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Priv.-Doz. Dr. Stefan Lorenzl Facharzt für Neurologe und Palliativmedizin
Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin Klinikum Großhadern
Der Arzt als Sterbebegleiter – Grundlegende begriffliche
Unterscheidungen der Formen von Sterbehilfe
Definition Palliative CareDefinition Palliative Care
„ Palliative Care dient der Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung konfrontiert sind. Dies geschieht durch Vorbeugung und Linderung von Leiden mittels frühzeitiger Erkennung, hochqualifizierter Beurteilung und Behandlung von Schmerzen und anderen Problemen physischer, psychosozialer und spiritueller Natur.“ WHO 2002
Historische Entwicklung
• 1967 St. Christopher‘s Hospice in London • 1975 erste Palliativstation am Royal
Victoria Hospital (Kanada) • 1983 erste Palliativstation in Deutschland • 1986 erstes stationäres Hospiz in
Deutschland
CicelyCicely Saunders Saunders ((19181918--20052005)) BegrBegrüünderin der modernen Hospizbewegungnderin der modernen Hospizbewegung
• Krankenschwester im Zweiten Weltkrieg
• Ausbildung als Sozialarbeiterin
• Medizinstudium • wissenschaftliche
Arbeit über Morphin • gründet 1967 das 1.
moderne Hospiz St. Christopher‘s in London
Symptomlinderung Symptomlinderung ((comfort carecomfort care))
Kurative Kurative / / lebensverllebensverl. . MaMaßßnahmennahmen
PalliativmedizinPalliativmedizin: : altealte VorstellungVorstellung
Tod Diagnose
Kurative Kurative / / lebensverllebensverl. . MaMaßßnahmennahmen
↑↑ LebensqualitLebensqualitäät t ((Palliative CarePalliative Care))
PalliativmedizinPalliativmedizin: : neueneue VorstellungVorstellung
Diagnose Tod
Palliativmedizin bedeutet Betreuung für die letzte Lebensphase,
nicht nur in der letzten Lebensphase.
Palliativmedizin ist eine Aufgabe für alle Ärzte und Pflegepersonal.
Sterbeorte in Deutschland
• Krankenhaus 42-43% • Zuhause 25-30% • Heim 15-25% (steigend) • Hospiz 1-2% • Palliativstation 1-2% • andere Orte 2-5%
Schindler, 2005
Manche Behandlungen in Krankenhäusern und Pflegeheimen
verzögert den friedlichen Sterbeprozess.
Dies geschieht oft in bester Absicht, dem Patienten eigentlich helfen zu
wollen.
Häufige Fehler in der Sterbephase
Verdursten Ersticken
Flüssigkeitsgabe Sauerstoffgabe
Verhungern
Ernährung
Womit verbinden wir das Wort „Sterbe-Hilfe“?
• Euphemisierung
• Zweideutigkeit
• Missbrauch ärztlicher Tätigkeit
Begrifflichkeit der „Sterbehilfe“
„aktive Sterbehilfe“ „passive Sterbehilfe“ „indirekte Sterbehilfe“
Tötung auf Verlangen Nicht-Einleitung oder Nicht-Fortführung lebenserhaltender Maßnahmen (Zulassen des Sterbens) zulässige Leidenslinderung bei Gefahr der Lebensverkürzung
Begrifflichkeit der „Sterbehilfe“
„aktive Sterbehilfe“ „passive Sterbehilfe“
„indirekte Sterbehilfe“
Begrifflichkeit der „Sterbehilfe“
„aktive Sterbehilfe“ „passive Sterbehilfe“ „indirekte Sterbehilfe“
Physician-assisted suicide
Was ist Suizidalität nicht?
Suizidalität ist kein Ausdruck von Freiheit und Wahlmöglichkeit,
sondern von Einengung durch objektive und/oder subjektiv erlebte Not,
durch psychische und/oder körperliche Befindlichkeit bzw. deren Folgen.
Gruppen mit erhöhtem Suizidrisiko (nach WHO)
Menschen mit psychischen Erkrankungen Menschen mit vorbekannter Suizidalität Alte Menschen Junge Erwachsene/Jugendliche mit Entwicklungs/Beziehungsproblemen Menschen in Veränderungskrisen Menschen mit schmerzhaften, chronischen , lebenseinschränkenden Erkrankungen
Daten aus Oregon, USA
E. Dahl, Spektrum der Wissenschaft, Juli 2006
Wenn jemand stirbt, bevor er stirbt,
stirbt er nicht mehr, wenn er stirbt.
Abraham a Sancta Clara
Es mag schwerste Krankheitsverläufe und Leidens-zustände geben, angesichts derer ein Arzt nach sorgfältiger Gewissensprüfung zu dem Urteil kommt, dass er einem Suizidversuch seines Patienten nicht im Weg stehen soll.
