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Der Wert von Produktvielfalt: Wirkung großer Sortimente auf das Verhalten von Konsumenten DISSERTATION der Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften vorgelegt von Michael Riemenschneider aus Deutschland Genehmigt auf Antrag der Herren Prof. Dr. Andreas Herrmann und Prof. Dr. Torsten Tomczak Dissertation Nr. 3142 Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 2006

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Der Wert von Produktvielfalt:

Wirkung großer Sortimente auf das Verhalten von Konsumenten

DISSERTATION der Universität St. Gallen,

Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)

zur Erlangung der Würde eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften

vorgelegt von

Michael Riemenschneider

aus

Deutschland

Genehmigt auf Antrag der Herren

Prof. Dr. Andreas Herrmann

und

Prof. Dr. Torsten Tomczak

Dissertation Nr. 3142

Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 2006

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Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissen-schaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen.

St. Gallen, den 17. November 2005

Der Rektor:

Prof. Ernst Mohr, PhD

Die Arbeit erscheint unter dem Titel: „Der Wert von Produktvielfalt: Wirkung großer Sortimente auf das Verhalten von Konsumenten“, in Reinhold Decker, Franz-Rudolf Esch, Andreas Herrmann, Henrik Sattler, Herbert Woratschek (Hrsg.): Marken- und Produktmanagement, Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden, 2006.

ISBN 3-8350-0305-4

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I

Geleitwort

„Je mehr, desto besser“ lautete lange Zeit – und lautet häufig noch immer – die Devise von Unternehmen im Hinblick auf die Größe der von ihnen angebotenen Vielfalt an Produkten. Basis dieser Argumentation ist die Annahme, dass die Bedürfnisse von Konsumenten verschieden sind und durch eine höhere Anzahl von Produkten besser erfüllt werden können als durch eine geringe. Dieser Logik folgend ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Konsument ein seinen Bedürfnissen entsprechendes Produkt findet und kauft, bei großer Auswahl höher als bei kleiner.

Doch sowohl in der Praxis als auch in der Forschung wurden die Grenzen dieser Argumentation deutlich. So haben zahlreiche Forschungsarbeiten – in neuerer Zeit v.a. im Themenfeld der Konsumentenverwirrtheit – gezeigt, dass Konsumenten Schwierigkeiten mit der hohen Komplexität großer Vielfalt haben, in deren Folge sowohl ihre Kaufabsicht als auch Zufriedenheit sinkt.

Riemenschneider wendet sich mit seiner Arbeit dem Spannungsfeld hoher Produktvielfalt zu und erklärt mittels eines auf umfassender theoretischer Basis entwickelten Kosten-und-Nutzen-Ansatzes, welche positiven (Nutzen) und negativen (Kosten) Aspekte Konsumenten mit hoher Produktvielfalt verbinden und wie sich diese auf deren Verhalten auswirken. Die Ergebnisse der umfassenden und anspruchsvollen empirischen Untersuchungen verdeutlichen zum einen, dass (zu) große Sortimente aus Konsumenten – und somit auch aus Unternehmenssicht – mit deutlichen Nachteilen verbunden sind und „mehr“ nicht „besser“ sondern sogar „schlechter“ sein kann. Zum anderen verdeutlichen die Untersuchungsergebnisse Einflussstärke und Bedeutung einzelner positiver und negativer Facetten hoher Produktvielfalt auf das Entscheidungsverhalten und die Zufriedenheit von Konsumenten.

Die auf Basis des Modells abgeleiteten Erklärungsansätze hierfür sind sowohl für die Wissenschaft als auch für die Praxis relevant. So zeigt Riemenschneider anschaulich und auf umfassender theoretischer Basis die Zusammenhänge positiver und negativer Aspekte großer Sortimente mit dem Verhalten von Konsumenten auf und entwickelt ein Instrumentarium, diese zu messen.

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II

Für den Praktiker – insbesondere für Handelsunternehmen und Hersteller von Gebrauchs- und Verbrauchsgütern – leitet der Autor aus den Untersuchungsergeb-nissen umfassende praxisorientierte und pragmatische Handlungsempfehlungen zur Optimierung von Sortimenten und der Gestaltung des Marketing-Mix ab. Vor diesem Hintergrund wünsche ich der Arbeit eine weite Verbreitung.

Professor Dr. Andreas Herrmann

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III

Vorwort

Die stete Sortimentserweiterung von Handelsunternehmen und Herstellern von Ge- und Verbrauchsgütern verdeutlicht ebenso wie die Entstehung immer größerer Einkaufszentren und Gigastores, dass hohe Produktvielfalt für Unternehmen ein bedeutendes Marketinginstrument ist, um Konsumenten anzuziehen und zum Kauf zu motivieren. Gleichzeitig ist sowohl in der Praxis als auch in der Forschung eine intensiver werdende Diskussion der negativen Auswirkungen (über)großer Sortimente auf das Entscheidungsverhalten und die Zufriedenheit der Konsumenten zu beobachten. Aus der Sicht von Konsumenten hat hohe Produktvielfalt demnach sowohl positive als auch negative Aspekte, die beide ihr Verhalten beeinflussen. Der dieser Arbeit zu Grunde liegende Kosten- und Nutzenansatz identifiziert bedeutende positive und negative Facetten hoher Produktvielfalt, beschreibt Zusammenhänge zwischen diesen und dem Verhalten von Konsumenten und überprüft diese mittels umfassender empirischer Untersuchungen. Die hohe Praxisrelevanz des Themas und die Faszination der fachgebietsübergreifenden Fragestellungen bildeten die Motivation für diese Forschungsarbeit.

Bei den zahlreichen Personen, die mich hierbei direkt oder indirekt unterstützt haben, möchte ich mich an dieser Stelle bedanken:

Insbesondere und allen voran danke ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Andreas Herrmann. Er hat durch seine intensive Betreuung, seine konstruktiven Vorschläge und seine hohe Fachkompetenz wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Mein Dank gilt ebenso Herrn Prof. Dr. Torsten Tomczak für die Übernahme des Korreferats und seine praxisnahen Anregungen und konstruktiven Analysen, die nicht nur bei der Detaillierung der Fragestellung sehr hilfreich waren.

Bedanken möchte ich mich auch bei meinen ehemaligen Kollegen von The Boston Consulting Group. Insbesondere danke ich der Münchner Doktorandengruppe sowie Hrn. Dr. Fabian von Löwenfeld für intensive fachliche Diskussionen und willkommene Gespräche abseits der Promotion. Für die infrastrukturelle Unterstüt-zung im BCG-Büro in München bin ich besonders Georg Sticher und Dr. Kai Obring zu Dank verpflichtet.

Nicht zuletzt möchte ich meiner Mutter Elfriede Riemenschneider danken, die mein Studium intensiv unterstützt und damit diese Arbeit erst ermöglicht hat.

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IV

Lob gebührt auch Herrn Dr. Hans Kluth, der dankenswerterweise die mühselige Arbeit des Korrekturlesens übernahm.

Für die Unterstützung der empirischen Untersuchung möchte ich mich bei den Mediamarkt-Geschäftsführern Edel, Herter, Kreipl und Kretzschmar sowie bei den 710 Teilnehmern der Befragung bedanken.

Für ihre unschätzbare Hilfe danke ich schließlich meiner Freundin Vanessa Kluth. Ihre Geduld und ihr Verständnis halfen mir entscheidend, diese Arbeit zu vollenden.

München, im Dezember 2005 Michael Riemenschneider

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V

Inhaltsübersicht

1. Produktvielfalt und ihre Wirkung: Grundlagen und Zielsetzung der Arbeit 1 1.1 Die Bedeutung der Produktvielfalt aus Marketingsicht 1 1.2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstands 9 1.3 Struktur der weiteren Untersuchung 40

2. Theoretische Grundlagen der Untersuchung 42 2.1 Bestandsaufnahme: Empirische Forschungsergebnisse ausgewählter

Studien zum Zusammenhang von Produktvielfalt und Konsumentenverhalten 42

2.2 Grundlegende theoretische Perspektiven zur Erklärung des Zusammenhangs von Produktvielfalt und Konsumentenverhalten 68

2.3 Theoretische Bezugspunkte zur Erklärung der Kosten und Nutzen von Produktvielfalt 94

3. Messung von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt 187 3.1 Grundlagen der Messung von Konstrukten 187 3.2 Konzeptualisierung und Operationalisierung des Werts von

Produktvielfalt und seiner Kosten- und Nutzendimension 208 3.3 Pretest 230 3.4 Hauptuntersuchung 251 3.5 Zusammenfassung 300

4. Auswirkungen von Kosten und Nutzen der Vielfalt auf das Konsumentenverhalten 302 4.1 Methodik und Vorgehensweise bei der Analyse der Daten 302 4.2 Wirkung auf das Kaufverhalten 307 4.3 Wirkung auf die Kauf- und Nachkaufbewertung 310 4.4 Erweiterte Modelle und weiterführende Untersuchungen 341

5. Determinanten von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt 366 5.1 Sortimentseigenschaften als Determinanten 366 5.2 Empirische Untersuchung 373 5.3 Zusammenfassung 385

6. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse 387 6.1 Die Ergebnisse der Untersuchung aus Sicht der Marketingtheorie 387 6.2 Implikationen für die Unternehmenspraxis 397

Literaturverzeichnis 411

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VI

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VII

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung XIII

Abbildungsverzeichnis XV

Tabellenverzeichnis XXI

1. Produktvielfalt und ihre Wirkung: Grundlagen und Zielsetzung der Arbeit 1

1.1 Die Bedeutung der Produktvielfalt aus Marketingsicht 1

1.2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstands 9

1.2.1 Begriffliche Grundlagen 9

1.2.2 Identifikation relevanter Größen der Untersuchung: Ablauf von Kaufentscheidungen und die Rolle der Produktvielfalt 15

1.2.3 Zielsetzung, forschungsleitende Fragestellungen und Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands 28

1.2.3.1 Forschungsbedarf 28

1.2.3.2 Ziele der Untersuchung und Forschungsfragen 30

1.2.3.3 Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands 33

1.3 Struktur der weiteren Untersuchung 40

2. Theoretische Grundlagen der Untersuchung 42

2.1 Bestandsaufnahme: Empirische Forschungsergebnisse ausgewählter Studien zum Zusammenhang von Produktvielfalt und Konsumentenverhalten 42

2.1.1 Amos Tversky und Eldar Shafir (1992): Choice under Conflict: The Dynamics of Deferred Decision 42

2.1.2 Donald A. Redelmeier und Eldar Shafir (1995): Medical Decision Making in Situations That Offer Multiple Alternatives. 46

2.1.3 Ravi Dhar (1997): Consumer Preference for a No-Choice Option 49

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VIII

2.1.4 John Gourville und Dilip Soman (1999): Is More Choice Always Better? The Effect of Assortment Type on Consumer Choice 51

2.1.5 Sheena S. Iyengar und Mark R. Lepper (2000): When Choice is Demotivating: Can One Desire Too Much of a Good Thing? 58

2.1.6 Sheena Iyengar, Wei Jiang und Gur Huberman (2003): How Much Choice is Too Much? Contributions to 401(k) Retirement Plans 62

2.1.7 Zusammenfassung der Studien 65

2.2 Grundlegende theoretische Perspektiven zur Erklärung des Zusammenhangs von Produktvielfalt und Konsumentenverhalten 68

2.2.1 Die gegensätzlichen Hypothesen von Informationsdefizit und Informationsüberlastung 68

2.2.1.1 Die Hypothese des Informationsdefizits 69

2.2.1.2 Die Hypothese der Informationsüberlastung (Information Overload) 70

2.2.2 Die Theorie des Optimum Stimulation Level 80

2.2.3 Produktvielfalt und „The Tyranny of Freedom” 84

2.2.4 Zusammenfassung 90

2.3 Theoretische Bezugspunkte zur Erklärung von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt 94

2.3.1 Theorien zur Erklärung des Nutzens von Produktvielfalt 94

2.3.1.1 Nutzenerwartungswerttheorie und rationale Entscheidungstheorie 95

2.3.1.2 Hedonic Shopping Value 106

2.3.1.3 Zusammenfassung 121

2.3.2 Theorien zur Erklärung der Kosten von Produktvielfalt 122

2.3.2.1 The Cost of Thinking 122

2.3.2.2 Konflikt-Theorie 134

2.3.2.3 Antizipiertes Regret 158

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IX

2.3.3 Hypothesen und Modellentwicklung 176

2.3.3.1 Hypothesen zu Konsequenzen von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt 178

2.3.3.2 Hypothesen zu den Determinanten von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt 183

3. Messung von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt 187

3.1 Grundlagen der Messung von Konstrukten 187

3.1.1 Grundlagen der Konstruktmessung 187

3.1.1.1 Begriffliche Grundlagen 187

3.1.1.2 Das Messmodell im Kontext von Strukturgleichungsmodellen 190

3.1.2 Das Messmodell 192

3.1.2.1 Das reflektive Messmodell 194

3.1.2.2 Das formative Messmodell 197

3.1.2.3 Entscheidungskriterien zur Verwendung formativer oder reflektiver Messmodelle 204

3.1.3 Vorgehensweise bei der Entwicklung eines Messinstruments für den Wert von Produktvielfalt und seiner Dimensionen 207

3.2 Konzeptualisierung und Operationalisierung des Werts von Produktvielfalt und seiner Kosten- und Nutzendimension 208

3.2.1 Konzeptualisierung des Werts von Produktvielfalt 209

3.2.1.1 Konzeptualisierung des Nutzens von Produktvielfalt 210

3.2.1.2 Konzeptualisierung der Kosten von Produktvielfalt 211

3.2.2 Operationalisierung 214

3.2.2.1 Vorgehensweise und Quellen zur Generierung der Indikatoren 214

3.2.2.2 Operationalisierung des Nutzens von Produktvielfalt 217

3.2.2.3 Operationalisierung der Kosten von Produktvielfalt 222

3.2.2.4 Art der Messmodelle 226

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X

3.3 Pretest 230

3.3.1 Methodik und Gütekriterien 231

3.3.2 Untersuchungsdesign 237

3.3.3 Ergebnisse der Analysen 240

3.3.3.1 Faktoren der Nutzendimension 240

3.3.3.2 Faktoren der Kostendimension 245

3.3.3.3 Gesamtbeurteilung 248

3.4 Hauptuntersuchung 251

3.4.1 Analyseverfahren und Gütekriterien 251

3.4.1.1 Auswahl eines geeigneten Analyseverfahrens 251

3.4.1.2 Der PLS-Ansatz 253

3.4.1.3 Gütekriterien zur Beurteilung der Messmodelle 259

3.4.2 Untersuchungsdesign und Auswahl der Datensätze 273

3.4.2.1 Untersuchungsdesign 273

3.4.2.2 Auswahl der Datensätze 276

3.4.3 Ergebnisse der Analysen 278

3.4.3.1 Deskriptive und soziodemographische Analysen 278

3.4.3.2 PLS-Messmodell der Nutzendimension 283

3.4.3.3 PLS-Messmodell der Kostendimension 293

3.5 Zusammenfassung 300

4. Auswirkungen von Kosten und Nutzen von Vielfalt auf das Konsumentenverhalten 302

4.1 Methodik und Gütekriterien bei der Analyse der Daten 302

4.1.1 Methodik und Vorgehensweise 302

4.1.2 Gütekriterien zur Beurteilung des Strukturmodells 303

4.2 Wirkung auf das Kaufverhalten 307

4.3 Wirkung auf die Kauf- und Nachkaufbewertung 310

4.3.1 Messmodelle der endogenen Konstrukte 310

4.3.1.1 Operationalisierung der Konstrukte 310

4.3.1.2 Überprüfung der Messmodelle im Pretest 316

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XI

4.3.2 Ergebnisse des PLS-Modells der Hauptuntersuchung 323

4.3.2.1 Ebene 1: Messmodelle der endogenen Konstrukte 323

4.3.2.2 Ebene 2: Strukturmodell 328

4.3.2.3 Zusammenfassung 339

4.4 Erweiterte Modelle und weiterführende Untersuchungen 341

4.4.1 Erweitertes Strukturmodell 341

4.4.2 Einfluss von Beratungszufriedenheit und Preisführerschaft 343

4.4.2.1 Messung der Konstrukte Beratungszufriedenheit und Preisführerschaft 343

4.4.2.2 Der Einfluss von Beratungszufriedenheit und Preisführerschaft auf die Kaufentscheidung und Nachkaufbewertung 347

4.4.3 Personenimmanente Eigenschaften 352

4.4.3.1 Expertise 352

4.4.3.2 Optimum Stimulation Level (OSL) 358

4.4.4 Zusammenfassung 363

5. Determinanten der Kosten und Nutzen von Produktvielfalt 366

5.1 Sortimentseigenschaften als Determinanten 366

5.1.1 Potenzielle Einflussfaktoren des Sortiments 366

5.1.2 Operationalisierung der untersuchten Einflussfaktoren 369

5.2 Empirische Untersuchung 373

5.3 Zusammenfassung 385

6. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse 387

6.1 Die Ergebnisse der Untersuchung aus Sicht der Marketingtheorie 387

6.2 Implikationen für die Unternehmenspraxis 397

Literaturverzeichnis 411

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XII

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XIII

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Wirkung großer Sortimente auf das Verhalten von Konsumenten. Im Zentrum stehen dabei drei Fragen, die auf Basis eines Kosten- und Nutzenansatzes theoretisch und empirisch untersucht werden:

1. Welche positiven und negativen Aspekte verbinden Konsumenten mit hoher Produktvielfalt?

2. In welchem Zusammenhang stehen diese Phacetten mit dem Ausgang der Kaufentscheidung und der Bewertung von Kaufprozess und Produkt.

3. Durch welche quantitativen und qualitativen Eigenschaften des Sortiments werden Kosten und Nutzen von Produktvielfalt beeinflusst?

Die Untersuchungsergebnisse verdeutlichen, dass Konsumenten zum einen Spaß an hoher Vielfalt haben und mit ihr die Möglichkeit der Informationsgewinnung und eine große Chance des erfolgreichen Abschlusses der Kaufhandlung verbinden. Zum anderen fühlen sie sich durch hohe Vielfalt aber verwirrt, empfinden den Entscheidungsprozeß als geistig und emotional anstrengend und antizipieren Bedauern über die potenzielle Fehlentscheidung.

Mit Hilfe des entwickelten und empirisch getesteten Instrumentariums zur Messung von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt wird gezeigt, dass sich die Kosten hoher Produktvielfalt negativ auf die Kaufentscheidung und die Zufriedenheit des Konsumenten mit dem Kaufprozess und dem gekauften Produkt auswirken. Gleichzeitig gilt, dass die positiven Phacetten hoher Produktvielfalt das Konsumentverhalten positiv beeinflussen. Die Ergebnisse verdeutlichen sowohl die Verhaltensrelevanz des untersuchten Konstrukts als auch die konträren Effekte großer Sortimente im Hinblick auf das Verhalten von Konsumenten.

Für die Praxis ist insbesondere relevant, dass durch die Gestaltung des Sortiments Kosten und Nutzen von Produktvielfalt – und somit auch das Verhalten von Konsumenten – beeinflusst werden können. So zeigen die Ergebnisse u.a., dass sich (zu) hohe Vielfalt doppelt negativ auswirkt und sowohl die positiven Vielfaltaspekte abschwächt, als auch die negativen erhöht.

Auf Basis der Untersuchungserkenntnisse werden für den Praktiker konkrete und pragmatische Handlungsempfehlungen zur Optimierung der Sortimentsgestaltung abgeleitet.

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XIV

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XV

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Anzahl der PKW-Varianten und durchschnittlicher Marktanteil pro Variante in Deutschland von 1981 bis 2000 4

Abbildung 2: Der Wertgewinn 12

Abbildung 3: Der Wert von Produktvielfalt als mediierendes Konstrukt zwischen Sortiment und Konsumentenverhalten 14

Abbildung 4: Das Consumer-Decision-Process-Modell von Engel, Blackwell und Miniard 16

Abbildung 5: Entscheidungsmatrix in einer Kaufsituation 18

Abbildung 6. Aufwand und Genauigkeit von Entscheidungsstrategien 21

Abbildung 7: Grafische Veranschaulichung der Forschungsfragen 33

Abbildung 8: Eigenschaften verschiedener Arten von Kaufentscheidungen 38

Abbildung 9: Aufbau der Arbeit 41

Abbildung 10: Ergebnisse der Untersuchungen von Tversky/Shafir (1992) 45

Abbildung 11: Auswirkung verschieden hoher Alternativenzahl auf das Entscheidungsverhalten bei medizinischen Entscheidungen 47

Abbildung 12: Der Anteil der Käufer in verschiedenen Produktkategorien ist abhängig von Anzahl und Art der verfügbaren Alternativen 50

Abbildung 13: Vergleichbare Produktlinie (Alignable Assortment) und nicht-vergleichbare Produktlinie (Non-alignable Assortment) 53

Abbildung 14: Kaufwahrscheinlichkeit bei einem vergleichbaren und nicht-vergleichbaren Sortiment 55

Abbildung 15: Die Auswirkung der Größe eines nicht-vergleichbaren Sortiments auf die Wahrscheinlichkeit, dass Konsumenten eine extreme Option auswählen 57

Abbildung 16: Ergebnisse der Studien von Iyengar und Lepper 2000 59

Abbildung 17: Zusammenhang der Anzahl angebotener Fonds und Teilnahmequote an betrieblichem Pensionsplan 64

Abbildung 18: Struktur des Theorieteils 67

Abbildung 19: Informationsaufnahme und -verarbeitung im Drei-Speicher-Modell 71

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XVI

Abbildung 20: Kurzzeitspeicher ist Engpass bei der menschlichen Informationsverarbeitung 73

Abbildung 21: Der Information Overload Effekt 75

Abbildung 22 Die Entscheidungsqualität in Anhängigkeit der Merkmals- und Alternativenzahl 76

Abbildung 23: Vergleich verfügbarer und bei der Entscheidung berücksichtigter Alternativenzahl für verschiedene Produktarten 79

Abbildung 24: Zusammenhang von Erregungspotenzial und Hedonic Value und deren Abhängigkeit von Persönlichkeitsmerkmalen 83

Abbildung 25: Zusammenhang von Produktvielfalt und positiver Konsumerfahrung 87

Abbildung 26: Hypothese des abnehmenden Grenznutzens von Produktvielfalt 91

Abbildung 27: Zusammenfassende Darstellung des Zusammenhangs der Nutzenerwartungswerttheorie und dem Nutzen von Produktvielfalt 105

Abbildung 28: Antezedenzien und Konsequenzen der hedonistischen und utilitaristischen Dimension des Perceived Shopping Values 112

Abbildung 29: Hedonistische und utilitaristische Nutzendimensionen von Sales Promotions 114

Abbildung 30: Herausbildung eines Zufriedenheitsurteils: Der Zusammenhang von utilitaristischer und hedonistischer Produktbewertung, positivem und negativem Affekt und der Zufriedenheit 115

Abbildung 31: Zusammenfassende Darstellung der Zusammenhänge des Shopping Hedonismus und des Nutzens von hoher Produktvielfalt 121

Abbildung 32: Zusammenhang von Ähnlichkeit und Kovarianz von zwei Produkten und der Schwierigkeit der Entscheidung zwischen diesen 125

Abbildung 33: Zusammenhang von Alternativenzahl und kognitivem Entscheidungs-aufwand bei verschiedenen Entscheidungsstrategien 130

Abbildung 34: Zusammenfassende Darstellung des Zusammenhangs der Theorie der Cost of Thinking und der EIP-Methodik mit den Kosten von Produktvielfalt 134

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XVII

Abbildung 35: Veranschaulichung der Entstehung und Lösung eines Appetenz-Appetenz-Konflikts und eines Appetenz-Aversions- Konflikts 138

Abbildung 36: Zusammenfassende Darstellung des Zusammenhangs der Konflikttheorie und den Kosten von Produktvielfalt 158

Abbildung 37: Idealtypischer Verlauf der Regret-Funktion 161

Abbildung 38: Die Auswirkungen von Regret auf die Zufriedenheit und die Wiederkaufsabsicht 167

Abbildung 39: Zusammenfassende Darstellung des Zusammenhangs von antizipiertem Regret und den Kosten von Produktvielfalt 176

Abbildung 40: Zusammenfassende Darstellung der aus den Theorien des Bezugs-rahmens abgeleiteten Zusammenhänge von Determinanten, Facetten und Konsequenzen von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt 177

Abbildung 41 Gesamtmodell der in der Untersuchung berücksichtigten Konsequenzen und Determinanten des Werts von Produktvielfalt 185

Abbildung 42: Möglichkeiten der Konzeptualisierung von Konstrukten 189

Abbildung 43: Pfaddiagramm eines Strukturgleichungsmodells mit formativer und reflektiver latenter Variable 191

Abbildung 44: Reflektives und formatives Messmodell 192

Abbildung 45: Konstrukte zweiter Ordnung mit formativen und reflektiven Strukturen 193

Abbildung 46: MIMIC-Modell und Modell mit Phantomvariable zur Untersuchung der externen Validität formativ operationalisierter Konstrukte 202

Abbildung 47: Vorgehensweise bei der Entwicklung eines Messinstruments für den Wert von Produktvielfalt 207

Abbildung 48: Konzeptualisierung des Werts von Produktvielfalt als zweidimensionales Konstrukt mit den Kosten von Produktvielfalt und dem Nutzen von Produktvielfalt als unabhängige Dimensionen 209

Abbildung 49: Konzeptualisierung des Werts von Produktvielfalt und seiner Dimensionen mit den jeweils zugrunde liegenden theoretischen Bezugspunkten 214

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XVIII

Abbildung 50: Ergebnisse der qualitativen Konsumentenbefragung 216

Abbildung 51: Operationalisierung des Werts von Produktvielfalt als zweidimensionales, mehrfaktorielles Konstrukt mit reflektivem Messmodell auf Faktorenebene und formativem Messmodell auf Dimensionsebene 230

Abbildung 52: Anpassungsmaße zur Gütebeurteilung von Kausalmodellen im Überblick 234

Abbildung 53: Das mit 36 Produkten größte „künstliche Sortiment“ des Pretests 239

Abbildung 54: PLS-Modell nach der Parameterschätzung 253

Abbildung 55: Ablaufdiagramm des PLS-Schätzalgorithmus 254

Abbildung 56: Von Wold entwickelte Struktur zur Abbildung eines Konstrukts zweiter Ordnung in PLS 258

Abbildung 57: Ebenen des Messmodells 260

Abbildung 58: Umsetzung der vier Schritte der Operationalisierung formativer Konstrukte nach Diamantopoulos und Winklhofer 267

Abbildung 59: Gütekriterien zur Beurteilung der Messmodelle von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt in der Hauptuntersuchung 272

Abbildung 60: Verteilung der Käufer und Nicht-Käufer pro Geschäft 278

Abbildung 61: Verteilung der Befragten auf die Produktgruppen 279

Abbildung 62: Verteilung der Stichprobe nach Geschlecht 280

Abbildung 63: Boxplots zur Veranschaulichung der Altersverteilung der drei Geschäfte 282

Abbildung 64: Ergebnisse der PLS-Schätzung des formativen Messmodells der Nutzendimension mit Phantomvariable: Gütemaße und Parameterschätzungen (Ebene 2) 288

Abbildung 65: Ergebnisse der PLS-Schätzung des formativen Messmodells der Kostendimension mit Phantomvariable: Gütemaße und Parameterschätzungen (Ebene 2) 296

Abbildung 66: Gütemaße zur Beurteilung des Gesamtmodells 306

Abbildung 67: Die Auswirkung von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt auf die Kaufabsicht, Ergebnisse der PLS-Parameterschätzung 308

Abbildung 68: Pfaddiagramm der mittel- und langfristigen Konsequenzen von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt 329

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XIX

Abbildung 69: Anteil der Käufer und Nicht-Käufer von beratenen und nicht beratenen Konsumenten 349

Abbildung 70: Erweitertes Strukturmodell unter Berücksichtigung von Beratungszufriedenheit und Preisführerschaft 350

Abbildung 71: Vorgehensweise bei der Untersuchung personenimmanenter Einflüsse 356

Abbildung 72: In der empirischen Untersuchung berücksichtigte Sortimentsaspekte als potenzielle Einflussgrößen auf Kosten und Nutzen von Produktvielfalt 369

Abbildung 73: Anzahl der Marken, Produkte und Preispunkte sowie Preisspannen der drei Geschäfte 370

Abbildung 74: Vergleich der durch Konsumenten eingeschätzten und der tatsächlichen Anzahl der Produkte in den drei untersuchten Geschäften 371

Abbildung 75: Ergebnisse der PLS-Parameterschätzung der Determinanten der Kosten und Nutzen von Produktvielfalt 374

Abbildung 76: Grafische Veranschaulichung des Zusammenhangs von Produktanzahl und den Werten der latenten Nutzen- und Kostenvariablen 381

Abbildung 77: Abschnittweise PLS-Modelle des Zusammenhangs von Alternativenzahl und Kosten- und Nutzenkonstrukt 383

Abbildung 78: Die Ergebnisse der Überprüfung der Hypothesen zu den Konsequenzen von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt 391

Abbildung 79: Determinanten von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt 393

Abbildung 80: Die neun einflussstärken Messmodellfaktoren und Determinanten zeigen effektive und effiziente Ansatzpunkte für Maßnahmen auf 398

Abbildung 81: Aus den Untersuchungsergebnissen abgeleitete Maßnahmen und deren Ansatzpunkte im Überblick 409

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Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Klassifikation und Beschreibung von Entscheidungsstrategien 22

Tabelle 2: Ergebnisse der zweiten Studie von Gourville und Soman (1999) 56

Tabelle 3: Zusammenhang von Produktvielfalt und Produktnutzen 101

Tabelle 4: Übersicht verschiedener Elementary Information Processes (EIPs) 129

Tabelle 5: Gegenüberstellung der Eigenschaften von formativen und reflektiven Messmodellen 199

Tabelle 6: Entscheidungskriterien zur Verwendung eines formativen oder reflektiven Messmodells 205

Tabelle 7: Indikatoren des Nutzen-Faktors „Antizipierter Produktnutzen“ 218

Tabelle 8: Indikatoren des Nutzen-Faktors „Erfolgsaussichten“ 219

Tabelle 9: Indikatoren des Nutzen-Faktors „Informationsmöglichkeiten“ 220

Tabelle 10: Indikatoren des Nutzen-Faktors „Spaß (am Einkauf)“ 221

Tabelle 11: Indikatoren des Nutzen-Faktors „Positive Emotionen“ 222

Tabelle 12: Indikatoren des Kosten-Faktors „Aufwand und Anstrengung“ 223

Tabelle 13: Indikatoren des Kosten-Faktors „Verwirrung und Frustration“ 224

Tabelle 14: Indikatoren des Kosten-Faktors „Antizipiertes Regret“ 226

Tabelle 15: Gütekriterien des Pretests 237

Tabelle 16: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Faktors „Erfolgsaussichten“ 241

Tabelle 17: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Faktors „Antizipierter Produktnutzen“ 242

Tabelle 18: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Faktors „Informationsmöglichkeiten“ 243

Tabelle 19: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Faktors „Spaß“. 244

Tabelle 20: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Faktors „Positive Emotionen“ 245

Tabelle 21: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Faktors „Verwirrung und Frustration“ 246

Tabelle 22: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Faktors „Aufwand“ 247

Tabelle 23: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Faktors „Antizipiertes Regret“ 248

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Tabelle 24: Ergebnisse der Überprüfung des Fornell-Larcker-Kriteriums der Nutzen- und Kostendimension im Pretest 249

Tabelle 25: Anzahl der Indikatoren pro Dimension und Faktor vor und nach dem Pretest 250

Tabelle 26: Gütemaße und Kriterien der Hauptuntersuchung für die Ebene 1 des Messmodells (reflektives Messmodell) 266

Tabelle 27: Gütemaße und Kriterien der Hauptuntersuchung für die Ebene 2 des Messmodells (formatives Messmodell) 271

Tabelle 28: Verteilung von Kaufverhalten, Produktgruppe und Geschlecht in der Hauptuntersuchung 280

Tabelle 29: Verteilung der (höchsten) Bildungsabschlüsse in der Stichprobe 281

Tabelle 30: Verteilung der Berufsgruppen in der Stichprobe 281

Tabelle 31: Kenngrößen zur Beschreibung der Altersstruktur der Befragten 282

Tabelle 32: Ergebnisse der Analysen des Messmodells (Ebene 1) für die Nutzendimension 285

Tabelle 33: Korrelationen zwischen manifesten und latenten Variablen der Nutzendimension 286

Tabelle 34: Ergebnisse der Überprüfung des Fornell-Larcker-Kriteriums der Nutzendimension 287

Tabelle 35: Ergebnisse der Analysen des Messmodells (Ebene 2) für die Nutzendimension 289

Tabelle 36: Gütekriterien des Messmodells der reflektiv operationalisierten Phantomvariablen für die Nutzendimension 290

Tabelle 37: Relativer Erklärungsbeitrag der einzelnen Faktoren der Nutzendimension 291

Tabelle 38: Ergebnisse der Analysen des Messmodells (Ebene 1) der Kostendimension. 293

Tabelle 39: Korrelationen zwischen manifesten und latenten Variablen der Kostendimension 295

Tabelle 40: Ergebnisse der Überprüfung des Fornell-Larcker-Kriteriums der Kostendimension 295

Tabelle 41: Ergebnisse der Analysen des Messmodells (Ebene 2) der Kostendimension 297

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Tabelle 42: Gütekriterien des Messmodells der Phantomvariable für die Kostendimension 298

Tabelle 43: Relativer Erklärungsbeitrag der einzelnen Faktoren der Kostendimension zur Gesamtdimension 300

Tabelle 44: Gütemaße zur Beurteilung der Wirkung der Kosten von Produktvielfalt und Nutzen von Produktvielfalt auf die Kaufabsicht 309

Tabelle 45: Operationalisierung des endogenen Konstrukts „Zufriedenheit mit dem Kaufprozess“ 312

Tabelle 46: Operationalisierung des endogenen Konstrukts „Kognitive Dissonanz“ 313

Tabelle 47: Operationalisierung des endogenen Konstrukts „Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt“ 314

Tabelle 48: Operationalisierung des endogenen Konstrukts „Loyalität zur gekauften Marke“ 315

Tabelle 49: Operationalisierung des endogenen Konstrukts „Loyalität zum Geschäft“ 316

Tabelle 50: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Konstrukts „Zufriedenheit mit dem Kaufprozess“ im Pretest 317

Tabelle 51: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Konstrukts „Kognitive Dissonanz“ im Pretest 318

Tabelle 52: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Konstrukts „Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt“ im Pretest 319

Tabelle 53: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Konstrukts „Loyalität zur gekauften Marke“ im Pretest 320

Tabelle 54: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Konstrukts „Loyalität zum Geschäft“ im Pretest 321

Tabelle 55: Ergebnisse der Überprüfung des Fornell-Larcker-Kriteriums der Konsequenzgrößen im Pretest 322

Tabelle 56: Anzahl der Indikatoren zur Messung der endogenen Konstrukte vor und nach dem Pretest 323

Tabelle 57: Ergebnisse der Analysen des Messmodells (Ebene 1) für die endogenen Konstrukte 324

Tabelle 58: Rotierte Faktorladungen der Konsequenzen. 326

Tabelle 59: Korrelationen manifester und latenter Variablen der Konsequenzen 327

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Tabelle 60: Ergebnisse der Überprüfung des Fornell-Larcker-Kriteriums der Konsequenzen 328

Tabelle 61: Gütemaße des Strukturmodells (2. Ebene). 331

Tabelle 62: Einflussstärke der KPV und NPV auf die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess 333

Tabelle 63: Stärke der direkten Einflussgrößen der Kognitiven Dissonanz. 334

Tabelle 64: Einflussstärke von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt auf die Kognitive Dissonanz 335

Tabelle 65: Stärke der direkten Einflussgrößen der Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt. 336

Tabelle 66: Einflussstärke von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt auf die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt 337

Tabelle 67: Stärke der direkten Einflussgrößen auf die Loyalität zum Geschäft 338

Tabelle 68: Einflussstärke von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt auf die Loyalität zum Geschäft 338

Tabelle 69: Gütemaße des Zielkonstrukts Loyalität zur Marke im erweiterten Modell 342

Tabelle 70: Operationalisierung des Konstrukts Beratungszufriedenheit 344

Tabelle 71: Gütekriterien des PLS-Messmodells der Beratungszufriedenheit 344

Tabelle 72: Korrelationen manifester und latenter Variablen der Konsequenzen des erweiterten Modells 345

Tabelle 73: Ergebnisse der Überprüfung des Fornell-Larcker-Kriteriums unter Berücksichtigung von Beratungszufriedenheit und Preisführerschaft 346

Tabelle 74: Wirkung von Beratungszufriedenheit und Preisführerschaft auf die Kaufintention 348

Tabelle 75: Gütemaße des erweiterten Strukturmodells unter Berücksichtigung von Beratungszufriedenheit und Preisführerschaft 351

Tabelle 76: Operationalisierung von Expertise 356

Tabelle 77: Ergebnisse der Clusteranalyse zur Expertise 357

Tabelle 78: Ergebnisse des T-Tests von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt für Befragte mit hoher und geringer Expertise 357

Tabelle 79: Operationalisierung des Optimum Stimulation Levels 359

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Tabelle 80: Ergebnisse der konfirmatorischen Faktorenanalyse des OSL im Pretest 360

Tabelle 81: Gütekriterien des PLS-Messmodells der Hauptuntersuchung für das OSL 361

Tabelle 82: Ergebnisse der Clusteranalyse zum Optimum Stimulation Level 362

Tabelle 83: Ergebnisse des T-Tests von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt für Befragte mit hohem und geringem OSL 362

Tabelle 84: Operationalisierung der Einflussfaktoren 373

Tabelle 85: Parameterschätzung und Gütemaße der Determinanten von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt 375

Tabelle 86: Einflussstärke der betrachteten Sortimentseigenschaften auf Kosten und Nutzen von Produktvielfalt 377

Tabelle 87: Parameter und Gütemaße der PLS-Modelle der Subsamples „bis Optimum“ und „über Optimum“ 384

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1

„Ne quid nimis1“ („nichts zu viel“) (Terenz, Andria 61, 171 v. Chr.)

„Variety truly is the spice-of-life, but like any spice it must be used in moderation“ (Kahn/Morales 2001, S. 76)

1. Produktvielfalt und ihre Wirkung: Grundlagen und Zielsetzung der Arbeit

1.1 Die Bedeutung der Produktvielfalt aus Marketingsicht

Die hier vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Reaktion von Konsumenten auf die Höhe der Produktvielfalt (Product Variety) in einer Kaufsituation. Dazu wird untersucht, welche positiven und negativen Aspekte Produktvielfalt aus Sicht des Konsumenten hat und wie sich diese auf das Kaufverhalten, die nachgelagerte Evaluation von Kaufprozess und erworbenem Produkt sowie zukünftige Verhaltensab-sichten auswirken.

Funktionen von Produktvielfalt

Produktvielfalt hat für Konsumenten zwei grundlegende Funktionen (vgl. Kahn/Morales 2001, S. 64; Hoch/Bradlow/Wansink 1999, S. 528f.):

1 „Übersetzung eines griechischen, meist Solon zugeschriebenen Wortes bei Terenz, Andria 61.

Wichtigster Grundsatz der griechischen Ethik und Ästhetik“ (Lamer/Kroh (1995): Wörterbuch der Antike, S. 495). Griechische Inschrift auf dem Apollontempel in Delphi: mädén ágan.

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2

Vielfalt bei mehreren aufeinander folgenden Käufen (Variety-Seeking): „If decision makers are making many choices over time, the variety or depth in the choice-set will enable exploration and choice of different options over time” (Kahn/Morales 2001, S. 64)

Vielfalt bei einmaligen oder seltenen Käufen (Customization): „If the decision maker is making a single choice, then variety or breadth in the assortment will enable one to find the desirable customized option among those offered.” (Kahn/Morales 2001, S. 64)

Variety-Seeking Funktion von Produktvielfalt

Variety-Seeking beschreibt das Bedürfnis nach Abwechslung, das durch Sättigungs-effekte, dem Wunsch nach (intellektueller) Herausforderung und einer Art „natürlichem Instinkt“ verursacht wird (vgl. Kahn 1998, S. 46). Variety-Seeking kann tendenziell in Produktkategorien beobachtet werden, in denen Verbraucher im Laufe der Zeit viele Entscheidungen treffen, die Entscheidungen mit eher geringem Risiko verbunden sind, die Konsumenten mit den angebotenen Produkten vertraut sind und eher große Consideration Sets2 haben. Das Bedürfnis nach Abwechslung ist v.a. bei Konsumgütern des täglichen Bedarfs (FMCG3) ein bedeutungsvolles Markenwechsel-motiv (vgl. Kahn/Kalwani/Morrison 1986, S. 97; Givon 1984, S. 17; Tscheulin 1994, S. 60f.; Helmig 1996, S. 8f.). Die hier vorliegende Untersuchung fokussiert auf Produkte und Dienstleistungen, die eher selten gekauft werden und mit deren Kaufentscheidung sich Konsumenten intensiv beschäftigen. Das Variety-Seeking- Behavior spielt deshalb als Funktion von Vielfalt hier eine untergeordnete Rolle (siehe hierzu auch die Ausführungen zur Einschränkung des Untersuchungsgegenstands, S. 33ff.).

Customization-Funktion von Produktvielfalt

Die Customization-Funktion von Produktvielfalt, die im Fokus dieser Untersuchung steht, basiert auf der sowohl in der Praxis als auch der Marketingforschung vorherrschenden Meinung, dass sich Konsumenten hinsichtlich ihrer Wünsche und

2 Nedungadi (1990) definiert Consideration Set als „(…) the set of brands brought to (consumer’s)

mind on a particular choice occasion” (S. 264). 3 Fast Moving Consumer Goods

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Bedürfnisse unterscheiden (vgl. Fiuczynski 1961, S. 867; Raffée 1969, S. 112; Gutenberg 1984, S. 510) und diese durch hohe Produktvielfalt besser erfüllt werden können als durch geringe Vielfalt (vgl. Kahn 1998, S. 46, Hoch/Bradlow/Wansink 1999; Loewenstein 1999, S. 1). Durch ein vielfältiges Angebot erhöht sich somit die Wahrscheinlichkeit, dass ein Konsument das findet, was er sucht (vgl. Shapiro 1977, Lancaster 1979, Connor 1981, Quelch/Kenny 1994, S. 153f.). Diese Argumentation gilt gleichermaßen für Produkthersteller und Handelsunternehmen:

Aus der Sicht eines Herstellers heißt das: „a broader product line makes it more likely that at least one of the firm’s products will match any individual consumer’s preference“ (Bayus/Putsin 1999, S. 142). Ein Hersteller, der eine hohe Anzahl an Produkten und Produktvarianten am Markt anbietet, setzt somit auf den Partizipationseffekt, der besagt, dass es einem Unternehmen durch die Einführung zusätzlicher Produkte oder Produktvarianten gelingt Käufer hinzuzugewinnen, die bislang Konkurrenzprodukte erworben oder keine Käufe in der jeweiligen Produktkategorie getätigt haben (vgl. Gutenberg 1984, S. 547, Meffert 2000, S. 449).

Aus Handelssicht erfüllt hohe Produktvielfalt zwei wesentliche Funktionen: Zum einen wird dadurch die Sortimentskompetenz des Händlers betont und zum anderen die positive Wahrnehmung des Geschäftes gestärkt (vgl. Louviere/Gaeth 1987; Craig/Ghosh/McLafferty 1984). Beide Aspekte spielen bei der Einkaufsstättenwahl eine wichtige Rolle: Konsumenten nennen die Sortimentsvielfalt nach der Lage und den Preisen eines Geschäfts als drittwichtigstes Auswahlkriterium(vgl. Hoch/Bradlow/Wansink 1999, S. 527). Sie bevorzugen (ceteris paribus) Geschäfte mit großer Angebotsvielfalt gegenüber solchen mit geringer Vielfalt (vgl. Arnold/Oum/ Tiger 1983, S. 152) und sind diesen gegenüber vergleichsweise loyaler (vgl. Hoch/Bradlow/Wansink 1999, S. 528).

Folgt man der Argumentation des Marketingkonzepts, so liegt „(...) der Schlüssel zur Erreichung unternehmerischer Ziele darin (...), die Bedürfnisse und Wünsche des Zielmarktes zu ermitteln und diese dann wirksamer und wirtschaftlicher zufrieden-zustellen als die Wettbewerber“ (Kotler/Bliemel 1999, S. 25). In Kombination mit den obigen Argumenten impliziert dies, dass Hersteller und Händler, die ihr Produkt-angebot erweitern, gegenüber Wettbewerbern, die dies nicht tun, Marktanteile hinzugewinnen sollten (vgl. Gourville/Soman 1999, S. 1; Bayus/Putsin 1999, S. 140ff.). Die Produktvielfalt hat sich, dieser Argumentation folgend, in den letzen 20 – 30 Jahren insbesondere bei Verbrauchs- und Gebrauchsgütern vervielfacht (vgl. Plewe 2000, S. 3; Esch/Wicke 2000, S. 12ff.; Bainbridge 1998, S. 37):

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So hat beispielsweise die Anzahl der in Deutschland angebotenen PKW-Varianten von 208 im Jahr 1981 auf 358 im Jahr 2000 zugenommen, was einem Zuwachs von 78% entspricht. Der Gesamtabsatz hat sich aber nicht im gleichen Maße erhöht, so dass der Marktanteil pro Produktvariante abgenommen hat. Abbildung 1 stellt die beiden Entwicklungen grafisch dar.

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Anzahl Varianten

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Abbildung 1: Anzahl der PKW-Varianten und durchschnittlicher Marktanteil pro Variante in Deutschland von 1981 bis 2000: In Anlehnung an Marketing Systems GmbH, Essen 2001, S. 4

Ein weiteres Beispiel für hohe Produktvielfalt ist die Anzahl der in Deutschland angebotenen Zahnpastamarken, die sich im Zeitraum von 1950 bis 2000 in etwa verfünffacht hat (14 auf 93) (Esch/Wicke 1999, S. 13). In den USA gibt es in dieser Produktkategorie allein 63 verschiedene Artikel4 der Marke Crest und 58 der Marke Colgate (vgl. Kahn 1998, S. 49). Ähnlich stellt sich die Vielfalt in der Kategorie Frühstückscerialien dar, in der ein Supermarkt in den USA teilweise bis zu 200 verschiedene Produkte anbietet (vgl. Assael 1998, S. 250). Eine beeindruckend große Vielfalt bietet beispielsweise auch die britische Kaffee-Kette Coffee Republic: Kunden können hier zwischen 6.000 verschiedenen Kaffeezubereitungen wählen (Random Sampling, in: Marketing News, 11. September 2000, S. 8). Die Anzahl von 40.000 in

4 Als Artikel wird hier die Anzahl der SKUs (Stock Keeping Units) bezeichnet.

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Deutschland erhältlichen Süßigkeiten (vgl. Mehler 1999, S.8) verdeutlicht wie auch die anderen Beispiele, dass Konsumenten in verschiedenen Produktkategorien und Kaufsituationen mit teilweise extrem hoher Produktvielfalt konfrontiert werden. Die positive Wirkung hoher Vielfalt hat aber Grenzen:

Grenzen der positiven Wirkung von Produktvielfalt

Huffmann und Kahn (1998) betonen, dass eine sehr hohe Vielfalt nicht notwendiger-weise im Sinne der Konsumenten und daher auch nicht in dem von Herstellern oder Händlern ist: „(...) large assortment strategies (...) can backfire (...) if the complexity causes information overload such that a costumer feels overwhelmed and dissatisfied, or chooses not to make a choice at all“ (S. 491). Ähnlich äußert sich Schmidt (1990), der von „‚Stressgefühlen’ angesichts eines unüberschaubaren Angebots“ (S. 242) spricht. In der neueren Literatur wird hierbei häufig von „Verwirrung“ bzw. „confusion“ des Konsumenten gesprochen (vgl. Rudolph/Schweizer 2003, S. 23ff; Walsh 2002, S. 1ff.; Kahn 1998, S. 45ff.; Huffmann/Kahn 1998, S. 491ff.; Jackson/Shapiro 1979, S. 140). Goodman (1987, zitiert in Engel/Blackwell/Miniard 1995, S. 159) geht hier noch einen Schritt weiter, indem er Einkaufen als „decision-making-marathon“ bezeichnet.

Bosshart (2002) verdeutlicht das Verhältnis von Vielfalt, Entscheidungsbereitschaft und Wohlbefinden beispielhaft anhand der TV-Kanäle, die ein Haushalt empfängt: Können die Haushaltsmitglieder aus einer geringen Anzahl an Sendern wählen, so entsteht bei ihnen das Bedürfnis nach mehr Programmen. Empfängt man beispiels-weise drei TV-Sender, wünscht man sich zehn, hat man zehn, will man zwanzig. „Aber spätestens bei fünfzig Sendern ändert sich die Ausgangslage. Man sieht nicht mehr fern, sondern zappt nur noch herum und ist am Ende frustriert, weil man nicht mehr gesehen hat. Die Chance steigt, dass dann gar nicht mehr ferngesehen wird“ (Bosshart 2002, S. 17).

