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Aus dem Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin der Universität zu Köln Klinik und Poliklinik für Allgemeine Kinderheilkunde Direktor: Universitätsprofessor Dr. med. D. Michalk Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern in Tragehilfen auf die Entwicklung von Haltungsschäden im Schulkindalter Untersuchungen mit der MediMouse® Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Hohen Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln vorgelegt von Hilal Kavruk aus Wuppertal Promoviert am 03. Februar 2010

Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

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Page 1: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

Aus dem Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin

der Universität zu Köln

Klinik und Poliklinik für Allgemeine Kinderheilkunde

Direktor: Universitätsprofessor Dr. med. D. Michalk

Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern in Tragehilfen

auf die Entwicklung von Haltungsschäden im Schulkindalter

Untersuchungen mit der MediMouse®

Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde

der Hohen Medizinischen Fakultät

der Universität zu Köln

vorgelegt von

Hilal Kavruk

aus Wuppertal

Promoviert am 03. Februar 2010

Page 2: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln

2010

Page 3: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

Dekan: Universitätsprofessor Dr. med. J. Klosterkötter

1. Berichterstatter: Universitätsprofessor Dr. med. D. Michalk

2. Berichterstatter: Universitätsprofessor Dr. med. P. Eysel

Erklärung

Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit ohne unzulässige Hilfe Dritter und ohne

Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe; die aus fremden Quellen

direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht.

Bei der Auswahl und Auswertung des Materials sowie bei der gedanklichen Herstellung der

vorliegenden Arbeit habe ich keine Unterstützungsleistungen von anderen Personen erhalten.

Insbesondere habe ich nicht die Hilfe eines Promotionsberaters in Anspruch genommen.

Dritte haben von mir weder unmittelbar noch mittelbar geldwerte Leistung für Arbeiten

erhalten, die im Zusammenhang mit dem Inhalt der vorgelegten Dissertation stehen.

Die Arbeit wurde von mir bisher weder im Inland noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher

Form einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und ist auch noch nicht veröffentlicht.

Remscheid, 14. Mai 2009

Page 4: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

Diese Arbeit ist auf Anregung von Frau Dr. med. Waltraud Stening entstanden. Die zugrunde

liegenden Untersuchungen und Messungen habe ich selbst durchgeführt und ausgewertet.

Die statistische Auswertung der Daten erfolgte mithilfe von Herrn Dr. Sahin und Dr. Stützer,

Institut für medizinische Statistik, Informatik und Epidemiologie der Universität zu Köln.

Page 5: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

Danksagung

Während der klinischen Datenerhebung in den Wintermonaten des Jahres 2006 hätte ich mir nicht vorstellen können, einmal an der Danksagung meiner Dissertationsschrift zu arbeiten. Es galt der Überwindung von Hürden, die sich, wie es schien, unermüdlich ihren Weg in unseren Untersuchungsablauf bahnten, mit Geduld zu entgegnen. Auch zu Beginn der schriftlichen Zusammenstellung schien eine Fertigstellung unabsehbar. Umso mehr verlangt es mir ein Schmunzeln ab, den Menschen, die mich bis zur Vollendung zusprechend, motivierend und liebenswert zur Geradlinigkeit und Entschlossenheit ermutigt und mobilisiert haben, meine Anerkennung aussprechen zu dürfen. Meine Dankempfindung richtet sich vor allem an:

- Dr. Waltraud Stening, die die Idee für diese Studie entwickelt und mich in allen Streitfragen mit ihrer Fachkunde kompetent unterstützt und unermüdlich zur Kontinuität angehalten hat. Rückblickend erkenne ich den unentbehrlichen Nutzen ihres Zuspruchs, der mich auf Kurs gebracht und gehalten hat, denn Leistung ohne Anerkennung wäre wertlos.

- Kwadwo Antwi, dem ich die Bekanntschaft mit Waltraud zu verdanken habe und der mir bei computer-technischen Krisen tatkräftig zur Seite stand.

- Dr. Herkenrath, dessen Geduld, analytische Auffassungsgabe und Appell zur Initiative dieser Studie einen beträchtlichen Antrieb verliehen haben. Seine nützlichen Ratschläge haben, trotz dass sie mir anfangs wie aus der Rätselecke der Tageszeitung entnommen zu sein schienen, einen essentiellen Beitrag zur Durchführung und Fertigstellung dieser Arbeit geleistet.

- Dr. Sahin, Dr. Stützer, die IMSIE-Mitarbeiter, eingenommen Frau Müller, die mir durch Ihre hilfsbereite Aufforderung zum initiativen Unterstützungsgesuch, ihre freundliche Zuwendung und ihr entgegengebrachtes Interesse Beistand bei der statistischen Bearbeitung, die sich für mich als Wüstengang gestaltete, zukommen ließen.

- das Idiag-Team, das sich persönlich, telefonisch und elektronisch für die reibungslose MediMouse-Software-Installation und für eine rasche Aufklärung sowohl technischer als auch interpretativer Fragen engagiert hat.

- die Schulärzte der Stadt Köln, die Hilfestellung bei der Rekrutierung des Probandenkollektivs und der Zusammenstellung sozio-demographischer Daten dargeboten haben.

- die Eltern und Kinder, die bereitwillig und uneigennützig durch ihre Teilnahme das Fundament dieser Studie bildeten.

- Frau Büyükodabasi, durch dessen zeitaufopfernde Geste mir viel Zeit und Kopfzerbrechen erspart blieben und der ich die Auswahl, Aufklärung, Überzeugung und das Beilaunehalten der elf Probanden des ersten Studienabschnitts zu verdanken habe.

- Ursula Volkenhoff, die mir die Befürchtung, dass sich das Licht am Tunnelende als Leuchttafel mit der Aufschrift „kein Ausgang“ entpuppen würde, genommen und diese Arbeit durch ihre Korrekturvorschläge bereichert hat.

- Mama, die immer nur das Gute in dem sieht, was wir tun, und uns zur Ermöglichung unserer Vorhaben alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten bietet, die uns durch ihr Vertrauen zu vertrauenswürdigen Menschen erzogen hat und die mir während meiner mittellosen Zeit als Promotionsstudentin trotzdem alle meine InStyle-Wünsche erfüllt hat.

- Miray Kavruk, die fest daran glaubt, dass Schwestern auch ihren Titel teilen können (ab und an).

- Opa, dessen Förderung, Zuspruch und Liebe alles übertrifft und mich mein ganzes Leben begleitet, und Oma, durch deren Zuwendung, Aufopferung und leckeres Essen ich mir meine kurzweiligen Zuflüchte als Rekonvaleszenzphasen nutzen konnte.

- Tante Heidi, die unbedingt einen echten Doktor in der Familie haben wollte. - Tante Ruki, die auch ohne Worte während der ganzen Phase präsent war. - Meral Aydogan und Nermin Ünal, die mir immer wieder das Gefühl geben, etwas

Besonderes zu sein und mich gelehrt haben, dass Gesicht der Sonne zuzuwenden, um die Schatten hinter sich zu lassen.

Page 6: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung .............................................................................................................................1

1.1 Das Tragen.....................................................................................................................11.1.1 Begriffserläuterung.................................................................................................11.1.2 Geschichte des Tragens ..........................................................................................21.1.3 Ethnologischer Bezug.............................................................................................31.1.4 Vorteile des Tragens...............................................................................................41.1.5 Befürchtete Auswirkungen des Tragens.................................................................6

1.2 Haltung ..........................................................................................................................71.2.1 Definitions-, Nomenklatur- und Normwertproblematik.........................................71.2.2 Pathologische Haltung............................................................................................91.2.3 Inzidenz und Ätiologie von Haltungsfehlern .......................................................111.2.4 Diagnostik.............................................................................................................121.2.5 Instrumentelle Objektivierbarkeit.........................................................................19

1.3 Fragestellung ...............................................................................................................202 Patientengut und Methodik.................................................................................................21

2.1 Probandenauswahl.......................................................................................................212.2 Aufnahmekriterien.......................................................................................................222.3 Elternfragebogen .........................................................................................................222.4 Orthopädisch-klinische Untersuchung ........................................................................242.5 Untersuchung mit der MediMouse®...........................................................................262.6 Erhebung epidemiologischer Daten aus dem Untersuchungsheft ...............................272.7 Dokumentation ............................................................................................................292.8 Statistik ........................................................................................................................29

2.8.1 Der Mittelwert ......................................................................................................302.8.2 Die Standardabweichung......................................................................................302.8.3 Die Varianz...........................................................................................................312.8.4 Der Variationskoeffizient .....................................................................................312.8.5 Der t-Test..............................................................................................................312.8.6 Der Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest .................................................................32

3 Ergebnisse...........................................................................................................................333.1 Teil 1............................................................................................................................333.2 Teil 2............................................................................................................................43

3.2.1 Deskription ...........................................................................................................433.2.1.1 Soziodemographische Hauptdaten ................................................................433.2.1.2 Skalenbewertung ...........................................................................................483.2.1.3 Epidemiologische Daten................................................................................503.2.1.4 Tragegewohnheiten .......................................................................................533.2.1.5 Körperliche Untersuchungsbefunde ..............................................................573.2.1.6 Vergleich zwischen Tragehäufigkeit und körperlichem Befund...................613.2.1.7 Instrumentell erhobene Werte .......................................................................66

3.2.2 Prüfstatistik...........................................................................................................713.2.2.1 Beziehung zwischen Tragehäufigkeit und klinischem Befund .....................713.2.2.2 Beziehung zwischen MediMouse®-Werten und klinischem Befund ...........72

4 Diskussion ..........................................................................................................................754.1 Ergebnisevaluation Teil 1............................................................................................754.2 Ergebnisevaluation Teil 2............................................................................................80

4.2.1 Vergleich zwischen Tragehäufigkeit und klinischem Befund..............................834.2.2 Vergleich zwischen MediMouse®-Werten und klinischem Befund....................85

4.3 Schlussfolgerung .........................................................................................................89

Page 7: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

5 Zusammenfassung ..............................................................................................................936 Literaturverzeichnis ............................................................................................................947 Abbildungsverzeichnis .......................................................................................................998 Tabellenverzeichnis ..........................................................................................................1009 Grafikverzeichnis .............................................................................................................10110 Anhang ...........................................................................................................................102

10.1 Informationsbogen...................................................................................................10210.2 Elternfragebogen .....................................................................................................10310.3 Epidemiologische Daten..........................................................................................10410.4 Untersuchungsbogen ...............................................................................................105

11 Lebenslauf ......................................................................................................................106

Page 8: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

1

1 Einleitung

Ein großer Teil der Säuglinge und Kleinkinder wird heute von den Eltern zeitweise in

Tragehilfen getragen. In den letzten Monaten wurde in der Öffentlichkeit erneut die These

diskutiert, ob es durch das Getragenwerden in Tragetüchern zu Wirbelsäulenschädigung oder

Haltungsfehlern bei den Kindern kommen kann. Hierbei handelte es sich jedoch lediglich um

Vermutungen; wissenschaftliche Untersuchungen lagen der Diskussion nicht zugrunde.

1.1 Das Tragen

1.1.1 Begriffserläuterung

Im Tierreich existieren zahlreiche Varianten, wie Tiere ihre Jungen tragen: Kängurujunge

werden im Fellbeutel getragen. Krokodile tragen ihre Jungen im Maul, so wie Küken von

Wasservögeln im Gefieder auf dem Rücken der Mutter getragen werden. Basierend auf den

Arbeiten von Lorenz Oken und des Zoologen Hassenstein [16] unterscheidet man in der

Biologie drei Arten von Jungentypen:

- Nesthocker

Dieser Begriff wurde zusammen mit dem des Nestflüchters bereits im 19.

Jahrhundert von Oken geprägt [41]. Jungtiere dieser Kategorie kommen nackt, mit

geschlossenen Augen und Gehörgängen auf die Welt. Der Name führt auf ihre

Unfähigkeit zurück, der Mutter aufgrund ihrer Unreife zu folgen, weshalb sie im

Nest „hocken“, bis die Mutter von der Futtersuche zurückkehrt.

- Nestflüchter

Diese Tiere kommen bereits mit artgemäßer Behaarung sowie geöffneten Augen

und Ohren zur Welt. Ihre Fähigkeit der Mutter kurz nach der Geburt aufgrund ihrer

anatomisch-physiologischen Beschaffenheit folgen zu können, verlieh ihnen ihren

Namen. Das Nesthockerstadium wird bei Jungtieren dieser Gruppe bereits im

Uterus durchlaufen, wo auch ihre Augen und Ohren noch geschlossen sind.

- Tragling

In diese Gruppe fallen Junge, deren Reifegrad dem der Nestflüchter entspricht, die

sich aber nicht selbstständig fortbewegen können und deshalb von einem Elternteil

getragen werden. Differenziert wird zwischen passiven Traglingen, wie etwa

Beuteltiere, die von der Mutter ohne aktive Unterstützung der Jungen getragen

Page 9: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

2

werden, und aktiven Traglingen, beispielsweise Affen, deren ausgeprägter

Greifreflex es erlaubt, sich während des Tragens an der Mutter festzuklammern.

„Der menschliche Säugling ist dem biologischen Typus des Traglings zuzuordnen“ [16].

Hassensteins Auffassung nach ist der Mensch kein passiver Tragling. Da der menschliche

Säugling aber über einen Lauffuß verfügt, dessen Greiffunktion nur noch rudimentär

ausgebildet ist und die Mutter aufgrund der stammesgeschichtlichen Entwicklung kein Fell

aufweist, an dem er sich festhalten könnte, wurde der Begriff des „ehemaligen aktiven

Traglings“ [17] geprägt. Hassenstein unterstützt seine Theorie mit dem beim heutigen

Säugling nachweisbaren Greif- und Klammerreflex sowie der Einnahme der Spreiz-Anhock-

Stellung der Beine bei Anhebung. Er sieht diese Charakteristika als Überbleibsel jener Zeit, in

der die Nähe der Mutter für den Säugling überlebensnotwendig war.

1.1.2 Geschichte des Tragens

In Europa war es noch bis vor 150 Jahren üblich, Kinder zu tragen. Noch aus dem späten

Mittelalter sieht man Abbildungen von Maria mit dem Kind in einer Trageschlinge. Im

Zeitalter der Aufklärung kam es in der Oberklasse zu einer zunehmenden Trennung von

Mutter und Kind. Zu dieser Zeit war das Tragen Armen, Hausierern und Zigeunern

vorbehalten. Damals wurde Kinderreichtum als ökonomisch unrentabel angesehen, weshalb

die Zugehörigkeit zu einer Gesellschaftsklasse oftmals in gewichtigem Ausmaß von der

Anzahl der Kinder in der Familie bestimmt wurde. Erst als 1880 der erste Kinderwagen

(„Promeneuse“) entwickelt wurde, stieß es auf eine höhere Akzeptanz, sich mit dem Kind in

der Öffentlichkeit zu zeigen. Er wurde zum Statussymbol und erlaubte eine Distanzierung von

der sozialen Unterschicht, wo noch immer körpernah getragen wurde.

Während der Hippie-Bewegung in den 70er Jahren kam es dann zu einer zunehmenden

Rückbesinnung auf den Körperkontakt und auf lebensbejahende Betreuungsformen wie das

Tragen.

Page 10: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

3

1.1.3 Ethnologischer Bezug

In über 2/3 der Weltbevölkerung werden Säuglinge und Kleinkinder körpernah getragen. Dies

liegt darin begründet, dass das Tragen in vielen Regionen die optimale Einfügung von Mutter

mit Kind an Lebensraum und -bedingungen darbietet. Es ermöglicht die Fortbewegung auch

dort, wo es keine asphaltierten Straßen und Kinderwagen gibt [35].

Ursprünglich wurden die Kleinstkinder in sämtlichen Kulturkreisen getragen. Obschon die

Techniken und Tragepositionen voneinander abweichen, ist das Kernprinzip der Erhaltung der

Beweglichkeit und somit der Freiheit und Arbeitsfähigkeit der Mutter bei allen Formen

nachvollziehbar:

- Bereits zur Zeit der ägyptischen Hochkultur (etwa 3000 v. Chr.) wurde die

Nachkommenschaft in Tüchern getragen, sowohl vor der Brust als auch auf

dem Rücken.

- Die Inkas und die Maya trugen ihre Kinder ebenfalls mit Tüchern auf dem

Rücken.

- Die Aborigines in Australien benutzten zum Transport ihrer Kleinstkinder auf

den Rücken gebundene Bastmatten.

- Im Amazonasgebiet ist es üblich, Kinder in einem Tragegurt auf der Hüfte zu

befördern.

- Bei den Grönländern wird als gängige Methode eine kapuzenähnliche

Tragehilfe benutzt, in der das Kind unter der Jacke vor Kälteeinwirkung

geschützt wird.

- Afrikanische Kinder werden mittels Schal im unteren Rückenbereich der

Mutter befestigt.

- In Papua-Neuguinea werden Netze geknüpft, in denen die Kinder auf dem

Rücken oder aber um den Hals oder Kopf hängend transportiert werden.

In Gebieten, deren Einwohner eine ausgeprägte Tragekultur entwickelt haben, gilt das Tragen

des Nachwuchses als traditionelle und natürliche Form der elterlichen Fürsorge. In

Industrieländern jedoch ist das Tragen eng verknüpft mit gesellschaftlichen

Wertvorstellungen. Werden Kinder mit Prestige und Reichtum assoziiert, so zeigt sich ein

Trend zur körpernahen Betreuung; bedeuten sie aber finanzielle Last und soziale

Missachtung, ist eine – nicht zuletzt körperliche – Distanzierung zu beobachten [35].

Page 11: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

4

1.1.4 Vorteile des Tragens

Das Tragen bietet dem Kind kinesthetische, olfaktorische, taktile, visuelle und auditive

Stimulation gleichzeitig. Den Sinneswahrnehmungen kommt in dieser frühen

Entwicklungsphase zum Aufbau einer Mutter-Kind-Beziehung besondere Bedeutung zu [1,

25]:

- Bewegungsreize üben über das proprio-vestibuläre System, welches bei der Geburt

bereits vollständig entwickelt ist, einen beruhigenden Effekt aus;

- olfaktorische Reize ermöglichen es dem Kind, wenige Tage nach der Geburt

zwischen Mutter und fremden Personen zu unterscheiden;

- durch den Hautkontakt zur Betreuungsperson wird dem Bedürfnis des Kindes nach

taktiler Perzeption nachgekommen;

- unmittelbar nach der Geburt ist die Sehfähigkeit noch nicht komplett ausgebildet;

das Kind kann aber durch die Nähe zur Bezugsperson dessen Physiognomie

erkennen;

- die Wahrnehmung der mütterlichen Stimme ermöglicht einen weiteren

Kommunikationsweg.

Laut einer Arbeit von Anisfield [5] fördert das Tragen die Mutter-Kind-Beziehung und damit

die psychische Gesundheit des Kindes. Sie untersuchte in einer vergleichenden Studie die

Ausprägung der Mutter-Kind-Beziehung bei körpernah getragenen versus im Tragesitz

transportierte Kinder. Sie schlussfolgerte, dass die physische Nähe beim Tragen einen

essenziellen Baustein zur Bildung einer stabilen Bindung zwischen Mutter und Kind legen

kann, da die körpernah tragenden Mütter ein sensitiveres Verhalten bezüglich der

Bedürfnisse ihrer Kinder entwickelten und achtsamer auf kindliche Reaktionen wie Weinen,

Schreien und Lachen eingingen als die Vergleichsgruppe. Auch Prekop schreibt, dass das

Tragen des Kindes einen grundlegenden Beitrag zur Erfüllung des kindlichen

Grundbedürfnisses nach Geborgenheit und Bindung leisten kann. Dies bahne den Weg für die

Entwicklung einer gesunden Persönlichkeit [44]. Nach Tietze basiert die Mutter-Kind-

Bindung, das so genannte Bonding, auf dem Urvertrauen, welches seine Entwicklung bereits

intrauterin beginnt. Unmittelbar postnatal wird diese Bande verstärkt [57]. Bowlby führt in

seiner Bindungstheorie aus, dass die ersten Lebensmonate für die Festigung des Bondings

besonders ausschlaggebend sind [9]. Die Fortführung der Tragebeziehung, welche schon

intrauterin als existenzielle Voraussetzung initiiert worden ist, trägt dieser Intensivierung laut

Page 12: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

5

Büschelberger bei [10, 11]. Den Schilderungen Montagus in seinem Buch „Körperkontakt“ ist

zu entnehmen, dass das Wiegen beim Tragen des Kindes den Schaukelbewegungen im

Mutterleib vor der Geburt gleichkommt und die Bildung einer „beruhigenden

Grunderfahrung“ fördert [37]. Des Weiteren ist die Begrenzung, die das Kind im Tragetuch

erfährt, ähnlich den intrauterinen Begrenzungen, verbunden an ein Geborgenheitsgefühl,

welches ebenso der Stabilisation der Mutter-Kind-Beziehung dienlich ist [3].

Auf der anderen Seite scheint das Tragen auch physiologische Vorteile zu haben. Laut dem

Dresdner Orthopäden Büschelberger ist der menschliche Säugling „biologisch daran

angepasst“ getragen zu werden [10, 11]. Er erkannte, dass die Spreiz-Anhock-Stellung, die

das Kind beim Tragen einnimmt, der Position entspricht, die zur Therapie der Hüftdysplasie

angewandt wird. Kirkilionis bestätigte in ihrer Arbeit „Der menschliche Säugling als Tragling

– unter besonderer Berücksichtigung der Hüftdysplasie“ diese These [25].

Indem es die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Hüftdysplasie vermindert, stellt es eine

triviale und ebenso natürliche Form der Prophylaxe dar. So war die Hüftdysplasie und -

luxation in Japan bis zur Einführung westlicher Betreuungsformen (wie den Kinderwagen) ein

nahezu unbekanntes Krankheitsbild. Erst danach kam es zu einer enormen Inzidenzsteigerung

der Hüftdysplasie, die wiederum bei Aufruf zur Rückbesinnung auf die eigenen kulturellen

Tragegewohnheiten wieder abfiel [25]. Auch der Ethnomediziner Schiefenhövel bekennt, dass

das Bedürfnis, getragen zu werden, phylogenetisch angelegt ist und fordert, diesem Anspruch

gerecht zu werden [48, 49].

Des Weiteren erlaubt das Tragen des Kindes im Tragetuch die Einnahme der physiologischen

Rumpfhaltung, der altersentsprechenden Totalkyphose, die noch einige Zeit postnatal erhalten

bleibt.

Auch die Gehirnentwicklung kann möglicherweise durch das Tragen optimal gefördert

werden. Ethnomedizinische Studien belegen, dass das Tragen den Erwerb der Kopfkontrolle

begünstigt [3]. Dies wiederum stimuliert den Gleichgewichtssinn, dem Zimmer eine zentrale

Rolle in der Formation von Nervenzellverbänden zuschreibt [63].

Page 13: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

6

1.1.5 Befürchtete Auswirkungen des Tragens

Kritiker ausgedehnter Tragegewohnheiten diskutieren im Wesentlichen drei unabhängige

Aspekte:

1.Tragen führt zu einem „Verwöhnen“ der Säuglinge und Kleinkinder

Das Bindungsverhalten eines Menschen wird in den ersten sechs Lebensmonaten festgelegt.

Laut Ainsworth [2] gelingt es gerade sicher gebundenen Kindern, sich von seinen

Bezugspersonen adäquat zu lösen und die Umwelt zu erkunden. Es bleibt also anzunehmen,

dass das Tragen durch die Förderung der Mutter-Kind-Bindung zu vermehrt sicher

gebundenen Kindern führt und damit im Allgemeinen einen optimierten Loslösungsprozess

gewährleistet.

2. Tragen führt je nach Positionierung des Kindes zu einem Sauerstoffmangel beim Kind.

In einer prospektiven Beobachtungsstudie konnten Stening et al zeigen, dass das Tragen nicht

zu einem klinisch relevanten Abfall der pulsoxymetrisch gemessenen Sauerstoffsättigung im

Blut des Kindes führt [56].

3. Tragen führt zu einem erhöhten Auftreten von Haltungsfehlern bei den Kindern.

Dem Auftreten von Haltungsfehlern wie Asymmetrien, Rundrücken, Skoliosen, wurde

bislang in keiner wissenschaftlichen Untersuchung nachgegangen. Blickt man auf die

Körperhaltung von Jugendlichen und Erwachsenen in den vielen Ländern, in denen teilweise

ganztägiges Tragen zur Normalität gehört, lässt sich die oftmals von Laien geäußerte

Befürchtung nicht bestätigen.

„Und all die Afrikanerinnen, die erhobenen Hauptes ohne jegliche Beschwerden ihr Kind auf

dem Rücken tragen, haben ihre Babyzeit selbst auf dem Rücken ihrer Mutter verbracht. Die

meisten so genannten Naturvölker, die ihre Kinder mit sich herumtragen, sind doch darauf

angewiesen, dass all ihre Mitglieder körperlich voll einsatzfähig sind. Es ist kaum

anzunehmen, dass sie Säuglingspflegepraktiken beibehalten hätten, bei denen reihenweise

Menschen mit Haltungsschäden heranwachsen würden“ [21].

Dennoch möchten wir diese Bedenken zum Anlass für eine Überprüfung in Form einer

retrospektiven Untersuchung nehmen.

Page 14: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

7

1.2 Haltung

1.2.1 Definitions-, Nomenklatur- und Normwertproblematik

Unter dem Gesichtspunkt der stammesgeschichtlichen Entwicklung des Menschen wird der

aufrechten Haltung eine gewichtige Rolle zugeschrieben. Der aufrechte Gang ermöglichte die

differenzierte Bewegung der Hände sowie eine durch akustische und optische

Neuorientierung im Raum bedingte Weiterentwicklung des Großhirns [42].

Der Meyers Lexikonverlag definiert Körperhaltung folgendermaßen: „durch das Stützsystem

des Körpers und die Innervation bestimmter Muskelgruppen bedingte aufrechte Haltung des

menschlichen Körpers. Das Zusammenwirken des aktiven (Muskeltonus) und des passiven

Haltesystems (Knochen und Bänder) variiert je nach erblicher Veranlagung, Alter,

Kräftezustand und psychischer Verfassung des Betreffenden“. Diese Interpretation kommt der

Meinung einiger Autoren gleich, die Haltung als Kompromiss zwischen statischer und

dynamischer Leistungsfähigkeit auffassen [29, 42]. Sie äußert sich nach Klee „durch die

räumliche Beziehung markanter Körper- bzw. Skelettteile zueinander und/oder zu der

Umwelt, d.h. zu horizontalen oder vertikalen Bezugslinien“ [27] und ist neben genetisch-

dispositionellen Faktoren auch vom Funktionszustand der Wirbelsäule sowie der

Rumpfmuskulatur abhängig [29]. Darüber hinaus wird die Haltung eines Menschen stark von

dessen psychischer Verfassung beeinflusst [29]. Haltung, als Teil der Körpersprache,

reflektiert also ein körperlich-seelisches Zusammenspiel [18]. Neugebauer deklariert in

diesem Zusammenhang: „Um wenigstens etwas Systematik in die Haltungsprobleme zu

bringen, unterscheiden wir eine Totalhaltung, die einerseits von der somatischen, andererseits

von der psychischen Haltung her beeinflusst wird“ [39]. Körperliche Haltung entsteht

demnach als Resultat der integrativen Verarbeitung multipler Einflussfaktoren. Die

Variationsbreite der Terminologie und die Uneinigkeit über die Nomenklatur im Hinblick auf

„gute“ Haltung scheinen die Problematik widerzuspiegeln, jene Komplexität, die diesem

Zusammenspiel zugrunde liegt, zu erfassen. Klee verweist in seiner sportwissenschaftlichen

Arbeit über die metrische Erfassung der Haltung und des Funktionszustandes der posturalen

Muskulatur auf die uneinheitliche Terminologie und unzulängliche Vereinheitlichung des zur

deskriptiven Beurteilung der Körperhaltung verwendeten Wortgutes [27]. In Anlehnung an

Wagenhäuser [60] ordnet er das zur Beschreibung angewandte Vokabular in mehrere

Kategorien:

Page 15: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

8

1. Begriffe zur Beschreibung der Gesamtkörperhaltung („schöne Haltung“) im

Gegensatz zu solchen, die ein einzelnes Merkmal charakterisieren („Flachlordose“)

2. Ausdrücke, die sich auf die Muskulaturspannung beziehen („schlaffe“ vs. „stramme“

Haltung)

3. Termini zur Unterscheidung zwischen strukturellen („Haltungsschaden“) und

funktionellen („Haltungsschwäche“) Charakteristika

4. Des Weiteren führt er eine Unterscheidung an, die die Termini bezüglich ihrer

„Extension“ (den Begriffsumfang betreffend) und ihrer „Intension“ (den Begriffsinhalt

betreffend) klassifiziert. Beispielhaft verdeutlicht er orientierend an Groeneveld [14],

dass „die Angabe eines Kyphosewinkels von 154° einen geringeren Begriffsumfang

und einen präziseren und eindeutigeren Begriffsinhalt als die Beschreibung der

Wirbelsäulenform mit den Begriffen harmonisch bzw. flach“ besitzt.

