4
Archiv 0hren- usw. Heflk. u. Z. Hals- usw. Heilk., Bd. 172, S. 277--280 (1958) Aus der Universit~ts-Hals-Nasen-Ohren-Klinik Tiibingen (Direktor: Professor Dr. M. SCt~WARZ) Der Einflull der Liislichkeitsart yon Arzneistoffen auf die Resorption dureh die menschliche Nasenschleimhaut Von I:[ELMUT BREUNINGER Mit 1 Textabbildung (Eingegangen am 15. November 1957) Die Leistungsbreite der Nasenschleimhaut, bestimmte gel6ste Arznei- stoffe zu resorbiexen, ist die Grundlage jcder 5rtlichen medikamentSsen Therapie, sofern eben nich.t ausschliel~lich eine Schutzwirkung gegen exogene Sch&den'oder durch hypertonische LSsungen ein Austritt von Gewebsfliil~igkeit und eine reaktive Hyper/~mie erzielt werden sollen. Die relative Undurchl/~ssigkeit der Epidermis ffir Wasser und darin gelSste Substanzen ist seit l~ngem bekannt (FIL]~H:SE U. ~.), die Durch- 1/~ssigkeit der Nasenschleimhaut sowohl fiir wasserlSsliche als auch ffir in organischen LSsungsmitteln 15sliche Substanzen durch die therapeutische Erfahrung und dutch zahlreiche Experimente belegt. Dieses g/instige ResorptionsvermSgen der Nasenschleimhaut wurde sogar bereits benfitzt, um Medikamente wie Insulin (CoLLENS U. GOL~)ZI]~I~), Atropin und Hyoscin (HYDE u. I. TONNDORF) yon tier Mucosa aus zur Anwendung und zur therapeutischen Wirkung zu bringen. Bekannt ist ja auch die Be- deutung der Nasenschleimhaut fiir den Cocainsiichtigen. Experimentell hat IS~I~ARA das Eindringen yon Farbstoffen, RIC~T~ die l~esorption yon Sulfonamiden und NA~A~r die Aufnahme fluorescierender Medika- mente in die I~asenschleimhaut verfolgt. Die meisten der zur 5rtlichen Schleimh~uttherapie verwendeten Sub- stanzen kSnnen sowohl in einer vorwiegend wasserlSslichen als auch in einer vorwiegen~l in org~nischen LSsungsmitteln 15slichen Form darge- stellt werden. In der Regel sind die nicht oder nur gering wasserlSslichen Medikamente durch Salzbildung in eine besser wasserlSsliche Form ge- bracht, wie es zum Beispiel beim Privin, Ephedrin und Cocain der Fall ist. Prinzipiell kann eine Applikation in beiden L6slichkeitsarten dutch die Verwendung eines geeigneten LSsungsmittels erfolgen. Aus praktischen und theoretischen Griinden schien es uns daher von Interesse zu erfahren, ob die in organischen LSsungsmitteln 15sliche Form und die wasserl6sliche Form einer Substanz yon der Nasenschleimhaut in verschiedenem Aus- maB resorbiert wird.

Der Einflu der Löslichkeitsart von Arzneistoffen auf die Resorption durch die menschliche Nasenschleimhaut

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Der Einflu der Löslichkeitsart von Arzneistoffen auf die Resorption durch die menschliche Nasenschleimhaut

Archiv 0hren- usw. Heflk. u. Z. Hals- usw. Heilk., Bd. 172, S. 277--280 (1958)

Aus der Universit~ts-Hals-Nasen-Ohren-Klinik Tiibingen (Direktor: Professor Dr. M. SCt~WARZ)

Der Einflull der Liislichkeitsart yon Arzneistoffen auf die Resorption dureh die menschliche Nasenschleimhaut

Von I:[ELMUT BREUNINGER

Mit 1 Textabbildung

(Eingegangen am 15. November 1957)

Die Leistungsbreite der Nasenschleimhaut, bestimmte gel6ste Arznei- stoffe zu resorbiexen, ist die Grundlage jcder 5rtlichen medikamentSsen Therapie, sofern eben nich.t ausschliel~lich eine Schutzwirkung gegen exogene Sch&den'oder durch hypertonische LSsungen ein Austrit t von Gewebsfliil~igkeit und eine reaktive Hyper/~mie erzielt werden sollen.

