenschaften; Teilchen und ihre Bindungen

(Atom- und Bindungsmodelle); chemische Fachsprache (einschl. E-

tymologie) und chemische Formelsprache; energetischer und zeitli-

cher Verlauf chemischer Reaktionen; Ordnungsprinzipien für Stoffe

und chemische Reaktionen; Veränderungen auf Stoff- und Teilchen-

ebene in chemischen Reaktionen.“65

Konkret wird dieses chemische Basiswissen hauptsächlich in den Klassen acht

und neun, zum Teil auch noch in der neunten Klasse vermittelt – hier werden je-

doch auch schon Aspekte der Anorganischen Chemie behandelt. In diesen Klassen

werden erstmalig Stoffe unterschieden, isoliert und verändert, chemisches Verhal-

64 Hessischer G9-Lehrplan Chemie (2003), S. 3 65 a. a. O.

Analyse

168

ten vorhergesagt und beschrieben sowie der Umgang mit dem Periodensystem,

der Aufbau von Atomen und Salzen und auch Eigenschaften von Säuren und Lau-

gen behandelt.66

Der für die vorliegende Arbeit erstellte Fragebogen behandelt die Allgemeine

Chemie besonders in den Aufgaben 3 (Chemische Vorgänge im Alltag), 5 (Na-

men von Säuren), 6 (Namen von Laugen / Basen), 7 (Verwendungszwecke von

Salzen), 12 (Definition einer Säure), 13 (Definition einer Oxidation), 14 (Definiti-

on eines Ions), 15 (Definition einer Atombindung), 16 (Avogadro-Zahl) und 18

(MWG). In diesen Themenblock fallen zusätzlich einige übergreifende Aufgaben,

wie die Aufgaben 19 (Großtechnische Verfahren) und 21 (Berühmte Chemiker),

welche die Definition eines in der Allgemeinen Chemie behandelten Themas nicht

erfüllen. Sie werden jedoch durchaus im Verlauf des Unterrichts, aber nicht expli-

zit im Lehrplan angesprochen.

Die Punkteverteilung im Bereich „Allgemeine Chemie und übergreifende Aufga-

ben“ sieht für die befragten Fachbereiche folgendermaßen aus:

66 vgl. Hessischer G9-Lehrplan Chemie (2003), S. 10

Analyse

169

Diagramm 90: Punkteverteilung der einzelnen Studiengänge für den Bereich „Allgemei-

ne Chemie und übergreifende Aufgaben“.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Diese Punkteverteilung spiegelt die in KAPITEL 4.3.2.1 vorgenommene Gruppen-

einteilung wider. Auch hier erreichten die Studenten der Humanbiologie und der

Pharmazie vor den Studenten der Biologie (B. Sc.), Medizin und Biologie Lehr-

amt die meisten Punkte. Die Theologiestudenten rangieren recht deutlich darunter.

Die folgende Tabelle enthält die wichtigsten Daten des Diagramms:

Analyse

170

Tab. 32: Punkteverteilung der einzelnen Studiengänge im Bereich „Allgemeine Chemie

und übergreifende Aufgaben“.

Hum

an-

biol

ogie

Bio

logi

e

(B. S

c.)

Bio

logi

e

Lehr

amt

Med

izin

Pha

rmaz

ie

Ev.

The

olog

ie

Median 38,5 21,5 22,8 26,7 39,5 15,3

25%-Perzentil 26,8 14,0 16,6 17,8 29,2 9,8

75%-Perzentil 47,3 30,5 29,1 35,9 48,8 20,4

Minimum 4,9 1,4 2,5 0 6,7 1,3

Maximum 67,0 54,5 55,3 65,2 79,2 38,4

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Bedenkt man, dass in dieser Kategorie 70 Punkte erreicht werden konnten, fällt

das Ergebnis nicht allzu gut aus. Jeweils die Hälfte der Humanbiologie- und

Pharmaziestudenten haben zwar über 55 % der Punkte erreicht, die Mediane der

Medizin- (38,1 %), Biologie-Lehramts- (32,6 %) und Biologiestudenten (B. Sc.)

(30,7 %) liegt jedoch deutlich unterhalb der Hälfte. Ein Grund für diese Tatsache

könnte sein, dass die betreffende Chemie, wie oben erwähnt, Inhalt der Mittelstufe

ist. Diese liegt für die Studenten bereits einige Jahre zurück. Studenten, die auch

in der Oberstufe Chemie belegt haben, benötige dieses Wissen in anderen Zu-

sammenhängen zwar immer wieder, doch die genauen Definitionen einzelner As-

pekte sind vielen offenbar nicht mehr im Gedächtnis.

4.3.2.2.2 Anorganische Chemie

Historisch definierte man die Anorganische Chemie als das Teilgebiet der Che-

mie, welches sich mit dem chemischen Verhalten der Elemente und derjenigen

Verbindungen befasst, die überwiegend dem Bereich der unbelebten Natur zuzu-

rechnen sind. Im Gegensatz dazu behandelte die Organische Chemie die Verbin-

Analyse

171

dungen des Kohlenstoffs, die überwiegend in Organismen zu finden sind und nach

ursprünglichem Verständnis eine gewisse „Lebenskraft“ enthielten. 1828 gelang

jedoch dem Göttinger Chemiker Friedrich Wöhler mit seiner Harnstoffsynthese,

eine körpereigene, organische Verbindung aus anorganischen Ausgangsprodukten

herzustellen – die Theorie der „Lebenskraft“ war widerlegt und die klar formulier-

te Grenze zwischen der Anorganischen und der Organischen Chemie ließ sich

nicht mehr scharf aufrechterhalten. Es entwickelte sich das heutige Verständnis

der Anorganik: die Chemie aller Elemente mit Ausnahme des Kohlenstoffs. Eine

klare Definition ist durch die vielfältigen Überschneidungen der beiden Gebiete

jedoch nicht möglich, denn bspw. werden durchaus einige Kohlenstoffverbindun-

gen, wie die Salze der Kohlensäure, der Anorganischen Chemie zugeschrieben.

Eine Unterscheidung in diese beiden Gebiete ist dennoch sinnvoll, da sich Reakti-

onsmechanismen und Stoffstrukturen vielfach unterscheiden.

In der Schule hat die Anorganische Chemie eine große Bedeutung. Sie taucht ne-

ben der Allgemeinen Chemie schon in den Klassen acht und neun auf und wird in

der zehnten Klasse schließlich zum zentralen Unterrichtsthema.67 Im Anschluss-

profil der Jahrgangsstufe 10 in die gymnasiale Oberstufe heißt es:

„Kenntnisse über […] charakteristische Eigenschaften von salzartigen

Stoffen, Metallen, flüchtigen Stoffe; charakteristische Eigenschaften

und Reaktionen von Alkalimetallen und Halogenen; Bedeutung, Ge-

winnung und Verarbeitung wichtiger Rohstoffe (Metallgewinnung,

Salzgewinnung, Wasseraufbereitung, Brennstoffe) […].“68

Der für diese Arbeit entwickelte Fragebogen enthält fünf Fragen, die dem Gebiet

der Anorganischen Chemie zuzuschreiben sind. Dabei handelt es sich um die

Aufgaben 1 (Kupfererkennung), 2 (Luftbestandteile), 4 (Elementsymbole), 8

(Stoffformeln) und 17 (Reaktionsgleichung). Die Punkte verteilen sich für diesen

Bereich folgendermaßen:

67 vgl. Hessischer G9-Lehrplan Chemie (2003), S. 10 68 a. a. O., S. 27

Analyse

172

Diagramm 91: Punkteverteilung der einzelnen Studiengänge für den Bereich „Anorgani-

sche Chemie“.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Auch in hier ist die oben vorgenommene Einteilung der Fachrichtungen in Grup-

pen wieder möglich, die Unterschiede sind jedoch deutlich geringer. Des Weiteren

sind die sehr hohen Punktzahlen auffällig. Auch in diesem Bereich gab es auf

Grund der vorgenommenen Normierung der Punktzahlen 70 Punkte zu erreichen.

Die folgende Tabelle zeigt, dass viele der Befragten von dieser Obergrenze nicht

weit entfernt sind.

Analyse

173

Tab. 33: Punkteverteilung der einzelnen Studiengänge im Bereich „Anorganische Che-

mie“.

Hum

an-

biol

ogie

Bio

logi

e

(B. S

c.)

Bio

logi

e

Lehr

amt

Med

izin

Pha

rmaz

ie

Ev.