5. Annemarie Reeg stellt in ihrer Arbeit ein weiteres Begriffsfeld, das der

„Haltungsausprägung“, vor. Unter diesem Begriff fasst sie als „Ausdruck der

Erkenntnis, dass das ‚Ideal’, die ‚gerade, aufrechte Haltung’ von keinem Gesunden

über einen längeren Zeitraum, gar über Stunden eingenommen werden kann“ die

„aktive Haltung, Ruhehaltung, straffe Haltung, habituelle Haltung, passive Haltung,

tiefe Ruhehaltung etc.“ zusammen [45].

Auch in Georg Wydras Arbeit zur Problematik von Normen in der Bewegungstherapie wird

der Schwierigkeit der Standardisierung der Definition von „normaler“ Haltung Ausdruck

verliehen [62]. Er zitiert Staffel, dessen Definition der Normhaltung ästhetisch geprägt ist:

„… die Haltung, welche der schön gebaute, kräftige Mensch unwillkürlich zur Schau trägt,

und in welcher sich das spezifisch Menschliche am charakteristischsten und typischsten

ausprägt. … Zeigte die überwiegende Mehrzahl der menschlichen Einzelwesen … einen

anderen Typus … würden wir nicht anders können als diesen Typus für normal und für schön

zu halten“ [54].

Page 16: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

9

1.2.2 Pathologische Haltung

Zur Beurteilung pathologischer Haltung stehen vielfach verwendete Ausdrucksformen zur

Verfügung: Haltungsschwäche, Haltungsfehler, Haltungsanomalie, Fehlhaltung,

Rückenfehlform, Haltungsverfall u. a. [29]. Ihr Gebrauch ist aber angesichts der Tatsache,

dass sich Haltung nur unzulänglich definieren lässt, problematisch, da sichere

Abgrenzungskriterien zur physiologischen Haltung nicht existieren. Wiehn erkennt in einer

Analyse einer Literaturrecherche: „Die Diskussion über Haltungsfehler oder

Haltungsschwächen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zieht sich wie ein roter

Faden durch die orthopädische Literatur seit Ausgang des 19. Jahrhunderts. Immer wieder

rückt der ganze Fragenkomplex in den Mittelpunkt des Interesses, wobei über Definition,

Ursachen, Untersuchungsmethodik, Bedeutung für das weitere Leben bei Kindern und

Jugendlichen und Therapieformen gestritten wird. Die Schwierigkeiten beginnen … mit der

Definition der Haltung und nicht erst bei der des ‚Haltungsschadens’“ [53].

Bei normentsprechendem Wirbelsäulenfunktionszustand und aktiv durch die

Rumpfmuskulatur erbrachter Erhaltung der Wirbelsäulenstatik geht man von „guter Haltung“

aus [42]. Senn besagt, dass „die gute, aufrechte menschliche Haltung … von einem

kraftvollen Streben nach oben gekennzeichnet“ ist [52]. Demgegenüber stehen die als

Haltungsfehler bezeichneten Typisierungen des Rund-, Flach- und des Hohlrundrückens [42],

die Staffel bereits im Jahre 1889 beschrieben hat [54]. Von einigen Autoren werden diese

Fehlformen auch als Normvarianten der physiologischen Rückenform angesehen [7]: „Es

handelt sich um die Ausprägung einer Rückenform, die für sich genommen noch nichts mit

einer guten oder schlechten Haltung zu tun hat, sondern die nur eher dazu prädisponieren

kann als die Idealform der Wirbelsäule, …weil die mechanische Kompensationsfähigkeit

durch den geänderten Verlauf geringer ist.“ Es besteht also keine Einigkeit darüber, ob diese

Formen als Haltungsanomalie zu werten sind, oder ob sie, bedingt durch verminderte

mechanische Kompensationsmechanismen, lediglich zu Haltungsinsuffizienz und

Wirbelsäulenerkrankung prädisponieren [22, 29].

Von diesen Fehlformen sind die fixierten Wirbelsäulenformen, wie etwa die Skoliose oder die

Kyphose, als echte Deformitäten, bei denen eine aufrechte Haltung aktiv nicht erzielt werden

kann, abzugrenzen [29, 42].

Übereinstimmend wird jedoch betont, dass bei dauerhafter Einnahme einer dieser

Haltungsformen Fixierungen entstehen können, die sodann, weder aktiv noch passiv,

ausgleichbar sind. Hefti schreibt in diesem Zusammenhang, dass „eine dauerhaft kyphotische

Haltung … während der Pubertät einen M. Scheuermann auslösen“ kann [18].

Page 17: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

10

Abzugrenzen von der Klassifizierung der Haltungstypen ist die Bezeichnung der

Haltungsschwäche als Ausdruck einer unzulänglichen muskulären Halteleistungsfähigkeit. In

Anlehnung an Berquet und Matthiass beschreibt Reeg [8, 36, 45]: „Wir sprechen von

Haltungsgesundheit, wenn die aufrechte Haltung trotz einer Schwerpunktverlagerung (z.B.

durch Armvorhalte für 30 Sekunden) gehalten werden kann, weil die verstärkte Anspannung

der posturalen und ventralen Muskulatur dies ermöglicht. Davon verschieden ist eine

Haltungsschwäche als ein Zustand charakterisiert, bei dem bei Schwerpunktverlagerung die

Körperbalance nur durch eine Verlagerung des Rumpfes möglich ist...Bei einer Unfähigkeit

durch Schwerpunktverlagerung überhaupt die Aufrichtung zu erlangen, spricht man von

Haltungsverfall.“

Page 18: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

11

1.2.3 Inzidenz und Ätiologie von Haltungsfehlern

Mit der zunehmend verbreiteten Auffassung von Haltungstypen als Normvarianten der

physiologischen Haltung fluktuieren auch die Morbiditätszahlen [29]. Die

Häufigkeitsangaben für Haltungsstörungen schwanken zwischen 2,7 – 92,2% [36, 23].

Untersucher Jahr Prozentsatz der Haltungsfehler Mc Kenzie u. Tait 1898 23,0 Gaugele 1910 7,0 Brown 1917 80,0 Blanche – Sterling 1922 69,0 Cock 1923 42,0 Büsing 1927 17,2 Blencke 1927 2,7 Rosenfeld 1928 23,3 Düntzer 1928/29 10,0 Deutschländer 1929 73,5 White House Report 1932 92,2 Phelps u. Kiphuth 1932 4,1 Browman 1933 85,0 Karl 1937/41 41,9 Breitenfelder 1955 73,5 Jentschura u. Marquardt 1955 33,3 Koetschau 1955 45,0 Lerch 1955 22,0 Messmer 1955 70,0-80,0 Barlow 1956 57,2 Rössler 1957 24,5 Pöschl, Michaelis, Rott 1959 21,5 Dahl 1965 65,0

Tabelle 1: Präsenz der Haltungsfehler in verschiedenen Untersuchungen [36]

Geht man bei Haltungsdefiziten jedoch von einem zumindest prämorbiden Zustand aus, so

werden neben genetisch-dispositionellen Ursachen

- Bewegungsmangel

- zu langes Sitzen in falscher Sitzposition

- unausreichender Sportunterricht

- unzureichender Freizeitausgleich mit einem zu hohen relativen Anteil an TV und

Computer

- psychosoziale Faktoren

- familiärer Bildungsstatus

als potentielle Risikofaktoren für die Entstehung einer Haltungsinsuffizienz diskutiert [6, 15,

24, 29, 30].

Der Aspekt der Sitzposition und der Sitzdauer wirft somit auch die Frage nach der

Auswirkung des Tragens auf die Entwicklung der Haltung auf.

Page 19: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

12

1.2.4 Diagnostik

Der Forderung nach exakten Unterscheidungskriterien zwischen pathologischer und

physiologischer Haltung folgte die wissenschaftliche Herausforderung, Haltung messbar,

quantifizierbar und somit vergleichbar zu machen. Dies hatte zum Ziel, verwertbare

Orientierungsdaten zu schaffen, die eine Klassifikation in „normal“ und normabweichend

zulassen würden. Dies bleibt aber bis heute ein originäres Problem der Orthopädie und wirkt

sich zusätzlich auf die Pädiatrie, auf die Allgemeinmedizin und auf weitere medizinische

Disziplinen aus. Im Bemühen nach wiederholbaren Haltungsbefunden kam es zur

Entwicklung von verschienen Testmethoden sowie von orthopädietechnischen Apparaten. Der

Einsatz zur Beurteilung der Haltung als Ganzes bleibt aber nicht unproblematisch, da immer

nur ein Teilaspekt der menschlichen Haltung, nämlich der somatische, bewertet werden kann.

Einige gängige Methoden sollen an dieser Stelle vorgestellt werden:

- Armvorhaltetest nach Matthiass

Bei diesem 1958 von Matthiass eingeführten Verfahren kann auf einfache Weise die

Haltungsleistung beurteilt werden [36]. Trotz der Anzweiflung seiner Validität und

Reliabilität gilt dieser funktionelle Test als gängige Messtechnik zur Erfassung der

muskulären Halteleistung sowie der neuromuskulären Koordination [45]. Es handelt

sich bei dieser Methode um ein etabliertes Screening-Verfahren, das bei sechs- bis

achtjährigen Kindern eingesetzt wird. Hierbei wird der Patient aufgefordert sich

aufzurichten und die Arme in die Horizontale zu heben, was dazu führt, dass sich der

Körperschwerpunkt nach ventral verlagert. Bei Haltungsgesunden kommt es

kompensatorisch zu einer stärkeren Anspannung der Rückenmuskulatur und zu einer

Dorsalverlagerung des gesamten Körpers, um ein Umfallen zu vermeiden, während

Haltungsschwache das Becken vorschieben und eine erhebliche Verstärkung sowohl

der Brustkyphose als auch der Lendenlordose entwickeln. Als haltungsinsuffizient

werden diejenigen Kinder eingestuft, bei denen es nach 30 Sekunden zu einer

deutlichen Lotverschiebung des Achsenskeletts nach dorsal sowie zu einer anterioren

Beckenkippung mit begleitender Vertiefung sowohl der Brustkyphose als auch der

Lendenlordose kommt.

Page 20: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

13

Abbildung 1: Halteleistungstest bei einem haltungsgesunden Patienten [46]

Abbildung 2: Halteleistungstest bei einem haltungsschwachen Patienten [46]

- Klinische Beurteilung der Rückenform in der Sagittalebene nach Staffel

Basierend auf empirischen Beobachtungen beschrieb Staffel 1889 sechs verschiedene

Rückenformen, die Schede 1927 auf die noch heute gebräuchlichen Varianten

beschränkte [54, 47]. Diese Formen orientieren sich an der individuell unterschiedlich

starken Ausprägung der physiologischen Wirbelsäulenbiegungen an der

Rückenkulisse [vgl. 53]. Obschon Staffel die von der Normalhaltung abweichenden

Formvarianten als pathologisch erachtete, dominiert heute die Meinung, dass diese

Haltungstypen Grenzmaße des physiologischen Bereichs darstellen [8, 18, 40 in 45].

Aufgrund der Reduktion von Kompensationsmechanismen bei gewohnheitsmäßiger

Einnahme einer dieser Haltungsvarianten kann diesen aber ein gewisses Potenzial zur

Entwicklung von fixierten Haltungsschäden zugesprochen werden. In Wiehns Arbeit

über „Primär- und Sekundärprävention von Rückenleiden durch Rückenschulen“

werden die vier Typen zusammenfassend vorgestellt [53]:

Page 21: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

14

- Normaler Rücken

Dieser zeichnet sich aus durch eine harmonische Wirbelsäulenschwingung und

eine symmetrische Körperkonstitution mit einer Ventralkippung des Beckens um

12°.

- Rundrücken

Der Rundrücken ist charakterisiert durch eine vermehrte Wirbelsäulenkyphose im

BWS-Bereich mit zusätzlich abgeflachter bis aufgehobener Lendenlordose, nach

ventral verlagertem Schultergürtel und verkürztem Zwischenrippenabstand.

- Hohlrundrücken

Bei Kyphosierung der Brustwirbelsäule findet sich hierbei eine verstärkte Lordose

im Lendenwirbelsäulenbereich mit typischer Vorwölbung der Bauchwand.

- Flachrücken

Aufgrund der verstrichenen Wirbelsäulenkrümmung kommt es bei diesem

Haltungstyp zur Aufhebung der physiologischen Stoßdämpfer-Wirkung der

Wirbelsäule, was in einer erhöhten Tendenz zu pathologischen Haltungsschäden

resultiert.

Abbildung 3: Die verschiedenen Haltungstypen nach Staffel [40]

1 normaler Rücken; 2 Hohlrundrücken; 3 Hohlrücken; 4 Flachrücken; 5 Rundrücken

- Schober- und Ott-Test sowie Finger-Boden-Abstand

Schober- und Ott-Test sowie der Finger-Boden-Abstand sind klinische Parameter zur

Beurteilung der Wirbelsäulenbeweglichkeit. Die Dokumentation der Flexionsfähigkeit

gelingt durch Ermittlung des Fingerspitzen-Boden-Abstandes sowie der Bestimmung

Page 22: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

15

der Messstreckenänderung an der Dornfortsatzreihe im Lumbal- und Thorakalbereich

bei Vor- und Rückneigung. Für das Schober-Zeichen wird im aufrechten Stand eine

Markierung 10 cm oberhalb des ersten Sakraldornfortsatzes gesetzt. Die Entfaltung

der Dornfortsatzreihe bei Inklination und Reklination wird als Messstreckendifferenz

dokumentiert. Analog wird beim Ott-Zeichen die Messstreckenänderung von einem

Punkt 30 cm unterhalb des 7. Zervikaldornfortsatzes erfasst.

- Kyphose-Inklinations-Lordose-Schema

Mahlknecht erarbeitete 2002 ein Verfahren zur quantitativen Erfassung der

Körperhaltung im seitlichen Profil, welches über Strecken- und Winkelvermessungen

an einer Photographie der Lateralansicht des Probanden die rein qualitative Einteilung

von Staffel ergänze [33].

- Kyphometer nach Debrunner

Dieses heute noch im klinischen Gebrauch befindliche Prinzip zählt zu den direkten

Messverfahren, die eine Bestimmung der Wirbelsäulenkrümmung mittels eines Zirkel-

ähnlichen Instrumentariums erlaubt. Dazu werden zwei Messfüßchen an Beginn und

Ende des zu messenden Segmentes auf die Haut aufgelegt. Die Messfüßchen sind

derart über zwei Schenkel mit der im Scheitelpunkt befindlichen Messskala

verbunden, dass der Zeiger dessen den direkten Krümmungswinkel wiedergibt.

Abbildung 4: Das Debrunner’sche Kyphometer [12]

Page 23: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

16

- Schulthess’scher Zeichenapparat

Bei dieser Methode wird der Patient in

einem eisernen Gestell am Becken

fixiert, wobei sein Rücken einer

Zeichenvorrichtung zugewandt ist. Ein

an Gleitschienen befestigter Griffel

ermöglicht mithilfe eines mitgeführten

Zeichenstiftes die Aufzeichnung der

Rückenkonturen, sowohl in der

sagittalen als auch in der frontalen

Ebene. Diesem Verfahren kommt aber

aufgrund des zeitlichen Aufwandes und

wegen der Haltungsversteifung, zu der

sie beim Patienten aufgrund des

Hautkontaktes führen kann, allenfalls

historische Bedeutung zu.

Abbildung 5: Schulthess’scher Zeichenapparat [14]

- Moiree-Fotographie

Sie stellt ein semiquantitatives optisches

Verfahren zur Haltungsbeurteilung dar. Durch

Projektion von gebündeltem Licht durch ein

gitterartiges Gebilde, welches

lichtundurchlässige Stellen zur periodischen

Lichtauslöschung aufweist, ist es möglich, die

Rückenkontur anhand eines Schattenmusters,

ähnlich den Höhenlinien einer Geographiekarte,

zu illustrieren.

Abbildung 6: Die Moiree-Topographie [18]

Page 24: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

17

- Radiologisches Verfahren

Die Röntgendiagnostik ermöglicht eine objektive Haltungs-, Beweglichkeits- und

Strukturanalyse der Wirbelsäule. Sie wird als Stehendaufnahme entweder im seitlichen

oder im frontalen Strahlengang angefertigt. Der große Nachteil liegt aber in der nicht

unerheblichen Strahlenbelastung für den Patienten, weshalb sich die röntgenologische

Haltungserfassung der Anwendung bei Screeninguntersuchungen entzieht.

- Lasar-Posture-Gerät

Das Laser-Assisted-Static-Alignment-Reference-Posture-Instrument ermittelt die so

genannte Schwerelinie, das Lot durch den Schwerpunkt, und projiziert dieses in Form

eines Laserstrahls auf die Körperoberfläche. Zur Bestimmung der Schwerelinie dient

eine Kraftmessplatte, deren 4 Sensoren die Gewichtskraft der Versuchsperson in eine

vertikale Komponente überträgt. Durch Abbildung der Schwerelinie auf der

Körperoberfläche mittels Laser ist es möglich, den Abstand der zuvor

gekennzeichneten anatomischen Punkte (Schultermitte, Trochanter major,

Außenknöchelmitte) von der Schwerelinie zu berechnen. Ihme konnte u. a.

demonstrieren, dass eine durch den Matthiass-Test ermittelte Haltungsschwäche mit

einer per Lasar-Posture-Gerät gemessenen weiter ventral gelegenen Position der

Schultermitte korreliert [13, 22].

- Ultraschalltopometrisches Verfahren

Mittels Ultraschalltopometrie lässt sich die dreidimensionale Lage von

Messparametern im Raum ermitteln. Für die Untersuchung werden nach vorheriger

Markierung bestimmter anatomischer Landmarken (Schulterdach, Dornfortsätze,

Beckenkamm) diese mit einem Taststift abgefahren. Die Lage des Taststifts im Raum

wird mittels in unmittelbarer Nachbarschaft gelegener Ultraschallsender eindeutig

lokalisiert. Die während der Messung entstehenden Messschleifen werden mittels

geeigneter Software in ein dreidimensionales Bild der Wirbelsäule umgewandelt. Auf

diese Weise lassen sich der Brustkyphose- sowie der Lendenlordosewinkel genau

berechnen. Prange zeigte, dass die Ultraschalltopometrie als

Oberflächenmessverfahren „eine verlässliche Methode zur Beurteilung einer

Haltungsinsuffizienz“ darstellt [43].

Page 25: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

18

- MediMouse®

Mit der MediMouse® (Idiag AG (Headquarters); Müllstraße 18; CH-8320 Fehraltorf)

bietet sich ein weiteres technisches Verfahren zur Vermessung der Wirbelsäule,

welches in der zugrunde liegenden Untersuchung Verwendung fand. Das

Computermouse-ähnliche Instrument wird manuell entlang der Wirbelsäule geführt,

wobei ein Laufrad als beweglicher Messkopf dient und passiv die

Wirbelsäulenkonturen erfasst.

In dem Kunststoffgehäuse befindlich dienen eine Wegstrecken- und

Winkelmessvorrichtung zur Erfassung der Wirbelsäulenlänge und -form. Die Länge

wird dabei über das Laufrad, welches über äquidistant verteilte radiale Schlitze verfügt

und direkt auf der Haut abgerollt wird, in digitale Impulse umgesetzt und erfasst. Zur

Erhebung der Wirbelsäulenkontur sowie der Segmente der Wirbelsäule zueinander

dient ein Pendelpotentiometer. An dessen Achse hilft ein im Schwerefeld

(herabhängendes Gewicht zur Registrierung der Abweichungen von der Vertikalen.

Die Deviation vom Lot wird in ein Widerstands- und Spannungssignal umgesetzt und

als Winkel ausgedrückt. Die Daten werden sodann über Bluetooth auf einen Rechner

übertragen, der mit geeigneter Software-Ausstattung die abgeleiteten Impulse und

Signale verrechnet und digitalisiert wiedergibt. Darüber hinaus kann auch die

Mobilität des Achsenskeletts erfasst und beurteilt werden [vgl. 50, 55].

Weitere Alternativen zur Wirbelsäulenvermessung bietet das OpTRImetric-Verfahren, das

ISIS-Verfahren, das VRS-Formetric-System oder die ultraschallgestützte 3D-

Wirbelsäulenanalyse „Zebris“ [22].

Abbildung 7: Die MediMouse®

Page 26: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

19

1.2.5 Instrumentelle Objektivierbarkeit

Vielfach wurde bereits versucht, Haltung instrumentell zu erfassen und zu definieren. Diese

Überlegung folgt aus der klinischen Variationsbreite der verschiedenen Haltungsformen, die

es nahezu unmöglich machen, ein von verschiedenen Untersuchern reproduzierbares

klinisches Ergebnis zu erlangen.

In diesem Zusammenhang untersuchte Klee die Aussagefähigkeit des Armvorhaltetests nach

Matthiass. Er kam zu dem Resultat, dass kein Zusammenhang zwischen Rückenmuskelkraft

und Haltungsänderung während der 30 Sekunden Testzeit des Matthiass-Tests bestünde.

Außerdem bemängelt er, dass es bei großen, schlanken Personen zu falsch-positiven

Ergebnissen komme [26]. Als Grund dafür verweist er auf eine Erklärung Groenevelds:

„…ein großer Mensch ist statisch labiler und muss deshalb einer standardisierten

Vorverlegung des Schwerpunktes durch eine größere Gegenregulation begegnen“ [14].

König kritisiert, dass der Matthiass-Test normal ausfallen kann, obschon eine deutliche

Normabweichung der Wirbelsäule, wie etwa die fixierte Kyphose, vorliegt [29].

Trotz mangelnder Beweise für die Reproduzierbarkeit und fehlender Datenlage zur Belegung

einer positiven Korrelation eines pathologischen Testergebnisses mit der Ausbildung klinisch

bedeutsamer Wirbelsäulenschäden ist der Matthiass-Armvorhalte-Test zur Beurteilung von

Haltungsschwächen in der klinischen Praxis ein etabliertes Screening-Verfahren bei Sechs-

bis Achtjährigen [36, 40, 43].

Auch der Schober- und Ott-Test sowie der Fingerspitzen-Boden-Abstand als klinische

Messverfahren zur Beurteilung der Wirbelsäulen-Flexions-Fähigkeit sind in ihrer

Aussagekraft bei Kindern beschränkt, da in der Literatur keine Aussagen zur Validität dieser

Messmethoden im Kindesalter gemacht werden [22].

Dies begründet die Überlegung, bei der Bewertung von Haltungsinsuffizienzen ein technisch-

instrumentelles Messverfahren hinzuzuziehen, um die Haltung, wenn sie auch multifaktoriell

bedingt ist, quantitativ zu erfassen und somit zu objektivieren.

Diesbezüglich untersuchte Ihme die Bedeutung des Lasar-Posture-Geräts in der Beurteilung

von Haltungsfehlern bei 6- bis 17-Jährigen. Sie schlussfolgert aus ihren

Untersuchungsergebnissen, dass die Schwerelinie nur beschränkt für die Haltungsbeurteilung

zu verwenden sei, da sich bei einer Haltungsinsuffizienz nicht nur der Oberkörper, sondern

mit ihm auch die Schwerelinie nach dorsal verlagere, was zu einer Ungenauigkeit der

Abstandsmessung zwischen Schwerelinie und den zuvor markierten Punkten am Oberkörper

führe. Der Einsatz sei deshalb limitiert auf Untersuchungen mit zusätzlicher klinischer

Page 27: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

20

Beurteilung des Gesamtbildes, einschließlich psychischer und neuromotorischer Entwicklung

des Kindes [22].

Die Ultraschalltopometrie bietet laut Prange die Möglichkeit „den visuellen Eindruck der

Haltung zu objektivieren und zu quantifizieren“ [43]. Durch Korrelation der topometrischen

Messergebnisse mit den Untersuchungsbefunden des Matthiass-Tests konnte er zeigen, dass

haltungsinsuffiziente Kinder im Matthiass-Test eine stärkere Lendenlordose und

Brustkyphose ultraschalltopometrisch aufwiesen.

1.3 Fragestellung

In der folgenden Dissertationsschrift soll in einem ersten Schritt die Validierung der

MediMouse® im Hinblick auf die Erkennung von Haltungsinsuffizienzen bzw.

Wirbelsäulenpathologien erfolgen.

In einem nächsten Schritt sollen die Ergebnisse einer retrospektiven Fall-Kontroll-Studie, in

der die Auswirkungen des Tragens auf die Haltungsentwicklung bzw. auf die Ausbildung

einer Wirbelsäulenpathologie des Kindes im Alter von sechs Jahren untersucht wurden,

dargestellt werden.

Insbesondere soll auf folgende Fragen eingegangen werden:

1. Welche Reliabilität besitzt die MediMouse® in der unterstützenden Erfassung von

Haltungsschwächen?

2. Wie hoch ist die Inzidenz von Haltungsinsuffizienzen im untersuchten Kollektiv?

3. Korrelieren die klinisch-subjektive und die instrumentell-objektive Untersuchung

miteinander?

4. Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Tragen des Kindes in Tragevorrichtungen und der Ausbildung einer Haltungsinsuffizienz oder einer Wirbelsäulenpathologie?

Page 28: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

21

2 Patientengut und Methodik

Für den ersten Studienabschnitt wurden elf Probanden im Alter zwischen fünf bis sieben

Jahren rekrutiert, die lediglich apparativ mittels MediMouse® untersucht wurden. Jedes Kind

unterzog sich zehn, teilweise elf nacheinander folgenden Messungen (Vier der elf Kinder

wurden aufgrund zunehmender Unruhe während der Untersuchungsdurchführung lediglich

zehn Messreihen unterzogen). Die Messdaten wurden auf dem mit geeigneter Software

ausgerüsteten Computer gespeichert und manuell in SPSS überführt.

Bei der darauf folgenden Untersuchung der Kausalität zwischen dem Tragen des Kindes in

einer Tragevorrichtung und der Entwicklung einer Haltungsinsuffizienz oder

Wirbelsäulenpathologie handelt es sich um eine retrospektive Fall-Kontroll-Studie, die an

mehreren Grundschulen in Köln im Zeitraum von Dezember 2005 bis Juni 2006 durchgeführt

wurde.