Die relative Undurchl/~ssigkeit der Epidermis ffir Wasser und darin gelSste Substanzen ist seit l~ngem bekannt (FIL]~H:SE U. ~.), die Durch- 1/~ssigkeit der Nasenschleimhaut sowohl fiir wasserlSsliche als auch ffir in organischen LSsungsmitteln 15sliche Substanzen durch die therapeutische Erfahrung und dutch zahlreiche Experimente belegt. Dieses g/instige ResorptionsvermSgen der Nasenschleimhaut wurde sogar bereits benfitzt, um Medikamente wie Insulin (CoLLENS U. GOL~)ZI]~I~), Atropin und Hyoscin (HYDE u. I. TONNDORF) yon tier Mucosa aus zur Anwendung und zur therapeutischen Wirkung zu bringen. Bekannt ist ja auch die Be- deutung der Nasenschleimhaut fiir den Cocainsiichtigen. Experimentell hat IS~I~ARA das Eindringen yon Farbstoffen, R I C ~ T ~ die l~esorption yon Sulfonamiden und NA~A~r die Aufnahme fluorescierender Medika- mente in die I~asenschleimhaut verfolgt.

Die meisten der zur 5rtlichen Schleimh~uttherapie verwendeten Sub- stanzen kSnnen sowohl in einer vorwiegend wasserlSslichen als auch in einer vorwiegen~l in org~nischen LSsungsmitteln 15slichen Form darge- stellt werden. In der Regel sind die nicht oder nur gering wasserlSslichen Medikamente durch Salzbildung in eine besser wasserlSsliche Form ge- bracht, wie es zum Beispiel beim Privin, Ephedrin und Cocain der Fall ist. Prinzipiell kann eine Applikation in beiden L6slichkeitsarten dutch die Verwendung eines geeigneten LSsungsmittels erfolgen. Aus praktischen und theoretischen Griinden schien es uns daher von Interesse zu erfahren, ob die in organischen LSsungsmitteln 15sliche Form und die wasserl6sliche Form einer Substanz yon der Nasenschleimhaut in verschiedenem Aus- maB resorbiert wird.

Page 2: Der Einflu der Löslichkeitsart von Arzneistoffen auf die Resorption durch die menschliche Nasenschleimhaut

2 7 8 H. BREUNINGER :

Zur Aufkl/~rung dieser Frage wurde zunaehst die anaesthesierende Wirkung der lipoidlSsliehen Novoeainbase und des wasserlSsliehen salz- sauren Salzes des Novoeains im selben LSsungsmittelgemiseh Wasser- - Alkohol an der Septumsehleimhaut verglichen. Dabei konnte der Ein- t r i t t einer Geffihllosigkeit mittels eines dosierten elektrisehen Reizes als Mag ffir die Resorption des Anaestheticums gewertet werden. Es er- gaben sieh zwisehen beiden Formen des Novoeains bezfiglieh des Ein- trit ts der Wirkung und der zur Erreiehung einer Anaesthesie notwendi- gen Konzentration keine deutliehen Untersehiede, jedoeh ersehien die auf subjektiven Angaben der Versuchspersonen beruhende Feststellung einer erfolgten Resorption nielit roll zuverl~ssig.

Auf der Suehe nach einem geeigneten 1VIodell zur Bestimmung der Resorption stieBen wit auf den Farbstoff Eosin, der einerseits in vor- wiegend wasserl6slieher und andererseits in vorwiegend organiseh 15s- lieher Form bei geringer Ver/~nderung seiner Molek/ilgrSl3e dargestellt werden kann. Die Formeln der beiden Stoffe sind zum VergMeh ange- fiihrt, um einen Eindruek yon der geringen Abweiehung der Konsti tut ion zu ermitteln :

Br Br Dr Br

Dr-- : ~ = ~ - - O r

l I

Eosin wasserl5slich Eosin spritlSslich

Wasserl5slichkeit L5slichkeit in org, LSsungsmittel LSslichkeit in org. L5sungsmittel Wasserl5slichkeit