The

olog

ie

Median 52,0 44,6 41,8 47,3 51,0 38,6

25%-Perzentil 46,3 38,2 34,4 39,2 44,1 29,5

75%-Perzentil 59,7 52,6 49,2 53,1 58,1 44,2

Minimum 33,6 10,3 22,9 4,9 16,7 10,2

Maximum 71,1 71,1 68,2 72,0 68,7 61,7

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Die Anorganische Chemie ist der Bereich, bei dem alle befragten Fachrichtungen

die deutlich meisten korrekten Antworten gaben. Die entsprechenden Fragen zu

beantworten war für die meisten Studenten kein Problem. Eine strukturierte Wis-

sensbasis in Anorgansicher Chemie wurde bei den Befragten offenbar aufgebaut.

4.3.2.2.3 Organische Chemie und Biochemie

Die Organische Chemie ist der Teilbereich der Chemie, der sich mit der Chemie

der Kohlenstoff-Verbindungen beschäftigt. Die Bedeutung des Begriffs „orga-

nisch“ hat sich im Laufe der Jahrhunderte jedoch verändert. Im 16. und 17. Jahr-

hundert unterschied man noch zwischen mineralischen, pflanzlichen und tieri-

schen Stoffen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde es dann üblich,

die mineralischen Stoffe als „unorganisierte Körper“ von den „organisierten Kör-

pern“ pflanzlichen und tierischen Ursprungs zu separieren. Erst im 19. Jahrhun-

Analyse

174

dert wurde der Begriff „Körper“ auf chemische Substanzen beschränkt. Jetzt be-

nutzte man auch den Ausdruck „organische Chemie“.69

Schüler kommen erstmals in der Klasse 10 mit der organischen Chemie in Kon-

takt. Dort wird die Organik zum zentralen Unterrichtsthema. In der Begründung

heißt es:

„Die Thematik bietet Möglichkeiten, die Bedeutung der Chemie im

Kontext technischer und wirtschaftlicher Aspekte sowie von Um-

weltbezügen exemplarisch aufzuzeigen.“70

Mit den Unterthemen „Erdöl und Erdgas als Energieträger und Rohstoffe“ sowie

„Gesättigte Kohlenwasserstoffe“ erfolgt somit ein erster Einblick in die Kohlen-

stoffchemie. Am Beispiel einfacher Kohlenwasserstoffe oder einfacher Alkanole

werden viele erforderliche Grundlagen zum Verständnis der organischen Chemie

gelegt.71

Alle organisch-chemischen Inhalte des für diese Arbeit entwickelten Fragebogens

sind schulrelevant und werden in der Jahrgangsstufe 10 bzw. in der Oberstufe

behandelt. Konkret handelt es sich bei diesen Aufgaben um die Fragen 9 (Namen

von Kohlenwasserstoffen), 10 (Verwendungszwecke von Kohlenwasserstoffen),

11 (Formeln von organischen Stoffen) und 20 (Nitrate in der Landwirtschaft).

Besonders Aufgabe 20 ist weniger der Organik und mehr dem Gebiet der Bio-

chemie zuzuschreiben, welches in dieser Arbeit allerdings gemeinsam mit der

Organik zu einer Kategorie zusammengefasst wurde.

Die befragten Studenten schnitten in dieser Gruppe folgendermaßen ab:

69 vgl. Latscha / Kazmeier / Klein (2002), S. 3 70 Hessischer G9-Lehrplan (2003), S. 26 71 a. a. O.

Analyse

175

Diagramm 92: Punkteverteilung der einzelnen Studiengänge für den Bereich „Organi-

sche Chemie und Biochemie“.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Für diesen Bereich sind die Einteilungen der Fachrichtungen in die drei Gruppen

wiederum eindeutiger möglich, als es im Bereich „Anorganische Chemie“ der Fall

war. Jedoch fallen hier die recht niedrigen erreichten Punktzahlen auf, was auch

die folgende Tabelle zeigt:

Analyse

176

Tab. 34: Punkteverteilung der einzelnen Studiengänge im Bereich „Organische Chemie

und Biochemie“.

Hum

an-

biol

ogie

Bio

logi

e

(B. S

c.)

Bio

logi

e

Lehr

amt

Med

izin

Pha

rmaz

ie

Ev.

The

olog

ie

Median 30,1 20,5 13,4 16,8 32,0 5,0

25%-Perzentil 16,4 5,0 7,6 4,9 17,6 0

75%-Perzentil 44,1 31,1 22,9 28,9 43,0 10,7

Minimum 0 0 0 0 0 0

Maximum 71,2 56,8 33,5 62,8 62,5 40,5

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Der Bereich „Organische Chemie und Biochemie“ ist in fast allen befragten Fach-

gruppen der Bereich, in denen die Studenten die wenigsten korrekten Antworten

gaben. Dies liegt daran, dass die Organische Chemie erstmalig in der Klasse 10

und schwerpunktmäßig in der gymnasialen Oberstufe behandelt wird – also zu

einem Zeitpunkt, zu dem 147 der 638 hier befragten Studenten (23,0 %) Chemie

bereits abgewählt hatten. Weitere 152 Studenten belegten letztmalig in der Jahr-

gangsstufe 11 Chemie. Nur gut die Hälfte der Befragten (53,1 %) belegte Chemie

also auch in der Oberstufe. Diesen Zusammenhang bestätigt auch der berechnete

Kendall-Tau-b-Korrelationskoeffizient, der mit einem Wert von 0,393 angibt, dass

die Variablen „Chemie in der Oberstufe belegt“ und „Erreichte Punkte im Bereich

Organische Chemie und Biochemie“ zu fast 40 % miteinander positiv korrelieren.

Das bedeutet, dass die Studenten mit Chemie in der Oberstufe in diesem Bereich

mehr Punkte erreicht haben, als Studenten ohne Chemie in der Oberstufe. Dass

diese Korrelation nicht deutlicher ausfällt ist darauf zurückzuführen, dass die im

Fragebogen aufgeführten Aufgaben zum Teil auch mit Mittelstufenwissen beant-

wortet werden können.

Analyse

177

4.3.2.3 Aufteilung nach fachspezifischen Inhalten

Im Folgenden werden die erreichten Punktzahlen der einzelnen Fachbereiche

bzgl. der im Fragebogen behandelten fachspezifischen Inhalte untersucht. Dabei

werden die Punktzahlen für jeden Inhalt zunächst in einem übersichtlichen Box-

plot-Diagramm dargestellt. Eine Tabelle informiert anschließend über die wich-

tigsten Punktzahlen.

Eine Einteilung des Schulstoffs nach „fachspezifischen Inhalten“ ist nicht deter-

miniert, d.h. es sind grundsätzlich unterschiedliche Einteilungen und differenzierte

Benennungen der Inhalte möglich. In dieser Arbeit wurden die einzelnen Aufga-

ben des B-Teils des Fragebogens in Kategorien eingeteilt.

Analyse

178

Diagramm 93: Punkteverteilung der einzelnen Studiengänge für den Inhalt „Stoffgrup-

pen“.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Tab. 35: Punkteverteilung der einzelnen Studiengänge für den Inhalt „Stoffgruppen“.

Hum

an-

biol

ogie

Bio

logi

e

(B. S

c.)

Bio

logi

e

Lehr

amt

Med

izin

Pha

rmaz

ie

Ev.

The

olog

ie

Median 24,2 15,8 20,4 16,2 33,4 9,8

25%-Perzentil 17,8 9,6 13,6 10,4 25,8 5,2

75%-Perzentil 37,0 23,5 25,8 22,5 32,5 13,1

Minimum 0 0 0 0 0 0

Maximum 53,2 53,3 32,6 67,1 96,7 25,8

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Analyse

179

Diagramm 94: Punkteverteilung der einzelnen Studiengänge für den Inhalt „Element-

symbole, Formeln, Reaktionsgleichungen“.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Tab. 36: Punkteverteilung der einzelnen Studiengänge für den Inhalt „Elementsymbole,

Formeln, Reaktionsgleichungen“.

Hum

an-

biol

ogie

Bio

logi

e

(B. S

c.)

Bio

logi

e

Lehr

amt

Med

izin

Pha

rmaz

ie

Ev.

The

olog

ie

Median 27,2 21,3 19,0 21,4 28,4 14,6

25%-Perzentil 21,7 15,0 14,7 15,9 24,4 7,3

75%-Perzentil 31,6 27,0 22,6 26,6 32,5 18,2

Minimum 16,3 2,3 5,5 0 5,7 0,9

Maximum 34,7 34,7 33,2 39,4 34,7 32,0

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Analyse

180

Diagramm 95: Punkteverteilung der einzelnen Studiengänge für den Inhalt „Definitionen,

Gesetze, Konstanten“.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Tab. 37: Punkteverteilung der einzelnen Studiengänge für den Inhalt „Definitionen, Ge-

setze, Konstanten“.