Übertragen auf Kaufsituationen bedeutet dies, dass sich übermäßige Produktvielfalt sowohl auf die Nachfrage als auch auf die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess und dem gekauften Produkt negativ auswirken kann und Konsumenten auf Grund der Vielfalt nicht glücklicher, sonder unglücklicher werden (vgl. Lane 2000, S. 19ff.).

Obwohl eine Vielzahl von Untersuchungen die positive Wirkung von Produktvielfalt auf die Nachfrage bei Herstellern und Händlern gezeigt hat (vgl. z. B. Robinson/Fornell 1985, Robinson 1988, Roberts/Samuelson 1988, Kekre/Srinivasan

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1990, Kadiyali et al. 1999, Bayus/Putsin 1999), wird die obige Argumentation durch Beispiele sowohl aus der Praxis als auch der Forschung unterstützt, die gezeigt haben, dass die Reduzierung hoher Produktvielfalt auf ein moderates Niveau positive Auswirkungen auf die Kaufwahrscheinlichkeit und somit auf den Absatz eines Unternehmens hat:

So reduzierte Procter & Gamble die Anzahl der Produktvarianten seiner Shampoo-Marke Head & Shoulders um 43% von 26 auf 15 und realisierte dabei ceteris paribus eine Umsatzsteigerung von 10% (vgl. Osnos, 1997).

Auch Apple senkte die Anzahl ihrer Macintosh-Submarken mit dem Ziel, die Verwirrung der Konsumenten zu reduzieren: Der Umsatz wurde durch diese Maßnahme ceteris paribus erhöht (vgl. Advertising Age, 18. Oktober 1993).

Broniarczyk, Hoyer und McAlister (1998) haben die Folgen reduzierter Produktauswahl wissenschaftlich untersucht und konnten feststellen, dass eine Herabsetzung der von einem Einzelhändler in einer Produktkategorie angebote-nen Artikelzahl um 25% zu einer positiveren Einschätzung der angebotenen Auswahl und Vielfalt führt. Die Testpersonen bevorzugten dieses Geschäft bei ihrer Einkaufsstättenwahl und empfanden den Einkauf dort als einfacher (S. 173ff.).

Drèze, Hoch und Purk (1994) konnten in ihren Untersuchungen beobachten, dass eine Reduzierung der Artikelanzahl in einer Produktkategorie um 10% nicht zum Umsatzrückgang führt. Die stärkere Präsenz und bessere Organi-sation schnell drehender Artikel auf der konstant gehaltenen Fläche bewirkte ganz im Gegenteil eine Absatzsteigerung um 4% (S. 305ff.). Auf weitere Forschungsarbeiten wird in einem späteren Abschnitt detailliert eingegangen (siehe Kapitel 2.1, S. 42ff.).

In der Literatur werden für die negative Wirkung hoher Vielfalt zwei Hauptgründe genannt:

Kognitive Informationsüberlastung (Information Overload) des Konsumenten (vgl. Jacoby/Speller/Kohn 1974; Malhotra/Jain/Lagakos, 1982; Best/Ursic 1987) und

negative Emotionen, die der Konsument während der Entscheidung empfindet oder antizipiert (vgl. Anderson 2003, S. 160).

Die Erkenntnisse aus Praxis und Forschung lassen insgesamt vermuten, dass Konsumenten von einer moderaten Vielfalt in der Entscheidungssituation am meisten

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profitieren, dieser den höchsten Wert beimessen und folglich zu einer Kauf-entscheidung kommen, mit der sie sehr zufrieden sind. Die einleitenden Zitate auf Seite 1 verdeutlichen, dass dieses „Prinzip der Mäßigkeit“ bereits in der Antike Gültigkeit hatte und diese auch in der Gegenwart nicht verloren hat. Die Vermutung, dass hohe Produktvielfalt aus Konsumentensicht negative Aspekte hat und sich diese nachteilig auf sein Verhalten auswirken, widerspricht aber der Annahme der rationalen Entscheidungstheorie (Rational Theory of Choice), dass Vielfalt und Absatzhöhe in einem positiven Zusammenhang stehen (vgl. Luce 1959, 1977; Tversky/Shafir 1992, S. 358; siehe auch S. 43f.). Die Existenz dieser negativen Aspekte hoher Vielfalt theoretisch zu begründen und empirisch zu zeigen, ist ein wesentliches Ziel der vorliegenden Arbeit.

Ansatzpunkte der vorliegenden Untersuchung zur Erklärung der Wirkung von Produktvielfalt auf das Konsumentenverhalten

Loewenstein (1999) versucht die Wirkung von Vielfalt auf das Konsumentenverhalten zu erklären, indem er „Benefits of more choice“ und „Costs of more choice“ (S. 1f.) unterscheidet. Als Nutzen (Benefits) von Vielfalt führt er dabei im Wesentlichen Aspekte der oben erläuterten Customization-Funktion (S. 2ff.) an, stützt sich also auf die Argumentation, dass hohe Vielfalt aus Sicht eines Konsumenten die Wahrschein-lichkeit erhöht, ein Produkt zu finden, das seinen Vorstellungen entspricht und er dieses kauft. Zunehmende Vielfalt erhöht somit die Kaufwahrscheinlichkeit. Hinsichtlich der Kosten (Costs) unterscheidet er

Time costs – „the opportunity costs of spending time making decisions that could be used for other activities” (Loewenstein 1999, S. 2),

Error costs – „the tendency to choose badly when people lack expertise” (Loewenstein 1999, S. 2) und

Psychic costs – „anxiety about making decisions under conditions of uncer-tainty, and regret if they turn out badly” (Loewenstein 1999, S. 2).

Die vorliegende Forschungsarbeit folgt diesem Kosten-Nutzen-Ansatz zur Erklärung der Wirkung von Produktvielfalt auf das Konsumentenverhalten und unterscheidet entsprechend Kosten und Nutzen von Produktvielfalt aus Konsumentensicht. Diese Aspekte werden als Dimensionen eines gemeinsamen Konstrukts – dem Wert von Produktvielfalt – verstanden.

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Der Ansatz folgt auch Erkenntnissen und Schlussfolgerungen, die Kahn und Lehmann (1991) aus ihrer Untersuchung des „value of an assortment“ (S. 296) gezogen haben: „(...) customers evaluate an assortment in terms of their flexibility for future choice and the effort required to weed out the unacceptable alternatives“ (S: 296f.; Hervorhebung nicht im Original). Die Wertschätzung eines Sortiments durch Konsumenten hängt demzufolge von der Abwägung der mit der Vielfalt verbundenen positiven (Flexibilität) und negativen Aspekte (Entscheidungsaufwand) bei der Entscheidungsfindung ab. Auf die definitorischen Grundlagen von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt wird im Definitionsteil detailliert eingegangen (siehe Kapitel 1.2.1, S. 12f.).

Ziel der Arbeit ist es, basierend auf Theorien der Psychologie, Soziologie und des Marketings, ein Messinstrument für Kosten und Nutzen von Produktvielfalt aus Konsumentensicht, die als unabhängige Dimensionen des Werts von Produkt-vielfalt verstanden werden, zu entwickeln, um so deren Zusammenhang mit dem Kaufverhalten, nachgelagerten Bewertungen von Kaufprozess und gekauftem Produkt und zukünftigen Verhaltensabsichten gegenüber Handel und Marke zu untersuchen. Ferner soll analysiert werden, welche quantitativen und qualitativen Eigenschaften des Sortiments Kosten und Nutzen von Vielfalt in welchem Maße beeinflussen, um so konkrete Ansatzpunkte für die Gestaltung von Produkt-sortimenten ableiten zu können. Dies soll zu einem besseren Verständnis des Umgangs von Konsumenten mit hoher Produktvielfalt in der Entscheidungssituation beitragen und Unternehmen Hinweise zur Optimierung der angebotenen Sortimente geben.

Die Relevanz dieser Fragestellungen für Unternehmen entsteht aus dem direkten Zusammenhang von Produktvielfalt und Absatzvolumen und wird aus den obigen Beispielen bereits deutlich (siehe S. 6). Demnach kann ein Unternehmen durch ein besseres Verständnis der Bedürfnisse von Konsumenten hinsichtlich der angebotenen Produktvielfalt sowohl das Absatzvolumen als auch die Zufriedenheit von Konsumenten steigern. Eine Aussage von Meffert (2000) betont die Relevanz des Untersuchungsgegenstands aus der Sicht der Marketingtheorie: Er bezeichnet die Produkt- und Programmpolitik eines Unternehmens, die „alle Entscheidungs-tatbestände, die sich auf die marktgerechte Gestaltung aller vom Unternehmen im Absatzmarkt angebotenen Leistungen beziehen“ (Meffert 2000, S. 327) als „‚Herz des Marketing’“ (Meffert 2000, S. 327). Die Produktvielfalt stellt demnach einen zentralen Bestandteil der marketingpolitischen Entscheidungstatbestände eines Herstellers und Handelsunternehmens dar.

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Um die aufgezeigten Fragestellungen um Laufe der Arbeit zu beantworten, präzisiert das nächste Kapitel zunächst den Untersuchungsgegenstand. Dazu werden grund-legende Begriffe geklärt und die Zielsetzung der Forschungsarbeit detailliert beschrieben. Anschließend wird die Thematik knapp in die Konsumentenverhaltens-forschung eingeordnet und der Verlauf der weiteren Untersuchung beschrieben.

1.2 Präzisierung des Untersuchungsgegenstands

1.2.1 Begriffliche Grundlagen

In der vorliegenden Untersuchung geht es im Wesentlichen um die Erklärung des Verhaltens von Konsumenten im Umgang mit (hoher) Produktvielfalt. Nachfolgend werden deshalb zunächst die Begriffe Konsumentenverhalten, Käuferverhalten, Kaufverhalten und Produktvielfalt erläutert. Anschließend wird das Konstrukt Wert von Produktvielfalt mit seinen Dimensionen Kosten von Produktvielfalt und Nutzen von Produktvielfalt inhaltlich präzisiert.

Konsumentenverhalten und Käuferverhalten (Consumer Behavior)

Das Käuferverhalten umfasst nicht nur den reinen Kauf, den Kuß (1987) als „den freiwilligen Austausch von Geld gegen Güter, Dienstleistungen, Rechte und Vermögenswerte durch Personen, Personengruppen und Organisationen“ (S. 11) definiert, sondern auch diesem vor- und nachgelagerte Prozesse und Tätigkeiten, sowie Faktoren, die diese beeinflussen (vgl. Kuß/Tomczak 2000, S. 9f.). Entsprechend lässt sich in der Literatur eine Vielzahl an Definitionen des Käuferverhaltens bzw. des synonym verwendeten Begriffs Konsumentenverhalten finden. Diese unterscheiden sich teils erheblich hinsichtlich der berücksichtigten Aspekte. Das Spektrum reicht hierbei von einer relativ engen und prozessorientierten Sichtweise von Blackwell, Miniard und Engel (2001), die Konsumentenverhalten (Consumer Behavior) als „activities people undertake when obtaining, consuming, and disposing of products and services“ (S. 6), definieren, bis hin zu einem sehr weit gefassten Verständnis von Peter und Olson (1996), die sich bei ihrer Definition an derjenigen

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der American Marketing Association orientieren. Sie bezeichnen Konsumenten-verhalten als „the dynamic interaction of affect and cognition, behavior, and the environment by which human beings conduct the exchange aspects of their lives“ (Peter/Olson 2002, S. 6). Diese Bandbreite spiegelt sich auch in der Definition von Kroeber-Riel und Weinberg (1996) wieder, die Konsumentenverhalten im engeren und Konsumentenverhalten im weiteren Sinn unterscheiden. Ersteres definieren sie als „das Verhalten der Menschen beim Kauf und Konsum von wirtschaftlichen Gütern“, letzteres als „ganz allgemein das Verhalten der ‚Letztverbraucher’ von materiellen und immateriellen Gütern“ (S. 3).

Das Ziel dieser Untersuchung ist die Erklärung der Wirkung von Produktvielfalt auf das Verhalten von Konsumenten als Individuen5. Es ist deshalb ein relativ enges Verständnis des Konsumentenverhaltens sinnvoll, das die Entscheidungsprozesse bei der Kaufhandlung und unmittelbar nachgelagerte Evaluationsprozesse in den Mittelpunkt stellt. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass am Ende des Entscheidungs-prozesses nicht notwendigerweise der Kauf eines Produkts stehen muss. Der Konsument kann den Kaufprozess auch abbrechen und später fortsetzen oder ganz auf den Kauf verzichten. Da dies mögliche Reaktionsformen von Konsumenten auf hohe Produktvielfalt sind (vgl. Tversky/Shafir 1992, S. 358ff.; Gourville/Soman 1999, S. 5ff.; Desmeules 2002, S. 10ff.; Anderson 2003, S. 146), werden sie auch als Teil des Konsumentenverhaltens verstanden.

In Anlehnung an Kuß und Tomczak (2000, S. 12) wird in dieser Untersuchung unter Käufer- bzw. Konsumentenverhalten die Auswahl einer von mehreren Alternativen an Sachgütern, Dienstleistungen, Rechten und Vermögenswerten verstanden, wobei der (vorübergehende) Abbruch der Kaufentscheidung eine der möglichen Entscheidungsalternativen darstellt. Weiterhin schließt der Begriff alle zu dieser Entscheidung hinführenden und ihr folgenden Prozesse und Tätigkeiten, die künftige Käufe beeinflussen können, mit ein.

Produktvielfalt

Produktvielfalt entspricht der in der englischsprachigen Literatur häufig zu findenden Bezeichnung „Product Variety“ (vgl. Bayus/Putsin 1999, S. 137; Gourville/Soman

5 Kaufverhalten von Organisationen wie z. B. Unternehmen spielt in dieser Untersuchung keine

Rolle. Zur Unterscheidung vgl. z. B. Müller-Hagedorn 1986, S. 38ff.)

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1999, S. 1ff.). Synonym wird hierfür häufig der Term Assortment verwendet, der von Levy und Weitz (1995) als „the number of different items in a merchandise category“ (S. 30) definiert wird 6.

In der deutschsprachigen Literatur wird der Begriff der Produktvielfalt synonym mit der v.a. im Handelsmarketing gebräuchlichen Bezeichnung der Sortimentstiefe7 verwendet (vgl. Rudolph/Schweizer 2003, S. 48). Diese beschreibt die „Anzahl der Artikel, welche die Konsumenten im Hinblick auf die Befriedigung eines bestimmten Bedürfnisses als Substitute ansehen“ (Gümbel 1963, S. 64). Die Sortimentstiefe stellt „aus der Sicht des Kunden eine Auswahl alternativer Kaufmöglichkeiten“ dar (Theis 1999, S. 550). Da die Arbeit nur die Vielfalt einer Produktkategorie betrachtet, wird im weiteren Verlauf anstatt Sortimentstiefe vereinfachend der Begriff Sortiment verwendet.

Wie in Kapitel 1.2.3.3 (S. 33ff.) noch näher beschrieben wird, konzentriert sich diese Untersuchung auf Auswahlprobleme innerhalb einer Produktkategorie bzw. Produktgruppe. Hierunter würde beispielsweise der Kauf einer Digitalkamera durch einen Konsumenten in einem bestimmten Geschäft fallen.

Im Rahmen dieser Analyse bezeichnet Produktvielfalt die Gesamtheit der bei einer Kaufentscheidung zur Auswahl stehenden Alternativen innerhalb einer Produktkategorie. Es werden sowohl quantitative (Anzahl der Produkte) als auch qualitative Aspekte (Ähnlichkeit der Produkte) unter dem Begriff Produktvielfalt subsumiert. In dem oben genannten Beispiel des Digitalkamerakaufs wäre die Produktvielfalt durch die Anzahl und Art aller in diesem Geschäft zum Kauf verfügbaren Digitalkameras bestimmt.

Zur Vervollständigung sei erwähnt, dass die Produktalternativen im Handelsmarketing meist als Artikel einer bestimmten Sorte bezeichnet werden (vgl. Brockhoff 1966,

6 Die Verwendung des Begriffes Assortment ist in der Forschung nicht einheitlich. So verwendet z.

B. Kotler (2000) Assortment gleichbedeutend mit Product Mix und definiert dieses als „(...) the set of all products and items that a particular seller offers for sale to buyers“ (S. 396). Diese Verwendung entspricht inhaltlich dem Sortiment eines Handelsunternehmen (vgl. Schmidt 1990, S. 22). Diese Arbeit folgt der Definition von Levy und Weitz (1995) und versteht unter Produktvielfalt, Assortment und Product Variety jeweils die Anzahl der Artikel einer Produktkategorie.

7 In Industrieunternehmen wird die Angebotspalette nicht wie im Handel als Sortiment, sondern als Produktionsprogramm bezeichnet. Unter dem Produkt(ions)programm versteht man die „Gesamtheit aller Produktlinien und Produkte, die ein Anbieter seinen jeweiligen Kunden zum Kauf anbietet“ (Haedrich/Tomczak 1996, S. 45). Entsprechend wird hier von der Tiefe des Produkt(ions)programms gesprochen, das die Anzahl der Varianten innerhalb einer Produktlinie beschreibt (vgl. Herrmann 1998, S. 5).

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S. 41; Kotler/Bliemel 1999, S. 673). In der englischsprachigen Literatur werden hierfür synonym die Begriffe Stock Keeping Unit (SKU), Item und Product Variant verwendet (vgl. Kotler 2000, S. 396).

Wert von Produktvielfalt (WPV)

Ausgangspunkt der Definition des Werts von Produktvielfalt sind in der Marketingliteratur gebräuchliche Definitionen des Wert-Begriffs. So definieren Flint, Woodruff und Gardial (1997): „(…) a value judgement is the customer’s assessment of the value that has been created for them by a supplier given the trade-off between all relevant benefits and sacrifices in a specific use situation” (Flint/Woodruff/Gardial 1997, S. 167; Hervorhebungen nicht im Original). Nach dieser Definition entsteht aus Sicht des Konsumenten der Wert z. B. eines Produkts aus der Abwägung seiner positiven (Benefits) und negativen Aspekte (Sacrifices). Auch die Definition des wahrgenommenen Werts von Zeithaml (1988) folgt dieser Logik: „Perceived Value is the consumer’s overall assessment of the utility of a product based on perceptions of what is received and what is given“ (Zeithaml 1988, S. 14; Hervorhebungen nicht im Original). Kotler und Bliemel (1999) führen den konzeptionell ähnlichen Wertgewinn eines Angebots ebenfalls auf entstandene Kosten und generierten Nutzen (hier als Wert bezeichnet) zurück (siehe Abbildung 2).

Wertsumme

Produktwert

Begleitende Dienstleistungen

Wert durch Mitarbeiter

Wert durch Image

Monetäre Kosten

Kosten für Zeit

Kosten für Energie

Psychischer Aufwand

Kostensumme

Wertgewinn

Wertsumme

Produktwert

Begleitende Dienstleistungen

Wert durch Mitarbeiter

Wert durch Image

Monetäre Kosten

Kosten für Zeit

Kosten für Energie

Psychischer Aufwand

Kostensumme

Wertgewinn

Abbildung 2: Der Wertgewinn (Kotler/Bliemel 1999) wird durch die Nutzenaspekte (Wertsumme) und Konsteanspekte (Kostensumme) bestimmt. Quelle: Kotler/Bliemel 1999, S. 49

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Aus den Definitionen geht hervor, dass sich ein „Wert“ aus zwei Dimensionen zusammensetzt: einer Kostendimension und einer Nutzendimension. Um dieses Wertkonzept auf die Produktvielfalt zu übertragen, müssen Konsumenten mit Produktvielfalt folglich Kosten- und Nutzenaspekte verbinden. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden diese als Kosten und Nutzen von Produktvielfalt bezeichneten Aspekte theoretisch begründet. Weiterhin wird ein Messinstrument entwickelt, um die Konsequenzen und Determinanten der Kosten- und Nutzenfacetten von Produktvielfalt empirisch untersuchen zu können. Im Gegensatz zu obiger Definition des Wertgewinns von Kotler und Bliemel (1999) liegt die Betrachtungs-ebene des Werts von Produktvielfalt auf Ebene seiner Dimensionen Kosten und Nutzen, und nicht auf deren Verknüpfungsebene, welche die beiden Autoren als Wertgewinn bezeichnen. Der Wert von Produktvielfalt wird somit als ein Konstrukt mit zwei unabhängigen Dimensionen – einer Kostendimension (Kosten von Produktvielfalt) und einer Nutzendimension (Nutzen von Produktvielfalt) – betrachtet. Eine ähnliche Struktur mit zwei Dimensionen legen beispielsweise Babin, Darden und Griffin (1994, S. 653) zugrunde, dem von ihnen untersuchten Perceived Shopping Value, auf den in einem späteren Abschnitt noch detaillierter eingegangen wird (siehe S. 112ff.).

Der Wert der Produktvielfalt besteht aus den für einen Konsumenten mit einer Kaufentscheidung verbundenen positiven und negativen, nicht-monetären Aspekten, die durch das Sortiment in einer Kaufsitua-tion verursacht werden und sich auf das Verhalten des Konsumenten aus-wirken.

Der Wert von Produktvielfalt aus Konsumentensicht (kurz: Wert von Produktvielfalt) lässt sich damit folgendermaßen definieren:

Das Konstrukt Wert von Produktvielfalt stellt damit eine Art mediierende Variable dar, die psychische Reaktionen eines Konsumenten auf (hohe) Produktvielfalt bzw. ein (großes) Sortiment erfasst und einen Zusammenhang mit seinem Verhalten im Sinne des Entscheidungsausgangs, der Bewertung von Prozess und Produkt und den zukünftigen Verhaltensabsichten herstellt.

Abbildung 3 verdeutlicht dies grafisch.

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KonsumentenverhaltenProduktvielfalt(Sortiment)

Zukünftiges Verhalten

Ergebnis Kaufentscheidung

Wert von Produktvielfalt

Kostenvon Produktvielfalt

(KPV)

Nutzenvon Produktvielfalt

(NPV)

Wert von Produktvielfalt

Kostenvon Produktvielfalt

(KPV)

Nutzenvon Produktvielfalt

(NPV)

Evaluation von Prozess und Produkt

Abbildung 3: Der Wert von Produktvielfalt als mediierendes Konstrukt zwischen Sortiment (Produktvielfalt) und Konsumentenverhalte

Es sei nochmals betont, dass im Rahmen dieser Arbeit kein funktionaler Zusammenhang zur Abbildung des Werts von Produktvielfalt in Abhängigkeit von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt entwickelt werden soll, da zunächst die Existenz von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt empirisch zu zeigen ist. Folglich ist die Analyseebene, insbesondere der empirischen Untersuchung, nicht der Wert von Produktvielfalt, sondern die ihm zugrunde liegenden Größen, also Kosten und Nutzen von Produktvielfalt. Diese werden nachfolgend definiert.

Kosten und Nutzen von Produktvielfalt aus Konsumentensicht (KNPV)

Die Kosten von Produktvielfalt aus Konsumentensicht (kurz: Kosten von Produktvielfalt, KPV) bezeichnen den kognitiven und emotionalen, nicht-monetären Aufwand der Entscheidungsfindung eines Konsumenten während des Kaufprozesses, der durch die Produktvielfalt in der Kaufsituation verursacht wird. Sie umfassen somit alle mit der Produktvielfalt verbundenen negativen psychischen Aspekte für den Konsumenten während des Kaufentscheidungsprozesses.

Unter dem Nutzen von Produktvielfalt aus Konsumentenperspektive (kurz: Nutzen von Produktvielfalt, NPV) werden die aus der Sicht des Konsumenten nicht-monetären positiven Aspekte von Produktvielfalt, die auf die Produktvielfalt in der Kaufsituation zurückzuführen sind, verstanden.

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Verwendete Kürzel

Um die Lesbarkeit der Arbeit zu vereinfachen, werden im weiteren Verlauf folgende Kürzel verwendet:

WPV: Wert von Produktvielfalt

KNPV: Kosten und Nutzen von Produktvielfalt

KPV: Kosten von Produktvielfalt

NPV: Nutzen von Produktvielfalt

1.2.2 Identifikation relevanter Größen der Untersuchung: Ablauf von Kaufentscheidungen und die Rolle der Produktvielfalt

Ziel dieses Abschnitts ist die Identifikation wesentlicher und für die Erklärung des Zusammenhangs von Produktvielfalt und Konsumentenverhalten relevanter Größen. Diese sollen als Ausgangsbasis der Untersuchung dienen. Hierzu wird ein einführender Überblick zum Umgang von Konsumenten mit Produktvielfalt im Entscheidungsprozess gegeben und mögliche Auswirkungen hoher Produktvielfalt auf das Verhalten aufgezeigt. Der Fokus liegt hierbei auf Größen und Zusammenhängen, die für die weitere Untersuchung relevant sind. Auf eine umfassende Darstellung der Erkenntnisse der Konsumentenverhaltensforschung wird an dieser Stelle verzichtet. Der interessierte Leser sei diesbezüglich auf die ausführlichen Standardwerke der Konsumentenverhaltensforschung verwiesen8.

Ausgangspunkt der Betrachtung ist das Consumer Decision Process (CDP)-Modell von Blackwell, Engel und Miniard, das den Ablauf von Kaufentscheidungen modellhaft beschreibt.

Das CDP-Modell von Blackwell, Miniard und Engel

Das Consumer Decision Process (CDP)-Modell von Blackwell, Engel und Miniard geht auf das erstmals 1968 veröffentlichte Entscheidungsprozessesmodell von Engel, Kollat und Blackwell zurück (vgl. Bänsch 1998, S. 131; Blackwell/Miniard/Engel

8 Deutschsprachig: z. B. Kroeber-Riel/Weinberg 1999, Trommsdorf 1998, Kuß/Tomczak 2000;

englischsprachig: z. B. Blackwell/Miniard/Engel 2000, Peter/Olson 1996.

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2001, S. 71ff.). Das in Abbildung 4 dargestellte Modell „captures the activities that occur when decisions are made in a schematic format and shows how different internal and external forces interact and affect how consumers think, evaluate and act“ (Blackwell/Miniard/Engel 2001, S. 71).

Das Modell ist neben dem von Howard und Sheth (1969) der bekannteste Vertreter kognitiver Totalmodelle, die im Gegensatz zu den ebenfalls zur Gruppe der Strukturmodelle gehörenden Partialmodellen (vgl. Bänsch 1998, S. 5) versuchen, „alle wesentlichen Kaufverhaltenskonstrukte und deren Beziehungen untereinander zu integrieren“ (Meffert 2000, S. 132). Das CDP-Modell berücksichtigt sowohl Umwelteinflüsse, wie z. B. Kultur und Familie, als auch individuelle Unterschiede von Konsumenten, wie beispielsweise Involvement und Wissen als Einflussfaktoren auf den Ablauf und Ausgang von Kaufentscheidungen. Es unterscheidet sich diesbezüglich von dem Modell von Howard und Sheth (1969).

Needrecognition

SearchInternalsearchExposure

Attention

Comprehension

Acceptance

Retention

StimuliMarketerdominatedNon-marketerdominated

External search

Memory

Pre-purchaseevaluation of alternatives

Purchase

Consumption

Post-consumption

evaluation

Divestment

Dissatisfaction Satisfaction

Environmental influencesCultureSocial classPersonal influencesFamilySituation

Individual differencesConsumer resourcesMotivation and involvementKnowledgeAttitudesPersonality, values and lifestyle

Abbildung 4: Das Consumer-Decision-Process Modell von Engel, Blackwell und Miniard. Quelle: Blackwell/Miniard/Engel 2001, S. 83

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Im Zentrum des Erklärungsmodells stehen sieben Phasen, die ein Konsument bei einer Entscheidung durchläuft. Diese werden nachfolgend knapp beschrieben und in den Zusammenhang mit der Produktvielfalt gesetzt.

Problemerkenntnis (Need Recognition)

Am Anfang des Kaufentscheidungsprozesses steht die Phase der Problemerkenntnis. Eine Person nimmt die Existenz eines zu lösenden Problems in Form eines Bedürfnisses wahr, wenn sie zwischen ihrem derzeitigen Zustand und einem Idealzustand einen erheblichen Unterschied erkennt. Dieser kann auf zweierlei Arten entstehen (vgl. Solomon 1996, S. 271f.): Erstens durch die Verschlechterung des bisherigen Zustands, wenn z. B. ein Produkt aufgebraucht ist (leerer Kühlschrank) und zweitens durch die Veränderung des Idealzustands, was beispielsweise durch die Einführung eines neuen und besseren Produkts geschehen kann (vgl. Solomon/ Bamossy/Askegaard 2001, S. 251).

Übersteigt die Differenz von tatsächlichem und idealem Zustand einen gewissen Schwellenwert (Threshold), nimmt der Konsument ein Bedürfnis wahr, das anschließend einen Kaufprozess auslöst (vgl. Blackwell/Miniard/Engel 2001, S. 100). Voraussetzung hierfür ist, dass der Konsument über die notwendigen finanziellen Ressourcen verfügt und von einem entsprechenden Kauf eine Bedürfnisbefriedigung erwartet (vgl. Kuß/Tomczak 2000, S. 92).

In der nächsten Phase wird informationsseitig die Grundlage für die Kaufentscheidung gelegt.

Informationssuche (Search)

Während dieser Phase werden die Informationen, die in den Entscheidungsprozess einfließen und die Basis für die Entscheidung bilden, gesucht und aufgenommen. Bevor hierauf näher eingegangen wird, ist zunächst zu klären, was unter dem Begriff Information zu verstehen ist:

Der hier verwendete Informationsbegriff knüpft an die Konzeption von Chaffee und McLeod (1973, S. 385ff.) an, deren Kern die so genannte Entscheidungsmatrix ist. Diese besteht aus zwei Dimensionen – den Objekten und den Attributen. In einer Kaufsituation entsprechen die zur Verfügung stehenden Alternativen den Objekten

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(Spalten) und die Produkteigenschaften, wie beispielsweise Farbe oder Preis, den Attributen (Zeilen) der Entscheidungsmatrix (siehe Abbildung 5). Jedes Feld der Matrix kommt in dieser Konzeption einer Informationseinheit gleich (vgl. Kuß/Tomczak 2000, S. 109; Kuß 1987, S. 47).

Alternativen

Eigenschaften A1 A2 ... Am

E1 Informations-einheit (1,1) IE (1,2) … IE (1,m)

E2 IE (2,1) IE (2,2) ... IE (2,m)

...

... ... ...

...

En IE (n,1) IE (n,2) ... IE (n,m)

Abbildung 5: Entscheidungsmatrix in einer Kaufsituation

Damit wird auch der Zusammenhang zur Produktvielfalt deutlich: Die Menge der verfügbaren Informationen in der Entscheidungssituation ist abhängig von der Anzahl der zur Auswahl stehenden Produkte und deren Anzahl an Attributen.

Bei der Informationssuche stehen dem Konsumenten zwei Informationsquellen zur Verfügung: Er kann interne Informationen aus seinem Gedächtnis abrufen und externe Informationen aus verschiedenen Quellen wie z. B. der direkten Kauf-umgebung oder Testberichten aufnehmen (vgl. Kuß/Tomczak 2000, S. 98). Dauer und Intensität einer aktiven Informationssuche hängen dabei beispielsweise von der Persönlichkeit, der sozialen Zugehörigkeit, dem Einkommen und der Erfahrung des Konsumenten ab, sowie der Zufriedenheit mit früheren Käufen, dem mit dem Kauf verbundenen (finanziellen) Risiko sowie der Wichtigkeit des Kaufs (vgl. Blackwell/ Miniard/Engel 2001, S. 74, 108).

Für den Kontext dieser Arbeit ist wichtig, dass nach obiger Definition die verfügbare Informationsmenge von der Anzahl der Alternativen in der Kaufsituation abhängt. Je größer die Produktvielfalt ist, desto mehr Informationen stehen dem Konsumenten (ceteris paribus) in der Entscheidungssituation zur Verfügung.

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Vor-Kauf-Bewertung der Alternativen (Pre-Purchase Evaluation of Alternatives)

Ziel dieser Phase ist es, aus den vorhandenen Alternativen die aus der Sicht eines Konsumenten beste auszuwählen (vgl. Blackwell/Miniard/Engel 2001, S. 76). Dazu müssen zwei Aufgaben erfüllt werden: „The choice alternatives must be evaluated in terms of the choice criteria, and then one of the alternatives must be selected“ (Peter/Olson 2002, S. 174). Herrmann (1998, S. 93) spricht in diesem Zusammenhang von einem „Beurteilungsprogramm zur Verarbeitung von Informationen“ und einem „Auswahlprogramm zur Selektion eines Objekts“.

Hierbei besteht eine enge Verbindung mit der Phase der Informationsaufnahme, da durch die Verarbeitung der Informationen zur Beurteilung und Auswahl neue Informationsbedürfnisse entstehen können. Dies äußerst sich z. B. darin, dass Konsumenten den Kaufprozess in einem Geschäft abbrechen, um sich in anderen Geschäften weitere Informationen zu besorgen. Es wird deshalb von einem iterativen Prozess von Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung bis zur Entscheidung ausgegangen (vgl. Kuß 1987, S. 39).

Durch die empirische Entscheidungsforschung, die sich mit dem Ablauf realer Kaufentscheidungen beschäftigt (vgl. Herrmann 1998, S. 96), konnten verschiedene Entscheidungsstrategien identifiziert werden, mit deren Hilfe Konsumenten Alternativen beurteilen und auswählen. Payne, Bettman und Johnson (1993) definieren eine Entscheidungsstrategie als „a sequence of mental and effector (actions on the environment) operations used to transform an initial state of knowledge into a final goal state of knowledge where the decision maker views the particular decision problem as solved” (S. 9). In der Literatur werden Entscheidungsstrategien häufig anhand von zwei Eigenschaften charakterisiert:

Hinsichtlich der Art, in der Konsumenten einzelne Merkmalsinformationen verbinden, um zu einer Entscheidung zu kommen und bezüglich

der Reihenfolge, in der „einzelne Informationen herangezogen (und integriert) werden“ (Bleicker 1983, S. 45).

Hinsichtlich der Art der Informationsverknüpfung lassen sich kompensatorische und nicht-kompensatorische Strategien unterscheiden: Eine Strategie wird als kompensatorisch bezeichnet, wenn negative Eigenschaften eines Produkts bezüglich eines Merkmals durch andere positive Produkteigenschaften kompensiert werden können (vgl. Peter/Olson 2002, S. 174). Bei nicht-kompensatorischen Entscheidungs-strategien erfolgt keine „Aufrechnung“ positiver und negativer Attributeigenschaften.

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In Bezug auf die Reihenfolge, in der Konsumenten Produktinformationen verknüpfen, wird zwischen einer Auswahl nach Produkten (by Alternative, produktweise Beurteilung) und einer Auswahl nach Attributen (by Attribute, attributweise Beurteilung) unterschieden. Im ersten Fall werden die Merkmalsausprägungen jeder Produktalternative einzeln beurteilt und zu einem Gesamturteil kombiniert. Die Beurteilung selbst erfolgt dabei anhand individueller und situationsspezifischer Kriterien (vgl. Blackwell/Miniard/Engel 2001, S. 76), auf die aber hier nicht näher eingegangen wird. Die Wahl fällt auf das Produkt mit dem höchsten Gesamtwert (vgl. Bleicker 1983, S. 45). Bei einem attributweisen Vergleich beurteilt ein Konsument gleichzeitig alle Alternativen hinsichtlich der für ihn wichtigsten Merkmale.

Konsumenten greifen bei der Entscheidungsfindung auf Heuristiken bzw. vereinfachende Entscheidungsregeln zurück (vgl. Herrmann 1998, S. 97), die „an adaptive response of a limited-capacity information processor to the demands of complex decision tasks“ darstellen (Payne/Bettman/Johnson 1993, S. 2). Die Entscheidungsstrategien unterscheiden dabei hinsichtlich des bei ihrer Anwendung erforderlichen kognitiven Aufwands (Effort) und der Richtigkeit der Entscheidung (Accuracy). Payne, Bettman und Johnson (1993) konnten zeigen, dass Konsumenten die Strategie zur Lösung eines Entscheidungsproblems nach dem Verhältnis von kognitivem Aufwand und erzielbarer Genauigkeit auswählen (S. 13f, S. 92ff.). Sie habe diese Erkenntnisse in ihrem Accuracy-Effort-Framework, das in Abbildung 6 veranschaulicht ist, zusammengefasst (vgl. Payne/Bettman/Johnson 1993, S. 72ff.). Die WADD (Weighted ADDitive) und die RC-Strategie (Random Choice) bilden dabei die Extremkombinationen von Genauigkeit und Aufwand. Während die WADD-Strategie durch ihre kompensatorische und vollständige Informations-verarbeitung die höchste Genauigkeit bei der Entscheidung bietet und dabei am aufwändigsten ist, liefert die Zufallswahl (RC) ungenauere Werte, ist jedoch mit nur minimalem Aufwand verbunden. Payne und seine Kollegen gehen davon aus, dass Konsumenten abhängig von der Art und Wichtigkeit des Entscheidungsproblems bestimmte Unter- bzw. Obergrenzen hinsichtlich der erwarteten Genauigkeit und des Entscheidungsaufwandes haben und die anzuwendende Strategie entsprechend ihrer individuellen Präferenzfunktion hinsichtlich Genauigkeit und Aufwand wählen.

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0%

25%

50%

75%

100%

020406080100120140160180200

RelativeGenauigkeit

(% WADD)

Aufwand (Anzahl EIPs)

WADD

EQW

MCDLEX

EBA

RC

Genauigkeitsgrenze(problemspezifisch)

Aufwandsobergrenze(problemspezifisch)

WADD = weighted additive; EQW = equal weight; EBA = elimination-by-aspects; LEX = lexicographic; MCD = majority of confirming dimensions; RD = Random choice

Präferenzfunktion fürGenauigkeit > Aufwand(Genauigkeit wichtiger

als Aufwand)

Präferenzfunktion fürGenauigkeit < Aufwand(Aufwand wichtiger als

Genauigkeit)

Abbildung 6. Aufwand und Genauigkeit von Entscheidungsstrategien. Quelle: Payne/Bettman/Johnson 1993, S. 97

Tabelle 1 stellt wichtige Entscheidungsstrategien sowie deren Charakterisierung hinsichtlich Aufwand und Genauigkeit im Überblick dar. Auf Einzelheiten soll an dieser Stelle jedoch nicht eingegangen werden9.

9 Eine detaillierte Darstellung findet sich z. B. bei Bleicker (1983, S. 31ff.) und

Payne/Bettman/Johnson (1993), S. 24ff.

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Reihenfolge Art

Merkmalsweise Beurteilung (by Attribute)

Produktweise Beurteilung (by Alternative)

Additives Differenzmodell (ADDIF – ADDitive DIFference)

Additives Modell (WADD – Weighted ADDitive)

Kompensatorische Modelle

Paarweiser Vergleich der Produkte je Merkmal

Abspeichern von Differenzwerten und Errechnen der Differenzsumme

Vergleich des besseren mit dem nächsten Produkt

Ergebnis: relative Einstellungen je Produkt

Summierung aller Merkmalsaus-prägungen je Produkt, evtl. Gewichtung

Vergleich der abgespeicherten Summen

Ergebnis: absolute Einstellungen je Produkt

Modell der aspektweisen Elimination(EBA – Elimination By Aspects)

Konjunktives Modell (SAT – Satisficing)

Nicht-kompensatorische Modelle

Zur Elimination von Produkten

Ordnung der Merkmale nach Wichtigkeit

Festlegung von Standard für wichtigstes Merkmal

Erfüllen Produkte den Standard? Wenn nein, eliminiert

ggf. Festlegung von Standard für zweitwichtigstes Merkmal

usw.

Festlegung von Standards für alle Merkmale

Erfüllt erstes Produkt alle Standards? Wenn nein, eliminiert.

ggf. zweites Produkt usw.

Lexikografisches Modell (LEX – LEXicographic)

Disjunktives Modell (DIS – DISjunctive)

Zur Wahl von Produkten

Ordnung der Merkmale nach Wichtigkeit

Vergleich aller Produkte hinsichtlich wichtigstem Merkmal

Wahl des Produkt mit bester Ausprägung

ggf. zweitwichtigstes Merkmal usw.

Festlegung von Standards für alle Merkmale

Erfüllt erstes Produkt den Standard für ein Produkt? Wenn ja, akzeptiert.

ggf. zweites Produkt usw.

Tabelle 1: Klassifikation und Beschreibung von Entscheidungsstrategien. In Anlehnung an Bleicker (1983), S. 49

Zusammenhang mit Produktvielfalt

Konsumenten müssen mehr Informationen verarbeiten, wenn sie bei zunehmender Produktvielfalt eine gleichbleibende Entscheidungsqualität erreichen wollen. Stoßen sie dabei an die Kapazitätsgrenze der Informationsverarbeitung (siehe Kapitel 2.2.1.2, S. 70ff.), können sie darauf durch die Anwendung vereinfachender Entscheidungs-strategien reagieren (vgl. Payne/Bettman/Johnson 1993, S. 2ff.) oder im Extremfall den Kaufprozess abbrechen (vgl. Tversky/Shafir 1992, S. 358). Die Anwendung von vereinfachenden Heuristiken, die auch darin bestehen können, nur noch einzelne Merkmale wie z. B. den Preis bei der Entscheidung zu berücksichtigen oder der Empfehlung eines Freundes oder des Verkäufers zu folgen (vgl. Peter/Olson 2002,

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S. 179) haben aber im Normalfall eine Reduzierung der Entscheidungsqualität zur Folge (siehe Ausführungen oben und Abbildung 6). Dies kann sich wiederum negativ auf das Vertrauen des Konsumenten in den Kaufprozess und das gekaufte Produkt auswirken und letztlich zur Unzufriedenheit mit dem Kaufprozess und dem erworbenen Produkt führen (vgl. z. B. Klein/Yadav 1989, S. 417f.; Schmidt 1990, S. 244; Sethi-Iyengar/Lepper 2000, S. 1003).

Neben dieser rein kognitiven Betrachtung weist z. B. Oliver (1996, S. 243) darauf hin, dass durch die schwierige Entscheidung zwischen Alternativen, die jeweils verschiedene Vor- und Nachteile haben, Konflikte entstehen können, die von der Person als emotional unangenehm und schwierig empfunden werden und die sie deshalb reduzieren oder vermeiden möchten: „(...) at the moment when a decision is required the fact that each alternative has both advantages and disadvantages poses an impediment to the attainment of the most immediate subgoal – namely, escape from the unpleasant state of conflict induced by the decision problem itself“ (Shepard 1964, S. 277).

Diese durch die Vielfalt verursachten „emotionalen Kosten“ können sich ebenfalls auf die Wahl der Entscheidungsstrategie auswirken und z. B. zur Anwendung einer Heuristik führen, die explizite Trade-Offs zwischen den Attributwerten einzelner Alternativen vermeidet (vgl. Payne/Bettman/Johnson 1993, S. 75). Tversky und Shafir (1992) haben in diesem Zusammenhang gezeigt, dass emotional schwierige Konflikte insbesondere zum Aufschub von Entscheidungen führen können (S. 358). Eine weitere Möglichkeit zur Reduktion oder Vermeidung negativer Emotionen ist die Delegation der Entscheidung an Dritte, z. B. an einen Verkäufer oder Freund (vgl. Beattie/Baron/Hershey 1994, S. 130f.; Brownstein 2003, S. 547f.).

Vor beziehungsweise während der Entscheidung realisiert der Konsument außerdem „(...) that the purchase decision will leave the unchosen alternatives ‚on the table’ where they may remain as a reminder that another purchase outcome could have been realized“ (Oliver 1996, S. 243). Dies kann zu dem „unguten Gefühl“ und der „dunklen Vorahnung“ (Apprehension) führen, dass der Konsument evtl. eine Entscheidung trifft, die er später bedauert. Die Antizipation dieses Bedauerns kann bewirken, dass der Konsument den Kauf aufschiebt oder ganz auf ihn verzichtet: „Whenever choice can induce regret consumers have an incentive to eliminate the choice“ (Thaler 1980, S. 52; vgl. Simonson 1992, S. 105ff.; Beattie/ Baron/Hersehy/Spranca 1994, S. 131f.; Desmeules 2002, S 2). In verschiedenen Untersuchungen wurde gezeigt, dass zunehmende Produktvielfalt die Entstehung

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antizipierten Bedauerns fördert und zu verstärkten Entscheidungskonflikten und kognitiver Dissonanz führen kann (vgl. Sethi-Iyengar/Lepper 2000, S. 999; Brownstein 2003, S. 548; Oliver 1996, S. 252, Schmidt 1990, S. 244).

Für den Wert von Produktvielfalt bedeutet dies folgendes:

Hinsichtlich der Nutzendimension ist festzuhalten, dass durch eine höhere Produktvielfalt mehr Informationen bei der Beurteilung und Auswahl zur Verfügung stehen, was insgesamt zu einer besseren Entscheidung führen sollte. Dies gilt aber nur, wenn bei der Verarbeitung der Informationen die Kapazität des Informations-verarbeitungssystems des Entscheiders nicht überschritten wird (siehe S. 71ff.).

In der Phase der Vor-Kauf-Bewertung sind mit hoher Produktvielfalt sowohl kognitive als auch emotionale „Aufwände“ verbunden. Diese manifestieren sich in kognitiver Anstrengung und negativen Emotionen, die durch die Antizipation von Bedauern und Entscheidungskonflikten entstehen. Auf diese Aspekte wird bei der Darstellung des theoretischen Bezugsrahmens im Rahmen der Theorie der Cost of Thinking (Kapitel 2.3.2.1, S. 122ff.), der Konflikt Theorie (Kapitel 2.3.2.2, S. 134ff.) und der Theorie des Antizipierten Regrets (Kapitel 2.3.2.3, S. 158 ff.) detailliert eingegangen.

Kauf (Purchase)

Diese Phase manifestiert gewissermaßen das Ergebnis des Kaufentscheidungs-prozesses: Der Konsument entscheidet sich endgültig, ob er das während der Vor-Kauf-Bewertung ausgewählte Produkt kauft und setzt diese Entscheidung in tatsächliches Verhalten um, indem er das ausgewählte Produkt erwirbt oder den Kauf abbricht und das Geschäft ohne Kauf verlässt. Die Unterscheidung zwischen den beiden Phasen der Vor-Kauf-Bewertung und dem Kauf wird getroffen, da die Entscheidung für ein bestimmtes Produkt nicht immer sofort in tatsächliches Kaufverhalten umsetzbar ist (z. B. aufgrund mangelnder Verfügbarkeit) (vgl. Kuß 1987, S. 39) oder der Konsument sich „in letzter Sekunde“ beispielsweise wegen eines Sonderangebots anders entscheidet (vgl. Blackwell/Miniard/Engel 2001, S. 127f.).

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Nachkaufphasen: Konsum und Evaluation (Consumption & Evaluation)

Mit dem Kauf entscheidet sich der Konsument nicht nur für das gekaufte, sondern auch gegen die nicht gekauften Produktalternativen. Die Inkonsistenz, die durch die Attraktivität der nicht gewählten Alternativen und der Entscheidung für ein bestimmtes Produkt hervorgerufen wird, kann zur Entstehung kognitiver Dissonanz führen. Diese beschreibt Festinger (1959) als einen „psychologically uncomfortable tension state“(Oliver 1996, S. 247). Kognitive Dissonanz entsteht besonders dann, wenn sich der Konsument nicht sicher ist, das optimale Produkt aus den vorhandenen Alternativen für sich gewählt zu haben. Es ist deshalb anzunehmen, dass hohe Produktvielfalt die Entstehung kognitiver Dissonanz begünstigt (vgl. Oliver 1996, S. 252).

Nach dem Kauf steht das Produkt zum Gebrauch zur Verfügung. In dem hier betrachteten Fall kognitiver Kaufentscheidungen (siehe S. 37) handelt es sich hierbei meist um Gebrauchsgüter, also um Produkte, die über einen längeren Zeitraum benutzt werden können.

Während der Nutzung bewertet der Käufer das Produkt hinsichtlich seiner Erwartungen, was entweder zur Zufriedenheit oder zur Unzufriedenheit mit diesem führen kann (vgl. Blackwell/Miniard/Engel 2001, S. 71). Neben der Zufriedenheit spielen in dieser Phase auch Fragen bezüglich der Qualität und der Erfüllung der ursprünglichen Bedürfnisse eine Rolle (vgl. Oliver 1996, S. 243). Durch den Vergleich der nicht gewählten Alternative mit der gewählten kann es dabei ferner zum Bedauern (Regret) der Entscheidung kommen. Zeelenberg (1996) beschreibt dies als eine „(...) negative, cognitively determined emotion that we experience when realizing or imagining that our present situations would have been better, had we acted differently“ (S. 6). Regret kann als Reue und Enttäuschung der eigenen Entscheidung umschrieben werden (vgl. Simonson 1992, S. 105).