1 1

-- 0,005 -- 0,025

Angesichts dieser untersehiedlichen LSslichkeit und der mSglicher- weise bevorzugten Resorption einer der beiden Formen dureh die Nasen- sehleimhaut war sicher auch eine quanti tat iv verschiedene Resorptions- gesehwindigkeit zu erwarten. Als beide Farbstoffe 15 rain naeh dem Auf- pinseln auf die Nasensehleimhaut im Venenblut dureh Extrakt ion und papierchromatographische Aufarbeitung qualitativ nachgewiesen wer- den konnten, der Beweis der Resorbierbarkeit also erbraeht war, ver- suehten wir Anhaltspunkte ffir die Resorptionsgesehwindigkeit zu ge- winnen, indem wir in bestimmten Zeitabst~nden die Menge des Farb- stoffes priiften, der zuvor auf die Nasenschleimhaut aufgetragen worden war.

Page 3: Der Einflu der Löslichkeitsart von Arzneistoffen auf die Resorption durch die menschliche Nasenschleimhaut

Der Einflug der L6slichkeitsart yon Arzneistoffen 279

Methodik Zu den Versuehen wurden jeweils 0,5% ige LSsungen yon Eosin wasserlSslieh

und Eosin sprit]Sslich in einem Gemisch von Wasser und Isopropylalkohol im Verhaltnis 3 :1 verwendet. Durch die Benutzung des gleichen L6sungsmittels in beiden F~llen, das ja zum Aufbringen des organisch 15slichen Stoffes notwendig war, mugte die Schleimhaut auch beim Auftragen des wasserl6slichen Stoffes nut einem relativ indifferenten organischen Mittel ausgesetzt werden.

Als Versuehspersonen dienten 30 MAnner zwischen 20 und 35 Jahren, die keine krankhaften Ver~nderungen an der Nasensehleimhaut und keine Septumdeviationen zeigten. Mit einem Wattepinsel wurde hinter der Apertura piriformis auf der einen Seite des Septums der wasserlSsliche und auf der anderen Seite der spritlSsliche Farbstoff auf die Sehleimhaut aufgetragen. 2 min danach legten wir auf die gef/~rbten Schleimhautste]len ein kreisrundes Papier- bli~ttchen yon 5 mm Durchmesser (Chromatographiepapier Schl, und Seh. 2043b), desgleichen in Abst/~nden yon 7 rain, dies jeweils fiir die Dauer yon 2 min. An den an der Luft getrockneten und mit ParaffinS1 transpartent gemachten Bl~ttchen stellten wir deren Farbstoffgehalt im Zeiss-Extinktionsschreiber lest. Aus dem Vergleieh der Extinktionswerte, der naeh- einander auf die gleiche Sehleimhautstelle gleiehlang aufgelegten Bl&ttehen konnte so- mit die Abnahme der Farbstoffmenge auf der Sehleimhaut festgestellt werden. Da beim gMchen LSsungsmittel mit denselben Abflug und Abtransportverhi~ltnissen seitens der Schleimhaut zu rechnen ist, war es m6glieh, aus der Menge des noch aufliegenden auf die Menge des resorbierten Farbstoffes zu schlie- Ben. Um den Leerwert zu bestimmen,b enutz- ten wir transparent gemaehte B1/~ttchen.

:~176 i 1 l~- Oio I "I

, / 11 ,

2o / I !

~ ~o 5 " 1o 15 zo

Abb. 1. Vergleich der Resorption des Farbstoffes Eosin wasserl6slich und Eosin spritlSslich an der Na~enschleimhaut des l~Ienschen. (Mlttelwerte bei 30 Personen.) Ordinate: Resorbierte Farbstoffmenge bezogen auf dig aufgetragene Farbstoff- menge = 100 %. Abszisse: Zeit in ~inuten

1 = Eosin wasserlSslich, 2 = ]~osin spritl6slieh

Ergebnisse

Das Ergebnis dieser Un te r suchungen ist in folgenden Mittelwerts- ku rven dargestel l t (Abb. 1).