Hum

an-

biol

ogie

Bio

logi

e

(B. S

c.)

Bio

logi

e

Lehr

amt

Med

izin

Pha

rmaz

ie

Ev.

The

olog

ie

Median 20,8 10,5 9,6 14,3 17,7 6,4

25%-Perzentil 15,3 6,4 8,2 8,9 11,3 3,2

75%-Perzentil 27,0 15,2 12,5 20,1 22,7 11,2

Minimum 1,3 0 0 0 1,5 0

Maximum 35,0 30,1 27,9 36,2 33,2 24,1

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Analyse

181

Diagramm 96: Punkteverteilung der einzelnen Studiengänge für den Inhalt „Allgemeine

Probleme, Chemie des Alltags“.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Tab. 38: Punkteverteilung der einzelnen Studiengänge für den Inhalt „Allgemeine Prob-

leme, Chemie des Alltags“.

Hum

an-

biol

ogie

Bio

logi

e

(B. S

c.)

Bio

logi

e

Lehr

amt

Med

izin

Pha

rmaz

ie

Ev.

The

olog

ie

Median 21,5 19,7 17,9 21,0 21,1 16,5

25%-Perzentil 16,3 15,9 14,8 14,9 16,1 12,1

75%-Perzentil 28,2 25,9 23,7 26,6 25,3 22,0

Minimum 4,8 0 2,5 3,2 6,4 1,3

Maximum 36,8 36,8 39,9 45,0 36,8 36,9

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Analyse

182

Diagramm 97: Punkteverteilung der einzelnen Studiengänge für den Inhalt „Angewandte

Chemie, Technologie“.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Tab. 39: Punkteverteilung der einzelnen Studiengänge für den Inhalt „Angewandte Che-

mie, Technologie“.

Hum

an-

biol

ogie

Bio

logi

e

(B. S

c.)

Bio

logi

e

Lehr

amt

Med

izin

Pha

rmaz

ie

Ev.

The

olog

ie

Median 5,5 4,9 5,0 4,9 5,5 2,5

25%-Perzentil 2,9 2,5 2,5 2,5 2,5 0

75%-Perzentil 10,4 8,1 7,5 8,0 10,4 7,5

Minimum 0 0 0 0 0 0

Maximum 18,4 20,9 16,3 21,8 23,4 21,5

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Analyse

183

Diagramm 98: Punkteverteilung der einzelnen Studiengänge für den Inhalt „Geschichte

der Chemie“.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Tab. 40: Punkteverteilung der einzelnen Studiengänge für den Inhalt „Geschichte der

Chemie“.

Hum

an-

biol

ogie

Bio

logi

e

(B. S

c.)

Bio

logi

e

Lehr

amt

Med

izin

Pha

rmaz

ie

Ev.

The

olog

ie

Median 8,7 0 0 4,7 9,3 0

25%-Perzentil 0 0 0 0 4,7 0

75%-Perzentil 18,7 9.3 8,7 13,1 18,7 4,7

Minimum 0 0 0 0 0 0

Maximum 37,3 37,3 18,7 37,3 56,0 32,7

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Analyse

184

Die Diagramme und Wertetabellen zeigen, dass eine Einteilung der Fachrichtun-

gen in die oben genannten Gruppen – Gruppe 1: Humanbiologie und Pharmazie;

Gruppe 2: Biologie (B. Sc.), Biologie (Lehramt) und Medizin; Gruppe 3: Evange-

lische Theologie – bei den fachspezifischen Inhalten „Stoffgruppen“, „Element-

symbole, Formeln, Reaktionsgleichungen“ und „Geschichte der Chemie“ prob-

lemlos möglich ist. Auch im Bereich „Definitionen, Gesetze, Konstanten“ ist die-

se Einteilung möglich, jedoch ist hier der Unterschied zwischen Pharmazie- und

Medizinstudenten schon recht gering. Nicht vorgenommen werden kann diese

Gruppenbildung jedoch bei den Inhalten „Allgemeine Probleme, Chemie des All-

tags“ und „Angewandte Chemie, Technologie“.

Dass eine Gruppeneinteilung nicht möglich ist zeigt, dass es zwischen den Ergeb-

nissen aller Befragten in dieser Kategorie nur geringe Unterschiede gibt. Der Me-

dian im Bereich „Allgemeine Probleme, Chemie des Alltags“ variiert nur zwi-

schen den Werten 16,5 Punkte (Ev. Theologie) und 21,5 Punkte (Humanbiologie).

Mit diesen Werten liegt der Median außerdem ungefähr bei der Hälfte der er-

reichbaren 35 Punkte – und das in allen sechs Fachbereichen.

In der Kategorie „Angewandte Chemie, Technologie“ verhält es sich ähnlich:

Auch hier ist eine Einteilung der Fachbereiche in die bekannten Gruppen nicht

möglich, da sich auch hier die Ergebnisse sehr ähneln und der Median nur äußerst

gering streut – allerdings auf einem sehr niedrigen Niveau, nämlich von 2,5 Punk-

ten (Ev. Theologie) und 5,5 Punkten (Humanbiologie bzw. Pharmazie).

Es ist erfreulich, dass alle Befragten bei den Aufgaben, welche Chemie im Alltag

zum Inhalt haben, unabhängig von der zugehörigen Studienrichtung ein sehr gutes

Ergebnis erzielt haben. Mit Alltagschemie scheinen die meisten der Befragten

sehr gut zurechtzukommen – die Lücken in anderen Kategorien sind hingegen

entsprechend größer. Die Gründe hierfür wurden bereits in den Unterpunkten des

KAPITELS 4.2 erläutert.

Analyse

185

4.3.3 Gründe für Ergebnisse und Korrelationen zwischen Variablen

Wie lassen sich diese Ergebnisse erklären? Gibt es einen Zusammenhang zwi-

schen den erzielten Punktzahlen und anderen, nicht auf den ersten Blick ersichtli-

chen Tatsachen? Solche Fragen sollen in diesem Kapitel untersucht werden. Dabei

werden stets die von den Befragten erzielten Gesamtpunktzahlen zu Grunde ge-

legt. Zur Beantwortung der Fragen dient der Kendall-Tau-b-

Korrelationskoeffizient, dessen Werte ein Maß für Stärke und Richtung der Asso-

ziation zwischen zwei ordinalskalierten Variablen darstellen. Der Koeffizient hat

immer einen Wert zwischen -1 und 1. Ein Wert von -1 zeigt eine perfekte negative

Korrelation an. Das heißt, dass hohe Werte einer Variablen (in diesem Fall: hohe

Gesamtpunktzahl) vermehrt mit niedrigen Werten der anderen Variablen (hier

abhängig von den zugehörige in SPSS definierten Wertelabels) auftreten. In einem

Streudiagramm liegen die Punkte dann auf einer Geraden von oben links nach

unten rechts. Entsprechendes gilt für den Wert 1. Er zeigt eine perfekte positive

Korrelation an. Hohe Werte einer Variablen treten dann vermehrt mit hohen Wer-

ten der anderen Variablen auf. Die Punkte liegen in einem Streudiagramm dann

auf einer von unten links nach oben rechts verlaufenden Geraden. Nimmt der Ko-

effizient den Wert 0 an, so besteht keine Korrelation. Die Koeffizienten können

folgendermaßen interpretiert werden:

„Bis 0,2: sehr geringe Korrelation – bis 0,5: geringe Korrelation – bis

0,7: mittlere Korrelation – bis 0,9: hohe Korrelation – über 0,9: sehr

hohe Korrelation.“ 72

Das Kapitel ist durch ausformulierte Fragestellungen, die mit den Ergebnissen des

A- und C-Teils des Fragebogens beantwortet werden können und jeweils mit ei-

nem großen Fragezeichen markiert sind, gegliedert.

Bei den folgenden Untersuchungen ist stets zu beachten, dass eine Korrelation

zwischen zwei Variablen nicht mit einer direkten Kausalität in Verbindung ge-

bracht werden kann und höchstens auf eine solche hinweist.

72 Raithel (2006), S. 152

Analyse

186

Gibt es einen Zusammenhang zwischen der erzielten Punktzahl und

dem Bundesland, in welchem ein Student die Hochschulreife erworben

hat?

