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1 DAWN: EINE REISE ZU DEN ANFÄNGEN DES SONNENSYSTEMS R. Jaumann 1,2 , C.T. Russell 3 , A. Coradini 4 , M.C. De Sanctis 4 , W.C. Feldman 5 , H.U. Keller 6 , T.B. McCord 7 , L.A. McFadden 8 , S. Mottola 1 , C.M. Pieters 9 , T.A. Prettyman 5 , C.A. Raymond 10 , H. Sirks 6 , D.E. Smith 11 , M.V., Sykes 12 , M. Zuber 13 und das Dawn Science Team, 1 DLR, Inst. für Planetenforschung Rutherfordstrasse 2, 12489 Berlin, Germany; 2 Freie Universität Berlin, Inst. Für Geologische Wissenschaften, Germany; ([email protected] ); 3 IGPP & ESS, UCLA, Los Angeles, CA 90095-1567, USA; 4 IFSI, Via del fosso del Cavaliere, Rome 00133, Italy; 5 LANL, MS D466, NIS-1, Los Alamos, NM 87545, USA; 6 MPAE, 37191 Katlenburg-Lindau, Germany; 7 Bear Fight Center, 22 Fiddler’s Rd., WA98862-0667, USA; 8 University of Maryland, College Park, MD 20742, USA; 9 Brown University, Providence, RI 02912, USA; 10 JPL, 4800 Oak Grove Dr, Pasadena, CA 91109, USA; 11 GSFC, MC 920, Greenbelt, MD 20771, USA; 12 PSI, 1700 East Fort Lowell, Suite 106, Tucson, AZ 85719-2395, USA; 13 MIT, Cambridge, MA 02139, USA. Zusammenfassung Am 27. September 2007 hob von Cape Canaveral eine Delta II-Rakete mit der Raumsonde Dawn ab. Das Ziel der NASA-Mission mit deutscher Beteiligung sind die Asteroiden Vesta und Ceres. An Bord von Dawn befindet sich ein Kamerasystem, das gemeinsam vom DLR und dem Max-Planck-Institut entwickelt und gebaut wurde. Diese Kamera dient nicht nur der Erforschung der Kleinplaneten, sondern ist unerlässliches Hilfsmittel zur Navigation der Sonde. Zwischen 2011 und 2015 wird Dawn als erste Mission an zwei unterschiedlichen Körpern unseres Sonnensystems in eine Umlaufbahn einschwenken. 1. EINLEITUNG Von Interesse ist diese Mission für die Planetenforschung, da Asteroiden das Material enthalten, aus dem das Sonnensystem – inklusive unsere Erde – entstanden sind. Da Asteroiden Bausteine eines Planeten sind, der höchstwahrscheinlich aufgrund der Gravitationskräfte Jupiters niemals fertig gestellt wurde, können sie uns Aufschluss geben, wie ein Planet geboren wird. Doch es gibt auch ein handfestes Sicherheitsinteresse, diese Himmelskörper zwischen den Planeten Mars und Jupiter genau zu untersuchen. Asteroiden geraten bisweilen durch Störungen ihrer Umlaufbahn in das innere Sonnensystem und können dabei auch die Bahnen der inneren Planeten kreuzen. Dabei kommt es immer wieder zu Kollisionen mit der Erde: Im harmlosen Fall verlieren kleinste Körper einen Großteil ihrer Energie durch die Luftreibung in der Erdatmosphäre, was dann zu spektakulären Leuchterscheinungen von Meteoren und Feuerkugeln führt. Doch gibt es auch mehr als tausend über einen Kilometer große Objekte, die im ungünstigsten Fall zu einer potentiellen Gefahr für die Erde werden. Statistisch betrachtet schlägt etwa alle fünftausend Jahre ein mehr als hundert Meter großer Asteroid auf der Erde ein. Über die auffallende Lücke zwischen den Planeten Mars und Jupiter wunderten sich bereits die Gelehrten des 18. Jahrhunderts. Der Gothaer Astronom Franz von Zach rief eine so genannte „Himmelspolizei“ ins Leben, um nach einem unentdeckten Planeten zu fahnden. Vierundzwanzig Astronomen in ganz Europa teilten sich den Nachthimmel, um ihren Abschnitt nach Wandelsternen abzusuchen. Der erste, der fündig wurde, gehörte allerdings nicht zur Himmelspolizei. Es war Giuseppe Piazzi, der am 1. Januar 1801 in der südlichsten Sternwarte Europas in Palermo den größten Asteroiden entdeckte: Ceres. Dieser Himmelskörper war aber für damalige Fernrohre schwer zu entdecken. Aufgrund seiner sehr exzentrischen Bahn – Ceres’ Umlaufbahn ist gegenüber derjenigen der Erde um zehn Grad geneigt – verloren die Astronomen Ceres wieder aus den Augen. Rettung brachte der geniale Mathematiker Karl Friedrich Gauß. Der formulierte auf Grundlage der vorhandenen Beobachtungen eine Formel, mit deren Hilfe Ceres genau am ersten Jahrestag seiner Entdeckung am 1. Januar 1802 wieder von Franz von Zach und Heinrich Olbers gefunden wurde. Davon ermutigt setzte die Himmelspolizei ihre Arbeit fort, und am 28. März 1802 fand Heinrich Olbers das zweite Objekt zwischen Mars und Jupiter: Pallas. Karl Harding spürte am 1. September 1804 Juno auf, und der letzte der Großen unter den Kleinen, Vesta, ging Olbers am 29. März 1807 ins Netz. Die Wissenschaftler hatten statt einem Planeten vier gefunden. Und ihre Zahl sollte in den folgenden Jahrzehnten exponentiell steigen: bis Ende des 19. Jahrhunderts verzeichnete man 463 derartige Himmelskörper. Man beschloss, sie als „Sternenähnliche“, lateinisch: Asteroiden, zu bezeichnen und nummerierte sie in der Reihenfolge ihrer Entdeckung: 1 Ceres, 2 Pallas, 3 Juno, 4 Vesta…