Die Haltung von insgesamt 181 Schulanfängern wurde im Anschluss an die

Schuleingangsuntersuchung mittels einer klinisch-orthopädischen Untersuchung mit

Zuhilfenahme des Armvorhaltetests nach Matthiass überprüft. Zur quantitativen und

objektiven Darstellung der Ergebnisse wurde zusätzlich die MediMouse® als technisches

Messverfahren eingesetzt. Psychische, psycho-soziale sowie zusätzliche ätiologische Faktoren

als Ursache für eine potentielle Haltungsschwäche wurden durch Aushändigung eines

Elternfragebogens mitberücksichtigt. Zur Minimierung subjektiver Ergebnisschwankungen

wurde stets derselbe Untersucher eingesetzt.

Als Haltungsinsuffizienz wurde dabei eine Hyperlordosierung der Lenden- oder eine

Hyperkyphosierung der Brustwirbelsäule oder ein positives Ergebnis im Armvorhaltetest nach

Matthiass gewertet.

2.1 Probandenauswahl

Zur Erfüllung des ersten Studienziels wurden elf Kinder im Alter zwischen fünf bis sieben

Jahren, die zuvor keine mutmaßlichen Haltungsauffälligkeiten aufgewiesen hatten, der

MediMouse®-Messung unterzogen.

Bei den untersuchten Kindern des zweiten Studienabschnittes handelte es sich um

Sechsjährige, die sich mit einem oder beiden Elternteilen zur Schuleingangsuntersuchung

vorstellten. Die Eltern wurden während der Wartezeit auf die Schulärztin aktiv angesprochen

und über die Studie informiert. Zusätzlich erhielten sie einen Informationsbogen, der den

Studienzweck begründete und den genauen Untersuchungsablauf auflistete. Die Eltern, die

Page 29: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

22

sich durch ihre Unterschrift bereit erklärten, an der Studie teilzunehmen, wurden, sofern das

Kind sich ebenfalls zur Untersuchung bereiterklärte, in die Studie aufgenommen.

2.2 Aufnahmekriterien

Folgende Einschlusskriterien mussten erfüllt sein, um in den zweiten Teil der Studie

aufgenommen zu werden:

- Unterzeichnung des Einwilligungsbogen

- Ausfüllung des Fragebogens

Kinder, deren Fragebogen inkomplett ausgefüllt war, die aber dennoch untersucht

worden sind, wurden in die Studie miteinbezogen.

- Kooperation des Kindes

- Komplette klinisch-orthopädische Untersuchung des Kindes

Kinder, deren Fragebogen ausgefüllt, aber deren Untersuchung, etwa aufgrund

Zeitmangel der Eltern oder mangelhafte Kooperation des Kindes, nicht stattgefunden

hat, wurden aus der Studie ausgeschlossen.

- Kein Vorliegen angeborener, schwerwiegender, orthopädischer Erkrankungen

2.3 Elternfragebogen

Der Elternfragebogen, der zusammen mit dem Informationsblatt ausgehändigt wurde, sollte

vor, während oder nach Abschluss der Untersuchung des letzten Studienabschnittes ausgefüllt

werden. Der Untersucher durfte erst nach Beenden der Untersuchung Einsicht in den

Fragebogen nehmen oder den Eltern Hilfestellung bei der Beantwortung leisten, sodass die

Untersuchung ohne vorherige Kenntnisnahme der elterlichen Tragegewohnheiten und somit

blind durchgeführt werden konnte.

Der Fragebogen wurde so konzipiert, dass soziale, psychosoziale und genetische Faktoren, die

einen potentiellen, ätiologischen Einfluss auf die Halteleistung des Kindes haben könnten,

abgefragt und vor allem die Tragehilfe, das Tragealter sowie die Tragehäufigkeit des

Probanden dokumentiert werden. Dabei waren den meisten Fragen dichotome Ja-/Nein-

Antwortmöglichkeiten zugewiesen. Bei einigen Fragen sollte eine Markierung auf einer

Rating-Skala von eins bis zehn gesetzt werden. Bei den übrigen Angaben sollte Zutreffendes

angekreuzt werden.

Im Folgenden soll auf die einzelnen Fragen eingegangen und ihr Einsatz begründet werden.

Der komplette Fragebogen findet sich im Anhang dieser Arbeit.

Page 30: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

23

- Frage 1 & 2 dienten der Überprüfung von Entwicklungsauffälligkeiten. Die

Aufrichtung und der Gehbeginn stellen charakteristische Meilensteine der

frühkindlichen Entwicklung dar. Ein Übergehen von statomotorischen

Reifeabschnitten, wie sie das Krabbeln oder auch Sitzen darstellen, kann bedingt sein

durch eine körperliche Fehlstellung. Die Induktion eines frühzeitigen Laufbeginns

kann somit ein Zeichen für das intuitive kindliche Bestreben nach einer schmerzfreien

Kompensationshaltung sein. So soll beim unkorrigierten KISS-Syndrom eine

frühzeitige Aufrichtung in den Stand beobachtet werden [61].

- Frage 3 und 4 dienten dem Zweck, bei festgestellter Haltungsinsuffizienz oder

Wirbelsäulenpathologie genetisch-ätiologische Faktoren zu berücksichtigen.

- Frage 5 berücksichtigt die seelische Verfassung der Probanden einen Tag vor der

Schuleingangsuntersuchung, die sich in Form von Schlafstörung geäußert haben

könnte. Dies wiederum könnte eine passagere, durch Müdigkeit bedingte

Haltungsschwäche hervorrufen. Deshalb sollten die Eltern auf einer Skala von 1 – 10

beurteilen, ob ihr Kind gut oder schlecht geschlafen hat.

- Frage 6 bezieht sich auf Charaktereigenschaften des Probanden. Da Haltung durch die

Psyche beeinflusst wird [18, 22, 29], wurden die Eltern aufgefordert, das

Selbstbewusstsein und die motorische Aktivität mithilfe einer Zahlenskala von 1 – 10

einzuschätzen.

- Mit Frage 7 sollte das Fernseh-Verhalten des Kindes beurteilt werden. Der relativ

hohe Anteil des Fernsehens bei der Freizeitgestaltung wird als potentieller

Ursachenfaktor für die Entwicklung von Haltungsstörungen angesehen [29,30].

- Die restlichen Fragen bezogen sich allesamt auf die Tragegewohnheiten der Eltern. Es

wurde mitberücksichtigt, welche Art (Tragetuch, Tragesack, Tragegestell/Rucksack)

und welche Marke von Tragehilfe eingesetzt worden war. Zusätzlich sollte das Alter

des Kindes zu Tragebeginn, das Alter, in dem es am häufigsten getragen wurde sowie

die Tragehäufigkeit angegeben werden. Bei der Frage nach der Tragehäufigkeit sollte

zwischen seltenem (weniger als 1 x pro Woche), gelegentlichem (1-2 x pro Woche),

häufigem (3-4 x pro Woche) und sehr häufigem (täglichem) Tragen differenziert

werden.

Obschon die Beantwortung von Fragebögen eine überaus subjektive Beurteilung darstellt,

dienen Elternfragebögen in der Pädiatrie häufig als akzeptiertes Screeningverfahren,

beispielsweise zur Detektion von Hörstörungen [28, 31, 59].

Page 31: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

24

2.4 Orthopädisch-klinische Untersuchung

Nach Abschluss der Schuleingangsuntersuchung wurden die Probanden des zweiten

Studienabschnittes in einem separaten Raum von stets demselben Untersucher, der zuvor

hinsichtlich der Diagnostik von Wirbelsäulenpathologien und -fehlhaltungen durch einen

Orthopäden der Universitätsklinik Köln geschult worden war, untersucht. Die klinisch-

orthopädische Untersuchung lief folgendermaßen ab:

1. Die Kinder wurden aufgefordert, den Oberkörper freizumachen sowie die Schuhe

auszuziehen.

2. Sodann folgte die Inspektion des Kindes in ruhiger, entspannter Haltung von dorsal

hinsichtlich

a) Schultergeradstand

Hochthorakale und zervikale Skoliosen äußern sich häufig in einem

unterschiedlichen Schulterstand. Dabei wird das Niveau beider Schultern durch

Rotation der Wirbelsäule und Torsion der Wirbelkörper verändert (Niethard,

Pfeil). Ein Schulterblatthochstand kann umgekehrt, in Form der so genannten

Sprengel-Deformität, zu einer ausgeprägten Skoliose führen.

b) Beckengeradstand, Beinlängendifferenz

Der Beckengeradstand wurde mit dem Ziel untersucht, eine

Beinlängendifferenz zu erkennen. Bei Vorliegen einer Lumbalskoliose würde

das Becken konkavseitig höher gezogen, womit das konkavseitige Bein in

Funktion kürzer wäre. Andersherum würde eine reelle Beinlängenverkürzung

mit einem habituellen Beckenschiefstand und einer skoliotischen

Ausgleichshaltung kompensiert werden.

c) Rückenpathologie im Sinne einer Skoliose

Nachdem vorab der Schulter- und Beckengeradstand im Rahmen der

Skoliosediagnostik überprüft wurden, wurde nun besonderes Augenmerk auf

Abweichung der Wirbelsäulenachse in der Frontalebene gelegt. Aufgrund der

Rotation der Wirbelkörper zur Konvexität und der Dornfortsätze zur

Konkavität der Wirbelsäulenkrümmung kommt es zu folgenden

inspektionsauffälligen Befunden, die während diesem Untersuchungsabschnitt

besonders berücksichtigt wurden:

Page 32: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

25

- Es kommt zur konvexseitigen Ausbildung eines Rippenbuckels

aufgrund der Mitrotation der Rippen mit dem Wirbelkörper.

- Die Verdrängung des Schulterblattes durch den Rippenbuckel nach

lateral oben führt zu einem konvexseitigen Schulterblatt- und

Schulterhochstand.

- Der Achselkontakt zwischen Oberarm und Brustkorb ist auf der

konvexen Seite länger.

- Analog zum Rippenbuckel bei Thorakalskoliose bildet sich bei der

Lumbalskoliose durch Prominenz der Querfortsätze konvexseitig der

so genannte Lendenwulst aus.

- Konkavseitig kommt es zu einer Akzentuierung des Taillendreiecks

sowie zu einem

- Beckenhochstand mit konsekutiver, funktioneller

- Beinlängenverkürzung

Da sich bei Vornüberbeugung des Oberkörpers die Rückendeformität verstärkt

(Niethard, Pfeil), wurde zusätzlich zur Inspektion in Ruhehaltung der

Vorbeugetest angewandt, sodass schon beginnende Skoliosen anhand einer

Niveaudifferenz erkannt werden konnten.

3. Im Anschluss an die Untersuchung von dorsal folgte die Inspektion von lateral

bezüglich folgender klinischer Merkmale:

a) Rückentyp

Zur Beurteilung der von der Normalhaltung abweichenden Haltungstypen

wurde die Einteilung nach Staffel angewendet:

- Der Rundrücken zeichnet sich durch eine großbogige und vermehrte

Brustkyphose sowie eine kleinbogige und verkürzte Lendenlordose aus.

- Beim Hohlrundrücken stellt sich die Brustkyphose sowie die Hals- und

Lendenlordose bei insgesamt harmonischer Schwingung des

Achsenskeletts verstärkt dar.

- Das klinische Charakteristikum des Flachrückens ist eine

Verminderung der S-förmigen Wirbelsäulenschwingung mit Abnahme

der Brustkyphose und der Hals- und Lendenlordose.

War es bei Vorliegen einer Haltungsanomalie dem Probanden möglich, sich

durch muskuläre Kompensation aus dieser Haltung zu lösen, so galt dies als

Page 33: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

26

Haltungs-Normvariante und wurde unter dem Stichwort „Haltung“

wiedergegeben, wohingegen eine durch muskuläre Dekompensation bedingte

Teilfixation, aus der sich der Proband nur schwer oder nicht lösen konnte, als

manifester Haltungsschaden gewertet und dann unter der Rubrik

„Rückenform“ dokumentiert wurde.

b) Haltungsleistung im Armvorhaltetest nach Matthiass

Das Kind wurde gebeten, aus der entspannten Haltung heraus seine Arme

30 Sekunden lang ausgestreckt vor sich zu halten. Die Beine sollten dabei

leicht gespreizt sein, die Handinnenflächen sollten zueinander zeigen.

Die Ausgangshaltung sowie die Haltungsentwicklung während des Tests

wurde, wie unter 1.2.4 beschrieben, beurteilt. Dabei teilten wir die

Halteleistung der Probanden entweder in „suffizient“ oder „insuffizient“ ein.

Während der Durchführung erfolgten zwei MediMouse®-Messungen, einmal

zu Beginn des Tests und ein weiteres Mal vor Beendigung des Tests.

2.5 Untersuchung mit der MediMouse®

Im ersten Studienabschnitt erfolgte die Untersuchung im Rahmen der Reliabilitätsprüfung.

Die Messung erfolgte in aufrechter, habitueller Haltung und wurde insgesamt zehnmal

wiederholt. Zu diesem Zweck wurden die Kinder aufgefordert, den Oberkörper zu entkleiden

sowie die Schuhe auszuziehen. Der genaue Untersuchungsablauf wird im folgenden Abschnitt

analog der Untersuchungsreihe der zweiten Studienphase beschrieben.

Im zweiten Abschnitt ging es darum, einen quantitativen und somit objektiven Vergleich

innerhalb des Kollektivs sicherstellen zu können, weshalb parallel zur klinischen

Untersuchung das technische Messverfahren mit der MediMouse® angewandt wurde. Hierzu

wurde, nachdem das Kind den Oberkörper bis zur Rima ani freigemacht und die Schuhe

ausgezogen hatte, die Wirbelsäulenkontur entlang der Dornfortsatzreihe mit einem Computer-

Mouse-ähnlichen Instrumentarium während der Ruhehaltung und zu Beginn und Ende des

Matthiass-Tests von C7 bis zur Rima ani nachgefahren. Der Processus spinosus des siebten

Zervikalwirbels (tritt als Vertebra prominens bereits visuell in Erscheinung) sowie der Beginn

der Rima ani wurden zunächst durch Palpation erfasst und mit einem Stift kenntlich gemacht.

Die Gleitkufe des Gerätes wurde auf der Haut unmittelbar supraspinal aufgesetzt. Zum Start

wurde der Druckknopf betätigt, der durch Abgabe eines Pieptons die Bereitschaft zum

Abfahren der gesamten Wirbelsäule signalisierte. Die zwei Rollrädchen, die manuell entlang

der Mittellinie der Rückenkontur geführt wurden, erfassten mithilfe des

Page 34: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

27

Wegstreckenvermesssystems sowie des Pendelpotentiometers die Länge als auch die

Lotabweichungen der einzelnen Wirbelsäulensegmente. Während der Untersuchung blieb der

Startknopf bis zum Erreichen der Rima ani eingerastet, wo er unter leichtem Druck wieder

ausgerastet wurde. Das System wies zwei Modi auf: Im Sagittalmodus konnten die Winkel

der Wirbelkörper in der Sagittalebene zueinander bestimmt werden, was Rückschlüsse auf das

Ausmaß der Kyphose und Lordose zuließ. Der zusätzliche Frontalmodus, der aufgrund des

zeitlichen Aufwandes während der Untersuchung nicht zur Anwendung kam, erlaubte

Aussagen über Seitverbiegungen der Wirbelsäule. Im Matthiass-Modus erfolgte weiterhin die

Messung im Sagittalmodus zu Beginn und Ende der Testdurchführung, sodass aus zwei

Einzelmessungen ein Messreihenpaar zur Beurteilung der Haltungsentwicklung während der

Durchführung des Matthiass-Tests hervorging. Zusätzlich erfolgte eine durch die

MediMouse® errechnete Bestimmung folgender Parameter:

- Inklination

- Wirbelsäulenlänge

- Gesamt-Kyphose

- Gesamt-Lordose

- Umschlagpunkt von Kyphose auf Lordose

Die erhobenen Daten wurden von der MediMouse® per Bluetooth auf ein mit spezieller

Software ausgerüstetes Notebook geleitet. An den meisten Kindern wurde die Messung

doppelt durchgeführt. Aus jeder Messung resultierte ein computerkalkuliertes graphisch-

visualisiertes Abbild der Wirbelsäulensilhouette.

2.6 Erhebung epidemiologischer Daten aus dem Untersuchungsheft

Nachdem die Untersuchung abgeschlossen war, erfolgte in der zweiten Abhandlungsphase die

Erhebung epidemiologischer Informationen aus dem Kinder-Untersuchungsheft, welches die

Eltern für die schulärztliche Untersuchung mit sich führten. Dabei fanden folgende Aspekte

Berücksichtigung:

- Obschon das Geburtsdatum in unserem Kollektiv weniger von Bedeutung war, da ja

die Probanden, die zur Schuleingangsuntersuchung erschienen waren, nicht älter als

7 und nicht jünger als 5 Jahre alt sein konnten, ist das Alter einer Person ein nicht

unerheblicher Einflussfaktor in der Genese von Haltungsschwächen. König

beschreibt in diesem Sinne das „Sich-Hängen-Lassen“ im Adoleszentenalter, was

sich psychisch wie auch physisch, in Form der Haltung, manifestieren kann [29].

- Die Nationalität wurde als Marker für den sozio-kulturellen Hintergrund erfasst.

Page 35: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

28

- Die Fragen nach dem Geburtsmechanismus sowie nach Lage vor und Maße bei

Geburt wurden mit der Kenntnis gestellt, dass Zangengeburten oder schwere

Geburten (bei regelwidriger Lage oder hohem Geburtsgewicht) vermehrt

Asymmetrien bedingen, die oft viele Jahre später noch sichtbar sind.

- Die Angabe einer Hüftdysplasie war aufgrund der Annahme, dass das Tragen eine

protektive Wirkung hinsichtlich der Entwicklung einer Hüftdysplasie ausübt, von

Bedeutung.

- Dem KISS-Syndrom (Kopfgelenks-induzierte Symmetriestörung) wird aufgrund der

anatomischen Nachbarschaft der oberen Kopfgelenke zum Hirnstamm Einfluss auf

die posturale Entwicklung zugesprochen. Die Information über ein stattgehabtes

KISS-Syndrom hätte dementsprechend einen ätiologischen Hinweis für das

Vorliegen einer etwaigen Haltungsstörung liefern können [61].

- Unter dem Item Entwicklungsauffälligkeiten war den Eltern die Möglichkeit

gegeben, andere, in dem Fragebogen nicht erfragte Besonderheiten, anzugeben, für

die gegebenenfalls später ein Zusammenhang mit der vorliegenden Haltungsstörung

nachgewiesen werden könnte.

- Das Item Abgelaufene Physiotherapien sollte als Hinweis für das einstige Vorliegen

eines therapiebedürftigen Haltungsbefundes dienen.

- Im Weiteren wurden die Eltern nach der Händigkeit ihres Kindes gefragt.

- Die aktuelle Größe sowie das Gewicht des Kindes wurden von der Schulärztin

erfragt, die alle Kinder im Rahmen der Schuleingangsuntersuchung gemessen und

gewogen hatte.

- Abschließend wurden die Eltern gebeten, ihren Beruf anzugeben, da sich der

soziokulturelle Status auf die Persönlichkeit auswirkt, und dieser eine bedeutende

Rolle in der Haltungsentwicklung zugeschrieben wird.

Der ausführliche Bogen im Original findet sich im Anhang.

Page 36: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

29

2.7 Dokumentation

Die Messergebnisse des ersten Untersuchungsabschnitts zur Validierung der MediMouse®

wurden lediglich elektronisch abgespeichert, da keine anderen Angaben erhoben worden sind.

Zur Dokumentation der gewonnenen Daten der zweiten Studienetappe wurden insgesamt vier

verschiedene Dokumentationsbögen verwendet, die jeweils mit dem Untersuchungsdatum

sowie der Probandennummer versehen wurden:

- Aufklärungs-/Einwilligungsbogen

- Elternfragebogen

- Untersuchungsbogen

- Epidemiologie-Bogen

Die Messergebnisse der MediMouse® wurden, ebenfalls mit Untersuchungsdatum und

Probandennummer, auf dem Computer gespeichert.

2.8 Statistik

In die Auswertung der vorliegenden Erhebung konnten alle Teilnehmer aufgenommen

werden, die die Aufnahmevoraussetzungen erfüllten sowie keines der Ausschlusskriterien

aufwiesen.

Die statistischen Analysen der erhobenen Daten sind mit Hilfe des Statistical Package for

Social Sciences (SPSS®), Version 15.0 für Windows erstellt worden.

Die deskriptive Beschreibung wurde durch Bestimmung von Häufigkeiten und Prozenten oder

Mittelwerten und Standardabweichungen sowie Varianzen durchgeführt. Einigen

Balkendiagrammen wurden entsprechend den berechneten Mittelwerten und

Standardabweichungen Gauß’sche Normalverteilungskurven zur Verdeutlichung beigefügt.

Die Normalverteilung wurde bei einer Fallzahl von N = 181 vorausgesetzt. Zur Überprüfung

von Zusammenhängen nominal skalierter Daten wurde der Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest

verwendet. Normalverteilte Daten wurden mittels t-Tests auf Zusammenhänge untersucht. Zur

quantitativen Präsentation des Korrelationsaußmaßes wurden die p-Werte als orientierendes

Signifikanzmaß herangezogen ohne dass dies zur Prüfung einer Nullhypothese genutzt wurde.

Als Einleitung soll folgendes Gedicht von Professor Dr. P.H. List dienen [19, 20]:

Page 37: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

30

Ein Mensch, der von Statistik hört,

denkt dabei nur an Mittelwert.

Er glaubt nicht dran und ist dagegen,

ein Beispiel soll es gleich belegen:

Ein Jäger auf der Entenjagd,

hat einen ersten Schuss gewagt.

Der Schuss, zu hastig aus dem Rohr,

lag eine gute Handbreit vor.

Der zweite Schuss mit lautem Krach

lag eine gute Handbreit nach.

Der Jäger spricht ganz unbeschwert

voll Glauben an den Mittelwert:

Statistisch ist die Ente tot.

Doch wär’ er klug und nähme Schrot

- dies sei gesagt, ihn zu bekehren -

er würde seine Chance mehren:

Der Schuss geht ab, die Ente stürzt,

weil Streuung ihr das Leben kürzt.

2.8.1 Der Mittelwert

Das arithmetische Mittel, auch als Mittelwert oder Durchschnitt bezeichnet, wird durch

Summation aller Daten und Division durch die Datenzahl berechnet. Bei einer n-fachen

Datenzahl gilt:

MW = (x1 + x2 + x3 + … + xn) / n.

Ziel eines solchen aggregierenden Parameters ist es, wesentliche Informationen einer längeren

Messdatenreihe fokussiert wiederzugeben.

2.8.2 Die Standardabweichung

Die Standardabweichung, auch als mittlerer quadratischer Fehler der Einzelwerte bezeichnet,

ist ein Maß für die Streuung der Werte um den Mittelwert. Als Abkürzung wird neben σ

häufig s oder SD für standard deviation benützt. Sie ist definiert als die positive

Quadratwurzel der Varianz:

Page 38: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

31

Als einfache numerische Transformation der Varianz hilft sie, die anhand der Varianz

quantifizierte Streuung in der ursprünglichen Maßeinheit zu interpretieren.

2.8.3 Die Varianz

Die Varianz ist, wie die Standardabweichung, ein Streuungsmaß und spiegelt die Verteilung

der Daten um deren Mittelwert wider. Berechnet wird die Varianz, indem die Summe der

quadrierten Abweichungen aller Messwerte vom arithmetischen Mittel durch die Anzahl der

Messwerte dividiert wird:

Das Quadrieren bei der Definition zur Varianz unterbindet das Auftreten negativer Ergebnisse

und sorgt dafür, dass Daten, die besonders stark vom Mittelwert abweichen, stärker ins

Gewicht fallen, als diejenigen, die in der Nähe des Mittelwerts liegen.

2.8.4 Der Variationskoeffizient

Der Variationskoeffizient wird als Quotient aus Standardabweichung und Mittelwert gebildet

und ist Ausdruck für die Relation der Streuung zum Mittelwert. Er repräsentiert somit die

Standardabweichung einer Verteilung in der Größe des auf ihr beruhenden arithmetischen

Mittels.

Die Bedeutung dieser statistischen Kenngröße liegt darin begründet, dass weder die

Standardabweichung noch die Varianz normiert sind. So verfügt eine Zufallsvariable mit

großem Mittelwert auch üblicherweise über eine größere Standardabweichung als diejenige

mit kleinem Mittelwert. Es ist deshalb nicht möglich, die Größe der Standardabweichung zu

beurteilen, es sei denn, sie wird in Relation zum Mittelwert der Variablen gesetzt.

2.8.5 Der t-Test

Der t-Test ist eine mathematische Entscheidungsregel zur Analyse von Unterschieden der

empirisch ermittelten Mittelwerte zweier Gruppen. Er sagt aus, ob ein gefundener

Mittelwertunterschied rein zufällig entstanden ist oder ob tatsächlich ein bedeutsamer

Unterschied zwischen den untersuchten Gruppen existiert, also ob sich zwei untersuchte

Gruppen systematisch in ihren Mittelwerten unterscheiden oder nicht. Er findet seinen Einsatz

Page 39: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

32

zur Hypothesenprüfung von Unterschiedshypothesen, in denen ein Merkmal wissenschaftlich

und messbar operationalisiert werden kann. Bei der Hypothesenformulierung unterscheidet

man zwischen der Nullhypothese (es liegt kein Unterschied vor) und der Alternativhypothese

(es liegt ein Unterschied vor). Dabei ist es zur Untersuchung der Mittelwertsdifferenz zweier

Stichproben unerheblich, ob diese Stichproben gepaart oder ungepaart sind. Liegt der

errechnete t-Wert unterhalb des Signifikanzniveaus von p ≤ 0,05, so muss die Nullhypothese

zugunsten der Alternativhypothese abgelehnt werden. Voraussetzungen für die Durchführung

eines t-Tests sind:

- Die Daten sind annähernd normalverteilt (Beurteilung anhand eines Boxplots).

- Die Standardabweichung ist bekannt.

- Der Mittelwert ist bekannt.

- Die Testhypothesen wurden formuliert.

- Die Daten sind annähernd varianzhomogen.

2.8.6 Der Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest

Er stellt einen Signifikanztest dar, der, beruhend auf dem Vergleich zwischen erwarteten und

beobachteten Werten zweier Merkmale in einer Kreuztabelle, aussagt, ob ein Zusammenhang

zwischen diesen Merkmalen wahrscheinlich ist oder nicht. Dabei ist die Skalierung der

Merkmale unerheblich. Mittels Pearson-Chi-Quadrat wird die Hypothese überprüft, dass

keine Abhängigkeit zwischen den Zeilen- und Spaltenvariablen der Kreuztabelle existiert. Der

p-Wert wird als „signifikant“ erachtet, wenn sein Wert kleiner als 0,05 ist. Es gilt, dass eine

Abhängigkeit zwischen zwei Attributen umso größer ist, je kleiner der Signifikantwert.

Page 40: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

33

3 Ergebnisse

3.1 Teil 1

In diesem ersten Studienabschnitt sollte überprüft werden, ob die MediMouse als objektiv

deklariertes, instrumentelles Messverfahren reproduzierbare Ergebnisse liefert. Diesem

Zweck dienlich wurden elf fünf- bis siebenjährige Kinder, bei denen zuvor keine

Haltungsanomalien auffällig waren, zehn bis elf nacheinanderfolgenden MediMouse-

Messungen unterzogen. Die direkt aufeinander folgenden Messungen wurden in aufrechter

habitueller Haltung der Probanden vorgenommen. Der genaue Untersuchungshergang wird in

Kapitel 2.5 näher beschrieben.