Nein, den gibt es nicht, wie das folgende Streudiagramm bestätigt:

Diagramm 99: Korrelation zwischen der erzielten Punktzahl und dem Bundesland, dar-

gestellt auf der X-Achse durch Zahlen von 1 bis 16.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Die Werte streuen für jedes Bundesland über das gesamte Diagramm und sind an

keiner Stelle konzentriert. Zur Überprüfung dieser aufgestellten Nullhypothese

(„Es gibt keinen systematischen Zusammenhang zwischen den beiden Variablen“)

wird die folgende Berechnung angestellt: Da es sich bei der Variablen „Bundes-

land“ um eine nominalskalierte Variable handelt (es gibt keine Ordnungsrelation

um die Werte 1 – 16 in eine sinnvolle oder metrische Reihenfolge zu bringen), ist

die Berechnung eines Korrelationskoeffizienten nutzlos – dieser benötigt inter-

vall- oder zumindest ordinalskalierte Variablen. Um dennoch einen evtl. Zusam-

menhang aufdecken zu können, wird der Chi-Quadrat-Test für nominalskalierte

Analyse

187

Variablen angewandt. Dieser liefert bei 10.829 Freiheitsgraden einen Wert von

1,085 · 104 mit einer Signifikanz von 0,452 bzw. 45,2 % Irrtumswahrscheinlich-

keit. Der Richtwert von maximal 5 % Irrtumswahrscheinlichkeit ist damit deutlich

überschritten, die Nullhypothese wird also beibehalten. Es besteht kein systemati-

scher Zusammenhang zwischen den beiden Variablen.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen der erzielten Punktzahl und

der Beliebtheit des Faches Chemie bzw. der Beliebtheit der Lehrer?

Ja, den gibt es – wenn auch nicht sonderlich stark ausgeprägt. Der Wert des Ken-

dall-Tau-b-Korrelationskoeffizienten liegt im Vergleich mit der Beliebtheit des

Faches Chemie bei -0,313. Es besteht also eine geringe negative Korrelation zwi-

schen den beiden Variablen. Das heißt, dass mit steigender Beliebtheit des Faches

zu Schulzeiten auch die Wahrscheinlichkeit einer bei diesem Test erzielten hohen

Punktzahl steigt. Dieser Zusammenhang war durchaus zu erwarten. Im Vergleich

zwischen der Gesamtpunktzahl und der Beliebtheit der Lehrer besteht nur eine

sehr geringe Korrelation. Hier liegt der Korrelationskoeffizient bei -0,116. Stu-

denten, für welche die Chemie-Lehrer also eher zu den beliebteren gehörten, er-

zielten leicht vermehrt höhere Punktzahlen.

Im Übrigen hängt die Beliebtheit des Faches nicht unerheblich von der Beliebtheit

des Lehrers ab: Der Korrelationskoeffizient liegt hier bei 0,342. Ist das Fach

Chemie für einen Schüler also unbeliebt, so ist das nicht selten auf die Beliebtheit

des Lehrers zurückzuführen.

Haben Studenten, denen das Fach in der Schule leicht fiel, höhere

Punktzahlen erzielt als solche, bei denen Chemie zu den schwierigeren

Fächern gehörte?

Erwartungsgemäß ja. Doch auch hier ist die Korrelation mit einem Wert des ent-

sprechenden Koeffizienten von -0,212 nur gering ausgeprägt. Dennoch gilt simpel

Analyse

188

formuliert: Je beliebter das Fach, desto höher die erreichte Punktzahl – eine direk-

te Kausalität ist dadurch jedoch nicht bestätigt.

Hängt die erreichte Gesamtpunktzahl eines Studenten mit der

Einschätzung nach der Bedeutung der Chemie und ihrer

Forschungsergebnisse für den persönlichen Alltag bzw. die Wirtschaft und

die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands zusammen?

Nein, das ist eher weniger der Fall. Die Werte des Korrelationskoeffizienten

liegen hier bei -0,162 bzw. -0,099. Allenfalls im Vergleich mit der Bedeutung der

Chemie für den persönlichen Alltag kann von einem sehr geringen

Zusammenhang die die Rede sein.

Besteht ein Zusammenhang zwischen der erreichten Gesamtpunktzahl

eines Studenten und der Klasse, in welcher er zum letzten Mal

Chemieunterricht in der Schule gehabt hat?

Ja, dieser Zusammenhang besteht mit einem Kendall-Tau-b-Wert von 0,335

durchaus. Je später ein Student also Chemie in der Schule abgewählt hat, desto

höher ist die Wahrscheinlichkeit bei dieser Befragung eine hohe Punktzahl er-

reicht zu haben.

Besteht ein Zusammenhang zwischen der erreichten Gesamtpunktzahl

eines Studenten und der von ihm abgegebenen Beurteilung der

Gesamtheit seiner Zeugnisnoten?

Ja, auch dieser Zusammenhang besteht, was jedoch nicht anders zu erwarten war.

Die negative Korrelation – der Wert des Koeffizienten liegt bei -0,304 – belegt,

Analyse

189

dass Studenten, welche die Bewertungen ihrer schulischen Leistungen in Chemie

als „sehr gut – gut“ einschätzten, vermehrt höhere Punktzahlen erzielten.

Mit was steht die Leistung eines Studenten in der Kategorie

„Allgemeine Probleme, Chemie des Alltags“ in Korrelation?

Um diese Frage zu beantworten wurde eine ganze Reihe von Korrelationskoeffi-

zienten berechnet. Entgegen der Erwartung besteht zwischen dem Abschneiden in

dieser Kategorie und der letzten Klasse, in der ein Student Chemieunterricht hatte,

jedoch kein Zusammenhang (der Wert des Kendall-Tau-b-

Korrelationskoeffizienten liegt bei 0,009). Es ist zudem nicht nur unerheblich, wie

lange ein Student Chemie in der Oberstufe belegt hat (Kendall-Tau-b-Wert bei

0,014), es besteht sogar kein linearer Zusammenhang zwischen der erzielten

Punktzahl und der Frage, ob Chemie überhaupt nach der 10. Klasse belegt wurde

(Kendall-Tau-b-Wert bei -0,085). Offenbar stimmt, was in den vorhergehenden

Kapiteln schon vermutet wurde: Alltagswissen wird hauptsächlich in der Mittel-

stufe vermittelt. Doch die Tatsache, dass keine Zusammenhänge zwischen dem

guten Abschneiden in der Kategorie „Allgemeine Probleme, Chemie des Alltags“

und einer anderen Variablen hergestellt werden können, ist recht verwunderlich.

Das Wissen der befragten Studenten ist in diesem Bereich verglichen mit den an-

deren fachspezifischen Inhalten am größten. Ein zentrales Ziel des Lehrplans,

Alltagswissen zu vermitteln, ist somit offensichtlich erreicht worden. Alle Studen-

ten, unabhängig von ihrem Hauptfach (der Kendall-Tau-b-Wert liegt bei -0,054),

beantworteten die Fragen zur Alltagschemie gut. Wovon genau dieser Erfolg letzt-

lich jedoch abhängt, ist mit den in dieser Erhebung erzielten Ergebnissen nicht

eindeutig beantwortbar.

Zusammenhänge zwischen Experten- und Studentenbefragung

190

5 Zusammenhänge zwischen Experten- und Studentenbefragung

In diesem Kapitel soll untersucht werden, wie die Einschätzungen der Experten

mit den Ergebnissen der befragten Studenten zusammenhängen. Dazu werden die

Studenten wieder in die beiden Gruppen „mit“ und „ohne Chemie in der Oberstu-

fe“ eingeteilt. Die Konstanten Ki und Kib werden im Folgenden für jede der 21

Aufgaben zuerst mit den Medianen und dann mit den Mittelwerten der Punktzah-

len verglichen. Dazu dienen die tatsächlich erreichten Punktzahlen der Studenten,

d.h. die Auswertung wird mit den Werten vorgenommen, die weder normiert,

noch mit den Multiplikatoren Mi oder Mib verrechnet wurden – das ist auch der

Grund, warum alle im Folgenden aufgeführten Mediane ganzzahlig sind. Ab-

schließend werden Korrelationskoeffizienten bestimmt, um Aussagen über den

Zusammenhang zwischen den beiden Befragungen treffen zu können.

Die folgende Tabelle fasst die für die folgenden Berechnungen wichtigsten Werte

zusammen. Zur Erinnerung: Die Konstanten Ki und Kib nehmen immer Werte

zwischen 1,00 und 3,00 an. Je größer der Wert, desto sicherer müssten Studenten

nach Einschätzung der Experten die entsprechende Frage beantworten können.