Gemeinsames Hirtenschreiben der katholischen Bischöfe von Freiburg, Strasbourg und Basel, Juni 2006
keine aktive Sterbehilfe:
Begrifflichkeit der „Sterbehilfe“
„aktive Sterbehilfe“ „passive Sterbehilfe“ „indirekte Sterbehilfe“
Überprüfung des Therapieziels
und die Änderung des Therapieziels
Bei Patienten, die sich zwar noch nicht im Sterben befinden, aber nach ärztlicher Erkenntnis aller
Voraussicht nach in absehbarer Zeit sterben werden, weil die Krankheit weit fortgeschritten ist, kann eine
Änderung des Behandlungszieles indiziert sein, wenn lebenserhaltende Maßnahmen Leiden nur verlängern würden und die Änderung des Therapieziels dem
Willen des Patienten entspricht.
(Grundsätze der ärztlichen Sterbebegleitung - Bundesärztekammer 2004)
Das Sterben zulassen:
• Wachkoma-Patienten verspüren weder Hunger noch Durst
• Passive Ernährung und Flüssigkeits-zufuhr sind medizinische Maßnahmen (Bundersärztekammer, 2004)
• Es gibt ein Recht auf Leben, aber keine Pflicht zum Leben.
Der in einer Patientenverfügung geäußerte Wille des Patienten ist grundsätzlich verbindlich; daher dürfen sich Ärzte nicht über die in einer Patientenverfügung
enthaltenen Willensäußerungen eines Patienten hinwegsetzen.
(Empfehlungen der Bundesärztekammer und der Zentralen
Ethikkommission bei der Bundesärztekammer zum Umgang mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfügungen in der ärztlichen Praxis
2007)
Erwünschte Verbindlichkeit von Patientenverfügungen (n=366)
69%
24%
6% 1% stark mittel
schwach
R. Jox et al., Manuskript in Vorbereitung
Begrifflichkeit der „Sterbehilfe“
„aktive Sterbehilfe“ „passive Sterbehilfe“ „indirekte Sterbehilfe“
Wissenschaftliche Datenlage (Sykes & Thorns, Lancet Oncology 2004)
• Meta-Analyse von 17 verschiedenen Studien (3052 Patienten)
• keine Hinweise auf Lebensverkürzung durch Opioide oder Sedativa
• In einer Studie Hinweise auf Lebens-verlängerung durch Sedierung
Umfrage bei neurologischen Chefärzten
• 32%: sog. „indirekte Sterbehilfe“ ist strafbar
• 45%: Behandlung der terminalen Atemnot mit Morphin = Euthanasie
• 60%: Angst vor Rechtsfolgen beim Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen
• 47%: eigene Ausbildung für die Begleitung in der Terminalphase „mäßig bis schlecht“
Borasio et al, Nervenarzt 2004
Zwölf schwer kranke Menschen erzählen ...
• von unzureichender Aufklärung
• von unzureichender Symptomkontrolle
• von finanziellen Nöten
• von der Angst den Angehörigen zur Last zu fallen
• von Einsamkeit und Sinnverlust
• von spiritueller Not
Ressourcen Sterbender
körperlich sozial
psychisch
spirituell
MENSCH
Religion, Sinn, Glaube, Werte, Rituale ...
Liebe, Familie, Freundschaften,
Nachbarschaft ...
Selbstbild, Kompetenz,
Würde, Verlusterfahrungen
...
Umgang mit dem Körper, Sexualität, Essen, Krankheitserfahrung ...
Angstsymptomatik 74%
keine finanzielle Unterstützung für Pflege zu Hause 59%
eigene Gesundheitsprobleme 52%
Depression 50%
verminderte Arbeitszeiten/Beendigung der Arbeit 41%
Erhohlungszeiten 3h/Woche (0-10h)
Psychosoziale Probleme Umfrage bei Angehörigen von Patienten mit Hirntumoren (n=27)
Wasner et al., unveröffentlicht
Wenn wir jemandem helfen wollen, müssen wir zunächst herausfinden, wo er steht. Das ist das Geheimnis der Fürsorge. Wenn wir das nicht tun können, ist es eine Illusion zu denken, wir könnten anderen Menschen helfen. Jemanden zu helfen impliziert, dass wir mehr verstehen als er, aber wir müssen zunächst verstehen, was er versteht.
Søren Kierkegaard
Ärztliches Handeln am Lebensende
• Abkehr von einem ethischen Paternalismus
• Berücksichtigung der Multidimensionalität der menschlichen Existenz
• Für den Patienten besteht kein Lebenszwang
• Aufklärung und Dokumentation des Patientenwillens
• Ablehnung der Tötung auf Verlangen
Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin
www.izp-muenchen.de