Das durchschnittliche Alter der elf Probanden beträgt sechs Jahre; je drei der Kinder waren

zum Untersuchungszeitpunkt fünf bzw. sechs Jahre alt, fünf waren sieben Jahre alt.

Von den untersuchten Kindern waren drei männlich und acht weiblich. Folgende Tabelle stellt

die Alters- und Geschlechterverteilung dar:

Alter Geschlecht Anzahl % Anzahl % männlich 3 27,3% weiblich 8 72,7% 5 Jahre 3 27,3% 6 Jahre 3 27,3% 7 Jahre 5 45,5%

Tabelle 2: Alters- und Geschlechtsverteilung

Keiner der zur Reliabilitätsprüfung der Maus untersuchten Probanden wurde in Tragehilfen

getragen.

Im folgenden Abschnitt werden Minimum, Maximum, Mittelwert, Standardabweichung und

Varianz für folgende Parameter angegeben:

- Winkelstellung zweier benachbarter Wirbelkörper von TH1/2 bis L5/S1, der

gemessene Winkel entspricht den tangentialen Winkeln zwischen den Zentren der

einzelnen Wirbelkörper. Dabei stehen positive Winkel für Kyphosierung, negative für

Lordosierung.

Page 41: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

34

- Sakrumwinkel als Maß für die sagittale Beckensenkung, berechnet als Mittelwert der

Winkel zwischen den Tangenten über dem Sakrum und einer gedachten

Verbindungslinie zwischen C7 bis S1

- Gesamtwinkel für die Krümmung der Brustwirbelsäule, berechnet als Summe der

einzelnen segmentalen Winkel von TH1/2 bis TH11/12, sodass 11 Winkel aufaddiert

werden. Gemäss der Originalarbeit von Seichert et al. 1994 ist die Winkelauflösung

auf eine Dezimalstelle genau. Die MediMouse®-Software rundet die gemessenen

Werte auf ganze Zahlen. Für die Berechnung der globalen BWS- bzw. LWS-Winkel

werden dann nicht die gerundeten sondern die Rohdaten mit einer Kommastelle

verwendet; weshalb es zu kleinen Abweichungen kommen kann.

- Gesamtwinkel für die Krümmung der Lendenwirbelsäule, berechnet als Summe der

einzelnen Segmentwinkel gemessen von TH12/L1 bis L5/S1. Die Addition erfolgt

analog zur Berechnung der globalen BWS-Krümmung.

- Inklination (Winkel zwischen der Vertikalen und einer gedachten Verbindungslinie

zwischen C7 und Os Sacrum)

- Wirbelsäulenlänge in mm

Die Datenwiedergabe erfolgt tabellarisch und für jeden Probanden gesondert:

Abbildung 8: Interpretation der Segmentwinkel

Page 42: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

35

Tabelle 3: Proband 1 (10 Wiederholungsmessungen)

Tabelle 4: Proband 2 (10 Wiederholungsmessungen)

Mittelwert Minimum Maximum Standard-

abweichung Varianz

Variations-koeffizient

[%] TH1/2 6,5 5,0 8,0 ,97 ,94 14,92 TH2/3 7,4 5,0 9,0 1,26 1,60 17,03 TH3/4 5,1 4,0 7,0 1,20 1,43 23,53 TH4/5 3,3 2,0 5,0 ,82 ,68 24,85 TH5/6 2,7 2,0 3,0 ,48 ,23 17,78 TH6/7 2,7 2,0 4,0 ,82 ,68 30,37 TH7/8 3,1 2,0 4,0 ,57 ,32 18,39 TH8/9 5,3 4,0 7,0 ,95 ,90 17,93 TH9/10 3,2 2,0 4,0 ,79 ,62 24,69 TH10/11 -,6 -2,0 2,0 1,35 1,82 225,00 TH11/12 -2,2 -3,0 -2,0 ,42 ,18 19,09 TH12/L1 -5,9 -7,0 -5,0 ,74 ,54 12,54 L1/2 -7,9 -10,0 -4,0 1,85 3,43 23,42 L2/3 -14,5 -17,0 -9,0 2,59 6,72 17,86 L3/4 -11,0 -14,0 -9,0 1,41 2,00 12,82 L4/5 4,3 -2,0 9,0 3,80 14,46 88,37 L5/S1 9,9 7,0 11,0 1,37 1,88 13,84 SakHG 12,1 9,0 15,0 1,97 3,88 16,28 BWS 36,5 29,0 41,0 3,41 11,61 09,34 LWS -24,8 -28,0 -19,0 3,16 9,96 12,74 Inklination 1,4 -1,0 4,0 1,65 2,71 117,86 Länge 377,5 360,0 392,0 10,00 100,06 02,65

Mittelwert Minimum Maximum Standard-

abweichung Varianz

Variations-koeffizient

[%] TH1/2 2,9 -1,0 6,0 2,33 5,43 80,35 TH2/3 5,4 3,0 7,0 1,26 1,60 23,33 TH3/4 4,3 3,0 6,0 1,06 1,12 24,65 TH4/5 6,1 5,0 7,0 ,74 ,54 12,13 TH5/6 4,6 4,0 6,0 ,70 ,49 15,22 TH6/7 5,0 2,0 7,0 1,41 2,00 28,20 TH7/8 6,6 5,0 9,0 1,35 1,82 20,46 TH8/9 4,1 2,0 7,0 1,52 2,32 37,07 TH9/10 3,2 ,0 6,0 1,48 2,18 46,25 TH10/11 2,6 -1,0 5,0 1,58 2,49 60,77 TH11/12 2,5 ,0 6,0 1,96 3,83 78,40 TH12/L1 -1,2 -6,0 7,0 3,97 15,73 330,83 L1/2 -1,9 -3,0 -1,0 ,74 ,54 38,95 L2/3 -7,8 -10,0 -4,0 2,20 4,84 28,21 L3/4 -10,7 -13,0 -8,0 1,64 2,68 15,33 L4/5 -10,1 -12,0 -7,0 1,29 1,66 12,77 L5/S1 -5,1 -9,0 -2,0 2,13 4,54 41,77 SakHG 11,2 10,0 13,0 1,14 1,29 10,18 BWS 46,6 39,0 53,0 5,56 30,93 11,93 LWS -36,6 -41,0 -26,0 5,19 26,93 14,18 Inklination -8,2 -12,0 -3,0 3,12 9,73 38,05 Länge 318,9 311,0 326,0 4,95 24,54 01,55

Page 43: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

36

Tabelle 5: Proband 3 (10 Wiederholungsmessungen)

Mittelwert Minimum Maximum Standard-

abweichung Varianz

Variations-koeffizient

[%] TH1/2 ,3 -2,0 2,0 1,42 2,01 473,33 TH2/3 4,4 2,0 7,0 1,35 1,82 30,68 TH3/4 3,9 3,0 5,0 ,88 ,77 22,56 TH4/5 2,8 1,0 4,0 1,03 1,07 36,79 TH5/6 3,4 2,0 5,0 1,07 1,16 31,47 TH6/7 3,7 3,0 5,0 ,82 ,68 22,16 TH7/8 5,2 4,0 7,0 1,03 1,07 19,81 TH8/9 2,5 1,0 5,0 1,43 2,06 57,20 TH9/10 ,6 -1,0 2,0 ,84 ,71 140,00 TH10/11 -2,0 -3,0 -1,0 ,82 ,67 41,00 TH11/12 -3,8 -5,0 -3,0 ,63 ,40 16,59 TH12/L1 -3,7 -5,0 -2,0 ,95 ,90 25,68 L1/2 -6,6 -9,0 -4,0 1,58 2,49 23,94 L2/3 -9,4 -12,0 -6,0 1,65 2,71 17,55 L3/4 -4,9 -7,0 -3,0 1,45 2,10 29,59 L4/5 -2,9 -4,0 -2,0 ,57 ,32 19,66 L5/S1 2,0 -2,0 5,0 2,05 4,22 102,50 SakHG 15,0 12,0 19,0 2,16 4,67 14,40 BWS 21,0 16,0 24,0 2,45 6,00 11,67 LWS -25,5 -30,0 -20,0 2,88 8,28 11,29 Inklination -1,7 -5,0 4,0 2,79 7,79 164,12 Länge 337,2 327,0 349,0 9,26 85,73 02,75

Tabelle 6: Proband 4 (11 Wiederholungsmessungen)

Mittelwert Minimum Maximum Standard-

abweichung Varianz

Variations-koeffizient

[%] TH1/2 3,73 1,0 6,0 1,42 2,02 38,07 TH2/3 7,45 5,0 9,0 1,21 1,47 16,24 TH3/4 6,36 5,0 9,0 1,43 2,06 22,48 TH4/5 7,55 6,0 12,0 1,57 2,47 20,80 TH5/6 6,82 4,0 22,0 5,10 25,96 74,78 TH6/7 5,73 5,0 7,0 ,79 ,62 13,79 TH7/8 5,36 -12,0 9,0 5,90 34,86 110,08 TH8/9 7,00 2,0 9,0 1,90 3,60 27,14 TH9/10 3,18 1,0 5,0 1,25 1,56 39,31 TH10/11 1,00 -2,0 3,0 1,41 2,00 141,00 TH11/12 2,09 1,0 4,0 1,04 1,09 49,76 TH12/L1 ,09 -2,0 4,0 1,76 3,09 188,89 L1/2 -3,82 -7,0 -1,0 1,66 2,76 43,46 L2/3 -7,91 -10,0 -6,0 1,14 1,29 14,41 L3/4 -12,00 -13,0 -11,0 ,89 ,80 07,42 L4/5 -8,55 -11,0 -6,0 1,44 2,07 16,84 L5/S1 ,00 -3,0 1,0 1,26 1,60 SakHG 9,09 7,0 13,0 1,87 3,49 20,57 BWS 55,91 50,0 61,0 3,30 10,89 05,90 LWS -31,73 -38,0 -23,0 3,85 14,82 12,13 Inklination -3,91 -6,0 -2,0 1,38 1,89 35,29 Länge 366,00 339,0 381,0 11,70 136,80 03,20

Page 44: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

37

Tabelle 7: Proband 5 (11 Wiederholungsmessungen)

Mittelwert Minimum Maximum Standard-

abweichung Varianz

Variations-koeffizient

[%] TH1/2 2,45 1,0 5,0 1,13 1,27 46,12 TH2/3 5,00 4,0 6,0 ,77 ,60 15,40 TH3/4 6,18 3,0 8,0 1,40 1,96 22,65 TH4/5 4,82 2,0 8,0 1,47 2,16 30,50 TH5/6 7,64 7,0 9,0 ,81 ,66 10,60 TH6/7 6,55 5,0 8,0 ,82 ,67 12,52 TH7/8 5,91 4,0 7,0 ,70 ,49 11,84 TH8/9 3,18 1,0 5,0 1,17 1,36 36,79 TH9/10 2,45 1,0 4,0 ,82 ,67 33,47 TH10/11 ,64 ,0 2,0 ,81 ,66 126,56 TH11/12 -1,00 -2,0 ,0 ,63 ,40 63,00 TH12/L1 -1,91 -4,0 -1,0 1,04 1,09 54,45 L1/2 -7,45 -9,0 -6,0 1,13 1,27 15,17 L2/3 -9,64 -11,0 -8,0 ,81 ,66 08,40 L3/4 -10,00 -12,0 -9,0 1,10 1,20 11,00 L4/5 -5,45 -7,0 -4,0 1,13 1,27 20,73 L5/S1 3,09 -1,0 6,0 2,39 5,69 77,35 SakHG 11,73 9,0 14,0 1,68 2,82 14,32 BWS 43,55 35,0 48,0 3,39 11,47 07,78 LWS -31,18 -35,0 -26,0 3,16 9,96 10,14 Inklination -3,18 -5,0 ,0 1,78 3,16 55,98 Länge 316,91 298,0 330,0 8,99 80,89 02,84

Tabelle 8: Proband 6 (11 Wiederholungsmessungen)

Mittelwert Minimum Maximum Standard-

abweichung Varianz

Variations-koeffizient

[%] TH1/2 3,82 1,0 6,0 1,47 2,16 38,48 TH2/3 5,09 3,0 7,0 1,14 1,29 22,40 TH3/4 5,64 4,0 7,0 1,03 1,06 18,26 TH4/5 3,91 2,0 9,0 2,07 4,29 52,94 TH5/6 3,55 1,0 5,0 1,37 1,87 38,59 TH6/7 3,64 ,0 7,0 2,01 4,06 55,22 TH7/8 5,00 3,0 7,0 1,10 1,20 22,00 TH8/9 3,82 1,0 7,0 1,47 2,16 38,48 TH9/10 2,09 -1,0 4,0 1,51 2,29 72,25 TH10/11 ,64 -1,0 3,0 1,57 2,46 245,31 TH11/12 -2,36 -6,0 -1,0 1,57 2,46 66,53 TH12/L1 -4,09 -6,0 -3,0 1,04 1,09 25,43 L1/2 -5,55 -7,0 -5,0 ,82 ,67 14,78 L2/3 -7,09 -11,0 -4,0 1,76 3,09 24,82 L3/4 -7,55 -10,0 -5,0 1,51 2,27 20,00 L4/5 -5,55 -9,0 -3,0 1,75 3,07 31,53 L5/S1 -1,09 -6,0 3,0 3,05 9,29 279,82 SakHG 18,27 13,0 24,0 3,23 10,42 17,68 BWS 34,36 28,0 39,0 3,44 11,86 10,01 LWS -31,09 -36,0 -24,0 3,83 14,69 12,32 Inklination -,27 -7,0 7,0 3,85 14,82 142,59 Länge 304,18 287,0 325,0 11,98 143,56 03,94

Page 45: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

38

Tabelle 9: Proband 7 (11 Wiederholungsmessungen)

Mittelwert Minimum Maximum Standard-

abweichung Varianz

Variations-koeffizient

[%] TH1/2 7,64 5,0 9,0 1,29 1,66 16,89 TH2/3 6,73 4,0 9,0 1,49 2,22 22,14 TH3/4 3,55 ,0 6,0 1,51 2,27 42,54 TH4/5 4,09 3,0 5,0 ,83 ,69 20,29 TH5/6 4,64 3,0 6,0 1,12 1,26 24,14 TH6/7 3,82 2,0 6,0 1,25 1,56 32,72 TH7/8 4,27 1,0 6,0 1,62 2,62 37,94 TH8/9 3,09 1,0 5,0 1,30 1,69 42,07 TH9/10 4,09 ,0 7,0 2,17 4,69 53,06 TH10/11 ,45 -3,0 4,0 2,25 5,07 500,00 TH11/12 -2,36 -5,0 ,0 1,57 2,46 66,53 TH12/L1 -6,91 -10,0 -5,0 1,45 2,09 20,98 L1/2 -10,36 -14,0 -6,0 2,34 5,46 22,59 L2/3 -12,45 -15,0 -8,0 2,07 4,27 16,63 L3/4 -12,45 -21,0 -7,0 4,52 20,47 36,31 L4/5 -,55 -4,0 5,0 3,21 10,27 583,64 L5/S1 7,27 5,0 11,0 1,68 2,82 23,11 SakHG 20,36 16,0 25,0 2,98 8,86 14,64 BWS 39,18 21,0 46,0 6,72 45,16 17,15 LWS -35,18 -40,0 -30,0 3,31 10,96 09,41 Inklination 1,36 -2,0 6,0 2,62 6,86 192,65 Länge 367,36 347,0 382,0 9,98 99,66 02,72

Tabelle 10: Proband 8 (11 Wiederholungsmessungen)

Mittelwert Minimum Maximum Standard-

abweichung Varianz

Variations-koeffizient

[%] TH1/2 5,45 2,0 8,0 1,86 3,47 34,13 TH2/3 5,55 3,0 8,0 1,37 1,87 24,69 TH3/4 4,18 3,0 5,0 ,75 ,56 17,94 TH4/5 3,82 2,0 5,0 ,98 ,96 25,66 TH5/6 4,73 2,0 6,0 1,19 1,42 25,16 TH6/7 6,55 5,0 7,0 ,69 ,47 10,53 TH7/8 5,64 5,0 7,0 ,67 ,46 11,88 TH8/9 4,18 3,0 6,0 ,98 ,96 23,45 TH9/10 2,45 1,0 4,0 ,93 ,87 37,96 TH10/11 ,27 -1,0 2,0 1,01 1,02 374,07 TH11/12 1,45 -1,0 3,0 1,37 1,87 94,48 TH12/L1 -,91 -4,0 2,0 1,92 3,69 210,99 L1/2 -5,18 -8,0 -1,0 1,94 3,76 37,45 L2/3 -11,55 -14,0 -8,0 1,92 3,67 16,62 L3/4 -10,00 -12,0 -8,0 1,10 1,20 11,00 L4/5 -1,55 -6,0 1,0 1,97 3,87 127,10 L5/S1 5,00 ,0 7,0 2,05 4,20 41,00 SakHG 11,64 7,0 14,0 2,16 4,66 18,56 BWS 44,09 39,0 49,0 3,24 10,49 07,35 LWS -24,45 -33,0 -18,0 4,20 17,67 17,18 Inklination 3,18 ,0 6,0 2,23 4,96 70,13 Länge 380,55 356,0 398,0 13,28 176,47 03,49

Page 46: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

39

Tabelle 11: Proband 9 (10 Wiederholungsmessungen)

Mittelwert Minimum Maximum Standard-

abweichung Varianz

Variations-koeffizient

[%] TH1/2 5,0 2,0 8,0 1,70 2,89 34,00 TH2/3 2,4 1,0 5,0 1,26 1,60 52,50 TH3/4 2,2 1,0 3,0 ,79 ,62 35,91 TH4/5 3,0 2,0 4,0 1,05 1,11 35,00 TH5/6 4,1 3,0 5,0 ,88 ,77 21,46 TH6/7 4,8 4,0 7,0 1,14 1,29 23,75 TH7/8 3,5 2,0 5,0 ,85 ,72 24,29 TH8/9 4,3 3,0 7,0 1,42 2,01 33,02 TH9/10 5,4 4,0 7,0 1,07 1,16 19,82 TH10/11 4,3 1,0 6,0 1,42 2,01 33,02 TH11/12 5,6 2,0 8,0 1,71 2,93 30,54 TH12/L1 2,9 1,0 5,0 1,37 1,88 47,24 L1/2 ,5 ,0 1,0 ,53 ,28 106,00 L2/3 -2,8 -5,0 -1,0 1,23 1,51 43,93 L3/4 -6,9 -8,0 -6,0 ,57 ,32 08,26 L4/5 -4,4 -7,0 -2,0 1,90 3,60 43,18 L5/S1 1,5 ,0 3,0 1,18 1,39 78,67 SakHG -2,0 -5,0 3,0 3,20 10,22 160,00 BWS 44,1 33,0 52,0 5,26 27,66 11,93 LWS -9,5 -12,0 -6,0 1,96 3,83 20,63 Inklination 2,9 1,0 5,0 1,60 2,54 55,17 Länge 342,8 326,0 357,0 9,67 93,51 02,82

Tabelle 12: Proband 10 (11 Wiederholungsmessungen)

Mittelwert Minimum Maximum Standard-

abweichung Varianz

Variations-koeffizient

[%] TH1/2 3,18 1,0 6,0 1,54 2,36 48,43 TH2/3 5,18 4,0 7,0 ,87 ,76 16,80 TH3/4 5,18 3,0 7,0 1,47 2,16 28,38 TH4/5 3,00 1,0 6,0 1,67 2,80 55,67 TH5/6 4,18 3,0 6,0 ,98 ,96 23,45 TH6/7 5,82 5,0 7,0 ,60 ,36 10,31 TH7/8 6,27 5,0 10,0 1,42 2,02 22,65 TH8/9 4,45 2,0 8,0 1,69 2,87 37,98 TH9/10 5,00 2,0 8,0 1,61 2,60 32,20 TH10/11 5,00 2,0 8,0 1,73 3,00 34,60 TH11/12 1,91 -1,0 4,0 1,51 2,29 79,06 TH12/L1 -,73 -2,0 2,0 1,62 2,62 221,92 L1/2 -5,45 -7,0 -3,0 1,29 1,67 23,67 L2/3 -7,91 -9,0 -4,0 1,58 2,49 19,98 L3/4 -9,91 -12,0 -9,0 ,94 ,89 09,49 L4/5 -7,00 -9,0 -5,0 1,61 2,60 23,00 L5/S1 ,64 -6,0 3,0 2,54 6,46 396,88 SakHG 1,55 -1,0 6,0 2,38 5,67 153,55 BWS 49,00 42,0 58,0 3,97 15,80 08,10 LWS -30,18 -34,0 -28,0 2,09 4,36 06,93 Inklination -9,18 -12,0 -6,0 1,72 2,96 18,74 Länge 347,64 327,0 365,0 12,17 148,06 03,50

Page 47: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

40

Tabelle 13: Proband 11 (11 Wiederholungsmessungen)

Mittelwert Minimum Maximum Standard-

abweichung Varianz

Variations-koeffizient

[%] TH1/2 4,27 2,0 7,0 1,56 2,42 36,53 TH2/3 4,27 3,0 7,0 1,19 1,42 27,87 TH3/4 3,45 1,0 5,0 1,37 1,87 39,71 TH4/5 2,91 2,0 5,0 ,94 ,89 32,30 TH5/6 4,09 2,0 6,0 1,14 1,29 27,87 TH6/7 5,18 4,0 6,0 ,75 ,56 14,48 TH7/8 5,64 5,0 8,0 1,03 1,06 18,26 TH8/9 5,27 4,0 8,0 1,19 1,42 22,58 TH9/10 3,00 1,0 7,0 1,55 2,40 51,67 TH10/11 ,73 -2,0 4,0 1,95 3,82 267,12 TH11/12 -,82 -3,0 2,0 1,25 1,56 152,44 TH12/L1 -1,45 -3,0 ,0 ,93 ,87 64,14 L1/2 -2,91 -4,0 -1,0 1,04 1,09 35,74 L2/3 -6,82 -9,0 -3,0 1,60 2,56 23,46 L3/4 -7,91 -9,0 -7,0 ,83 ,69 10,49 L4/5 -5,00 -8,0 -3,0 1,41 2,00 28,20 L5/S1 -,73 -4,0 2,0 1,62 2,62 221,92 SakHG 14,18 9,0 19,0 3,76 14,16 26,52 BWS 37,64 31,0 46,0 4,59 21,06 12,20 LWS -24,73 -29,0 -21,0 2,76 7,62 11,16 Inklination 2,45 -2,0 8,0 2,73 7,47 111,43 Länge 290,18 264,0 310,0 12,69 160,96 04,37

Page 48: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

41

Über alle 11 Probanden gerechnet ergibt dies für die insgesamt 117 Messungen folgende

tabellarisch zusammengefasste Mittelwerte, Minima und Maxima:

Tabelle 14: MWs, Minima, Maxima der 11 Probanden

Mittelwert Minimum Maximum TH1/2 4,13 -2,0 9,0 TH2/3 5,37 1,0 9,0 TH3/4 4,57 ,0 9,0 TH4/5 4,13 1,0 12,0 TH5/6 4,62 1,0 22,0 TH6/7 4,89 ,0 8,0 TH7/8 5,15 -12,0 10,0 TH8/9 4,30 1,0 9,0 TH9/10 3,15 -1,0 8,0 TH10/11 1,19 -3,0 8,0 TH11/12 ,08 -6,0 8,0 TH12/L1 -2,17 -10,0 7,0 L1/2 -5,19 -14,0 1,0 L2/3 -8,91 -17,0 -1,0 L3/4 -9,43 -21,0 -3,0 L4/5 -4,28 -12,0 9,0 L5/S1 2,04 -9,0 11,0 SakHG 11,27 -5,0 25,0 BWS 41,22 16,0 61,0 LWS -27,85 -41,0 -6,0 Inklination -1,38 -12,0 8,0 Länge 340,73 264,0 398,0

Page 49: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

42

In Tabelle 15 werden die Mittelwerte, Minima und Maxima für die Variationskoeffizienten (in Prozent) der elf Probanden für jedes Segment wiedergegeben:

Tabelle 15: mittlere Variationskoeffizienten

Mittelwert Minimum Maximum TH1/2 78,30 14,92 473,33 TH2/3 24,46 15,40 52,50 TH3/4 27,15 17,94 42,54 TH4/5 31,54 12,13 55,67 TH5/6 28,23 10,60 74,78 TH6/7 23,10 10,31 55,22 TH7/8 28,87 11,84 110,08 TH8/9 33,97 17,93 57,20 TH9/10 50,06 19,82 140,00 TH10/11 186,22 33,02 500,00 TH11/12 65,13 16,59 152,44 TH12/L1 109,37 12,54 330,83 L1/2 35,02 14,78 106,00 L2/3 21,08 8,40 43,93 L3/4 15,61 7,42 36,31 L4/5 90,46 12,77 583,64 L5/S1 127,69 13,84 396,88 SakHG 42,43 10,18 160,00 BWS 10,31 5,90 17,15 LWS 12,56 6,93 20,63 Inklination 91,09 18,74 192,65 Länge 3,08 1,55 4,37

Page 50: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

43

3.2 Teil 2

Im Rahmen der Untersuchung eines Zusammenhanges zwischen dem Tragen von

Kleinkindern in Tragevorrichtungen und der Entwicklung von Haltungsanomalien im

Schulkindalter wurden 181 Kinder im Anschluss an die Schuleingangsuntersuchung in einem

separaten Raum innerhalb der Schule nach schriftlicher Einverständniserklärung seitens der

Erziehungsberechtigten untersucht. Die Untersuchung gliederte sich in zwei Phasen: Nach

Dokumentation personenbezogener Daten wie Alter und Geschlecht wurde jedem Proband

eine Identifikationsnummer zugewiesen. Sodann erfolgte in der ersten Phase die klinisch-

orthopädische Untersuchung hinsichtlich Haltung und Rückenform. In der zweiten Phase

schloss sich die Wirbelsäulenerfassung mittels MediMouse® an. Die Halteleistung wurde

sowohl klinisch-orthopädisch als auch instrumentarisch erhoben. Intention der Erhebung

instrumenteller Messwerte war die Gewährleistung von Untersucher-unabhängigen, stabilen

Resultaten. Während der Untersuchung der Kinder waren die Erziehungsberechtigten

aufgefordert einen Fragebogen über ihre Tragegewohnheiten und potentiell

haltungsbeeinflussende Faktoren auszufüllen.

3.2.1 Deskription

3.2.1.1 Soziodemographische Hauptdaten

- Alter

Das Durchschnittsalter von 180 Kindern betrug 70 Monate, also fast sechs Jahre. Das

jüngste Kind war 57, die ältesten zwei Kinder 79 Monate alt.

Grafik 1: Altersverteilung

Page 51: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

44

- Geschlecht

Die Geschlechterverteilung der untersuchten Kinder war ausgeglichen, wobei für 23

Kinder keine Angabe gemacht worden ist, sodass 158 Kinder in die statistische

Berechnung einbezogen wurden. Das Kreisdiagramm gibt die gültigen Prozente

wieder:

Grafik 2: Geschlechterverteilung

- Größe

Die Größe von 165 Kindern wurde dokumentiert und lag im Mittel bei 117 cm, dabei

war das kleinste Kind 105 cm, das größte Kind 131 cm groß.