DAWN: EINE REISE ZU DEN ANFÄNGEN DES SONNENSYSTEMSVesta und Ceres sind Ergebnisse von Beobachtungen durch Teleskope sowie die Analyse von Spektralmessungen, die Aufschluss über die

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DAWN: EINE REISE ZU DEN ANFÄNGEN DES SONNENSYSTEMS

R. Jaumann1,2, C.T. Russell3, A. Coradini4, M.C. De Sanctis4, W.C. Feldman5, H.U. Keller6, T.B. McCord7, L.A. McFadden8, S. Mottola1, C.M. Pieters9, T.A. Prettyman5, C.A.

Raymond10, H. Sirks6, D.E. Smith11, M.V., Sykes12, M. Zuber13 und das Dawn Science Team,

1DLR, Inst. für Planetenforschung Rutherfordstrasse 2, 12489 Berlin, Germany; 2Freie Universität Berlin, Inst. Für Geologische Wissenschaften, Germany; ([email protected]); 3 IGPP & ESS, UCLA, Los Angeles, CA 90095-1567, USA; 4IFSI, Via del fosso del Cavaliere, Rome 00133, Italy; 5LANL, MS D466, NIS-1, Los Alamos, NM 87545, USA; 6 MPAE, 37191 Katlenburg-Lindau, Germany; 7Bear Fight Center, 22 Fiddler’s Rd., WA98862-0667, USA; 8University of Maryland, College Park, MD 20742, USA; 9Brown University, Providence, RI 02912, USA; 10JPL, 4800 Oak Grove Dr, Pasadena, CA 91109, USA; 11GSFC, MC 920, Greenbelt, MD 20771, USA; 12PSI, 1700 East Fort Lowell, Suite 106, Tucson, AZ 85719-2395, USA; 13MIT, Cambridge, MA 02139, USA.

Zusammenfassung

Am 27. September 2007 hob von Cape Canaveral eine Delta II-Rakete mit der Raumsonde Dawn ab. Das Ziel der NASA-Mission mit deutscher Beteiligung sind die Asteroiden Vesta und Ceres. An Bord von Dawn befindet sich ein Kamerasystem, das gemeinsam vom DLR und dem Max-Planck-Institut entwickelt und gebaut wurde. Diese Kamera dient nicht nur der Erforschung der Kleinplaneten, sondern ist unerlässliches Hilfsmittel zur Navigation der Sonde. Zwischen 2011 und 2015 wird Dawn als erste Mission an zwei unterschiedlichen Körpern unseres Sonnensystems in eine Umlaufbahn einschwenken.