Jacoby et al. (1974b, S. 39) und Scammon (1977) konnten weiterhin einen negativen Zusammenhang von hoher Informationsmenge (Alternativenzahl) und Vertrauen in die Qualität der eigenen Entscheidung, also die wahrgenommene Sicherheit der richtigen Wahl, feststellen. Kombiniert man dieses Ergebnis mit dem von Jacoby et al. (1974a, S. 68), das einen positiven Zusammenhang von Sicherheit und Zufriedenheit nachweisen konnte, so kann man schlussfolgern, dass Regret und Zufriedenheit in einem negativen Verhältnis stehen (vgl. hierzu auch Taylor 1997). Zusammengefasst bedeutet dies, dass hohe Vielfalt zu einer verminderten Entscheidungssicherheit und damit zu Regret und geringerer Zufriedenheit führen kann.

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Die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt ist dahingehend von Interesse, da sie in Zusammenhang mit künftigem Verhalten steht: So existiert ein positiver Zusammenhang von Produktzufriedenheit und zukünftigen Kaufabsichten hinsichtlich der Marke (vgl. Fitzsimons/Greenleaf/Lehmann 1997, S. 7; Tsiros/Mittal 2000, S. 405f.; siehe auch Abbildung 38, S. 167).

Neben dem gekauften Produkt bewerten Konsumenten den Prozess zu dessen Erwerb. Zhang und Fitzsimons (1999) bezeichnen die hierbei zugrunde liegene Bewertungsgröße als „Choice-Process Satisfaction“ (Kaufprozesszufriedenheit) (S. 193) und verstehen darunter „(...) consumers’ satisfaction with their experience in the decision and purchase experience leading up to, and including, the actual purchase transaction“ (Fitzsimons/Greenleaf/Lehmann 1997, S. 1). Es ist anzunehmen, dass ein Zusammenhang selbiger mit der Produktvielfalt besteht: So konnten Sethi-Iyengar und Lepper (2000) zeigen, dass Konsumenten mit einem gewählten Produkt unzufriedener sind, wenn sie es aus einem Set mit vergleichsweise hoher Vielfalt gewählt haben (30 Alternativen) (S. 1003). Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch andere Autoren wie z. B. Klein und Yadav (1989, S. 417f.) und Schmidt 1990, S. 244). Ein gegenteiliges Verhältnis zeigten die Untersuchungen von Jacoby et al. (1974a), die einen positiven Zusammenhang von Markenzahl und Zufriedenheit mit der Wahlentscheidung festgestellt haben (S. 67). Hierzu ist anzumerken, dass die Testpersonen unter maximal 12 Alternativen und damit aus einer moderaten Alternativenzahl ausgewählt haben. In einer anderen Untersuchung bestätigten Jacoby und seine Mitarbeiter (1974b) den negativen Zusammenhang von hoher Markenzahl und Zufriedenheit (S. 39). Weiterhin konnten Chang und Fitzsimons (1999) zeigen, dass Konsumenten mit dem Kaufprozess zufriedener sind, wenn die verfügbaren Alternativen hinsichtlich wichtiger Attribute vergleichbar (alignable) sind, was die Autoren auf geringere emotionale und kognitive Kosten bei der Entscheidung zurückführen (S. 206).

Insgesamt ist deshalb davon auszugehen, dass sich sowohl die Anzahl als auch die Struktur der Alternativen auf die Kaufprozesszufriedenheit auswirken (vgl. Westbrook/Newman/Taylor 1978, S. 59; Fitzsimons/Greenleaf/Lehmann 1997, S. 5ff.).

Die Kaufprozesszufriedenheit wirkt sich wiederum auf die Gesamtzufriedenheit sowie insbesondere auf die Loyalität gegenüber dem Geschäft aus. Letzteres ist darauf zurückzuführen, dass der Kaufprozess eher dem Geschäft als dem Hersteller zugeschrieben wird (vgl. Fitzsimons/Greenleaf/Lehmann 1997, S. 7).

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Festzuhalten ist, dass sich hohe Produktvielfalt sowohl auf die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt als auch mit dem Kaufprozess auswirkt, was wiederum die Loyalität hinsichtlich der gekauften Marke und des Geschäfts, in dem das Produkt erworben wurde, beeinflusst. Des Weiteren ist zu vermuten, dass hohe Produktvielfalt die Entstehung kognitiver Dissonanz begünstigt. Diese stellt gewissermaßen das Bindeglied zwischen Kaufprozess und Produktzufriedenheit dar und wird häufig als eine der Antezedenzien selbiger bezeichnet (vgl. Oliver 1996, S. 259f.). Die aufgefühten Größen sollen folglich in dem zu entwickelnden Modell der Auswirkungen von Kosten und Nutzen hoher Produktvielfalt berücksichtigt werden.

Zusammenfassung

Die Beschreibung der Phasen des Kaufprozesses hat verdeutlicht, dass die Produktvielfalt insbesondere in zwei Phasen eine wichtige Rolle spielt: In der Phase der Vor-Kauf-Bewertung und der Nachkaufphase. Dies verwundert auch nicht weiter, da sich der Konsument in der Bewertungsphase der Produktvielfalt gegenüber sieht und deshalb in diesem Schritt der Wert von Produktvielfalt in Form von Kosten und Nutzen entsteht. Die Nachkaufphase zeigt das Ergebnis der Entscheidung und somit die Konsequenzen des Werts von Produktvielfalt. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass auch der Verzicht auf den Kauf bzw. dessen Verschiebung ein mögliches Ergebnis des Kaufprozesses ist. Das hier betrachtete Konstrukt Wert von Produktvielfalt kann mit seinen Dimensionen Nutzen von Produktvielfalt und Kosten von Produktvielfalt somit der Phase der Vor-Kauf-Bewertung und seine Konsequenzen der Kauf- und Nachkauf-Phase zugeordnet werden.

Als Konsequenzen sind hierbei in der weiteren Untersuchung insbesondere

die Kaufintention,

die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt und dem Kaufprozess,

die kognitive Dissonanz als Bindeglied zwischen Kaufprozess und Produktzufriedenheit sowie

die Loyalität gegenüber Geschäft und Marke

zu berücksichtigen.

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1.2.3 Zielsetzung, forschungsleitende Fragestellungen und Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands

1.2.3.1 Forschungsbedarf

Dhar beschreibt die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen zur Wirkung der Produktvielfalt auf das Konsumentenverhalten als Beantwortung der Fragen „is?“ und „when?“ (Dhar 1997b, S. 126). Die Forschung hat sich bisher folglich vornehmlich damit beschäftigt, ob es einen Einfluss des Entscheidungskontextes, wie z. B. der Auswahlvielfalt auf das Entscheidungsverhalten gibt, und wann diese Effekte auftreten. In Kapitel 2.1 (S. 42ff.) werden einige der wichtigsten Untersuchungen detaillierter beschrieben.

Weitgehend unbeantwortet ist dagegen die Frage „how?“, die erklärt, wie die Effekte zu Stande kommen und welche psychischen Prozesse sie verursachen (vgl. Dhar 1997b, S. 127). Lehmann (1998) stellt zusätzlich den Forschungsbedarf hinsichtlich der Gesamtperspektive im Sinne der Wertschätzung von Produktvielfalt durch Konsumenten und deren Umgang mit großen Sortimenten heraus: „(...) research on how much customers value variety (...) and the reactions of customers to large sets of options are (…) important areas for research” (S. 64).

Forschungsbedarf besteht somit sowohl hinsichtlich der Makroebene, die sich mit der Wertschätzung von Produktvielfalt durch Konsumenten beschäftigt, als auch hinsichtlich der Mikroebene, die die verschiedenen Aspekte und Prozesse, die zu dieser Wertschätzung führen, beleuchtet.

Der in der Literatur genannte Forschungsbedarf konzentriert sich deshalb auf die Erklärung des beobachteten Konsumentenverhaltens und kann hierbei unter Einbeziehung der im Rahmen der Untersuchung verwendeten Begriffe Kosten von Produktvielfalt (KPV), Nutzen von Produktvielfalt (NPV) und Wert von Produktvielfalt (WPV) im Wesentlichen drei Themenbereichen zugeordnet werden:

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1. Besseres Verständnis der Wertschätzung von Produktvielfalt durch Konsumenten. Dies beinhaltet insbesondere die theoretische Erklärung der zugrunde liegenden positiven und negativen sowie kognitiven und affektiven Reaktionen von Konsumenten auf (hohe) Produktvielfalt sowie deren Messung.

„(...) research on how much customers value variety (...) and the reactions of customers to large sets of options are (…) important areas for research“ (Lehman 1998, S. 64).

„There is no consensus on a comprehensive principle that predicts decision difficulty, that provides measures of difficulty, or even on a defi-nition“ (Hastie 2000, S. 11).

„(…) future research should focus on the underlying cognitive processes that drive the negative impact of non-alignability on consumer choice“ (Gourville/Soman 1999, S. 22).

„Additional research might investigate the role of affectively based assortment perceptions more thoroughly (…)” (Broniarczyk/Hoyer/McAlister 1998, S. 175).

2. Untersuchung der Auswirkungen verschiedener Kosten- und Nutzenaspekte von Produktvielfalt auf das Konsumentenverhalten

„(…) how the aversive elements of decision making are offset by the positive elements of greater choice to account for the fact that decisions do get made“ (Dhar 1997a, S. 230).

„Further research should investigate the influences of anticipating decision errors on purchase timing and choices between brand name and price (…)“ (Simonson 1992, S. 117).

„(…) dissonance is integral to decision making and to consumption (…). Little work on the occurrence and reduction of dissonance in consumption is currently available, and managers are generally unable to determine the extent of dissonance experienced by their consumers or of the influence of dissonance on satisfaction“ (Oliver 1996, S. 261).

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3. Einfluss der Eigenschaften des Choice Sets auf Kosten und Nutzen von Produktvielfalt

„Of particular interest is how the characteristics of a choice set (i.e. perceived similarity/differences between choices) contribute to choice uncertainty“ (Urbany/Dickson/Wilkie 1989, S. 214).

„Additional research might derive a more specific quantitative model of assortment perceptions to the functional relationships between objective stimulus changes and subjective experiences in psychophysics“ (Broniarczyk/Hoyer/McAlister 1998, S. 174).

„(…) further research will probably help define what kind of changes and variety consumers actually desire“ (Desmeules 2002, S. 14).

Die Forschungslücke besteht somit vor allem. in der Erklärung des Zusammenhangs von Produktvielfalt in der Entscheidungssituation und dem Ergebnis des Kaufprozesses sowie den nachgelagerten Evaluationsprozessen, um so letztlich die Frage beantworten zu können „(...) when is too much variety too much?“ (Kahn 1998, S. 52).

Ansatzpunkt der vorliegenden Untersuchung ist es, diese Forschungslücke mit Hilfe der Konstrukte Kosten von Produktvielfalt (KPV) und Nutzen von Produktvielfalt (NPV) als Dimensionen des Werts von Produktvielfalt (WPV), zu schließen.

Die Zielsetzung der Untersuchung lässt sich damit wie folgt formulieren:

1.2.3.2 Ziele der Untersuchung und Forschungsfragen

Im Hinblick auf die Wissenschaft soll mit Hilfe der Konstrukte Kosten von Produktvielfalt (KPV) und Nutzen von Produktvielfalt (NPV) als unabhängige Dimensionen des Werts von Produktvielfalt (WPV) der Zusammenhang von Produktvielfalt in der Entscheidungssituation und dem Ergebnis des Entscheidungs-prozesses sowie nachgelagerten Bewertungsprozessen aufgezeigt werden. Dieser Zusammenhang wird mit Hilfe existierender Theorien erklärt.

Darauf aufbauend wird das Konstrukt Wert von Produktvielfalt und seine Kosten- und Nutzendimension theoriebasiert konzeptualisiert und operationalisiert. Unter Konzeptualisierung wird dabei die Erarbeitung der relevanten Kosten- und Nutzenfacetten von Produktvielfalt aus der Sicht des Konsumenten verstanden.

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Anschließend werden im Rahmen der Operationalisierung Methoden zur Messung der Eigenschaften dieser Facetten entwickelt (Homburg 1998, S. 4). Des Weiteren sollen die Auswirkungen von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt auf das Kaufverhalten und die Bewertung des Kaufs, sowie des Kaufprozesses empirisch untersucht werden.

Drittens soll schließlich der Einfluss der Charakteristika des Sortiments auf Kosten und Nutzen von Produktvielfalt untersucht werden. Hierbei werden sowohl quantitative Aspekte wie z. B. die Anzahl der Produkte im Sortiment, als auch qualitative Eigenschaften, wie beispielsweise Vergleichbarkeit und Unterscheidbarkeit der zur Wahl stehenden Alternativen, berücksichtigt.

Der Unternehmenspraxis sollen damit Anhaltspunkte für die Optimierung des Produktprogramms zur Steigerung der Kaufintention von Konsumenten und damit zur Erhöhung des eigenen Absatzes gegeben werden. Weiterhin werden die Zusammenhänge von angebotener Vielfalt und der Zufriedenheit der Kunden mit dem Kaufprozess und dem gekauften Produkt näher untersucht. Unternehmen werden dadurch unterstützt, sowohl kurzfristige (Kaufintention) als auch mittelfristige (Zufriedenheit) Nachfrageeffekte von Vielfaltssenkungen und -steigerungen besser abschätzen zu können.

Insgesamt hat die Untersuchung das Ziel, Zusammenhänge von Produktvielfalt und Konsumentenverhalten zu beleuchten, um so Wissenschaft und Praxis durch ein besseres Verständnis der Bedürfnisse von Konsumenten hinsichtlich der Vielfalt in der Entscheidungssituation weiterführende Hinweise zur gestalterischen Verbesserung der am Markt angebotenen Produktvielfalt zu geben.

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Forschungsfragen

Zusammenfassend kann der Untersuchungsgegenstand durch vier Forschungsfragen beschrieben werden:

1. Wie kann der Zusammenhang von Produktvielfalt und Konsumentenverhalten insgesamt und aufgrund vielfaltsbedingter Kosten- und Nutzenaspekte theoretisch erklärt werden?

2. Wie lassen sich Kosten und Nutzen von Produktvielfalt konzeptualisieren und messen?

3. Im welchem Zusammenhang steht die Höhe von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt mit dem Ergebnis der Kaufentscheidung und der Bewer-tungen von Kaufprozess und gekauftem Produkt sowie zukünftigen Verhal-tensabsichten gegenüber dem Geschäft und der gekauften Marke?

4. Durch welche Eigenschaften des Sortiments werden Kosten und Nutzen von Produktvielfalt in welcher Höhe beeinflusst und welche Rolle spielt hier insbesondere die Anzahl der zur Wahl stehenden Produkte?

Vereinfacht gesagt dienen die Forschungsfragen dazu, die „Blackbox des Konsumenten“ (vgl. Bänsch 1998, S. 4f.) ein Stück weit zu öffnen, um seine Reaktionen auf hohe Produktvielfalt besser zu verstehen. In Abbildung 7 werden die Forschungsfragen in Analogie zu einem S-O-R-Modell10 veranschaulicht. Das Modell beschreibt dabei die Reaktion des Konsumenten (Objekt) auf den Stimulus (in diesem Fall die Produktvielfalt) in Form von (Nicht)Kaufhandlung und Kaufbewertung (vgl. Meffert 2000, S. 99f.).

10 Stimulus-Object-Response-Modell

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"Blackbox"

Objekt(Konsument)

Reaktion(Ergebnis Entscheidungsprozess)

Stimulus(Sortiment in der

Kaufsituation)

Evaluation und zukünftiges Verhalten

Ergebnis Kaufentscheidung

Größe und Eigenschaften des

Sortiments

"Öffnen der Blackbox"

Ergebnis KaufentscheidungKaufwahrscheinlichkeit

Evaluation und zukünftiges Verhalten

Zufriedenheit- Kaufprozess- Produkt

Kognitive DissonanzLoyalität

- Marke- Geschäft

44

33

33

1 Theorie

Wert von Produktvielfalt

Kosten

Nutzen

...

...

Facette n

Facette 1

Facette n

Facette 1

2

1 Theoretische Begründung1 Theoretische Begründung 2

Messung des Werts von Produktvielfalt durch seine Kosten- und Nutzendimension

3Konsequenzen: Wirkung auf Konsumentenverhalten

4Determinanten: Einflussgrößen des Sortiments

Abbildung 7: Grafische Veranschaulichung der Forschungsfragen

Um die Realisierbarkeit dieser Forschungsziele zu gewährleisten, wird der Untersuchungsgegenstand einerseits hinsichtlich der berücksichtigten unternehme-rischen Aspekte und andererseits hinsichtlich der Art der Kaufentscheidung eingegrenzt.

1.2.3.3 Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands

Eingrenzung der berücksichtigten unternehmerischen Aspekte

Die Untersuchung konzentriert sich auf die Wirkung von Produktvielfalt auf das Konsumentenverhalten und somit auf Nachfrageeffekte (vgl. Bayus/Putsin 1999,

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S. 137). Weitere Auswirkungen und Determinanten wie z. B. Kosteneffekte, strategische Effekte, unternehmensinterne und organisatorische Rahmenbedingungen sowie ökonomische Ziele wie Gewinn oder Deckungsbeitrag finden keine Berücksichtigung (vgl. hierzu z. B. Bayus/Putsin 1999, S. 137, Schuh/Schwenk 2001, S. 1ff.; Schmidt 1990, S. 1ff.; Prillmann 1996, S. 1ff.)

Eingrenzung nach der Art der Kaufentscheidung

Die vorherigen Abschnitte sind bereits auf die verschiedenen Aspekte der Kosten- und Nutzendimension des Werts von Produktvielfalt knapp eingegangen. Hierbei wurde deutlich, dass vor allem Kosteneffekte auf der hohen kognitiven Belastung der Informationsverarbeitung bei großer Produktvielfalt beruhen. Dies gilt jedoch nicht bei allen Arten von Kaufentscheidungen gleichermaßen. So ist die Intensität der Informationsverarbeitung und das Sicherheitsbedürfnis, die richtige Entscheidung zu treffen beim Kauf einer Frühstücksmarmelade sicherlich eine andere als beim Erwerb eines Autos oder langlebigen Konsumgutes wie einer Digitalkamera. Gleiches gilt auch für die Nutzenaspekte. Bei Verbrauchsgütern wie Marmelade spielt hier z. B. die Variation über die Zeit (Variety Seeking) eine wichtige Rolle, d. h. der Konsument möchte nicht jeden Tag dieselbe Marmeladesorte essen und profitiert folglich beim Kauf von großer Auswahl im Sinne der Verschiedenartigkeit der Produkte. Beim Kauf einer Waschmaschine ist dies offensichtlich vollkommen unbedeutend. Um diesen Unterschieden in der Art der gekauften Produkte Rechnung zu tragen, wird die Untersuchung entsprechend eingegrenzt. Die Eingrenzung erfolgt dabei aber nicht nach der Art der gekauften Produkte, sondern nach der Art der Kaufentscheidung. Dieser allgemeinere Ansatz kann entsprechend auf verschiedene Produktarten übertragen werden.

Nachfolgend werden zunächst verschiedene Arten von Kaufentscheidungen charakterisiert um auf dieser Basis die Eigenschaften „echter Kaufentscheidungen“ herauszuarbeiten, auf die diese Untersuchung eingegrenzt wird.

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Arten von Kaufentscheidungen

Die in der Marketingliteratur sehr gebräuchliche Kaufentscheidungstypologie von Katona und Howard/Sheth unterscheidet nach dem Grad der kognitiven Kontrolle vier idealtypische Kaufentscheidungsarten (vgl. z. B. Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S. 359; Herrmann 1998, S. 95f.; Meffert 2000, S. 102ff.; Kuß 1987, S. 18):

Extensive Entscheidungen

Limitierte Entscheidungen

Habitualisierte Entscheidungen und

Impulsive Entscheidungen

Diese Typologisierung geht ursprünglich auf Georg Katona (1950/1960) zurück, der zwei Arten von Kaufentscheidungen unterschied:

echte Entscheidungen

habituelles Verhalten

„Echte Entscheidungen werden nur gelegentlich getroffen (...) (und) (...) erfordern die Wahrnehmung einer neuen Situation und die Lösung des durch sie geschaffenen Problems“ (Katona 1960, S. 57, Hervorhebungen nicht im Original). Sie sind des Weiteren durch intensive Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung gekennzeichnet und finden vor allem beim Kauf von hochwertigen und langlebigen Gebrauchsgütern statt (vgl. Meffert 2000, S. 102; Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S. 359).

Im Gegensatz hierzu beschreibt das habituelle Verhalten das „übliche oder alltägliche Verhalten“ bei dem man das tut „was man vorher in einer ähnlichen Situation auch schon getan hat“ (Katona 1960, S. 57, Hervorhebung nicht im Original). Die Wahl von Produkten und Marken ist nicht kognitiv gesteuert, sondern erfolgt gewohnheitsmäßig. Habituelle Kaufentscheidungen finden sich vor allem. bei Gütern des täglichen Bedarfs (vgl. Meffert 2000, S. 102; Herrmann 1998, S. 96).

Die beiden Kaufentscheidungsarten unterscheiden sich somit hauptsächlich. hinsichtlich des Neuigkeitsgrades der Situation für den Konsumenten, was sich nach Katona (1960, S. 57) insbesondere auf die psychischen Prozesse der Entscheidungs-findung auswirkt.

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Howard und Sheth (1969) haben diese Unterscheidung verfeinert und zwei weitere Kaufentscheidungsarten unterschieden:

Limitierte Entscheidungen und

Impulskäufe

Die limitierten Entscheidungen liegen gewissermaßen zwischen den echten und den habitualisierten Kaufentscheidungen. Konsumenten können bei dieser Art der Entscheidung auf Erfahrungen in ähnlichen Situationen zurückgreifen und haben klar definierte Entscheidungskriterien, anhand derer die Produktwahl getroffen wird (vgl. Kuß 1987, S. 18). Der kognitive Aufwand ist dabei begrenzt und die Auswahl erfolgt weitgehend emotionslos (vgl. Herrmann 1998, S. 96; Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S. 359).

Die Impulskäufe unterscheiden sich von den anderen Entscheidungsarten in erster Linie durch den Zeitpunkt des Vorliegens eines Bedürfnisses: Während bei den bisher aufgeführten Auswahlarten das Bedürfnis bereits vor dem Betreten des Geschäfts beim Konsumenten existiert, reagiert der Konsument beim Impulskauf spontan auf Reize am Point of Sale, wie z. B. auf einen Wobbler oder eine auffällig gestaltete Verpackung (vgl. Meffert 2000, S. 102). Die Kaufentscheidung unterliegt nur einer geringen kognitiven Kontrolle und erfolgt meist affektgesteuert (vgl. Kuß 1987, S. 19; Herrmann 1998, S. 96; Meffert 2000, S. 102).

Eingrenzung der Untersuchung auf „echte Kaufentscheidungen“ bzw. Auswahlprobleme

Kosten von Produktvielfalt werden vor allem durch die kognitive Überforderung des Konsumenten bei der Kaufentscheidungsfindung (Information Overload) (vgl. Jacoby/Speller/Kohn 1974; Malhotra/Jain/Lagakos, 1982; Best/Ursic 1987) und während der Entscheidung empfundene oder antizipierte negative Emotionen (vgl. Anderson 2003, S. 160) verursacht. Sie setzen somit ein Mindestmaß an kognitiver Kontrolle und Informationsverarbeitung im Entscheidungsprozess voraus. Wie oben beschrieben, werden impulsive und habitualisierte Kaufentscheidungen weitgehend ohne kognitiven Aufwand getroffen, weshalb davon auszugehen ist, dass bei diesen Kaufentscheidungsarten mit hoher Produktvielfalt keine negativen Aspekte verbunden sind. Der Konsument würde auch bei einer großen Anzahl an Produkten ohne intensives Nachdenken entweder ein beliebiges oder sein „Stamm-Produkt“, das er häufig kauft, erwerben.

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Um die „desirable depth of questioning“ (Westbrook/Newman/Taylor 1978, S. 55) des Konsumenten bei der Entscheidungsfindung sicherzustellen, wird die Untersuchung deshalb auf Auswahlprobleme bzw. echte Kaufentscheidungen eingeschränkt, d. h. auf Situationen, in denen ein Konsument „(...) auf der Basis von Beurteilungen aus einer größeren Zahl von Möglichkeiten eine Alternative (...)“ auswählt (Kuß 1987, S. 7). Die Produktwahl ist folglich das Ergebnis einer „;echten’ Entscheidung“ in der „(...) der Konsument das Für und Wider einer Produktwahl überlegt, also bewusst auswählt“ (Kroeber-Riel 1992, S. 371). Kuß (1983) bezeichnet Entscheidungen, die dieser Bedingung genügen, als „kognitive Kaufentscheidungen“ (S. 28), wobei der Begriff darauf zurückgeht, dass die während der Informations-aufnahme und -verarbeitung ablaufenden Prozesse den kognitiven Prozessen zugeordnet werden, was nicht bedeuten soll, dass affektive Reaktionen während der Kaufentscheidung keine Rolle spielen (vgl. Kuß 1983, S. 28).

Zusammenfassende Charakterisierung echter bzw. kognitiver Kaufentscheidungen

Hinsichtlich der Produkte lässt sich sagen, dass typischerweise langlebige Konsumgüter und höherwertige Produkte in die Kategorie der kognitiven Käufe fallen, während der Kauf von Gütern des täglichen Bedarfs eher den habitualisierten oder impulsiven Kaufentscheidungen zuzuordnen ist (vgl. Meffert 2000, S. 102; Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S. 359; Herrmann 1998, S. 96). Dies bedeutet auch, dass erstere Produkte meist teurer und komplexer sind sowie seltener gekauft werden (vgl. Solomon/Bamossy/Askegaard 2001, S. 250). Bei kognitiven Kaufentscheidungen sind die Produkte und Marken daher dem Käufer weniger bekannt (vgl. Solomon/ Bamossy/Askegaard 2001, S. 250), weisen aber meist eine gewisse Verbindung zur Persönlichkeit und Selbsteinschätzung des Konsumenten auf, was den Kauf aus Konsumentensicht wichtiger macht (vgl. Assael 1981, S. 11; Meffert 2000, S. 112). Fritz und Hefner (1981, S. 233) konnten einen Zusammenhang der Produktart mit dem Informationsverhalten nachweisen und zeigen, dass der Informationsbedarf und die Informationsbeschaffung beim Kauf langlebiger Güter größer sind, als bei Lebensmitteln.

Der Konsument sieht sich in der Kaufsituation bei einer kognitiven Entscheidung normalerweise einem relativ neuartigen Entscheidungsproblem gegenüber, für dessen Lösung ihm viele Informationen z. B. aus Werbung oder Testberichten oder vom Hersteller bzw. Händler zur Verfügung stehen. Die Dringlichkeit des Kaufs ist im Normalfall nicht sehr hoch, weshalb der Konsument nicht unter hohem Zeitdruck steht

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(vgl. Trommsdorff 1998, S. 308). Da die Produkte meist relativ teuer sind, können die Konsequenzen einer Fehlentscheidung bei einer echten Kaufentscheidung durchaus schwerwiegend sein (vgl. Desmeules 2002, S. 11). Dies führt dazu, dass der Konsument in der Entscheidungssituation ein hohes Risiko wahrnimmt (vgl. z. B. Assael 1981, S. 11; Solomon/Bamossy/Askegaard 2001, S. 250). Er ist daher relativ stark involviert, d. h. der Kauf hat eine große „Ich-Bedeutung“ für ihn (vgl. z. B. Assael 1981, S.11; Dellaert/Conlon/Soest 2001, S. 24f.). Auf die Rolle des Involvement wird in einem späteren Abschnitt noch detaillierter eingegangen (siehe S. 352ff.)

In Abbildung 8 werden die beschriebenen Kaufentscheidungsarten sowie deren Eigenschaften im Überblick dargestellt.

Art

der

En

tsch

eidu

ng

Impulsive Entscheidungen

Habitualisierte Entscheidungen

Limitierte Entscheidungen

Extensive Entscheidungen

Echte/kognitive Kaufentscheidungen

Prod

ukte

Langlebige Konsumgüter,höherwertige, teure Produkte

Weniger bekannte Produkte/Marken

Beziehung/Relevanz für Persönlichkeit

Ents

chei

dung

s-pr

ozes

s

Bedürfnis vor Kaufbeginn

Informationsbeschaffung vor dem Kauf

Intensität der Informationsverarbeitung

Zeitbedarf

Proz

esse Kognitiv

Reaktiv

emotional

Situ

atio

n

Neuartigkeit der Situation

Verfügbarkeit an Informationen

Risiko/Konsequenzen einer Fehlentscheidung

InvolvementSchwierigkeit der Entscheidung

Bedürfnis entsteht im Kaufprozess

Güter des täglichen Bedarfs,billige Produkte

Geläufige Produkte und Marken

Fokus der Untersuchung

Abbildung 8: Eigenschaften verschiedener Arten von Kaufentscheidungen

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Beschränkung auf hohe Produktvielfalt

Da die Arbeit das Ziel hat, die positiven und negativen Aspekte hoher Produktvielfalt theoretisch zu begründen und empirisch zu untersuchen, werden die Ausführungen auf Kaufsituationen mit hoher Vielfalt eingeschränkt, also auf Situationen, in denen der Konsument ein Produkt aus einem großem Sortiment auswählen möchte.

Weitere Einschränkungen

Die Auswahlprobleme werden weiter auf so genannte Quantal Choice Problems bzw. All-or-Nothing-Responses eingeschränkt. Es geht also nicht um die Frage wie viel gekauft wird, sondern ob ein Produkt einer bestimmten Produktgruppe in einer spezifischen Kaufsituation gekauft wird (vgl. Shugan 1980, S. 99). Die Einschränkung auf das Quantal Choice Problem ist in der Konsumentenforschung häufig zu finden (vgl. Shugan 1980, S. 99 und die hierin zitierten Quellen).

Des Weiteren spielen die einer Kaufentscheidung vorgelagerten Allokationsstufen, wie die Aufteilung des verfügbaren Kapitals in Spar- und Konsumanteil, sowie die Budgetierung des zum Konsum zur Verfügung stehenden Einkommens auf verschiedene Konsumsituationen bei der weiteren Betrachtung keine Rolle (vgl. Kuß 1987, S. 10f).

Die im Fokus dieser Untersuchung stehenden Entscheidungssituationen lassen sich somit folgendermaßen beschreiben:

Die Entscheidung wird durch ein Individuum für einen Haushalt getroffen.

Die Entscheidung hat einen gewissen Neuheitsgrad und wird nicht aus Routine getroffen (echte/kognitive Kaufentscheidungen).

Der Konsument kann sich zum Kauf (oder Nicht-Kauf) von genau einem Produkt entscheiden (Quantal Choice Problem).

Die grundsätzliche Entscheidung zum Kauf eines Produkts der Kategorie ist bereits im Vorfeld gefallen (keine Berücksichtigung vorgelagerter Allokati-onsstufen).

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1.3 Struktur der weiteren Untersuchung

Dieses Kapitel hat die Relevanz der Produktvielfalt für das Konsumentenverhalten dargestellt, die Zielsetzung dieser Untersuchung konkretisiert und grundlegende Begriffe erläutert. Des Weiteren wurde ein Überblick zu Erklärungsansätzen des Zusammenhangs von Produktvielfalt und Konsumentenverhalten gegeben und relevante Größen der Untersuchung identifiziert.

Im nächsten Kapitel der Arbeit werden die theoretischen Grundlagen der Untersuchung dargestellt. Hierbei wird im ersten Teil eine Bestandsaufnahme empirischer Forschungsergebnisse zum Umgang von Konsumenten mit Produktvielfalt erstellt und bedeutende Studien in diesem Forschungsfeld beschrieben. Der zweite Teil geht auf Theorien, die den grundlegenden Zusammenhang von Produktvielfalt und Konsumentenverhalten beschreiben, ein. Im zweiten Teil werden die theoretischen Bezugspunkte zur Erklärung des Nutzens und der Kosten von Produktvielfalt aus Konsumentensicht beschrieben. Der zuvor beschriebene Gesamteffekt wird hierbei gewissermaßen in einen Kosten- und einen Nutzeneffekt aufgegliedert, der dann jeweils theoretisch erklärt wird. Das Kapitel endet mit der Formulierung der aus der Theorie abgeleiteten Hypothesen.

Das anschließende dritte Kapitel (S. 187ff.) befasst sich mit der Messung, d. h. der Konzeptualisierung und Operationalisierung des Werts bzw. von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt. Hierbei wird auf die methodischen Grundlagen und die Vorgehensweise bei der empirischen Untersuchung eingegangen. Ziel dieses Kapitels ist es, ein Messinstrumentarium für die beiden Konstrukte Kosten von Produktvielfalt und Nutzen von Produktvielfalt zu entwickeln und dieses in einer empirischen Studie zu überprüfen. Das Kapitel geht hierbei auch auf methodische Hintergründe der verwendeten Verfahren (LISREL, PLS) ein.

Im Fokus des vierten Kapitels (S. 302ff.) steht die Wirkung von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt auf das Konsumentenverhalten: Hierbei werden die aus der Theorie abgeleiteten Hypothesen zum Einfluss der Kosten- und Nutzendimension des Wertkonstrukts auf verschiede Größen des Konsumentenverhaltens einer empirischen Überprüfung unterzogen.

Während sich das vierte Kapitel mit Konsequenzen der beiden zentralen Konstrukte beschäftigt, werden im fünften Kapitel (S. 366 ff.) die Determinanten von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt näher untersucht. Hierzu werden die in Kapitel 2 formulierten Hypothesen zu den Einflussgrößen empirisch überprüft.

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Die Arbeit endet mit einem zusammenfassenden sechsten Kapitel (S. 387ff.), das die Ergebnisse aus wissenschaftlicher Sicht zusammenfasst, weiteren Forschungsbedarf sowie Implikationen für die Unternehmenspraxis ableitet.

In Abbildung 9 ist der Aufbau der Arbeit grafisch veranschaulicht.

Größe und Eigenschaften desChoice Sets Ergebnis

Kaufentscheidung

Evaluation und zukünftiges Verhalten

Kosten

Nutzen

...

...

Facette n

Facette 1

Facette n

Facette 1

Kosten

Nutzen

...

...

Facette n

Facette 1

Facette n

Facette 1

Grundlagen und Zielsetzung der Arbeit

Theorien zur Erklärung des übergeordneten Zusammenhangsvon Produktvielfalt und Konsumentenverhalten

Theorien zur Erklärung des Nutzens von Produktvielfalt

Theorien zur Erklärung der Kosten von Produktvielfalt

Theoretische Grundlagen der Untersuchung

Bestandsaufnahme2.1

2.2

2.3.1 2.3.2

Kapitel 2

Kapitel 1

Kapitel 5

Kapitel 3Kapitel 4

Determinanten

MessungKonsequenzen

Zusammenfassung aus Sicht der Wissenschaftund Implikationen für die UnternehmenspraxisKapitel 6

Abbildung 9: Aufbau der Arbeit

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2. Theoretische Grundlagen der Untersuchung

2.1 Bestandsaufnahme: Empirische Forschungsergebnisse ausgewählter Studien zum Zusammenhang von Produktvielfalt und Konsumentenverhalten

Ziel dieses Abschnitts ist es, einen Überblick zu wichtigen empirischen Studien zu geben, die den Zusammenhang der Höhe und Struktur von Produktvielfalt in der Entscheidungssituation und im Kaufverhalten sowie Auswirkungen auf nachgelagerte Konstrukte, wie beispielsweise die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess zum Untersuchungsgegenstand hatten. Die Darstellung erhebt dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie soll vielmehr die Existenz empirischer Hinweise aufzeigen, welche die zentrale Hypothese dieser Arbeit stützen, dass Konsumenten mit hoher Auswahlvielfalt nicht nur positive (Nutzen) sondern auch negative (Kosten) Aspekte verbinden.

2.1.1 Amos Tversky und Eldar Shafir (1992): Choice under Conflict: The Dynamics of Deferred Decision

Die beiden Autoren untersuchten, als zwei der ersten in dieser Studie, die Auswirkungen der Alternativenanzahl auf das Kaufverhalten, insbesondere auf die Tendenz zum Kaufaufschub (Choice Deferral). Hierbei argumentieren Tversky und Shafir, dass durch zusätzliche (attraktive) Alternativen Konflikte beim Konsumenten entstehen, die zum Aufschub oder Abbruch der Entscheidung führen. Ursache hierfür sind schwierige Zielkonflikte (Trade-offs) zwischen den Attributen der Wahlalternativen: „Conflict arises because a person does not always know how to trade off costs against benefits, risk against value, and immediate satisfaction against future discomfort. As a consequence, it is often difficult to make important decisions (…)“ (Tversky/Shafir 1992, S. 358). Die Tendenz zum Kaufaufschub steigt folglich, wenn die Entscheidung zwischen attraktiven Alternativen zum Entscheidungskonflikt führt und einem Konsumenten deshalb schwer fällt. Dies widerspricht dem Prinzip der

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Nutzenmaximierung der rationalen Entscheidungstheorie, wonach ein Konsument eine Kaufentscheidung nur dann aufschiebt, wenn der Aufschub für ihn einen (subjektiv) höheren Wert hat, als die vorhandenen Alternativen, was beispielsweise dann der Fall ist, wenn er sich von der Suche nach weiteren Informationen oder Alternativen einen höheren Nutzen verspricht, als vom Kauf einer der verfügbaren Alternativen. Dies bedeutet aber, dass die Wahrscheinlichkeit des Kaufabbruchs nicht steigen kann, wenn einem Choice Set zusätzliche Alternativen hinzugefügt werden. In der Rationalitätstheorie wird dies als Regularitätsprinzip (Regularity) bezeichnet (vgl. Luce 1959, 1977; Gourville/Soman 1999, S. 5ff.).

Formal ausgedrückt besagt es:

Bezeichnet P(z; y) den Anteil der Konsumenten, die z aus einer Auswahl von {z, y} wählen und P(z; y, x) den Konsumentenanteil, die z wählen, wenn {z, y, x} zur Wahl stehen, dann gilt:

P (z;y) ≥ P (z;y,x) (1)

z, y, x Alternative Entscheidungsausgänge

Wenn z den „Aufschub einer Kaufentscheidung“ bezeichnet, folgt aus dem Regularitätsprinzip, dass der Anteil an Konsumenten, die den Kauf aufschieben, nicht steigen kann, wenn zusätzlich zum Produkt y auch noch Produkt x verfügbar ist.

Die Gültigkeit dieses Prinzips haben Tversky und Shafir getestet: Versuchspersonen wurden in zwei Gruppen unterteilt und mit einer fiktiven Kaufsituation konfrontiert. Einer Gruppe (N = 121) wurde dabei ein Produkt – ein CD-Player der Marke SONY – zur Wahl gestellt, eine zweite Testgruppe (N = 124) hatte zusätzlich zu diesem Produkt noch einen höherwertigen CD-Player der Marke AIWA zur Wahl. Die Testpersonen beider Gruppen konnten sich entweder für ein Produkt entscheiden oder den Kauf aufschieben, um mehr über die verschiedenen Produktmodelle in Erfahrung zu bringen. In der ersten Gruppe, der nur ein Produkt angeboten wurde, entschieden sich 66% für den CD-Player der Marke SONY und 34% für den Kaufaufschub. Von der zweiten Teilnehmergruppe wählten jeweils 27% den SONY und den AIWA CD-Player und 46% entschieden sich gegen den Kauf. Der Anteil der Nicht-Käufer ist durch die Verfügbarkeit einer zweiten Option also von 34% auf 46% gestiegen (siehe Abbildung 10, linker Teil (Experiment 1).

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Tversky und Shafir erklären diesen Anstieg damit, dass die zweite attraktive Alternative einen Entscheidungskonflikt verursacht hat. Die Erklärung gründet dabei auf der Beobachtung, dass der Anteil der Konsumenten, die den Kauf aufschieben, nicht steigt, wenn die zweite Alternative deutlich unattraktiver ist als die erste und deshalb keinen Konflikt verursacht (vgl. S. 360).

In einem zweiten Experiment haben Tversky und Shafir untersucht, wie sich die Anzahl der verfügbaren attraktiven Alternativen auf die Wahrscheinlichkeit der Entscheidung für eine vorgegebene Option (Default Option) auswirkt. Dadurch konnten sie ausschließen, dass die obigen Ergebnisse der ersten Studie alternativ dadurch erklärt werden können, dass Konsumenten den Kauf aufschieben, weil sie die Existenz weiterer attraktiver Produkte am Markt vermuten.

Versuchspersonen wurde in dieser Untersuchung als „Dankeschön“ für die Teilnahme an einer Befragung $1,50 (Default) in Aussicht gestellt. Nach dem Ausfüllen eines Fragebogens wurde einer Hälfte der Teilnehmer alternativ zu den $1,50 ein Metallkugelschreiber angeboten. Die andere Hälfte konnte alternativ zum Geldbetrag zwischen dem Metallkugelschreiber und zwei Plastikkugelschreibern wählen, hatte also neben der vorgegebenen Option ($1,50) statt einer zwei Wahlmöglichkeiten.

Das Ergebnis gleicht dem der ersten Studie: In der ersten Gruppe entschieden sich 25% der Konsumenten für den Geldbetrag, in der zweiten 53%. Der durch die größere Auswahl verursachte Konflikt hat nach der Erklärung der beiden Autoren dazu geführt, dass die Konsumenten auf eine „aktive“ Entscheidung zwischen den Optionen (Metallkugelschreiber oder zwei Plastikkugelschreiber) verzichtet und deshalb den Standard bzw. die vorgegebene Option gewählt (S. 361) haben. Der rechte Teil von Abbildung 10 verdeutlicht grafisch die Ergebnisse des zweiten Experiments.

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45

Produktalternativen

46%*

34%

27%27%

66%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

SONY Aufschub SONY AIWA Aufschub

Anteilder

Befragten(in %)

Experiment 1: Kauf vs. Kaufaufschub(N= 225)

Experiment 2: Default Option vs. explizite Entscheidung(N= 80)

53%*

25% 23,5%23,5%

75%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

MKS $ 1.50(Default)

MKS 2 PKS $ 1.50(Default)

Anteilder

Befragten(in %)

(1) Keine genauere Angabe vorhanden

Zusammen 47%(1)

*: p < 0,05 MKS: Metallkugelschreiber PKS: Platsikkugelschreiber

1 2 1 2

Abbildung 10: Ergebnisse der Untersuchungen von Tversky/Shafir (1992): Die Erhöhung der Anzahl der Alternativen reduziert die Bereitschaft der Konsumenten zur Entscheidung. Daten aus Tversky/Shafir 1992, S. 358ff.

Die Untersuchungen von Tversky und Shafir haben gezeigt, dass mehr Vielfalt zum Verzicht des Konsumenten auf die aktive Entscheidung zwischen den Alternativen und damit zum Kaufaufschub oder zur Beibehaltung des Status quo führen kann. Dies stellt eine Verletzung des Regularitätsprinzips der rationalen Entscheidungstheorie (vgl. Luce 1959, 1977; siehe S. 43) dar. Nach der Argumentation von Tversky und Shafir ist die Ursache hierfür ein durch die Alternativen verursachter Entscheidungs-konflikt, den der Konsument nicht lösen kann oder will. Der Konflikt entsteht aber nur, wenn die Alternativen aus der Sicht des Konsumenten etwa gleich attraktiv und potenzielle „Kandidaten“ zur Bedürfnisbefriedigung sind. Dies führt dazu, dass der Konsument unschlüssig ist, welche der angebotenen Optionen er wählen soll. Die Ergebnisse der Untersuchungen verdeutlichen auch, dass sich nicht allein die Anzahl der Alternativen, sondern auch deren Art und Beziehung untereinander auf das Verhalten der Konsumenten auswirkt.

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2.1.2 Donald A. Redelmeier und Eldar Shafir (1995): Medical Decision Making in Situations That Offer Multiple Alternatives.

Die Studie von Redelmeier und Shafir (1995) war eine der ersten – wenn nicht die erste –, die in einem medizinischen Umfeld die Hypothese getestet hat „(...) whether situations involving multiple options can paradoxically influence people to choose an option that would have been declined if fewer options were available“ (Redelmeier/Shafir 1995, S. 302). Eine Besonderheit ist hierbei, dass Entscheidungen im medizinischen Bereich vergleichsweise schwer zu treffen sind, da sie aufgrund ihrer Komplexität und Dringlichkeit fehleranfällig sind und Fehlentscheidungen gleichzeitig weitreichende und teilweise irreparable Folgen für den Patienten haben (vgl. S. 302). Wesentliche Fragestellung dieser Untersuchung war der Einfluss der Alternativenzahl auf die Entscheidungswahrscheinlichkeit für die Beibehaltung des Status quo oder für die Wahl einer vorgegebenen Option.

In ihrem ersten Experiment untersuchten die Autoren, ob sich Ärzte hinsichtlich der Behandlung eines Patienten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für die Beibehaltung des Status quo entscheiden, wenn mehrere anstatt nur wenige alternative Behandlungsoptionen möglich sind. In einer zweiten Studie wurden Politiker vor ein ähnliches Entscheidungsproblem gestellt: Hierbei wurde untersucht, ob sich die Gesetzgeber eher für den Status quo entscheiden, wenn ein politisches Problem hinsichtlich der Schließung medizinischer Einrichtungen mehrere anstatt nur wenige alternative Lösungen hat. Ziel der dritten Untersuchung war schließlich festzustellen, ob die Wahl einer bestimmten Alternative von der Anzahl und der Ähnlichkeit der anderen Optionen abhängt.

Die Autoren stützen ihre Hypothese, dass die Präferenz von Entscheidern für die Beibehaltung des Status quo mit steigender Alternativenzahl zunimmt, auf die Konflikttheorie. Demnach versuchen Personen Konflikte zu lösen, die durch die gleichzeitige Verfügbarkeit mehrerer ähnlich attraktiver Alternativen entstehen, indem sie entweder beim Status quo bleiben oder eine Alternative wählen, die quasi den „Weg des geringsten Widerstands“ darstellt. Dadurch können sie eine explizite Lösung des Konflikts der konkurrierenden Alternativen vermeiden.

Zur Überprüfung der Hypothese haben die Autoren in einem ersten Experiment 287 Ärzte befragt, wie sie einen Patienten, dessen Krankheitsbild detailliert im Fragebogen beschrieben war, behandeln würden. Der Hälfte der Ärzte standen hierzu zwei alternative Behandlungsformen zur Auswahl, die andere Hälfte konnte zwischen drei Optionen wählen. Die erste Gruppe konnte entweder den bereits mit dem Patienten

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abgestimmten Behandlungsweg beibehalten (Status quo) oder alternativ ein bisher vom Patienten noch nicht angewandtes Medikament (Ibuprofen) zur Behandlung vorschlagen. Der zweiten Hälfte der Ärzte stand neben der Beibehaltung des Status quo und dem Ibuprofen noch ein zweites Medikament (Piroxicam) zur Auswahl. Die Ergebnisse haben dabei gezeigt, dass von der ersten Gruppe 53% beim abgestimmten Vorgehen geblieben sind, wohingegen 72% der Ärzte diese Entscheidung getroffen haben, wenn nicht ein, sondern zwei alternative Medikamente zur Wahl standen (p < 0,001) (vgl. S. 304). Der linke Teil von Abbildung 11 zeigt die Ergebnisse in grafischer Form.

64%58%***

53%

72%***

62%

38%42%

26%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Status quo Status quo Patient 1 Patient 2 Patient 1oder 3

Patient 2 keineEntsch.

keineEntsch.

Anteilder Befragten

(in %)

Experiment 1(N= 287)

Experiment 2(N= 352 )

Experiment 3 (N= 41)

2 3 2 3 1 2

*: p < 0,05 ***: p < 0,001

Anzahl Alternativen

(1) Sehr ähnliches Krankheitsbild

(1)

Abbildung 11: Auswirkung verschieden hoher Alternativenzahl auf das Entscheidungsverhalten bei medizinischen Entscheidungen. Quelle: Daten aus Redelmeier/Shafir 1995, S. 302ff.

Im zweiten Experiment mussten insgesamt 352 Ärzte entscheiden, welchen der beschriebenen Patienten sie als Ersten operieren würden, wenn aufgrund äußerer Bedingungen nur ein Patient operiert werden kann. Die Anzahl der OP-Kandidaten variierte je nach Szenario zwischen zwei und drei. Entscheidend war hierbei, dass der im letzten Fall hinzugefügte dritte Patient dem ersten hinsichtlich Alter, Krankheitsbild und Lebenssituation sehr ähnlich war. Redelmeier und Shafir haben jeweils etwa die Hälfte der 352 Ärzte mit einem der Szenarien konfrontiert und dabei festgestellt, dass sich im Fall von drei Patienten mehr Ärzte für die Operation von

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Patient 2 entscheiden, als im Szenario mit zwei Patienten. Sie führen dieses Verhalten darauf zurück, dass es den Ärzten Schwierigkeiten bereitet hat, sich zwischen den beiden sehr ähnlichen Patienten 1 und 3 zu entscheiden und sie diesen Konflikt gelöst haben, indem sie sich für Patient 2 entschieden haben, der den beiden anderen sehr unähnlich war. Die Operation des zweiten Patienten kann der Arzt somit vor sich selbst und anderen leichter rechtfertigen (vgl. Redelmeier/Shafir 1995, S. 304) (siehe Abbildung 11, mittlere Grafik).