Grafik 3: Größenverteilung

Page 52: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

45

- Gewicht

Es existieren Gewichtsangaben von 164 Kindern. Das Durchschnittsgewicht betrug

21,5 kg. Das leichteste Kind wog 13 kg, das schwerste Kind 37,5 kg.

Grafik 4: Gewichtsverteilung

- Nationalität

90% der Eltern gaben an, dass ihr Kind deutscher Nationalität sei. 1% der Kinder

besaß die türkische Staatsangehörigkeit und 9% waren Staatsbürger anderer Länder.

Für alle 181 Kinder waren Angaben vorzufinden. Nachstehendes Kreisdiagramm stellt

die absoluten Häufigkeiten dar:

Grafik 5: Nationalität

Page 53: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

46

- Elterlicher Schulabschluss

73% der Mütter der Testpersonen hatten das Abitur absolviert, 12% gaben Realschul-

und 7% Hauptschulabschluss an. Für 10 der Kinder sind keine Angaben zum

mütterlichen Schulabschluss gemacht worden.

Grafik 6: Mütterlicher Schulabschluss

Hinsichtlich der Väter wurde für 65% von insgesamt 161 Antworten der Erwerb der

Hochschulreife und für je 9% Real- und Hauptschulabschluss angegeben.

Grafik 7: Väterlicher Schulabschluss

Page 54: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

47

- Laufbeginn

Entsprechend den Angaben im Elternfragebogen von 175 Kindern setzte der

Laufbeginn im Durchschnitt mit 12,6 ± 2,1 Monaten ein. Die Häufigkeitsangaben

werden im folgenden Diagramm illustriert:

Grafik 8: Laufbeginn

- Fernsehverhalten

Rund 10% der 177 Elternpaare schätzten die täglich verbrachte Zeit ihres Kindes vor

dem Fernseher auf über 1,5 Stunden. Die übrigen 88% gaben eine Zeitdauer von

weniger als 1,5 Stunden an. Im Kreisdiagramm finden sich die absoluten Zahlen

wieder:

Grafik 9: Fernsehverhalten

Page 55: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

48

3.2.1.2 Skalenbewertung

- Schlaf

Zur Schlafeinschätzung diente eine visuelle Skala von 1 bis 10 in Form einer

gestrichelten Gerade. 1 stand dabei für „gut“ und 10 für „schlecht“. Die Skala hatte

zur weiteren Vereinfachung einen Teilstrich in der Mitte der Geraden, beziffert mit 5.

Die Eltern konnten durch eine einfache Markierung auf der Geraden den Schlaf ihres

Kindes in der letzten Nacht abschätzen. Es zeigte sich, dass 58% der Eltern 1

angekreuzt hatten. Etwa 3% machten eine Markierung in der Mitte der Skala bei 5 und

2% bei 10. 25% der Teilnehmer markierten den Bereich zwischen 1 und 5, 10%

kennzeichneten den Bereich zwischen 5 und 10. Das folgende Diagramm

veranschaulicht die absoluten Häufigkeiten. Dabei kommt dem Bereich zwischen 1

und 5 der Wert 2,5 und dem Bereich zwischen 5 und 10 der Wert 7,5 zu. Es geht

hervor, dass nach Einschätzung der 178 Elternpaare, die sich zu dieser Rating-Skala

äußerten, 86% der Kinder gut bis durchschnittlich geschlafen hatten.

Grafik 10: Schlafbewertung

Page 56: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

49

- Charakter

Die Skala zur Charakterbewertung war analog zur Schlafskala gegliedert. Dabei waren

das Extrem „ängstlich“ mit 1 und das Extrem „selbstbewusst“ mit 10 bemessen. Etwa

60% der 176 Befragten markierten die Skala oberhalb 5, schätzten ihr Kind also eher

selbstbewusst ein. Bei 12% war eine Markierung unterhalb der mittleren Grenzmarke

von 5 zu finden.

Grafik 11: Charakterbewertung

- Aktivität

Zur Bewertung der Aktivität diente dasselbe Messinstrument, wobei am unteren Ende

der Skala die 1 für „motorisch aktiv“ und am oberen Ende die 10 für „motorisch

inaktiv, ruhig“ stand. Aussagen lagen für 175 Probanden vor. Knapp 68% teilten ihren

Kindern einen Wert unter 5 zu, 9% markierten einen Bereich oberhalb der Grenze 5.

Grafik 12: Aktivitätsbewertung

Page 57: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

50

3.2.1.3 Epidemiologische Daten

- Vorerkrankungen

85% der 180 Befragten negierten Vorerkrankungen ihres Kindes, die Verteilung der

Angaben der restlichen 15% wird im nachfolgenden Balkendiagramm in absoluten

Häufigkeitszahlen dargeboten. Dabei geht die Hüftdysplasie mit 5%, gefolgt vom

KISS-Syndrom mit etwa 3 und von der Vorzugshaltung und dem Sichelfuß mit je

etwa 2%:

Grafik 13: Vorerkrankungen

Page 58: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

51

- Entwicklungsauffälligkeiten

Lediglich etwa 5% der 180 befragten Elternteile bekundete

Entwicklungsauffälligkeiten ihres Kindes. Etwa 2% machten ein bloßes Zugeständnis

mit „ja“, zum selben Prozentsatz wurde ein Hypotonus angegeben. Hypermotorik und

Schwerhörigkeit wurde von je einem Elternteil bescheinigt.

Grafik 14: Entwicklungsauffälligkeiten

- Physiotherapie

154 der Kinder wurden nach Angaben der Eltern noch nie physiotherapeutisch

behandelt. Die Eltern der übrigen 26 Probanden bestätigten die Teilnahme an

physiotherapeutischen Maßnahmen.

Grafik 15: Physiotherapie

Page 59: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

52

- Familiäre Erkrankungen

68% der 180 Elternteile verneinte familiäre Erkrankungen. 13% führten eine Skoliose

in der Verwandtschaft an, 11% äußerten eine Hüfterkrankung und 4% eine

Wirbelsäulenerkrankung. Die übrigen 4% berichteten über M. Bechterew, M.

Scheuermann, Hüft- und Wirbelsäulenerkrankung. Die absoluten Häufigkeiten finden

sich im untenstehenden Diagramm:

Grafik 16: Familiäre Erkrankungen

Page 60: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

53

3.2.1.4 Tragegewohnheiten

- Tragehäufigkeit

Aus nachrangiger Tabelle geht hervor, dass 37% der Kinder nicht und 7% selten

(weniger als 1x/Woche) getragen worden sind, was einen Anteil von 44% ausmacht.

18% der Eltern gaben an, ihr Kind gelegentlich (1-2x/Woche), 14% häufig (3-

4x/Woche) und 23% sehr häufig (täglich) getragen zu haben, was wiederum insgesamt

einen Anteil von 55% ausmacht.

Tabelle 16: Tragehäufigkeit

Häufig-

keit Prozent Gültige

Prozente Gültig nicht getragen 66 36,5 36,9 selten

(weniger als 1x /Woche 13 7,2 7,3

Gelegentlich (1-2x/Woche) 33 18,2 18,4

häufig (3-4x/Woche) 26 14,4 14,5

sehr häufig (täglich) 41 22,7 22,9

Gesamt 179 98,9 100,0 Fehlend System 2 1,1 Gesamt 181 100,0

Zur Vereinfachung wurde die Merkmalsausprägung der Variable „Tragehäufigkeit“ in

zwei Klassen zusammengefasst und die Gruppe der nicht und selten getragenen

Kinder (gemusterte Fläche) den gelegentlich, häufig und sehr häufig getragenen

Kindern (gestreifter Kreisausschnitt) graphisch gegenübergestellt:

Grafik 17: Tragehäufigkeit

Page 61: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

54

- Tragebeginn

15 der 113 Elternteile, die ihr Kind mittels Tragevorrichtung getragen hatten, machten

keine Angabe, seit welchem Lebensmonat sie ihr Kind zu tragen begonnen hatten, was

einem Anteil von 13% entspricht. Aus diesem Grund sind auch die gültigen Prozente

in der nachfolgenden Häufigkeitstabelle aufgelistet:

Tabelle 17: Tragebeginn in Monaten

Häufig-

keit Prozent Gültige

Prozente Gültig ab Geburt 9 8,0 9,2 ab 1.

Lebensmonat 33 29,2 33,7

ab 2. Lebensmonat 17 15,0 17,3

ab 3. Lebensmonat 25 22,1 25,5

ab 4. Lebensmonat 9 8,0 9,2

ab 5. Lebensmonat 2 1,8 2,0

ab 6. Lebensmonat 3 2,7 3,1

Gesamt 98 86,7 100,0 Fehlend System 15 13,3 Gesamt 113 100,0

Der durchschnittliche Tragebeginn liegt bei 2 Monaten mit einer Standardabweichung

von 1,5 Monaten.

Das Punktdiagramm soll visualisieren, ab welchem Lebensmonat die Eltern ihr Kind

zu tragen begonnen haben. Die Anzahl der Kreise entspricht der absoluten Häufigkeit:

Grafik 18: Tragebeginn

Page 62: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

55

- Tragehilfe

Die Art der Tragevorrichtung wurde von 95 (84%) der tragenden Elternteile

angegeben. Tragetuch und Tragesack wurden von den meisten Eltern dem

Tragegestell vorgezogen. Fast 20% der Befragten benutzte eine Kombination aus

Tragesack, -tuch oder -gestell.

Tabelle 18: Tragehilfe

Häufigkeit Prozent Gültige

Prozente Gültig Tragetuch 33 29,2 34,7 Tragesack 35 31,0 36,8 Rucksack/Tragegestell 6 5,3 6,3 Kombination 21 18,6 22,1 Gesamt 95 84,1 100,0 Fehlend System 18 15,9 Gesamt 113 100,0

Die absoluten Häufigkeiten werden im Kreisdiagramm anteilhaft verbildlicht:

Grafik 19 Tragehilfe

Page 63: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

56

- Marke

Zur Marke der Tragevorrichtung äußerten sich 70% der tragenden Elternteile. Am

weitesten fand demnach die Marke „BabyBjörn“ Verbreitung mit 23%, gefolgt von

„Didymos“ mit 20% und „Wilkinet“, welches von 19% der Elternteile benutzt wurde.

Die restlichen Markenangaben werden in absoluten Häufigkeitszahlen, visualisiert in

Form der Kreise, im folgenden Punktdiagramm vorgestellt:

Grafik 20: Marke

Page 64: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

57

3.2.1.5 Körperliche Untersuchungsbefunde

- Schädelasymmetrie

Bei keinem der Kinder konnte eine Schädelasymmetrie festgestellt werden.

- Schultergeradstand

9 der untersuchten Kinder, entsprechend 5%, wiesen einen Schulterschiefstand auf.

Für die verbleibenden 95% konnte ein Geradstand der Schultern dokumentiert werden.

Grafik 21: Schultergeradstand

- Beckengeradstand

Bei 2 Kindern konnte ein Beckenschiefstand festgestellt werden. Die übrigen 99% der

Kinder wiesen einen Normalbefund auf.

Grafik 22: Beckengeradstand

Page 65: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

58

- Rückenform

Die Rückenform konnte für 177 der Probanden erfasst werden. 163 Kinder (90%)

wiesen einen in der Sagittalebene beurteilte, normale Rückenform aus. Bei 4% zeigte

sich ein Flachrücken, für 2% der Testpersonen ließ sich ein Rund- und für je etwa 1%

ein Hohl- und ein Hohlrundrücken dokumentieren. Die absoluten Häufigkeitsangaben

für die von der Norm abweichenden Rückenformen sollen durch das untenstehende

Kreisdiagramm ausgedrückt werden:

Grafik 23: Rückenform

- Rückenpathologie

12 der 180 auf Rückenpathologien untersuchten Kinder wiesen klinisch eine

skoliotische Wirbelsäulenveränderung auf, was einem Prozentsatz von etwa 7%

entspricht. Das detailliert aufgeschlüsselte Verteilungsmuster der erhobenen

Untersuchungsbefunde wird im Punktdiagramm in absoluten Häufigkeitszahlen in

Form von Kreisen verdeutlicht: Grafik 24: Rückenpathologie

Page 66: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

59

- Haltung

Die Haltung von 173 Kindern wurde beurteilt. Im Text sind die Prozentangaben

bezogen auf das Gesamtkollektiv wiedergegeben. Die gültigen Prozente sind

tabellarisch aufgelistet. Demnach wies 71% des Probandenkollektivs eine normale

Körperhaltung auf. Bei 13% stellte sich eine verstärkte Lordose im

Lendenwirbelsäulen-, bei knapp 10% eine verstärkte Kyphose im

Brustwirbelsäulenbereich dar. Bei etwa 2% lagen beide Krümmungen in verstärkter

Form vor. Im Unterschied zu den unter „Rückenform“ zusammengefassten Probanden,

konnten sich diese durch muskuläre Kompensation aus ihrer Haltung lösen. Am

häufigsten fand sich bei den Kindern, die nicht unter „normale Haltung“ eingestuft

werden konnten, die hervorgehobene Lendenwirbelsäulen-Lordose.

Tabelle 19: Haltung

Häufigkeit Prozent Gültige

Prozente Gültig verstärkte Kyphose 18 9,9 10,4 verstärkte Lordose 24 13,3 13,9 normal 128 70,7 74,0 verstärkte Lordose

& Kyphose 3 1,7 1,7

Gesamt 173 95,6 100,0 Fehlend System 8 4,4 Gesamt 181 100,0

Grafik 25: Haltung

Page 67: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

60

- Halteleistung

Die beim Matthiass-Test beurteilte Halteleistung von 170 Kindern ergab für 32% der

Kinder ein suffizientes Ergebnis. Bei 62% wurde die Halteleistung als insuffizient

erachtet. 6% der Kinder entzogen sich der Bewertung.

Grafik 26: Halteleistung

Page 68: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

61

3.2.1.6 Vergleich zwischen Tragehäufigkeit und körperlichem Befund

Im bevorstehenden Abschnitt soll die Ausprägung des Attributs „Tragehäufigkeit“ mit den

Merkmalsausprägungen, die aus der körperlichen Untersuchung hervorgegangen sind,

verglichen werden. Mit diesem Hintergrund ist das Gepräge der Variablen Tragehäufigkeit,

Schultergeradstand, Beckengeradstand, Rückenform, Rückenpathologie, Haltung und

Halteleistung in je zwei Merkmalsklassen zusammengefasst worden. Eine Übersicht über die

absoluten und relativen Häufigkeiten bietet folgende Tabelle. Dabei beziehen sich die

Prozentangaben auf das Merkmal „Tragehäufigkeit“. Darüber hinaus werden die absoluten

Häufigkeiten gesondert für jede Variable in Form eines Organigramms zur Geltung gebracht.

Tabelle 20: Vergleich zwischen Tragehäufigkeit und körperlichem Befund

Nicht oder selten getragen Gelegentlich, häufig oder täglich getragen

Ja 76 (97%) 93 (93%) Schultergeradstand

Nein 2 (3%) 7 (7%)

Ja 78 (100%) 98 (98%) Beckengeradstand Nein 0 (0%) 2 (2%)

Normal 74 (96%) 87 (89%) Rückenform Nicht normal 3 (4%) 11 (11%)

Ja 73 (94%) 93 (93%) Rückenpathologie Nein 5 (6%) 7 (7%)

Normal 53 (70%) 74 (78%) Haltung Nicht normal 23 (30%) 21 (22%)

Suffizient 21 (28%) 36 (38%) Halteleistung Insuffizient 53 (72%) 58 (62%)

Page 69: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

62

- Schultergeradstand

Für das kommende Organigramm soll an dieser Stelle eine exemplarische Erläuterung

folgen. Die danach folgenden Abbildungen sind analog zu interpretieren: Das

abgebildete Organigramm zeigt das Verhältnis zwischen untersuchter Schulterstellung

und Tragehäufigkeit. Es geht hervor, dass von den 169 Kindern, bei denen ein

Schultergeradstand festgestellt werden konnte, 76 nicht oder selten (97% der

insgesamt nicht oder selten getragenen Kinder) und 93 gelegentlich, häufig oder

täglich getragen worden sind (entsprechend 93% dieser Teilgruppe).

Grafik 27: Schultergeradstand

- Beckengeradstand Grafik 28: Beckengeradstand

Becken- geradstand

Ja (176)

Nein (2)

Nicht oder selten getragen (78)

Gelegentlich, häufig oder täglich getragen

(98)

Nicht oder selten getragen (0)

Gelegentlich, häufig oder täglich getragen

(2)

Schulter- geradstand

Ja (169)

Nein (9)

Nicht oder selten getragen

(76)

Gelegentlich, häufig oder täglich getragen

(93)

Nicht oder selten getragen

(2)

Gelegentlich, häufig oder täglich getragen

(7)

Page 70: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

63

- Rückenform

Grafik 29: Rückenform

- Rückenpathologie

Grafik 30: Rückenpathologie

Rücken- Pathologie

Ja (166)

Nein (12)

Nicht oder selten getragen

(73)

Gelegentlich, häufig oder täglich getragen

(93)

Nicht oder selten getragen

(5)

Gelegentlich, häufig oder täglich getragen

(7)

Normale Rückenform

Ja (161)

Nein (14)

Nicht oder selten getragen

(74)

Gelegentlich, häufig oder täglich getragen

(87)

Nicht oder selten getragen

(3)

Gelegentlich, häufig oder täglich getragen

(11)

Page 71: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

64

- Haltung

Grafik 31: Haltung

- Halteleistung Grafik 32: Halteleistung

Halte- leistung

Suffizient (57)

Insuffizient (111)

Nicht oder selten getragen

(21)

Gelegentlich, häufig oder täglich getragen

(36)

Nicht oder selten getragen

(53)

Gelegentlich, häufig oder täglich getragen

(58)

Haltung

normal (127)

nicht normal (44)

Nicht oder selten getragen

(53)

Gelegentlich, häufig oder täglich getragen

(74)

Nicht oder selten getragen

(23)

Gelegentlich, häufig oder täglich getragen

(21)

Page 72: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

65

Zusätzlich wurde die Häufigkeitsverteilung untersucht, wenn ein anderer

Tragehäufigkeitsbereich gewählt wird. Im vorigen Abschnitt wurden die

Häufigkeitsverteilungen auf die Subkollektive der nicht und selten getragenen zum einen und

der gelegentlich, häufig und sehr häufig getragenen Kinder zum anderen untersucht. In der

folgenden Tabelle werden die gelegentlich getragenen der Subklasse der nicht und selten

getragenen Kinder zugeteilt:

Tabelle 21: Vergleich zwischen klinischem Befund und Tragehäufigkeit

Tragehäufigkeitsbereich

Nicht, selten, gelegentlich

getragen

Häufig, sehr häufig

getragen

Gesamt

ja 111 (100%) 65 (97%) 176 Beckengeradstand nein 0 2 2

Gesamt 111 67 178

ja 108 (97%) 61 (91%) 169 Schulter-geradstand nein 3 6 9 Gesamt 111 67 178

nein 105 (95%) 61 (91%) 166 Rückenpathologie ja 6 6 12

Gesamt 111 67 178

normal 101 (92%) 60 (92%) 161 Rückenform nicht normal 9 5 14

Gesamt 110 65 175

normal 73 (69%) 54 (83%) 127 Haltung nicht normal 33 11 44

Gesamt 106 65 171

suffizient 35(34%) 22 (34%) 57 Halteleistung insuffizient 69 42 111

Gesamt 104 64 168

Deskriptiv lässt sich darlegen, dass der Anteil der Kinder mit normaler Haltung im

Subkollektiv der häufig und sehr häufig getragenen Kinder höher ist. Eine suffiziente

Halteleistung und eine normale Rückenform waren in beiden Subkollektiven prozentual

gleich häufig vertreten. Hinsichtlich Becken- und Schultergeradstand sowie Rückenpathologie

scheinen die relativen Anteile zu Gunsten der nicht, selten oder gelegentlich getragenen

Kinder ausgefallen zu sein. Es bleibt abzuwarten, ob ein prüfstatistisch signifikanter

Unterschied zugrunde liegt. Die Untersuchung folgt im prüfstatistischen Abschnitt.

Page 73: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

66

3.2.1.7 Instrumentell erhobene Werte

Von den 181 Kindern, die in die Studie aufgenommen worden sind, konnten insgesamt 146

einer Messung mit der MediMouse® unterzogen werden. Der Grund für die ausbleibende

Messung bei den übrigen Kindern war bedingt durch Zeitmangel der Eltern, durch Unruhe des

Kindes oder durch einen Gerätedefekt des Messinstrumentes. Von den 146 mittels

MediMouse® untersuchten Kindern konnten 124 einer zweiten Messung zugeführt werden.

Bei den Messdaten dieser doppelt untersuchten Kinder wurde zur Erhöhung der Genauigkeit

der Mittelwert aus beiden Messreihen berechnet. Die Lage- und Streuungswerte, berechnet

über alle gemessenen Kinder, finden sich in der folgenden Tabelle:

Tabelle 22: Lage- und Streuungswerte der Messdaten, berechnet über alle Kinder

N

Gültig Fehlend MW SD Varianz Spann-

weite Min Max

TH1/2 146,0 35,0 2,3 2,3 5,1 17,0 -8,5 8,5

TH2/3 146,0 35,0 4,3 2,0 4,0 11,0 ,0 11,0

TH3/4 146,0 35,0 5,0 1,7 3,0 11,5 1,5 13,0

TH4/5 146,0 35,0 4,5 1,7 3,1 11,0 1,0 12,0

TH5/6 146,0 35,0 4,3 1,4 2,1 7,0 1,0 8,0

TH6/7 146,0 35,0 4,7 1,5 2,2 7,0 1,5 8,5

TH7/8 146,0 35,0 5,1 2,7 7,3 31,5 1,0 32,5

TH8/9 146,0 35,0 3,6 1,6 2,4 9,0 -1,5 7,5

TH9/10 146,0 35,0 1,7 1,9 3,6 9,5 -3,5 6,0

TH10/11 146,0 35,0 -,7 2,1 4,4 15,5 -11,0 4,5

TH11/12 146,0 35,0 -,8 2,0 3,9 9,0 -5,5 3,5

TH12/L1 146,0 35,0 -,3 2,2 5,0 13,0 -8,0 5,0

L1/2 146,0 35,0 -2,7 2,3 5,5 12,0 -9,0 3,0

L2/3 146,0 35,0 -5,7 2,7 7,1 14,0 -13,0 1,0

L3/4 146,0 35,0 -7,1 2,8 7,6 22,0 -20,0 2,0

L4/5 146,0 35,0 -5,1 3,0 9,2 17,5 -11,5 6,0

L5/S1 146,0 35,0 -,5 3,8 14,1 17,0 -9,0 8,0

SakHG 146,0 35,0 13,8 6,3 40,2 36,0 -,5 35,5

BWS 146,0 35,0 33,2 7,6 58,3 37,5 13,5 51,0

LWS 146,0 35,0 -21,5 7,1 50,5 41,0 -38,0 3,0

Inklin. 146,0 35,0 2,7 3,4 11,8 20,5 -7,0 13,5

Länge 146,0 35,0 328,5 21,1 443,9 115,0 272,5 387,5

Page 74: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

67

Aus methodischen Gründen wurde zur weiteren Bestimmung eines Zusammenhangs zwischen

klinisch und instrumentell erhobenen Daten nur der Gesamtkrümmungswinkel der Brust-

sowie der Lendenwirbelsäule verwendet.

Zunächst soll eine tabellarische Darstellung der Mittelwerte für die globalen BWS- und LWS-

Krümmungswinkel in den Haltungssubklassen erfolgen:

Tabelle 23: Mittelwerte der globalen Krümmungswinkel in den Haltungssubklassen

Haltung

LWS- Krümmungs-winkel

BWS-Krümmungs-winkel

Gültig 15,0 15,0 N

Fehlend 3,0 3,0 Mittelwert -21,1 39,5 Standardabweichung 6,2 9,4 Minimum -31,5 13,5

verstärkte Kyphose

Maximum -11,0 51,0 Gültig 14,0 14,0

N Fehlend 10,0 10,0

Mittelwert -27,7 32,4 Standardabweichung 7,6 7,0 Minimum -38,0 23,5

verstärkte Lordose

Maximum -12,0 48,0 Gültig 110,0 110,0

N Fehlend 18,0 18,0

Mittelwert -20,8 32,9 Standardabweichung 6,6 6,9 Minimum -37,0 13,5

normal

Maximum 3,0 50,0 Gültig 1,0 1,0

N Fehlend 2,0 2,0

Mittelwert -31,5 30,5 Minimum -31,5 30,5

verstärkte Lordose & Kyphose

Maximum -31,5 30,5

Es wird deutlich, dass die Kinder mit hyperkyphotischer Haltung (insgesamt 15) im

Durchschnitt einen größeren BWS-Krümmungswinkel aufweisen als die Kinder mit normaler

Haltung. Ebenso stellte sich bei den Kindern mit verstärkter Lordose im Mittel (insgesamt 14)

ein höherer LWS-Krümmungswinkel dar als bei den Kindern mit normaler Haltung. Die

Überprüfung der Mittelwertunterschiede auf Signifikanz erfolgt im Kapitel „Prüfstatistik“.

Page 75: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

68

In gleicher Weise soll der Vergleich der Messdaten mit der klinisch erhobenen Rückenform

erfolgen. Analog zum Vergleich der Haltung mit den Messdaten erfolgte eine

Subklassifizierung der Probanden, die tabellarisch aufgeführt ist:

Tabelle 24: Mittelwerte der Krümmungswinkel in den Rückenform-Subkollektiven

Rückenform

BWS-Krümmungs-

winkel

LWS-Krümmungs-

winkel Gültig 129,0 129,0

N Fehlend 34,0 34,0

Mittelwert 33,5 -21,7 Standardabweichung 7,3 6,8 Varianz 53,4 45,6 Minimum 13,5 -38,0

normal

Maximum 51,0 3,0 Gültig 8,0 8,0

N Fehlend ,0 ,0

Mittelwert 27,6 -13,6 Standardabweichung 5,7 4,9 Varianz 33,0 24,5 Minimum 18,0 -20,5

Flachrücken

Maximum 36,5 -6,0 Gültig 3,0 3,0

N Fehlend ,0 ,0

Mittelwert 46,3 -25,2 Standardabweichung ,8 9,7 Varianz ,6 94,1 Minimum 45,5 -31,5

Rundrücken

Maximum 47,0 -14,0 Gültig 2,0 2,0

N Fehlend ,0 ,0

Mittelwert 31,8 -33,3 Standardabweichung 1,8 2,5 Varianz 3,1 6,1 Minimum 30,5 -35,0

Hohlrundrücken

Maximum 33,0 -31,5 Gültig ,0 ,0

Hohlrücken N Fehlend 1,0 1,0

Beim Flachrücken würde man weniger ausgeprägte Krümmungen erwarten als beim normalen

Rücken. Diese Annahme spiegelt sich in den Messwerten wieder: Sowohl für die Brust- als

auch für die Lendenwirbelsäule wurden im Durchschnitt geringere Krümmungswinkel

aufgezeichnet. Entsprechend würde man für den Rundrücken höhere BWS-

Krümmungswinkel und für den Hohlrundrücken höhere LWS- und BWS-Krümmungswinkel

vermuten. Diese Erwartung erfüllt sich für den Rundrücken, beim Hohlrundrücken ist der

Page 76: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

69

Wert für die thorakale Wirbelsäule zu niedrig im Vergleich zum Normalkollektiv. Für die

Kinder mit klinisch festgestelltem Hohlrücken liegen keine Messdaten vor.

