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-+ Verfahrensfehler sind dann möglicherweise korrigierbar, wenn eine Korrektur mit den Grundsätzen der Transparenz und der Bietergleichbehandlung vereinbar wäre.
-+ In Österreich scheint ein restriktives Verständnis der Korrigierbarkeit von Verfahrensfehlern vorzuherrschen, welches die Einhaltung der Form den Grundsätzen der Transpare.nz und der Bietergleichbehandlung nicht unterordnet und dazu führt, dass nicht wiederholbare Verfahrensschritte auch unter Wahrung dieser Grundsätze nicht korrigiert werden dürfen.
-+ Dem EuG zufolge darf ein verspätetes Angebot auch dann nicht akzeptiert werden, wenn die Verspätung auf eine fehlerhafte Übermittlung der Ausschreibungsunterlagen an diesen Bieter zurückgeht
und der Bieter daher für die Ausarbeitung seines Angebotes weniger Zeit zur Verfügung hatte als seine Mitbewerber.
-+ Nach einer vom BVA entwickelten Judikaturlinie darf ein mängelfreies Angebot nicht akzeptiert werden, wenn dem AG bei der Angebotsverlesung ein Fehler insbes hinsichtlich des Preises unterlaufen ist.
-+ Diese restriktive Sichtweise der Korrigierbarkeit von Verfahrensfehlern beruht - trotz Unklarheit auch der Rechtslage nach europäischem Vergaberecht - wahrscheinlich nicht auf Vorgaben des europäischen V ergaberechts, sondern stellt eine Form des "gold plating" durch die österr Vergabepraxis dar.
(BAUVER·r RAGSRECHT] I
Der Bauvertrag nach den FIDIC Conditiöns Teil IV: Risikoverteilung, Force Majeure, Claims, Streitbeilegung
Für internationale Bauvorhaben bietet sich die Verwendung internationaler Vertragsmuster an. Im Dezember 2017 wurde eine Neuauflage der weit verbreiteten FIDIC Conditions veröffentlicht. ln vier Teilen werden die wesentlichen Vertragsbedingungen des "Red Book" sowie die Änderungen der Neuauflage gegenüber der 1st
Edition vorgestellt. 1l
Von Ursula Gallistel
Inhaltsübersicht:
A. Risikoverteilung 1 . Risikotragung 2. Force Majeure
B. Claims 1. Ansprüche des Contractors (1 st Edition) 2. Ansprüche des Employers (1 51 Edition, SCI2.5) 3. Wesentliche Änderungen der 2nd Edition
C. Streitbeilegung
A. Risikoverteilung
1. Risikotragung Die Risikoverteilung ist in den FIDIC Conditions in Cl 17 geregelt. Dazu kommen Bestimmungen über Versicherungen in Cl18 (neu: Cl19) und die Regelungen über Force Majeure in Cl 19 (neu: Exceptional Events, Cl 18). Diese drei Klauseln stehen in engem Zusammenhang. In SCl17.1 (neu: 17.4 und 17.5) wird geregelt, wer für Personen- und Sachschäden haftet, die durch Planung, Ausführung und Fertigstellung des Werks verursacht wurden. Ob eine Haftung überhaupt besteht, richtet sich nach dem jeweils anwendbaren Recht.2> Im Vertrag wird nur geregelt, wer den Schaden letztlich tragen muss.
[2018] 'l~
Für Personenschäden haftet der Contractor verschuldensunabhängig, ausgenommen es liegt zumindest Fahrlässigkeit auf Seiten des Employefs vor. Genau umgekehrt ist die Regelung bei Sachschäden. Hier haftet der Contractor nur, wenn er (oder eine ihm zurechenbare Person) zumindest fahrlässig gehandelt hat ("negligence, wilful act or breach of the Contract").