Tab. 41: Konstanten, Mediane und Mittelwerte aller Aufgaben, aufgeteilt für „Studenten

mit Chemie in der Oberstufe“ und „Studenten ohne Chemie in der Oberstufe“ (markiert

durch ein hochgestelltes „b“).

Aufgabe K i Median Mittel-

wert K i

b Median b Mittel-

wert b

1 2,59 5 3,99 1,99 5 3,50

2 2,88 6 5,54 2,45 5 5,16

3 2,86 5 4,32 2,34 3 3,80

4 2,79 11 10,34 1,88 10 9,40

5 2,93 6 7,26 2,34 6 5,40

Zusammenhänge zwischen Experten- und Studentenbefragung

191

6 2,86 2 2,36 2,17 0 1,40

7 2,28 2 1,64 1,55 2 1,53

8 2,48 10 10,11 1,38 8 7,41

9 2,95 5 4,43 1,83 0 1,73

10 2,69 0 1,85 1,83 0 0,66

11 2,53 7 6,56 1,14 3 2,79

12 2,84 5 5,28 1,91 1 3,52

13 2,90 8 5,84 2,19 8 5,01

14 2,93 4 4,79 2,05 4 4,62

15 2,74 0 1,99 1,78 0 1,23

16 2,50 3 4,00 1,53 0 3,08

17 2,66 7 6,46 1,55 5 4,56

18 2,47 0 1,66 1,00 0 0,71

19 2,14 0 0,56 1,12 0 0,03

20 2,26 4 2,70 1,43 4 2,50

21 2,12 2 3,60 1,31 0 2,11

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Um den Zusammenhang zwischen den Variablen Ki bzw. Kib sowie den zugehöri-

gen Medianen und Mittelwerten beurteilen zu können, werden im Folgenden so-

wohl Streudiagramme als auch berechnete Korrelationskoeffizienten benutzt. Der

in Kapitel 4.3.3 verwendete Kendall-Tau-b-Korrelationskoeffizient ist hierzu je-

doch ungeeignet, da es sich jetzt nicht mehr um ordinal-, sondern um intervallska-

lierte Variablen handelt. Aus diesem Grund werden die Berechnungen mit dem

Zusammenhänge zwischen Experten- und Studentenbefragung

192

Pearson-Korrelationskoeffizienten, der genau wie der Kendall-Tau-b-

Korrelationskoeffizient interpretiert wird, durchgeführt.

Das folgende Matrix-Streudiagramm zeigt, ob die Variablen für die 147 befragten

Studenten ohne Chemie in der Oberstufe miteinander korrelieren:

Diagramm 100: Korrelation zwischen den Konstanten Kib und den zugehörigen Mittel-

werten und Medianen.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Das obige Diagramm ist symmetrisch aufgebaut, jedes Variablenpaar wird also

einmal oberhalb und einmal unterhalb der Hauptdiagonalen – einmal mit ver-

tauschten Achsen, d.h. an der Hauptdiagonalen eines Kästchens gespiegelt – auf-

geführt. Das zweite Kästchen in der ersten Zeile zeigt die Korrelation zwischen

den Konstanten Kib und den entsprechenden Medianen an, das dritte Kästchen der

ersten Zeile die Korrelation zwischen den Konstanten Kib und den Mittelwerten,

Zusammenhänge zwischen Experten- und Studentenbefragung

193

das dritte Kästchen der zweiten Zeile entsprechend für die Mediane und die Mit-

telwerte. Die lineare Ausgleichsgerade innerhalb jedes Kästchens gibt einen Ein-

druck, ob die Werte miteinander korrelieren oder nicht – je deutlicher die einzel-

nen Punkte auf dieser Geraden liegen, desto größer ist die Korrelation. In diesem

Fall korrelieren alle Variablen miteinander unterschiedlich stark. Da jedoch die

Gerade in allen Fällen von unten links nach oben rechts verläuft, liegt jeweils eine

positive Korrelation vor. Große Werte der einen Variablen treten also vermehrt

mit großen Werten der anderen Variablen auf. Besonders groß ist die Korrelation

erwartungsgemäß zwischen den Mittelwerten und den Medianen. Interessanter

aber ist die Frage nach den Zusammenhängen zwischen den Konstanten Kib und

den zugehörigen Medianen bzw. Mittelwerten. Dass diese Beziehungen jeweils

schwächer sind als zwischen Medianen und Mittelwerten zeigt schon das Matrix-

Streudiagramm: die Werte streuen recht weit um die Gerade. Um die Stärke der

Korrelation jedoch auch zahlenmäßig beschreiben und somit besser beurteilen zu

können, wurde der Pearson-Korrelationskoeffizient berechnet. Die Werte enthält

die folgende Tabelle:

Tab. 42: Korrelationen zwischen den einzelnen Variablen für Studenten ohne Chemie in

der Oberstufe.

Variable 1 Variable 2 Pearson-Korrelationskoeffizient

Kib Medianb 0,326

Kib Mittelwertb 0,374

Medianb Mittelwertb 0,903

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008)

Die Koeffizienten bestätigen den Eindruck des Streudiagramms: Bei allen Kom-

binationen liegt eine positive Korrelation vor. Die Korrelation zwischen Medianen

und Mittelwerten ist sehr hoch, zwischen den Konstanten Kib und den Mittelwer-

ten bzw. Medianen jeweils nur gering. Dennoch kann festgehalten werden, dass

hohe Werte der ersten Variablen vermehrt mit hohen Werten der zweiten Variab-

len auftreten. Die Studenten haben also bei den Aufgaben, welche sie nach Mei-

Zusammenhänge zwischen Experten- und Studentenbefragung

194

nung der Experten recht sicher hätten lösen können müssen, auch vermehrt hohe

Punktzahlen erreicht.

Für die 491 Studenten mit Chemie in der Oberstufe stellt sich das Ergebnis fol-

gendermaßen dar:

Diagramm 101: Korrelation zwischen den Konstanten Ki und den zugehörigen Mittelwer-

ten und Medianen.

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008).

Für die Interpretation des Diagramms gilt, was zuvor beschrieben wurde. Auch in

der Kategorie „Studenten mit Chemie in der Oberstufe“ ist die Korrelation zwi-

schen Mittelwerten und Medianen erwartungsgemäß hoch. Doch auch die Variab-

len Ki korrelieren positiv mit Medianen und Mittelwerten, wenn auch deutlich

geringer. Über die Stärke der einzelnen Korrelationen informiert die folgende Ta-

belle:

Zusammenhänge zwischen Experten- und Studentenbefragung

195

Tab. 43: Korrelationen zwischen den einzelnen Variablen für Studenten mit Chemie in

der Oberstufe.

Variable 1 Variable 2 Pearson-Korrelationskoeffizient

Ki Median 0,358

Ki Mittelwert 0,370

Median Mittelwert 0,944

Gerwig: Chemische Kenntnisse von Studienanfängern (2008)

Auch in diesem Fall bestätigen die Koeffizienten den Eindruck des Streudia-

gramms: Bei jeder Kombinationen liegt eine positive Korrelation vor. Die Korre-

lation zwischen Medianen und Mittelwerten ist wiederum sehr hoch und sogar

noch höher, als in der Kategorie Studenten ohne Chemie nach Klasse 10. Das

heißt, dass die Mediane und Mittelwerte der Studenten mit Chemie in der Ober-

stufe näher zusammenliegen, als in der Vergleichsgruppe, die Antworten bzw. die

erzielten Punktzahlen nicht allzu stark streuen. Diesen Eindruck bestätigt auch

Tabelle 41.

Zwischen den Konstanten Ki und den Mittelwerten bzw. Medianen besteht jeweils

eine geringe Korrelation, d.h. die Einschätzungen der Experten stimmen mit den

tatsächlich erzielten Ergebnissen der Studenten nur bedingt überein. Dennoch

kann auch hier festgehalten werden, dass hohe Werte der ersten Variablen ver-

mehrt mit hohen Werten der zweiten Variablen auftreten, die Wahrscheinlichkeit,

dass ein Student eine Aufgabe lösen kann also steigt, je mehr die Experten diese

Aufgabe als „sicher lösbar“ beurteilt haben.

Einhaltung der Gütekriterien

196

6 Einhaltung der Gütekriterien

Das Ziel eines Messvorgangs – also auch das Ziel der vorliegenden Arbeit – be-

steht in der Erhebung möglichst exakter und fehlerfreier Messwerte. Dieses Ziel

wird jedoch bei kaum einer Messung vollständig erreicht, da jede Untersuchung

zwangsläufig auch Messfehler enthält. Um jedoch trotz dieser Messfehler die er-

hobenen Daten sinnvoll interpretieren zu können, wird in der Theorie die mög-

lichst genaue Einhaltung von drei Gütekriterien gefordert.