1. EINLEITUNG

Von Interesse ist diese Mission für die Planetenforschung, da Asteroiden das Material enthalten, aus dem das Sonnensystem – inklusive unsere Erde – entstanden sind. Da Asteroiden Bausteine eines Planeten sind, der höchstwahrscheinlich aufgrund der Gravitationskräfte Jupiters niemals fertig gestellt wurde, können sie uns Aufschluss geben, wie ein Planet geboren wird. Doch es gibt auch ein handfestes Sicherheitsinteresse, diese Himmelskörper zwischen den Planeten Mars und Jupiter genau zu untersuchen. Asteroiden geraten bisweilen durch Störungen ihrer Umlaufbahn in das innere Sonnensystem und können dabei auch die Bahnen der inneren Planeten kreuzen. Dabei kommt es immer wieder zu Kollisionen mit der Erde: Im harmlosen Fall verlieren kleinste Körper einen Großteil ihrer Energie durch die Luftreibung in der Erdatmosphäre, was dann zu spektakulären Leuchterscheinungen von Meteoren und Feuerkugeln führt. Doch gibt es auch mehr als tausend über einen Kilometer große Objekte, die im ungünstigsten Fall zu einer potentiellen Gefahr für die Erde werden. Statistisch betrachtet schlägt etwa alle fünftausend Jahre ein mehr als hundert Meter großer Asteroid auf der Erde ein. Über die auffallende Lücke zwischen den Planeten Mars und Jupiter wunderten sich bereits die Gelehrten des 18. Jahrhunderts. Der Gothaer Astronom Franz von Zach rief eine so genannte „Himmelspolizei“ ins Leben, um nach einem unentdeckten Planeten zu fahnden. Vierundzwanzig

Astronomen in ganz Europa teilten sich den Nachthimmel, um ihren Abschnitt nach Wandelsternen abzusuchen. Der erste, der fündig wurde, gehörte allerdings nicht zur Himmelspolizei. Es war Giuseppe Piazzi, der am 1. Januar 1801 in der südlichsten Sternwarte Europas in Palermo den größten Asteroiden entdeckte: Ceres. Dieser Himmelskörper war aber für damalige Fernrohre schwer zu entdecken. Aufgrund seiner sehr exzentrischen Bahn – Ceres’ Umlaufbahn ist gegenüber derjenigen der Erde um zehn Grad geneigt – verloren die Astronomen Ceres wieder aus den Augen. Rettung brachte der geniale Mathematiker Karl Friedrich Gauß. Der formulierte auf Grundlage der vorhandenen Beobachtungen eine Formel, mit deren Hilfe Ceres genau am ersten Jahrestag seiner Entdeckung am 1. Januar 1802 wieder von Franz von Zach und Heinrich Olbers gefunden wurde. Davon ermutigt setzte die Himmelspolizei ihre Arbeit fort, und am 28. März 1802 fand Heinrich Olbers das zweite Objekt zwischen Mars und Jupiter: Pallas. Karl Harding spürte am 1. September 1804 Juno auf, und der letzte der Großen unter den Kleinen, Vesta, ging Olbers am 29. März 1807 ins Netz. Die Wissenschaftler hatten statt einem Planeten vier gefunden. Und ihre Zahl sollte in den folgenden Jahrzehnten exponentiell steigen: bis Ende des 19. Jahrhunderts verzeichnete man 463 derartige Himmelskörper. Man beschloss, sie als „Sternenähnliche“, lateinisch: Asteroiden, zu bezeichnen und nummerierte sie in der Reihenfolge ihrer Entdeckung: 1 Ceres, 2 Pallas, 3 Juno, 4 Vesta…

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2. ZEUGNIS AUS DER URZEIT DES SONNENSYSTEMS

Vor 4,6 Milliarden Jahren bildete sich unser Sonnensystem aus einer gewaltigen Scheibe aus Staub und Gas, die immer schneller um ihren Mittelpunkt rotierte[1,2,3]. Der Großteil dieser hauptsächlich aus Helium und Wasserstoff bestehenden Masse formte sich zu einem Zentralgestirn. Die Hitze der Sonne ließ im inneren Sonnensystem alles verdampfen bis auf Gesteinspartikel, aus denen die festen Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars entstanden (Bild 1).