Für Schäden an dem herzustellenden Werk selbst, an Anlagen, Maschinen und Materialien sowie an Unterlagen haftet grundsätzlich der Contractor, und zwar vom Commencement Date bis zur Ausstellung des Taking-Over Certificates, danach nur noch bei Verschulden. SCl17.3 (neu: 17.2) listet jene Ausnahmefälle auf, in denen der Employer die Kosten zu tragen hat. Dazu zählen -+ Unbeherrschbare Risiken wie Krieg, Aufstände und
Terrorismus im Land der Baustelle, Schäden durch Kriegsmunition oder radioaktive Strahlung
-+ Tätigkeiten des Employers: Gebrauch vor Über-nahme, eigene Planungsleistungen -+
1) Teil I: Systematik und Aufbau, Verhältnis zu nationalen Regelungen, Vertragsbestandteile; Teil II: Vertragsparteien, die Rolle des Engi neer, Bauzeit, Leistungsänderungen; Teillll: Einstellung und Vertragsrücktritt , Abrechnung, Übernahme und Gewährleistung; Teil IV: Risikoverteilung, Force Majeure, Claims, Streitbeilegung.
2) Hussian in Weselik/Hamerf, Handbuch des internationalen Bauvertrags 250.
-+ Ursula Gallistel Der Bauvertrag nach den FIDIC-Conditions
ZVB 2018/61
231
ZVB [BAUVERTRAGSRECHT]
232
-+ Unvorhersehbare Naturgewalten oder solche, gegen die Schutzmaßnahmen vernünftigerweise nicht erwartet werden können
-+ Zusätzliche Anspruchsgrundlagen aus Risiken ergeben sich aus anderen SCls, wie zB Witterungseinflüsse (SCl 8.4; neu: SCl 8.5), Funde (SCl 4.24; neu: SCl 4.23) oder Gesetzesänderungen (SCl 13.7; neu: SCl 13.6).
Der Contractor muss seinen Anspruch nach SCl 20.1 (neu: SC! 20.2, Contractor's Claims, siehe unten) geltend machen. Voraussetzung für einen Kostenersatz ist, dass das jeweilige Ereignis auch tatsächlich negative Auswirkungen auf die Leistungserbringung hatte. Hierfür ist der Contractor beweispflichtig. Ist der Employer für den Schaden verantwortlich (zB bei vorzeitiger Nutzung), steht dem Contractor zusätzlich zu den Kosten ein angemessener Gewinnanteil zu.
Praxisti p
Zu beachten ist, dass der Contractor dem Engineer zuerst die entstandenen Schäden und Verluste anzeigen muss. Nur auf Anordnung ("to the extent required") des Engineers dürfen (und müssen) die Schäden behoben werden. Neu in der 2"d Edition 1st, dass derartige Anordnungen des Engineers ausdrücklich als Variation by Instruction (SCl 13.3.1) gelten. Im zweiten Schritt erfolgt- binnen 28 Tagen - die Anzeige über die entstandenen Verzögerungen und/oder Kosten nach SC120.1 (neu: SC120.2).
SC117.6 schließt eine Haftung für entgangenen Nutzen der Leistung, entgangenen Gewinn, inadäquate Schäden und Folgeschäden weitgehend aus. Diese Bestimmung findet sich in der 2"d Edition vorgezogen unter SC11.15. Eine Begrenzung der Höhe nach kann in den Particular Conditions vorgesehen werden.
Cl 18 (neu: Cl19) regelt eine weitgehende Versicherungspflicht (für Sach- und Personenschäden, Schäden an der Bauleistung und Goods, sowie Arbeitsunfälle und eine Berufshaftpflichtversicherung), um sicherzustellen, dass im Schadensfall auch eine entsprechende Leistung erfolgen kann.