Das dritte Experiment brachte vergleichbare Ergebnisse wie das erste hervor: In einem der ersten Studie ähnlichen Design wurden 41 Politiker befragt, wie sie hinsichtlich der Schließung eines Krankenhauses entscheiden würden, wenn entweder ein oder zwei Krankenhäuser zur Wahl stünden. In beiden Fällen konnten die Politiker die Entscheidung „verweigern“ und angeben, dass sie keine Empfehlung aussprechen wollen, ob bzw. welches Haus geschlossen werden soll (Default Option). Auch hier hat sich gezeigt, dass mehr Personen die Entscheidung ablehnen und keine Empfehlung abgeben, wenn zwei Optionen anstatt einer verfügbar sind (64% vs. 26%, p < 0,05) (vgl. S. 304). Der rechte Teil von Abbildung 11 stellt die Ergebnisse grafisch dar.

Die Untersuchungen von Redelmeier und Shafir sind für diese Arbeit besonders interessant, da sie ein Entscheidungsproblem zum Gegenstand hatten, das mit weitreichenden Konsequenzen verbunden ist. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Person entsprechend versucht, eine möglichst gute Entscheidung zu treffen, indem sie Zeit und Energie aufwendet, um die Optionen miteinander zu vergleichen und deren Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen. Damit fällt diese Art der Entscheidung in die hier betrachtete Kategorie der echten bzw. kognitiven Kaufentscheidungen (siehe 37ff.). Die Ergebnisse der Experimente haben gezeigt, dass durch Hinzufügen einer attraktiven Alternative ein Konflikt verursacht wird, der das Entscheidungsverhalten der Testpersonen verändert: Diese haben den Konflikt gelöst, indem sie den „Weg des geringsten Widerstands“ gegangen sind und sich für den Status quo oder eine klar unterscheidbare Alternative entschieden haben.

Interpretiert man die Alternativen einer Entscheidung als Äste eines Entscheidungs-baums, lassen sich die obigen Ergebnisse damit erklären, dass der Entscheider bei einem Konflikt den Ast auswählt, der eine einfachere oder leichter zu begründende Lösung des Entscheidungskonflikts darstellt, als die anderen Äste. Überträgt man dies auf Kaufsituationen, so kann man vermuten, dass ein Konsument bei einer großen Anzahl an etwa gleich attraktiven Alternativen eher zum Nicht-Kauf tendiert und

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somit im Normalfall den Status quo beibehält. Kauft der Konsument ein Produkt, so steigt mit der Alternativenzahl auch die Wahrscheinlichkeit, dass er eine „vorgegebene“ Option, wie z. B. ein besonders hervorgehobenes Produkt („Bestseller“) wählt.

2.1.3 Ravi Dhar (1997): Consumer Preference for a No-Choice Option

Dhar hat in insgesamt sieben Studien untersucht, wie sich die Attraktivität einer zweiten verfügbaren Alternative in der Kaufsituation auf die Kaufintention auswirkt. Basierend auf den Ideen der Theorie der Präferenz-Unsicherheit (Preference Uncertainty) (Payne/Bettman/Johnson 1992; Slovic 1995) argumentiert der Autor, dass Konsumenten eher zum Kaufaufschub neigen, wenn mehrere in etwa gleich attraktive Alternativen zur Auswahl stehen, verglichen mit einer Entscheidungs-situation in der nur eine attraktive Alternative verfügbar ist. Demnach führen Situationen zur Verwirrung, in denen der Konsument nicht weiß, welche der Alternativen er präferiert, es kein klar dominierendes Produkt im Sortiment gibt und er sich gleichzeitig aber auch nicht sicher ist, dass alle Optionen seine Bedürfnisse gleich gut erfüllen. Als Folge dieser Verwirrung verzichtet der Nachfrager auf die Entscheidung oder verschiebt diese (vgl. S. 216; Scholnick/Wing 1988; zitiert nach Dhar 1997a, S. 216). Dhar formuliert als zentrale Hypothese, dass die Kaufintention des Konsumenten sinkt, wenn einem Choice Set mit einer Alternative eine zweite, in etwa gleich attraktive Alternative hinzugefügt wird. Ist die zweite Wahlmöglichkeit dagegen weniger attraktiv, steigt die Kaufintention (vgl. Dhar 1997a, S. 218).

Zur Überprüfung seiner Hypothese wurden in einer ersten Laborstudie 190 Studenten mit einer fiktiven Kaufentscheidung in vier verschiedenen Produktkategorien (Regallautsprecher, Anrufbeantworter, Laptop, Elektrorasierer) konfrontiert. Die Testpersonen hatten dabei, je nach Versuchsbedingung, entweder ein Produkt oder zwei Produkte zur Auswahl, wobei im letzten Fall entweder gleich attraktive Alternativen oder eine dominierende und eine unterlegene Alternative zur Verfügung standen. Die „Konsumenten“ konnten sich entweder zum Kauf entscheiden oder eine „Nicht-Kauf-Option“ wählen (A: mehr Informationen sammeln oder B: nach weiteren Alternativen suchen). Übereinstimmend mit seiner Hypothese konnte Dhar feststellen, dass der Anteil der Testpersonen, die sich für eine der „Nicht-Kauf-Optionen“ entschieden, im Durchschnitt über die vier Produktarten um 11% (χ2(1) = 6,7, p < 0,01) gestiegen ist, wenn zwei in etwa gleich attraktive Alternativen

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zur Auswahl standen. Wurde hingegen eine deutlich unattraktivere Alternative hinzugefügt, lag die Kaufhäufigkeit um 14% (χ2(1) = 8,7, p < 0,01) höher, als bei der Verfügbarkeit von nur einer Option (vgl. S. 219f.).

64%60%

68% 66%

78%

54%*52%**52%** 52%*

88%**82%**

79%*

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Schnurloses Telefon Kopfhörer Laptop Kamera

1 Alternative Gleich attraktive Alternativen Eine dominierende Alternative

*: p < 0,1 **: p < 0,05

AlternativenAlternativen 1 2 1 2 1 2 1 2

Personen, die gekauft haben

= P( Kauf)

Produkt

Experiment 2: Einfluss der Anzahl der Alternativen und deren Attraktivität auf die Kaufwahrscheinlichkeit (N= 300)

62%58% 58% 58%

52%48%50%

44%

64%

45%*50%**

42%*

52%**

74%**70%**

77%**

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

Lautsprecher Anrufbeantworter Laptop Elektrorasierer

Personen, diegekauft haben

= P( Kauf)

Alternativen 1 2

1 Alternative Hohe Anzahl Trade-offs Geringe Anzahl Trade-offs Eine dominierende Alternative

1 2 1 2 1 2

Produkt

Experiment 1: Einfluss der Anzahl der Alternativen und Trade-offs auf die Kaufwahrscheinlichkeit (N= 199)

Abbildung 12: Der Anteil der Käufer in verschiedenen Produktkategorien ist abhängig von Anzahl und Art der verfügbaren Alternativen. Daten aus Dhar 1997a, S. 218ff.

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Eine zweite nur leicht modifizierte Studie mit 300 Studenten bestätigte die Ergebnisse: Der Anteil der Testpersonen, die den Kauf aufgeschoben haben, lag hier im Vergleich mit der Situation, die nur eine Option enthielt, um durchschnittlich 12% (χ2(1) = 6,6, p < 0,01) höher, wenn eine zweite, gleich attraktive Alternative zur Wahl stand, und um 19% (χ2(1) = 26,2 p < 0,01) niedriger, wenn eine zweite, weniger attraktive Alternative wählbar war (vgl. S. 221). In Abbildung 12 sind die Ergebnisse der beiden Studien für die einzelnen Produktgruppen grafisch dargestellt. Zu erkennen ist hierbei die im Vergleich zur Situation mit nur einer Alternative deutliche Abnahme des Käuferanteils (entspricht der Kaufwahrscheinlichkeit über alle Käufer), wenn eine zweite attraktive Alternative verfügbar ist, sowie der Anstieg des Käuferanteils, wenn die zweite Alternative der ersten eindeutig in ihrer Attraktivität unterlegen ist.

Die beiden Studien von Dhar haben gezeigt, dass die Erweiterung der Produktauswahl um eine zweite attraktive Alternative zu einem deutlichen Anstieg des Kaufaufschubs bzw. Kaufverzichts und somit zu einer Senkung der Kaufintention führen kann. Das Gegenteil ist der Fall, wenn die hinzugefügte Alternative weniger attraktiv ist, als die erste. Dhar führt diese Effekte auf die Präferenzunsicherheit des Konsumenten zurück, die entsteht, wenn dieser keine Dominanzstruktur in der Produktauswahl erkennen kann, d. h. er kein Produkt findet, das dem anderen eindeutig überlegen ist (vgl. S. 229). Die Ergebnisse widersprechen damit einer der Annahmen der rationalen Entscheidungstheorie, wonach ein Konsument stets das für ihn beste Produkt in einem Sortiment identifizieren kann (vgl. Dhar 1997a, S. 215).

Interessant an den Ergebnissen der Studien von Dhar ist insbesondere, dass der Ausgang einer Kaufentscheidung vom Zusammenspiel der Anzahl und Art der Wahlalternativen beeinflusst wird. Dies verdeutlicht, dass sich sowohl quantitative, als auch qualitative Aspekte des Sortiments auf das Konsumentenverhalten auswirken und im Fortgang der Untersuchung als Determinanten von Kosten und Nutzen entsprechend zu berücksichtigen sind.

2.1.4 John Gourville und Dilip Soman (1999): Is More Choice Always Better? The Effect of Assortment Type on Consumer Choice

Gourville und Soman (1999) stellten in ihren Untersuchungen fest, dass die Erhöhung der Produktvielfalt den Marktanteil einer Marke verringern kann, wenn die Alternativen nur schwer miteinander vergleichbar sind. Dies bedeutet eine Verletzung des Regularitätsprinzips und damit einer der zentralen Annahmen der rationalen

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Entscheidungstheorie (vgl. Luce 1959, 1977). Gourville und Soman führen das Konstrukt „Assortment Type“ ein, das die Vergleichbarkeit der Produkte innerhalb einer Produktlinie beschreibt und als moderierende Größe den beobachteten Zusammenhang von Produktvielfalt und Marktanteil erklärt.

Die Autoren unterscheiden hierbei die Extreme „vergleichbare Produktlinie“ (Alignable Assortment) und „nicht-vergleichbare Produktlinie“ (Non-alignable Assortment) und haben gezeigt, dass die Erhöhung der Produktvielfalt einer Marke zu einer Marktanteilssteigerung führt, wenn die Produktlinie vergleichbar ist und das Gegenteil eintritt, wenn es sich um ein Non-alignable Assortment, d. h. ein nicht vergleichbares Produktangebot handelt.

Die zentrale Hypothese des moderierenden Effekts der „Vergleichbarkeit einer Produktlinie“ (Alignable vs. Non-alignable Assortment) gründet auf Forschungs-ergebnissen hinsichtlich der „Attribute Alignability“ von Markman und seinen Kollegen (siehe z. B. Markman/Medin 1995; Zhang/Markman 1998; Zhang/Markman 1999). Diese haben vorgeschlagen, dass bei einem Produktvergleich die Attribute der Alternativen in „vergleichbare Unterschiede“ (Alignable Differences) und „nicht-vergleichbare Unterschiede“ (Non-alignable Differences) klassifiziert werden können. Sie definieren diese als „(...) attributes or dimensions that are readily comparable between the two alternatives“ bzw. „(...) attributes or dimensions that are possessed by one alternative but not by the other“ (Gourville/Soman 1999, S. 6). So wäre beispielsweise die Motorleistung von zwei zur Wahl stehenden Autos eine Alignable difference (z. B. 150 vs. 200 KW); hat dagegen das eine Auto ein Schiebedach, das zweite dafür eine Klimaautomatik und kein Schiebedach, so würden diese Attribute in die Gruppe der Non-alignable differences fallen. Abbildung 13 verdeutlicht die Unterschiede grafisch.

In verschiedenen Forschungsarbeiten wurde gezeigt, dass Personen bei der Entscheidung zwischen zwei Alternativen vergleichbare Unterschiede in Relation zu nicht-vergleichbaren Unterschieden mehr Gewicht beimessen (Markman/Medin 1995), sich an diese besser erinnern (Zhang/Markman 1998) und ihnen deren kognitive Verarbeitung leichter fällt (Zhang/Fitzsimons 1999).

Gourville und Soman haben das Alignability-Prinzip von der Attributebene auf die Produktlinien- bzw. Sortimentsebene übertragen und definieren entsprechend eine vergleichbare Produktlinie (Alignable Assortment) als „(...) a set of product variants that differ along a readily comparable dimension, such that each variant has a unique quantity of that attribute“ und eine nicht-vergleichbare Produktlinie (Non-alignable

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Assortment) als „(...) a set of variants that simultaneously vary along non-comparable or discrete attributes, such that any particular variant possesses a unique feature or option that is not possessed by the other“ (Gourville/Soman 1999, S. 6).

Vergleichbare Produkteigenschaften (Alignable Assortment)

Nicht vergleichbare Produkteigenschaften (Non-alignable Assortment)

Preis

Produkt A

Produkt B

Produkt C

Produkt D

Leistung (KW)

Preis

Produkt A

Produkt C

Produkt B

Schiebedach

Ja

JaNein

Klimaautomatik

Abbildung 13: Vergleichbare Produktlinie (Alignable Assortment) und nicht-vergleichbare Produktlinie (Non-alignable Assortment)

Folgt man den Argumenten der rationalen Entscheidungstheorie (vgl. Luce 1959, 1977; Schmidt 1995), so sollte ein Hersteller durch die Erweiterung seines Sortiments – unabhängig von dessen Art und Struktur – seinen Marktanteil steigern können. Demgegenüber argumentieren Gourville und Soman, basierend auf verschiedenen Forschungsergebnissen (z. B. Payne/Bettman/Johnson 1993; Lehmann 1998, Shugan 1980), dass hohe Produktvielfalt für den Konsumenten mit Kosten verbunden ist. Diese Hypothese stützt sich auf Vorschläge von Loewenstein (1999), der argumentiert, dass hohe Vielfalt für Konsumenten mit „Time costs“, „Error costs“ und „Psychic costs“ (S. 2) verbunden ist (siehe hierzu die Ausführungen auf S. 7f.). Hauptthese der beiden Autoren ist, dass diese Kosten bei einem vergleichbaren Sortiment geringer sind, als bei einem nicht-vergleichbaren. Sie begründen dies damit, dass bei einem Alignable Assortment Kompromisse (Trade-offs) leichter fallen, da sich die Alternativen nur innerhalb einer Dimension unterscheiden. Gleichzeitig sind die Abstände zwischen den Optionen geringer, so dass die Folgen einer suboptimalen Entscheidung weniger bedeutsam sind, als bei einer nicht-vergleichbaren Produktauswahl.

Im Gegensatz hierzu müssen die Konsumenten bei einem nicht-vergleichbaren Sortiment sowohl innerhalb als auch zwischen Attributen Trade-offs eingehen, was

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insbesondere dann schwer fällt, wenn es sich hierbei um „Alles-oder-nichts“-Entscheidungen handelt. So muss ein Konsument bei dem in Abbildung 13 gezeigten Beispiel des PKW-Kaufs beim Vergleich der Autos A und B zwischen Klimaautomatik und Schiebedach abwägen. Im Vergleich zu einem Alignable Assortment sind daher die Folgen einer Fehlentscheidung (Error Costs) gravierender, was insbesondere auch die Angst vor der Entscheidung und die Gefahr des Bedauerns selbiger erhöht (Psychic Costs) (vgl. Gourville/Soman 1999, S. 8).

Gourville und Soman konnten ihre Hypothese hinsichtlich des moderierenden Effekts der Produktlinienvergleichbarkeit in zwei Studien bestätigen:

Im ersten Experiment wurden insgesamt 300 Erwachsene gebeten, ein Mikrowellengerät aus einem Sortiment mit Produkten von zwei verschiedenen Herstellern auszuwählen. Dabei wurde von einer Marke immer nur ein Produkt angeboten und die Anzahl und Art der Produkte der anderen Marke (Zielmarke) in einem 5 (Alternativenzahl) x 2 (Art des Sortiments) Design verändert. Die Produktvielfalt variierte in Einerschritten zwischen 1 und 5 und die Sortimentart zwischen „vergleichbar“ und „nicht-vergleichbar“. Untersucht wurde, wie sich die Anzahl und Art der Alternativen auf die Wahrscheinlichkeit auswirkt, dass die Konsumenten die Zielmarke auswählen. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die Kaufwahrscheinlichkeit der Zielmarke zunimmt, wenn deren Produkte vergleichbar waren, und diese sinkt, wenn die Produktlinie nicht-vergleichbar war (siehe Abbildung 14). Ein Gruppenvergleich (klein: n = 1,2; groß: n = 4,5) hat einen signifikanten positiven Effekt der Produktvielfalt gezeigt, wenn die Produktlinie vergleichbar war (Pklein/vergleichbar = 57% vs. Pgroß/vergleichbar = 77%; χ2(1) = 5,40, p < 0,005) und einen signifikanten negativen Effekt, wenn die Produktlinie nicht-vergleichbar war (Pklein/nicht-vergleichbar = 58% vs. Pgroß/nicht-vergleichbar = 40%; χ2(1) = 4,03, p < 0,005). Die Hypothese wurde auch durch eine anschließende logistische Regression11 gestützt (vgl. S. 11).

11 Independent logistic regression

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30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

0 1 2 3 4 5 6

Wahrscheinlichkeit der Wahl der Zielmarke

Anzahl Alternativen

Alignable Assortment

Non-alignable Assortment

Abbildung 14: Kaufwahrscheinlichkeit bei einem vergleichbaren und nicht-vergleichbaren Sortiment. Quelle: Gourville/Soman 1999, S. 31

Die Ergebnisse der ersten Studie konnten Gourville und Soman in einer zweiten Untersuchung bestätigen. In dieser wurde den Testpersonen jede Alternative sowohl in einem vergleichbaren als auch in einem nicht-vergleichbaren Sortiment angeboten. Dadurch haben die Autoren ausgeschlossen, dass Konsumenten die Produkt-eigenschaften, die das Sortiment in der ersten Untersuchung nicht-vergleichbar machten, negativ bewertet und deshalb das Produkt im nicht-vergleichbaren Sortiment nicht gekauft haben.

Das Vorgehen war dem der ersten Untersuchung ähnlich, allerdings wurden die Stimuli in einem 2 (Produktkategorie) x 4 (Choice Set) Design manipuliert. Als Produkte dienten Laptop Computer und Mikrowellengeräte. Jedes Sortiment wurde wiederum aus einem Produkt einer Marke und mehreren Produkten der Zielmarke kombiniert. In den ersten drei Sortimenten {A, B1, B2}, {A, B3, B4} und {A, B5, B6} konnten die Konsumenten aus jeweils drei Produkten wählen: Dem „Einzelprodukt“ A und einem Alignable Assortment der Zielmarke B. Der vierte – nicht-vergleichbare – Choice Set {A, B1, B2, B3, B4, B5, B6} bestand aus insgesamt sieben Alternativen, dem Einzelprodukt A und den sechs verschiedenen Produkten B1-6. Dem Regularitätsprinzip (siehe S. 43) folgend, sollte die Wahrscheinlichkeit, dass sich Konsumenten für ein Produkt der Marke B aus dem vierten Sortiment entscheiden nicht kleiner sein als die Wahrscheinlichkeit, dass sie Marke B wählen, wenn einer der drei kleineren Sortimente zur Wahl steht. Der Haupthypothese folgend sollte im Gegensatz hierzu die Wahrscheinlichkeit, dass der Konsument sich für ein Produkt der

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Zielmarke B entscheidet, größer sein, wenn er aus einem kleineren vergleichbaren, anstatt einem größeren nicht-vergleichbaren Sortiment wählt.

Wie aus Tabelle 2 hervorgeht, konnte diese Hypothese auch nach der zweiten Untersuchung aufrechterhalten werden. So haben sich im Fall der Mikrowellengeräte 62,5%, 60% bzw. 70% der Befragten für die Zielmarke B entschieden, wenn sie aus einem der ersten drei kleineren vergleichbaren Sortimente gewählt haben, wohingegen sich mit 32,5% signifikant weniger Testpersonen für die Zielmarke aus dem größeren nicht-vergleichbaren Set entschieden haben (χ2(1) = 12,22, p < 0,001). Ein ähnliches Resultat ergab sich auch bei der Produktkategorie Laptop Computer (χ2(1) = 4,16, p < 0,05).

Sortiment (Optionen) Abhängige Variable Mikrowellengeräte Laptop Computer

Choice Set 1: {A, B1, B2} P (Wahl von B1 oder B2) 62,5% (25 von 40) 62,5% (25 von 40)

Choice Set 2: {A, B3, B4} P (Wahl von B3 oder B4) 60,0% (24 von 40) 62,5% (25 von 40)

Choice Set 3: {A, B5, B6} P (Wahl von B5 oder B6) 70,0% (28 von 40) 65,0% (26 von 40)

Choice Set 4: {A, B1 – B6} P (Wahl von B1 – B6) 32,5% (13 von 40) 45,0% (18 von 40)

Tabelle 2: Ergebnisse der zweiten Studie von Gourville und Soman (1999): Wahrscheinlichkeit, die Zielmarke B aus einem Sortiment zu wählen. In Anlehnung an Gourville/Soman 1999, S 28

In einer dritten Studie, deren Ergebnisse hier aber nur kurz erwähnt werden sollen, haben die Autoren die Auswirkung der Alignability der Produktlinie einer Marke auf die Wahl innerhalb selbiger untersucht. Sie haben dabei festgestellt, dass die Konsumenten zu extremen Optionen der Produktlinie neigen, also minimal bzw. maximal ausgestattete Produktalternativen wählen, wenn die Anzahl der Alternativen in einem Non-alignable Assortment erhöht wird (siehe Abbildung 15). Dieses Ergebnis widerspricht dem gut dokumentierten Compromise Effect (Simonson 1989), wonach Käufer zu einer Kompromisswahl tendieren, also nicht das billigste oder teuerste, sondern ein Produkt „in der Mitte“ wählen. Die Autoren begründen das Untersuchungsergebnis damit, dass ein Konsument bei der Wahl einer mittleren Produktalternative schwierige Trade-offs innerhalb und zwischen Attributen machen muss, diese aber umgehen kann, indem er eine Vereinfachungsstrategie anwendet und entweder die Minimal- oder die Maximalversion des Sortiments wählt.

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19,2%26,7%

37,5%

21,7%

35,0%

45,0%

0,0%

10,0%

20,0%

30,0%

40,0%

50,0%

60,0%

70,0%

80,0%

90,0%

3 (N = 120) 4 (N = 120) 5 (N =120)

Wahrscheinlichkeitder Wahl einer

Extremoption

40,9%

61,7%

82,5%

Anzahl Alternativen

Basisversion

Vollversion

Abbildung 15: Die Auswirkung der Größe eines nicht-vergleichbaren Sortiments auf die Wahrscheinlichkeit, dass Konsumenten eine extreme Option auswählen. Quelle: Gourville/Soman 1999, S. 32

Im Zusammenhang mit Kosten und Nutzen von Produktvielfalt sind besonders zwei Punkte dieser Studie von Interesse:

Gourville und Soman konnten in ihren Untersuchungen zum einen zeigen, dass sich erhöhte Vielfalt einer Marke negativ auf deren Marktanteil auswirken kann. Sie begründen dies damit, dass durch die Verfügbarkeit zusätzlicher nicht-vergleichbarer Alternativen die emotionalen und kognitiven Entscheidungskosten des Konsumenten steigen und er deshalb auf Lösungen des Entscheidungsproblems zurückgreift, die diese reduzieren. In den Untersuchungen der beiden Autoren waren dies die Wahl einer Marke mit nur einer Alternative im Sortiment und die Entscheidung für eine extreme Option. Entscheidend für den hier betrachteten Zusammenhang ist aber nicht, welche Lösungsstrategie der Konsument zur Senkung der Entscheidungsschwierigkeit verwendet hat, sonder dass er eine Reduktionsstrategie angewendet hat. Die Autoren konnten damit durch ihre Untersuchungen indirekt die Existenz vielfaltsbedingter Entscheidungskosten und deren Konsequenzen zeigen.

Der zweite interessante Punkt bezieht sich auf die Einflussgrößen der Kosten von Produktvielfalt. So wurde deutlich, dass nicht allein die Anzahl, sondern auch die Struktur und Abhängigkeit der Alternativen des Sortiments die Entscheidungskosten von Konsumenten und dadurch ihr Verhalten beeinflussen. Mit der Vergleichbarkeit (Alignability) der Alternativen wurde dabei ein vermutlich wesentlicher Einflussfaktor der Kostendimension identifiziert.

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2.1.5 Sheena S. Iyengar und Mark R. Lepper (2000): When Choice is Demotivating: Can One Desire Too Much of a Good Thing?

In ihrer viel zitierten Studie untersuchten Iyengar und Lepper die Auswirkung der Größe des Sortiments sowohl auf die Kauf- bzw. Handlungswahrscheinlichkeit als auch auf die nachfolgende Zufriedenheit. Sie konnten zeigen, dass mehr Vielfalt Konsumenten zunächst begeistert, sie dadurch aber letztlich bei der Entscheidungs-findung überfordert werden und im Nachhinein unzufriedener sind.

Die ihrer Studie zugrunde liegende Hypothese, die Iyengar und Lepper als Choice Overload Hypothesis bezeichnen, besagt „(...) that, although the provision of extensive choices may sometimes still be seen as initially desirable, it may also prove unexpectedly demotivating in the end“ (Iyengar/Lepper 2000, S. 996).

Die Autoren formulierten diese Hypothese einerseits auf der Basis der Erkenntnisse der psychologischen Forschung, „that has repeatedly demonstrated (...) a link between the provision of choice and increases in intrinsic motivation, perceived control, task performance, and life satisfaction“ (S. 995) und andererseits auf den Erkenntnissen neuerer Studien (u. a. den in diesem Kapitel beschriebenen), die gezeigt haben, dass durch hohe Vielfalt überforderte Konsumenten zum Kaufaufschub neigen oder die Entscheidung durch die Anwendung vereinfachender Strategien (Heuristiken) treffen.

Iyengar und Lepper prüften ihre Hypothese in einem ersten Feldexperiment, bei dem sie Konsumenten in einem Supermarkt in einem Versuchsaufbau 6 (limitierte Produktvielfalt) und im anderen 24 (extensive Produktvielfalt) verschiedene Marmeladesorten einer Marke zum Test anboten. Sie untersuchten dabei, wie stark die Anziehungskraft des Probierstands auf die vorbeikommenden Konsumenten in Abhängigkeit von der Anzahl der Testprodukte ist und ob die Tester anschließend ein Produkt der probierten Marke kaufen.

Die Ergebnisse zeigen, dass Konsumenten von höherer Vielfalt zunächst stärker angesprochen werden, letztlich aber seltener kaufen:

So blieben im Fall der größeren Auswahl (24 Marmeladesorten) von 242 vorbeikommenden Konsumenten 60% (145) am Probierstand stehen, bei geringerer Auswahl (6 Sorten) stoppten 40% (104) der 260 Passanten. Die Konsumenten wurden von der höheren Produktvielfalt somit stärker angezogen, als von der geringeren (χ2(1) = 19,89, p < 0,001). Die Anzahl der probierten Marmeladesorten variierte hingegen nicht signifikant zwischen den beiden Bedingungen (F(1,245) = 0,83, ns).

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Entscheidend ist aber, dass das anschließende Kaufverhalten der Tester von der angebotenen Produktvielfalt am Probierstand abhängig war: Von den 104 Personen, die bei einer Auswahl von 6 Marmeladen am Probierstand waren, haben anschließend 30% (31) eine Marmelade dieser Marke gekauft. In der Bedingung der extensiven Produktauswahl waren dies nur 3% (4) (χ2(1) = 32,34, p < 0,0001). Die Nettokaufrate lag insgesamt bei limitierter Produktvielfalt mit 12% rund siebenmal so hoch wie bei extensiver Produktvielfalt (1,7%) (vgl. S. 995ff.).

In Abbildung 16 sind die Ergebnisse dieser sowie der nachfolgend beschriebenen Studien von Iyengar und Lepper grafisch verdeutlicht

AlternativenAlternativen

40%

60%***

74%

60%*

48%

12%***12%

1,7%***

8,04

4,72

2,24

3,3

6,28

7,59*

6,02***

3,2**

4,45***

5,46***

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Inte

ress

e

Kau

f

Inte

ress

e

Kau

f

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erei

cht

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Eing

erei

cht

Qua

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Kau

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Zufr

iede

nhei

t1

2

3

4

5

6

7

8

9

10Anteil(in %)

Experiment 1: Marmeladen

N= 502

Experiment 2: EssaysN= 197

Experiment 3: SchokoladenN= 134

*: p < 0,05 **: p < 0,01 ***: p < 0,001

SubjektiveEinschätzung(1: geringbis 10: sehr hoch)

6 24 6 30 6 30

(1) Anteil der Passanten, die am Probierstand stehen geblieben sind(2) Anteil der Passanten, die ein Produkt der Testmarke probiert und gekauft haben (Nettokaufrate)

(1)

(2)

Abbildung 16: Ergebnisse der Studien von Iyengar und Lepper 2000. Daten aus Iyengar/Lepper 2000, S. 995ff.

Das erste Experiment von Iyengar und Lepper hat gezeigt, „(...) that an extensive array of options can at first seem highly appealing to consumers, yet can reduce their subsequent motivation to purchase the product“ (Iyengar/Lepper 2000, S. 997).

Im Zusammenhang dieser Studie ist vor allem interessant, dass mit Vielfalt offensichtlich positive und negative Elemente verbunden sind – also Nutzen und Kosten –, wobei bei zu hoher Vielfalt die Kosten den Nutzen übersteigen und dadurch die Kaufwahrscheinlichkeit sinkt.

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Iyengar und Lepper konnten die Ergebnisse der ersten Studie in einer zweiten bestätigen. Hier hatten Studenten die Möglichkeit, durch das Schreiben eines zweiseitigen Essays zusätzliche Punkte (Credits) für einen Kurs zu erhalten. Die Studenten konnten dabei in der ersten Versuchsbedingung unter 6 möglichen Essaythemen wählen, in einer zweiten Bedingung standen 30 Themen zur Verfügung. Untersucht wurde, wie sich die Themenanzahl auf die intrinsische Motivation der Studenten auswirkt. Dies erfolgte, indem die Anteile der Studenten, die unter der jeweiligen Bedingung (6 oder 30 Themen) einen Essay geschrieben haben und die Qualität der Aufsätze miteinander verglichen wurden.

Hierbei hat sich gezeigt, dass von den Studenten, die 6 Themen zur Auswahl hatten 74% einen Essay geschrieben haben, wohingegen dies nur 60% der Studenten taten, die aus 30 Themen wählen konnten (χ2(1, N = 193) = 3,93, p < 0,05). Interessant ist, dass sich die Themenvielfalt auch signifikant auf die Qualität der Essays ausgewirkt hat. So wurden die Essays der Studenten, die ursprünglich aus weniger Themen gewählt hatten im Durchschnitt mit 8,04 (SD = 1,33) Punkten bewertet12, wohingegen die Aufsätze der Studenten, denen 30 Themen zur Wahl standen, nur 7,59 (SD = 1,02) von 10 möglichen Punkten erreicht haben (F(1, 124) = 5,65, p < 0,02) (vgl. Iyengar/Lepper 2000, S. 999).

In einer dritten Studie untersuchten die Autoren neben der Wirkung unterschiedlich hoher Produktauswahl auf das Kaufverhalten auch affektive Reaktionen der Konsumenten während und nach der Entscheidung wie z. B. Spaß, Schwierigkeit und Frust während der Entscheidungsfindung, sowie die antizipierte und erfahrene Zufriedenheit mit dem gewählten Produkt. Studenten konnten dabei, je nach Bedingung, entweder aus 6 oder 30 verschiedene Sorten Schokolade eine auswählen und füllten anschließend einen Fragebogen hinsichtlich verschiedener affektiver Reaktionen aus. Anschließend durften sie die gewählte Schokolade probieren. Als Dankeschön für die Teilnahme hatten die Studenten schließlich die Wahl zwischen $5 und einer Packung Schokolade im Wert von $5. Dies diente als Operationalisierung des Kaufverhaltens, wobei die Wahl der Schokolade als Kauf und die Entscheidung für das Geld als Nicht-Kauf gewertet wurde.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Anzahl der Alternativen keinen Einfluss auf die wahrgenommene Entscheidungsqualität (Wahl einer zufrieden stellenden Schokolade

12 Die Bewertung erfolgte auf einer Skala von 1 (extremely poor) bis 10 (excellent) durch zwei

unabhängige Prüfer, denen die Bedingung, unter denen die Studenten die Arbeit geschrieben hatten und die Fragestellung der Untersuchung unbekannt war (vgl. S. 999).

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vs. Wahl einer der besten Schokoladen), die antizipierte Zufriedenheit mit der Produktwahl und das wahrgenommene Level der Informiertheit hat. Die Testpersonen haben bei großer Produktvielfalt den Entscheidungsprozess aber als unterhaltsamer (F(1, 132) = 47,01, p < 0,0001), schwieriger (F(1, 132) = 16,38, p < 0,0001) und frustrierender (F(1, 123) = 7,61, p < 0,007) empfunden. Nach der Interpretation von Iyengar und Lepper scheint es, „(...) that people can indeed find choosing among too many alternatives to be both enjoyable and overwhelming“ (Iyengar/Lepper 2000, S. 1002).

Hinsichtlich der Zufriedenheit mit der Produktwahl zeigen die Ergebnisse, dass Versuchpersonen, die aus 30 Sorten ausgewählt haben, mit ihrer getesteten Produktwahl unzufriedener sind als Personen, die aus 6 Schokoladesorten wählten (F(1, 122) = 28,02, p < 0,0001).

Was das Kaufverhalten angeht wurden die Ergebnisse der ersten beiden Studien bestätigt: Von den Teilnehmern, die aus 30 Schokoladensorten wählten, haben 12% als Giveaway für die Teilnahme die Schokolade gewählt. In der Bedingung der limitierten Auswahl waren dies 48% (χ2(2, N=134) = 21,84, p < 0,0001) (vgl. S. 1003). Interessant ist, dass sich dieses Verhalten auch in der Gesamtbewertung13 der angebotenen Auswahl widerspiegelt: So gaben Konsumenten mit extensiver Auswahl durchschnittlich an, „zu viele“ Alternativen bekommen zu haben, wohingegen Personen mit limitierter Vielfalt die angebotene Auswahlauswahl im Schnitt als „genau richtig“ (F(1, 132) = 43,68, p < 0,0001) bewerteten.

Zusammenfassend haben die Studien von Iyengar und Lepper gezeigt, dass Konsumenten eine große Auswahl einerseits attraktiv und anziehend finden und ihnen der Entscheidungsprozess mehr Freude bereitet als bei limitierter Auswahl. Andererseits empfinden Konsumenten den Entscheidungsprozess bei großen Sortimenten auch als schwieriger und frustrierender. Produktvielfalt ist für Konsumenten somit mit Kosten und Nutzen verbunden.

Für Kosten und Nutzen von Produktvielfalt sind insbesondere drei Ergebnisse dieser Studien von Interesse:

13 Die Testpersonen konnten auf einer Skala von 1 bis 5 (1 = too few, 3 = just right, 5 = too many)

angeben, wie sie die ihnen angebotene Auswahl beurteilen. Die Bewertung bei sechs Alternativen war dabei durchschnittlich 3,61 (SD = 1,01) und bei 30 Alternativen 4,88 (SD = 1,20) (vgl. S. 1002)

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Erstens wurde gezeigt, dass Konsumenten Produktvielfalt einerseits gut und attraktiv finden, sie also einen Nutzen für sie hat, andererseits durch sie aber die Entscheidungsschwierigkeit und somit der Kostenaspekt erhöht wird.

Zweitens haben alle drei Studien – in jeweils unterschiedlichem Kontext – gezeigt, dass Konsumenten bei hoher Produktauswahl seltener kaufen.

Drittens haben die Studien gezeigt, dass sich zu hohe Vielfalt auch negativ auf die Nachkaufbewertung, insbesondere auf die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt, auswirken kann. Die Produktzufriedenheit soll deshalb als Konsequenz von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt in dem zu entwickelnden Modell berücksichtigt werden.

2.1.6 Sheena Iyengar, Wei Jiang und Gur Huberman (2003): How Much Choice is Too Much? Contributions to 401(k) Retirement Plans

In diesem erst kürzlich veröffentlichten Workingpaper des Pension Research Council beschreiben die Autoren die Ergebnisse einer Studie, in der sie mit Daten von 800.000 US-Arbeitnehmern die Hypothese getestet haben, dass die Teilnahmequote an einer betrieblichen Altersvorsorge fällt, wenn die Anzahl der möglichen Fonds, in die Arbeitnehmer einzahlen können, erhöht wird. Dabei hat sich gezeigt, dass bei Pensionsplänen, die eine relativ überschaubare Anzahl an Investitions-Möglichkeiten (3 – 6) bieten, die Teilnahmequote deutlich höher ist, als bei Plänen, die zehn oder mehr alternative Fonds zur Wahl stellen.

Hintergrund der Fragestellung war, dass sich die Anzahl angebotener Pensionspläne in den USA von unter 100.000 im Jahr 1990 auf über 400.000 im Jahr 2002 mehr als vervierfacht hat (vgl. Mottola/Utkus 2003, zitiert nach Iyengar/Jiang/Hubermann 2003, S. 1) und die Teilnahmequote der Arbeitnehmer an diesen gleichzeitig gesunken ist. So haben z. B. Ende 2001 71% der Arbeitnehmer in einen Pensionsplan einzahlt, ein Jahr später waren es noch 68,8% (vgl. Iyengar et al. 2003, S. 6).

Theoretische Basis der Hypothese abnehmender Teilnahmequoten mit zunehmender Alternativenzahl war die bereits oben dargestellte Choice Overload Hypothese (siehe S. 58ff.), wonach Konsumenten durch zu viele Optionen verwirrt werden und ihnen die Entscheidung so schwer fällt; dass sie es vorziehen, sie zu verschieben oder ganz auf sie zu verzichten.

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Hauptunterschiede dieser Untersuchung zu den bisher dargestellten sind zum einen die Datengrundlage und zum anderen die Art des Entscheidungsproblems:

So wurden zur Überprüfung der Hypothese reale Daten einer Investmentgesellschaft (Vanguard Group) von 800.000 Arbeitnehmern in den USA verwendet. Diese enthielten u. a. Informationen darüber, ob ein Arbeitnehmer im Jahr 2001 in einen Pensionsplan eingezahlt hat. Die als 401(k)14 bezeichnete Form der betrieblichen Altersvorsorge wird Arbeitnehmern vom Arbeitgeber angeboten und ermöglicht es diesen, Teile15 ihres Einkommens steuervergünstigt in einen der angebotenen Fonds einzuzahlen. Dabei müssen die Arbeitnehmer entscheiden, ob sie einen Pensionsplan abschließen und wenn ja, in welche(n) der angebotenen Fonds sie investieren wollen.

Hinsichtlich der Art des Entscheidungsproblems unterscheidet sich diese Untersuchung von den bisher beschriebenen (mit Ausnahme von Tversky/Shafir 1992) dahingehend, dass die Entscheidung für den Arbeitnehmer mit deutlich weiter reichenden Konsequenzen verbunden ist, als dies bei den meisten bisherigen Untersuchungen der Fall war (z. B. Schokolade, Marmelade). Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Konsument intensiver über die Wahl nachdenkt und die Alternativen detaillierter miteinander vergleicht, was den Choice Overload-Effekt verstärken kann. Die Problemstellung fällt damit in die Kategorie der echten bzw. kognitiven Kaufentscheidungen (siehe S. 37ff.), weshalb diese Studie für den im Rahmen dieser Arbeit betrachteten Zusammenhang besonders interessant ist.

Die Autoren haben die Hypothese überprüft, indem sie den Einfluss der Anzahl der im Rahmen eines 401(k) Plans angebotenen Fonds auf die Teilnahmewahrscheinlichkeit eines Arbeitnehmers an diesem Plan mit Hilfe einer Regressionsanalyse getestet haben. Berücksichtigt wurde dabei neben der Anzahl der Fonds auch der Einfluss weiterer Faktoren auf Arbeitnehmerebene (z. B. Gehalt, Geschlecht, Alter), sowie Informationen auf Pensionsplanebene, wie z. B. ob Aktien des Arbeitgebers erworben werden können.

Die Ergebnisse der Regressionsanalyse haben gezeigt, dass die Hypothese von Jyengar et al. aufrechterhalten werden kann. Demnach fällt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Arbeitnehmer einen Pensionsplan abschließt, mit jeweils zehn zusätzlich verfügbaren Anlageoptionen ceteris paribus um 1,5% bis 2%16. So liegt z. B. die Abschluss-

14 Bezeichnet nach dem Abschnitt 401(k) des „Internal Revenue Code” (S. 1) 15 Bis zu 25% des Jahreseinkommens, aber nicht mehr als $12.000 (Stand 2003) 16 Die Autoren haben vier verschiedene Modellspezifikationen (u. a. Linear Probability, Probit)

angewendet, die aber alle zu ähnlichen Ergebnissen geführt haben.

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wahrscheinlichkeit für einen Pensionsplan mit zwei alternativen Anlageformen bei rund 75%. Bietet der Plan hingegen 59 verschiedene Fonds an, fällt diese auf rund 60% (vgl. Iyengar et al. 2003, S. 9). Abbildung 17 verdeutlicht den Zusammenhang grafisch.

50%

55%

60%

65%

70%

75%

80%

0 3 6 9 12 15 18 21 24 27 30 33 36 39 42 45 48 51 54 57 60

Teilnahme-quote

Anzahl angebotener Fonds

95% Konfiden-zintervall

N = 800.000

Abbildung 17: Zusammenhang der Anzahl angebotener Fonds und Teilnahmequote an betrieblichem Pensionsplan. Quelle: Iyengar et al. 2003, S. 15

Die Studie von Jyengar et al. zeigt, wie sich hohe Vielfalt negativ auf das Entscheidungsverhalten auswirken kann. Die Ergebnisse sind dahingehend von besonderer Bedeutung, als dass sie auf realen Verhaltensdaten von rund 800.000 Arbeitnehmern in den USA beruhen und ein Entscheidungsproblem zum Gegenstand haben, das mit weitreichenden Folgen verbunden ist. Die Konsequenzen einer „Fehlentscheidung“ in Form einer nicht getroffenen Entscheidung („Choose not to choose“ (S. 11)) sind in dem hier untersuchten Zusammenhang offensichtlich und verdeutlichen, dass sich hohe Produktauswahl nicht nur negativ auf das Kaufverhalten, sondern auch auf das längerfristige Gesamtwohl einer Person auswirken kann. Demzufolge kann es für den Entscheider aus mittel- und längerfristiger Perspektive vorteilhaft sein, wenn die Auswahl – und damit seine Entscheidungsfreiheit – begrenzt wird. Thaler und Sunstein (2003) haben hierfür kürzlich den zunächst als Oxymoron anmutenden Begriff Libertarian Paternalism – freiheitliche Bevormundung – geprägt und verstehen hierunter „(...) an approach that preserves freedom of choice but that authorizes both public and private institutions to steer people in directions that will promote their welfare“ (S. 179).

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Interpretiert man dies in dem hier betrachteten Kontext des Werts von Produktvielfalt, so lässt sich dieser nach der Argumentation von Thaler und Sunstein steigern, wenn die Auswahl auf ein überschaubares Maß beschränkt wird. Als Folge wird der Nutzen der Vielfalt für den Entscheider auf einem hohen Niveau gehalten, die Kosten im Sinne von kognitiver und emotionaler Entscheidungsschwierigkeit gleichzeitig reduziert. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit einer überlegten und zielgerichteten Entscheidung, von der Konsumenten und Unternehmen kurz- und mittelfristig profitieren.

2.1.7 Zusammenfassung der Studien

Die dargestellten Studien haben in unterschiedlichem Kontext – von der Wahl einer Marmelade bis zur medizinischen Entscheidung – gezeigt, dass erhöhte Auswahl das Verhalten von Entscheidern beeinflussen kann. Resultate höherer Produktvielfalt waren hierbei insbesondere:

Geringere Kaufwahrscheinlichkeit (Tversky/Shafir 1992; Dhar 1997a; Gourville/Soman 1999; Iyengar/Lepper 2000; Iyengar et al. 2003)

Beibehaltung des Status quo (Redelmeier/Shafir 1995)

Wahl der Standardoption (Default) (Tversky/Shafir 1992)

Wahl einer Konflikt vermeidenden, einfach zu rechtfertigenden Wahlmöglich-keiten (Redelmeier/Shafir 1995)

Geringere Zufriedenheit mit dem Kaufprozess und der gewählten Alternative (Iyengar/Lepper 2000)

Gleichzeitig hat sich aber auch gezeigt, dass höherer Vielfalt anziehend auf Konsumenten wirkt und ihnen Freude bereitet (Iyengar/Lepper 2000).

Damit lässt sich insgesamt schlussfolgern, dass es empirische Hinweise für sowohl negative als auch positive Aspekte von Produktvielfalt aus der Sicht von Konsumenten gibt. Die Untersuchungen haben ferner gezeigt, dass sich diese im direkten (Kauf)Verhalten und in der nachgelagerten Bewertung von Kaufprozess und erworbenem Produkt manifestieren.

Weiterhin wurde deutlich, dass nicht allein die Anzahl der verfügbaren Alternativen das Verhalten der Konsumenten beeinflusst, sondern auch deren Struktur: So konnten negative Effekte von höherer Vielfalt nur festgestellt werden, wenn die Alternativen in

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etwa gleich attraktiv waren und für den Konsumenten relevante Optionen zur Bedürfnisbefriedigung darstellten und deshalb einen Entscheidungskonflikt ausgelöst haben (vgl. Dhar 1997a, S. 215ff.). Des Weiteren haben die Studien gezeigt, dass auch die Vergleichbarkeit (Alignability) der Alternativen die Entscheidungsschwierigkeit des Konsumenten wesentlich beeinflusst (vgl. Soman/Gourville 1999, S. 7ff.). Insgesamt lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass neben den quantitativen Eigenschaften eines Sortiments auch dessen qualitative Charakteristika den Wert von Produktvielfalt bzw. dessen Kosten- und Nutzendimension beeinflussen. Beide Eigenschaftsarten sind deshalb als Determinanten im zu entwickelnden Gesamtmodell zu berücksichtigen.

Auch wenn die vorgestellten Studien in erster Linie einen Überblick über das Spektrum der Wirkung von Produktvielfalt auf das Kaufverhalten von Konsumenten geben sollten und daher kein Anspruch auf Vollständigkeit besteht, wird dennoch deutlich, dass der Konsument in seiner Reaktion auf (hohe) Produktvielfalt in der Literatur bisher als „Blackbox“ behandelt wurde. Nach dem Kenntnisstand des Autors liegen bisher keine empirischen Ergebnisse vor, die explizit die aus Konsumentensicht positiven und negativen Aspekte großer Sortimente im Sinne eines Kosten- Nutzen-Ansatzes von Produktvielfalt erfassen und in Beziehung zum Verhalten des Konsumenten gesetzt haben. Der dieser Arbeit zugrunde liegende Kosten-Nutzen-Ansatz versucht diese Forschungslücke zu schließen, um so ein besseres Verständnis des Umgangs von Konsumenten mit (hoher) Produktvielfalt zu ermöglichen.

Weitere Vorgehensweise

In den nächsten beiden Kapiteln wird der theoretische Bezugsrahmen der Arbeit entwickelt. Hierzu werden zunächst drei theoretische Ansätze zur Erklärung des übergeordneten Zusammenhangs von Produktvielfalt und Konsumentenverhalten gegeben:

1. Die Hypothesen von Informationsdefizit und Informationsüberlastung,

2. die Theorie des Optimum Stimulation Level und

3. der Tyranny of Freedom.

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Im Anschluss daran wird der Gesamteffekt in einen Kosten- und einen Nutzeneffekt „aufgegliedert“. Beide Effekte werden unter Rückgriff auf verschiedene Theorien begründet.

Zur theoretischen Erklärung der Nutzenaspekte von Produktvielfalt dienen hierbei

die Nutzenerwartungswerttheorie,

die klassische Entscheidungstheorie und

der Hedonic Shopping Value

Die Kosten von Produktvielfalt werden auf der Basis von den drei Theorien bzw. theoretischen Konzepten begründet:

der Cost of Thinking,

der Konflikt-Theorie und

der Theorie des antizipierten Regrets.

.

Abbildung 18 veranschaulicht die Struktur des nachfolgenden Theorieteils.