BILD 1. Künstlerische Darstellung des frühen Sonnensystems (mit freundlicher Genehmigung von B. Hartmann) Am Rand der Scheibe blieb es kalt genug, dass sich Wasser, Methan und Ammoniak als Eispanzer um die Gesteinskerne der späteren Gasriesen Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun legten. Die Entstehung der Planeten begann sehr langsam. Wie Flocken klumpten kleine Teilchen zusammen [z.B.3]. Die immer umfangreichen Brocken zogen sich gegenseitig an und wuchsen zu so genannten Planetesimalen an [3|, den Bausteinen von Planeten. Dieser Prozess der Planetenbildung vollzog sich in den ersten 30 Millionen Jahren [3,4] (Bild 2).

BILD 2. Zeitskala für die Entwicklung der Planeten [3]

Doch in der Region des heutigen Asteroidengürtels scheiterte nach Ansicht der Wissenschaft die Bildung eines Planeten. Die Anziehungskraft Jupiters brach die Fragmente immer wieder auseinander. Das Drama dieses nie vollendeten Himmelskörpers – die Astronomen des 18. Jahrhunderts hatten den hypothetischen Planeten Phaeton getauft – ist für die Wissenschaft ein Glücksfall. Denn im Asteroidengürtel ist der Urzustand des Sonnensystems eingefangen wie eine Fliege im Bernstein. Doch ganz spurlos sind die vergangenen viereinhalb Milliarden auch am Asteroidengürtel nicht vorübergegangen. Immer wieder kam es zu Zusammenstößen von Asteroiden. Manche wurden aus der Bahn geworfen und kollidierten mit einem Planeten. Die zernarbten Oberflächen unseres Mondes oder Merkur geben davon Zeugnis ab, und auch die Erde ist von solchen Einschlägen nicht verschont worden. 3. DER ASTEROIDENGÜRTEL

Asteroiden, auch Kleinplaneten genannt, unterscheiden sich stark in ihrer Form und Größe. Die kleinsten haben Durchmesser von einem Dutzend Meter, die größten erreichen wie Vesta 500 Kilometer. Höchstwahrscheinlich sind die kleinen Marsmonde Phobos und Deimos ursprünglich Asteroiden gewesen, bis sie – durch einen Zusammenstoß oder die Jupiter Gravitationskraft – in das Schwerefeld des roten Planeten gerieten. Als einziges Objekt im Asteroidengürtel zählt Ceres mit seinen fast 1000 Kilometern Durchmesser bereits als Zwergplanet: eine Kategorie, die 2006 ins Leben gerufen wurde [5] und neben Ceres auch Pluto und Eris enthält, die zwei bislang größten Himmelskörper im Kuipergürtel jenseits der Neptun-Umlaufbahn. Bereits 1866 entdeckte der Amerikaner Daniel Kirkwood, dass einige Regionen des Asteroidengürtels leer sind.

BILD 3. Anzahl der Asteroiden im Asteroidengürtel als Funktion der großen Halbachse. Die Pfeile markieren Bahnresonanzen mit Jupiter (Kirkwood-Lücken). Vesta bedindet sich bei 2.36

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astronomischen Einheiten (AE) und Ceres bei 2.77 AE. (Courtesy NASA/JPL-CalTech) Diese Kirkwood-Lücken sind dort entstanden, wo die Umlaufzeit ein Asteroiden genau das ganzzahlig Vielfache eines Jupiterjahres beträgt. In diesen Konstellationen sind Asteroiden regelmäßig der Anziehungskraft des Riesenplaneten ausgesetzt, was den Einfluss der Gravitation immer weiter verstärkt, bis die Kleinplaneten schließlich aus ihrer Bahn gerissen werden und eine Lücke hinterlassen [6]. Nicht alle Asteroiden ziehen allein ihre Bahn, es gibt auch Ansammlungen, die man als Familien bezeichnet, da sie oft gleichen Ursprungs sind: also Resultat einer Kollision zweier Asteroiden. Wenn eine Familie genau auf den Orbit eines Planeten ausgerichtet ist, bezeichnet man sie als Trojaner. Auf der Umlaufbahn des Jupiter befinden sich zwei Trojanerfamilien: eine bewegt sich 60 Grad vor, die andere 60 Grad hinter dem Riesenplaneten. Andere Familien haben so exzentrische Umlaufbahnen, dass sie die Erdbahn kreuzen und daher als NEOs (Near Earth Objects) bezeichnet werden. Auch Vesta hat derart Verwandte, die Vestoiden [7].