2. Force Majeure
In Cl 19 (neu: Cl 18) finden sich Regelungen für den Fall, dass die Vertragserfüllung vorübergehend oder dauerhaft unmöglich wird. Als Force Majeure (neu: Exceptional Events) werden in SCl 19.1 (neu: SCl 18.1) Ereignisse und Umstände definiert, die unkontrollierbar, unvermeidbar, nicht zu bewältigen und nicht von einer Partei verursacht sind. Danach folgt eine beispielhafte Auflistung derartiger Ereignisse oder Umstände (Krieg, Aufstände, Bürgerkrieg, Unruhen, Streik, Kriegsmunition, Radioaktivität, Erdbeben usw). Für Abwehrmaßnehmen gegen ein Risiko, das nach SCl 17.3 (neu: SCl 17.2) dem Employer zugeordnet ist, steht dem Contractor wohl ein Entgelt zu.3l
Wird eine Partei durch Force Majeure an der Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen gehindert, hat sie dies der anderen Partei binnen 14 Tagen nach Erkennbarkeit mitzuteilen (SC119.2, neu: SC118.2). Vertragspflichten, die davon nicht betroffen sind, sind weiter zu
-+ Ursula Gallistel Der BaLNertrag nach den FIDIC-Condrtions
erbringen. Zahlungsverpflichtungen können wegen Force Majeure nicht ausgesetzt werden. Auch der Wegfall der hindernden Umstände ist der Gegenpartei anzuzeigen. Ähnlich wie unter Cl 17 ist auch bei Force Majeure nach SC119.4 (neu: SC118.4) eine zusätzliche Anmeldung der Ansprüche auf Bauzeitverlängerung und Mehrkosten erforderlich.
Achtung: Der Anspruch auf Bauzeitverlängerung besteht in allen in SC119.1 (neu: 18.1) aufgezählten Fällen von Force Majeure. Mehrkosten dagegen werden im Fall von Aufständen, Bürgerkrieg, Streik, Kriegsmunition und Radioaktivität (Fälle ii-iv SC119.1, neu: 18.1) nur dann ersetzt, wenn diese Umstände im Land der Baustelle eintreten.
Dauert die Unterbrechunglänger als 84 Tage oder summieren sich mehrere Unterbrechungen auf mehr als 140 Tage und ist die Leistungserbringung in wesentlichen Teilen behindert, so hat jede Partei die Möglichkeit, den Vertrag aufzulösen (SCl 19.6, neu: SC118.5) . Die weitere Vorgehensweise richtet sich nach SC116.3 (Cessation ofWork, siehe Teil III). Bei der Endabrechnung sind die bereits erbrachten Leistungen und erfolgten Lieferungen voll abzugelten. Entstehen aus ·der Beendigung der Arbeiten zusätzliche Kosten (zB frustrierte Aufwendungen, Sicherungsarbeiten), so werden diese ohne Gewinnzuschlag vergütet.
Macht ein Ereignis außerhalb der Kontrolle der Parteien die weitere Vertragserfüllung unmöglich oder gesetzwidrig, so ist bzw sind die Partei( en) von der weiteren Vertragserfüllung befreit. Auch in diesem Fall hat eine Endabrechnung nach SCl19.6 (neu: 18.5) zu erfolgen.
B. Claims
1 . Ansprüche des Contractors (1st Edition) Die Geltendmachung von Ansprüchen des Contractors ist in SCl 20.1 geregelt. Der Contractor hat seinen Anspruch entsprechend der jeweiligen Anspruchsgrundlage dem Engineer anzuzeigen. Dieser hat dann gern SCl 3.5 eine Einigung anzustreben oder aber eine Festlegung zu treffen. Die Anspruchsgrundlagen finden sich an verschiedenen Stellen der FIDIC Conditions und sind im Folgenden tabellarisch zusammengefasst (s Tabelle 1), wobei zwischen Ansprüchen auf Verlängerung der Bauzeit, auf Ersatz der entstandenen Kosten und auf angemessenen Gewinn differenziert wird.
Aufgrund der Formulierung in SCl 20.1: "If the Contractor considers hirnself to be entitled to [. . . ] under any Clause of these Conditions or otherwise in connection with the Contract [. . . ]" sind zusätzlich auch außerhalb des Vertrages bestehende gesetzliche Ansprüche, soweit sie auf Bauzeitverlängerung und Mehrkostencrsatz gerichtet sind, nach SC120.1 abzuwickeln. Andere gesetzliche Ansprüche fallen unmittelbar in die Zuständigkeit des DAB und des Schiedsgerichts.4l
3) Hussian in Weselik/Hamerl, Handbuch des internationalen Bauvertrags 270.
4) _ Hök in Verband beratender Ingenieure (Hrsg), FIDIC Red Book -Erläuterungen und Übersetzung 29.