"Nutzen""Nutzen"

Theorien zur Erklärung des Nutzens von Produktvielfalt2.3.1

"Kosten""Kosten"

Theorien zur Erklärung der Kosten von Produktvielfalt2.3.1

"Wert""Wert"

Theorien zur Erklärung des übergeordneten Zusammenhangsvon Produktvielfalt und Konsumentenverhalten2.2

Facetten der KPV und NPV Hypothesen zu Konsequenzen Hypothesen zu DeterminantenFacetten der KPV und NPV Hypothesen zu Konsequenzen Hypothesen zu Determinanten

Abbildung 18: Struktur des Theorieteils

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68

2.2 Grundlegende theoretische Perspektiven zur Erklärung des Zusammenhangs von Produktvielfalt und Konsumenten-verhalten

Die oben beschriebenen empirischen Forschungsergebnisse haben verdeutlicht, dass hohe Produktvielfalt für Konsumenten mit negativen Aspekten verbunden sein kann und sich diese nachteilig auf das kurzfristige (Kaufintention) und mittel- bzw. langfristige Konsumentenverhalten (Zufriedenheit, Loyalität) auswirken können. Da hohe Produktvielfalt für Konsumenten aber auch Vorteile hat, liegt die Vermutung nahe, dass moderate Auswahlvielfalt aus Konsumentensicht besser ist, als sehr hohe oder sehr geringe. Der bereits in der Einleitung der Untersuchung zitierte Ausspruch von Kahn und Morales (2001) verdeutlicht dies bildhaft:

„Variety truly is the spice-of-life, but like any spice it must be used in moderation“ (Kahn/Morales 2001, S. 76).

Die nachfolgenden Kapitel dienen dazu, diese Annahme, die im Widerspruch zu den Thesen der rationalen Entscheidungstheorie (vgl. Luce 1959, 1977; Tversky/Shafir 1992, S. 358) steht, mittels verschiedener Theorien und theoretischer Konzepte zu begründen.

2.2.1 Die gegensätzlichen Hypothesen von Informationsdefizit und Informationsüberlastung

Die Hypothese der Informationsüberlastung (Information Overload) geht im Wesentlichen auf drei von Jacoby und seinen Mitarbeitern Anfang der 70er-Jahre durchgeführte Studien zurück (vgl. Jacoby/Speller/Berning 1974, Jacoby/Speller/Kohn 1974) und steht der Hypothese des Informationsdefizits gegenüber. Letztere fußt auf den Grundideen der mikroökonomischen Haushaltstheorie zum Modell des „Homo oeconomicus“. Diesem liegt die Annahme zugrunde „je mehr Informationen desto besser die Entscheidung“ (vgl. Berndt 1983, S. 22f.).

Die nächsten zwei Abschnitte stellen die beiden konträren Hypothesen dar.

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2.2.1.1 Die Hypothese des Informationsdefizits

Ausgangspunkt der Hypothese des Informationsdefizits ist das mikroökonomische Idealbild des Konsumenten, der Homo oeconomicus. Er kann als „zweckrationales Wesen, das nach Nutzenmaximierung strebt und dieses Ziel aufgrund besonderer Fähigkeiten auch erreichen kann“ (Berndt 1983, S. 45) beschrieben werden. Hierbei wird insbesondere davon ausgegangen, dass der Homo oeconomicus bei einer Kaufentscheidung über vollkommene Informationen hinsichtlich aller Marktdaten wie z. B. Alternativen, Preise und Eigenschaften von Produkten verfügt, diese uneingeschränkt verarbeiten kann und sich hinsichtlich seiner eigenen Präferenzen stets im Klaren ist (vgl. Berndt 1983, S. 45; Rosenstiel/Ewald 1979, S. 19f.).

Da der reale Konsument im Gegensatz zum Ideal des Homo oeconomicus nicht über vollkommene Information verfügt, sollen ihm nach der „Hypothese des Informationsdefizits“ (Berndt 1983, S. 22) in der Entscheidungssituation möglichst viele Informationen angeboten werden, um so eine gute Entscheidung zu ermöglichen (vgl. Sproles et al. 1980, zitiert nach Berndt 1983, S. 23).

Folgt man dieser Argumentation, bedeutet das für die Thematik der Produktvielfalt, dass Konsumenten sowohl möglichst viele Produktalternativen, als auch Informationen angeboten werden sollten. Ziel ist es, dem Konsumenten die Möglichkeit zu geben, sich einen guten Überblick zu den am Markt verfügbaren Produkten und deren Eigenschaften zu verschaffen.

Aus der Modellannahme der Verfügbarkeit vollkommener Information folgt, dass Konsumenten unendliche Informationsverarbeitungskapazität besitzen. Diese ist aber sehr unrealistisch und kann deshalb das tatsächliche Verhalten von Konsumenten nur eingeschränkt erklären (vgl. Berndt 1983, S. 46; Jacoby/Speller/Kohn 1974, S. 63ff.; Bleicker 1983, S. 10; Jacoby/Speller/Berning 1974, S. 33ff.). Einzelne Annahmen des Modells der mikroökonomischen Entscheidungstheorie wurden deshalb aufgehoben, was z. B. zum „Prinzip der begrenzten Rationalität“ (vgl. Simon 1957) geführt hat. Dieses legt dem Kaufverhalten nicht mehr das Rationalitätsprinzip17 als oberste Handlungsmaxime zugrunde, sondern erlaubt die Wahl einer zufrieden stellenden

17 Das Rationalitätsprinzip besagt, dass entweder ein bestimmtes Ziel mit möglichst geringem

Ressourceneinsatz erreicht (Minimalprinzip) oder bei gegebenem Mitteleinsatz ein möglichst hoher Nutzen erzielt werden soll (Maximalprinzip) (vgl. Gabler Wirtschafts Lexikon).

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Alternative18, wobei der „(...) Grund dafür, dass Menschen sich mit suboptimalen Ergebnissen (...) zufriedengeben, (...) in unserer begrenzten Informations-verarbeitungs-Kapazität zu suchen (...)(ist)“ (Rhenius 1979, S. 388). Kirsch (1977) bemerkt diesbezüglich, dass Konsumenten sich auch dann nicht im Sinne der Nutzenmaximierung verhalten könnten, wenn sie dies wollten, da dies aufgrund der begrenzten menschlichen Informationsverarbeitungskapazität zu einem „unerträglichen kognitiven Stress“ (S. 70) führen würde.

Der Mensch neigt daher zur Abkehr vom Prinzip der Nutzenmaximierung, was aber eine Verschlechterung der Entscheidungsqualität zur Folge hat. Dies ist eine der wesentlichen Folgerungen der Hypothese der Informationsüberlastung, die nachfolgend erläutert wird.

2.2.1.2 Die Hypothese der Informationsüberlastung (Information Overload)

„Information overload19 refers to the fact that there are finite limits to the ability of human beings to assimilate and process information during any given unit of time. Once these limits are surpassed, the system is said to be ‘overloaded’ and human performance (including decisionmaking) becomes confused, less accurate and less effective” (Jacoby 1977, S. 569).

Informationsüberlastung(en) entstehen folglich, „wenn Informationsmengen, die dem Empfänger zur Aufnahme und Verarbeitung angeboten werden, die Belastungsgrenzen seines Informationsaufnahme und –verarbeitungssystems überschreiten“ (Raffée/Fritz 1990, S. 83). Jacoby und seine Mitarbeiter untersuchten in den 70er Jahren, ob in einer Konsum- bzw. Entscheidungssituation Informationsüberlastung (Information Overload) auftritt und zu einer Minderung der Entscheidungsqualität führt (vgl. Jacoby/Speller/Berning 1974, Jacoby/Speller/Kohn 1974). Die Forscher stützten ihre Hypothesen dabei auf Ergebnisse psychologischer Untersuchungen hinsichtlich der Grenzen der menschlichen Informationsverarbeitungskapazität. Ein Beispiel hierfür ist der viel zitierte Artikel „The magical number seven, plus or minus two“ von Miller (1956), in dem er – auch unter Rückgriff auf frühere Studien anderer Autoren (z. B. 18 Unter zufrieden stellend (satisficing) ist dabei eine Übereinstimmung der Ausprägungen der

gewählten Alternative mit dem Anspruchsniveau des Entscheiders zu verstehen (vgl. Berndt 1983, S. 46).

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Pollack 1952; Beebe-Center/Rogers/O’Connell 1955) – aufzeigt, dass der Mensch nur ca. sieben alternative Stimuli gleichzeitig verarbeiten kann (vgl. Miller 1956, S. 84ff.).

Als Erklärungsmodell für die begrenzte menschliche Informationsverarbeitungs-kapazität wird häufig das so genannte Drei-Speicher-Modell der Informations-verarbeitung verwendet (vgl. z. B. Silberer 1981, S. 37).

Das Drei-Speicher-Modell der Informationsverarbeitung

Nach dem Drei-Speicher-Modell erfolgt die Informationsaufnahme und -verarbeitung durch drei Subsysteme des menschlichen Gedächtnisapparats, die als „Speicher“ oder Gedächtnisarten bezeichnet werden (Koeber-Riel/Weinberg 1996, S. 225) (siehe Abbildung 19):

Sensorischer Speicher (Ultrakurzzeitspeicher)

Kurzzeitspeicher (Arbeitsgedächtnis)

Langzeitspeicher (Langzeitgedächtnis) (vgl. z. B. Silberer 1981, S. 37; Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S. 225; Trommsdorff 1998, S. 238)

Sensorischer Speicher

Optisch

Akustisch

Haptisch

Langzeitspeicher/ permanenter

Speicher

Kurzzeitspeicher/Arbeitsspeicher

Prozesse: Memorieren VerschlüsselungEntscheidungZugriff zum Gedächtnis...

Verhalten

Wahrnehmung/Aufmerksamkeit

LernenMemorieren

Abrufen/Vergessen

.

.

.

Informationsverarbeitungssystem (Drei-Speicher-Modell)

Umwelt(Stimuli)

SensorischerFilter

Abbildung 19: Informationsaufnahme und -verarbeitung im Drei-Speicher-Modell. In Anlehnung an Kuß/Tomczak 2000, S. 26, 30; Bettman 1979, S. 140 19 Jacoby greift bei der Definition von „information load“ auf die von MacCormick (1970) zurück, der

„information load“ als „the variety of stimuli (in type and number) to which the receiver must attend“ (zitiert nach Jacoby 1977, S. 569) definiert.

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Ausgangspunkt der Informationsverarbeitung ist die Umwelt des Konsumenten, aus der er mit Hilfe seiner Sinnesorgane z. B. optische, akustische oder haptische Eindrücke aufnimmt und diese für sehr kurze Zeit20 im sensorischen Speicher behält. Der sensorische Speicher dient also der unmittelbaren und kurzen Speicherung einer großen Menge von aus der Umwelt wahrgenommenen Reizen (vgl. Silberer 1981, S. 37).

Teile dieser Reize, deren Auswahl wesentlich von ihrem Aktivierungspotenzial abhängt (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S. 226), gelangen in den Kurzzeit-speicher und werden dort interpretiert und verarbeitet. Der Prozess der Aufnahme und Selektion von Reizen, sowie deren Organisation und Interpretation wird dabei als Wahrnehmung bezeichnet (vgl. Harrell 1986, S. 66): „Ergebnis der Wahrnehmung ist ein subjektiv gefärbtes Bild der Realität, das dem Handeln in einer aktuellen Situation oder dem Aufbau eines Wissens- und Erfahrungsschatzes für Handeln in künftigen Situationen dient“ (Bänsch 1998, S. 71).

Das Kurzzeitgedächtnis stellt in gewisser Weise den „Arbeitsspeicher“ (Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S. 226) der Informationsverarbeitung dar und verfügt über entsprechende Verarbeitungsmöglichkeiten. So werden dort z. B. Informationen memoriert und kodiert, Informationen aus dem Langzeitspeicher abgerufen und beobachtbares Verhaltens wie z. B. das Treffen einer Kaufentscheidung und deren Umsetzung gesteuert (vgl. Kuß/Tomczak 2000, S. 27). Die Kodierung von Informationen bezeichnet dabei die kognitiven Verarbeitungsprozesse bei der Übersetzung der wahrgenommenen Reize in gedankliche Einheiten (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S. 334). Dies geschieht, indem neue Informationen zu vorhandenem Wissen in Beziehung gesetzt werden. Das Ausmaß in dem dies erfolgt, bezeichnet dabei ein sehr wichtiges Konstrukt der psychologischen Forschung, die Verarbeitungstiefe, die in der Konsumentenforschung häufig im Zusammenhang (teilweise auch synonym) mit dem Begriff des Involvement verwendet wird. Darunter wird die „Ich-Beteiligung bzw. das gedankliche Engagement und die damit verbundene Aktivierung, mit der sich jemand einem Sachverhalt oder einer Aktivität zuwendet“ (Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S. 338) verstanden. Auf die Bedeutung des Involvement wird später noch näher eingegangen (siehe S. 352ff.).

Wesentliches Kennzeichen des Kurzzeitspeichers ist dessen flexible, aber stark begrenzte Informationsverarbeitungskapazität. So hat Miller bereits 1956 erkannt,

20 Die Speicherdauer beträgt zwischen 0,1 und 1 Sekunde (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S. 226).

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dass das menschliche „Arbeitsgedächtnis“ nur rund sieben so genannte „Information Chunks“ gleichzeitig verarbeiten kann (vgl. Silberer 1981, S. 38; Solomon/ Bamossy/Askegaard 2001, S. 103). Information Chunks stellen Informationseinheiten dar, die man sich als zu Blöcken zusammengefasste Einzelinformationen vorstellen kann (vgl. Bänsch 1998, S. 75). So werden z. B. mit dem Markennamen Informationen wie Preis, Design und Qualität verbunden.

Mit der Übernahme der im Kurzzeitspeicher verarbeiteten Informationen in den Langzeitspeicher findet ein Lernprozess und somit der Aufbau von Wissen statt (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S. 334). Der Langzeitspeicher entspricht dem Gedächtnis des Menschen, dient der langfristigen Speicherung von Informationen und somit dem Aufbau von Wissen und Erfahrung. Wissen und Erfahrung beeinflussen wiederum die Informationsverarbeitung und können somit auch Einfluss auf den Wert von Produktvielfalt, insbesondere auf die Kostendimension haben.

LangzeitspeicherSensorischer Speicher

Spei

cher

men

ge

Kurzzeit-speicher

Speicherzeit

0,1 – 1 Sek. einige Sek. (sehr) lange

Abbildung 20: Kurzzeitspeicher ist Engpass bei der menschlichen Informationsverarbeitung (schematische Darstellung). In Anlehnung an Kuß/Tomczak 2000, S. 29

Die begrenzte menschliche Informationsverarbeitungskapazität lässt sich anhand der drei-Speicher-Struktur erklären: Diese besteht mit dem sensorischen und dem Langzeitspeicher aus zwei Speichern, die über sehr große Verarbeitungskapazität, aber unterschiedliche Speicherdauer verfügen. Sie sind durch einen Speicher mit begrenzter Kapazität, dem Kurzzeitspeicher verbunden (vgl. Kuß/Tomczak 2000,

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S. 28) (siehe Abbildung 20). Die Übertragung von Informationen vom Kurzzeitgedächtnis in den Langzeitspeicher und die dortige Kodierung und Speicherung erfordert einen Zeitaufwand von einigen Sekunden, was in Kombination mit der begrenzten Verarbeitungskapazität den Kurzzeitspeicher zum „Engpass der menschlichen Informationsverarbeitung“ macht (Kuß/Tomczak 2000, S. 28).

Übertragen auf die hier behandelte Fragestellung heißt dies: Wollen Konsumenten aus einer großen Anzahl von Produktalternativen eine auswählen, kann die während des Vergleichsprozesses zu verarbeitende Informationsmenge die Verarbeitungskapazität des Entscheiders überschreiten und ihn dadurch überfordern. Dies kann zur Anwendung vereinfachender Entscheidungsregeln durch den Konsumenten und einer damit verbundenen Verschlechterung der Entscheidungsqualität führen (vgl. Payne/Bettman/Johnson 1993, S. 2f.). Die Informationsüberlastung kann weiterhin zu „feelings of anxiety and unpleasantness associated with the decision-making process“ (Hausman 2000, S. 410) führen, worauf Konsumenten u. a. mit impulsiven Kaufentscheidungen reagieren (vgl. Hausman 2000, S. 410ff.).

Jacoby und seine Kollegen (1974a,b; 1977) haben den Zusammenhang von Informationsmenge und Entscheidungsqualität in mehreren Experimenten untersucht.

Empirische Untersuchungen zum Information Overload Effekt

Im ersten Experiment von Jacoby, Speller und Kohn (1974, S. 63ff.) erhielten Konsumenten Informationen zu einzelnen Produkten und deren Attribute in Form einer Information-Display-Matrix (Merkmale x Alternativen – Matrix) und wurden aufgefordert, unter Beachtung aller in der Matrix enthaltenen Informationen ein Produkt auszuwählen. Jacoby et al. operationalisierten die unabhängige Variable „Informationsmenge“ dabei als Produkt von Alternativenzahl und Merkmals-information und variierten diese, indem sie einerseits die Anzahl der Alternativen (4, 8 oder 12 Waschmittelmarken) und andererseits die Anzahl der Merkmale pro Produkt (2, 4 oder 6 Attribute pro Produkt) veränderten. Demnach musste beispielsweise ein Konsument bei acht verfügbaren Alternativen, die jeweils durch vier Merkmalen beschrieben sind, eine Informationsmenge von insgesamt 32 (= 4 x 8) Informations-einheiten verarbeiten.

Die abhängige Variable „Entscheidungsqualität“ wurde gemessen als Anteil der „richtigen Entscheidungen“. Eine Entscheidung galt als „richtig“, wenn die gewählte Alternative der auf individuell erhobenen Merkmalsausprägungen und

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75

Merkmalswichtigkeiten basierenden Idealmarke des Konsumenten besser entsprach, als alle anderen Alternativen.

Der Zusammenhang von Informationsmenge und Entscheidungsqualität, den die Experimente gezeigt haben, lässt sich als „Mehr ist nicht besser!“ (Bleicker 1983, S. 10) zusammenfassen und ist in Abbildung 21 dargestellt. Die Grafik verdeutlicht, dass die Entscheidungsqualität zunächst mit zunehmender Informationsmenge steigt und dann, nach dem Überschreiten eines Optimums, fällt.

Anzahl richtiger

Entscheidungen

Informationsmenge(Attribute x Marken)

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

0 8 16 24 32 48 72

Abbildung 21: Der Information Overload Effekt: Zusammenhang von Entscheidungsqualität und Informationsmenge. In Anlehnung an Jacoby/Speller/Kohn 1974, S. 66

Für den hier betrachteten Zusammenhang ist in erster Linie nicht der Einfluss der Gesamtinformationsmenge, sondern der Einfluss der Alternativenanzahl von Interesse. Hierfür muss die Wirkung von Attribut- und Alternativenzahl getrennt betrachtet werden. In Abbildung 22 erfolgt dies grafisch für die erste Untersuchung von Jacoby et al. (Jacoby/Speller/Kohn 1974, S. 63ff.) und eine im Versuchsaufbau leicht modifizierte21 zweite Studie (Jacoby/Speller/Berning 1974, S. 33ff.).

21 4 x 4, anstatt 3 x 3 Matrix mit maximal 256 statt 72 Informationseinheiten

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76

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

2

4

6

8

12

16

4

Mit Vielfalt steigende Qualität

Mit Vielfalt zunächst steigende, dann sinkende Qualität

Mit Vielfalt sinkende Qualität

Mit Vielfalt steigende Qualität

Mit Vielfalt zunächst steigende, dann sinkende Qualität

Mit Vielfalt sinkende Qualität

Anteil der Personen, die die "richtige"

Marke wählten(%)

Anzahl Alternativen

AnzahlAttribute

Abbildung 22 Die Entscheidungsqualität in Anhängigkeit der Merkmals- und Alternativenzahl. Daten aus Bleicker 1983, S. 12

Die Abbildung veranschaulicht, dass die Entscheidungsqualität bei geringer Alternativenanzahl mit der Anzahl verfügbarer Attributinformationen steigt. Erhöht sich die Anzahl der Produkte, so nimmt die Entscheidungsqualität mit Ausnahme des Zwei-Attribut-Falls tendenziell ab. Bei Produkten mit 4 und 8 Attributen steigt sie zunächst bei der Erhöhung von 4 auf 8 Alternativen, fällt aber auch dann bei einer weiteren Erhöhung der Alternativenzahl. Die Entscheidungsqualität sinkt laut der Ergebnisse von Jacoby et al. somit für Produkte mit mehr als zwei Attributen nach Überschreiten eines Optimums mit zunehmender Alternativenzahl.

Der Gesamteffekt im Sinne einer multiplikativen Verknüpfung von Marken- und Merkmalsanzahl ergab den in Abbildung 21 (S.75) dargestellten nicht-linearen Verlauf der Entscheidungsqualität in Abhängigkeit von der Gesamtinformation in Form einer zunächst zunehmenden und nach einem Optimum abnehmenden Kurve. Diese Grundform der Abhängigkeit fand sich auch bei einer modifizierten Operationalisie-rung der Entscheidungsqualität22 (vgl. Jacoby/Speller/Berning 1974, S. 37f.).

22 Anstatt des oben beschriebenen „Most Preferred Brand Accuracy“ verwendeten Jacoby et al. einen

mittels des Kendall’schen Konkordanzkoeffizienten errechneten „Rank Order Accuracy“, welcher die Korrelation zwischen der Rangreihe der tatsächlichen Wahl und der Rangreihe, die sich aus der Beschreibung der Idealmarke ergibt (vgl. Berndt 1983, S. 98), wiedergibt.

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In einem weiteren Experiment haben Jacoby, Szybillo und Busato-Schach (1977, S. 209ff.) die Realitätsnähe erhöht, indem sie es den Testpersonen freistellten, wie viele Merkmalsinformationen sie zu den vier, acht bzw. zwölf Marken haben wollten. Dabei konnten sie einen ähnlichen Verlauf der Entscheidungsqualität in Abhängigkeit von der Alternativenzahl feststellen, wie dies vorher für die Gesamtinformations-menge der Fall war. Ferner konnten sie beobachteten, dass die Versuchspersonen, unabhängig von der Anzahl der verfügbaren Marken, durchschnittlich nur 5,05 Informationen pro Marke wünschten.

Die Studien von Jacoby und seinen Kollegen haben in der Fachwelt heftige und kontroverse Diskussionen ausgelöst und wurden teilweise stark kritisiert. Im Zentrum der Kritik standen dabei Definition und Operationalisierung der Informationslast, die Marken und Attribute als gleich wichtig betrachtet (vgl. z. B. Wilkie 1974, S. 463ff.). Summers (1974) bemerkt hierzu, dass die Entscheidungsqualität von der Struktur der Informationsmenge abhängig ist23 und insbesondere von der Alternativenstruktur beeinflusst wird. So ist es sicherlich leichter, aus einem Sortiment mit einer eindeutig dominierenden Alternative zu wählen, verglichen mit einer Produktset, das aus vielen gleichwertigen Alternativen besteht, die sich nur geringfügig unterscheiden (vgl. Summers 1974, S. 467ff.). Ferner wurde auch die nicht-lineare Abhängigkeit der Entscheidungsqualität von der Informationslast, und somit das Gesamtergebnis der Studien angezweifelt, da die Datenmenge unzureichend („A trend based on a single point is hardly convincing“ (Russo 1974, S. 68)) und die verwendeten statistischen Verfahren (Chi-Quadrat-Test, Varianzanalyse) ungeeignet seien (Malhotra et al. 1982, S. 29ff.). Bezieht man die teils kontroversen Ergebnisse früherer und auch späterer Untersuchungen24 (vgl. z. B. Streufert/Driver 1965; Anderson et al. 1966, Jacoby/Speller/Kohn 1974; Patton 1981; Scammon 1977, Stanley 1977; Ratchford/van Raaij 1980; Witte 1972; Bronner/Witte/Wissodlo 1972) in die Diskussion mit ein, so kann man folgern, dass der Effekt der Informationsüberlastung nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte (vgl. Berndt 1983, S. 112).

Jacoby (1984) fasst die Diskussion folgendermaßen zusammen:

23 Er führt hierzu als Beispiel an, dass bei einer Informationslast von 16 und gleicher Samplegröße

einmal 3 und ein andermal 6 „korrekte“ Entscheidungen getroffen wurden, abhängig davon, ob 8 Marken mit jeweils 2 Attributen oder 4 Marken mit jeweils 4 Attributen zur Wahl standen (vgl. Summers 1974, S. 467).

24 Berndt (1983, S. 103ff.) gibt eine detailliertere Darstellung der Ergebnisse der einzelnen Untersuchungen.

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„Can consumers be overloaded? Yes, they can. Will consumers be overloaded? Generally speaking, no, they will not. (sic!) This is because they are highly selective in how much and just which information they access, and tend to stop well short of overloading themselves“ (Jacoby 1984, S. 435).

Der Autor geht damit auf die Kritik ein, dass die Versuchspersonen in seinen Studien angehalten waren, alle verfügbaren Informationen, d. h. alle Marken und Attribute bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen und diese kompensatorisch zu verarbeiten. In der Realität können Konsumenten aber wählen, wie viele Marken und Attribute sie bei der Wahl berücksichtigen und wie sie die Informationen verarbeiten.

In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass Konsumenten die Art der Informations-verarbeitung abhängig von der Komplexität und der zu erzielenden Genauigkeit der Entscheidung wählen, indem sie entsprechende Entscheidungsstrategien bzw. Heuristiken anwenden (vgl. Payne/Bettman/Johnson 1993, S. 13f., S. 92ff.; siehe hierzu auch die Ausführungen zu Heuristiken ab Seite 20). In Bezug auf die Wirkung hoher Produktvielfalt bedeutet dies folgendes:

Werden Konsumenten von der angebotenen Vielfalt überfordert, können sie die Entscheidungskomplexität verringern, indem sie die bei der Entscheidung berücksichtigten Alternativen und Attribute auf eine überschaubare Anzahl reduzieren. Abbildung 23 veranschaulicht die Ergebnisse verschiedener Studien, die die Anzahl der verfügbaren und bei der Entscheidung berücksichtigten Produkte gegenüberstellt. Dabei wird deutlich, dass Konsumenten beim Kauf von teuren (PKW, Kamera) oder wichtigen (Kopfschmerzmittel) Produkten zwischen 50% und 100% der Alternativen bei der Entscheidung berücksichtigen, wobei dieser Anteil mit zunehmender Alternativenanzahl tendenziell sinkt. Bei Produkten des täglichen Bedarfs (Kaffee, Frühstücksflocken) wird dagegen nur rund ein Drittel der Alternativen in die Entscheidung einbezogen25. Hierbei wird meist impulsiv oder habitualisiert entschieden (siehe auch S. 34ff.) (vgl. hierzu auch Raffée et al. 1979, S. 122). Dennoch zeigt sich, dass Käufer auch in diesem Fall bis zu 25% der Alternativen bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigen.

25 Die Ergebnisse hinsichtlich des Kaufs von Margarine sind deshalb schwer nachvollziehbar.

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0

5

10

15

20

0 5 10 15 20

Anzahl berücksichtigte

Alternativen

Anzahl verfügbare Alternativen

100% Berücksichtigung(Alternativen)

Kaffeemaschine

Kamera

Frühstückflocken

Kaffee

Margarine

Kopfschmerzmittel

PKW

Kamera

Trend

50% Berücksichtigung(Alternativen)

Abbildung 23: Vergleich verfügbarer und bei der Entscheidung berücksichtigter Alternativenzahl für verschiedene Produktarten. Daten aus Bleicker 1983, S. 16

Zusammenfassung und Bezug zur vorliegenden Untersuchung

Im Hinblick auf Kosten und Nutzen von Produktvielfalt lässt sich aus den Ergebnissen der beschriebenen Studien von Jacoby und seinen Kollegen schlussfolgern, dass Konsumenten, die sich einer großen Produktvielfalt gegenüber sehen, aufgrund der hohen kognitiven Last, die zu deren vollständiger Verarbeitung notwendig wäre, die Betrachtung auf eine überschaubare Anzahl von Alternativen und Attributen reduzieren. Bei der Entscheidung nicht berücksichtigte Produkte können dem Konsumenten somit aber auch keinen Nutzen stiften. Die Experimente von Jacoby und seinen Kollegen konnten sogar das Gegenteil zeigen: Die Entscheidungs-qualität hat mit der Anzahl der verfügbaren Alternativen nach dem Überschreiten eines Optimums abgenommen.

Berndt (1983) spricht deshalb in Analogie zum ersten Gossen’schen Gesetz der mikroökonomischen Haushaltstheorie vom abnehmenden Grenznutzen von Informationen: „Hat jede zusätzlich beschaffte Informationseinheit einen geringeren Grenznutzen, so steigt der Gesamtnutzen der Informationen in immer geringer werdenden Raten bis zu einem Maximum (‚Sättigungspunkt’), von wo ab er wieder sinkt; der Grenznutzen wird dann negativ“ (Berndt 1983, S. 47). Der Grund hierfür liegt in der begrenzten menschlichen Informationsverarbeitungskapazität: Zusätzlich verfügbare Informationen erbringen immer weniger zusätzlichen Nutzen, da der Entscheider sie aufgrund seiner eingeschränkten Verarbeitungskapazität nicht mehr

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effizient verarbeiten kann. Letztlich kommt es so zur Überforderung des Organismus und der Grenznutzen wird negativ (vgl. Berndt 1983, S: 47f.).

Aus den Ausführungen zur Hypothese zum Informationsdefizit folgt aber gleichzeitig, dass hohe Vielfalt Konsumenten die Möglichkeit gibt, sich umfassend über Produkte und ihre Eigenschaften zu informieren und so einen guten Marktüberblick zu bekommen. Die so gewonnene breite Informationsbasis kann die Entscheidungs-qualität verbessern, so lange der Konsument dabei nicht überfordert wird.

Die nachfolgend erläuterte Theorie des Optimum Stimulation Level geht von ähnlichen Zusammenhängen von Produktvielfalt und Konsumentenverhalten aus, erklärt diese aber nicht auf der Basis der Informationsverarbeitung, sondern mit Hilfe der Motivationstheorien. Hierbei steht die motivierende Kraft zu hoher bzw. zu geringer Stimulation z. B. eines Sortiments im Vordergrund.

2.2.2 Die Theorie des Optimum Stimulation Level

Grundannahme der Theorie des Optimum Stimulation Level (OSL) ist, dass die affektive Reaktion einer Person auf interne oder durch die Umwelt induzierte Stimulation einem umgekehrt-u-förmigen Verlauf folgt, mit „intermediate levels of stimulation perceived as the most satisfying“ (Steenkamp/Baumgartner 1992, S. 434). In einer Produktwahlsituation kann die Höhe der Stimulation nach Berlyne (1960, 1968, zitiert nach Menon/Kahn 1995, S. 286) insbesondere durch die Neuigkeit (Novelty), Komplexität (Complexity), Unsicherheit (Uncertainty), Mehrdeutigkeit (Ambiguity), die Unvereinbarkeit (Incongruity), die Unterschiedlichkeit (Change) und das Überraschungspotenzial (Surprise) der Stimuli oder der Situation und damit insbesondere auch durch die Art und die Höhe der Produktvielfalt beeinflusst werden.

Die Theorie des Optimum Stimulation Level geht auf Arbeiten von Hebb (1955) und Leuba (1955) zur Erklärung des Lernverhaltens von Individuen zurück und hat zum Ziel, die Erklärungslücke „between a modified reinforcement theory and classical conditioning“ (Leuba 1955, S. 32) zu schließen. Im Gegensatz zu den oben erläuterten Hypothesen des Informationsdefizits und der Informationsüberlastung, die auf die kognitiven Aspekte der Informationsverarbeitung zur Erklärung des menschlichen Verhaltens fokussieren, ist die Theorie des OSL eher den Motivationstheorien

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zuzuordnen, welche die affektive Komponente als zentrale Triebkraft des Verhaltens betrachten (vgl. Steenkamp/Baumgartner 1992, S. 434, Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S. 141ff.).

Die OSL-Theorie geht davon aus, dass ein Individuum versucht, ein für sich optimales Niveau an Stimulation zu erreichen. Weicht die momentane Stimulation von diesem Optimum ab, führt dies zu entsprechendem Verhalten des Konsumenten, der – je nach momentanem Stimulationsniveau – dieses entweder erhöht oder reduziert: „The organism tends to acquire those reactions which, when over-all stimulation is low, are accompanied by increasing stimulation; and when over-all stimulation is high, those which are accompanied by decreasing stimulation“ (Leuba 1955, S: 29; vgl. auch Jones 1969, Raju 1980, S. 272).

Menon und Kahn (1995) greifen diese Argumentation zur Erklärung des Bedürfnisses von Konsumenten nach Vielfalt (Variety Seeking) und deren Umgang mit zu hoher Vielfalt auf:

„ (...) when an environment provides low stimulation (below the optimum level), the individual is bored and the desire for increased stimulation rises. This leads to exploration, novelty seeking, or variety seeking, whereby the individual seeks to increase stimulation from any source in the environment. Conversely, if the environment provides very high stimulation (above the optimal level), the individual seeks more moderate situations by reducing or simplifying input from the environment by means such as avoidance of novelty or variety” (S. 286).

Das Niveau der Stimulation, das ein Individuum als optimal empfindet, ist intra-individuell relativ stabil, variiert aber inter-individuell (vgl. Mittelstaedt et al. 1976, S. 86). Raju (1980) beschreibt das OSL folglich als „property that characterizes an individual in terms of his general response to environmental stimuli“ (S. 272). In empirischen Untersuchungen konnte ein positiver Zusammenhang zwischen dem OSL einer Person und deren Neigung zu explorativem Verhalten26 wie z. B. Risikofreudigkeit, Markenwechselneigung, Variety-Seeking, Adaption neuer Produkte und Informationssuche festgestellt werden (vgl. Raju 1980; Joachimsthaler/Lastovicka

26 Berlyne (1963) definiert exploratives Verhalten (Exploratory Behavior) als „behavior with the sole

function of changing the stimulus field“ (S. 288) und konkretisiert dessen Zweck als „(…) (to) afford access to environmental information that was not previously available” (Berlyne 1960, S. 79).

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1984; Wahlers/Dunn/Etzel 1986, S. 389ff.; Steenkamp/Baumgartner 1992; Mittelstaedt et al. 1976, Menon/Kahn 1995). Ferner hat sich gezeigt, dass das OSL im Zusammenhang mit demografischen Variablen steht, negativ mit dem Alter und positiv mit dem Ausbildungsniveau korreliert (vgl. Raju 1980, S. 277, Kisch/Busse 1968; Robertson 1971). Eine Person mit hohem OSL lässt sich damit als „one who has a stronger than average need to seek and approach situations, activities, and ideas which are novel, changing, complex, surprising, and more intense“ (Kish/Donnenwerth 1969, S. 49) charakterisieren.

Für diese Arbeit ist insbesondere der von Raju (1980) gezeigte Zusammenhang zwischen dem OSL und dem Wunsch nach Vielfalt und Abwechslung einer Person von Interesse: Demnach neigen Personen mit hohem OSL eher dazu „to seek change or variety“ (S. 276). Ferner beschreibt Raju, dass Personen mit hohem OSL „feel less threatened by ambiguous stimuli and are more likely to respond rather than withdraw from such stimuli“ (Raju 1980, S. 280). Individuen mit hohem OSL reagieren folglich auf uneindeutige Stimuli in einer Kaufsituation, wie z. B. eine Produktauswahl ohne dominierende Alternative, nicht mit sofortigem Kaufabbruch, sondern empfinden den hohen Stimulationsgrad evtl. sogar als angenehm.

Der von der Theorie des Optimum Stimulation Levels postulierte Zusammenhang von Stimulationshöhe und affektiver Reaktion des Konsumenten gleicht der von Berlyne (1971) untersuchten Abhängigkeit des Hedonic Value von der Höhe des Erregungspotenzials (Arousal Potential) einer Situation. Der Hedonic Value beschreibt dabei „the pleasure and the reward value people receive from increasing or decreasing arousal“ (Hank/Prinkey 1986, S. 124). Diese Größe stellt somit ebenfalls eine affektive Reaktion auf die Höhe des Stimulationsniveaus einer Situation dar. Der Theorie von Berlyne (1971) folgend, führt eine Erhöhung des Arousal Potentials zunächst zu einem höherem positiven Hedonic Value, bis dieser nach einem bestimmten Punkt, der als „optimum arousal level“ (Hank/Prinkey 1986, S. 124) bezeichnet werden kann, mit weiter steigendem Erregungspotential sinkt und schließlich negativ wird. Hank und Prinkey (1986) konnten zeigen, dass der Optimalpunkt von den Persönlichkeitsmerkmalen des Konsumenten (Introverts vs. Extroverts) abhängig ist und somit interpersonell schwankt (vgl. Hank/Prinkey 1986, S. 128ff.). Abbildung 24 stellt den Zusammenhang grafisch dar.

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PositiveHedonic

Value

NegativeHedonic

Value

Arousal Potential

Extroverts Introverts

Abbildung 24: Zusammenhang von Erregungspotenzial (Arousal Potential) und Hedonic Value und deren Abhängigkeit von Persönlichkeitsmerkmalen (Extroverts im Vergleich zu Introverts). Quelle: Hank/Prinkey 1986, S. 126)

Eine ähnliche Erklärung des Konsumentenverhaltens liefert auch das auf Faison (1977, S. 172ff.) zurückgehende theoretische Konzept „The variety drive“, das ebenfalls davon ausgeht, dass der Mensch einen gewissen „Spannungszustand“ als ideal empfindet. Hierauf soll aber an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.

Zusammenfassung und Bezug zur Untersuchung

Fasst man die obigen Erläuterungen und Ergebnisse zusammen, so lassen sich daraus im Wesentlichen zwei Konsequenzen für diese Untersuchung ableiten:

Zum einen bietet die Theorie des Optimum Stimulation Level einen motivations-theoretischen und somit affektiv begründeten Ansatz zur Erklärung des Werts von Produktvielfalt. Die Theorie stellt insbesondere einen Bezug zu bestimmten Verhaltensweisen von Konsumenten bei zu geringer bzw. zu großer Vielfalt her. So kann zu geringe Produktauswahl in einem Geschäft Konsumenten dazu motivieren, ein weiteres Geschäft mit einer größeren Auswahl aufzusuchen und somit zum vorläufigen Abbruch bzw. Aufschub der Kaufhandlung führen. Auf zu hohe Produktvielfalt reagiert der Konsument im (für den Anbieter) besten Fall damit, dass er einen Teil der Produkte oder Produktinformationen nicht beachtet und dadurch die Stimulation reduziert, im schlimmsten Fall tut er dies, indem er das Geschäft verlässt und den Kauf in einem anderen Geschäft mit geringerer Auswahl fortsetzt. Insgesamt

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liefert die Theorie des Optimum Stimulation Level Hinweise dafür, dass sehr hohe Auswahlvielfalt das Kaufverhalten und die Kauf(prozess)bewertung negativ beeinflussen. Will man auf einen funktionalen Zusammenhang von Produktvielfalt, Kaufintention und Zufriedenheitsurteilen schließen, so legt diese Theorie die Annahme eines umgekehrt-u-förmigen Zusammenhangs nahe. Die Ableitung einer funktionalen Abbildungsvorschrift von Produktvielfalt und deren Wert aus Konsumentensicht ist aber nicht Bestandteil der vorliegenden Untersuchung.

Der zweite wichtige Punkt für diese Untersuchung ergibt sich aus dem inter-individuellen Unterschied des OSL: Personen empfinden ein unterschiedlich hohes Niveau an Stimulation als optimal. Übertragen auf Kosten und Nutzen von Produktvielfalt bedeutet dies, dass Nutzen- und Kostenaspekte von Person zu Person schwanken, abhängig davon, ob die vorgefundene Produktvielfalt unterhalb, oberhalb oder im Optimum des Konsumenten liegt. Es bietet sich deshalb an, das OSL als personenspezifischen Moderator in die Untersuchung einzubeziehen.

2.2.3 Produktvielfalt und „The Tyranny of Freedom”

Barry Schwartz (2000) argumentiert in seinem vielbeachteten Artikel „Self-Determination: The Tyranny of Freedom“, dass „freedom, autonomy and self-determination can become excessive, and that when that happens, freedom can be experienced as a kind of tyranny“ (S. 79). Schwartz stellt dabei insbesondere die von der rationalen Entscheidungstheorie (Rational Theory of Choice) angenommene positive Wirkung der durch Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten entstandene Freiheit, Autonomie und Selbstbestimmtheit auf das (psychische) Wohlbefinden eines Individuums in Frage (vgl. Schwartz 2000, S. 80f). The Tyranny of Freedom beschäftigt sich somit im Kern mit der Fragestellung, ob es für einen Konsumenten vorteilhaft ist, sehr viele Optionen zur Wahl zu haben, anstatt aus einer überschaubaren Menge an Alternativen zu wählen. Schwartz kommt hierbei zu dem Schluss, dass sich eine übermäßige Anzahl an Optionen zur Allokation von Geld und Zeit negativ auf den Entscheidungsprozess und das emotionale Wohlbefinden des Konsumenten auswirken kann (vgl. S. 84).

Zur Begründung seiner Folgerung stellt Schwartz die allgemeine Gültigkeit zentraler Annahmen der rationalen Entscheidungstheorie in Frage. Hierzu gehören beispielsweise die Annahme geordneter Präferenzen und vollständiger Information des Konsumenten und dessen Nutzenmaximierungsziel bei der Entscheidung.

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So argumentiert er z. B., dass die Annahme geordneter Präferenzen hinsichtlich aller mit einem bestimmten Ressourceneinsatz erzielbarer Optionen sowohl vollständige Informationen über alle Optionen, als auch die Möglichkeit zur Verarbeitung dieser Informationen durch den Konsumenten voraussetzt (vgl. Schwartz 2000, S. 81ff.). Schwartz kommt deshalb zu folgendem Schluss:

„The idea that people are rational choosers is on the one hand too rich, by giving people credit for more calculation and flexibility than they possess, and on the other hand too impoverished, by failing to appreciate a range of influences on decision making that are not themselves amenable to rational calculation“ (Schwarz 2000, S. 83).

Der Autor betont weiterhin, dass sich zu hohe Vielfalt nicht nur negativ auf den Kaufprozess, sondern auch auf die affektiven Reaktionen nach dem Kauf auswirken kann. Kaufentscheidungen hinterlassen bei Konsumenten dann ein „dissatisfied feeling that they might have done better“ (S. 84).

Um seine Theorie empirisch zu untermauern, greift Schwartz auf die Theorie der Learned Helplessness zurück (vgl. Schwartz 2000, S. 85). Diese besagt, dass Steuerbarkeit (Control) und Autonomie (Autonomy) des eigenen Handelns wichtige Voraussetzungen für die mentale Gesundheit sind (z. B. Abramson/Metalsky/Alloy 1989; Peterson/Maier/Seligmann 1993; zitiert nach Schwartz 2000, S. 85). Fehlen diese, können dadurch unter bestimmten Umständen Depressionen entstehen. Im Umkehrschluss, so Schwartz, bedeutet dies, „that having control over significant things in one’s life is important to preventing clinical depression“ (S. 85).

Dieser Theorie folgend, ist es nach Schwartz verwunderlich, dass sich in den USA, dem sprichwörtlichen „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ mit fast unbegrenzten Wahlmöglichkeiten, die Anzahl der an Depressionen leidenden Personen seit der Jahrhundertwende in etwa verzehnfacht hat (vgl. Schwartz 2000, S. 85). Der Autor führt diese Entwicklung auf drei Gründe zurück (vgl. Schwartz 2000, S. 85f.):

Erstens hat die zunehmende (Wahl)freiheit zu übertriebenen und unrealistischen Erwartungen geführt, die stets von Perfektion ausgehen. Individuen haben diesen hohen Anspruch insbesondere auch gegen sich selbst. In diesem Zusammenhang hat die Individualisierung der (amerikanischen) Gesellschaft, die Schwarz als zweiten Grund anführt, dazu beigetragen, dass eine Person die Schuld für – unvermeidbares – suboptimales Verhalten in erster Linie bei sich selbst sucht. Drittens hat die Betonung von Autonomie und eigener Steuerung zur Abnahme der Zugehörigkeit und Bindung

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an soziale Gruppen geführt, wodurch eine der wichtigsten „Abwehrmöglickeiten“ von Depressionen an Einfluss verloren hat.

Auf Basis dieser Argumentation kommt Schwarz (2000) zum Schluss, dass „freedom of choice is not all it’s cracked up to be, at least not with respect to psychological well-being“ (S. 86).

Die theoretischen Überlegungen von Schwarz beziehen sich auf verschiedene Lebenssituationen, in denen Individuen eine von vielen Alternativen wählen können. In dem im nächsten Abschnitt beschriebenen „theoretischen Konzept“ überträgt Desmeules (2002) die Überlegungen von Schwartz auf die Wirkung von Produktvielfalt in einer Kaufentscheidungssituation.

The Impact of Variety on Consumer Happiness: Marketing and the Tyranny of Freedom (Desmeules 2002)

Desmeules (2002) greift in seinem Artikel auf Erkenntnisse und Annahmen der Tyranny of Freedom (Schwartz 2000, S. 79ff.) zur Erklärung der Wirkung von Vielfalt auf das Konsumerlebnis einer Person zurück. Er leitet daraus einen umgehehrt-u-förmigen Zusammenhang von Vielfalt und dem von ihm als „positiveness of consumption experience“ (S. 9) bezeichneten (positiven) Konsumerlebnis ab. In Abbildung 25 wird dieser grafisch dargestellt. Die Verwendung der Bezeichnung „positiveness of consumption experience“ an Stelle von z. B. Zufriedenheit begründet der Autor damit, dass – wie später gezeigt wird – übermäßige Vielfalt aufgrund von Bedauern und Frustration zum Kaufabbruch führen kann und Zufriedenheit auf der Basis des Expectation-Disconfirmation Modells dann nicht mehr messbar ist (S. 9).

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Positiveness ofconsumption

experience(Consumer Happiness)

Variety

1 2 3

ErwartungenRisikoInvolvement Erfahrung

Point of Satisfaction

Point of Regret

"Nutzeneffekte"höherer Bedürfnis-erfüllungsgradmehr Spaß

"Kosteneffekte"Komplexe Informations-verarbeitungMehr Verwirrung und FrustrationAntizipiertes Regret

Abbildung 25: Zusammenhang von Produktvielfalt und positiver Konsumerfahrung. In Anlehnung an Desmeules 2002, S. 10

Der in Abbildung 25 dargestellte Graph, der den Zusammenhang von Produktvielfalt und positivem Konsumerlebnis darstellt besteht aus drei Abschnitten:

Einem ansteigenden Teil (1),

einem relativ flachen Plateau (2)

und einem abfallenden Abschnitt (3).

Die drei Teile des Graphen werden dabei durch die als Point of Satisfaction bzw. Point of Regret bezeichneten Stellen auf der x-Achse voneinander getrennt.

Der Anstieg des Kurvenverlaufs im ersten Abschnitt bis zum Point of Satisfaction ist darauf zurückzuführen, dass durch die Verfügbarkeit mehrerer Optionen einerseits der Erfüllungsgrad der Bedürfnisse des Konsumenten steigt (S. 9) und sich die Auswahl andererseits positiv auf den hedonistische Wert des Einkaufserlebnisses auswirkt, d. h. das Einkaufen macht aufgrund der größeren Wahlmöglichkeiten mehr Spaß (S. 8). Ist mit dem Point of Satisfaction der Beginn des Plateaus (2) erreicht, wird durch weitere Optionen das positive Einkaufserlebnis weder gesteigert noch gemindert, bis mit dem Point of Regret das Ende des Plateaus erreicht ist: „Increased variety is an advantage to a consumer only up to a point“ (Baumol/ Ide 1956, S. 96).

Im Bereich des Plateaus kann der Konsument die zusätzlichen Optionen berücksichtigen oder ignorieren, ohne dass sich dadurch die (positive) Wahrnehmung des Kaufprozesses verändert. Vom Point of Regret an beginnt die Kurve zu fallen, da „stress, frustration, disengagement from the process, or anticipated/experienced

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regret caused by heightened expectations and/or an inability to conduct all the evaluations and calculations (mathematically or otherwise) necessary to arrive at a choice“ (S. 9) das positive Erleben des Entscheidungsprozesses mindern und im Extremfall zu dessen Abbruch führen können.

Den negativen Effekt hoher Vielfalt auf das Kauferlebnis erklärt Desmeules (2002, S. 10) auf Basis derTheorie der „Tyranny of Freedom“ (Schwartz 2000): Die hohe Vielfalt und der damit verbundene Beurteilungsaufwand überfordern den Konsumenten, was dazu führt, dass dieser die erste „zufrieden stellende“ Option wählt und dadurch das Risiko eingeht, eine bessere Alternative auszuschlagen (vgl. Muraven/Baumeister 2000, S. 247ff.; Keinan 1987, S. 639ff.). Der Rückgriff auf eine vereinfachende Heuristik führt zu einem Verlust der Kontrolle über den Entscheidungsprozess seitens des Käufers und kann als gelernte Hilflosigkeit (Learned Helplessness) (siehe S. 85) und somit als Teil der Theorie der „Tyranny of Freedom“ interpretiert werden (vgl. Desmeules 2002, S. 10; Schwarz 2000; Schwarz et al. 2002). Nach der Argumentation von Desmeules (2002) führt hohe Vielfalt außerdem dazu, dass Kunden ihre Erwartungen und Ziele zu hoch stecken und dann von sich selbst enttäuscht sind, wenn sich diese nicht erfüllen bzw. sie diese nicht erreichen: „These poor self-evaluations then produced emotional distress (...)“ (Desmeules 2002, S. 10). Unterstützt wird die Schlussfolgerung des Autors auch durch die Untersuchungen von Baumeister/Heatherton/Tice (1994), die zeigen, dass unrealistische Ziele zu einem Versagen der Selbstkontrolle (Self-Regulation) und dadurch zu negativen Emotionen führen.