4. VESTA

Alle heutigen Erkenntnisse über die Zielasteroiden Vesta und Ceres sind Ergebnisse von Beobachtungen durch Teleskope sowie die Analyse von Spektralmessungen, die Aufschluss über die Beschaffenheit der Himmelskörper geben [8,9,10,11] (Bild 4).

BILD 4. 4 Vesta und 1 Ceres im Verglich zu dem erdnahen Asteroiden 433 Eros [15,16].

Vesta ist ein Ellipsoid. Sein Durchmesser beträgt zwischen 460 und 580 Kilometer, er dreht sich in fünf Stunden und 20 Minuten um die eigene Achse [11]. Da Vesta mit 380 Millionen Kilometer (2,34 AE) der Sonne relativ nahe ist, sind Flüssigkeiten und Gase, die einmal Bestandteil der Oberfläche waren, verdampft und ins Weltall entwichen. Der Asteroid, der 3,6 Erdenjahre für den Orbit um die Sonne benötigt, ist also „trocken“. Über die Oberfläche von Vesta ergossen sich vermutlich kurz nach der Entstehung des Körpers vor fast 4,6 Milliarden

Jahren Ströme von glutflüssiger, eisen- und magnesiumreicher „basaltischer“ Lava [12], wie sie auch die Ozeanböden der Erde bedeckt. Teleskopische Beobachtungen zeigen, dass die Kruste Vestas von Gesteinen unterschiedlicher Zusammensetzung aufgebaut sein muss [13]. Am Südpol hat die Kollision mit einem anderen Asteroiden einen riesigen Einschlagskrater von 460 Kilometern Durchmesser und 13 Kilometern Tiefe hinterlassen, was die äußere Form von Vesta massiv verändert hat [14]. Aufgrund ihrer spektralen Eigenschaften gehen die Planetenforscher davon aus, dass der Einschlag mindestens 50 kleinere Asteroiden erzeugt hat, die als „Vestoiden“ ihre Bahn um die Sonne ziehen [7]. Teile davon sind sogar als Meteoriten bis zur Erde gekommen. Wissenschaftler glauben, in der Antarktis „Krümel“ von Vesta – die HED Meteorite - anhand ihrer chemischen Zusammensetzung identifizieren zu können [7]. HED steht für die Gesteine Howardit, Eucrit und Diogenit, deren spektrale Characteristik exakt mit der von Vesta übereinstimmt.

BILD 5. Ein Stück des vermutlich von der Vesta stammenden Eucrit-Meteoriten Milbillillie der am 15 Oktober 1960 im Wiluna District in West-Australen niederging.

5. CERES

Ceres (Bild 4) benötigt für eine Sonnenumkreisung 4,6 Erdenjahre und für eine Rotation neun Stunden und fünf Minuten. Wegen seiner größeren Sonnenentfernung von 450 Millionen Kilometer (2,77 AE) und den dadurch bedingten niedrigeren Temperaturen bei der Bildung des Körpers in dieser Zone des solaren Urnebels wurde bei Ceres ein größerer Anteil an leichten und flüchtigen Elementen eingebaut. Ceres hat deshalb ein geringeres spezifisches Gewicht als Vesta und weist durch seinen beachtlichen Anteil an Eis und möglicherweise sogar Wasser in seinem Inneren bereits einige Charakteristika eines Kometen auf [10,17]. Der Wasseranteil des Zwergplaneten wird auf 15 bis 25 Prozent geschätzt, weshalb Ceres, benannt nach der römischen Göttin des Ackerbaus, als „nasser“ Asteroid gilt. Die Oberflächestruktur von Ceres ist weitgehend unbekannt. Jedoch zeigen Helligkeitsunterschiede, dass entweder morphologische und/oder chemische Unterschiede einzelnen Oberflächeneinheiten bestimmen (Bild 6).