[2018]
( BAUVERTRA GSREC I:i ]
-
r -
Bauzeit I Kosten I Gewinn SOl Stichwort
1.9 verspätete Zeichnungen und Unterlagen X X X
2.1 Versäumnisse des AG betr Recht auf Zugang zur Baustelle X X X
4.7 fehlerhafte Bezugspunkte für Absteckungen X X X
4.12 unvorhersehbare natürliche Bedingungen X X
4.24 Funde (Fossilien, archäologische Funde etc) X X
7.4 vom Engineer verantwortete Verzögerungen bei Testläufen X X X
8.4 Leistungsänderung X
außergewöhnlich ungünstige klimatische Bedingungen X
unvorhersehbare Verknappung von Personal oder Gutern wegen Epide- X
mien od Regierungsaktivitäten X
dem AG zuzurechnende Verzögerungen
85 durch Behörden verursachte Verzögerungen X
8.9 Folgen einer Suspendierung der Bauausführung X X
10.2 Teilabnahme oder lngebrauchnahme von Teilen X X
10.3 Behinderung der Fertigstellungstests X X X
11.8 Suche nach der Ursache von Mängeln (stehe Teil IV) X X
12.4 Entfall von Leistungen X
13.7 Anpassungen aufgrund von Gesetzesänderungen X X
13.8 Kostensteigerungen
14.8 Zahlungsverzug
16.1 Suspendierung durch den AN
16.4 Kündigung durch den AN
17.4 Risiken, die der AG zu tragen hat
194 Folgen höherer Gewalt
Tabelle 1: Übersicht Ansprüche des AN
SC! 20.1 beinhaltet eine strenge Ausschlussfrist von 28 Tagen für Ansprüche des Contractors. Die NichtEinhaltung dieser Frist für die Anmeldung des Anspruchs führt zu einem vollständigen Anspruchsverlust des Contractors ("Killerfrist"). Die inhaltlichen Anforderungen an diese erste Notice können daher wohl als gering angenommen werden. Für einen detaillierten Nachtrag stehen dem Contractor 42 Tage ab Kenntnis oder Kennenmüssen des Ereignisses bzw Umstandes zur Verfügung. Die Konsequenzen einer Verletzung dieser zweiten Frist sind in den FIDIC Conditions der 1" Edition nicht geregelt.
Die Funktion der kurzen Anmeldefrist liegt einerseits in einer Warnung, damit der Engineer selbst die Umstände untersuchen bzw Dokumentationen durchführen kann, andererseits soll dadurch eine rasche Entscheidung herbeigeführt werden, was auch dem Contractor entgegenkommt.
Streitpotential birgt die Feststellung des Zeitpunkts, ab dem die Frist zu laufen beginnt, weil der Zeitpunkt, zu dem ein anspruchsbegründender Umstand bemerkt werden hätte müssen, schwer nachweisbar ist. Problematisch für den Contractor sind in diesem Zusammenhang einerseits die Zurechnung eines Kennenmüssens seiner Subunternehmer, andererseits "schleichende" Behinderungen, die zunächst nach einer vernachlässigbaren Kleinigkeit aussehen und sich erst später zu kostenintensiven Ereignissen entwickeln.
l B (2018)
X
x inkl Zinsen
X X X
X+ SE
X X (x) s.A.1
X (x) s.A.2
~ Um ein Fristversäumnis zu vermeiden, sollte der Contractor bei potentiellen Ansprüchen jedenfalls eine erste Notice senden, auch wenn das Ereignis/ der Umstand möglicherweise zu unbedeutend bleibt, um zu einem detaillierten Nachtrag ausgebaut zu werden. Ein genaues und zeitnahes Claimmanagement ist unbedingte Voraussetzung zur Wahrung der Ansprüche.
Nach Erhalt der vollständigen Mehrkostenforderung hat der Engineer innerhalb von weiteren 42 Tagen zumindest dem Grunde nach zu dem geltend gemachten Anspruch Stellung .zu nehmen. Ergibt sich daraus eine Meinungsverschiedenheit, so ist SCl 3.5 (determinations) anzuwenden.