„Die Idee der Gütekriterien wurzelt in der klassischen Mess- und

Testtheorie der Psychologie und damit in der quantitativen For-

schung.“73

Auch die vorliegende Arbeit gehört zum Gebiet der „Quantitativen Forschung“,

denn:

„Einer quantitativ orientierten Forschung geht es vor allem darum,

Hypothesen über Zusammenhänge zwischen verschiedenen Variablen

an der Realität zu überprüfen. Die forschungsleitenden – aus Theorie

gespeisten – Hypothesen müssen operationalisiert werden, d.h. in

messbare Dimensionen überführt werden, um sie dann in Form von

Zahlen einer weiteren mathematischen Analyse zuzuführen.“74

Genau das ist in dieser Arbeit geschehen: Die aus den Vorgaben des Lehrplans

gespeisten Hypothesen, darunter die Haupthypothese, dass Abiturienten im schu-

lischen Chemieunterricht mit einem großen alltagsbezogenen Wissen ausgestattet

wurden, sind mit Hilfe eines Fragebogens und der anschließenden Überführung

der Ergebnisse in messbare, mathematische Modelle überprüft worden. Also gilt:

„Methoden der Datenerhebung, aber auch ganze Untersuchungen

müssen den Kriterien der Objektivität, Reliabilität und Validität ge-

recht werden.“75

Eine Überprüfung dieser drei Gütekriterien darf in dieser Arbeit also nicht fehlen.

73 Mayer (2006), S. 54 74 Raithel (2006), S. 8 75 Krause, Balz, Müller (1997), S. 693

Einhaltung der Gütekriterien

197

6.1 Objektivität

Der Grad der Objektivität gibt an, inwieweit die erhaltenen Befunde unabhängig

von der jeweiligen Person, welche die Erhebung durchgeführt hat, sind. In diesem

Fall bereitet die Einhaltung der drei Unterpunkte Durchführungsobjektivität, Aus-

wertungsobjektivität und Interpretationsobjektivität keine allzu großen Schwierig-

keiten. Es wurde bereits dokumentiert, dass bei dieser Erhebung streng darauf

geachtet wurde, verzerrend wirkende Formen interpersoneller Kommunikation

(Pygmalioneffekt, vgl. KAPITEL 3.1) möglichst zu vermeiden: der Rahmen der

Befragung war stets derselbe, die Durchführung kann also durchaus als objektiv

angesehen werden. Des Weiteren war an der Auswertung, die anhand strenger

Bewertungsrichtlinien durchgeführt wurde (vgl. KAPITEL 1.2), nur eine Person

beteiligt, so dass bei gleichen Antworten nie unterschiedliche Messergebnisse

zustande kommen konnten. Entsprechendes gilt für die Interpretationsobjektivität.

Die Objektivität ist für eine Arbeit wie der vorliegenden jedoch auch wichtig, um

Folge- oder Replikationsstudien zu ermöglichen. Voraussetzung dafür ist eine

umfassende Dokumentation der Datenerhebung sowie die eindeutige Darstellung

der Schlussfolgerungen. In den KAPITELN 2 und 3 wurden die Planung und Durch-

führung der Experten- und Studentenbefragung bereits ausführlich beschrieben, so

dass die Durchführung einer sich an diese Arbeit anschließenden Längsschnittstu-

die problemlos möglich sein sollte.

6.2 Reliabilität

Unter der Reliabilität versteht man die Verlässlichkeit der Messung. Eine Mess-

wiederholung unter identischen Bedingungen sollte bei einer reliablen Untersu-

chung zu stabilen Resultaten führen. Der Grad der Reproduzierbarkeit kann durch

einen Korrelationskoeffizienten ausgedrückt werden. Zu dessen Berechnung oder

Abschätzung stehen eine ganze Reihe umfangreicher Tests zur Verfügung (Test-

Retest-Methode, Paralleltest-Methode, Methode der Testhalbierung oder Split-

half-Reliabilität, Cronbachs-Alpha-Modell), deren Durchführung jedoch größten-

teils im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht möglich ist. So wird bei der Test-

Einhaltung der Gütekriterien

198

Retest-Methode die Befragung nach einem bestimmten Zeitintervall wiederholt,

was in diesem Fall aus unterschiedlichen Gründen – die Studenten sollten in der

Zwischenzeit einiges in Chemie gelernt haben und somit die Aufgaben des Frage-

bogens besser beantworten können – sinnlos wäre. Auch die Paralleltest-Methode

ist nicht möglich, da dazu ein zweites, möglichst ähnliches Messinstrument nötig

wäre. Die einzige durchführbare Methode für die vorliegende Arbeit ist das Cron-

bachs-Alpha-Modell. Der von SPSS automatisch berechnete Cronbachs-Alpha-

Koeffizient kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen und stellt heute die gängige

Methode zur Schätzung der Reliabilität dar. Bei der Überprüfung wird das Mess-

instrument in so viele Untertests zerlegt, wie es besitzt. Der Koeffizient liefert

dann eine genaue Schätzung, wenn die Mittelwerte der überprüften Items gleich

sind. Ist diese Voraussetzung – wie in diesem Fall – nicht erfüllt, stellt der Cron-

bachs-Alpha-Koeffizient eine untere Grenze der Reliabilität dar, d.h. die wahre

Reliabilität ist mindestens so hoch wie der Wert, wahrscheinlich aber noch hö-

her.76 Die Berechnung des Koeffizienten ergab einen Wert von α = 0,884, der

nach als sehr gut zu bezeichnen ist.77 Die Studie kann somit als durchaus reliabel

beurteilt werden, d.h. bei einer wiederholten Messung unter gleichen Bedingun-

gen würde höchstwahrscheinlich das gleiche Ergebnis erzielt werden.

6.3 Validität

Unter der Validität (Gültigkeit) versteht man den Grad der Genauigkeit, mit dem

eine bestimmte Methode dasjenige Merkmal erfasst, das es der Erwartung nach

erfassen soll. 1974 unterschied die „American Psychological Association“ drei

Formen der Validität. Diese Unterscheidung nach Inhaltsvalidität, Kriteriumsva-

lidität und Konstruktvalidität ist in der Literatur bis heute allgemein verbreitet.78

Die Inhaltsvalidität bezieht sich darauf, dass möglichst alle Aspekte der Dimensi-

on, die gemessen werden sollte, berücksichtigt werden. Eine gültige Messung

kann also nur erfolgen, wenn jeder Aspekt des theoretischen Begriffs in den Ope-

76 vgl. Raithel (2006), S. 114 f 77 vgl. Eichenberg (2007), S. 149 78 vgl. Rohwer, Pötter (2002), S. 125

Einhaltung der Gütekriterien

199

rationalisierungen berücksichtigt wird. Für den Begriff Inhaltsvalidität existieren

jedoch keinerlei objektive Kriterien, weshalb sie auch nicht als „volles“ Validi-

tätskriterium aufgefasst werden, sondern eher als Idee, die bei der Konstruktion

eines Instruments nützlich sein kann, angesehen werden sollte. Das ist bei der

Konstruktion des für diese Arbeit erstellten Fragebogens geschehen: Die 21 Fra-

gen des B-Teils wurden so ausgewählt, dass die drei wichtigsten Gebiete der

Schulchemie (Allgemeine Chemie, Anorganische Chemie, Organische Chemie

bzw. Biochemie) größtmöglich abgedeckt wurden (vgl. Tabelle 3, KAPITEL 1.1.3).

Des Weiteren werden durch die Fragen zusätzlich fachspezifische Inhalte des

schulischen Chemieunterrichts abgedeckt (vgl. Tabelle 4, KAPITEL 1.1.3). Es wur-

de also bei der Auswahl der Fragen ein großer Wert darauf gelegt, das chemische

Gesamtwissen zu messen und nicht nur kleine Ausschnitte der Studenten zu be-

rücksichtigen.