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BILD 6. 1 Ceres, Rotation des hellen Flecks (Pfeil) [18]. Es wird nicht ausgeschlossen, dass unter der Kruste im Mantel von Ceres eine vielleicht sogar hundert Kilometer mächtige Schicht aus Wasser oder Eis existiert [10]. Es könnte dort außerdem eine dünne Atmosphäre geben. Ein flüssig glühender Kern oder der Zerfall radioaktiver Elemente im Inneren könnten das Wasser über den Gefrierpunkt aufgewärmt haben und wie auf dem Jupitermond Europa unter der vereisten Oberfläche einen Ozean beherbergen [10]. Sollte dort Ammoniak vorkommen, so würde dies als Frostschutzmittel wirken (Bild 7). BILD 7. Strukturierung von Ceres in einen Kernbereich aus Gestein und eine konvektive und konduktive Eiskruste (links) und einen zusätzlichen Ozean aus Wasser (rechts) [10]. Auch wenn dieser unterirdische Ozean mittlerweile gefroren ist, wäre es denkbar, dass sich in den Milliarden Jahren zuvor einfaches Leben entwickelt hat. Um eventuelles Leben dort nicht zu gefährden, gilt für die Dawn-Sonde eine strenge Quarantäne-Vorschrift: Es muss sichergestellt sein, dass keine Mikroben von der Erde auf Ceres gelangen, solange auch nur die geringste Gefahr einer Zerstörung außerirdischer Mikroben besteht. 6. ASTEROIDENMISSIONEN

Obwohl Dawn die bis dahin gründlichste Untersuchung von Asteroiden vornehmen wird, handelt es sich nicht um die erste Mission zu den geheimnisvollen Himmelsnomaden.

Die NASA-Jupitersonde Galileo erreichte als erste einen Asteroiden, als sie am 29. Oktober 1991 nur 1.600 Kilometer an Gaspra vorbeiflog. Am 28. August 1993 kam es zur zweiten Begegnung mit dem 2.400 Kilometer entfernten Asteroiden Ida, wobei dessen Mond Dactyl entdeckt wurde. Die NEAR-Shoemaker-Sonde näherte sich am 27. Juni 1997 dem Asteroiden Mathilde auf 1.200 Kilometer und schwenkte am 14. Februar 2000 auf eine Umlaufbahn um Eros. Bei dem absichtlichen Absturz am 12. Februar 2001 sendete NEAR 69 Nahaufnahmen von der Oberfläche des Asteroiden. Die bereits 1998 gestartete Sonde Deep Space 1 passierte am 28. Juli 1999 den Asteroiden Braille in nur 16 Kilometer Entfernung. Die Mission galt auch der Erprobung einiger neuer Technologie wie beispielsweise dem Ionenantrieb. Auf seinem Weg zum Kometen Wild 2 kam Stardust dem Asteroiden Anne-Frank am 2. November 2002 auf 3.000 Kilometer nahe. Doch nicht nur die NASA schickt unbemannte Missionen in den Asteroidengürtel. Die von der japanischen Raumfahrtagentur entwickelte Sonde Hayabusa erreichte im September 2005 den Asteroiden Itokawa und setzte am 19. November desselben Jahres dort auf. Ob das Ziel, Bodenproben zu entnehmen, erreicht wurde, wird sich zeigen, wenn eine Kapsel wie geplant 2010 zur Erde zurückkehrt. Die europäische Sonde Rosetta wird vor ihrer Begegnung mit dem Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko im Jahr 2014 im September 2008 Asteroiden Steins und im Juli 2010 den Asteroiden Lutetia passieren