2. Ansprüche des Employers (1st Edition, SCI 2.5)
Auf den ersten Blick ähnelt die Abhandlung von Ansprüchen des Employers der oben beschriebenen Vorgehensweise für Ansprüche des Contractors. Mit Ausnahme von (offensichtlichen) Ansprüchen wegen Inanspruchnahme von Elektrizität, Gas und Wasser oder Ausrüstung des Employers durch den Contractor hat der Employer einen eventuellen Anspruch dem Contractor so schnell wie möglich anzuzeigen und dabei
-t Ursula Galllstel Der Bauvertrag nach den FIDIC-Ccnditions 233
ZVB (BAUVERTRAGSRECHT]
234
Anspruchsgrundlage, Begründung und Höhe des Anspruchs anzugeben. Besteht eine Geldforderung gegen den Contractor zu Recht oder entscheidet der Engineer (ggf nach SCl 3.5) auf ihr Bestehen, so wird dieser Betrag vom noch ausstehenden Entgelt des Contractors abgezogen. Mögliche Anspruchsgrundlagen für den Employer sind in Tabelle 2 angeführt.
SCI I Stichwort Anmer-kung
4.19 Nutzung vorhandener Anschlüsse Keine An-für Elektrizität, Wasser, Gas uÄ zeige er-
torderlieh
4.20 Nutzung von zur Verfügung ge- Keine An-stellter Ausrüstung des AG zeige er-
torderlieh
7.5 Kosten des AG wegen Zurückwei-sung und Neuüberprüfung von An-lagen, Materialien oder technischen Ausführungen bei negativem Testlauf
7.6 Kosten des AG, wenn der AN der Aufforderung, n1cht vertragsge-mäße Anlagenteile zu entfernen oder neu zu errichten, nicht nach-kommt und der AG diese Arbeiten daher durch Dntte ausführen lässt
8.6 Kosten des AG in Zusammenhang mit Forcierungsmaßnahmen des AN, die auf Anweisung des Engi-neers zur Einhaltung des Zeitplans gesetzt wurden
87 Verzögerungssschadenersatz für Nichteinhaltung der vereinbarten Bauzeit
9.4 Preisminderung bei Abnahme trotz fehlgeschlagener Abnahmetests
11.4 Kosten für Mängelbehebungsmaß-nahmen, wenn der AN diese auch innerhalb Nachfrist nicht durchge-führt hat
8.9 Verlängerung der Mängelanzeige- Anzeige frist vor Ablauf
der Frist
Tabelle 2: Anspruchsgrundlagen des AG
Unterschiede zur Regelung in SCl 20.1 ergeben sich aber vor allem hinsichtlich der einzuhaltenden Fristen. SC! 2.5 spricht nur davon, dass die Anmeldung so bald wie möglich -"as soon as practicable" -zu erfolgen hat. Einzig eine Anzeige zur Verlängerung der Mängelanzeigepflicht ist konkret beschränkt und muss vor Ablauf dieser Frist erfolgen. Weiters wird nur auf die tatsächliche Kenntnis, nicht aber auf ein Kennenmüssen des Employers abgestellt. Ein Anspruchsverlust wegen Versäumung der rechtzeitigen Anmeldung ist - mangels festgelegter Frist - gar nicht vorgesehen.
3. Wesentliche Änderungen der 2"d Edition
In der 2"d Edition werden nun die Ansprüche des Contractors und des Employers fairerweise gleichgestellt und gemeinsam in Cl 20 geregelt. Die 14-tägige Ausschlussfrist gilt für beide Parteien gleichermaßen. Die Frist zur Vorlage des detaillierten Nachtrags (jully de-
-+ Ursula Gallistel -+ Der Bauvertrag nach den FIDIC·Conditions
tailed Claim) wird auf 84 Tage verlängert, dafür sind die Anforderungen an denselben gerrau beschrieben und ein Fristversäumnis führt auch hier zu einem Anspruchsverlust. Besteht Uneinigkeit, ob eine der Fristen versäumt wurde oder nicht, kann die fordernde Partei mit einer entsprechenden Begründung die Fortsetzung des Verfahrens verlangen.