Die Lage des Point of Regret auf der x-Achse und damit der Beginn der negativen Wirkung von Produktvielfalt hängt nach Desmeules (2002, S. 11) vor allem von der Erfahrung und Expertise des Konsumenten, dessen Erwartungen, Involvement und wahrgenommenem Risiko ab. So ist davon auszugehen, dass der Point of Regret eines Konsumenten, der mit der Produktkategorie vertraut ist, weiter rechts auf der x-Achse liegt, als der eines unerfahrenen Konsumenten. Der erfahrene Käufer kann damit mehr Vielfalt „verarbeiten“ als der unerfahrene. Dies ist damit zu begründen, dass ein „Experte“ die (für sich) entscheidungsrelevanten Attribute eines Produktes kennt und auf dieser Basis die verfügbaren Optionen schnell auf eine überschaubare und verarbeitbare Anzahl an Alternativen, die für den Kauf in Frage kommen (Consideration Set), reduzieren kann (vgl. z. B. Huffmann/Kahn 1998, S. 492ff.; Bettman/Park 1980, S. 242ff., Rao/Monroe 1988, S. 254ff.).

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Höhere Erwartungen, größeres Risiko und höheres Involvement bewirken nach Desmeules (2002, S. 11.) eine Verschiebung des Point of Regret nach links:

Hohe Erwartungen, die durch die Vielfalt selbst oder durch Werbung gefördert werden (vgl. Richins 1991), können, wie bereits erläutert, zur Enttäuschung über die eigene Unfähigkeit, das beste Produkt zu finden, und dadurch zur Antizipation von Bedauern führen. Der Point of Regret von Personen, die sehr hohe Erwartungen haben – Schwartz et al. (2002) bezeichnen diese als „Maximizers“ (S. 1178) – sollte folglich im Vergleich zu Personen mit geringeren Erwartungen („Satisficers“) weiter links auf der x-Achse liegen.

Markman, Zhang und Moreau (2000) konnten zeigen, dass in Situationen mit hohem (finanziellen) Risiko die Entscheider größere Consideration Sets haben und daher leichter überfordert werden. Gleiches gilt für Kaufsituationen, in denen der Konsument hohes Involvement empfindet: Der Konsument möchte „Herr der Lage“ sein und die Kontrolle über den eigenen Entscheidungsprozess haben. Führt hohe Produktvielfalt zu einem schwierigen und frustrierenden Entscheidungsprozess, empfindet dies ein hoch involvierter Käufer als Verlust der Kontrolle, wofür er sich selbst die Schuld gibt. Trifft der Konsument dennoch eine Kaufentscheidung, projiziert er die Schuld eines eventuellen Fehlkaufs auf sich und empfindet dadurch stärkeres Regret (vgl. Desmeules 2002, S. 11).

Sowohl die Expertise als auch das Involvement einer Person haben somit zusammenfassend Einfluss auf deren Reaktion auf Produktvielfalt und somit auch auf die mit Vielfalt verbundenen Kosten- und Nutzenaspekte.

Zusammenfassung und Bezug zur vorliegenden Untersuchung

Die Theorie der „Tyranny of Freedom“ von Schwartz (2000) und deren Anwendung auf eine hohe Produktvielfalt in Kaufsituationen durch Desmeules (2002) zeigen Ansatzpunkte sowohl für die positiven als auch für die negativen Aspekte von Produktvielfalt. Interessant ist hierbei vor allem, dass die Theorie die Auswirkungen von Vielfalt auf das Kaufverhalten und auf das affektive Erlebnis des Kaufprozesses beschreibt. Damit stellt sie einen expliziten Zusammenhang von Vielfalt, Kaufverhalten und Nachkaufbewertung her und gibt Hinweise auf das zu entwickelnde Gesamtmodell der Wirkung von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt auf das Kaufverhalten und die nachgelagerten Evaluationsprozesse und -ergebnisse.

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Desmeules (2002) hat weiterhin den Einfluss personenspezifischer Merkmale wie Involvement und Expertise auf die Kosten von Produktvielfalt betont. Diese können als Anhaltspunkte für personenspezifischen Moderatoren der Kosten von Produktvielfalt dienen (siehe Kapitel 4.4.3, S. 352).

2.2.4 Zusammenfassung

Die dargestellten Theorien des Optimum Stimulation Level und der Tyranny of Freedom und die Hypothesen zum Informationsdefizit und zur Informations-überlastung geben mit verschiedenen Ansätzen und Schwerpunkten Hinweise für die Reaktion von Konsumenten auf unterschiedlich hohe Produktvielfalt und damit auf Kosten und Nutzen von Produktvielfalt. Gemeinsam ist allen drei Ansätzen, dass sie insgesamt von einem umgekehrt-u-förmigen Zusammenhang von Produktvielfalt und positivem Kaufverhalten bzw. Kauf(prozess)bewertung ausgehen. Dies lässt sich in einer Hypothese zum abnehmenden Grenznutzen von Produktvielfalt zusammenfassen:

Hypothese zum abnehmenden Grenznutzen von Produktvielfalt

Nach dem Gesetz des abnehmenden Grenznutzens nimmt der Nutzen eines Gutes mit dessen zunehmendem Konsum ab (vgl. Woll 1978, S. 91). Interpretiert man die Produktvielfalt in der Entscheidungssituation nicht als gegeben, sondern als nachfragbares Gut, dann lässt sich das Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen auf Basis der beschriebenen Theorien auch auf den Wert von Produktvielfalt übertragen (vgl. Berndt 1983, S. 47):

Der Wert einer zusätzlichen Alternative nimmt mit zunehmender Anzahl bereits zur Verfügung stehender Wahlmöglichkeiten ab, d. h. jede zusätzlich verfügbare Produktalternative hat einen geringeren Grenznutzen (in der hier verwendeten Terminologie einen geringeren Grenzwert). Der Gesamtwert der Produktvielfalt steigt somit in immer geringer werdenden Raten mit dem Angebot zusätzlicher Alternativen bis zu einem Optimum an, von wo ab er sinkt. Ebenso argumentierten bereits 1956 Baumol und Ide: „An increased number of items will at first yield increasing average returns, then decreasing marginal and average returns. Finally, it will yield negative marginal returns“ (Baumol/ Ide 1956, S. 98). Der Grenznutzen einer zusätzlichen Produktalternative wird demzufolge ab einer bestimmten Stelle negativ. Zu einem

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91

ähnlichen Ergebnis in der Domäne des Konsumentenverhaltens kommt auch Bucklin (1967), der den Zusammenhang der Größe eines Einkaufscenters und seinem Nutzen aus der Sicht von Konsumenten untersucht hat: „(...) as the downward sloping character of the curve suggests, additional size has a negative effect upon utility. (...) Very large centers above the size necessary for maximum economics of scale for price competition, are likely to repel these shoppers“ (S. 42).

Abbildung 26 stellt den angenommenen Kurvenverlauf von Produktvielfalt und dessen Wert aus Konsumentensicht grafisch darf.

Betrachteter Bereich

Wert, Nutzen, Kostenvon Produktvielfalt

δ Wert

δ # Alternativen

Produktanzahl

"Nutzen"

"Kosten"

"Wert"

Abbildung 26: Hypothese des abnehmenden Grenznutzens von Produktvielfalt. In Anlehnung an Berndt 1983, S. 47 (Die Untersuchung wird insgesamt auf den grau unterlegten Bereich hoher Vielfalt eingeschränkt.)

Verdeutlichen kann man den Kurvenverlauf von Produktvielfalt und dessen Wert für Konsumenten, indem man den Gesamteffekt in einen „Nutzeneffekt“ und einen „Kosteneffekt“ aufteilt. Aus den beschriebenen theoretischen Überlegungen kann dann der Schluss gezogen werden, dass mit zunehmender Vielfalt der Nutzen zunächst ansteigt und sich dann asymptotisch einem Grenzwert nähert (Gossen’sches Gesetz, vgl. Woll 1978, S. 91). Im Gegensatz hierzu sind die Kosten von Vielfalt anfänglich relativ gering, steigen dann aber mit zunehmender Vielfalt stark an, was insgesamt zu

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einem negativen Grenznutzen (Grenzwert) zusätzlicher Produktalternativen führen kann.

Die Kurvenverläufe begründen die beschriebenen Theorien unterschiedlich: So wird der steigende Nutzen von größerer Auswahl durch die bessere Informationsbasis bei der Entscheidung (Hypothese des Informationsdefizits), die Erfüllung des Stimulationsbedürfnisses (Optimum Stimulation Level) und den höheren Erfüllungsgrad von funktionalen und hedonistischen Erwartungen (Tyranny of Freedom) erklärt. Im Gegensatz hierzu begründen die Theorien den Verlauf der Kostenkurve relativ ähnlich: Im Wesentlichen sind die mit höherer Produktvielfalt steigenden kognitiven und emotionalen Aufwände auf eine Überforderung des Konsumenten bei der Informationsverarbeitung und Bewertung der Alternativen sowie auf Entscheidungskonflikte zurückzuführen. Der Käufer reagiert auf diese psychischen Kosten mit der (bewussten) Anwendung vereinfachender Heuristiken, was wiederum das Risiko einer Fehlentscheidung erhöht und dem Konsumenten das Gefühl gibt, die Kontrolle über die Entscheidung zu verlieren. Dadurch kann antizipiertes und wahrgenommenes Regret entstehen, das sich nicht nur auf den Ausgang der Kaufentscheidung, sondern auch auf die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess und dem evtl. gekauften Produkt auswirkt.

Insgesamt haben die beschriebenen theoretischen Überlegungen mit unterschiedlichen Erklärungsansätzen Hinweise dafür gegeben, dass hohe Vielfalt aus Konsumenten-sicht nicht nur positive, sondern auch negative Aspekte hat.

Das Aufzeigen der Existenz dieser negativen Facetten hoher Produktvielfalt, die in dieser Arbeit als Kosten von Produktvielfalt (KPV) bezeichnet werden, ist das zentrale Ziel der vorliegenden Arbeit.

Dies lässt sich in der zentralen Hypothese der vorliegenden Untersuchung wie folgt zusammenfassen:

Hypothese 1: Hohe Produktvielfalt ist für Konsumenten nicht nur mit Nutzen- sondern auch mit Kostenaspekten verbunden. Diese beeinflussen den Ausgang der Kaufentscheidung und die Nachkaufbewertung aus Unternehmenssicht in negativer Weise.

Da die Arbeit das Ziel hat, die Existenz negativer Effekte hoher Produktvielfalt aufzuzeigen, konzentriert sie sich folglich auf den rechten, grau unterlegten Teil der Abbildung 26, d. h. den Bereich des abnehmenden Grenznutzens bzw. Grenzwerts.

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Entsprechend muss bei der empirischen Untersuchung ein Design gewählt werden, in dem Konsumenten aus einem großen Sortiment mit hoher Vielfalt wählen können. Um die Hypothese zu überprüfen, ist zu untersuchen, ob sich die gemessenen Kostenaspekte negativ auf das Kaufverhalten und die Nachkaufbewertung auswirken.

Die letzten Abschnitte haben auf Basis unterschiedlicher theoretischer Überlegungen ein Spektrum der Nutzen- und Kostenkomponenten von Produktvielfalt aufgezeigt. Im nächsten Kapitel werden darauf aufbauend verschiedene Theorien beschrieben, die eine theoretische Erklärung von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt im Hinblick auf das Verhalten von Konsumenten geben. Die dargestellten Theorien und theoretischen Konzepte dienen als Argumentations-grundlage für die Herleitung der Facetten der Kosten- und Nutzendimension des Werts von Produktvielfalt, sowie deren Konsequenzen und Determinanten.

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2.3 Theoretische Bezugspunkte zur Erklärung von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt

2.3.1 Theorien zur Erklärung des Nutzens von Produktvielfalt

„Je mehr, desto besser“ (deutsches Redensart)

Dieses Kapitel stellt Theorien zu theoretischen Erklärungen des Nutzens von Produktvielfalt aus Konsumentensicht dar. Hierbei werden in der Literatur meist zwei Aspekte unterschieden:

„Most classifications (...) of consumer benefits start with the distinction between utilitarian (extrinsic) and hedonic (intrinsic) benefits (...). Utilitarian benefits are primarily instrumental, functional and cognitive; they provide consumer value by being a means to and end. Hedonic benefits are noninstru-mental, experiential, and affective; they are appreciated for their own sake, without further regard to their practical purposes“ (Chandon/ Wansink/Laurent 2000, S. 66; Hervorhebungen nicht im Original).

Die utilitaristischen, nutzenorientierten Gesichtspunkte beziehen sich somit auf den mit höherer Produktvielfalt steigenden Erfüllungsgrad der individuellen Bedürfnisse und Präferenzen eines Konsumenten. Dies wurde im Einführungsteil der Arbeit als Customization Funktion von Produktvielfalt bezeichnet (siehe S. 2). Die hedonistische Komponente von Produktvielfalt könnte, vereinfacht gesagt, als „Spaß an der Produktvielfalt“ bezeichnet werden. Mano und Oliver (1993) kontrastieren die beiden Aspekte als „thinking versus feeling“ (S. 452), womit diese den „archetypal constructs of emotion and reason“ (Chaudhuri/Holbrook 2001. S. 85) entsprechen.

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Die Nutzenerwartungswerttheorie und die Theorie des Hedonic Shopping Value dienen als Basis zur Erklärung der utilitaristischen und der hedonistischen Komponente des Nutzens von Produktvielfalt und werden nachfolgend beschrieben.

2.3.1.1 Nutzenerwartungswerttheorie und rationale Entscheidungstheorie

„de gustibus non est disputandum“ (lateinisches Sprichwort unbekannter Herkunft)

„Geschmäcker und Ohrfeigen sind verschieden.“ (deutsches Sprichwort)

„(...) a high-variety strategy (or customisation strategy) increases the likelihood that each consumer will find exactly what she or he wants“ (Kahn 1998, S. 46).

Barbara Kahn umschreibt mit diesem Satz die zentrale Hypothese der rationalen Entscheidungstheorie (Rational Theory of Choice) (vgl. Luce 1959, 1977; Tversky/Shafir 1992, S. 358; Schmidt 1995; siehe auch S. 43f.) zum Zusammenhang von Produktvielfalt und Konsumentenverhalten: Mit der Anzahl an Produkt-alternativen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Konsument unter den verfügbaren Optionen eine findet, die seinen Vorstellungen entspricht und er diese deshalb kauft. Hierbei liegen u. a. die Annahmen zugrunde, dass Konsumenten erstens das Ziel haben, ihren Nutzen zu maximieren und die beste Option wählen, und sie zweitens die Alternativen bewerten sowie ihre Präferenzen bestimmen können (vgl. Desmeules 2002, S. 1). Auf diese Funktion von Produktvielfalt wurde in der Literatur an vielen Stellen hingewiesen (vgl. z. B. Iyengar/Lepper 2000, S. 996; Baumol/Ide 1956, S. 93; Desmeules 2002, S. 4; Schmidt 1990, S. 245; Wright/Barbour 1975, S. 248; Kaish 1967, S. 31; Billot/Thisse 1999, S. 519).

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Das Grundmodell der Nutzenerwartungswerttheorie

In diesem Abschnitt werden die Grundannahmen der rationalen Entscheidungstheorie (Rational Theory of Choice) kurz skizziert. Dabei geht es um die Modellierung von Situationen, in denen sich ein Konsument für eine der zur Wahl stehenden Alternativen entscheidet (Quantal Choice Problem, siehe S. 39). Die Alternativen-menge enthält dabei alle verfügbaren, sich gegenseitig ausschließenden Handlungsoptionen, was auch die Option des Kaufabbruchs oder der Beibehaltung des Status quo beinhaltet. Formal werden die in einer Entscheidungssituation zur Verfügung stehenden Alternativen durch die Alternativenmenge F, mit den Elementen f1, f2, ... fn bezeichnet (vgl. Schmidt 1995, S. 24ff.):

F = {f1, f2, ... fn}

Die Konsequenzen, die mit der Entscheidung für eine Alternative verbunden sind, hängen dabei vom jeweiligen Umweltzustand ab. So hat beispielsweise der Kauf eines Cabrios unterschiedliche Konsequenzen, je nachdem, ob es regnet oder die Sonne scheint. Zur formalen Beschreibung des Entscheidungsmodells ist deshalb eine endliche Umstandsmenge Z, welche die in einer Entscheidungssituation relevanten Umstände beschreibt, und eine endliche Konsequenzenmenge C zur Beschreibung der möglichen Konsequenzen der Handlungen erforderlich:

Z = {A, B , ... }

C = { c1, c2, ... }

Damit lässt sich die intuitiv nachvollziehbare Annahme, dass Handlungsalternativen unter verschiedenen Umständen unterschiedliche Konsequenzen haben, formal wie folgt darstellen: Jedes Element f der Alternativenmenge F kann als eine Funktion von der Zustands- in die Konsequenzenmenge aufgefasst werden, d. h. für jedes f ∈ F gilt:

CZ:f a

)z(fz a

Im Grundmodell der Nutzenerwartungswerttheorie geht es nun im Kern um die Frage, welche Alternative in einer Entscheidungssituation ein Individuum gemäß rationaler

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Kriterien wählen soll. Da dem Entscheider die zukünftigen Umstände unbekannt sind und er deshalb eine Entscheidung unter Unsicherheit treffen muss, geht die Nutzenerwartungswerttheorie davon aus, dass einem Individuum eine subjektive Wahrscheinlichkeitsfunktion P, die die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Umstands angibt, zugeschrieben werden kann:

)A(PA a

Dem Individuum wird ferner eine Nutzenfunktion U zugeordnet, die der jeweiligen Konsequenz eine reelle Zahl, den „Nutzen“ zuordnet:

RC:U a

)c(Uc a

Der Erwartungswert des Nutzens einer Alternative fx ∈ F ergibt sich somit wie folgt:

}){())(())(( zPzfUfUEZz

xx ∑∈

⋅=

(2)

Damit lässt sich das Grundprinzip der Nutzenerwartungswerttheorie formulieren: „Wähle diejenige Alternative, für die der Erwartungswert des Nutzens maximal ist“ (Schmidt 1995, S. 32). Dieses Prinzip der Maximierung des Nutzenerwartungswerts ist im vereinfachten Fall von zwei Handlungsalternativen f1 und f2 genau dann erfüllt, wenn gilt:

∑∑∈∈

⋅≥⋅⇔≥Zz

2Zz

121 })z({P))z(f(U})z({P))z(f(Uff

(3)

wobei „f1 ≥ f2“ bedeutet, dass „f1 gegenüber f2 schwach vorgezogen wird“ (vgl. Schmidt 1995, S. 33). Dieses Grundprinzip ist nicht auf zwei Alternativen beschränkt und kann z. B. durch paarweise Vergleiche auf beliebig große Alternativenmengen angewendet werden.

Die folgenden Ausführungen basieren auf diesem Grundmodell der Nutzen-erwartungswerttheorie bzw. der „klassischen Entscheidungstheorie“.

[ ]1,0Z :P a

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Produktnutzen und Produktwahlverhalten

Zentraler Aspekt der Rational Theory of Choice ist der vom Konsumenten erwartete Nutzen eines Produkts. Er kann als ein „subjektives Maß der Attraktivität eines Resultats“ (Seilheimer 2001, S. 8) bezeichnet werden, wobei unter „Resultat“ die Entscheidung für ein Produkt, sowie dessen anschließender Konsum zu verstehen ist. Der erwartete Produktnutzen ist dabei nicht auf die funktionalen Aspekte des Produkts, die aus dessen physikalisch-chemisch-technischen Eigenschaften folgen (vgl. Herrmann 1992, S. 25), begrenzt, sondern „summarize(s) the desirability of alternatives“ (McFadden 1986, S. 280) und beinhaltet damit auch Produkteigen-schaften wie „Prestige, Geltung und Status“ (Herrmann 1998, S. 14).

Die Ansätze der rationalen Entscheidungstheorie basieren auf der Annahme, dass das Konsumentenverhalten „aus dem Prozess der multiattributiven Produktbeurteilung abzuleiten“ (Herrmann 1998, S. 102) ist. Im vereinfachten, diskreten Entscheidungs-modell hängt der Nutzen, den das Produkt i dem Konsumenten k stiftet, demnach von dessen persönlichen, marketingpolitischen Merkmalen sk und den von ihm als entscheidungsrelevant wahrgenommenen Produktmerkmalen zik ab (vgl. Herrmann 1998, S. 104):

Uik = Uik (zik, sk) (4)

Uik Nutzen von Produkt i für Konsument k

zik Vektor der vom Konsument k als entscheidungsrelevant wahrgenommenen Eigen-schaften (Attribute) von Produkt i

sk Vektor der persönlichen Merkmale von Konsument k

Je nachdem, ob bei der Produktbeurteilung von konstanten, dem Konsumenten bekannten Nutzenwerten oder von probabilistischen Nutzenwerten für die Alternativen ausgegangen wird, spricht man vom Konstantnutzen- oder Zufallsnutzenmodell der Entscheidungstheorie. Im letzteren Fall resultiert die Nutzenbewertung einer Alternative neben den persönlichen Merkmalen des Entscheiders und den Produkteigenschaften auch aus einem Zufallsterm zur Erfassung zufälliger Einflüsse auf die Nutzenbewertung (vgl. Herrmann 1998, S. 106ff.). Die Unterschiede dieser

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Modelle sind für die weitere Argumentation nicht relevant und werden deshalb an dieser Stelle nicht vertieft27.

Entscheidend ist vielmehr der Zusammenhang von Nutzenbewertung und Produktwahlverhalten, der sich aus dem Prinzip der Maximierung des Nutzen-erwartungswerts ergibt und wie folgt darstellen lässt (vgl. Herrmann 1998, S. 106):

Pik = Pik (Uik ≥ Ujk ) (5)

Pik Wahrscheinlichkeit, dass der Konsument k das Produkt i wählt

Uik, Ujk Nutzen von Option i bzw. Option j

Demnach ist die Wahrscheinlichkeit, mit der sich ein Konsument für eine verfügbare Option entscheidet gleich der Wahrscheinlichkeit, dass der Nutzen dieser Option mindestens so groß ist wie der Nutzen einer anderen Option (vgl. Herrmann 1998, S. 106). Die Wahrscheinlichkeit der Wahl einer Alternative ist folglich proportional zu deren Nutzen.

Ein wichtiger Aspekt der rationalen Entscheidungstheorie soll an dieser Stelle nochmals betont werden: Ein Element der Kaufentscheidung wie z. B. ein zur Wahl stehendes Produkt, stiftet dem Entscheider ausschließlich Nutzen „by being a means to and end“ (Chandon/Wansink/Laurent 2000, S. 66). Die means-end Theorie greift diesen Grundgedanken der Zielorientierung des Konsumentenverhaltens auf und erklärt dies mit Hilfe von Mittel-Ziel (means-end) Ketten (vgl. Herrmann 1998, S. 31). Demnach kommt „die Motivation zum Kauf eines Produkts (...) dadurch zustande, dass ein Konsument das Produkt als geeignetes Mittel wahrnimmt (=kognitiver Vorgang), um angenehme Gefühle zu verwirklichen und seine Triebe zu befriedigen (...)“ (Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S. 147). Ein Konsument erwirbt nach den Ideen der means-end Theorie ein Produkt mit bestimmten Eigenschaften (z. B. Laufschuh mit Fersenstütze), um durch dessen funktionalen Nutzen (z. B. schneller laufen) erstrebenswerte Zielzustände zu erreichen. Letztere werden durch relativ stabile instrumentale (z. B. körperliche Fitness) und terminale Werthaltungen (z. B. Selbstachtung) des Individuums generiert (vgl. Herrmann 1998, S. 31ff.). Da der Zielzustand nur durch den Kauf des Produkts erreicht werden kann, dient dieses letztlich als „Mittel zum Zweck“.

27 Eine ausführliche Darstellung verschiedener Modelle findet sich beispielsweise bei McFadden

1985, S. 275ff. und 1981, S. 198ff. oder bei Herrmann 1992, S. 85ff.

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Zusammenhang von Produktvielfalt und Produktnutzen

Die Annahme der rationalen Entscheidungstheorie, „(…) that an increase in variety will be accompanied by an increase in the likelihood that consumers find exactly what they are looking for“ (Desmeules 2002, S. 1) lässt sich folgendermaßen veranschaulichen:

Geht man davon aus, dass sich ein Produkt als ein Bündel von Eigenschaften beschreiben und spezifizieren lässt und ein Konsument einen „Idealpunkt“ hinsichtlich der Ausprägungen dieser Eigenschaften hat, dann nimmt die Bewertung (Evaluation) eines Produkts ab „as the ‚distance’ between its specification and that of consumer’s ideal good increases“ (Lancaster 1990, S. 197). Da die Wertschätzung eines Objekts von dessen relativer Lage zum Idealpunkt im Attributraum abhängig ist, wird diese Modellart auch als Locational, Locational analog, oder Neo-Hotelling Models bezeichnet (vgl. Lancaster 1990, S. 191, 198f.). Wie sich zunehmende Vielfalt unter diesen Annahmen auf die Produktbewertung durch Konsumenten auswirkt, verdeutlicht Lehmann (1998) anhand des folgenden schematischen Beispiels:

Nimmt man an, dass die Präferenzen von Konsumenten in Form ihrer Idealpunkte gleichmäßig auf einer Strecke zwischen 0 und 1 verteilt sind und sich die konsumentenspezifische Nachteiligkeit eines Produkts (Disutility) als Abstand zwischen dem Idealpunkt eines Konsumenten und einer Produktausprägung messen lässt und unterstellt man weiterhin, dass Hersteller und Handel aus Kundensicht optimale Produkte anbieten, dann nimmt der durchschnittliche Abstand zwischen dem „nächstgelegenen“ Produkt und dem Idealpunkt eines Konsumenten mit steigender Anzahl an Alternativen ab.

Daraus folgt, dass „(...) the expected maximum utility increases with the number of alternatives (…)“ (Billot/Thisse 1999, S. 519), wobei der Grenznutzen einer zusätzlichen Alternative sinkt (vgl. Lehmann 1998, S. 64). Tabelle 3 verdeutlicht diesen Zusammenhang.

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Verfügbare Optionen Produktausprägungen Durchschnittliche

Distanz Inkrementeller

Wert

1 0,5 0,25

2 0,25, 0,75 0,125 0,125

3 0,167; 0,5; 0,833 0,083 0,042

4 0,125; 0,375; 0,625; 0,875 0,0625 0,0205

5 0,1; 0,3; 0,5; 0,7; 0,9 0,050 0,0125

...

10 0,05; 0,15; ... 0,025

...

100 0,005; 0,015; ... 0,0025

Tabelle 3: Zusammenhang von Produktvielfalt und Produktnutzen. In Anlehnung an Lehmann 1998, S. 64

Auch wenn die Annahme, dass Unternehmen aus Konsumentensicht optimale Produkte anbieten z. B. von der Spieltheorie widerlegt wurde (vgl. Desmeules 2002, S. 8) und konstante (monetäre) Kosten als weitere Annahme eher unrealistisch sind (vgl. Lehmann 1998, S. 64), verdeutlicht das Beispiel die Beziehung von Produktvielfalt und Nutzen, wie sie aus der Nutzentheorie folgt.

Den angenommenen positiven Zusammenhang von Produktvielfalt und antizipiertem Nutzen konnten Kahn und Wansink (2004) auch empirisch zeigen. Sie haben den Einfluss der Alternativenanzahl sowie deren Organisation auf den antizipierten Nutzen des Sortiments durch Konsumenten untersucht und dabei festgestellt, dass „the perceived variety influences the anticipated consumption utility that a consumer believes the assortment will deliver“ (S. 529). Obwohl demnach nicht die absolute Anzahl an Alternativen, sondern die vom Konsumenten wahrgenommene Vielfalt entscheidend ist, besteht ein positiver Zusammenhang zwischen Produktvielfalt und dem (erwarteten) Nutzen der Produkte eines Sortiments. Dies lässt den Schluss zu, dass Entscheider „(…) may intuitively realize (…) that a larger pool (of alternatives) increases his chance for an optimal choice while adding to his processing effort” (Wright/Barbour 1975, S. 248).

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Auf eine wesentliche Vorraussetzung des dargestellten Zusammenhangs von Produktvielfalt und dessen utilitaristischen Nutzen soll an dieser Stelle nochmals explizit hingewiesen werden:

Höhere Produktvielfalt führt nur dann durchschnittlich zu höherem maximalen Nutzen, wenn sich die Präferenzen der Konsumenten erheblich unterscheiden, d. h. wenn sie verschiedene Idealvorstellungen hinsichtlich der Attributausprägungen eines Produkts haben. Diese Unterschiede müssen dabei aus Konsumentensicht so bedeutend sein, dass „(...) individuals consider themselves to be better off (or have a higher welfare) when they have a product which exactly fits their view of the ideal design for that class of products than when they do not“ (Lancaster 1979, S. 5f.). Hohe Produktvielfalt ist aus Unternehmenssicht folglich nur dann sinnvoll, wenn die Geschmäcker der Konsumenten tatsächlich verschieden sind, diese die bessere Erfüllung ihrer Vorstellungen schätzen und demzufolge das entsprechende Produkt kaufen (vgl. Lancaster 1990, S. 190). Letzteres folgt aus dem oben dargestellten Zusammenhang von Produktnutzen und Produktwahlverhalten.

Diese Argumentation setzt implizit voraus, dass Individuen die eigenen Präferenzen kennen. Untersuchungen haben aber gezeigt, dass „people do not always have a well-defined preference order“ (Tversky 1996, S. 17). Unter diesen Umständen bietet hohe Produktvielfalt einen weiteren Vorteil: In der Entscheidungssituation kann der Konsument lange flexibel bleiben, die eigenen Vorlieben und Präferenzen erkunden und dann entsprechend wählen (vgl. Billot/Thisse 1999, S. 519). Diese Flexibilität stellt im Sinne eines Optionswerts einen weiteren utilitaristischen Nutzenaspekt von Produktvielfalt dar (vgl. Hoch/Bradlow/Wansink 1999, S. 528).

Betrachtet man nochmals die Beziehung von Produktvielfalt und Kaufwahrschein-lichkeit bzw. –absicht, so stellt sich die Frage, wie sich der bewusste Aufschub bzw. Abbruch einer Kaufentscheidung aus nutzentheoretischer Sicht darstellen lässt. Nach den Worten von Dhar (1997) kann man dies erreichen, indem man „no choice as just another option“ (S. 216) betrachtet und damit in die Alternativenmenge einbezieht.

Der Nutzen der „Nicht-Kauf Option“ entspricht dabei der Beibehaltung des Status quo bzw. dem erwarteten Nutzen des Produkts, das ein Konsument durch die Fortsetzung der Suche erwartet zu finden. Eine Person entscheidet sich folglich für den Abbruch der Kaufentscheidung, wenn „none of the alternatives appears attractive, or when the decision maker expects to find better alternatives by continuing to search“ (Dhar 1997a, S. 216). Hierbei liegt jedoch die Annahme zugrunde, dass der Konsument über vollkommene Informationen verfügt und deren Verarbeitung weder mit monetären,

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noch mit psychischen Kosten (z. B. geistige Anstrengung) verbunden ist (vgl. Dhar 1997a, S. 216).

Betrachtet man den Aufschub als mögliche Entscheidungsoption, folgt aus der Nichtnegativität der Nutzenfunktion (vgl. McFadden 1981, S. 206) und dem Regularitätsprinzip (vgl. Luce 1959, 1977; Gourville/Soman 1999, S. 5ff., siehe auch S. 43f.), dass die Wahrscheinlichkeit, mit der sich ein Konsument für den Aufschub entscheidet, nicht zunehmen kann, wenn einem Sortiment Produkte hinzugefügt werden. Obwohl diese Folgerung nicht so stark ist wie die, dass höhere Vielfalt aus Konsumentensicht besser ist, bedeutet sie doch, dass „(...) increasing variety should never harm a brand“ (Gourville/Soman 1999, S. 4).

Ohne späteren Ausführungen zu den Kostenaspekten von Produktvielfalt vorzugreifen, soll bereits hier darauf hingewiesen werden, dass diese Sichtweise rein utilitaristisch ist, nur die positiven Aspekte von Produktvielfalt betrachtet und negative Konsequenzen hoher Produktvielfalt, wie kognitive und emotionale Kosten sowie Suchkosten unberücksichtigt lässt. Da diese Annahmen unrealistisch sind, kann damit das reale Verhalten von Konsumenten nicht ausreichend erklärt werden (vgl. z. B. Desmeules 2002, S. 4). Das Regularitätsprinzip wurde deshalb auch empirisch mehrfach widerlegt (vgl. z. B. Tversky/Shafir 1992, S. 358ff., Gourville 1999, S. 10ff., siehe auch S. 42ff.). Eine mögliche Erklärung hierfür geben die später dargestellten Theorien zur Erklärung der Kosten von Produktvielfalt (siehe Kapitel 2.3.2, S. 122ff.).

Zusammenfassung und Bezug zur vorliegenden Untersuchung

Die dargestellten utilitaristischen Aspekte des Nutzens von Produktvielfalt lassen sich wie folgt zusammenfassen: Konsumenten haben unterschiedliche Geschmäcker und verschiedene Vorstellungen davon, welche Eigenschaften ein aus ihrer Sicht ideales Produkt einer bestimmten Produktkategorie haben soll. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Konsument ein Produkt findet, das seinen Vorstellungen entspricht und dieses deshalb kauft, sollte unter oben erläuterten Annahmen mit der Anzahl der verfügbaren Alternativen steigen oder zumindest nicht abnehmen. Diese Argumentation hat sich von den Anfängen der Marketingforschung bis in deren Gegenwart kaum verändert:

„(...) ... the greater the number of items carried by the store (…), the greater, ordinarily, is the consumer’s reason for expecting that the shopping trip will (…be) successful” (Baumol/ Ide 1956, S. 93).

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„Greater variety and larger assortments increase the probability of a perfect match” (Hoch/Bradlow/Wansink 1999, S. 528).

„(…)in preference-matching contexts, in which people enter hoping to find some particular product or service they already know themselves to prefer, larger number of options should increase the likelihood that they will be successful in their search”. (Iyengar/Lepper 2000, S. 996).

Hohe Produktvielfalt bietet aus Konsumentensicht somit zusammenfassend vier wesentliche Nutzenaspekte:

Durch ein großes Sortiment besteht tendenziell eine hohe Chance ein Produkt zu finden, das den eigenen Vorstellungen entspricht und einen entsprechend hohen antizipierten Produktnutzen aufweist.

Dies impliziert, dass Konsumenten mit großen Sortimenten eine hohe Wahrscheinlichkeit verbinden, den Kaufprozess erfolgreich mit dem Kauf eines Produktes abzuschließen und so ihr Bedürfnis, das zur Auslösung der Kaufhandlung geführt hat, befriedigen können.

Aus dem hohen antizipierten Produktnutzen und der daraus resultierenden Erfüllung der Erwartungen des Konsumenten resultiert außerdem eine erhöhte Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt. Der Nutzen von Produktvielfalt kann sich somit positiv auf die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt auswirken.

Da sich der erfolgreiche Abschluss der Kaufhandlung außerdem positiv auf die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess auswirkt, ist weiterhin davon auszugehen, dass sich die Nutzenaspekte erhöhter Produktvielfalt positiv auf die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess auswirken können.

Dieser Logik folgend lassen sich Kaufintention und die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkte ceteris paribus durch eine Ausdehnung des Angebots erhöhen.

In Abbildung 27 sind die für diese Untersuchung wesentlichen Aspekte der Nutzenerwartungswerttheorie zusammengefasst. Die Darstellungsform wird auch für alle nachfolgenden Theorien beibehalten. Sie stellt die zentralen Zusammenhänge der

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beschriebenen Theorie und den Kosten- bzw. Nutzen von hoher Produktvielfalt in kompakter Form dar und wird nachfolgend kurz erläutert.

Nut

zenQua

ntita

tivQ

ualit

ativ

Aus

gang

d.

Ents

chei

dung

Bew

ertu

ng

Determinanten

Argumentationslogik der Wirkung

Konsequenzen

Facetten des Nutzens hoher PV

Nutzendimension

Konsumenten haben verschiedene PräferenzenJe höher die Anzahl der Produkte, desto höher ist der antizipierter Produktnutzen und desto wahrscheinlicher ist es, ein passendes Produkt zu finden und den Kauf erfolgreich abzuschließen

antizipierter Produktnutzen

Erfolgs-aussichten

Facetten des Nutzens hoher PV

Anzahl der Produkte Kaufintention

ZufriedenheitProzess

Produkt

++ ++

++++

Abbildung 27: Zusammenfassende Darstellung des Zusammenhangs der Nutzenerwartungswerttheorie und des Nutzens von Produktvielfalt

Im Abbildungsschema werden vier aus der jeweiligen Theorie abgeleitete Aspekte von Kosten bzw. Nutzen der Produktvielfalt dargestellt:

1. Determinanten: Es werden die aus der beschriebenen Theorie abgeleiteten qualitativen und quantitativen Eigenschaften des Sortiments abgebildet, die Kosten bzw. Nutzen von Produktvielfalt beeinflussen.

2. Konsequenzen: Die abgeleiteten Auswirkungen auf den Ausgang der Kaufentscheidung und die nachgelagerte Bewertung von Kaufprozess und gekauftem Produkt, die aus der beschriebenen Theorie gefolgert werden können.

3. Argumentationslogik, die die Determinanten und die Konsequenzen nach der Argumentation der Theorie verbindet.

4. Facetten der jeweiligen Dimension: Die durch die Theorie aufgezeigten Facetten der Kosten- oder Nutzendimension, die in der Konzeptualisierung zu berücksichtigen sind.

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106

Positive Zusammenhänge werden hierbei durch ein ++ symbolisiert, negative entsprechend durch ein __ bzw.

In der oberen Abbildung wirkt sich folglich die Anzahl der Produkte positiv auf den Nutzen von Produktvielfalt aus, d. h. je höher die Anzahl der Produkte, desto höher der Nutzen. Als Konsequenz folgt nach der Logik der Erwartungsnutzentheorie, dass aufgrund des höheren Nutzens die Kaufintention sowie die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt und dem Kaufprozess steigen. Dies ist damit zu begründen, dass sich durch die höhere Vielfalt der antizipierte Produktnutzen und dadurch auch die Wahrscheinlichkeit ein passendes Produkt zu finden, erhöhen. Die Nutzen-erwartungswerttheorie hat damit aufgezeigt, dass der Antizipierte Produktnutzen und die Erfolgsaussichten zwei wesentliche Facetten des Nutzens hoher Produktvielfalt sind.

2.3.1.2 Hedonic Shopping Value

Die klassische Konsumentenverhaltensforschung, in deren Tradition auch die oben dargestellte Theorie der rationalen Entscheidungstheorie steht, betrachtet den Konsumenten stets als Problemlöser, der als logisch und rational handelndes Wesen auf der Basis verfügbarer Informationen ein Entscheidungsproblem löst, indem er ein entsprechendes Produkt kauft (vgl. Holbrook/Hirschman 1982, S. 132). Die Motivation zum Einkauf ist demnach allein auf den Kauf eines Produkts zur Befriedigung eines Bedürfnisses zurückzuführen (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S. 147).

Das Verhalten von Konsumenten kann aber durch diesen reinen Akquisitionsfokus nicht vollkommen erklärt werden. So haben Untersuchungen gezeigt, dass Konsumenten beispielsweise ein Einkaufserlebnis nicht nur nach den „instrumental benefits of shopping (e.g., acquiring some specific item)“ (Babin/Darden 1995, S. 49), sondern auch nach dessen hedonistischen Wert beurteilen: Diesen umschreiben Babin und Darden (1995) wie folgt: „(...) hedonic or intrinsic, value reflects more experiential benefits provided directly by a shopping experience itself (e.g., fun, novelty, etc.)“ (S. 49).

Ein Individuum misst demnach nicht nur dem Erwerb eines Produkts, sondern auch dem Kauferlebnis einen Wert bei. Dieser ist weitgehend unabhängig vom Ausgang des Kaufprozesses (vgl. Babin/Darden/Griffin 1994, S. 646). Damit lässt sich

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107

beispielsweise auch die Vorliebe vorwiegend weiblicher Konsumenten für ausgedehnte Shoppingtrips mit Freundinnen erklären, in deren Verlauf ausgiebig anprobiert und betrachtet, aber nicht notwendigerweise auch gekauft wird. Das Positive dieses Einkaufserlebnisses – der Hedonic Shopping Value – „(...) reflects shopping’s potential entertainment and emotional worth“ (Babin/Darden/Griffin 1994, S. 646). Der Kauf von Produkten ist hierfür keine notwendige Voraussetzung: „People buy so they can shop, not shop so they can buy“ (Langrehr 1991, S. 428).

Theoretischer Hintergrund

Der hedonistische Aspekt des Konsumentenverhaltens geht auf Hirschman und Holbrook (1982) zurück (vgl. Hirschman/Holbrook 1982; Holbrook/Hirschman 1982). Ausgangspunkt der Überlegungen der beiden Autoren war dabei die Konzentration der Konsumentenverhaltensforschung auf die Informationsverarbeitungsperspektive, die den Konsumenten in der Tradition der mikroökonomischen Theorie als Homo oeconomicus betrachtet, der als logischer Denker Probleme löst, um eine Kaufentscheidung zu treffen (siehe S. 69). Die Dominanz der Informations-verarbeitungsperspektive in der Verhaltensforschung wurde u. a. von Holbrook und Hirschman (1982) „(...) on the grounds that it may neglect important consumption phenomena“ wie z. B. „(…) various playful leisure activities, sensory pleasures, daydreams, esthetic enjoyment, and emotional responses (…)“(Holbrook/Hirschman 1982, S. 132) kritisiert.

Die Autoren gründen ihre Hypothesen und theoretischen Aussagen auf Erkenntnisse von Teilbereichen verschiedener verhaltenswissenschaftlicher Forschungsgebiete, wie z. B. der Ästhetik als Teilbereich der Philosophie (Jaeger 1945), dem Forschungsgebiet der affektiven Reaktion (affective Response) innerhalb der Psycholinguistik (Osgood/Suci/Tannenbaum 1957) sowie auf verschiedene Teilgebiete der Soziologie und Psychologie. Des Weiteren greifen sie auf die Marketing-forschung und hierbei insbesondere auf Erkenntnisse zur Motivationsforschung (vgl. Dichter 1960) und zum Produktsymbolismus (Grubb/Grathwohl 1967; Levy 1959) zurück (vgl. Hirschman/Holbrook 1982, S. 93 und die hierin zitierten Quellen).

Auf Basis dieser Theorien haben die beiden Autoren die hedonistischen Aspekte des Produktkonsums untersucht, die sie als „hedonic consumption“ (Hirschman/Holbrook 1982, S. 92) bzw. als „experiential view“ (Holbrook/Hirschman 1982, S. 132) bezeichnen. Letzterer steht dem vorherrschenden

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108

„information processing view“ gegenüber. Unter Hedonic Consumption bzw. dem Experiential View subsumieren die Autoren dabei „(...) consumers’ multisensory images, fantasies and emotional arousal“ (Hirschman/Holbrook 1982, S. 93), die durch die Produktnutzung entstehen und einen „steady flow of fantasies, feelings, and fun“ (Holbrook/Hirschman 1982, S. 132) umfassen. Im Zusammenhang dieser Arbeit sind hierbei vor allem die emotionalen Reaktionen des Konsumenten während des Konsums von Interesse. Diese haben (kauf)motivierenden Charakter und umfassen Gefühle wie z. B. Freude, Spaß, Beigeisterung, aber auch Angst, und gehen über die affektiven Komponenten der Präferenzvariablen (Nutzen) hinaus (vgl. Hirschman/Holbrook 1982, S. 92f.). Die beiden Autoren betonen, dass es sich bei den Gefühlen um Ergebnisse primärer mentaler Prozesse handelt. Diese sind primär in dem Sinn, dass sie ein „(...) immediate pleasure or gratification“ (Holbrook/Hirschman 1982, S. 135) als Reaktion auf ein Ereignis oder Erlebnis darstellen, das dem Verhalten eines Kleinkindes ähnelt und deshalb als primär bezeichnet werden. Im Gegensatz hierzu sind sekundäre Prozesse als Ergebnis der Sozialisation erlernt und umfassen vor allem die Informationsverarbeitung mit dem Ziel einer optimalen Produktwahl (vgl. Holbrook/Hirschman 1982, S. 135).

Der Experiential View und der Information Processing View unterscheiden sich folglich auch und vor allem im Ergebnis einer Kauf- bzw. Konsumhandlung:

Aus der Sicht der Informationsverarbeitungsperspektive werden die Folgen einer Kaufentscheidung primär durch die funktionalen Aspekte und die „economic benefits“ (Holbrook/Hirschman 1982, S. 138) des erworbenen Produkts bestimmt. Die Kriterien zur Bewertung einer Kaufentscheidung bauen folglich in erster Linie auf dem Produktnutzen auf.

Im Gegensatz hierzu äußern sich die hedonistischen Aspekte des Konsums

„(…) in the fun that a consumer derives from a product – the enjoyment that it offers and the resulting feeling of pleasure that it evokes. (…) (they) hinge on an appreciation of the product for its own sake, apart from any utilitarian function that it may or may not perform” (Holbrook/Hirschman 1982, S. 138).

Batra und Ahtola (1991) bringen die Unterscheidung von hedonistischer und utilitaristischer Dimension auf die einfache Formel: „(...) the hedonic determinant of overall evaluations is presumed to be based on the consumer’s assessment of how much pleasure he gets; his utilitarian determinant is based on his assessment about

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the instrumental value of (...) functional attributes“ (S. 161, Hervorhebungen nicht im Original).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die hedonistische Perspektive die unmittelbaren emotionalen Reaktionen des Konsumenten auf bestimmte Stimuli in der Kauf- oder Konsumsituation beschreibt und Gefühle wie Freude, Spaß und Begeisterung umfasst. Diese Perspektive soll die traditionellen, auf die Informationsverarbeitung ausgerichteten Theorien des Konsumentenverhaltens nach Ansicht von Hirschman und Holbrook (1982, S. 100) nicht ersetzten, sondern um dort nicht berücksichtigte Aspekte ergänzen. Da die hedonistischen Elemente für den Fortgang der Untersuchung von hoher Bedeutung sind, werden nachfolgend einige Forschungsergebnisse zur Koexistenz von utilitaristischen und hedonistischen Aspekten in verschiedenen Phasen und Gesichtspunkten des Konsumentenverhaltens vorgestellt.

Beispiele für hedonistische und utilitaristische Aspekte des Konsumenten-verhaltens

Die Koexistenz hedonistischer und utilitaristischer Elemente konnte in verschiedenen Aspekten und Phasen des Konsumentenverhaltens empirisch gezeigt werden. Diese reichen von der Motivation zum Einkauf, über die Beurteilung des Einkaufserlebnisses bis hin zur Produktbewertung und der damit verbundenen Herausbildung eines Zufriedenheitsurteils:

Motivation zum Einkaufen

„Why Do People Shop? Do people shop simply to make purchases? Are shopping trips motivated by considerations that are unrelated to an actual purchase?“ Mit diesen Fragen hat Tauber (1972, S. 46) seinen Artikel im Journal of Marketing begonnen und damit eine Reihe von Studien initiiert, die sich mit der Untersuchung der Beweggründe von Konsumenten zum Einkaufen befasst haben. Er vertrat dabei die Hypothese, dass die Einkaufsmotivation nicht ausschließlich mit dem funktionalen Erwerb von Produkten zu erklären ist. Tauber entwickelte deshalb theoriegeleitet eine Reihe von psychosozialen Einkaufmotiven, die in persönliche und soziale Motive klassifiziert werden können. Als persönliche Motive führt er dabei z. B. das Lernen neuer Trend soder sensorische Stimulation an, sowie Ablenkung als Möglichkeit, der

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täglichen Routine zu entkommen und die Absicht, sich selbst etwas Gutes zu tun (Selbst-Belohnung (Self-gratification)). Soziale Erfahrungen außerhalb des Hauses, Kommunikation mit anderen Personen mit ähnlichen Interessen und den Ausdruck von Status und Autorität nennt der Autor als Beispiele für soziale Einkaufsmotive (vgl. Tauber 1972, S. 47f.).

Westbrook und Black (1985, S. 80ff.) haben die Ideen von Tauber (1972) aufgegriffen und diese mit Ergebnissen der Motivationsforschung kombiniert (McGuire 1974). Sie kommen zu dem Schluss, dass Individuen primär aus drei Gründen shoppen:

1. um ein Produkt zu kaufen (z. B. antizipierter Nutzen)

2. um das gewünschtes Produkt zu kaufen und dabei gleichzeitig Bedürfnisse zu befriedigen, die nichts mit dem Produkt zu tun haben (z. B. verhandeln) und

3. um Ziele zu erreichen, die nicht mit dem Kauf eines Produkts verbunden sind (z. B. Stimulation).