7. DIE DAWN MISSION

Die wenigen, täglich auf eine halbe Stunde offenen Startfenster für Dawn fielen mit den technischen Vorbereitungen zum Start der NASA-Marsmission Phoenix Anfang August zusammen. Der Zeitraum, in dem die Landesonde Phoenix zum Mars starten konnte, war auf wenige Wochen begrenzt, was eine Startverschiebung für Dawn bedeutete Im September und in den ersten beiden Oktoberwochen war dagegen immer am Vormittag ein Startfenster für Dawn offen, wodurch die berüchtigten Nachmittagsgewitter am Cape Canaveral umgangen werden konnten, die schon manchen Start vereitelt haben. Dawn würde mit diesem späteren Starttermin sogar auf einer günstigeren Route zu Vesta fliegen und dort zwei Monate früher ankommen. Danach freilich wurde es heikel: wäre auch dieser Zeitraum verstrichen, hätte sich erst 2022 wieder die Möglichkeit ergeben, sowohl Vesta als auch Ceres anzusteuern. Doch am 27. September 2007 hatte das lange Warten ein Ende: Um 13.34 MESZ (7.34 Uhr Ortszeit) hob vom Cape Canaveral die Delta II-Rakete mit der Raumsonde ab. Die Flugbahn von Dawn ist so ausgelegt, dass die Sonde im April 2009

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die Schwerkraft des Planeten Mars nutzt, um sein erstes Hauptziel zu erreichen. Dawn wird in einen Orbit um Vesta einschwenken und den Asteroiden ab Oktober 2011 für etwa acht Monate erforschen. Das zweite Hauptziel von Dawn, Ceres soll die Sonde ab Februar 2015 umkreisen und bis Juli des Jahres untersuchen [19, 20, 21] (Bild 8).

BILD 8. Missionsverlauf von Dawn.

8. DER IONENANTRIEB

Die Dawn-Sonde (Bild 9) hat einen Ionen-Antrieb, wie er bereits 1998 bei der Deep Space 1 und 2004 bei der europäischen Mondsonde Smart 1 eingesetzt wurde.

BILD 9. Das Dawn Raumschiff. Das Ionentribwerk befindet sich links unter der High-Gain Antenne. Die Instrumente sind auf der Oberseite montiert. Die Solar-Panele haben eine Spannweite von insgesamt 20 m [19, 20, 21]. Die Möglichkeit, einen Flugkörper elektrisch anzutreiben, hatte Werner von Braun bereits in den 1930er Jahren erwogen. Der nach dem Zweiten Weltkrieg für die USA tätige deutsche Wissenschaftler war überzeugt davon, dass Menschen eines Tages „elektrisch zum Mars

fliegen“ würden. Da ein solcher Antrieb zu schwach ist, um das Gewicht einer Raumkapsel von der Erde zu bewegen, geriet die Idee in den ersten Jahrzehnten des Raumfahrtzeitalters in Vergessenheit. Erst der Einsatz kleiner, unbemannter Sonden, die weite Strecken im All zurücklegen sollen, machten den Ionen-Antrieb attraktiv. Die Schubleistung eines solchen Triebwerkes ist nicht größer als der Druck, den ein Blatt Papier auf einer ausgestreckten Handfläche ausübt. Dies ist zwar wenig, kann in der Schwerelosigkeit jedoch durch konstantes brennen fast unbegrenzt gesteigert werden. Im Ionen-Motor werden Elektronen in ein Magnetfeld geschossen, in dem sich das Edelgas Xenon befindet. Wenn ein Xenon-Atom getroffen wird, verliert es eines seiner negativen Teilchen und ist damit positiv geladen. Daher stößt das Magnetfeld das ionisierte Xenon-Atom aus der Antriebsdüse und erzeugt einen Rückstoßeffekt. Dieser Schub entspricht nur einem Bruchteil, dem chemischer Treibstoffe. Dafür kann der Ionen-Antrieb Wochen, sogar Monate in Betrieb sein. Der Ionen-Antrieb verbraucht bei einer 24 Stunden währenden Zündung nur 250 Gramm Xenon-Gas. Am Ende der Mission wird das Triebwerk etwa 50.000 Stunden in Betrieb gewesen sein, wofür die nur 425 Kilogramm mitgeführten Treibstoffs ausreichen werden. Mit einem chemischen Antrieb würde die Dawn Mission 10 mal mehr Treibstoff benötigen und wäre damit aus Gewichtsgründen nicht mögliche.