C. Streitbeilegung Die Streitbeilegung ist in den FIDIC Conditions in SC120.2ff (neu: Cl 21) geregelt. Neben Ansprüchen der Vertragsparteien (nach SC! 2.5 und SC! 20.1 , neu: SCl 20.2) sind Konflikte über Bescheinigungen, Feststellungen, Anweisungen, Ansichten oder Bewertungen des Engineers, aber auch gesetzliche Ansprüche nach den hier angeführten Regeln abzuwickeln (neu: Definition von Dispute in SC! 1.1.29).
Die FIDIC Conditions sehen ein zweistufiges Verfahren zur Streitbeilegung vor. Zunächst ist das Dispute Adjudication Board (DAB; neu: Dispute Avoidance/ Adjudication Board, D AAB) anzurufen, das aus einem oder drei Mitgliedern besteht. In der zweiten Stufe kann ein Schiedsgericht angerufen werden. Das Schiedsverfahren wird, wenn nicht anders vereinbart, nach den Regeln der International Chamber of Commerce (ICC) durchgeführt.
Das DAB wurde 1999 als neutrale Instanz zur Streitbeilegung in die FIDIC Conditions eingeführt. Die Verfahrensregeln sind den General Conditions als Anhang beigefügt (Dispute Adjudication Agreement samt Procedural Rules). Im Red Book ist ein ständiges DAB vorgesehen. Das hat den Vorteil, dass die Einigung über die Mitglieder des DAB vorab und somit außerhalb einer konkreten Konfliktsituation stattfinden kann. Zudem können sich die Mitglieder des DAB mittels regelmäßiger Baustellenbesuche mit dem Projekt vertraut machen, was später die Entscheidung erleichtert und beschleunigt. Von Nachteil sind dagegen die im Vergleich zu einem Ad-hoc-DAB (wie zB im Yellow Book vorgesehen) höheren Kosten, die von beiden Parteien zu gleichen Teilen zu tragen sind.
Praxistip
Auch eine Kombination aus ständigem DAB und Ad-Hoc-DAB ist möglich, indem das DAB erst einberufen wird, wenn ein erster Streitfall auftritt, dann aber bis zum Abschluss des Projekts dauerhaft bestehen bleibt.5> Auch in diesem Fall sollte die Wahl der Personen, die das DAB besetzen werden, schon mit dem Vertragsabschluss, also bevor ein konkreter Streitfall vorliegt, erfolgen.
Neu ist in der 2"d Edition explizit die Möglichkeit vorgesehen, das DAAB zur Streitvermeidung beizuziehen. Die Parteien können das DAAB gemeinsam um Hilfestellung und informelle Diskussion im Konfliktfall ersuchen, ohne dass dadurch Ansprüche anerkannt oder bindende Entscheidungen getroffen würden. Ausgenommen davon sind nur solche Streitpunkte, über
5) Szkopecz, Geltendmachung von Claims und Streitbeilegung in FIDIC-Verträgen 651.
ZVB (2018) OS
.. ~- [ B AUVERTRA GSRE C H T
die der Engineer gerade nach SCl 3.7 (Agreement or Determination) befmdet.
Für die Anrufung des DAB zur Streitentscheidung sind in den FIDIC Conditions keine Fristen vorgesehen. Das DAB hat binnen 84 Tagen zu entscheiden und seine Entscheidung zu begründen. Eine einvernehmliche Fristverlängerung ist möglich. Die Entscheidung des DAB ist bindend, bis sie durch eine anders lautende Einigung oder einen Schiedsspruch aufgehoben wird. Sie muss von den Vertragsparteien umgesetzt werden, selbst wenn sie von einer Vertragspartei mittels einer Notice ofDissatisfaction (NoD) beeinsprucht wird. Sie hat jedoch nur die Qualität einer vertraglichen Vereinbarung und stellt insbesondere keinen vollstreckbaren Schiedsspruch dar.
Ist ein Vertragspartner mit der Entscheidung unzufrieden, so hat er dies binnen 28 Tagen der anderen Vertragspartei mit einer NoD mitzuteilen. Diese Mitteilung ist zwingende Voraussetzung für eine inhaltliehe Überprüfung der Entscheidung in einem anschließenden Schiedsverfahren. Auch eine Überschreitung der (gegebenenfalls verlängerten) Entscheidungsfrist durch das DAB berechtigt daher zur Sendung einer NoD, sodass anschließend der Streitfall einem Schiedsgericht vorgelegt werden kann.