Die Ergebnisse der Untersuchungen von Westbrook und Black (1985) haben verdeutlicht, dass Konsumenten nicht nur vom beabsichtigten, funktional getriebenen Erwerb eines Produkts zum Einkaufen motiviert werden, sondern hierbei auch andere Ziele verfolgen. Die Triologie dieser Ziele, die Westbrook und Black (1985) vorgeschlagen hatten, hat sich aber in der Marketingforschung nicht durchgesetzt, „(...) most typologies consider instrumental and hedonic motivations as fundamental to understanding consumer shopping behavior because they maintain a basic underlying presence across consumption phenomena“ (Childers/Carr/Peck/Carson 2001, S. 513; Hervorhebungen nicht im Original).

Arnolds und Reynolds (2003) haben in einer neueren Untersuchung eine Skala zur Messung der hedonistischen Einkaufsmotivation entwickelt und dabei die Existenz von sechs verschiedenen Faktoren der hedonistischen Komponente zeigen können. Diese ähneln denen von Taubner (1972) und reichen von Abenteuer über Belohnung bis hin zur Information über neueste Trends und Produkte (Idea Shopping) (vgl. Arnold/Reynolds 2003, S. 79ff.)28.

Interessant ist hierbei insbesondere, dass auch Informationen hedonistische Aspekte beinhalten. Zu einer ähnlichen Erkenntnis kommen auch Bloch, Sherrell und Ridgway

28 Die Faktoren sind im Einzelnen: „adventure, gratification, role, value, social und idea shopping“

(Arnold/Reynolds, S. 95). Eine Erklärung dieser Faktoren findet sich dort auf S. 80f.

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111

(1986): Sie konnten feststellen, dass Konsumenten im Wesentlichen aus zwei Gründen kontinuierlich und unabhängig von einem beabsichtigten Kauf Informationen zu bestimmten Produkten suchen: „to augment stores of product knowledge and to experience pleasure“ (S. 125; Hervorhebungen nicht im Original).

Wie Childers et al. (2001) gezeigt haben, ist die hedonistische Motivationskomponente aber nicht nur für das „herkömmliche“ Einkaufsverhalten von Bedeutung, sondern auch für den Online-Einkauf. Die Autoren untersuchten, wie die Nützlichkeit (Usefulness) und Bedienungsfreundlichkeit (Ease of Use) einer Webseite, sowie der bei der Nutzung erlangte Spaß (Enjoyment), die Einstellung und Nutzungsabsicht beeinflussen. Dabei kamen sie zu der Erkenntnis, dass „while the instrumental aspects of the new media are important predictors of online attitude, the more immersive, hedonic aspects of the new media play at least an equal role” (Childers et al. 2001, S. 527).

Somit kann festgehalten werden, dass Konsumenten sowohl von funktionalen Aspekten des Erwerbs eines Produkts als auch von hedonistischen Aspekten, die sich vornehmlich auf das während des Einkaufserlebnisses erlangte Vergnügen beziehen, zum Einkaufen und der Informationssuche motiviert werden.

Diese Aspekte wirken sich aber nicht nur auf die Motivation zum Einkaufen aus, sondern haben auch entsprechenden Einfluss auf die nachgelagerte Beurteilung des Einkaufserlebnisses.

Beurteilung eines Einkaufserlebnisses

Babin, Darden und Griffin (1994) haben untersucht, anhand welcher Kriterien Konsumenten den „Wert eines Einkaufserlebnisses“ (Shopping Experience) bestimmen und dabei zwei verschiedene Bewertungskategorien identifiziert: Utilitarian und hedonic. Der utilitaristische Wert des Einkaufserlebnisses wird im Wesentlichen davon bestimmt, ob „(...) the particular consumption need stimulating the shopping trip was accomplished“ (Babin/Darden/Griffin 1994, S. 646). Im Gegensatz hierzu resultiert der hedonistische Wert „(...) more from fun and playfulness than from task completion“ und „(...) reflects shopping’s potential entertainment and emotional worth“ (Babin/Darden/Griffin 1994, S. 646). Er wird charakterisiert durch „increased arousal, perceived freedom and/or fantasy fulfillment“ (Haytko/Baker 2004, S. 77).

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Babin et al. (1994) konnten diese beiden Aspekte des Einkaufserlebnisses anhand der Dimensionalität der von ihnen entwickelten Personal Shopping Value-Skala empirisch veranschaulichen. Demzufolge beurteilen Konsumenten ein Konsumerlebnis einerseits nach der Effizienz und Effektivität des Produktkaufs, andererseits nach dem Spaß und der Unterhaltsamkeit des Kaufprozesses selbst und können deshalb „(be) portrayed, in a shopping context, as both intellectual and emotional“ (Babin/Darden/Griffin 1994, S. 653).

In späteren Studien konnten Griffin, Babin und Modianos (2000) sowie Babin und Attaway (2000) die zweidimensionale Struktur des Perceived Shopping Value bestätigen und dessen Einfluss auf das Kaufverhalten von Konsumenten zeigen. Sie stellten fest, dass der Perceived Shopping Value zwischen den positiven und negativen Emotionen, die durch die Atmosphäre in einem Geschäft ausgelöst werden (Environmental Affect) und dem Anteil der Einkäufe in einer Produktgruppe, die ein Konsument in diesem Geschäft tätigt (Customer Share), moderiert (Babin/Attaway 2000, S. 97). Die Ergebnisse der Studie sind in Abbildung 28 anhand des identifizierten Strukturmodells grafisch veranschaulicht.

Hedonic Shopping

Value

Utilitarian Shopping

Value

0,62 (t=6,1)Positive Affect

Negative Affect

Customer Share

- 0,46 (t=4,0)

- 0,26 (t=2,6)

0,23 (t=2,3)

- 0,19 (t=2,5)

0,32 (t=5,5)

0,37 (t=3,5)

Perceived Shopping Value

Abbildung 28: Antezedenzien und Konsequenzen der hedonistischen und utilitaristischen Dimension des Perceived Shopping Values. In Anlehnung an Babin/Attaway 2000, S. 96

Der Einfluss utilitaristischer und hedonistisches Aspekte auf das Verhalten von Konsumenten wird auch von Untersuchungsergebnissen zur Beurteilung von Einkaufszentren durch Konsumenten bestätigt. So konnten z. B. Wakefield und Baker (1998) zeigen, dass die Aufenthaltsdauer in und die Loyalität zu einem Einkaufszentrum (Repatronage) wesentlich davon abhängt, wie aufregend ein

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Individuum das Einkaufserlebnis findet (vgl. S. 533). Diese positive Aufregung (Excitement) kann als hedonistische Komponenten des Einkaufserlebnisses interpretiert werden, da es einen „positive emotional state that consists of high levels of pleasure and arousal“ (Wakefield/Baker 1998, S. 519) beschreibt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch Haytko und Baker (2004, S. 77ff.).

Hedonisitische und utilitaristischer Aspekte wirken sich aber nicht nur auf die Beurteilung des gesamten Einkaufserlebnisses, sondern auch auf Einzelaspekte wie beispielsweise die Beurteilung von verkaufsfördernden Maßnahmen (Sales Promotions) aus:

Beurteilung des Nutzens von verkaufsfördernden Maßnahmen (Sales Promotions)

Nach den Ergebnissen von Chandon, Wansink und Laurent (2000) können Konsumenten sowohl hinsichtlich hedonistischer als auch utilitaristischer Aspekte von verkaufsfördernden Maßnahmen (Sales Promotions) wie z. B. Rabatten profitieren. Abbildung 29 zeigt das Ergebnis der konfirmatorischen Faktorenanalyse (second order) des Nutzens von Sales Promotions aus Konsumentensicht. Wie erkennbar ist, hat sowohl die utilitaristische als auch die hedonistische Nutzendimension eine dreifaktorielle Struktur (vgl. Chandon/Wansink/Laurent 2000, S. 65). Dabei fällt weiter auf, dass die beiden Dimensionen relativ stark korrelieren (r = 0,67). Trotz dieses hohen Werts ist aber die Diskriminanzvalidität der beiden Dimensionen gegeben29.

Dies erlaubt den Schluss, dass „sales promotions can provide consumers with an array of hedonic and utilitarian benefits beyond monetary savings“ (Chandon/ Wansink/Laurent 2000, S. 77). Sie sind ein weiteres Beispiel für die Koexistenz utilitaristischer und hedonistischer Nutzenaspekte.

29 Da das Konfidenzintervall der Korrelation den Wert 1 nicht beinhaltet und die Höhe der

gemeinsamen Varianz zwischen den second-order Faktoren geringer ist als die durchschnittliche, für jedem Faktor extrahierte Varianz, ist die Diskriminanzvalidität gegeben (vgl. Chandon/Wansink/Laurent 2000, S. 67).

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Utilitarian Hedonic

0,88

s1 s2 s3

0,80 0,84

δ δ δ

δ

0,66

q1 q2 q3

0,78 0,61

δ δ δ

δ

0,53

c1 c2 c3

0,66 0,56

δ δ δ

δ

0,76

Savings Quality Convenience

ve1 ve2 ve3

0,69 0,76

δ δ δ

δ

0,85

e1 e2 e3

0,86 0,65

δ δ δ

δ

0,83

ValueExpression

Enter-tainment Exploration

x1 x2 x3

0,86 0,72

δ δ δ

δ

0,74 0,78 0,41 0,46 0,45 0,75

0,67

0,80

Abbildung 29: Hedonistische und utilitaristische Nutzendimensionen von Sales Promotions. Quelle: Chandon/Wansink/Laurent 2000, S. 70. (χ2

127 =565; p < 0,05, GFI = 0,881, AGFI = 0,840, RMSEA = 0,087)

Der Einfluss hedonistischer und utilitaristischer Aspekte konnte auch bei der Produktbewertung und der damit verbundenen Herausbildung eines Zufriedenheits-urteils gezeigt werden.

Produktbewertung und Zufriedenheit

Mano und Oliver (1993) haben bei ihrer Untersuchung der Bewertungskriterien eines gekauften Produkts festgestellt, dass Konsumenten Produkte anhand von zwei Dimensionen bewerten – einer utilitaristischen und einer hedonistischen (Mano/Oliver 1993, S. 457). Die erste entspricht in der Konzeption von Mano und Oliver der „traditional notion of instrumental or utilitarian performance whereby the product is seen as performing a useful function“. Die hedonistische Komponente der Produktbeurteilung „is that of hedonic or aesthetic performance (…) whereby products are valued for their intrinsically pleasing properties“ (beide Mano/Oliver 1993, S. 453). Die Autoren greifen zur Erklärung dieser Dimensionalität u. a. auf Untersuchungsergebnisse von Batra und Ahtola (1991) zurück, die gezeigt haben, dass „attitudes towards brands and behaviors have at least two distinct components, hedonic and utitarian“ (S. 168). Die in Abbildung 30 grafisch dargestellten Ergebnisse der Untersuchung verdeutlichen die Koexistenz der utilitaristischen und hedonistischen Bewertungsdimension als Determinanten der Zufriedenheit mit einem gekauften Produkt. Von Interesse ist hierbei insbesondere auch der Zusammenhang

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dieser Dimensionen mit den affektiven Reaktionen des Konsumenten. So hat sich gezeigt, dass die hervorgerufene emotionale Erregung (Arousal) die Stärke der positiven bzw. negativen Emotionen beeinflusst, wobei die Höhe des Arousals vor allem von der hedonistischen Bewertung abhängt. Im Vergleich zu utilitaristischen Faktoren ist der Einfluss hedonistischer Aspekte auf die affektiven Reaktionen insgesamt größer. Weiterhin hat sich gezeigt, dass die Zufriedenheit sowohl von der utilitaristischen Dimension, als auch von den affektiven Reaktionen (positiv, negativ) beeinflusst wird und die hedonistische Bewertungskomponente gleichzeitig keinen direkten Einfluss auf die Zufriedenheit hat, sondern nur über den positiven Affekt wirkt. Die Autoren interpretieren dies als Hinweis darauf, dass „hedonic evaluation is mostly affective while utilitarian evaluation is mostly cognitive“ (Mano/Oliver 1993, S. 464).

Negative Affect

Positive Affect

Utilitarian

Hedonic

Hedonic Satisfaction

Need

Value

Interrest

Positive

Appeal

0,739

0,974

0,209

0,450

0,585

0,080

- 0,207

0,287

0,515

- 0,256

0,813

0,858

0,739

0,306

0,161

- 0,489

0,345

Negative Affect

Positive Affect

Utilitarian

Hedonic

Hedonic Satisfaction

Need

Value

Need

Value

Interrest

Positive

Appeal

Interrest

Positive

Appeal

0,739

0,974

0,209

0,450

0,585

0,080

- 0,207

0,287

0,515

- 0,256

0,813

0,858

0,739

0,306

0,161

- 0,489

0,345

Abbildung 30: Herausbildung eines Zufriedenheitsurteils: Der Zusammenhang von utilitaristischer und hedonistischer Produktbewertung, positivem und negativem Affekt und der Zufriedenheit. Quelle: Mano/Oliver 1993, S. 455

Die Ergebnisse von Mano und Oliver (1993) zeigen, dass bei der Produktbeurteilung neben den funktionalen, die hedonistischen Aspekte eine wichtige Rolle spielen. Dabei wirken sich letztere insbesondere auf die affektiven Reaktionen in Folge des Produktkaufs aus. Insgesamt führt dies dazu, dass die Wirkung der hedonistischen Komponenten auf die Zufriedenheit vornehmlich affektiver Natur ist, während jene der utilitaristischen Aspekte in erster Linie kognitiv geprägt sind.

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Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse zu hedonistischen und utilitaristischen Aspekten im Konsumentenverhalten

Emotionen wie Freude und Spaß sind neben funktionalen Aspekten wie z. B. erwartetem Produktnutzen wichtige Bestimmungsfaktoren des Konsumenten-verhaltens. Die dargestellten Untersuchungsergebnisse haben dabei verdeutlicht, dass beide Komponenten in der Vorphase des Einkaufs (Motivation zum Einkaufen, Informationssuche) sowie während (Benefits von Promotions) und nach diesem (Beurteilung des Einkaufserlebnisses und des gekauften Produkts) von Bedeutung sind.

Es liegt deshalb die Vermutung nahe, dass analog hierzu auch Produktvielfalt für Konsumenten mit utilitaristischen und hedonistischen Aspekten verbunden ist. Erstere wurden bereits erläutert (siehe S. 100ff.) und beziehen sich darauf, dass mit steigender Vielfalt auch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass das Produkt den eigenen Vorstellungen entspricht und einen entsprechend hohen Nutzen hat.

Die hedonistischen Aspekte von Produktvielfalt umfassen die durch die Produktvielfalt hervorgerufenen positiven Emotionen wie Freude, Freiheitsgefühl und Spaß. Dieser Zusammenhang wird nachfolgend näher erläutert.

Zusammenhang von Produktvielfalt und Hedonismus im Kaufprozess

Kahn und Wansink (2004) legen ihren Untersuchungen die in der Marketingliteratur weit verbreitete Annahme zugrunde, dass „variety is generally considered positive (...) and may result in consumers feeling more positive affect“ (S. 521). Produktvielfalt kann demzufolge zur Entstehung positiver Emotionen und damit zur Steigerung des hedonistischen Kauferlebnisses führen. Wie oben erläutert, setzt dies nicht voraus, dass ein Konsument tatsächlich ein Produkt erwirbt, vielmehr geht es um die positiven Emotionen, die unabhängig vom Ausgang der Kaufentscheidung durch die Vielzahl der verfügbaren Optionen ausgelöst werden.

An dieser Stelle soll die Unterscheidung zwischen Emotionen, die während der Entscheidungsfindung entstehen (Process Emotions) und solchen, die unabhängig davon sind, betont werden. So haben beispielsweise Iyengar und Lepper (2000) in ihren Untersuchungen festgestellt, dass „an extensive array of options can at first seem highly appealing to consumers, yet can reduce their subsequent motivation to purchase the product“ (Iyengar/Lepper 2000, S. 997). Obwohl Konsumenten die

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große Produktauswahl als attraktiv und anziehend empfunden haben, ist ihnen die Kaufentscheidung schwer gefallen und hat zu negativen Emotionen, wie empfundenem oder antizipiertem Regret, und dadurch zum teilweisen Verzicht auf die Kaufentscheidung geführt (siehe hierzu auch die Ausführungen zu den emotionalen Kosten von Produktvielfalt, Kapitel 2.3.2.3, S. 158ff.). Positive Emotionen im Vorfeld der Entscheidung und negative Emotionen während der Entscheidungsfindung schließen sich somit nicht aus. Zu diesem Ergebnis kommen auch Iyengar und Lepper (2002) und argumentieren „that people can indeed find choosing among too many alternatives to be both enjoyable and overwhelming“ (S. 1002). In diesem Abschnitt wird der Schwerpunkt der Betrachtung aber auf die (positiven) Emotionen gelegt, die im Vorfeld der Kaufentscheidung durch hohe Produktvielfalt entstehen, (zur Entstehung und Wirkung negativer Emotionen siehe Kapitel 2.3.2.2, S. 134ff. und Kapitel 2.3.2.3, S. 158ff.).

Beginnt man die Überlegungen zu deren Ursachen damit, dass sich hedonistische Konsumaspekte, wie oben erläutert, durch „increased arousal, perceived freedom and/or fantasy fulfillment“ (Haytko/Baker 2004, S. 77) charakterisieren lassen, so besteht zwischen Produktvielfalt und Perceived Freedom ein offensichtlicher Zusammenhang: Je mehr Produkte dem Konsumenten zur Wahl stehen, desto größer ist seine Entscheidungsfreiheit. Reibstein, Youngblood und Fromkin (1975) konnten entsprechend zeigen, dass Konsumenten, die aus vier verschiedenen Produkten wählen, größere Entscheidungsfreiheit empfinden als diejenigen, die zwei Alternativen zur Wahl haben. Die Autoren schlussfolgern daraus, dass „an enlarged choice set leads to greater perceived decision freedom“ (Reibstein/Youngblood/Fromkin 1975, S. 435).

Die Entstehung dieser positiven Emotion lässt sich auch mit Hilfe der Reaktanztheorie (Brehm 1980) erklären. Demnach ist ein Individuum bemüht, die subjektiv erlebte Entscheidungs- und Wahlfreiheit (vgl. Fischer/Wiswede 1997, S. 312) aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen (vgl. Brehm/Wicklund 1970, S. 6). Wird die Entscheidungsfreiheit eingeschränkt, kann dadurch ein motivationaler Erregungszustand entstehen, der als Reaktanz bezeichnet wird (vgl. Brehm 1980, S. 29). Kleine Sortimente, die den Entscheidungsspielraum des Kunden einengen, können deshalb Reaktanzeffekte hervorrufen (vgl. Silberer 1990, S. 390). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Konsumenten, denen eine hohe Anzahl an Produkten zur Wahl steht, eine Erweiterung ihrer persönlichen Wahlfreiheiten empfinden. Dadurch kann eine Art „inverser Reaktanzeffekt“ entstehen, der mit

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positiven Emotionen verbunden ist oder zumindest die Entstehung negativer Emotionen vermeidet.

Iyengar und Lepper (2002) weisen in diesem Zusammenhang auf das Gefühl der Kontrolle hin, das dem der Wahlfreiheit ähnlich ist und dessen Abhängigkeit von der Produktvielfalt: „the provision of choice enhances feelings of personal control“ (S. 3). Wie Lefcourt (1973) betont, hat dieses Gefühl positive Valenz: „the sense of control, the illusion that one can exercise personal choice, has a definite and a positive role in sustaining life“ (S. 424). Einen Zusammenhang von Entscheidungsfreiheit und Kontrolle konnten auch Thompson, Locander und Pollio (1990) in ihrer Untersuchung des Einkaufsverhaltens von Frauen feststellen: „(...) being free of restrictions, being in control, and being deliberate are experienced by participants as conducive to free choices (...)“ (S. 358). Demnach bedingen und verstärken sich die Gefühle von Entscheidungsfreiheit und Kontrolle gegenseitig, wobei Entscheidungsfreiheit von Konsumenten insbesondere dann als positiv empfunden wird, wenn sie gleichzeitig das Gefühl haben, die Situation zu kontrollieren. Verlieren sie die Kontrolle, kann es während der Entscheidungsphase zu negativen Emotionen kommen (siehe hierzu auch die Ausführungen auf Seite 134 ff.) (vgl. Thompson et al. 1990, S. 358). Im Vorfeld der Kaufentscheidung wird die Wahlfreiheit demnach als positiv empfunden.

Durch das Angebot einer hohen Anzahl an Produktalternativen steigt somit zusammenfassend das (positive) Gefühl der Kontrolle und Selbstbestimmtheit (Self-Determination) des Entscheiders, was sich wiederum positiv auf die Höhe der intrinsischen Motivation und damit auf die Qualität der Entscheidung und die Zufriedenheit mit dieser auswirkt (vgl. Iyengar/Lepper 2000, S. 995).

Neben den Gefühlen der Kontrolle und Selbstbestimmtheit, die als Folge der empfundenen Wahlfreiheit entstehen, fördert Produktvielfalt auch die Phantasie in Form der Vorstellung, verschiedene Produkte zu besitzen. Die mit der Anzahl verfügbarer Optionen zunehmenden positiven Emotionen beschreibt Desmeules (2002) als das „pleasure of anticipation“ (S. 8).

Ein weiteres Argument für den Zusammenhang von Produktvielfalt und der Entstehung positiver Emotionen geht aus der oben aufgeführten Einkaufsmotivation nach Tauber (1972) hervor. Demnach ist das Erlangen sensorischer Stimulation eines der hedonistischen Motive, die Personen veranlassen einkaufen zu gehen. Die Höhe der Stimulation nimmt offensichtlich mit der Anzahl der Produktalternativen zu. Dies bewirkt die Erfüllung des hedonistischen Motivs der Stimulation und damit die Entstehung positiver Emotionen. Auch Punj und Staelin (1983) schlussfolgern nach

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119

dieser Logik, dass „consumers get pleasure (benefit) from trying out numerous brands within a product class or from seeking out information about them“ (S. 368f.). Verbraucher haben folglich Spaß an der Stimulation durch das Ausprobieren einer Vielzahl von Produkten.

Die positive Wirkung von Produktvielfalt auf hedonistische Aspekte des Konsumerlebnisses kann schließlich auch damit erklärt werden, dass Konsumenten durch ein großes Produktangebot mehr Möglichkeiten haben, ihre eigenen Präferenzen zu lernen. Häufig kennt ein Verbraucher seine Wünsche und Präferenzen vor einer Kaufentscheidung nicht (vgl. Dhar 1997a, S: 216 Tversky 1996, S. 17) und konkretisiert diese erst bei der Besichtigung des Vorhandenen (vgl. Schmidt 1990, S. 246). Wie Kahn (1998) gezeigt hat, haben Entscheider hieran grundsätzlich Freude und sind dadurch nach und mit dem Einkauf zufriedener (vgl. Kahn 1998, S. 51). Da mit der Anzahl der verfügbaren Produktalternativen auch die Lernmöglichkeiten der eigenen Präferenzen steigen „(…) enjoy (customers) asserting their preferences within a large assortment (…)“ (Desmeules 2002, S. 6).

Fasst man die aufgeführten Argumentationsstränge zusammen, so kann man annehmen, dass Konsumenten der Produktvielfalt einen hedonistischen Wert beimessen, der sich im Empfinden positiver Emotionen, wie z. B. empfundener Wahlfreiheit, Freude und Spaß manifestiert. Zurückzuführen ist dies auf die

mit der Vielfalt zunehmende Wahlfreiheit,

Gefühle der Kontrolle und Selbstbestimmtheit,

zunehmende Stimulation und

(Präferenz)Lernmöglichkeiten sowie

inversen Reaktanzeffekte.

Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Desmeules (2002), der mit dem „potential benefit of variety on the hedonic value of shopping“ den Zusammenhang von Produktvielfalt und hedonistischem Einkaufserlebnis betont und insgesamt folgert, dass „(…) large assortments support a pleasant shopping experience, and thus create a stream of positive affect experiences (…)“ (Desmeules 2002, S. 8).

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120

Auswirkungen des positiven Affekts auf das Konsumentenverhalten

Folge der positiven Emotionen während des Einkaufs ist, dass „people evaluate nearly everything more positively“ (Kahn/Wansink 2004, S. 521). Kahn und Wansink (2004) erklären dies damit, dass Konsumenten erstens in einer positiven Stimmung eher positive Informationen aus dem Gedächtnis abrufen und sie zweitens ihre positiven Emotionen als Information und Grundlage für die Beurteilung einzelner Produkte nutzen. Sind sie positiv gestimmt, beurteilen sie folglich einen Stimulus positiver. Als drittes Argument führen die Autoren an, dass Entscheider die empfundenen Gefühle nutzen, um ihre künftigen Emotionen zu antizipieren: „(...) if increases in perceived variety increase positive feelings, people should also anticipate a higher enjoyment of the items to be consumed (…)” (Kahn/Wansink 2004, S. 521).

Als kurzfristige Konsequenz steigt durch die von der Produktvielfalt verursachten positiven Emotionen die Kaufintention des Konsumenten, mittelfristig sollte durch die positive Produktbeurteilung die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt zunehmen. Da Konsumenten wie oben erläutert dem „act of purchasing itself“ (Babin/Darden/Griffin 1994, S. 646) einen hedonistischen Wert beimessen und dieser durch die Anzahl der Alternativen gesteigert werden kann, sollte sich eine erhöhte Anzahl an Alternativen auch positiv auf die Beurteilung des Einkaufserlebnises, und damit auf die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess auswirken.

Abbildung 31 stellt die aus den Ausführungen zum Shopping Hedonismus abgeleiteten Zusammenhänge im Überblick dar.

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121

Nut

zenQua

ntita

tivQ

ualit

ativ

Aus

gang

d.

Ents

chei

dung

Bew

ertu

ng

Determinanten

Argumentationslogik der Wirkung

Konsequenzen

Facetten des NPV

Nutzendimension

Entstehung positiver Emotionen durchEntscheidungsfreiheit/ "inverse Reaktanz"Kontrolle und SelbsbestimmtheitSensorische StimulationVorstellung, Produkt zu besitzenSpass am Informationsgewinn und Lernen der eigenen Präferenzen

Durch positive Emotionen positive Bewertung von Produkt und Prozess

Anzahl der Produkte Kauintention

ZufriedenheitProzess

Produkt

+

Spaß am Einkauf

positive Emotionen

Facetten des NPV

+

++

Nut

zenQua

ntita

tivQ

ualit

ativ

Aus

gang

d.

Ents

chei

dung

Bew

ertu

ng

Determinanten

Argumentationslogik der Wirkung

Konsequenzen

Facetten des NPV

Nutzendimension

Entstehung positiver Emotionen durchEntscheidungsfreiheit/ "inverse Reaktanz"Kontrolle und SelbsbestimmtheitSensorische StimulationVorstellung, Produkt zu besitzenSpass am Informationsgewinn und Lernen der eigenen Präferenzen

Durch positive Emotionen positive Bewertung von Produkt und Prozess

Anzahl der Produkte Kauintention

ZufriedenheitProzess

Produkt

++

Spaß am Einkauf

positive Emotionen

Facetten des NPV

++

++++

Abbildung 31: Zusammenfassende Darstellung der Zusammenhänge des Shopping Hedonismus und dem Nutzen von hoher Produktvielfalt

2.3.1.3 Zusammenfassung

In diesem Kapitel wurden durch die theoretischen Ausführungen zur Nutzenerwar-tungswerttheorie und dem Shopping Hedonismus verschiedene Aspekte der positiven Wirkung hoher Produktvielfalt aufgezeigt. Hierbei wurde deutlich, dass sich hohe Produktvielfalt positiv auf den Ausgang der Kaufentscheidung und die Bewertung von Kaufprozess und gekauftem Produkt auswirken kann. Dieser vermutete Wirkungszusammenhang basiert sowohl auf kognitiven als auch auf affektiven Nutzenfacetten hoher Produktvielfalt. Erstere folgen vor allem aus der Nutzenerwartungswerttheorie und beziehen sich auf den mit zunehmender Produktvielfalt steigenden antizipierten Produktnutzen und der dadurch zunehmenden Erfolgsaussicht. Die affektiven Aspekte basieren auf dem Shopping Hedonismus und erklären die positive Wirkung hoher Produktvielfalt durch die dadurch hervor gerufenenen positiven Emotionen und den Spaß am Einkauf. Die aus den Theorien abgeleiteten Hypothesen werden zusammenfassend in Kapitel 2.3.3 (S. 176ff.) beschrieben.

Nach der theoretischen Begründung der Nutzenaspekte hoher Produktvielfalt in diesem Kapitel, wird im nächsten Abschnitt aus verschiedenen Theorien die negative Wirkung hoher Produktvielfalt auf das Verhalten von Konsumenten abgeleitet.

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122

2.3.2 Theorien zur Erklärung der Kosten von Produktvielfalt

Nachfolgend werden Theorien zur Erklärung der mit der Produktvielfalt verbundenen Kosten aus Konsumentensicht dargestellt. Dabei werden sowohl kognitive als auch affektive Aspekte berücksichtigt. Die Theorie der Cost of Thinking dient der Erklärung der kognitiven Kostenwirkung der Produktvielfalt. Die affektive Komponente wird durch die Konflikttheorie und die Theorie des antizipierten Regrets abgedeckt. Dadurch werden sowohl antizipierte als auch im Prozess entstandene und erlebte Emotionen als Basis der Erklärung der negativen Wirkung von hoher Produktvielfalt auf das Konsumentenverhalten verwendet.

2.3.2.1 The Cost of Thinking

„To most people nothing is more troublesome than the effort of thinking”

(James Bryce, The American Commonwealth 1888, zitiert nach Shugan 1980, S. 99)

Shugan (1980) schlägt in seiner Theorie der „Cost of Thinking“ eine Methodik vor, wie der kognitive Aufwand der Entscheidungsfindung für verschiedene Entscheidungsstrategien quantifiziert werden kann, indem er ein „(...) measurable (i.e., well-defined and calculable) unit of thought (...)“ (Shugan 1980, S. 100) definiert. Diese Gedankeneinheit – das „unit of thought“ (Shugan 1980, S. 100) – legte er fest als den kognitiven Aufwand, den ein Entscheider beim Vergleich von zwei Alternativen hinsichtlich eines Attributs hat (vgl. Payne/Bettman/Johnson 1993, S. 76).

Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist dabei, dass ein Konsument, der erstmalig aus einem Sortiment mit M Alternativen wählt, insgesamt M – 1 Vergleiche von jeweils zwei Alternativen machen muss, um das aus seiner Sicht optimale Produkt zu identifizieren. Shugan legt seiner Theorie damit Entscheidungsmodelle zugrunde, die auf binären Vergleichen von Alternativen basieren, was die allgemeine Anwendbarkeit seiner Theorie aber deutlich einschränkt (vgl. Payne/Bettman/Johnson 1993, S. 76).

Einen Entscheidungsprozess, der auf binären Vergleichen basiert, kann man sich als eine Art „Turnier“ vorstellen: Der Entscheider ermittelt zunächst aus zwei (beliebigen) Alternativen die aus seiner Sicht bessere und vergleicht diese

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anschließend mit der nächsten Alternative. Er wählt wiederum die bessere und verfährt nach diesem Prinzip so lange, bis nur noch ein Produkt übrig bleibt. Dieses ist dann das aus seiner Sicht beste.

Ist der Vergleich von zwei Alternativen mit dem kognitiven Aufwand fi verbunden, so entstehen durch die Entscheidung insgesamt kognitive Kosten (Thinking Costs) c von

∑−

==

1M

1pifc

(6)

M Anzahl der Alternativen

fi Geistiger Aufwand beim Vergleich von zwei Alternativen

c Kognitive Kosten (Thinking Costs)

Kognitiver Aufwand bei der Wahl eines von zwei Produkten

Shugan geht davon aus, dass die Vergleichskosten von zwei Alternativen fi von der Anzahl der Attributvergleiche abhängt, die ein Konsument machen muss, um mit entsprechender Sicherheit zu wissen, das bessere der beiden Produkt zu wählen. Er postuliert, dass drei Faktoren diese Vergleichsanzahl bestimmen:

Bezeichnet zr die Nutzendifferenz von zwei Produkten hinsichtlich des zufällig gewählten Attributs r, so ist die Anzahl der Vergleiche abhängig von:

1. Dem Durchschnittlichen Nutzenunterschied der Alternativen: Ist das Attribut r zufällig gewählt so entspricht dies dem Erwartungswert E(z).

2. Dem Konfidenzniveau α mit dem die Entscheidung getroffen wird (Wahrscheinlichkeit, keine Fehlentscheidung zu treffen)

3. Der Schwankung (Variability) der Nutzenunterschiede über die Attribute r: Ist r zufällig gewählt, wird diese durch die Varianz Var(z) beschrieben (vgl. Shugan 1980, S. 101).

1. Nutzenunterschiede [E(z)]: Haben zwei Alternativen aus Sicht des Konsumenten deutlich unterschiedliche Nutzenwerte, dominiert also beispielsweise eine Alternative alle anderen, so fällt dem Konsumenten die Entscheidung relativ leicht. Die Höhe des durchschnittlichen Nutzenunterschieds ist folglich umgekehrt proportional zur Entscheidungsschwierigkeit.

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2. Konfidenzniveau (α): Im Gegensatz hierzu wird die Entscheidung schwieriger, wenn der Konsument das Risiko einer Fehlentscheidung reduzieren möchte und somit das Konfidenzniveau α erhöht. Als Folge unternimmt der Konsument mehr Attributvergleiche. Wichtig ist, dass α ein exogener Einflussfaktor ist und nicht von der Anzahl und Art der Alternativen bestimmt wird. Das Konfidenzniveau ist vielmehr vom Involvement des Konsumenten in der Entscheidung (Felt Involvement) und damit z. B. vom Ressourcenbedarf und der Wichtigkeit anderer Entscheidungen abhängig (vgl. Shugan 1982, S. 173). Konfidenzniveau und Entscheidungsschwierigkeit sind somit direkt proportional zueinander.

3. Nutzenunterschiede [Var(z)]: Steigt die Schwankung der Nutzenunterschiede, so erhöht sich auch die Entscheidungsschwierigkeit, Var(z) und die Entscheidungskosten sind damit direkt proportional. Die Varianz Var(z) kann dabei als „(...) perceptual difficulty in comparing the two products (...)“ (Shugan 1980, S. 102) interpretiert werden. Deutlich wird dies, wenn man die Varianz in ihre Komponenten zerlegt:

var(z) = var(Uj ) + var(Uk ) – 2 cov(Uj , Uk ) (7)

Uj,k Nutzen der Alternativen j, k

Die ersten beiden Terme var(Uj ) und var(Uk ) können als Fehlen eines Halo-Effekts30 von Produkt j bzw. k interpretiert werden: Ist ein Produkt j hinsichtlich aller Alttribute sehr attraktiv, dann ist die Varianz des Nutzens var(Uj ) relativ gering und das Produkt besitzt einen ausgeprägten Halo-Effekt. Bei der Wahl dieses Produkts muss der Konsument keine Kompromisse eingehen und negative Aspekte in Kauf nehmen, was die Entscheidung erleichtert. Besitzt Produkt j dagegen attraktive und weniger attraktive Attribute (Appetenz-Aversions-Konflikt, siehe hierzu auch die Ausführungen auf S. 136ff.), dann ist die Varianz des Produktnutzens var(Uj ) hoch und ein Halo-Effekt fehlt. Da ein Konsument mit dem Kauf dieses Produkt neben den positiven Aspekten auch die negativen realisiert, fällt die Entscheidung zu Gunsten des Produkts schwer. Je ähnlicher ein Produkt in allen Attributen ist, je stärker also sein Halo-Effekt, desto einfacher ist die Entscheidung.

30 Einfluss der allgemeinen Einstellung zu einem Produkt auf die Wahrnehmung einzelner

Produktattribute. Halo kommt aus dem Englischen und bedeutet Heiligenschein. Für das Produkt und dessen Wahrnehmung bedeutet dieser Effekt, dass man bei Produkten, die man mag und schätzt, auch alle Eigenschaften dieses Produktes für gut hält (vgl. Herrmann 1998, S. 95).

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125

Die Kovarianz cov(Uj, Uk ) kann als wahrgenommene Ähnlichkeit der Produkte j und k interpretiert werden und ist indirekt proportional zur Entscheidungsschwierigkeit. Je unähnlicher sich die Produkte hinsichtlich ihrer Attributausprägungen sind, desto schwerer ist folglich die Entscheidung. Shugan verdeutlicht dies an einem Beispiel, das in Abbildung 32 dargestellt ist:

0

1

2

3

4

5

6

1 2 3

Nutzen Nutzen

Produktattribute

0

1

2

3

4

5

6

1 2 3

Abbildung AEinfache Entscheidung: positive Kovarianz

Abbildung A:Schwierige Entscheidung: negative Kovarianz

Produkt A

Produkt B

Produkt A

Produkt B

(cov [UA, UB] = 1,56) (cov [UA, UB] = -0,78)

Produkt C

Produkt D

Produktattribute

Abbildung 32: Zusammenhang von Ähnlichkeit und Kovarianz von zwei Produkten und der Schwierigkeit der Entscheidung zwischen diesen. In Anlehnung an Shugan 1980, S. 103

In Abbildung A werden zwei Produkte mit je drei Attributen miteinander verglichen. Produkt A ist Produkt B in allen Eigenschaften überlegen. Die Kovarianz ist positiv und die Thinking Cost daher ceteris paribus gering. In Abbildung B werden die Produkte C und D miteinander verglichen. Diese haben mit 10 (=3+2+5) bzw. 7 (=4+2+1) Nutzeneinheiten sowohl denselben Nutzenwert als auch dieselbe Nutzendifferenz wie die Produkte A (10=2+5+3) und B (7=1+4+2) in Abbildung A. Die Kovarianz ist aber negativ, da sowohl Produkt C als auch Produkt D dem anderen in jeweils einer Eigenschaft überlegen sind. Der Konsument muss daher die Eigenschaften 1 und 3 gegeneinander abwägen und hinsichtlich dieser einen Kompromiss (Trade-off) bei der Entscheidung eingehen. Dies macht die Entscheidung schwerer31 (vgl. Shugan 1980, S. 103). Das nächste Kapitel geht auf die affektive Wirkung von Trade-offs detailliert ein.

Shugan sieht damit nicht nur die Anzahl der Altnernativen und deren Attribute, sondern auch deren Struktur als wesentliche Bestimmungsfaktoren der

31 Vergleiche hierzu auch die Ausführungen zur Konflikttheorie auf S. 134ff.

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Entscheidungskosten. Beide Aspekte sollen deshalb als Einflussgrößen der Kosten von Produktvielfalt in dem zu entwickelnden Gesamtmodell berücksichtigt werden.

Zusammenfassend ist die Anzahl notwendiger Attributvergleiche beim Vergleich von zwei Produkten und damit die Entscheidungsschwierigkeit

indirekt proportional zum durchschnittlichen Nutzenunterschied der Alternativen,

direkt proportional zum Konfidenzniveau α und

direkt proportional zur Ähnlichkeit sowohl eines Produkts hinsichtlich der Attraktivität seiner Attribute, als auch zwischen den Produkten hinsichtlich der Ausprägung ihrer Attribute.

Ein Konsument vergleicht so viele Attribute von zwei Alternativen miteinander, bis er mit einer Wahrscheinlichkeit von α die aus seiner Sicht bessere wählen kann.

Shugan leitet auf Basis der obigen Ausführungen eine Obergrenze fp für die minimale Anzahl an notwenigen Attributvergleichen von zwei Produkten bei einem Konfidenzniveau von α ab:

( )( ) ( )[ ]21

varzE

zf p α−=

(8)

fp potenzielle Kosten beim Vergleich von zwei Alternativen

Obige Gleichung besagt, dass die Wahrscheinlichkeit für eine richtige Entscheidung mindestens α ist, wenn fp Attribute der beiden Optionen miteinander verglichen werden (vgl. Shugan 1980, S. 103) (Theorem 1).

Diese potenziellen Kosten fp bei der Entscheidung zwischen zwei Alternativen bilden den Grundbaustein für die Schätzung kognitiver Kosten bei der Auswahl eines Produkts aus mehreren Produkten.

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Kognitiver Aufwand bei der Wahl eines von mehreren Produkten

Besteht ein Sortiment aus M Alternativen, aus denen die beste unter der Verwendung einer kompensatorischen Entscheidungsstrategie (Nutzenmaximierung!) gewählt werden soll, ist dies nach der Methodik von Shugan mit folgendem kognitiven Entscheidungsaufwand c verbunden:

( ) f1Mfc1M

1pp∑

=−==

(9)

f durchschnittliche binäre Vergleichskosten von zwei Alternativen

Da die Verteilung von zr (Nutzendifferenz von zwei Produkten hinsichtlich Attribut r)

unbekannt ist, können die durchschnittlichen Vergleichskosten f durch die

potenziellen durchschnittlichen Vergleichskosten pf ersetzt werden. Sowohl f als

auch pf hängen von der Reihenfolge ab, in der die Alternativen miteinander

verglichen werden. Shugan geht von einer optimalen, d. h. kostenminimalen Vergleichsreihenfolge aus und definiert auf dieser Basis die Thinking Costs cp als:

( ) *pp f1Mc −= (10)

*pf durchschnittliche Vergleichskosten von zwei Alternativen bei optimaler

Vergleichsreihenfolge (vgl. Shugan 1980, S. 104).

Synonym zur Bezeichnung Thinking Costs verwendete Shugan auch den Begriff Confusion Index. Wie aus obiger Formel zu erkennen ist, steigen die Thinking Cost linear mit der Anzahl der verfügbaren Alternativen. Shugan trifft bei der Berechnung die Annahme, dass die durchschnittlichen Vergleichskosten von zwei Alternativen unabhängig von der Anzahl der Alternativen M sind. Empirische Untersuchungen haben aber gezeigt, dass der Vergleichsaufwand aufgrund der geringer werdenden Unterschiede der Alternativen steigt, wenn der Choice Set im Laufe der Entscheidung kleiner wird (vgl. Payne 1976; Payne/Bettman/Johnson 1993, S. 76).

Die von Shugan vorgeschlagene Methodik zur Messung des kognitiven Aufwands bei einer Entscheidung hat, wie schon erwähnt, einen Schwachpunkt: Die Messeinheit, das

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Unit of Thought, ist definiert als der kognitive Aufwand beim Vergleich von zwei Alternativen hinsichtlich eines Attributs. Dadurch kann diese Methodik zur Messung des kognitiven Auswahlaufwands nur auf Entscheidungsregeln angewendet werden, die auf dem binären Vergleich von Alternativen basieren (vgl. Payne/Bettman/Johnson 1993, S. 76). Aus diesem Grund wurden alternative Methoden entwickelt, die eine Entscheidung in mehrere verschiedene Komponenten zerlegen, die so genannten Elementary Information Processes (EIPs).

Methodik der Elementary Information Processes (EIPs)

Basierend auf den Arbeiten von Newell und Simon (1972) haben Huber (1980) und Johnson (1979) eine Methodik zur Messung des kognitiven Aufwands bei der Anwendung verschiedener Entscheidungsstrategien vorgeschlagen. Hauptunterschied dieser Methodik zu der von Shugan (1980) ist, dass Entscheidungsprozesse nicht wie bei den Thinking Costs nach Shugan durch eine Komponente, sondern durch die Abfolge mehrerer verschiedener Komponenten beschrieben werden. Diese werden als Elementary Information Processes (EIPs) bezeichnet. Ein EIP beschreibt mentale Prozesse wie z. B. das Lesen des Werts einer Alternative in das Kurzzeitgedächtnis (READ), den Vergleich von zwei Alternativen hinsichtlich eines Attributs (COMPARE) oder den Ausschluss einer Alternative von der weiteren Betrachtung (ELIMINATE). Die „Bausteine“ wie auch die gesamte Methodik erinnert dabei an die aus der Informatik bekannte Beschreibung von Algorithmen oder Informations-verarbeitungsprozessen. Tabelle 4 beschreibt die am häufigsten verwendeten EIPs.

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EIP (Elementary Information Process) Beschreibung des Prozessschrittes

READ Lese den Wert eines Attributs einer Alternative ins Kurzzeitgedächtnis ein.

COMPARE Vergleiche zwei Alternativen hinsichtlich eines Attributs

DIFFERENCE Berechne die Höhe des Unterschieds zweier Alternativen hinsichtlich eines Attributs

ADD Addiere die Werte eines Attributs im Kurzzeitgedächtnis

PRODUCT Gewichte einen Wert mit einem anderen (Multiplikation)

ELIMINATE Schließe eine Alternative oder ein Attribut von der weiteren Betrachtung aus

MOVE Gehe zum nächsten Element der „Umwelt“ (external environment)

CHOOSE Gib die gewählte Alternative bekannt und beende den Prozess

Tabelle 4: Übersicht verschiedener Elementary Information Processes (EIPs), die zur Beschreibung des Ablaufs einer Kaufentscheidung dienen. Quelle: Bettman/Johnson/Payne 1990, S. 114 (Übersetzung durch Verfasser)

Der kognitive Gesamtaufwand einer Entscheidung ergibt sich aus der Summe an EIPs, wobei diese entweder gleich (Equal-weighted EIP Model) oder je nach Prozessschritt individuell (Weighted EIP Model) gewichtet werden können. Da Konsumenten einzelne Schritte im Entscheidungsprozess als schwerer empfinden als andere, hat sich das Weighted EIP Model als überlegen erwiesen (vgl. Bettman/Johnson/Payne 1990, S. 134). Payne, Bettman und Johnson (1990, 1993) haben mit Hilfe der EIP-Methodik den kognitiven Aufwand einer Produktwahl untersucht und dabei festgestellt, dass dieser im Wesentlichen von drei Faktoren bestimmt wird (vgl. Payne/Bettman/Johnson 1993, S. 79):

1. Größe des Entscheidungsproblems (Anzahl der Alternativen und Attribute)

2. Art der verwendeten Entscheidungsstrategie

3. Spezifische Werte der einzelnen Alternativen

Abbildung 33 zeigt die Forschungsergebnisse im Hinblick auf die ersten beiden Faktoren.

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130

0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

1 2 3 4 5 6 7

Sek.

Anzahl Alternativen

0123456789

10

1 2 3 4 5 6 7

Skala(0-10)

B: Empfundener AufwandA: Gemessener Zeitaufwand

0

50

100

150

200

250

300

1 2 3 4 5 6 7 8 9

EIPs

C: Berechneter kognitiver Aufwand

EBA LEXWADDVerwendete Strategie EBA LEXWADDVerwendete Strategie

Anzahl AlternativenAnzahl Alternativen

Abbildung 33: Zusammenhang von Alternativenzahl und kognitivem Entscheidungsaufwand bei verschiedenen Entscheidungsstrategien. Daten32 aus Bettman/Johnson/Payne (1990, 1993)

Die Abbildung verdeutlicht, dass der kognitive Aufwand mit zunehmender Alternativenzahl tendenziell steigt. Die Autoren haben hierbei Konsumenten vor verschieden große Entscheidungsprobleme gestellt und zur Messung des kognitiven Aufwands, deren Zeitbedarf für die Entscheidung und die dabei empfundene Anstrengung (Effort)33 erfasst.

In der Grafik ist außerdem zu erkennen, wie durch die Anwendung vereinfachender Strategien (EBA und LEX) der Aufwand im Vergleich zum normativen Fall (WADD) erheblich reduziert werden kann. Damit geht jedoch eine Verschlechterung der Entscheidungsqualität und deshalb eine Zunahme des Fehlerrisikos einher. Die drei Autoren haben diese Beziehung in ihrem Effort-Accuracy Framework zusammen-gefasst. Dieses besagt, dass ein Entscheider diejenige Strategie wählt, die aus seiner Sicht das für die Entscheidung beste Kosten-Nutzen-Verhältnis (Effort-Accuracy) hat, also den besten Kompromiss aus Entscheidungsaufwand und Entscheidungsqualität darstellt (vgl. Payne/Bettman/Johnson 1993, S. 94ff.) (siehe hierzu auch die Ausführungen auf S. 20 ff.)

Aus dem Vergleich von Grafik A und B mit Grafik C ist zu erkennen, dass sich der kognitive Aufwand einer Entscheidung gemessen in Entscheidungszeit und empfundener Anstrengung durch ein EIP-Modell gut annähern lässt. Bettman und seine Kollegen konnten zeigen, dass insbesondere das Weighted EIP Model, das unterschiedliche Gewichtungen der Prozesskomponenten (EIPs) vorsieht, einen guten 32 Die beiden linken Grafiken zeigen die Ergebnisse für den Fall, dass die Alternativen jeweils drei

Attribute hatten (vgl. Bettman/Payne/Johnson 1990, S. 128f.).