9. INSTRUMENTE

Das Dawn-Projekt ist das neunte von zehn Discovery-Missionen der NASA, die sich durch Sparsamkeit und kleine Flugkörper auszeichnen und somit mehr Forschungsunternehmen möglich machen. Mit an Bord ist ein deutsches Kamerasystem (Bild 10), das wegen der Verwendung eines digitalen Flächensensors als Framing Camera bezeichnet wird. Jede Kamera besteht aus einem Kamerakopf und aus einer darunter liegenden Elektronikbox, die eine Datenverarbeitungseinheit mit Massenspeicher enthält. Da diese Kamera nicht nur zur Vermessung der Asteroidenoberflächen sondern auch zur Navigation der Sonde dient, wurden aus Sicherheitsgründen zwei baugleiche Modelle installiert. Die Optik wurde von Kayser-Threde GmbH entwickelt und gebaut. Die optische Einheit mit den lichtempfindlichen Sensoren und mit der Ausleseelektronik kommt aus dem DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin. Das Gerät zur Datenverarbeitung wurde vom Braunschweiger Institut für Datentechnik entwickelt und gebaut. Das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau hat die technische Federführung und lieferte das Kameragehäuse, inklusive des Filterrads, des Verschlussdeckels und der Elektronikbox.

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Bild 10. Die Dawn Framing Camera. Die Kameras basieren auf erprobten Techniken, die bereits bei Rosetta und bei Venus Express zum Einsatz kamen. Das reduziert Entwicklungskosten, spart Zeit und verringert die Risiken.

Des weiteren fliegt ein Mapping Spectrometer (VIR) von der italienischen Raumfahrtagentur Agencia Spaziale Italiana (ASI), der Gamma Ray and Neutron Detector (GRaND) vom Los Alamos National Laboratory (LANL) und das Radio Science Package (RAD) des Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA mit.

10. ORBIT UM VESTA UND CERES

Es ist geplant, dass Dawn 85 Tage vor seinem Eintreffen bei Vesta beginnt, die Umgebung des Asteroiden nach Staub und eventuellen Trabanten zu untersuchen. Im Oktober 2011 soll der Ionen-Antrieb die Sonde in eine polare Umlaufbahn um den Himmelskörper steuern. Aus 2.700 Kilometer Höhe wird ein vorläufiges Bild der Oberfläche inklusive einer kompletten Spektralanalyse aufgenommen, womit ein dreidimensionales Modell des Himmelskörpers erstellt werden kann. Dann wird der Orbit der Sonde auf nur 950 Kilometern Entfernung von Vesta abgesenkt, um die gesamte Oberfläche geologisch und mineralogisch zu kartieren. Am dichtesten kommt Dawn nach der dritten Orbitabsenkung an Vesta heran: in nur 200 Kilometern Höhe kommt der Gammastrahlen- und Neutronendetektor zum Einsatz, um die chemische Zusammensetzung der Oberfläche zu bestimmen.

BILD 11. Orbithöhen und Umlaufdauer bei Vesta [21].

Nach sieben Monaten bricht die Sonde dann zur Weiterreise auf, bei der sie im Verlauf von knapp drei Jahren die Sonne zu drei Vierteln umkreist, um in einer Auswärtsspirale im August 2015 schließlich zum Zwergplaneten Ceres zu gelangen. Auch hier beginnt die Sonde 85 Tage vor Erreichen ihres Ziels, die Umgebung nach kleinen Körpern und Staub abzusuchen, bevor der Ionen-Antrieb die Geschwindigkeit drosselt und Dawn langsam auf Ceres zu sinken lässt. Auch hier sind bis Ende 2015 drei unterschiedliche Orbithöhen vorgesehen: die erste führt in 6.400 Kilometern Entfernung an Ceres vorbei und soll die Morphologie der Oberfläche auf den Meter genau bestimmen. Beim zweiten und dritten Orbit wird sich Dawn dem Ziel auf 1.800 sowie 700 Kilometen nähern, um dieselben Experimente wie bei Vesta durchzuführen. Aus Gründen der „Quarantäne“ haben die Wisenschaftler dafür gesorgt, dass auch 50 Jahre, nachdem die Mission beendet und Dawn außer Betrieb um Ceres kreist, ein Mindestabstand eingehalten wird.

BILD 12. Orbithöhen und Umlaufdauer bei Ceres [21].

Referenzen

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