Die Untersuchung von Becken- und Schultergeradstand sowie von Rückenpathologien im

Sinne einer Skoliose wird durch die Sagittalmessung nicht erfasst. Um Änderungen in der

Frontalebene mit der MediMouse® messen zu können, muss der Frontalmodus ausgewählt

werden, was bei der vorliegenden Arbeit nicht durchgeführt worden ist.

Abschließend soll noch der Vergleich zwischen der Matthiass-Test-Messung mit der klinisch

beurteilten Halteleistung erfolgen. Für 148 der 181 in die Studie aufgenommenen Kinder

konnten Messdaten mit der MediMouse® während des Matthiass-Tests erhoben werden.

Analysiert wurden wieder die globalen Thorakal- und Lumbalkrümmungen und zusätzlich die

Inklination. Die Inklination kann zur Beschreibung der Dorsalverlagerung des Körpers, die

beim Matthiass-Test aufgrund der Ventralverlagerung des Körperschwerpunktes

kompensatorisch zur Vermeidung eines Umfallens eintritt, herangezogen werden. Die

nächste Tabelle liefert eine Darstellung der statistisch relevanten Kenngrößen, wobei M1 für

die zu Testbeginn durchgeführte Messreihe und M2 für die am Testende durchgeführte

Messreihe steht. Die globalen Krümmungswinkel werden durch BWS bzw. LWS abgekürzt.

Bei einem Proband fehlt die zweite Messreihe. Vergleichend sind auch die Daten für die

Messung im aufrechten Stand (ohne Armhebung) aufgeführt:

Tabelle 25: Statistische Kenngrößen der Matthiass-Messungen

Aufrechter Stand M1 M2

BWS LWS Inkli-

nation BWS LWS Inkli-nation BWS LWS Inkli-

nation Gültig 146,0 146,0 146,0 149,0 149,0 149,0 148,0 148,0 148,0

N Fehlend 35,0 35,0 35,0 32,0 32,0 32,0 33,0 33,0 33,0

Mittelwert 33,2 -21,5 2,7 32,9 -26,9 -5,2 33,5 -29,1 -7,2 Standardabweichung 7,6 7,1 3,4 9,2 6,8 5,0 8,9 7,6 5,3 Varianz 58,3 50,5 11,8 84,8 46,9 24,9 78,9 57,8 28,1 Minimum 13,5 -38,0 -7,0 11,0 -43,0 -17,0 12,0 -53,0 -20,0 Maximum 51,0 3,0 13,5 57,0 -6,0 11,0 56,0 -7,0 9,0

Zu Beginn sollen die Messwertunterschiede zwischen erster und zweiter Matthiass-Messreihe

herausgearbeitet werden. Es zeigt sich eine Zunahme der Krümmungswinkel sowohl für den

thorakalen als auch, etwas ausgeprägter für den lumbalen Bereich. Die Inklination weist mit

einer Zunahme von 2° auf eine verstärkte Dorsalverlagerung bei der Abschlussmessung. Die

Veränderung der Messwerte spiegelt die Haltungseinnahme, die typischerweise beim

Matthiass-Test zu erwarten wäre, operationalisiert wieder. Eine Zunahme der Lendenlordose

Page 77: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

70

als auch der Brustkyphose sowie eine Dorsalverlagerung des Körpers sind charakteristische

Kompensationsmechanismen, die bei Verlagerung des Körperschwerpunktes nach ventral ein

Umfallen verhindern.

Im Vergleich zur Messung im aufrechten Stand ohne Armhebung fanden zu Beginn des Tests

im Mittel eine leichte Abnahme des Kyphosewinkels sowie eine deutliche Zunahme des

Gesamtlordosewinkels statt. Anhand des Inklinationswinkels erkennt man ein Umschlagen

des Winkelwerts vom positiven in den negativen Bereich, was für eine deutliche

Dorsalverlagerung spricht.

Inwiefern die Messwerte der klinisch beurteilten Halteleistung entsprechen, soll nachfolgend

untersucht werden:

Tabelle 26: Vergleich zwischen Matthiass-Messungen und Halteleistung

Aufrechter Stand M1 M2

Halte-leistung

BWS LWS Inklination BWS LWS Inklination BWS LWS Inklination

Gültig 46,0 46,0 46,0 47,0 47,0 47,0 47,0 47,0 47,0 N

Fehlend 12,0 12,0 12,0 11,0 11,0 11,0 11,0 11,0 11,0

MW 33,2 -21,3 3,5 30,9 -26,8 -3,6 32,0 -27,7 -4,5

SD 7,1 5,1 2,6 8,3 6,8 5,3 7,4 5,9 4,9

Varianz 51,0 26,3 6,6 68,9 46,3 28,0 55,1 34,7 23,9

Min 18,0 -37,0 -1,5 11,0 -40,0 -11,0 19,0 -41,0 -12,0

suffizient

Max 47,0 -12,0 10,0 46,0 -6,0 11,0 52,0 -12,0 9,0

Gültig 92,0 92,0 92,0 98,0 98,0 98,0 97,0 97,0 97,0 N

Fehlend 20,0 20,0 20,0 14,0 14,0 14,0 15,0 15,0 15,0

MW 33,7 -21,2 2,4 34,1 -26,9 -6,0 34,4 -29,8 -8,6

SD 7,7 7,8 3,5 9,5 7,0 4,7 9,5 8,4 5,0

Varianz 59,1 60,3 12,5 90,7 49,1 21,8 89,3 69,9 25,5

Min 13,5 -38,0 -5,0 15,0 -43,0 -17,0 12,0 -53,0 -20,0

insuffizient

Max 51,0 3,0 13,5 57,0 -9,0 6,0 56,0 -7,0 5,0

Betrachtet man zunächst die für die globalen Krümmungswinkel berechneten Mittelwerte, so

ist zwischen haltungssuffizienten und insuffizienten Kindern beim aufrechten Stand ein

maximaler Unterschied von 0,5° zu verzeichnen. Bei Anheben der Arme zu Beginn des

Matthiass-Tests zeigen die haltungsinsuffizienten Testpersonen im Durchschnitt einen

größeren Globalwinkel. Dieser Unterschied ist für den lumbalen Wirbelsäulenabschnitt

Page 78: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

71

lediglich gering ausgeprägt. Hingegen beträgt die Mittelwertsdifferenz für den thorakalen

Abschnitt knapp über 3° und ist somit ausgeprägter als für den lumbalen Bereich. Bei

Testabschluss differieren die Messdaten bei den als insuffizient eingestuften Kindern sowohl

im thorakalen als auch im lumbalen Bereich im Mittel um mehr als 2°.

Betrachtet man die Inklinationswinkel, so sind diese im Durchschnitt bei allen Messreihen bei

der Subklasse der haltungsinsuffizienten Kinder kleiner. Die Differenz ist mit 4,1° am

markantesten bei der zweiten Matthias-Messung. Das bedeutet, dass die

haltungsinsuffizienten im Vergleich zu den haltungssuffizienten Probanden den Körper weiter

nach dorsal verlagern, um das Gleichgewicht halten zu können.

Die Prüfung auf Signifikanz findet sich im nachstehenden Abschnitt.

3.2.2 Prüfstatistik

In diesem Kapitel soll die statistische Überprüfung der mithilfe der deskriptiven Statistik

aufgeführten Vergleiche erfolgen. Es wird analysiert, ob eine statistisch signifikante

Beziehung zwischen klinischem Untersuchungsbefund und Tragehäufigkeit besteht. Des

Weiteren soll verifiziert werden, ob ein tatsächlicher Zusammenhang zwischen den klinisch

erhobenen Befunden und den mittels MediMouse® ermittelten Messwerten besteht.

3.2.2.1 Beziehung zwischen Tragehäufigkeit und klinischem Befund

Mittels Chi-Quadrat-Test wurde überprüft, ob eine Beziehung zwischen der Tragehäufigkeit

und den oben aufgeführten Merkmalen besteht. Eine Übersicht über die Chi-Quadrat-Werte

nach Pearson gibt die nachstehende Tabelle wieder:

Tabelle 27: Chi-Quadrat-Werte

Chi-Quadrat nach Pearson Schultergeradstand/Tragehäufigkeit 0,180 Beckengeradstand/Tragehäufigkeit 0,209 Rückenform/Tragehäufigkeit 0,076 Rückenpathologie/Tragehäufigkeit 0,876 Haltung/Tragehäufigkeit 0,225 Halteleistung/Tragehäufigkeit 0,178

Es geht hervor, dass sich alle Signifikanzwerte > 0,05 erwiesen, weshalb angenommen

werden muss, dass keine Beziehung besteht. Dies gilt, wenn die gelegentlich getragenen mit

in die Klasse der häufig und sehr häufig getragenen Kinder einbezogen werden. Nachfolgend

Page 79: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

72

sind auch die Ergebnisse des Chi-Quadrat-Tests aufgeführt, wenn die gelegentlich Getragenen

der Subkollektive der nicht und selten getragenen Probanden zugewiesen werden:

Tabelle 28: Chi-Quadrat-Werte bei geändertem Tragehäufigkeitsbereich

Chi-Quadrat nach Pearson Schultergeradstand/Tragehäufigkeit 0,065 Beckengeradstand/Tragehäufigkeit 0,067 Rückenform/Tragehäufigkeit 0,908 Rückenpathologie/Tragehäufigkeit 0,360 Haltung/Tragehäufigkeit 0,039 Halteleistung/Tragehäufigkeit 0,924

Bei dieser Prüfung geht hervor, dass mit einem p-Wert von 0,039 ein signifikanter

Unterschied zwischen den Subklassen hinsichtlich der klinisch erfassten Ausprägung der

Haltungsvariablen vorliegt. Diese Signifikanz fällt jedoch zugunsten des häufig und sehr

häufig getragenen Probandenkollektivs aus: Die beobachtete relative Häufigkeit

abweichender Haltungsvarianten beträgt bei diesem knapp 17%, wohingegen eine

normabweichende Haltung in der nicht, selten und gelegentlich getragenen Gruppe bei rund

31% beobachtet wurde.

3.2.2.2 Beziehung zwischen MediMouse®-Werten und klinischem Befund

Mittels t-Test wurde nun überprüft, ob die Mittelwertunterschiede zwischen den

Subkollektiven zufälliger Natur entstanden sind oder ob sich die Messdaten systematisch

unterscheiden. Hierzu wurde zum einen die Gruppe der Kinder mit verstärkt kyphotischer

Haltung mit denen, die eine normale Haltung während der klinischen Untersuchung

aufzeigten auf Mittelwertunterschiede bei der Ausprägung des globalen BWS-

Krümmungswinkels untersucht. Zum anderen wurde die Klasse der Kinder mit vermehrter

LWS-Lordose mit denen der Klasse der normalen Haltung auf Mittelwertunterschiede

bezogen auf den globalen LWS-Krümmungswinkel untersucht. Es resultierten folgende

Ergebnisse:

- Die Untersuchung des Mittelwertunterschieds auf Signifikanz zwischen Kindern, die

klinisch eine normale Haltung aufwiesen und denen mit verstärkter Kyphose ergab

einen p-Wert von 0,001, was deutlich unter dem Signifikanzniveau von 0,05 liegt.

Daraus lässt sich folgern, dass der Unterschied zwischen den Mittelwerten (39,5 bei

den Kindern mit kyphotischer Haltung und 32,9 bei denen mit normaler Haltung) mit

95%iger Wahrscheinlichkeit nicht zufällig entstanden ist.

Page 80: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

73

- Auch bei der Untersuchung des Mittelwertunterschieds zwischen den Kindern mit

Hyperlordose und denen mit normaler Haltung ergab sich ein p-Wert von 0,000. Es

besteht demnach ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den verglichenen

Mittelwerten (-20,9 bei den Probanden mit normaler Haltung; -27,7 bei den Probanden

mit Hyperlordose).

Zusätzlich wurde die Frage überprüft, ob ein Zusammenhang zwischen den Messergebnissen

und klinisch diagnostizierter Rückenform vorherrscht. Diesbezüglich wurden mittels t-Tests

die Mittelwerte der globalen Krümmungswinkel der Kinder mit normaler Rückenform mit

denen der Kinder mit abweichender Rückenform verglichen und die Unterschiede auf

Signifikanz untersucht:

- Der Mittelwertunterschied hinsichtlich des globalen BWS-Krümmungswinkels

zwischen Kindern mit normaler und Kindern mit hyperkyphotischer Rückenform

stellte sich mit einem p-Wert von 0,003 als signifikant heraus.

- Gleichermaßen erwiesen sich die Unterschiede zwischen den Mittelwerten der

Probanden mit normalem Rücken und mit Flachrücken bezüglich des thorakalen als

auch des lumbalen Globalwinkels mit einer Zufallswahrscheinlichkeit von 0,025 und

0,001 als signifikant.

- Bezüglich der Messdaten für die Testpersonen mit nachgewiesenem Hohlrundrücken

ergab sich mit einem p-Wert von 0,017 nur ein signifikanter Unterschied für den

lumbalen Krümmungswinkel. Bezüglich des thorakalen Globalwinkels belief sich die

Zufallswahrscheinlichkeit auf einen Wert von 0,730, was die Annahme, dass kein

signifikanter Unterschied besteht, bestätigt.

Des Weiteren diente der t-Test zur Signifikanzprüfung der Mittelwertunterschiede zwischen

klinisch bewerteter Halteleistung und gemessener Winkeländerung:

- Zunächst wurden die 1. und 2. Matthiass-Messreihe miteinander verglichen. Dabei

ergab sich eine Winkeländerung von 0,6° für den globalen Kyphosewinkel, 2,1° für

den globalen Lordosewinkel und ebenfalls 2,1° für die Inklination. Der t-Test für

gepaarte Stichproben ergab dabei einen signifikanten Mittelwertunterschied für den

Lordosewinkel sowie die Inklination. Die Irrtumswahrscheinlichkeit lag bei p = 0,000,

wohingegen die Irrtumswahrscheinlichkeit bezüglich der thorakalen Krümmung p =

0,204 betrug.

Page 81: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

74

Tabelle 29: t-Test-Ergebnisse

Gepaarte Differenzen

Mittelwert Sig. (2-seitig)

Paar 1 M1BWS - M2BWS -,6 ,204

Paar 2 M1LWS - M2LWS 2,1 ,000

Paar 3 M1Inklination - M2Inklination 2,1 ,000

- Die Zufallswahrscheinlichkeiten für den Vergleich der Mittelwertunterschiede

zwischen haltungssuffizienten und -insuffizienten Kindern sind untenstehend

tabellarisch aufgeführt. Bezüglich der ersten Matthiass-Messung unterscheiden sich

die Subklassen signifikant in ihren Kyphose- und Inklinationswinkeln. Bei der zweiten

Matthiass-Messung sowie der Messung gilt die Signifikanz des Mittelwertunterschieds

zwischen haltungssuffizienten und -insuffizienten Kindern nur für die Inklination.

Tabelle 30: Mittelwertvergleich zwischen den Halteleistungssubklassen

T-Test für Mittelwert-gleichheit

Sig. (2-seitig)

BWS ,047 LWS ,896 M1

Inklination ,005 BWS ,124 LWS ,126 M2

Inklination ,000 BWS ,725 LWS ,935 Aufrechter

Stand Inklination ,048

Page 82: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

75

4 Diskussion

Ziel dieser Arbeit war zum einen die Überprüfung eines Zusammenhangs zwischen dem

Tragen von Kleinkindern in Traghilfen und dem Auftreten von Haltungsanomalien bzw.

Rückenpathologien im Schulkindalter. Zur objektiven Erfassung der Rückenform bzw. der

Haltung wurde die MediMouse® als instrumentelle Messmethode eingesetzt. Die

Reproduzierbarkeit der von ihr ermittelten Werte galt es vorab zu verifizieren.

Im folgenden Kapitel sollen zunächst die Ergebnisse der prüfstatistischen Berechnungen

evaluiert werden. Im Sinne einer sachgemäßen und adäquaten Interpretation sollen

anschließend die Methoden und Ergebnisse der Studie kritisch revidiert werden. Es gilt

Probleme und Fehlerquellen zu identifizieren und deren Konsequenz für die Studienresultate

herauszuarbeiten.

4.1 Ergebnisevaluation Teil 1

Zweck des ersten Studienabschnittes war es, die Reproduzierbarkeit der mittels MediMouse®

erhobenen Daten zu überprüfen. Diesem Ziel lag das Prinzip wiederholter Messungen an elf

Kindern zugrunde. Jedes der elf Kinder, von denen drei Jungs und acht Mädchen waren,

wurde zu Hause besucht und zehn bis elf aufeinander folgenden Messungen unterzogen. Es

durften zur Aufnahme in die Studie keine orthopädischen Erkrankungen vorliegen. Das Alter

der Kinder lag zwischen fünf und sieben Jahren, was einen Vergleich zwischen den Kindern

gewährleistete. Pro einzelne Messreihe lieferte die MediMouse® 17 Werte für die

Segmentwinkel von TH1/2 bis L5/S1, einen Wert für die Beckenkippung (SakHG), je einen

Wert für die globale BWS- und LWS-Krümmung, einen Inklinationswert sowie eine

Längenangabe der Wirbelsäule. Es resultierten pro Messung demnach 22 Messdaten pro

Proband. Nach Überführen der Messdaten in das SPSS-Programm erfolgte die Berechnung

der Lage- und Streuungsmaße. Dies geschah für jeden der 22 Einzelwerte. Die tabellarische

Darstellung erfolgte für jeden der Probanden gesondert. Um einen Vergleich zwischen den

Standardabweichungen gewährleisten zu können, wurde zusätzlich der Variationskoeffizient

berechnet. Durch Angabe der Standardabweichung in Prozent des Mittelwertes konnte eine

Gegenüberstellung der Mittelwertsabweichungen der gemessenen Segmente umgesetzt

werden. Hier seien nochmals die Mittelwerte, Minima und Maxima der

Variationskoeffizienten für jeden Messwert tabellarisch dargestellt:

Page 83: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

76

Tabelle 31: mittlere Variationskoeffizienten

N Mittelwert Minimum Maximum TH1/2 11,00 78,30 14,92 473,33 TH2/3 11,00 24,46 15,40 52,50 TH3/4 11,00 27,15 17,94 42,54 TH4/5 11,00 31,54 12,13 55,67 TH5/6 11,00 28,23 10,60 74,78 TH6/7 11,00 23,10 10,31 55,22 TH7/8 11,00 28,87 11,84 110,08 TH8/9 11,00 33,97 17,93 57,20 TH9/10 11,00 50,06 19,82 140,00 TH10/11 11,00 186,22 33,02 500,00 TH11/12 11,00 65,13 16,59 152,44 TH12/L1 11,00 109,37 12,54 330,83 L1/2 11,00 35,02 14,78 106,00 L2/3 11,00 21,08 8,40 43,93 L3/4 11,00 15,61 7,42 36,31 L4/5 11,00 90,46 12,77 583,64 L5/S1 10,00 127,69 13,84 396,88 SakHG 11,00 42,43 10,18 160,00 BWS 11,00 10,31 5,90 17,15 LWS 11,00 12,56 6,93 20,63 Inklination 11,00 91,09 18,74 192,65 Länge 11,00 3,08 1,55 4,37

Bei der Interpretation der Variationskoeffizienten ist zu berücksichtigen, dass zur Berechnung

immer die absoluten Beträge der Messdaten herangezogen worden sind. Die negativen

Vorzeichen bei lordotischer Stellung der Wirbelkörper blieben unberücksichtigt. Stattdessen

ist der absolute Betrag in die Rechnung miteinbezogen worden. Beispielsweise errechnete

sich für das Segment L1/2 bei Proband 1 mit einem mittleren Winkel von -1,9 und einer

Standardabweichung von 0,74 ein Variationskoeffizient von 0,3895 entsprechend 38,95%

statt -0,3895. Dies macht insofern Sinn, als dass das Vorzeichen lediglich die Richtung der

Krümmung wiedergibt. Bei der Berechnung des Variationskoeffizienten wird aber lediglich

die Streuung der Werte um den Mittelwert in Relation zum Mittelwert gesetzt. Es handelt sich

bei dem Variationskoeffizienten also um einen Anteilswert; ob der mittlere Winkel dabei nach

ventral oder dorsal zeigt, ist prinzipiell irrelevant.

Zieht man zur Beschreibung der Reproduzierbarkeit von Messreihen den

Variationskoeffizienten heran, so darf dieser üblicherweise die 5%-Grenze nicht

überschreiten, damit man von wiederholbaren Werten sprechen kann. Dieses Kriterium

konnte in unserer Untersuchung lediglich von dem Längenmerkmal erfüllt werden. Hier liegt

der mittlere Variationskoeffizient bei 3,08%. Betrachtet man die restlichen

Variationskoeffizienten im Mittel, so sind teilweise Werte zu verzeichnen, die über 100%

betragen. Diese Werte finden sich in der Tabelle kursiv gedruckt und unterstrichen wieder.

Page 84: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

77

Das bedeutet, dass die Standardabweichung größer ist als der Mittelwert. Die erhebliche

Abweichung des Variationskoeffizienten von der geforderten 5%-Grenze kann verschiedene

Gründe haben:

- Der Mittelwert liegt nahe Null, sodass bei Bildung des Quotienten aus

Standardabweichung und arithmetischem Mittel der Variationskoeffizient hohe Werte

annimmt. Dies ist dann der Fall, wenn negative Winkelwerte in die Berechnung des

Mittelwertes einbezogen werden.

- Die Standardabweichung ist groß, d.h., dass die ermittelten Einzelwerte stark um ihren

Mittelwert streuen, was wiederum unterschiedlich begründet werden kann: Zum einen

kann es zu Fehlern bei der Haltungseinnahme kommen. Die Aufregung und

Empfindsamkeit der Kinder während der Untersuchung führt dazu, dass die Kinder

nur bedingt dieselbe Haltung wie bei der vorhergehenden Messung vorführen können.

Andererseits kann es bei sehr unruhigen Kindern zu Fehlern während der

Durchführung des Messvorgangs kommen. Durch die Berührung mit der

MediMouse® kommt es dann zu abrupten Bewegungen und Haltungsänderung. Die

Maus registriert die geänderten Werte, die dann natürlicherweise von den vorherigen

abweichen. Eine weitere Fehlerquelle kann beim Untersucher vermutet werden, der

die Einzelmessungen unterschiedlich schnell durchgeführt haben oder nicht präzise

genug die Kontur der Wirbelsäule abgefahren sein könnte.

Auffällig ist, dass die mittleren Werte für die Variationskoeffizienten der globalen

Krümmungswinkel relativ klein im Vergleich zu den übrigen Werten sind. So wird der

globale Wert für die Wirbelsäulenkrümmung weniger stark von der Abweichung nur

einzelner Segmentwinkel beeinflusst. Betrachtet man beispielsweise den globalen BWS-

Krümmungswinkel, so wird der Wert bei wiederholter Messung wieder annähernd der gleiche

sein, wenn etwa ein Teil der Segmentwinkel eine vermehrte Kyphose aufweist und ein

anderer Teil flacher gemessen wird. Die Differenzen gleichen sich bei Aufsummation

natürlicherweise aus.

Page 85: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

78

Bei der Berechnung des mittleren Variationskoeffizienten für die Längenwerte tritt ein im

Vergleich zu den übrigen Werten deutlich kleinerer Wert hervor. Nachstehend werden die

Minima, Maxima sowie deren Differenz tabellarisch für jeden der elf Probanden aufgeführt:

Tabelle 32: Längenwerte

Minima Maxima Differenz Proband 1 311 326 15 Proband 2 360 392 32 Proband 3 327 349 22 Proband 4 339 381 42 Proband 5 298 330 32 Proband 6 287 325 38 Proband 7 347 382 35 Proband 8 356 398 42 Proband 9 326 357 31 Proband 10 327 365 38 Proband 11 264 310 46 Mittlere Differenz 34

Die Längenangabe erfolgte jeweils in mm. Die Differenz zwischen dem größten und kleinsten

gemessenen Längenwert variiert zwischen 1,5 cm und 4,6 cm. Im Mittel beträgt die Differenz

3,4 cm. In der Interpretationsanleitung des Herstellers wird darauf hingewiesen, dass die

Rückenlänge als Kontrollparameter herangezogen werden kann. Die Länge sollte dabei in

gleicher Position nicht mehr als 1 cm abweichen. Das bedeutet, dass zwar der

Variationskoeffizient relativ klein ist, die Grenzangabe des Herstellers aber dennoch

überschritten wird. Der Grund für die Längenabweichungen kann in einer veränderten

Haltungseinnahme des Kindes begründet sein. So können laut Hersteller bei

Positionsänderung, z. B. von Aufrecht zu Flexion, Längenabweichungen von zwei bis acht cm

auftreten. Das lässt sich dadurch erklären, dass bei Verstärkung der Krümmung auch die zu

messende Strecke länger wird. Demgemäß verschiebt sich eine in aufrechter Haltung

positionierte Hautmarkierung über C7 bei Ventralflexion laut Hersteller um rund 1,5 cm nach

kranial, sodass C7 dann unterhalb der Markierung zu liegen kommt. Eine andere Ursache für

die Längenvariation kann in der veränderten Aufsetz- und Abbruchposition liegen. Die Start-

und Stoppstelle wurden zwar zuvor markiert, dennoch kann die Messung fehlerhaft zu früh

abgebrochen oder eine der beiden Positionen verfehlt worden sein. Des Weiteren wird in der

Arbeit von Schulz dargelegt, „dass die Haut in Abhängigkeit vom Anpressdruck

unterschiedlich stark gedehnt wird. Dadurch wird die gemessene Rückenlänge direkt

beeinflusst. Das System ist auf einen mittleren Anpressdruck kalibriert“ [50]. Steinbeis führt

an, dass es vorkommen kann, „dass man auf der Führungskufe gleitet, ohne dass das Rad

mitrollt und Signale abgegeben werden“ [55]. Ein solcher Zustand würde dazu führen, dass

Page 86: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

79

die Messstrecke zu kurz wiedergegeben wird. Auch eine Abschweifung von der

Dornfortsatzreihe im Verlauf der Messstrecke kann zu divergierenden Messresultaten führen.

Schlussfolgernd lässt sich in Anbetracht der Höhe der Variationskoeffizienten subsumieren,

dass die intraindividuellen Messungen nicht reproduzierbar waren. Sicherlich liegen diesem

Ergebnis vielfältige Ursachen zugrunde. Eine Schwierigkeit lag in dem Probandenkollektiv.

Da es sich ausschließlich um Kinder zwischen fünf und sieben Jahren handelte, war teilweise

nicht nur die Übermittlung des Haltungsauftrages schwierig, sondern auch dessen

Durchführung. Ein großer Teil der Probanden wurde während den aufeinander folgenden

Messungen unruhig und verlor die Ausgangsposition. Einige Kinder reagierten empfindlich

auf den Hautkontakt mit der MediMouse®, weshalb es zu abrupten Haltungsveränderungen

gekommen ist. Eine weitere Interferenzquelle stütz sich wohl auch auf den Besuch der Kinder

in ihrer gewohnten häuslichen Umgebung, was zu Konzentrationseinbußen bei den Kindern

geführt haben kann. Ebenso können ungenaue Messdurchführungen seitens des Untersuchers

ursächlich für die Werteschwankungen sein.

Um Aussagen über die Gerätegenauigkeit machen zu können, hätte man die Probanden in

einer Standardposition vermessen müssen, die einfach einzunehmen, aber nicht so einfach zu

verändern ist. Dies hätte man durch Einnahme einer Liegendposition gewährleisten können.