Vom wasserl6slichen Farbs toff war im N[ittel nach 6,25 min, yore sprit l6slichen nach 7,6 min, die H/~lfte yon der Schle imhaut verschwun- den. Dieser Unterschied ist un te r Beri icksichtigung der Streubrei te der Einzelwerte n ich t signifikant, ferner zeigen die beiden Mittelwerts- ku rven einen paral lelen Verlauf, ein U m s t a n d , der fiir e inen qua l i ta t iv ~hnliehen l~esorptionsvorgang sprieht. Da andere F a k t o r e n wie die Abschwemmung der Farbstoffe durch den Nasenschleim, der Abt rans - port dureh Fl immerepi the l u n d der Abflug dureh hydrostat isehe Momente bei der Verwendung des gleiehen L6sungsmit te ls als gleich- groB gesetzt werden k6nnen, besagt das Ergebnis, dab der wasserl6sliehe

Page 4: Der Einflu der Löslichkeitsart von Arzneistoffen auf die Resorption durch die menschliche Nasenschleimhaut

280 I-I. BREUNINGER: Der Einflul3 der LSslichkeitsart yon Arzneistoffen

und der spritlSsliche Farbstoff Eosin unter den genannten Bedingungen yon der Nasenschleimhant ungef/ihr im gleichen Zeitraum resorbiert wird.

BesPrechung der Ergebnisse

Nach unseren Untersuchungen verschwindet - - gleiche Bedingungen vorausgesetzt - - ein Farbstoff yon der Nasenschleimhaut sowohl in seiner vorwiegend wasserl6slichen als auch in seiner vorwiegend alkohollSslichen Form im gleichen Zeitraum. Nachdem eine Resorption sicher nach- gewiesen werden konnte, spricht diese Tatsache fiir s Resorptions- verhiiltnisse beider L6sungsarten. Dabei ist eine Umsetzung der einen Form des Farbstoffes in die andere auf der Schleimhaut nicht mSglieh. Die Resultate konnten allerdings nur vergleichend ausgewertet werden, da quantatative Bestimmungen in der Schleimhaut und im Blur nicht durchffihrbar waren.

Die Resorptionsverh/~ltnisse an der Nasenschleimhaut stehen also ganz im Gegensatz zu den Verhgltnissen an der Epidermis, wo eine weit- gehende Sperre gegen Wasser und darin gelSste Substanzen besteht. Die Erfahrungen der Therapie, wonach sowohl wasserl6sliche als auch in or- ganischen LSsungsmitteln 15sliche Medikamente yon der Nasenschleim- haut resorbiert werden, konnte der Modellversuch mit einem Farbstoff in zwei L6sliehkeitsformen quantitativ besti~tigen. Vom Gesiehtspunkt der Resorption aus mnB also keiner L6sliehkeitsform ein besonderer Vor- zug gegeben werden, was bei der Wahl des Medikamententrggers je naeh der gewfnsehten Schutzwirkung und Haftdauer yon Bedeutung ist.

Zusammenfassung Es wird fiber die Resorption des Farbstoffes Eosin in zwei verschie-

denen L6slichkeitsformen durch die Nasenschleimhaut berichtet. Zwi- schen der Resorption der wasserlSslichen und der spritl6slichen Form des Farbstoffes zeigen sich keine qualitativen oder quantitativen Unter- schiede. Auf die Bedeutung des Ergebnisses ftir die Therapie wird hin- gewiesen.

Literatur COImE~S, W., and M. GOLDZlEHER: Proc. Soc. Exper. Biol. a. Med. 29, 756

(1932). - - FILEm~E, W.: Berl. klin. Wschr. 1898, 3. - - HYDE, 1~. W. u.a.:Ann. of Oto]. 62, 957 (1953). - - IsEtm~I~X, T.: J. Kyoto Perfect. Ivied. Univ. 51, 499 (1952); ref. Z. Hals- usw. tteilk. 49, 364 (1954). - - NxVMAI~I~, H.: Arch. Ohren- usw. Heilk. u. Z. Hals- usw. Heilk. 165, 481 (1954). - - RIC~TNE R, N.: Acta oto- laryng. (Stockh.) 49, 1 (1943). - - TONNDOI~F, J. u. a. : Ann. of Otol. 6~, 630 (1953).

Dr. HELMUT BREUNINGER, Universit/~ts-Hals-Nasen-OhremKlinik, Tiibingen