Die Kriteriumsvalidität bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen den empi-

risch gemessenen Ergebnissen des Messinstruments und einem anders gemesse-

nen empirischen („externen“) Kriterium. Allgemein werden dabei zwei weitere

Formen der Kriteriumsvalidität unterschieden: die „predictive validity“ und die

„concurrent validity“. Prädiktive Validität besitzt ein Instrument dann, wenn Vor-

aussagen, die auf einer ersten Messung mit dem Instrument beruhen, durch spätere

Messungen mit einem anderen Instrument bestätigt werden können. Eine Form

der Bestimmung der „concurrent validity“ besteht in der „Methode der bekannten

Gruppen“. Sind zwei Gruppen bekannt, die auf der interessierenden Dimension

Unterschiede aufweisen, so muss ein Messinstrument diese beiden Gruppen deut-

lich unterscheiden können, um „concurrent validity“ zu besitzen. Weitergehend

sollen diese beiden Validitätsformen an dieser Stelle jedoch nicht betrachtet wer-

den, denn zum einen sind so in der Regel nur sehr schwache Zusammenhänge

zwischen Kriterium und dem Messinstrument nachweisbar, zum anderen gilt fol-

gendes ohnehin:

„Es gibt sehr häufig keine hinreichend genau gemessene Kriteriums-

variable für die Validierung einer Messung […].“79

79 Schnell, Hill, Esser (2008), S. 156

Einhaltung der Gütekriterien

200

Von weitaus größerer Bedeutung im Vergleich zu den oben beschriebenen For-

men der Inhalts- und Kriteriumsvalidität ist die dritte existierende Form, die Kon-

struktvalidität.

Konstruktvalidität liegt dann vor, wenn aus dem Konstrukt, also aus den erstellten

Variablen, empirisch überprüfbare Aussagen über Zusammenhänge mit anderen

Konstrukten theoretisch hergeleitet werden können und sich diese Zusammenhän-

ge empirisch nachweisen lassen. Der Nachweis der Konstruktvalidität ist jedoch

ein komplexer Prozess, der häufig verschiedene Studien und unterschiedliche An-

sätze erforderlich macht.80 Im Rahmen dieser Arbeit ist eine solch aufwendige

Überprüfung nicht möglich.

In jedem Fall bezeichnet die Konstruktvalidität den Grad, mit dem ein Test ein

theoretisches Konstrukt oder Merkmal misst – in diesem Fall beschreibt sie also

den Grad, mit dem die Erhebung das chemische Wissen der befragten Studenten

gemessen hat. Und dieser Grad kann auch ohne komplexe Folgestudien zumindest

grob eingeschätzt werden: Die vorliegende Erhebung sollte einen Überblick über

das chemische Schulwissen eines Abiturienten geben und mit dem Lehrplanwis-

sen eines Abiturienten – also mit dem, was ein Abiturient theoretisch können

müsste – verglichen werden. Das Messinstrument (der Fragebogen der Studenten-

befragung) wurde dabei so konstruiert, dass möglichst viele Gebiete und Bereiche

der Schulchemie abgefragt werden konnten. Um den Fragebogen dennoch in ei-

nem angemessenen Rahmen zu halten, mussten die Fragen für jedes Gebiet auf

einige wenige, zum Teil recht schwer zu beantwortende Aufgaben beschränkt

werden – darunter leidet die Validität natürlich. Die Gültigkeit einer Aussage ein

bestimmtes Gebiet betreffend, die sich auf die Antworten aus nur drei oder vier

Aufgaben stützt, ist offenkundig weniger gültig, als eine entsprechende Aussage,

die sich aus der Gesamtheit von einem Dutzend oder mehr Fragen ergibt. Doch es

war – das sei noch einmal nachdrücklich erwähnt – auch nicht das Ziel dieser Stu-

die, einzelne Gebiete zu überprüfen. Der Überblick über das chemische Gesamt-

wissen eines Abiturienten stand zu jeder Zeit im Mittelpunkt. Betrachtet man die

Studie unter diesem Aspekt, lässt sie sich durchaus als valide einschätzen – im-

80 vgl. LoBiondo-Wood (2005), S. 503

Einhaltung der Gütekriterien

201

merhin umfasst der Fragebogen dann 21 Aufgaben zu einem Thema. Die Validität

wäre jedoch abschließend mit der oben angeführten Berechnung zu überprüfen.

Bilanz und Motivation

202

7 Bilanz und Motivation

Was bleibt am Ende einer solchen Erhebung? Es kann sicherlich festgehalten

werden, dass es eine Menge (hauptsächlich naturwissenschaftlich interessierter)

Abiturienten gibt, die mit einem großen chemischen Wissen die Schule verlassen.

Danach stehen jedem die Türen Europas und der gesamten Welt offen. Viele nut-

zen diese Gelegenheit und gehen ins Ausland, zur Bundeswehr, leisten Ersatz-

dienst oder nutzen die neu gewonnene Freiheit bspw. mit einem Engagement im

sozialen Bereich schlicht zur Orientierung. In dieser Zeit geht Wissen – nicht nur

chemisches Wissen – unweigerlich verloren. Hängen bleibt, was nicht zu abstrakt

ist und im Kontext mit alltäglichen Phänomenen steht. Das unterstreichen zahlrei-

che, auf dem Fragebogen der Studentenbefragung notierte Kommentare, die alle-

samt die Zeitspanne zwischen letztem Schulunterricht und dem Zeitpunkt der Um-

frage beinhalteten. Diese Tatsache führt zu Einschätzungen wie der folgenden:

„Es ist bekannt, aber noch nicht systematisch erfasst, dass die chemi-

schen Kenntnisse der Studienanfänger minimal sind.“81

Als Indiz dieser Feststellung werden oftmals Gründe wie „das Fach Chemie wird

häufig abgewählt“ oder „Leistungskurse in Chemie werden immer seltener ange-

boten, da sich nicht genügend Gymnasiasten dafür interessieren“ angeführt.82 Ar-

gumente, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht gänzlich und für alle Abi-

turienten gültig überprüft werden können.83 Die Ergebnisse dieser Arbeit bestäti-

gen aber die obigen Feststellungen nicht – zumindest für die Gruppe der hier be-

fragten Abiturienten, die ein „chemielastiges“ Studium wählten (Theologiestuden-

ten ausgenommen). Bei diesen Studenten ist das Interesse an Naturwissenschaften

und Chemie durchaus groß, was neben den dort erbrachten Leistungen auch die

Wahl der Leistungs- und Grundkurse bestätigt. Diese Studenten hatten infolge

dessen auch keine größeren Probleme, den Großteil der im Fragebogen gestellten

81 Szagun (2001), S.78 82 vgl. Szagung (2001) S. 78 f 83 Die in dieser Arbeit befragte Studentengruppe stellt keineswegs eine repräsentative Stichprobe

aller Abiturienten dar – es wurden schließlich aus bekannten Gründen fast ausnahmslos, nämlich bis auf die Theologiestudenten, nur solche Abiturienten befragt, die ein mehr oder weniger von Chemie geprägtes Studium wählten. Aus demselben Grund gelten die Ergebnisse auch nicht für alle Studienanfänger an der Philipps-Universität geschweige denn in Hessen oder Deutschland.

Bilanz und Motivation

203

Aufgaben zu lösen. Und für die befragten Abiturienten, die Chemie entweder früh

abwählten, oder aber ohne großes Interesse in der Oberstufe belegten, gilt, dass sie

gerade die Alltagschemie betreffenden Fragen beantworten konnten. Das ist es,

was der Lehrplan verlangt. Neben einer zeitgemäßen naturwissenschaftlichen

Grundausbildung, welche die Schüler bereits in der Sekundarstufe I erwerben sol-

len, stehen vor allem die Entwicklung der Studierfähigkeit, die bei den meisten

Studenten aus chemischer Sicht sicherlich vorhanden ist, und immer wieder das

Bewältigen von Alltagssituationen im Mittelpunkt der im hessischen Lehrplan

formulierten Ziele des Faches Chemie.

„Ziel des Chemieunterrichts in der gymnasialen Oberstufe ist es so-

mit, Schülerinnen und Schüler zu befähigen, in Lebensbereichen, in

denen chemisches, naturwissenschaftliches und technisches Wissen

erforderlich sind, sachkompetent und verantwortungsbewusst zu han-

deln und zu entscheiden.“84

Diese Erhebung bestätigt, dass viele Abiturienten – insbesondere solche, die sich

für das Fach interessieren – dazu durchaus in der Lage sind. Schüler, denen das

Interesse an der Chemie fehlt, entwickeln in ihrer Schullaufbahn hingegen nur ein

sehr geringes chemisches Verständnis.