Die Fehlerquote durch Haltungsänderung zwischen den einzelnen Messungen wäre so

minimiert worden. Logischerweise fließt die apparative Reproduzierbarkeit in die

ganzheitliche Reproduzierbarkeit unter klinischen Bedingungen mit ein. In welchem Ausmaß

sie aber an der Inkonstanz der in dieser Studie ermittelten Werte beteiligt ist, lässt sich nur

sehr vage vermuten. Schulz ermittelte in ihrer Dissertationsschrift unter anderem die

apparative Reproduzierbarkeit der MediMouse® [50]. Zu diesem Zweck wurde an fünf

Probanden von je einem geübten und ungeübten Untersucher jeweils zehn bis zwanzig

Messungen in Bauchlage durchgeführt. Schulz errechnete eine durchschnittliche

Standardabweichung von 1,37° für die segmentalen Winkel. Die mittlere Streubreite für die

Messung an stehenden Probanden ergab einen Wert von 1,67°. Berechnet man nun den

Quotienten aus der mittleren Standardabweichung in Bauchlage und derjenigen in

Stehendposition so ergibt sich eine Relation von 82%. Hätte man in dieser Studie ebenfalls

die Standardabweichungen statt der Variationskoeffizienten zur Ermittlung der

Reproduzierbarkeit herangezogen, so hätte sich eine mittlere Standardabweichung der

Segmentwinkel in Stehendposition von 2,59° errechnet. Ginge man nun davon aus, dass 82%

dieser Standardabweichung durch apparative Ungenauigkeit zustande kommt, so ergäbe dies

eine Standardabweichung von 2,12° als Maß für die apparative Reproduzierbarkeit. Jedoch

Page 87: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

80

sind die von Schulz ermittelten Daten nicht fraglos mit den dieser Arbeit zugrunde liegenden

Werten zu vergleichen. Ein gewichtiger Unterschied liegt in dem untersuchten

Probandenkollektiv. Während das Alter der von Schulz untersuchten Probanden zwischen 18

und 56 lag, nahmen an dieser Studie nur Kinder mit einem maximalen Alter von sieben

Jahren teil. So kann vermutet werden, dass die Konzentration auf den erteilten

Haltungsauftrag und die Einnahme stets derselben Haltung über einen längeren Zeitraum,

nicht zuletzt aufgrund muskulärer Erschlaffung, bei Kindern schwieriger zu gewährleisten ist.

Deshalb ist davon auszugehen, dass auch der prozentuale Anteil der Streubreite in

Liegendposition (als Maß der apparativen Reproduzierbarkeit) an derjenigen in

Stehendposition (als Maß für die Reproduzierbarkeit unter klinischen Bedingungen) bei

Kindern geringer ausgeprägt ist, aus dem einfachen Grund heraus, dass die klinische

Reproduzierbarkeit bei Kindern dieses Alters geringer und damit die Streubreite der

ermittelten Werte im Stehen höher ist. Diese Annahme ändert aber nichts an den

schlussendlich hohen Standardabweichungen und Variationskoeffizienten, weshalb aufgrund

der bei dieser Untersuchung gewonnenen Ergebnisse postuliert werden muss, dass die

MediMouse® unter den während der Messung gegebenen Umständen und bei diesem

Alterskollektiv keine reproduzierbaren Messdaten liefert.

4.2 Ergebnisevaluation Teil 2

Der zweite Studienabschnitt befasst sich mit der Kernfrage der zugrunde liegenden

Untersuchung: Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Tragen von Kleinkindern in

Traghilfen und dem Auftreten von Haltungsanomalien bzw. Rückenpathologien im

Schulkindalter? Zur Erwiderung dieser Frage wurden 181 Kinder nach schriftlicher

Einverständniserklärung der Eltern untersucht. Die Untersuchung fand im Anschluss an die

Schuleingangsuntersuchung in einem separaten Raum innerhalb der Schule statt. Nach

Dokumentation personenbezogener Daten wie Alter und Geschlecht wurde jedem Proband

eine Identifikationsnummer zugewiesen. Anschließend erfolgte die klinisch-orthopädische

Untersuchung hinsichtlich Haltung und Rückenform. In einem zweiten Abschnitt schloss sich

die objektive Wirbelsäulenerfassung mittels MediMouse® an, was Untersucher-unabhängige

Resultate gewährleisten sollte. Die Halteleistung wurde sowohl klinisch-orthopädisch als auch

instrumentarisch erhoben. Trotz dass im vorhergehenden ersten Studienteil keine

Reproduzierbarkeit unter klinischen Bedingungen nachgewiesen werden konnte, sollen die

erhobenen Daten hier aufgeführt werden und zwecks Vollständigkeit in die Diskussion mit

einfließen. Während der Rückenanalyse durch einen vorher geschulten Untersucher waren die

Page 88: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

81

Eltern aufgefordert, einen zuvor ausgehändigten Fragebogen mit Items über die

Tragegewohnheit als auch über unmittelbar haltungsbeeinflussende Faktoren auszufüllen.

Dieser zweite Abschnitt der Studie inhärierte einige Erschwernisse, die sich als nur schwer

überwindbar erwiesen und die an dieser Stelle kritisch zusammengestellt werden sollen:

- Definitions- und Normwertproblematik

Im Einleitungsteil wurde bereits darauf verwiesen, dass der Haltungsbegriff nur

unzulänglich definierbar ist. Haltung ist immer nur eine statische Momentaufnahme

eines dynamischen Vorgangs. Haltung ist das multifaktorielle Resultat verschiedener

Einflussgrößen, weshalb sie sich in einem stetigen Wechsel befindet. Die Orientierung

an Normwerten bleibt deshalb problematisch. Um aber den Einfluss des Tragens auf

mutmaßliche Haltungsstörungen analysieren zu können, bedarf es der Erkennung

normabweichender Varianten. Die Norm ist aber nur schwierig zu determinieren und

wird häufig anhand visueller Charakteristika beschrieben. Dies wiederum birgt die

Gefahr des Objektivitätsverlusts. Staffels von visuell-ästhetischem Charakter

gezeichneter Definitionsversuch der Normalhaltung als „… die Haltung, welche der

schön gebaute, kräftige Mensch unwillkürlich zur Schau trägt, und in welcher sich das

spezifisch Menschliche am charakteristischsten und typischsten ausprägt“ [54] kann

von verschiedenen Untersuchern unterschiedlich interpretiert werden. Unabhängig

davon ist es aber für die Ermittlung der „charakteristischsten und typischsten“

Haltungen unabdingbar, zunächst das Charakteristische und Typische zu erkennen,

was Schulung und Erfahrung voraussetzt. Die Subjektivität und

Erfahrungsabhängigkeit der Untersuchungsbefunde stellen potenzielle Fehlerquellen

in der dieser Studie zugrunde liegenden Haltungsbeurteilung dar.

- Elternfragebogen

Das Ziel des Elternfragebogens war neben der Erfassung der Tragegewohnheiten der

Eltern die Erhebung potenziell haltungsbeeinflussender Faktoren. Dazu zählten neben

den Fragen nach Vorerkrankungen und familiärer Vorbelastung auch der Ermittlung

von Charaktereigenschaften dienliche Items. Die Relevanz der einzelnen Fragen

wurde bereits in 2.3 erläutert. Die Problematik der Fragebogenkonzeption liegt in der

Abhängigkeit von der Erinnerung der Eltern. Die Fragen nach Tragehäufigkeit, -art

und -marke bezogen sich auf einen mindestens 5 Jahre zurückliegenden Zeitraum. Die

Anfälligkeit für diesen so genannten Recall-Bias ist ein Nachteil retrospektiver

Page 89: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

82

Studien. Zur Vermeidung bietet sich lediglich die Option der Durchführung einer

prospektiven Untersuchung. Die Erinnerung an die Häufigkeit oder die Marke der

Tragehilfe sind störanfälliger, aber die Frage ob das Kind getragen wurde, konnte

grundsätzlich ohne Zweifel beantwortet werden.

Daneben war die Skalenbewertung bezüglich Schlaf, Charakter und Aktivität nicht

unproblematisch. Zum einen ist der interindividuelle Vergleich aufgrund der

Subjektivität schwierig, zum anderen bot die Skaleneinteilung lediglich drei

gekennzeichnete Markierungen (1, 5 und 10). Unklar war, ob ein Kreuz nur an den

markierten Bereichen erfolgen sollte oder ob auch die Linie zwischen den

Markierungen zur Beurteilung herangezogen werden durfte. Für die untersuchte

Fragestellung war die Skaleneinteilung dennoch ausreichend.

- Orthopädisch-klinische Untersuchung

Bei der orthopädisch-klinischen Untersuchung boten sich mehrere potenzielle

Fehlerquellen in der Befunderhebung dar.

Der Untersucher wurde lediglich einer Schulung unterzogen und war in der

orthopädischen Befundung von Haltungsanomalien unerfahren. Dies kann zum

Nachteil gehabt haben, dass eventuelle Normabweichungen unerkannt geblieben oder

Haltungseinnahmen falsch beurteilt worden sind. Obwohl starke

Wirbelsäulendeformitäten selbst für Laien einfach wahrzunehmen sind, stellen sich

leichte Formveränderungen, beispielsweise bei einer beginnenden Skoliose, für den

ungeübten Untersucher nicht auf Anhieb dar. So kann selbst bei Einnahme einer

Hilfsposition des Probanden, beispielsweise bei der Vornüberbeugung zur Erkennung

eines Rippenbuckels, eine subtil ausgeprägte, anfängliche Anomalie unerkannt bleiben

oder fälschlicherweise als Anomalie gedeutet werden. Da die Probanden nur einmalig

zur Untersuchung erschienen sind, bot sich auch keine Möglichkeit zur

Verlaufsbeurteilung. Realisierbar war deshalb nur eine Momentaufnahme der

aktuellen Gesamthaltung.

Diese Gesamthaltung steht unter dem Einfluss verschiedener Wirkfaktoren, worauf

einleitend hingewiesen worden ist. So war die Haltungseinnahme von der

Kooperation und der Verfassung des zu untersuchenden Kindes abhängig. Sehr

schüchterne Kinder konnten der Aufforderung, eine aufrechte Haltung mit Anhebung

des Kopfes einzunehmen, nur mühsam nachkommen. Für sehr aktive Kinder war es

schwierig, in der genannten Position bis zum Abschluss der Untersuchung zu

Page 90: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

83

verbleiben, was nicht zuletzt auch aufgrund der teilweise sehr niedrigen

Temperaturen in den Untersuchungsräumen schwer realisierbar war. Mangelnde

Mitarbeit kam auch zustande, da die Kinder zuvor bereits von der Schulärztin

eingehend untersucht worden waren.

- Untersuchung mit der MediMouse®

Bei der instrumentellen Haltungserfassung boten sich die bereits für den ersten

Studienabschnitt beschriebenen Schwierigkeiten dar. Es war darauf zu achten, dass das

Kind den Haltungsauftrag verstand und durchzuführen gewillt war. Während des

Messvorgangs mussten ein mittlerer Anpressdruck durchgehalten, Start- und Endpunkt

präzise gewählt und eingehalten werden. Diese Kriterien repräsentieren bei ungenauer

oder aufgrund des begrenzten Zeitrahmens zu schneller Durchführung mögliche

Fehlerherde. Zu bedenken ist auch, dass bei der MediMouse®-Messung im vorigen

Untersuchungsabschnitt bei einem gleichaltrigen Probandenkollektiv keine

reproduzierbaren Ergebnisse geliefert werden konnten.

Bei Begutachtung der rein statistischen Ergebnisse sollten immer auch die äußerlichen

Umstände, die zur Ergebnisfindung beigetragen haben, vergegenwärtigt werden. Deshalb ist

diese Abhandlung der Kritikpunkte vor der Ergebnisevaluation erfolgt. Folglich soll nun auf

die prüfstatistischen Resultate des zweiten Studienabschnitts eingegangen werden.

4.2.1 Vergleich zwischen Tragehäufigkeit und klinischem Befund

Bevor mittels Chi-Quadrat-Test überprüft wurde, ob ein signifikanter Zusammenhang

zwischen der Tragehäufigkeit und dem klinisch erhobenen Befund vorliegt, erfolgte im

deskriptiven Teil eine tabellarische Wiedergabe der absoluten und relativen Häufigkeiten der

Befunde in Bezug auf die Tragehäufigkeit. Als klinischer Befund wurden dabei der Schulter-

und Beckengeradstand, die Rückenform und -pathologie sowie die Haltung und Halteleistung

zusammengefasst. Zur erleichterten Veranschaulichung wurden die tabellarischen Werte

zusätzlich in Form von Organigrammen abgebildet. Zusätzlich wurden die Häufigkeiten bei

Variation des Tragehäufigkeitsbereichs analysiert. Die tabellarische Übersicht der

Häufigkeiten in den beiden Tragehäufigkeitsbereichen wird untenstehend nachgebildet:

Page 91: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

84

Tabelle 33: Vergleich zwischen Tragehäufigkeit und klinischem Befund

Tragehäufigkeitsbereich 1 Tragehäufigkeitsbereich 2 Nicht oder

selten getragen

Gelegentlich, häufig oder

täglich getragen

Nicht, selten oder

gelegentlich getragen

Häufig oder sehr häufig

getragen

Ja 76 (97%) 93 (93%) 108 (97%) 61 (91%) Schultergeradstand

Nein 2 (3%) 7 (7%) 3 (3%) 6 (9%) Ja 78 (100%) 98 (98%) 111 (100%) 65 (97%) Beckengeradstand

Nein 0 (0%) 2 (2%) 0 (0%) 2 (3%) Normal 74 (96%) 87 (89%) 101 (92%) 60 (92%) Rückenform

Nicht normal 3 (4%) 11 (11%) 9 (8%) 5 (8%) Ja 73 (94%) 93 (93%) 105 (95%) 61 (91%) Rückenpathologie

Nein 5 (6%) 7 (7%) 6 (5%) 6 (9%) Normal 53 (70%) 74 (78%) 73 (69%) 54 (83%) Haltung

Nicht normal 23 (30%) 21 (22%) 33 (31%) 11 (17%) Suffizient 21 (28%) 36 (38%) 35 (34%) 22 (34%) Halteleistung

Insuffizient 53 (72%) 58 (62%) 69 (66%) 42 (66%)

Bei Untersuchung des Tragehäufigkeitsbereichs 1 kann bereits bei oberflächlicher

Betrachtung der Werte das Ergebnis des Chi-Quadrat-Tests vermutet werden. Die relativen

Anteile variieren nur schwach zwischen den Getragenen und nicht Getragenen. Bei den

Kriterien Rückenform, Rückenpathologie, Haltung und Halteleistung fallen die Ergebnisse

sogar zugunsten des getragenen Kollektivs aus, d. h. dass der relative Anteil

normabweichender Untersuchungsbefunde bei den Kindern bezüglich dieser Kriterien

geringer ist. Die aufgrund visueller Beobachtung gemachte Annahme, dass kein signifikanter

Unterschied zwischen den beiden Kollektiven besteht, bestätigt sich im Chi-Quadrat-Test:

Alle Chi-Quadrat-Werte lagen oberhalb der 5%-Grenze, weshalb mit 95%iger

Wahrscheinlichkeit kein signifikanter Unterschied hinsichtlich der klinischen Befunde

besteht. Die augenscheinlichen Unterschiede sind demnach im Rahmen der

Irrtumswahrscheinlichkeit zufällig entstanden. Bei der Analyse der Häufigkeitsverteilungen

für den Tragehäufigkeitsbereich 2 konnten ähnliche Ergebnisse eruiert werden. Im

Unterschied zum ersten Tragehäufigkeitsbereich ergab sich für den zweiten aber ein

signifikanter Unterschied für die Ausprägung der Variablen „Haltung“. Demnach ist das

Auftreten klinisch erfasster normabweichender Haltungstypen signifikant häufiger im

Subkollektiv der nicht, selten und gelegentlich getragenen Kinder.

Für die zugrunde liegende Fragestellung bedeutet dieser Sachverhalt, dass das Tragen von

Kleinstkindern in Tragevorrichtungen weder negative Auswirkungen auf die

Haltungsentwicklung noch auf die Entwicklung von Wirbelsäulendeformitäten mit sich zieht.

Page 92: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

85

4.2.2 Vergleich zwischen MediMouse®-Werten und klinischem

Befund

Obschon im vorangegangen Abschnitt gezeigt wurde, dass keine reproduzierbaren Ergebnisse

zu erwarten sind, wird hier nochmals der Vergleich zwischen den MediMouse®-Werten mit

der klinisch gestellten Diagnose angeführt werden. Im Abschnitt 3.2.2.2 wurde untersucht, ob

die instrumentell erhobenen Messwerte eine klinisch erwiesene, normabweichende Haltung,

Rückenform und Halteleistung wiederzugeben vermögen. Als Vergleichsparameter wurden

die globalen BWS- und LWS-Winkel herangezogen. Wie bereits zuvor ausgeführt wurde,

unterliegt der globale Wert für die Wirbelsäulenkrümmung weniger stark den Abweichungen

einzelner Segmentwinkel, da er sich durch Aufsummation letztgenannter bildet. So machte

auch Mannion in seiner klinischen Studie die Feststellung, dass die MediMouse® reliable

Werte für die globalen Regionen, nicht aber für die kleineren Segmente liefert [34].

Es sollte nun eruiert werden, ob beispielsweise ein Kind mit einer klinischen Hyperlordose

bei der MediMouse®-Messung einen größeren LWS-Krümmungswinkel aufweist oder ob bei

einem Kind mit Rundrücken auch ein erhöhter BWS-Krümmungswinkel gemessen wird. In

diesem Sinn wurden die mittleren Krümmungswinkel für die Lenden- als auch die

Brustwirbelsäule in den einzelnen Subklassen kalkuliert. Anschließend wurde mittels t-Tests

analysiert, ob die gefundenen Mittelwertunterschiede zufälliger Natur entstanden sind. Im

Folgenden soll nochmals die tabellarische Darstellung der Mittelwerte der globalen Winkel in

den Haltungs- und Rücken-Subklassen erfolgen:

Tabelle 34: mittlere Gesamtkrümmungswinkel in den Haltungssubklassen

Haltung LWS-

Krümmungs-winkel

BWS-Krümmungs-

winkel normal -20,8 32,9 verstärkte Kyphose -21,1 39,5 verstärkte Lordose -27,7 32,4 verstärkte Lordose & Kyphose

-31,5 30,5

Die mittleren Krümmungswinkel der Kinder mit normal erachteter Haltung sind fett

hinterlegt. Hervorgeht, dass die Probanden mit hyperkyphotischer Haltung einen

durchschnittlich um 6,6° größeren BWS-Krümmungswinkel aufweisen. Außerdem ist

ersichtlich, dass diejenigen mit hyperlordotischer Haltung einen im Mittel um 6,9° größeren

LWS-Krümmungswinkel aufzeigen. Der t-Test auf Mittelwertgleichheit bestätigte, dass diese

Unterschiede mit p-Werten von 0,001 und 0,000 signifikant sind.

Page 93: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

86

Analog ist auch der Vergleich der Krümmungswinkel zwischen den Rückenform-Subklassen

zu deuten:

Tabelle 35: mittlere Gesamtkrümmungswinkel in den Rücken-Subklassen

Rückenform LWS-

Krümmungs-winkel

BWS-Krümmungs-

winkel normal -21,7 33,5 Flachrücken -13,6 27,6 Rundrücken -25,2 46,3 Hohlrundrücken -33,3 31,8

Der normale Rücken weist thorakal sowie lumbal stärker ausgeprägte Krümmungen vor, was

auch die MediMouse®-Daten widerspiegeln. Beim Rundrücken ist ein erachtenswerter

Unterschied nur für die Thorakalkyphose zu erwarten. Die Messungen ergaben einen im

Mittel um 12,8° größeren Globalwinkel für den BWS-Bereich, wohingegen der lumbale

Krümmungswinkel lediglich um durchschnittlich 3,5° größer ist, was dieser Erwartung völlig

entspricht. Die t-Test-Resultate belegten diese Mittelwertunterschiede als statistisch

signifikant. Beim Hohlrundrücken konnte ein signifikanter Unterschied nur bezüglich des

lumbalen Krümmungswinkels bestätigt werden.

Es stellt sich nun die Frage, wie es zustande kommt, dass ein Testverfahren, dessen

Vermögen, reproduzierbare Ergebnisse zu erzeugen, zuvor nicht bestätigt werden konnte, nun

Werte liefert, die mit dem klinischen Untersuchungsbefund übereinstimmen. Zur Klärung

dieser Frage bieten sich verschiedene Antwortalternativen, die vermutlich kollektiv den

positiven Ausfall der Testresultate geprägt haben:

- Ein Unterschied zwischen den Messungen des ersten und zweiten Studienabschnitts

liegt in der Anzahl der Wiederholungen: Während zur Reliabilitätsprüfung zehn bis elf

Messungen pro Proband durchgeführt worden sind, erfolgte im letzteren

Studienabschnitt zur Überprüfung eines Zusammenhangs zwischen Tragehäufigkeit

und Haltungsentwicklung maximal eine Wiederholung. Die Datensätze derjenigen

Probanden, die zwei Messungen unterzogen worden sind, wurden gemittelt. Dies ist

ein Erklärungsansatz dafür, dass sich die Messresultate näher an der tatsächlichen

Rückenform bzw. Haltung orientieren. Verständlicherweise stellen 10 im Gegensatz

zu 2 Messungen eine Herausforderung der Geduld der Probanden dar, was ebenfalls

ursächlich an der Entstehung variierender Messdaten beteiligt gewesen sein kann.

- Des Weiteren sind zur vergleichenden Prüfung der Übereinstimmung zwischen Klinik

und Messdatensatz jeweils die Globalwinkel herangezogen worden. Diese

Page 94: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

87

Globalwinkel errechnen sich durch Addition der einzelnen Segmentwinkel, wodurch

sich einzelne Abweichungen der Segmentwinkel wieder aufheben können.

- Nicht ungeachtet bleiben darf die Divergenz zwischen den Studienabschnitten

hinsichtlich der exogenen Untersuchungssituation: Beim ersten Abschnitt wurden die

Kinder bei sich zu Hause besucht und untersucht. Die Untersuchung in ihrer

heimischen Umgebung trägt natürlicherweise nicht den Status eines offiziellen

Arztbesuchs. Die Kinder sind zwar weniger angespannt, gleichzeitig reagieren sie aber

weniger konzentriert auf den ihnen erteilten Haltungsauftrag. Dementgegen sind der

Besuch bei der Schulärztin in einer ungewohnten Umgebung und die anschließende

MediMouse®-Untersuchung beim zweiten Studienabschnitt eine recht unpersönliche

und formelle Zusammenkunft. Die Kinder sind eher bestrebt, die von ihnen zur

korrekten Messdurchführung gewünschte aufrechte Haltung einzunehmen und diese

bis Abschluss der Messungen beizubehalten.

Diese Überlegungen geben Anlass, die Versuchsdurchführung im ersten

Untersuchungsabschnitt zu hinterfragen. Möglicherweise hätten die Wahl eines

standardisierten Untersuchungsraums zur Durchführung des Messvorganges sowie

zwischenzeitliche Messpausen zur Erholung der Kinder bzw. Liegendmessungen einen von

dem jetzigen Resultat differierenden Ergebnisausgang bewirkt. Ungeachtet dieser Faktoren,

zeugen diese signifikanten Mittelwertunterschiede auch von der Qualität der klinischen

Untersuchung. Sie verdeutlichen, dass abweichende Haltungs- und Rückenformen auch

klinisch als solche erkannt worden sind. Da die MediMouse®-Messungen stets nach der

klinisch-orthopädischen Untersuchung erfolgt sind, ist auch eine Untersucherbeeinflussung

durch die MediMouse®-Ergebnisse ausgeschlossen.

In diesem Zusammenhang ist nun noch die ausstehende Evaluation der Matthiass-Messreihen

zu beachten. Nachstehend aufgeführt ist eine Auflistung der Mittelwerte für die lumbalen und

thorakalen Gesamtkrümmungswinkel sowie für Inklination im aufrechten Stand, während der

ersten Matthiass-Messung und der 30 Sekunden im Anschluss erfolgten zweiten Matthiass-

Messung:

Tabelle 36: Vergleich zwischen Matthiass-Messungen

Aufrechter Stand M1 M2

BWS LWS Inkli-nation BWS LWS Inkli-

nation BWS LWS Inkli-nation

33,2 -21,5 2,7 32,9 -26,9 -5,2 33,5 -29,1 -7,2

Page 95: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

88

Der tabellarischen Aufstellung lässt sich entnehmen, dass sich bei unbemerkenswerter

Veränderung des thorakalen Winkels der lumbale Gesamtkrümmungswinkel um 5,4° bei

Einnahme der Matthiass-Position und um weitere 2,2° bei der zweiten Matthiass-Messung

vergrößert. Auch die Inklination erfährt eine Zunahme nach dorsal um 2,5° bei

Positionseinnahme und weitere 2° nach halbminütiger Einhaltung der Positur. Diese

Ergebniswiedergabe in metrischer Form reflektiert die klinisch-optische Beobachtung einer

verstärkten Lumballordose bei Armanhebung und Intensivierung dieser bei Beibehaltung

dieser Stellung. Auch die Rückwärtsneigung, wiedergegeben in Inklinationsgraden, zur

Vermeidung eines Vornüberkippens konnte bereits visuell nachvollzogen werden. Die

Messresultate sind also in sich stimmig und spiegeln die erwartete Veränderung der

Wirbelsäulenform wider. Der t-Test belegte die augenscheinlichen Unterschiede zwischen

den Messreihen mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von p = 0,000 sowohl für den

Lordosewinkel als auch für die Inklination als statistisch signifikant. Für den Kyphosewinkel

konnte kein signifikanter Unterschied nachgewiesen werden, was auch schon bei Betrachtung

der Tabelle nicht anzunehmen war. Weiterhin wurde mittels t-Tests untersucht, ob sich die

Messdaten zwischen haltungssuffizienten und -insuffizienten Kindern signifikant

unterscheiden. Folgende Tabelle veranschaulicht die Matthiass-Werte der ersten und zweiten

Messung sowie die Werte im aufrechten Stand für die Subkollektive der als haltungssuffizient

und -insuffizient erachteten Probanden:

Tabelle 37: Vergleich der Matthiass-Werte in den Halteleistungssubklassen

Aufrechter Stand M1 M2

Halte-leistung BWS LWS Inklination BWS LWS Inklination BWS LWS Inklination

suffizient 33,2 -21,3 3,5 30,9 -26,8 -3,6 32,0 -27,7 -4,5

insuffizient 33,7 -21,2 2,4 34,1 -26,9 -6,0 34,4 -29,8 -8,6

Nach eingehender Beschreibung der Datenlage im Kapitel 3.2.1.7 soll nun die Bedeutung der

Mittelwertvergleiche erörtert werden. Die t-Test-Analysen resultierten in der Annahme, dass

ein signifikanter Unterschied zwischen den Mittelwerten der Subklassen hinsichtlich des

globalen Thorakalwinkels sowie der Inklination bei der ersten Matthiass-Messung besteht.

Bezüglich der zweiten Messreihe konnte dieser Unterschied nur für den Parameter Inklination

als statistisch signifikant anerkannt werden. Geht man von reliablen Messwerten aus, so ist

aus dieser statistischen Testung zu folgern, dass sich die klinische Beurteilung der

Halteleistung vor allem an der Dorsalverlagerung orientierte. Regelgemäß wäre auch eine

Page 96: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

89

deutliche Vertiefung der Brustkyphose und der Lendenlordose zu erwarten gewesen. Die

Problematik an diesem Unterscheidungskriterium ist in der Tatsache begründet, dass es für

sich kein Unterscheidungskriterium ist, denn die meisten Probanden zeigten verstärkte

Wirbelsäulenkrümmungen sowie eine Dorsalverlagerung sowohl zu Beginn als auch

prägnanter am Ende der Matthiass-Prüfung. Das Unterscheidungskriterium liegt in der

Ausprägung dieser Veränderungen. So ist es ein Leichtes nachzuvollziehen, dass es der

Erfassung dieses teils subtil ausgeprägten Unterscheidungsattributs innerhalb eines im Grunde

muskelgesunden Probandenkollektivs einem geübten Auge bedarf. Durch die extreme

Verlagerung des Körperschwerpunktes nach dorsal kann aber eine Zunahme der

Krümmungen vorgetäuscht worden sein.