Auf die N oD soll zunächst ein V ersuch einer einvernehmlichen Streitbeilegung folgen (SCl 20.5 neu: SCl 21.5). Das Schiedsverfahren darf daher frühestens 56 Tage (neu: 28 Tage) nach Zustellung der NoD begonnen werden, wobei beide Vertragspartner das Schiedsgericht anrufen können, auch wenn nur einer
-+ln Kürze Oie FIDIC Conditions enthalten in den CL 17 bis 19 Regelungen zur Risikotraguf!~ und Force Majeure. Die Risikoverteilung bringt keine Uberraschungen. Zu beachten sind jedoch die umfassenden Mitteilungspflichten und (für den Contractor) kurzen Fristen bei der Anmeldung von Ansprüchen. Über gegenseitige Ansprüche entscheidet zunächst der Engineer mittels Determination. Treten Streitigkeiten auf, so ist damit das Dispute Adjudication Board zu befassen. Danach ist nach Ankündigung (Notice of Dissatisfaction) und Einhaltung einer Sperrfrist die Befassung eines Schiedsgerichts vorgesehen.
-+Zum Thema Über die Autorin: 01 Mag. iur. Ursula Gallistel ist Lektorin am Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement der TU Wien, Karlsplatz 13/234-1 , 1040 Wien.
eine NoD gesendet hat. Kommt eine Partei einer bindend gewordenen Entscheidung des Engineers oder des DAB nicht nach oder ist kein DAB konstituiert, kann sich die andere Partei sofort an das Schiedsgericht wenden.
Die FIDIC Conditions enthalten keine Frist zur Einleitung eines Schiedsverfahrens. Faktische Grenzen setzen jedoch die Verjährungsregeln des anwendbaren Rechts.6l Der Vorteil eines frühen Schiedsverfahrens liegt in der einfacheren Beweisführung, dafür kann es aber zu Verzögerungen im Projektablauf kommen, wenn das Personal von Employer und Contractor mit Beweisaufnahmen und dem Verfassen von Schriftsätzen beschäftigt ist.
Ist eine Abänderung der FIDIC Conditions möglich, so kann dem DAB auch mehr Macht gegeben werden, indem dem Engineer die Befugnis zu Determinations entzogen wird und Streitfälle sofort dem DAB vorgelegt werden. Damit verbunden ist aber jedenfalls ein Zeitverlust, bis eine bindende Entscheidung erreicht wird. Auch ein Partnerschaftsmodell analog zur ÖNORM B 2118 kann zur Streitbeilegung vorgesehen werden. In diesem Fall sollte das DAB aber entfallen, da die Kosten sonst unverhältnismäßig ansteigen.
6) Demblin/Mörth, FIOIC Bau- und Anlagenbauverträge RZ 527
Tel : +43 (0)1 58 801-234 01 E-Mail: [email protected] Internet: www.ibb.tuwien.ac.at Von derselben Autorin erschienen: Verweigerung der Übernahme wegen mangelhafter LeistungVerzug des AN oder Annahmeverzug des AG? (ZVB 2014/ 120); Bieterausschluss wegen schwerer beruflicher Verfehlung (ZVB 2015/119) ; Entgelt für die Erstellung einer Mehrkostenforderung (ZVB 2016/ 125); Beweisfragen im Zusammenhang mit Mehrkostenforderungen aus einem Bauvertrag (bauaktuell 2017, 1 0). Literatur: Demblin!Mörth, FIDIC Bau- und Anlagenbauverträge (201 0); Hök, in Verband beratender Ingenieure (Hrsg), FIDIC Red Book - Erläuterungen und Übersetzung (2006); Weselik/Hamerl (Hrsg), Handbuch des internationalen Bauvertrags (2015). Links: fidic.org
Täglich Neues zur Vergabepraxis www.vergabeblog.at
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[2018] -+ Ursula Gallistel Der Bauvertrag nach den FIDIC-Condilions 235