Ob diese Folgerung in gewisser oder indirekter Weise von dem Bundesland, in

welchem das Abitur erworben wurde, abhängig ist, vermag diese Arbeit nicht zu

klären – auch wenn die nötigen Informationen diesbezüglich durchaus vorhanden

sind, jedoch genau wie sehr viele weitere Inhalte aus Zeitgründen nicht weiter

ausgewertet werden konnten. Es liegt nun mal in der Kulturhoheit der Länder, die

Schulausbildung nach eigenen Vorstellungen zu regeln. Die vorliegende Studie

bezieht sich deshalb ausschließlich auf den hessischen G9-Lehrplan aus dem Jahr

2003, da die meisten der Studenten ihr Abitur nach diesem Programm erworben

haben. Die Gruppe der Befragten nach den Bundesländern aufzuteilen, um die

Ergebnisse anschließend mit den dort gültigen Lehrplänen zu vergleichen, ist ein

durchaus interessanter Ansatz für eine weiterführende Studie, hätte den Rahmen

dieser Arbeit allerdings endgültig gesprengt.

84 Hessischer G9-Lehrplan (2003), S. 2

Bilanz und Motivation

204

Die neuesten Ergebnisse der PISA-Studie („Programme for International Student

Assessment“ bzw. „Programm zur internationalen Schülerbewertung“) würden

eine solche Arbeit durchaus rechtfertigen. In dem am 18. November 2008 veröf-

fentlichten Bericht heißt es, dass die ersten Bundesländer (Sachsen, Bayern, Thü-

ringen und Baden-Württemberg) an internationales Spitzenniveau aufschließen

konnten. Ziel müsse es aber weiterhin sein, die zum Teil sehr großen Leistungsun-

terschiede zwischen den Bundesländern anzugleichen. Dabei könnte man, gerade

was den naturwissenschaftlichen Unterricht betrifft, durchaus von Spitzenländern

lernen, teilte Bundesbildungsministerin Annette Schavan noch am Tag der Veröf-

fentlichung in einer Pressemitteilung mit.85 Trotzdem: Immerhin 13 der 16 deut-

schen Bundesländer liegen in den Naturwissenschaften über dem Durchschnitt der

OECD-Länder (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-

lung).

Auch könnten in einer solchen Studie Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwi-

schen den Lehrplänen der Länder herausgearbeitet und, in Korrelation mit den

Ergebnissen der befragten Erstsemesterstudenten, Kriterien erstellt werden, die für

einen Lehrplan unverzichtbar bzw. überflüssig erscheinen. Dass diese entrümpelt

und verschlankt werden müssen, ist noch immer ein aktuelles Thema, welches

sich hartnäckig in Presse und Medien hält. Der emeritierte Pädagogik-Professor

der Universitäten Tübingen und Ulm, Ulrich Herrmann, forderte im April diesen

Jahres in einem in der Süddeutschen Zeitung erschienen Artikel sogar, alle Lehr-

pläne gänzlich „in den Müll“86 zu werfen – und er stellt darin nicht nur das zum

Teil bereits umgesetzte Vorhaben, sondern sogar die Diskussion um das Verkür-

zen der Schulzeit auf zwölf Jahre in Frage.

„Die Debatte über die Lehrpläne in der verkürzten Gymnasialzeit

geht von drei irrigen Voraussetzungen aus: Erstens sind die heutigen

Lehrpläne keine Lehr-, sondern Stoffverteilungspläne. Zweitens sind

sie keine Pläne, sondern Vorschriften und insofern sind sie ein zentra-

les Instrument der bürokratischen Verregelung der Schule. Drittens

85 Pressemitteilung der Bundesregierung vom 18. November 2008, in:

http://www.bundesregierung.de/nn_1264/Content/DE/Artikel/2008/11/2008-11-18-pisa-ergebnisse.html

86 Ulrich Herrmann, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 81 vom 7. April 2008; vgl. Anhang Nr. 3

Bilanz und Motivation

205

sind Lehrpläne keine Lerngänge; denn sie sagen ja nicht, wie die

Schüler praktisch vorgehen sollen. Und weil das so ist, ergibt es kei-

nen Sinn, sie wieder einmal nach neuester politischer oder pädagogi-

scher Mode umzufrisieren, sondern sie gehören in den Papierkorb

und müssen durch Arbeitspläne für die Schüler ersetzt werden.“87

Aus schulpädagogischer Sicht sei diese Argumentation zwar durchaus nicht neu,

werde aber offenbar von Politikern, die zur Erstellung und Umgestaltung der

Lehrpläne oftmals Politikerkollegen und Wissenschaftler, statt Schulleute beauf-

tragen, immer wieder vergessen.

„Man kann es sich auch so klarmachen: Der Fahrplan der Bahn ergibt

für die Reisenden nur Sinn, wenn er auch zugleich als Arbeitsplan für

die Lokführer funktioniert.“88

Dennoch: Immerhin setze sich mittlerweile mehr und mehr durch, in Zukunft we-

niger darauf zu achten, was Lehrer unterrichten, sondern was Schüler tatsächlich

können.

Ob es nun auf reformierte oder gänzlich neue Lehrpläne hinausläuft: Fest steht,

dass auch die Chemieausbildung an der Schulen effektiver gestaltet werden muss.

Immerhin bleiben recht viele Schüler, auch solche, die Interesse an dem Fach zei-

gen, auf der Strecke – die große Spanne zwischen „guten“ und „schlechten“ Abi-

turienten ist in dieser Arbeit besonders im Studiengang Medizin auffällig. Einen

größeren Lernerfolg erreicht man bspw. – das ist die einvernehmliche Meinung

der Wissenschaft – durch den Alltagsbezug bzw. die Verknüpfung des Lernstoffs

mit der Umwelt der Schüler; vielleicht ein durch Lehrer noch nicht allzu oft prak-

tizierter Lehrweg. Man sollte schon in der Schule beginnen, Beziehungen zwi-

schen Chemie und anderen Wissenschaften wie Biologie, Medizin oder Pharmazie

stärker herauszuarbeiten – nicht nur wegen des kurzfristigen Prüfungserfolgs,

sondern auch und gerade, um die Schüler in ihren naturwissenschaftlichen Denk-

prozessen zu unterstützen; und das ist nun mal das Ziel der Lehrpläne.

87 Ulrich Herrmann, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 81 vom 7. April 2008; vgl. Anhang Nr. 3 88 a. a. O.

Bilanz und Motivation

206

Nichts desto trotz: Bei allen Reformen, Diskussionen, Gesprächen und Gesetzen

kann fehlender Lernerfolg nicht nur mit mangelhaft ausgearbeiteten Lehrplänen

begründet werden.

„Denn es ist wie alles: abhängig von Lehrer, Schülern, Ausstattung

der Fachräume, Klassengröße. Wie soll ein Experimentalunterricht

mit 33 Schülern gelingen?“89

89 Gerwig (2008), ausgewählter Kommentar der Expertenbefragung zur vorliegenden Arbeit „Che-

misches Wissen von Studienanfängern“.

Anhang

207

Anhang

Anhang 1: Material der Expertenbefragung. Bestehend aus Anschreiben (1.1), Informationsblatt (1.2) und Fra-gebogen (1.3).

Anhang 2: Fragebogen der Studentenbefragung. Anhang 3: Ulrich Herrmann (2008): Entsorgt die Lehrpläne, in: Süddeutsche

Zeitung, Nr. 81 vom 7. April 2008. Anhang 4: CD-ROM mit einer elektronischen pdf-Version der vorliegenden

Arbeit sowie den aus den Umfragen resultierenden numerischen Ergebnissen als SPSS- bzw. Excel-Dateien (im hinteren Einband).

Literaturverzeichnis

208

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Die Orthographie in den Zitaten entspricht den Quellen – lediglich aus den Exper-

tenkommentaren wurden evtl. vorhandene Fehler entfernt, dem Sinn nach jedoch

nicht verändert.

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Software:

SPSS Statistics: SPSS 16.0.2 für Windows (Deutsche Version), Art.-Nr.: 231612.

Lizenzerwerb am 23. September 2008.

Sonstiges:

1986er-Arbeit: Die (unvollständige) Arbeit ist nicht öffentlich zugänglich. Eine Kopie befindet sich in meinem Besitz.

Erklärung

Ich versichere hiermit, dass die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst, keine

anderen als die angegebenen Hilfsmittel verwendet und sämtliche Stellen, die den

benutzten Werken dem Wortlaut oder dem Sinne nach entnommen sind, mit Quel-

lenangaben kenntlich gemacht sind. Alle wörtlich entnommenen Stellen sind als

Zitate kenntlich gemacht. Die Festplatte, auf der der Text gespeichert wurde, be-

findet sich in meinem Besitz.

Mario Gerwig

Marburg, den 08. Dezember 2008