4.3 Schlussfolgerung

Abschließend soll an dieser Stelle wiederkehrend die dieser Dissertationsschrift elementare

Ausgangsfragestellung aufgegriffen werden und eine Gegenüberstellung mit den

herausgearbeiteten Studienergebnissen erfolgen.

1. Welche Reliabilität besitzt die MediMouse® in der unterstützenden Erfassung von

Haltungsschwächen?

Einräumend muss angeführt werden, dass die Reliabilität als solche nur partiell untersucht

worden ist. Das Testgütekriterium der Zuverlässigkeit umfasst verschiedene Formen, die in

ihren Ausprägungen in Kapitel 2.8.7 zusammengestellt worden sind. In dieser Arbeit ist

allenfalls die Intrarater-Reliabilität unter klinischen Bedingungen untersucht und als Maß

dafür der Variationskoeffizient herangezogen worden. Unter Berücksichtigung potentieller

Fehlerquellen und peripherer Begleitumstände, die womöglich am Ergebnisausgang

maßgeblich mitgewirkt haben, widerlegen die statistischen Ergebnisse des ersten

Studienabschnitts eine Wiederholbarkeit bei dem untersuchten Probandenkollektiv bei den

präsenten Gegebenheiten. Dies trifft insbesondere auf die Berechnung der einzelnen

Segmentwinkel zu. Dagegen erwiesen sich die zu den globalen Gesamtkümmungswinkel

gehörigen Variationskoeffizienten deutlich kleiner als die zu den Segmentwinkeln gehörigen.

Selbst wenn die 5%-Marke mit mittleren Variationskoeffizienten von knapp 10% für den

BWS- und 13% für den LWS-Bereich überschritten wird, so sind diese Globalwinkel doch als

Orientierungsmaß anwendbar. Im zweiten Studienabschnitt ist eine signifikante

Übereinstimmung der instrumentell erhobenen Daten mit dem klinischen Befund belegt

worden. Dieser Umstand muss zu Bedenken geben, dass die Beeinflussung der

Page 97: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

90

Begleitumstände im ersten Studienabschnitt zu Ungunsten des Testverfahrens höher als

erwartet war.

2. Wie hoch ist die Inzidenz von Haltungsinsuffizienzen im untersuchten Kollektiv?

Zur korrekten Beantwortung muss der Begriff der Haltungsinsuffizienz zunächst definiert

werden. Die Definitionsproblematik ist mit seinen vielseitigen Facetten bereits zu Beginn

erörtert worden. In diesem Zusammenhang ist Haltungsinsuffizienz als übergeordneter

Begriff für normabweichende Rückenformen, Haltungen oder Halteleistungen zu verstehen.

Im deskriptiven Untersuchungsabschnitt sind die absoluten und relativen Häufigkeiten

tabellarisch als auch bildlich veranschaulicht worden. Zur erleichterten Rückbesinnung

verhilft nachstehende Auflistung:

Tabelle 38: Haltungsinsuffizienzen im untersuchten Kollektiv

Abs. Häufigkeit Rel. Häufigkeit normal 163 90%

14 8% Flachrücken 8 4% Rundrücken 3 2% Hohlrundrücken 2 1%

Rückenform

Normabweichend

Hohlrücken 1 1% Normal 128 71%

45 25% Verstärkte Kyphose

18 10% Verstärkte Lordose

24 13% Haltung

Normabweichend

Verstärkte Kyph. & Lord. 3 2% Suffizient 58 32%

Halteleistung Insuffizient 112 62%

Bei Betrachtung der Datenlage ohne Berücksichtigung, dass noch keine Definition der

„Normalhaltung“ gerecht werden konnte, würden die Angaben von 8% normabweichender

Rückenformen und 25% normabweichender Haltung wohl große Überraschung hervorrufen,

zumal es sich bei dem untersuchten Kollektiv grundsätzlich um bislang orthopädisch

unauffällige Kinder handelte. Inwiefern die im Auge des beobachtenden Untersuchers als

„normabweichend“ erachteten Attribute pathogenitätsfördernde Eigenschaften besitzen, ist

weiterhin umstritten und außerdem auch abhängig von der Dauer der Einnahme dieser

einmalig bewerteten Haltung.

Page 98: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

91

3. Korrelieren die klinisch-subjektive und die instrumentell-objektive Untersuchung

miteinander?

Die instrumentell erhobenen Messwerte spiegeln größtenteils die klinisch erbrachten

Untersuchungsbefunde wider. Die nachstehende Übersicht stellt die p-Werte für die Prüfung

auf statistische Signifikanz zwischen den Untersuchungsmerkmalen und den MediMouse®-

Befunden zusammen:

Tabelle 39: Mittelwertvergleiche in den Haltungs-, Rücken- und Halteleistungssubklassen

p-Wert BWS LWS Inklination

Normalhaltung/Hyperkyphose 0,001 - - Normalhaltung/Hyperlordose - 0,000 - Normale Rückenform/Flachrücken 0,025 0,001 - Normale Rückenform/Rundrücken 0,003 - - Normale Rückenform/Hohlrundrücken 0,730 0,017 - Halteleistung suffizient/insuffizient (M1) 0,047 0,896 0,005 Halteleistung suffizient/insuffizient (M2) 0,124 0,935 0,000

Die unter dem Signifikanzniveau von p = 0,05 liegenden Werte sind fett und unterstrichen

hinterlegt. Es geht hervor, dass die instrumentellen Werte zu großen Teilen den klinischen

Befunden entsprechen. Die überwiegende Übereinstimmung der Messergebnisse mit der

klinischen Diagnose legt Zeugnis über das Niveau der klinischen Begutachtung und auch über

die Güte des Messverfahrens ab. Es muss jedoch wiederholt mit Nachdruck betont werden,

dass zur Überprüfung auf die aus 2 Messungen gemittelten Globalwinkel zurückgegriffen

worden ist.

4. Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Tragen des Kindes in

Tragevorrichtungen und der Ausbildung einer Haltungsinsuffizienz oder einer

Wirbelsäulenpathologie?

Anhand der aus dieser Studie hervorgegangenen Messdaten und klinischen Befunde von

insgesamt 181 Schulanfängern kann die Präsumtion, dass kein Zusammenhang besteht,

bestärkt werden. Für keinen der untersuchten klinischen Parameter konnte mittels Chi-

Quadrat-Test ein Zusammenhang mit der Tragehäufigkeit nachgewiesen werden. Alle im

prüfstatistischen Abschnitt vorgestellten Chi-Quadrat-Werte lagen oberhalb der

Signifikanzgrenze von 5%:

Page 99: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

92

Tabelle 40: Vergleich zwischen Tragehäufigkeit und klinischem Befund

Chi-Quadrat nach Pearson Schultergeradstand/Tragehäufigkeit 0,180 Beckengeradstand/Tragehäufigkeit 0,209 Rückenform/Tragehäufigkeit 0,076 Rückenpathologie/Tragehäufigkeit 0,876 Haltung/Tragehäufigkeit 0,225 Halteleistung/Tragehäufigkeit 0,178

Interpretierend bedeutet dies, dass kein signifikanter Unterschied zwischen getragenen und

nicht getragenen Kindern hinsichtlich der untersuchten und oben aufgelisteten Eigenschaften

besteht. Die Ausbildung von normabweichenden Haltungsvarianten oder Rückenformen

sowie Wirbelsäulenpathologien und Halteleistungsinsuffizienzen bleibt vom Tragen in

Tragevorrichtungen unabhängig. Der Mythos einer gesundheitsschädigenden Auswirkung des

Tragens konnte wissenschaftlich nicht belegt werden.

Page 100: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

93

5 Zusammenfassung

Die öffentliche Diskussion um einen potentiell wirbelsäulen- bzw. haltungsschädigenden Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern in Tragehilfen als wiedergekehrte Form der körpernahen und lebensbejahenden Betreuungs- und Transportmanier erweckte die Forderung nach einer wissenschaftlichen Belegung dieser These. Ziel dieser Arbeit war zum einen die Überprüfung eines Zusammenhangs zwischen dem Tragen von Kleinkindern in Traghilfen und dem Auftreten von Haltungsanomalien bzw. Rückenpathologien im Schulkindalter. Zur objektiven Erfassung der Rückenform bzw. der Haltung wurde die MediMouse® als instrumentelle Messmethode eingesetzt. Die Reproduzierbarkeit der von ihr ermittelten Werte galt es vorab zu verifizieren. Deshalb wurde die Studie in zwei Abschnitte gegliedert. Im ersten Studienabschnitt wurde die Reliabilität der MediMouse® hinsichtlich ihrer Eigenschaft, reproduzierbare Messergebnisse zu liefern, an elf Kindern im Alter zwischen fünf und sieben Jahren untersucht. Jedes dieser Kinder wurde zu Hause besucht und, je nach Durchhaltevermögen, zehn bis elf aufeinander folgenden Messungen unterzogen. Als Maß für die Reproduktivität wurde der Variationskoeffizient für die 22 Werte, die pro Einzelmessung und pro Proband resultierten, berechnet. Die Koeffizienten überschritten im Mittel alle bis auf den für das Längenmerkmal die 5%-Grenze, bis zu der man gewöhnlich von reproduzierbaren Messreihen ausgehen kann. Unter Berücksichtigung negativ beeinflussender exogener Faktoren konnte die Reproduzierbarkeit unter den zu dem Zeitpunkt gegenwärtigen äußeren Umständen bei dem untersuchten Alterskollektiv nicht nachgewiesen werden. Der zweite Studienabschnitt befasst sich mit der Prüfung der Kausalität zwischen dem Tragen des Kindes in einer Tragevorrichtung und der Entwicklung einer Haltungsinsuffizienz oder Wirbelsäulenpathologie. In einer retrospektiven Fall-Kontroll-Studie wurden 181 Kinder im Anschluss an die Schuleingangsuntersuchung sowohl klinisch-orthopädisch durch einen zuvor geschulten Untersucher als auch instrumentell mittels MediMouse® untersucht. Parallel erfolgte die Befragung der Eltern mittels Fragebogen nach psycho-sozialen Faktoren, die einen Einfluss auf die gegenwärtige Haltung ausgeübt haben könnten sowie nach ihren Tragegewohnheiten. Während der klinischen Untersuchung wurden Schulter- und Beckengeradstand, skoliotische Veränderungen, die Rückenform, bzw. bei Fähigkeit zur muskulären Kompensation die Haltung nach Staffel sowie die Halteleistung im Matthiass-Test beurteilt. Die nachfolgende instrumentelle Untersuchung sollte die klinisch erbrachten Ergebnisse untermauern und eine objektive Vergleichsgrundlage schaffen. Die mittels Chi-Quadrat-Test erbrachten Ergebnisse konnten die Annahme, dass das Tragen von Säuglingen in Tragevorrichtungen zu Haltungsschäden prädisponiert, nicht belegen. Die Ausbildung von normabweichenden Haltungsvarianten oder Rückenformen sowie Wirbelsäulenpathologien und Halteleistungsinsuffizienzen bleibt vom Tragen in Tragevorrichtungen unabhängig. Mithilfe des t-Test-Verfahrens erfolgte anschließend die Prüfung einer Übereinstimmung zwischen klinischer Diagnose und metrischer Datenwiedergabe. Es stellte sich heraus, dass die überwiegende Anzahl der klinisch untersuchten Parameter mit den in Form der instrumentell kalkulierten globalen Gesamtkrümmungswinkel kongruent waren. So sehr diese Analogie von der Güte der klinischen Untersuchung zeugt, muss sie doch Anlass für ein Überdenken der im ersten Studienabschnitt erbrachten These sowie der Versuchsbedingungen, aus der diese hervorgegangen ist, geben.

Page 101: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

94

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[34] MANNION, A., KNECHT, K., BALABAN, G., DVORAK, J., GROB, D.: Anew skin-

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[35] MANNS, A., SCHRADER, A.: Ins Leben tragen. Beiträge zur Ethnomedizin.

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[36] MATTHIASS: Die Bedeutung des Pubertätsablaufes für die Entstehung von

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[37] MONTAGU, A.: Körperkontakt. Die Bedeutung der Haut für die Entwicklung des

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[38] NEUGEBAUER, H.: Kyphometrische Untersunchung an 9000 Schülern in Österreich.

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[39] NEUGEBAUER, H.: Haltungsstörungen der Wirbelsäule, in Erkrankungen der

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[40] NIETHARD, FU.: Lehrbuch der Orthopädie. Hippokrates-Verlag Stuttgart 1992

[41] OKEN, L.: Lehrbuch der Naturphilosophie, Nachdruck der 3., neu bearbeiteten Auflage

Zürich, 1843, Georg Olms Verlag, 1991, S.500

[42] PIECK, C.: Die Skoliose – Wirbelsäule aus dem Lot. Orthopress 04/98, S. 52-59

[43] PRANGE, S., SCHMITZ, A., SCHULZE-BERTELSBECK, D., WALLNY, T.,

SCHUMPE, G., SCHMITT, O.: Ultraschalltopometrische Erfassung des Brustkyphose-

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[44] PREKOP, J.: Hättest du mich festgehalten – Grundlagen und Anwendung der Festhalte-

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[45] REEG, A.: Vergleichende Studie zur orthopädischen Gesundheit und sportmotorischen

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Vierweg & Sohn, Braunschweig/Wiesbaden 1978

[49] SCHIEFENHÖVEL, W.: Die menschliche Hüfte…In: W.M.Schleidt (Hg.). Der Kreis

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[50] SCHULZ, S.: Messung von Form und Beweglichkeit der Wirbelsäule: Validierung der

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Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität zu München (1999)

[51] SEICHERT, N.: Die Rückenmaus – Ein analog-digitales Messgerät zur Erfassung der

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[52] SENN, E.: Physikalisch-medizinische Überlegungen zu auffälligen Haltungsstörungen,

Klinik der Gegenwart, Urban & Schwarzenberg, München, Wien, Baltimore, September

1995

Page 105: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

98

[53] SIEFKES-WIEHN, H.: Primär- und Sekundärprävention von Rückenleiden durch

Rückenschulen. Analyse einer Literaturrecherche und eigener Umfragen zum Thema

Rückenschule. Dissertation im Fachbereich Erziehungswissenschaften, Institut für

Sportwissenschaft und Motologie – Bereich Sportmedizin – der Philipps-Universität

Marburg 2003

[54] STAFFEL, F.: Die menschlichen Haltungstypen und ihre Beziehung zu den

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[55] STEINBEIS, S.: Alters- und geschlechtsspezifische Normwerte von Rückenform und -

Beweglichkeit gemessen mit der „Rückenmaus“. Dissertation an der Medizinischen

Fakultät der Ludwig- Maximilians-Universität zu München (1999)

[56] STENING, W., NITSCH, P., WASSMER, G., ROTH, B.: Cardiorespiratory stability of

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[57] TIETZE, H.: Botschaften aus dem Mutterleib – Pränatale Eindrücke und deren Folgen.

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[58] TIMM, H.: Zur Objektivierung von Fehlhaltungen der Wirbelsäule. Z. Orthop. 1969,

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[60] WAGENHÄUSER, F.J.: Die Haltungsstörungen der Wirbelsäule. Vertebragene

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[62] WYDRA, G. : Zur Problematik von Normen in der Bewegungstherapie.

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[63] ZIMMER, K.: Gleichgewicht. Zeitschrift Geo 2/1993. S. 37-39

Page 106: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

99

7 Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Halteleistungstest bei einem haltungsgesunden Patienten [46]..........................13Abbildung 2: Halteleistungstest bei einem haltungsschwachen Patienten [46] .......................13Abbildung 3: Die verschiedenen Haltungstypen nach Staffel [40] ..........................................14Abbildung 4: Das Debrunner’sche Kyphometer [12] ..............................................................15Abbildung 5: Schulthess’scher Zeichenapparat [14]................................................................16Abbildung 6: Die Moiree-Topographie [18] ............................................................................16Abbildung 7: Die MediMouse®...............................................................................................18Abbildung 8: Interpretation der Segmentwinkel ......................................................................34

Page 107: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

100

8 Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Präsenz der Haltungsfehler in verschiedenen Untersuchungen [36].......................11Tabelle 2: Alters- und Geschlechtsverteilung ..........................................................................33Tabelle 3: Proband 1 (10 Wiederholungsmessungen)..............................................................35Tabelle 4: Proband 2 (10 Wiederholungsmessungen)..............................................................35Tabelle 5: Proband 3 (10 Wiederholungsmessungen)..............................................................36Tabelle 6: Proband 4 (11 Wiederholungsmessungen)..............................................................36Tabelle 7: Proband 5 (11 Wiederholungsmessungen)..............................................................37Tabelle 8: Proband 6 (11 Wiederholungsmessungen)..............................................................37Tabelle 9: Proband 7 (11 Wiederholungsmessungen)..............................................................38Tabelle 10: Proband 8 (11 Wiederholungsmessungen)............................................................38Tabelle 11: Proband 9 (10 Wiederholungsmessungen)............................................................39Tabelle 12: Proband 10 (11 Wiederholungsmessungen)..........................................................39Tabelle 13: Proband 11 (11 Wiederholungsmessungen)..........................................................40Tabelle 14: MWs, Minima, Maxima der 11 Probanden...........................................................41Tabelle 15: mittlere Variationskoeffizienten............................................................................42Tabelle 16: Tragehäufigkeit .....................................................................................................53Tabelle 17: Tragebeginn in Monaten .......................................................................................54Tabelle 18: Tragehilfe ..............................................................................................................55Tabelle 19: Haltung ..................................................................................................................59Tabelle 20: Vergleich zwischen Tragehäufigkeit und körperlichem Befund...........................61Tabelle 21: Vergleich zwischen klinischem Befund und Tragehäufigkeit ..............................65Tabelle 22: Lage- und Streuungswerte der Messdaten, berechnet über alle Kinder ................66Tabelle 23: Mittelwerte der globalen Krümmungswinkel in den Haltungssubklassen............67Tabelle 24: Mittelwerte der Krümmungswinkel in den Rückenform-Subkollektiven.............68Tabelle 25: Statistische Kenngrößen der Matthiass-Messungen..............................................69Tabelle 26: Vergleich zwischen Matthiass-Messungen und Halteleistung..............................70Tabelle 27: Chi-Quadrat-Werte ................................................................................................71Tabelle 28: Chi-Quadrat-Werte bei geändertem Tragehäufigkeitsbereich ..............................72Tabelle 29: t-Test-Ergebnisse...................................................................................................74Tabelle 30: Mittelwertvergleich zwischen den Halteleistungssubklassen ...............................74Tabelle 31: mittlere Variationskoeffizienten............................................................................76Tabelle 32: Längenwerte ..........................................................................................................78Tabelle 33: Vergleich zwischen Tragehäufigkeit und klinischem Befund ..............................84Tabelle 34: mittlere Gesamtkrümmungswinkel in den Haltungssubklassen............................85Tabelle 35: mittlere Gesamtkrümmungswinkel in den Rücken-Subklassen............................86Tabelle 36: Vergleich zwischen Matthiass-Messungen ...........................................................87Tabelle 37: Vergleich der Matthiass-Werte in den Halteleistungssubklassen .........................88Tabelle 38: Haltungsinsuffizienzen im untersuchten Kollektiv ...............................................90Tabelle 39: Mittelwertvergleiche in den Haltungs-, Rücken- und Halteleistungssubklassen ..91Tabelle 40: Vergleich zwischen Tragehäufigkeit und klinischem Befund ..............................92

Page 108: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

101

9 Grafikverzeichnis

Grafik 1: Altersverteilung.........................................................................................................43Grafik 2: Geschlechterverteilung .............................................................................................44Grafik 3: Größenverteilung ......................................................................................................44Grafik 4: Gewichtsverteilung ...................................................................................................45Grafik 5: Nationalität................................................................................................................45Grafik 6: Mütterlicher Schulabschluss .....................................................................................46Grafik 7: Väterlicher Schulabschluss .......................................................................................46Grafik 8: Laufbeginn ................................................................................................................47Grafik 9: Fernsehverhalten .......................................................................................................47Grafik 10: Schlafbewertung .....................................................................................................48Grafik 11: Charakterbewertung................................................................................................49Grafik 12: Aktivitätsbewertung................................................................................................49Grafik 13: Vorerkrankungen ....................................................................................................50Grafik 14: Entwicklungsauffälligkeiten ...................................................................................51Grafik 15: Physiotherapie.........................................................................................................51Grafik 16: Familiäre Erkrankungen..........................................................................................52Grafik 17: Tragehäufigkeit .......................................................................................................53Grafik 18: Tragebeginn ............................................................................................................54Grafik 19 Tragehilfe .................................................................................................................55Grafik 20: Marke ......................................................................................................................56Grafik 21: Schultergeradstand..................................................................................................57Grafik 22: Beckengeradstand ...................................................................................................57Grafik 23: Rückenform.............................................................................................................58Grafik 24: Rückenpathologie ...................................................................................................58Grafik 25: Haltung....................................................................................................................59Grafik 26: Halteleistung ...........................................................................................................60Grafik 27: Schultergeradstand..................................................................................................62Grafik 28: Beckengeradstand ...................................................................................................62Grafik 29: Rückenform.............................................................................................................63Grafik 30: Rückenpathologie ...................................................................................................63Grafik 31: Haltung....................................................................................................................64Grafik 32: Halteleistung ...........................................................................................................64

Page 109: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

102

10 Anhang

10.1 Informationsbogen

Liebe Eltern,

in diesem Jahr wird in einigen Stadtteilen Kölns an die Schuleingangsuntersuchung eine

eingehende Untersuchung der Körperhaltung der Schulanfänger angeschlossen.

Dies geschieht im Rahmen eines Forschungsprojektes in Zusammenarbeit mit der

Universitäts-Kinderklinik und der orthopädischen Klinik der Universität. Dabei wird zum

einen eine körperliche Untersuchung durch eine Doktorandin oder eine Ärztin der

Kinderklinik durchgeführt. Zum anderen möchten wir die Wirbelsäule mit einem

Computermouse-ähnlichen Messgerät kurz abfahren.

Da es bei der Untersuchung auch um einen Vergleich von ehemals getragenen (Tragehilfen)

mit nicht getragenen Kindern geht, möchten wir Sie bitten, einen weiteren kurzen Fragebogen

für uns auszufüllen. Alle Daten werden anonym erfasst.

Wir wären Ihnen für die Teilnahme Ihres Kindes an der Untersuchung dankbar.

Ihr Schulärzte-Team in Zusammenarbeit mit

Universitäts-Kinderklinik Köln, Dr. Waltraud Stening, Hilal Kavruk

Ich bin damit einverstanden, dass mein Kind hinsichtlich seiner Körperhaltung untersucht

wird und an der Studie teilnimmt.

Unterschrift Erziehungsberechtigter___________________________________________

Page 110: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

103

10.2 Elternfragebogen

Datum: _________________ Probandennummer:_______________

Ist Ihr Kind gekrabbelt? Ja Nein

Wann konnte Ihr Kind laufen? mit _____ Monaten

Gibt es einen Fall von Hüfterkrankung in Ihrer Familie? Ja Nein

Gibt es Erkrankungen der Wirbelsäule (z.B. Skoliose) in Ihrer Familie? Ja Nein

Wenn ja, welche?_________________________________________________________

Beurteilen Sie auf einer Skala von 1 bis 10...

Wie hat Ihr Kind in der letzten Nacht geschlafen?

gut 1--- ‌-- ‌-- ‌-- ‌--5--- ‌-- ‌-- ‌-- ‌--10 schlecht

Wie würden Sie den Charakter Ihres Kindes am ehesten beschreiben?

ängstlich 1--- ‌-- ‌-- ‌-- ‌---5--- ‌-- ‌-- ‌-- ‌--10 selbstbewusst

motorisch aktiv 1--- ‌-- ‌-- ‌-- ‌--5--- ‌-- ‌-- ‌-- ‌--10 motorisch inaktiv, ruhig

Guckt Ihr Kind mehr als 1,5 Stunden am Tag fern? Ja Nein

Haben Sie Ihr Kind als Säugling/Kleinkind in einer Tragehilfe getragen? Ja Nein

Wenn ja, welche Tragehilfe?

Tragetuch Tragesack Tragegestell/Rucksack

Marke: _____________________________

Seit welchem Lebensmonat? _________. Lebensmonat

In welchem Alter haben Sie Ihr Kind am häufigsten getragen? Mit ______Monaten.

Wie häufig pro Woche haben Sie Ihr Kind in dieser Zeit getragen?

selten (weniger als 1 x pro Woche)

gelegentlich (1-2 x pro Woche)

häufig (3-4 x pro Woche)

sehr häufig (täglich)

Page 111: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

104

10.3 Epidemiologische Daten

Datum: _________________ Probandennummer:_______________

Geburtsdatum:____________________________________________________________

Nationalität:______________________________________________________________

Geburtsmechanismus: Spontan Zange/Vakuum Sectio prim. Sectio sec.

Lage vor Geburt: Schädellage Beckenendlage Querlage

Maße bei Geburt: Gewicht _________g, Länge _______cm, Kopfumfang ______cm

Vorerkrankungen (Hüftdysplasie? KISS-Syndrom?):______________________________

________________________________________________________________________

Entwicklungsauffälligkeiten: ________________________________________________

Abgelaufene Physiotherapien (Manualtherapie?): ________________________________

Händigkeit: rechts links Größe:____________ Gewicht:___________

Schulabschluss:

Mutter: Hauptschule Realschule Abitur /Fachabitur keiner

Vater: Hauptschule Realschule Abitur /Fachabitur keiner

Beruf:

Mutter: __________________________________________________________________

Vater: __________________________________________________________________

Page 112: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

105

10.4 Untersuchungsbogen

Datum: __________________ Probandennummer:_______________

Klinisch orthopädischer Untersuchungsbefund:

Schultergradstand? Ja Nein

Beckengradstand/Beinlängendifferenz? Ja Nein

Schädelasymmetrie? Ja Nein

Fußfehlstellung? Ja Nein ______________________

Rückenform:

Normaler Rücken Rundrücken Hohlrundrücken Flachrücken

Rückenpathologie? Skoliose (Rippenbuckel, Lendenwulst, Taillendreieck-Asymmetrie)? Ja

Nein

Haltung verstärkte Kyphose verstärkte Lordose

Halteleistung im Matthiass-Test suffizient insuffizient

Page 113: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern

106

11 Lebenslauf

Persönliche Daten Geburtsdatum 20.11.1980

Geburtsort Wuppertal

Familienstand Ledig

Nationalität

Deutsch

Schulausbildung Gemeinschaftsgrundschule Hackenberg Remscheid

1986-1990

Röntgen-Gymnasium Remscheid

1990-1996

High-School Vermont, U.S.A.

1996-1997

Röntgen-Gymnasium Remscheid

1997-2000

Abitur

2000

Hochschulausbildung Studium der Zahnmedizin Universität zu Köln

2000-2001

Studium der Humanmedizin Universität zu Köln

2001-2007

Physikum 14.03.2003

Staatsexamen 22.11.2007