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Fit sowohl für die Entscheidungszeit (R2 = 0,75) als auch den berichteten Entscheidungsaufwand (R2 = 0,59) hat (vgl. Bettman/Johnson/Payne 1990, S. 130). Die Autoren ziehen daraus den Schluss „(…) that a small number of simple operations can be viewed as the fundamental components from which decision rules are constructed. However, the results do suggest significant individual differences in the effort associated with individual EIPs“ (Bettman/Payne/Johnson 1990, S. 135).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Methodik der Zerlegung eines Produktwahlprozesses in eine Abfolge verschiedener Prozesskomponenten (EIPs) weitere theoretische Argumente dafür geliefert hat, dass die kognitive Belastung einer Entscheidung mit der Höhe der Produktvielfalt steigt. Die Studien von Payne, Bettman und Johnson haben hierfür empirische Belege erbracht und gleichzeitig aufgezeigt, dass Konsumenten durch die Anwendung vereinfachender Heuristiken die kognitive Belastung reduzieren können, wenn sie bereit sind, hierfür eine suboptimale Entscheidung zu riskieren.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Shugan (1980) hat in seiner Theorie der Cost of Thinking eine Methodik vorgeschlagen, wie der kognitive Aufwand einer Alternativenauswahl z. B. bei einer Kaufentscheidung, für Entscheidungsstrategien, die auf binären Attributvergleichen basieren, geschätzt werden kann34. Als Messeinheit hat er hierfür den kognitiven Aufwand beim Vergleich von zwei Alternativen hinsichtlich eines Attributs definiert (vgl. Shugan 1980, S. 100ff.). Die Methodik der EIPs basiert auf der gleichen Grundüberlegung, geht aber von mehreren Prozesskomponenten aus, die sich hinsichtlich Inhalt und kognitiver Belastung unterscheiden (vgl. z. B. Bettman/ Payne/Johnson 1990, S. 114ff.).

Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass sowohl die Theorie der Cost of Thinking (Shugan 1980), als auch die Methodik der EIPs (Huber 1980; Johnson 1979; Bettman/Johnson/Payne 1990; Payne/Bettman/Johnson 1993) theoriebasierte Argumente für die Entstehung kognitiver Kosten durch (hohe) Produktvielfalt liefern.

33 Skala von 0 (gering) bis 10 (hoch) 34 Im obigen Abschnitt wurden nur die Ergebnisse bei der Anwendung einer kompensatorischen

Strategie gezeigt. Für die Aufwandsschätzungen verschiedener anderer Strategien sei der interessierte Leser auf Shugan 1980, S. 105ff. verwiesen.

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Im Hinblick auf die kognitiven Aspekte der Kostendimension des Werts von Produktvielfalt lassen sich aus der Theorie der Cost of Thinking und der Methodik der EIPs zusammenfassend folgende Punkte ableiten:

1. Der kognitive Aufwand der Entscheidung nimmt mit der Anzahl der zur Wahl stehenden Alternativen zu.

2. Durch die Anwendung vereinfachender Entscheidungsstrategien (Heuristiken) kann der Konsument die kognitiven Kosten der Produktvielfalt reduzieren, geht hierfür aber das Risiko einer suboptimalen Entscheidung ein. Dies kann zur Entstehung von antizipiertem oder empfundenen Regret führen und die Entscheidung dadurch emotional schwieriger machen. (siehe hierzu auch Kapitel 2.3.2.3, S. 158ff.). Durch die empfundene Suboptimalität der Entscheidung kann außerdem die Zufriedenheit mit dem Entscheidungsprozess und dem Produkt negativ beeinflusst werden.

3. Der kognitive Entscheidungsaufwand ist vom Attraktivitätsunterschied der Alternativen abhängig: Ist beispielsweise der Gesamtnutzen von zwei Alternativen in etwa gleich hoch, dann stellen beide relevante Optionen zur Bedürfnisbefriedigung dar und die Entscheidung fällt dem Konsumenten relativ schwer.

4. Die Struktur der Alternativen beeinflusst die Entscheidungskosten: Shugan (1980) hat gezeigt, dass bei der Verwendung einer kompensatorischen Entscheidungsstrategie der kognitive Aufwand von der Kovarianz des Nutzens der Alternativen und damit von der Anzahl und Größe der Trade-offs zwischen diesen abhängt.

5. Die kognitiven Ressourcen, die der Konsument in die Entscheidung investiert, richten sich nach seinem Involvement und seiner Risikobereitschaft: Je höher das Involvement, desto geringer ist die Bereitschaft, das Risiko einer Fehlentscheidung einzugehen. Hohes Involvement ist deshalb mit größeren Ressourceneinsatz bei der Entscheidungsfindung verbunden.

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6. Die Entscheidungskosten sind abhängig von der Reihenfolge der Produktvergleiche und damit von der Erfahrung bzw. dem spezifischen Wissen und den Fähigkeiten des Konsumenten: Dies ist darauf zurückzuführen, dass ein erfahrener Entscheider den „kostenminimalen Entscheidungspfad“ zur Elimination suboptimaler Produkte kennt oder diesen erschließen kann. Dadurch hat er im Vergleich zum unerfahrenen Konsumenten, der die Reihenfolge eher zufallsbasiert wählt, im Durchschnitt geringere Entscheidungskosten.

Die beiden Theorien geben insgesamt theoriebasierte Hinweise dafür,

daß der kognitive Entscheidungsaufwand ein wichtiger Kostenaspekt hoher Produktvielfalt ist,

welche Eigenschaften des Sortiments die Kosten von Produktvielfalt beeinflussen und deshalb als Bestimmungsgrößen im Modell zu berücksichtigen sind (z. B. geringe Nutzenunterschiede der Produkte, hohe Anzahl an Alternativen, schwierige Trade-offs zwischen Alternativen, schlechte Identifizierbarkeit der besten Alternative),

welche verhaltensrelevanten Konsequenzen die Kosten von Produktvielfalt haben (z. B. Kaufaufschub, Kaufverzicht, Anwendung von Heuristiken) und

welche personenspezifischen Eigenschaften die Kosten von Produktvielfalt beeinflussen können und als Moderatoren ins Wirkungsmodell einbezogen werden können (z. B. Expertise, Involvement).

In Abbildung 34 sind die wichtigsten Determinanten, Argumentationsstränge und Konsequenzen, sowie die aus den Theorien abgeleiteten Kostenfacetten zusammenfassend dargestellt.

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134

Kos

tenQua

ntita

tivQ

ualit

ativ

Aus

gang

d.

Ents

chei

dung

Bew

ertu

ng

Determinanten

Argumentationslogik der Wirkung

Konsequenzen

Facetten der KPV

Kostendimension

Der kognitive Aufwand der Entscheidung steigt mit der Anzahl der ProdukteWechselseitige Vor- und Nachteile von Produkten verlangen vom Konsumenten Kompromisse und die Anwendung kompensatorischer Entscheidungsstrategien. Dadurch steigt der Aufwand bei der Entscheidung oder das Fehlentscheidungsrisiko.

Anzahl der Produkte Kaufintention

ZufriedenheitProzess

Produkt

+

Aufwand und Anstrengung

Facetten der KPV

_

__

Klare Produktunterschiede

Kompromissnotwendigkeit (wechselseitige Vor- und Nachteile der Produkte)

+

_

Antizipiertes Regret

Kos

tenQua

ntita

tivQ

ualit

ativ

Aus

gang

d.

Ents

chei

dung

Bew

ertu

ng

Determinanten

Argumentationslogik der Wirkung

Konsequenzen

Facetten der KPV

Kostendimension

Der kognitive Aufwand der Entscheidung steigt mit der Anzahl der ProdukteWechselseitige Vor- und Nachteile von Produkten verlangen vom Konsumenten Kompromisse und die Anwendung kompensatorischer Entscheidungsstrategien. Dadurch steigt der Aufwand bei der Entscheidung oder das Fehlentscheidungsrisiko.

Anzahl der Produkte Kaufintention

ZufriedenheitProzess

Produkt

+

Aufwand und Anstrengung

Facetten der KPV

_

__

Klare Produktunterschiede

Kompromissnotwendigkeit (wechselseitige Vor- und Nachteile der Produkte)

+

__

Antizipiertes Regret

Abbildung 34: Zusammenfassende Darstellung des Zusammenhangs der Theorie der Cost of Thinking und der EIP-Methodik mit den Kosten von Produktvielfalt

Neben dem kognitivem Aufwand einer Entscheidung spielen auch die emotionalen Prozesse und Reaktionen während dieser eine wichtige Rolle für das Konsumentenverhalten: „In an emotion-laden decision, it is not just this cognitive effort that will be considered but also the emotional toll of the decision“ (Luce/Payne/Bettman 2001, S. 21).

Die nächsten beiden Kapitel stellen mit der Konflikt- und der Regret-Theorie Grundlagen emotionaler Reaktionen und Prozesse dar, die gemeinsam die Grundlage für die emotionalen Kostenaspekte hoher Produktvielfalt bilden.

2.3.2.2 Konflikt-Theorie

„The experience of conflict is the price one pays for the freedom to choose“

(Tversky/Shafir 1992, S. 358)

Ein intrapersoneller Konflikt entsteht aus der „(...) simultaneous presence of at least two mutually incompatible response tendencies“ (Festinger 1964, S. 3). Bei der hier zugrunde liegenden Art von Kaufentscheidungen (Quantal Quoice Problem, siehe S. 39) muss ein Konsument aus mehreren sich gegenseitig ausschließenden

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Alternativen eine auswählen, wobei diese typischerweise jeweils verschiedene Entscheidungskriterien besser erfüllen (vgl. Luce/Jia/Fischer 2003, S. 464f.). Luce, Payne und Bettman (2000) definieren den daraus resultierenden Entscheidungskonflikt (Decision Conflict) in einer Kaufsituation als „competing response tendencies arising when one of a set of multiple alternatives must be chosen“ (S. 275). Sie bezeichnen diesen als den „most basic aspect of decision making, for an active decision is necessary only when there is some conflict between alternatives“ (S. 275).

Motivationale und kognitive Konflikte

Kroeber-Riel und Weinberg (1996) unterscheiden motivationale und kognitive Konflikte. Motivationale Konflikte gehen auf Antriebskräfte zu widersprüchlichen Handlungstendenzen zurück. Kognitive Konflikte sind im Gegensatz hierzu eher dem assoziativen Bereich zuzuordnen und führen zur Umorganisation von kognitiven Elementen. Die Wahl einer von zwei Produktalternativen, die der Konsument gleichermaßen attraktiv findet, ist ein Beispiel für einen motivationalen Konflikt. Das empfinden kognitiver Dissonanz nach einer Kaufentscheidung ist ein Beispiel eines kognitiven Konflikts (vgl. Krober-Riel/Weinberg 1996, S. 160). Kognitive Konflikte sind der Entscheidung nachgelagert und sind folglich eher als eine Konsequenz denn eine Facette der Kosten von Produktvielfalt zu verstehen. Da die kognitive Dissonanz gewissermaßen das Bindeglied zwischen Kaufprozess und Produktbewertung darstellt (vgl. Oliver 1996, S. 242ff.), wird sie als Konsequenzkonstrukt der Kosten von Produktvielfalt im Wirkungsmodell berücksichtigt (siehe S. 178). Die weiteren Ausführungen in diesem Kapitel beziehen sich auf die für die Phase der Kaufentscheidung relevanten motivationalen Konflikte.

Motivation bezeichnet einen Prozess, der Menschen dazu veranlasst, auf bestimmte Art und Weise zu handeln (vgl. Solomon/Bamossy/Askegaard 2001, S. 120). Demzufolge können durch die Entscheidungssituation ausgelöste motivationale Konflikte zu bestimmten Verhaltensweisen des Konsumenten führen. Hierbei werden zwei grundsätzliche Verhaltenstendenzen unterschieden: Appetenz und Aversion (vgl. Miller 1944, 1959; Solomon/Bamossy/Askegaard 2001, S. 120; Luce/Payne/Bettman 2000, S. 276ff.).

Als Appetenzverhalten – oder kurz Appetenz (approach) – wird die Annäherung eines Individuums an ein ihn subjektiv anziehendes Verhaltensziel bezeichnet.

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136

Entsprechend versteht man unter Aversion Verhaltenstendenzen, die zur Vermeidung eines Ziels führen (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S 160). Appetenz und Aversion bezeichnen somit gegenteilige Verhaltenstendenzen eines Konsumenten. Ein Beispiel für Appetenz ist das Bestreben eines Philatelisten, in den Besitz einer seltenen Briefmarke zu kommen. Dagegen kann der hohe Preis des Produkts Aversionsverhalten bewirken und zur Vermeidung der Anschaffung führen.

Resultierend aus der Unterscheidung von positiven und negativen Verhaltenstendenzen, ergeben sich drei Arten von Konflikten (vgl. Miller 1944, 1959; Solomon/Bamossy/Askegaard 2001, S. 120; Luce/Payne/Bettman 2000, S. 276ff.):

1. Appetenz-Appetenz-Konflikt

2. Aversions-Aversions-Konflikt

3. Appetenz-Aversions-Konflikt.

Konfliktarten

Appetenz-Appetenz-Konflikte (Approch-Approach Conflicts) entstehen wenn ein Konsument in einer Kaufsituation zwei Alternativen gleichermaßen attraktiv findet und beide aus seiner Sicht nur positive Eigenschaften besitzen. Ein Beispiel hierfür ist eine Situation, in der ein Konsument die Wahl zwischen zwei CDs hat, die er beide gleichermaßen gut findet, er aber nur eine kaufen kann.

Ein Konsument empfindet einen Aversions-Aversions-Konflikt, wenn er von zwei Produkten das „kleinere Übel“ wählen muss, und beispielsweise die Wahl zwischen der Reparatur einer kaputten Waschmaschine und dem Kauf einer neuen hat.

Appetenz-Aversions-Konflikte entstehen, wenn eine Produktalternative sowohl erwünschte als auch unerwünschte Eigenschaften hat. Der Entscheider wird also gleichzeitig von den positiven Eigenschaften eines Produkts angezogen (Appetenz) und dessen negativen, wie z. B. dem hohen Preis abgestoßen (Aversion) (vgl. Chatterjee/Heath 1996, S. 145).

Ein bekanntes Beispiel eines Lösungsversuchs dieses Konflikts ist der Claim „Weil Sie es sich wert sind“ von L’Oréal. Das Unternehmen versucht, durch diese Kommunikationsmaßnahme der Aversion (Kaufverzicht, Kauf einer anderen billigeren Marke), die durch den vergleichsweise hohen Preis ausgelöst wird, entgegenzutreten und stärkt die Appetenz mit dem Argument „sich etwas Gutes zu tun“. Durch die

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137

Verstärkung der positiven Verhaltenstendenzen sollen diese die negativen übersteigen und zum Kauf führen. (vgl. Solomon/Bamossy/Askegaard 2001, S. 125).

Konflikte können somit sowohl innerhalb einer Wahlalternative (Within-Alternative) in Form eines Appetenz-Aversions-Konflikts (z. B. Qualität vs. Preis) als auch zwischen Produktalternativen (Between-Alternatives) in Form von Aversions-Aversions- oder Appetenz-Appetenz-Konflikten entstehen (vgl. Luce/Jia/Fischer 2003, S. 464).

In einer Kaufsituation muss sich der Käufer normalerweise zwischen mehreren Alternativen mit verschiedenen Vor- und Nachteilen entscheiden, wobei auch jede Alternative für sich positive und negative Eigenschaften haben kann (vgl. Luce/Jia/Fischer 2003, S. 464f.). Mit der Entscheidung für eine bestimmte Alternative sind für den Konsumenten also sowohl direkte negative Folgen durch deren negative Eigenschaften, als auch Opportunitätskosten durch den Verzicht auf die positiven Eigenschaften der nicht gewählten Alternativen verbunden. Bei der Kaufentscheidung muss der Konsument folglich die positiven Eigenschaften einer Alternative gegen die direkten und indirekten negativen Folgen einer Entscheidung selbiger abwägen. Der dadurch notwendige Kompromiss kann zur Entstehung eines Entscheidungskonflikts führen (vgl. Scholten 2002, S. 686). Dieser für eine Kaufsituation typische Konflikt wird als mehrfacher Appetenz-Aversions-Konflikt bezeichnet, da sowohl zwischen den Alternativen (Between-Alternative Conflict) als auch innerhalb einer Alternative (Within-Alternative Conflict) ein Konflikt besteht (vgl. Trommsdorff 1998, S. 122).

Hinsichtlich Entstehung und Lösung der drei grundlegenden Konfliktarten hat Miller (1964) u. a. folgende Hypothesen formuliert (vgl. Miller 1964, S. 99f., zitiert nach Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S. 161):

1. Die Stärke der Verhaltenstendenz (positiv und negativ) nimmt mit der Zielnähe zu.

2. Die Stärke des Aversionsverhaltens ist mit zunehmender Nähe zum Ziel stärker als die Appetenzreaktion (Verlustaversion).

3. Von zwei einander entgegenstehender Verhaltenstendenzen setzt sich in einem Konflikt die stärkere durch.

Auf der Basis dieser Hypothesen lassen sich Konfliktarten sowie deren Entstehung und Lösung mit Hilfe sog. Zielgradienten grafisch veranschaulichen. Diese beschreiben die Beziehung zwischen Zieldistanz und Stärke der Verhaltenstendenz

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(siehe Abbildung 35). Die Pfeilrichtung des Zielgradienten verdeutlicht die Richtung der Verhaltenstendenz.

A: Appetenz-Appetenz-Konflikt B: Appetenz-Aversions- Konflikt

V1 +

Z1 Z1KK1'

V1+ > V2

+

1

2

3

G1+ G2

+

V2 + V +

V -

G1-

G1+

Z K1' K K2

'

V- > V+

23

1 4

5

V1,2+: Stärke der positiven Verhaltenstendenz G1,2

+: Zielgradient der positiven VerhaltenstendenzV1,2

-: Stärke der negativen Verhaltenstendenz G1,2-: Zielgradient der negativen Verhaltenstendenz

Z1,2: Ziele Richtung des gewünschten Verhaltens (Verhaltenstendenz)

6

V+ > V-

Verhaltenstendenz

Abbildung 35: Veranschaulichung der Entstehung und Lösung eines Appetenz-Appetenz Konflikts und eines Appetenz-Aversions Konflikts. In Anlehnung an Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S. 163

Entstehung von Konflikten

Teil A von Abbildung 35 zeigt einen Appetenz-Appetenz-Konflikt. Die Zielgradienten G1

+ und G2+ geben jeweils die positive Verhaltenstendenz zu den Zielen Z1 bzw. Z2 an.

An der Schnittstelle der beiden Zielgradienten sind die Verhaltenstendenzen in beide Zielrichtungen gleich groß und es entsteht ein motivationaler Konflikt K.

Der im Teil B dargestellte Appetenz-Aversions-Konflikt beruht darauf, dass im Punkt K die positive Verhaltenstendenz zum Ziel Z gleich groß ist, wie die Aversion gegenüber diesem. Zum besseren Verständnis der Grafik sei nochmals betont, dass der Zielgradient G− eine negative Verhaltenstendenz darstellt, der Entscheider möchte sich also vom Ziel Z z. B. aufgrund des hohen Preises entfernen.

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Lösung von Konflikten

Appetenz-Appetenz-Konflikte sind im Vergleich zu Appetenz-Aversions Konflikten leicht zu lösen, da der Konsument bei einer Entscheidung für eine Alternative keine unerwünschten Eigenschaften in Kauf nehmen muss. Sowohl Appetenz-Aversions Konflikte, als auch Aversions-Aversions-Konflikte sind für den Konsumenten potenziell mit negativen Konsequenzen und deshalb mit größeren Schwierigkeiten verbunden und schwerer zu lösen (vgl. Miller 1959; Chatterjee/Heath 1996, S. 145; Anderson 2003, S. 159; Luce/Jia/Fischer 2003, S. 464f.). Insgesamt wird eine Entscheidung schwerer, wenn den Wahlmöglichkeiten Elemente hinzugefügt werden, die der Konsument als nicht wünschenswert erachtet und deshalb vermeiden möchte (vgl. Luce/Payne/Bettman 2000, S. 276).

Anhand von Abbildung 35 kann die Schwierigkeit der Lösung verschiedner Konfliktarten veranschaulicht werden. Betrachtet man zunächst den Appe-tenz-Appetenz-Konflikt im linken Teil: Bewegt sich ein Entscheider ein kleines Stück in Richtung Z1 ( 1 ), so überwiegt die Verhaltenstendenz V1

+ gegenüber der Verhaltenstendenz V2

+ ( 2 ) und setzt sich gemäß der Hypothese von Miller (1964, S. 99f.) gegen diese durch. Der Konsument löst den Konflikt und realisiert das Ziel Z1 ( 3 ). Im vorherigen Beispiel des Kaufs einer von zwei gleich attraktiven CDs reicht die Empfehlung z. B. eines Freundes aus, um den Entscheidungskonflikt zu lösen, indem der Konsument die empfohlene CD kauft (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S. 165).

Im Gegensatz hierzu fällt die Lösung eines Appetenz-Aversions-Konflikts relativ schwer: Bewegt sich der Entscheider auf das Ziel Z zu ( 1 ), überwiegt die negative Verhaltenstendenz V− der positiven V+ ( 2 ), was dazu führt, dass der Entscheider sich wieder vom Ziel Z entfernt ( 3 ). Bewegt er sich dabei über den Konfliktpunkt K hinaus weg vom Ziel ( 4 ), dann ist die Appetenz größer als die Aversion ( 5 ) und er nähert sich dem Ziel wieder an ( 6 ). Der Konflikt ist somit stabil und daher relativ schwer zu lösen. Beispiel hierfür ist der Kauf eines teuren, prestigeträchtigen Produkts. Bewegt sich der Konsument in Richtung der Entscheidung für den Kauf des Produkts, so wird ihm der hohe Preis besonders bewusst, was dazu führen kann, dass er sich den Kauf nochmals überlegt und sich somit wieder vom Ziel entfernt. Entfernt er sich weit vom Ziel, überwiegt die Anziehungskraft des Produkts, was beispielsweise ein gesteigertes Interesse an Informationen über das Produkt bewirkt. Der Konsument bewegt sich in diesem Fall wieder in Richtung Produktkauf (vgl. Kroeber-Riel/ Weinberg 1996, S. 164).

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Die Pioniere der Konfliktforschung Lewin (1933) und Miller (1944) unterscheiden entsprechend der Schwierigkeit der Konfliktlösung „stable and unstable equilibriums“ (Houston/Sherman/Baker 1990, S. 413). Da Aversions-Aversions- und Aversions-Appetenz-Konflikte schwer zu lösen und daher stabil sind, fallen sie in die erste Kategorie. Die leicht lösbaren Appetenz-Appetenz-Konflikte gehören entsprechend zur Gruppe der Unstabilen Gleichgewichte (vgl. Houston/Sherman/ Baker 1990, S. 413).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine Kaufentscheidung mit mehreren attraktiven Alternativen zur Entstehung von (mehrfachen) Appetenz-Aversions- Konflikten führen kann (vgl. Tversky/Shafir 1992, S. 358). Abhängig von deren Lösung führt die Entscheidung zu verschiedenen Ergebnissen. Größe und Art von Konflikten haben somit Einfluss auf das Entscheidungsverhalten eines Konsumenten.

Für die weitere Betrachtung gilt es nun, Ursachen und Wirkungen von Konflikten näher zu beleuchten und den Einfluss der Produktvielfalt darzustellen.

Erscheinungsmerkmale und Folgen von Konflikten

Kroeber-Riel und Weinberg (1996) beschreiben Konflikte als „motivationale Spannungen (...)“, die im Allgemeinen dazu führen, „(...) dass der Konsument in der Entscheidungssituation verunsichert wird und die Entscheidung unterbricht“ (S. 166). Die Verunsicherung bezieht sich hierbei darauf, welche Alternative er wählen soll, weshalb in der Literatur die Begriffe Konflikt und Präferenzunsicherheit (Preference Uncertainty) teilweise synonym verwendet werden (vgl. Scholten 2002, S. 685).

Diese Art der Unschlüssigkeit (Vacillation) hat Miller (1944, 1959) bereits in frühen Phasen der Konfliktforschung anhand von Tierexperimenten untersucht: Unschlüssigkeit ist ein Zustand, in dem „organisms (...) either (would) falter in their intentional movements and halt, or would move towards one goal, slow their approach, and retreat, only to cease retreat and begin approaching again“ (Anderson 2003, S. 159). Die Erkenntnisse von Miller lassen sich gut auf menschliches Entscheidungsverhalten in Konsumsituationen übertragen (vgl. Anderson 2003, S. 159; Luce/Payne/Bettman 2000, S. 276): Demnach befindet sich ein Konsument während einer Kaufentscheidung in einem Zustand, in dem er zwischen mehreren attraktiven Alternativen hin und her gerissen wird und deshalb unschlüssig ist, für welche er sich entscheiden soll. Er bewegt sich ähnlich den Tieren in Millers (1944, 1959) Experimenten auf einzelne Alternativen zu, indem er z. B. mehr Informationen

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zu ihnen sammelt und verarbeitet, entfernt sich aber wieder von ihnen und stellt beispielsweise die Notwendigkeit des Kaufs in Frage. Individuen empfinden diesen, durch den Entscheidungskonflikt ausgelösten Zustand der Unschlüssigkeit als emotional unangenehm und schwierig und möchten ihn deshalb vermeiden oder lösen (vgl. Payne/Bettman/Johnson 1993, S. 30). Dieser Antriebscharakter motivationaler Konflikte ist für diese Untersuchung zentral, da er eine Verbindung zwischen den Eigenschaften des Sortiments und Handlungen des Konsumenten herstellt.

Der Entscheidungskonflikt äußert sich neben dem

Gefühl der Unentschlossenheit auch in einer

größeren Anzahl an Gedanken des Entscheiders hinsichtlich der Alternativen (Dhar 1997; Simonson 1989),

in längerer Entscheidungszeit (Festinger 1964; Fischer et al. 2000), in einer

größeren empfundenen Schwierigkeit der Entscheidungsfindung (Chatterjee/Heath 1996, S. 149ff.; Bettman/Johnson/Luce/Payne 1993; Tversky/Shafir 1992, S. 358), in

geringerem Vertrauen in die Entscheidung (vgl. Tversky 1972; Fischer et al. 2000; Luce/Jia/Fischer 2003, S. 469f.; Zakay 1985, S. 79) und in

stärkeren (negativen) Emotionen während der Entscheidung (Luce/Bettman/Payne 1997, 2000).

Obwohl in der Literatur keine formale und allgemein anerkannte Definition von Entscheidungskonflikten existiert (vgl. Tversky/Shafir 1992, S. 358; Dhar 1997a, S. 217), lässt sich dieser zusammenfassend als ein von einem Entscheider als negativ empfundener motivationaler Zustand charakterisieren, der entsteht, wenn ein Konsument nicht weiß, für welche der verfügbaren Alternativen eines Sortiments er sich entscheiden soll.

Der Motivationscharakter und die negative Valenz des Entscheidungskonflikts führen dazu, dass Individuen den Konflikt vermeiden wollen. Nach dem Konfliktmodell von Janis und Mann (1977) hat ein Konsument hierfür zwei Möglichkeiten:

Wenn der Entscheider nicht unter Zeitdruck steht, kann er die Entscheidung aufschieben, um durch Aufnahme weiterer Informationen eine bessere Entscheidungsbasis zu schaffen. Muss die Entscheidung dagegen unter Zeitdruck und deshalb schnell getroffen werden, kann der Konsument durch die Delegation der Verantwortung für die Entscheidung an eine andere Person, wie z. B. den Verkäufer

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oder einen Freund, den psychischen Stress des Entscheidungskonflikts vermeiden (vgl. Beattie/Baron/Hershey 1994, S. 130f.; Brownstein 2003, S. 547f.). Möchte beispielsweise ein Ehepaar eine neue Waschmaschine kaufen, weil ihre schon etwas älter ist, dann kann durch ein großes Sortiment des besuchten Geschäfts ein Entscheidungskonflikt hervorgerufen werden. Als Folge dieses Konflikts ist es möglich, dass das Paar den Kauf unterbricht, um in anderen Geschäften nach weiteren Produktalternativen zu suchen. Ist dagegen die alte Waschmaschine kaputt, steht die Familie unter Entscheidungsdruck. Dies kann dazu führen, dass sie einen Berater in die Entscheidung einbezieht oder einen Freund mit entsprechender Expertise um Rat fragt. Dadurch kann die Familie die Verantwortung für die Entscheidung und somit den Entscheidungskonflikt reduzieren.

Auch Tversky und Shafir (1992) konnten die durch einen Konflikt hervorgerufene Neigung zum Entscheidungsaufschub beobachten (siehe S. 42ff.): In einem ihrer Experimente haben sich 34% der Konsumenten für den Kaufaufschub entschieden, wenn nur eine Alternative zur Wahl stand. Wurde zusätzlich eine zweite attraktive Option angeboten, stieg der Anteil der Personen, die sich gegen den Kauf entschieden auf 46% (vgl. Tversky/Shafir 1992, S. 360). In einem ähnlichen Szenarium stellten Redelmeier und Shafir (1995) (siehe S. 46 ff.) fest, dass Entscheider den derzeitigen Status (Status quo), eine vorgegebene (Default Option) oder eine sich klar von den anderen Alternativen unterscheidende Option (Distinctive Option) wählen, wenn die Anzahl der Alternativen erhöht wird. Die Autoren begründen dieses Verhalten damit, dass der Entscheidungskonflikt durch die zusätzliche(n) Alternative(n) erhöht wurde (vgl. Redelmeier/Shafir 1995, S. 302ff.; Tversky/Shafir 1992, S. 361).

Der Wirkungszusammenhang von Entscheidungskonflikten und entscheidungs- bzw. konfliktvermeidenden Verhaltensweisen wird in der Literatur mit Hilfe verschiedener Hypothesen erklärt (vgl. Anderson 2003, S. 144ff.):

Justification Hypothese

Hypothese der negativen Emotionen

Preference Uncertainty Hypothese

Da mittels dieser Hypothesen später der Zusammenhang mit der Produktvielfalt verdeutlicht wird, geht der nachfolgende Abschnitt hierauf näher ein.

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Hypothesen zum Wirkungszusammenhang von Entscheidungskonflikten und Konsumentenverhalten

Justification Hypothese

Die Conflict oder Justification Hypothese basiert auf der Erkenntnis, dass Konsumenten das Bedürfnis haben, eine Entscheidung für ein bestimmtes Produkt vor sich und anderen rechtfertigen zu können. Sie entscheiden sich deshalb für das Produkt, für dessen Wahl es eindeutige Gründe gibt (vgl. Simonson 1989, S. 159; Tyszka 1998, S. 192). So argumentiert Montgomery (1983), dass Konsumenten erst dann bereit sind, eine Kaufentscheidung zu treffen, wenn sie Argumente – „strong enough for making a decision“ (S. 343) – haben. Tyszka (1998) spricht in diesem Zusammenhang von der „distinctness motivation“ (S. 202ff.), dem Antrieb, das Produkt zu wählen, das sich klar von den anderen unterscheidet und dessen Wahl deshalb vor sich und anderen leicht zu rechtfertigen ist. Simonson (1989) erklärt dieses Rechtfertigungsbedürfnis unter Rückgriff auf verschiedene theoretische Erkenntnisse wie z. B. dem Wunsch nach Selbstachtung (Self-Esteem) (Hall/Lindzey 1978), der eigenen Wahrnehmung als rational handelndes Wesen (Abelson 1964, S. 159) und den Theorien der Self-presentation (Baumeister 1982), Impression Management (Schlenker 1980), Social Exchange (Blau 1964), Conformity (Deutsch/Gerard 1955) und Ingratiation (Jones 1964) (vgl. Simonson 1989, S. 159).

Der Zusammenhang zwischen einem Konflikt und der Schwierigkeit der Kaufentscheidung besteht darin, dass ein „conflict makes justification more difficult (...)“ (Anderson 2003, S. 144). Dies kann dazu führen, dass Konsumenten den Kauf aufschieben (Deferred Decision) oder den Status quo wählen, um so ihre Verantwortung und damit den Rechtfertigungsdruck für die Entscheidung zu reduzieren.

Der Entscheidungskonflikt wirkt sich nach dieser Hypothese über die empfundene Schwierigkeit der Rechtfertigung einer bestimmten Wahl auf das Konsumenten-verhalten aus (vgl. Anderson 2003, S. 144).

Hypothese der negativen Emotionen (Trade-off Hypothese)

Die Hypothese der negativen Emotionen gründet auf den Erkenntnissen, dass „conflicts in a decision (...) often lead to negative emotion“ (Anderson 2003, S. 144).

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In diesem Zusammenhang ist es wichtig, diese vor oder während der Entscheidung empfundenen Emotionen wie Furcht, Angst, Verwirrung und Verzweiflung (vgl. Loewenstein et al. 2001, S. 267ff.) von antizipierten Emotionen wie z. B. Regret, die in Kapitel 2.3.2.3 (Seite 158ff.) näher betrachtet werden, zu unterscheiden. Phänomenologisch beziehen sich beide Emotionen auf potenzielle zukünftige Entscheidungskonsequenzen; der Unterschied besteht aber darin, dass im Zusammenhang mit einem Entscheidungskonflikt auftretende Emotionen während der Entscheidung entstehen und empfunden werden, während der Entscheider bei antizipierten Emotionen seine zukünftigen affektiven Reaktionen voraussieht und diese bei der Entscheidung berücksichtigt.

Anderson (2003) unterscheidet deshalb „anticipatory“ (vorwegnehmende) und „anticipated“ (vorweggenommene, vorausgesehene) Emotionen (S. 141ff.). Hastie (2000) bezeichnet erstere als „decision process emotions“ oder kurz „process emotions“ (S. 21), während Luce (1998) hierfür die Bezeichnung „task-related emotion“ (S. 410) verwendet und darunter „relatively short-lived affective states directly resulting from and focused on a choice with which one is currently engaged“ versteht (S. 410). Es handelt sich also um Emotionen, die aufgrund der Charakteristika des Entscheidungsproblems während des Entscheidungsprozesses entstehen.

Sowohl antizipierte als auch im Prozess erlebte Emotionen sind klar von Stimmungen zu unterscheiden, die z. B. durch Hintergrundmusik und Farbgebung im Geschäft verursacht werden und vom Choice Set unabhängig sind (vgl. Isen 2001), weshalb diese hier nicht weiter betrachtet werden.

Nahezu jede Entscheidung erfordert vom Konsumenten Kompromisse (Trade-offs): „(…) any decision requires that the decision maker give (sic!) up some considerations to maximize others“ (Luce/Payne/Bettman 2001, S. 19). Sie sind maßgeblich für die Entstehung eines Entscheidungskonflikts verantwortlich, wobei deren Intensität vom Grad „(...) to which the alternatives under consideration have different advantages and disadvantages“ (Dhar 1997a, S. 217) abhängt.

Anhand eines Beispiels lässt sich dies verdeutlichen: Ein Konsument hat die Wahl zwischen zwei Autos, die sich hinsichtlich der Produktmerkmale Leistung und Zuverlässigkeit unterscheiden. Beide Eigenschaften sind dem Entscheider wichtig. Angenommen, das erste Auto ist laut Pannenstatistik sehr zuverlässig (Wert 10 auf einer Skala von 1 bis 10) und leistet 130 kW, während der zweite PKW weniger zuverlässig ist (Wert 5), aber eine Leistung von 200 kW hat. Der Käufer muss in diesem Fall bei seiner Entscheidung die Attribute Leistung und Zuverlässigkeit

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gegeneinander abwägen, sich also überlegen, ob er bereit ist, auf Zuverlässigkeit zu verzichten (5 Skalenpunkte), um mehr Leistung (70 kW) zu bekommen und umgekehrt. Dieser notwendige Trade-off zwischen den Attributen Zuverlässigkeit und Leistung kann zu negativen Emotionen führen.

Die Stärke eines Entscheidungskonflikts hängt sowohl von der Art, als auch von den Werten der Attribute abhinsichtlich derer ein Konsument einen Kompromiss eingehen muss (vgl. Chatterjee/Heath 1996, S. 146).

Bezüglich der Art der Produkteigenschaften lässt sich sagen, dass die negativen Emotionen des Konsumenten umso stärker sind, je wichtiger ihm die vom Kompromiss betroffenen Attribute sind (vgl. Luce 1998, S. 411; Tetlock 1991; Tetlock/Peterson/Lerner 1997; Luce/Payne/Bettman 2001, S. 24).

Die Werte der Attribute beeinflussen einerseits die Austauschrate der Kompromissattribute und andererseits die Höhe der Trade-offs (vgl. Chatterjee/Heath 1996, S. 146; Scholten 2002, S. 690ff.). Kann ein Konsument beispielsweise durch eine Preiserhöhung um 2% eine Qualitätssteigerung von 80% erreichen (Austauschrate 1:40), ist die Entscheidung relativ leicht. Sind die Unterschiede der Attributwerte der Alternativen sehr hoch, wird sowohl die Appetenz als auch die Aversion gegenüber diesen verstärkt, wobei dieser Appetenz-Aversions-Konflikt durch die Verlustaversion des Konsumenten noch gesteigert werden dürfte (vgl. Chatterjee/Heath 1996, S. 146; Luce/Jia/Fischer 2003, S. 465; Scholten 2002, S. 690ff.).

Negative Emotionen können aber nicht nur entstehen, wenn verschiedene Alternativen unterschiedliche Vor- und Nachteile haben (Between-Alternative Conflict), sondern auch dann, wenn eine Alternative sowohl positive als auch negative Eigenschaften besitzt (Within-Alternative Conflict) (vgl. Chatterjee/Heath 1996, S. 145; Luce/Payne/Bettman 2000, S. 276ff.). Des Weiteren können Konflikte dadurch verursacht werden, dass „(...) a person does not know how to trade off costs against benefits, risk against value, and immediate satisfaction against future discomfort“ (Tversky/Shafir 1992, S. 358). Der Entscheidungskonflikt entsteht in diesem Fall aus der schwierigen Vergleichbarkeit der Attribute und hat zur Folge „(...) (that) it is often difficult to make important (...) as well as insignificant decisions (…)“ (Tversky/Sharif 1992, S. 358). Insgesamt lässt sich die Trade-off Hypothese somit sowohl auf Within-Alternative als auch auf Between-Alternative Konflikte (siehe auch S. 136) anwenden.

Die Handlungsrelevanz der Trade-off Hypothese basiert darauf, dass Entscheider die durch die Kompromissnotwendigkeit entstandenen negativen Emotionen als

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unangenehm empfinden und sie deshalb vermeiden oder reduzieren wollen (vgl. Luce 1998, S. 409). Da Kompromisse (Trade-offs) die primäre Quelle der negativen Emotionen sind, wird die Hypothese der negativen Emotionen auch als Trade-off Avoidance Hypothese bezeichnet (vgl. Anderson 2003, S. 145).

Die Wahl einer „avoidant option“ (Luce/Payne/Bettman 2001, S. 33) stellt für den Konsumenten eine Möglichkeit dar, die explizite Entscheidung und somit die negativen Emotionen zu vermeiden (Luce 1998, S. 409f.; Luce/Payne/Bettman 2001, S. 26f.). Luce untersuchte diese Hypothese sehr ausführlich und konnte in seinen Studien u. a. feststellen, dass der Wahl einer entscheidungsvermeidenden Option (Avoidant Option) mehr und intensivere negative Emotionen vorangingen, und die Konsumenten nach der Wahl weniger negative Emotionen erlebten, als bei anderen Entscheidungen (vgl. Luce 1998, S. 419ff.). Entscheidungsvermeidende Optionen, wie der Kaufaufschub zur weiteren Informationssuche (Milgram et al. 1988; Greenleaf/Lehman 1995, S. 188), die Beibehaltung des Status quo (vgl. Luce/Payne/Bettman 2001, S. 33) oder die Wahl einer dominierenden Alternative (vgl. Luce 1998, S. 419) stellen für den Konsumenten verschiedene Möglichkeiten dar, die durch Entscheidungskonflikte ausgelösten negativen Emotionen zu reduzieren oder zu vermeiden (vgl. Anderson 2003, S. 145; Luce 1998, S. 419).

Abschließend sei noch bemerkt, dass Kompromisse bzw. Trade-offs sowohl mit kognitivem als auch mit emotionalem Aufwand für den Konsumenten verbunden sind. Er will diese daher sowohl aus dem einen, als auch aus dem anderen Grund vermeiden: „(...) trade-offs may be avoided to save cognitive effort and/or to cope with negative emotion“ (Luce/Payne/Bettman 2001, S. 21). Für die hier betrachteten Kosten von Produktvielfalt bedeutet dies, dass sich die Trade-off Hypothese sowohl auf affektive als auch auf kognitive Kostenaspekte übertragen lässt. So erschwert die Notwendigkeit zum Kompromiss auch laut der Theorie der Cost of Thinking die Entscheidung (siehe hierzu auch die Ausführungen zu den Cost of Thinking (Shugan 1980) (S. 122ff.)).

Preference Uncertainty Hypothese

Dhar und seine Kollegen (Dhar 1996, 1997; Dhar/Nowlis 1999, S. 369ff.; Dhar/Nowlis/Sherman 1999; Dhar/Simonson 1999), die diese Hypothese formuliert haben, gehen davon aus, dass der Entscheidungskonflikt durch die Präferenz-unsicherheit (Preference Uncertainty) des Konsumenten ausgelöst wird (vgl. Dhar

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1997a, S. 215). Unter Preference Uncertainty versteht man dabei einen Zustand „in which decision makers do not feel they can determine with accuracy which option best meets their goals“ (Anderson 2003, S. 145). Im Unterschied zur Hypothese der negativen Emotionen geht die Preference Uncertainty Hypothese davon aus, dass der Entscheidungskonflikt nicht von der Höhe und der Anzahl der Trade-offs zwischen wichtigen Attributen verschiedener Alternativen abhängt, sondern von den Unterschieden der Produkte hinsichtlich ihrer Gesamtattraktivität für den Konsumenten. Gelingt es einem Konsumenten nicht, eine Alternative zu finden, die in seinen Augen deutlich attraktiver ist als die anderen, hat das zur Folge, dass die dadurch entstandene „preference uncertainty may lead to choice deferral“ (Dhar 1997a, S. 215).

Folgt man den Annahmen der rationalen Theorien, so entscheidet sich ein rational handelnder Konsument für den Entscheidungsaufschub nur dann, wenn ihm entweder keine der vorhandenen Alternativen attraktiv erscheint, oder wenn er erwartet, durch die Suche nach weiteren Alternativen eine noch bessere als die verfügbaren zu finden (vgl. Karni/Schwarz 1977; Beattie/Barlas 1992; Tversky/Shafir 1992, S. 358). Implizite Annahme der rationalen Entscheidungstheorien ist dabei, dass ein Konsument in der Lage ist, unabhängig vom Entscheidungskontext diejenige Alternative zu identifizieren, die aus seiner Sicht den größten Nutzen hat. Voraussetzung hierfür ist, dass er „well-articulated preferences“ (Luce/Payne/Bettman 2001, S. 21), also eine feste Präferenzordnung zwischen zwei Alternativen besitzt, so dass er stets sagen kann, ob die eine Alternative mindestens so gut ist wie die andere (vgl. Herrmann 1998, S. 93f.). Dhar (1997) stellt diese Annahmen in Frage:

„In practice, one often arrives at decisions not with well-established and clearly ranked preferences but, rather, with the need to determine one’s preferences (....). In such situations, not knowing which of the alternatives is most preferred, while not being certain that one wants them equally, may result in indecision and a tendency to avoid commitment” (Dhar 1997a, S. 216).

Dhar und seine Kollegen führen also den Entscheidungskonflikt und das daraus resultierende averse Entscheidungsverhalten, wie beispielsweise den Aufschub einer Kaufentscheidung, auf die Unfähigkeit eines Entscheiders zurück, die beste Alternative zu identifizieren. Ähnlich argumentiert beispielsweise auch Montgomery (1989, S. 23ff.), der in seinem „Dominance-Search Model“ (S. 25) vorschlägt, dass

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Konsumenten eine Entscheidung aufgeben oder verschieben, wenn sie nicht in der Lage sind, eine Dominanzstruktur in den vorhandenen Alternativen zu identifizieren. Präferenzunsicherheit und Entscheidungsverzicht können nach Ansicht von Dhar und seinen Kollegen durch Alternativen, die nur geringe Attraktivitätsunterschiede besitzen, erhöht werden (vgl. Anderson 2003, S. 145). Dhar (1997) konnte diese Hypothese in seinen viel beachteten und bereits an früherer Stelle beschriebenen Studien untermauern (siehe S. 49 ff.): So stellte er fest, dass der Anteil der Testpersonen, die den Kauf abgebrochen oder aufgeschoben haben, durchschnittlich um 11% (χ2(1) = 6,7, p < 0,01) gestiegen ist, wenn sie zwei in etwa gleich attraktive Alternativen zur Auswahl hatten, verglichen mit einer Entscheidungssituation, in der nur eine Alternative zur Wahl stand. Wurde einer Alternative hingegen eine deutlich unattraktivere zweite Alternative hinzugefügt, lag die Kaufhäufigkeit um 14% (χ2(1) = 8,7, p < 0,01) höher, als bei Verfügbarkeit von nur einer Option (vgl. Dhar 1997a, S. 219f.). Daraus lässt sich folgern, dass die Präferenzunsicherheit eines Konsumenten steigt, wenn das Sortiment aus einer Vielzahl von in etwa gleich attraktiven Alternativen besteht. Dadurch stehen dem Entscheider mehrere potenzielle Wege zur Bedürfniserfüllung offen und es fällt ihm schwer, den für ihn optimalen zu identifizieren. Diese Unsicherheit kann dazu führen, dass sich der Konsument avers verhält und die Entscheidung abbricht und/oder auf später verschiebt. Abschließend sei nochmals betont, dass dies dem Regularitätsprinzip der rationalen Entscheidungs-theorie widerspricht, wonach die Wahrscheinlichkeit der Wahl einer zurück-gewiesenen Alternative nicht durch das Hinzufügen weiterer Alternativen erhöht werden kann (vgl. Scholten 2002, S. 686; Tversky/Shafir 1992, S. 358; siehe auch die Erläuterungen zum Regularitätsprinzip auf S. 43f.).

Zusammenfassung der Hypothesen

Mit der Justification Hypothese, der Hypothese der negativen Emotionen und der Preference Uncertainty Hypothese wurden drei Erklärungsansätze zur Entstehung und Wirkung von Entscheidungskonflikten vorgestellt.

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Alle drei Hypothesen gehen davon aus, dass Charakteristika des Sortiments zu negativen Emotionen führen, die der Konsument vermeiden möchte und deshalb Konflikt vermeidende Entscheidungen trifft, indem er

den Kaufprozess aufschiebt oder abbricht,

den Status quo beibehält oder

die Entscheidung an andere Personen wie z. B. Verkäufer oder Freunde delegiert.

Für den hier betrachteten Zusammenhang ist dabei von Interesse, dass alle drei Hypothesen das Verhalten eines Konsumenten durch dessen emotionale Reaktionen auf Sortimentseigenschaften während des Entscheidungsprozesses erklären. Sie bilden somit eine gemeinsame Grundlage zur Entstehung negativer Emotionen als Reaktion auf Entscheidungskonflikte, die durch Eigenschaften der zur Wahl stehenden Alternativen ausgelöst werden.

Die Hypothesen unterscheiden sich aber in ihrer Argumentation bezüglich der Entstehung der negativen Konfliktemotionen:

So geht die Justification Hypothese davon aus, dass Konsumenten das Bedürfnis haben, den Kauf eines bestimmten Produkts vor sich und anderen durch „schlagkräftige“ Argumente rechtfertigen zu können. Empfindet es der Konsument als schwer, diese Argumente zu finden, entsteht durch sein Bedürfnis nach Rechtfertigung ein innerer unangenehmer Spannungszustand, der dazu führen kann, dass er den Kauf abbricht oder delegiert.

Im Gegensatz hierzu macht die Hypothese der negativen Emotionen die Aversion des Konsumenten gegenüber negativen Emotionen für dessen Konflikt vermeidendes Verhalten verantwortlich. Dieser Hypothese liegt die Annahme zugrunde, dass Trade-offs zwischen den Alternativen hinsichtlich bedeutender Attribute zu negativen Emotionen wie z. B. Angst und Verzweiflung (in abgemilderter Form) führen. Da der Konsument diese als unangenehm empfindet, versucht er sie zu vermeiden bzw. zu reduzieren, indem er eine explizite Entscheidung zwischen den Alternativen vermeidet und z. B. den Status quo wählt oder die Entscheidung abbricht.

Die Preference Uncertainty Hypothese erklärt die Wirkung des Entscheidungs-konflikts über die Entstehung eines Unsicherheitsgefühls des Konsumenten, wenn sich dieser nicht in der Lage sieht, das für ihn beste Produkt zu identifizieren. Dieses Gefühl wird hervorgerufen, wenn sich ein Konsument hinsichtlich der eigenen Präferenzen nicht sicher ist und mehrere in etwa gleich attraktive Alternativen zur

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Wahl stehen (vgl. Tyszka 1998, S. 192). Die negative Valenz der Unsicherheit hinsichtlich der eigenen Präferenzen führt ebenfalls dazu, dass der Konsument diese reduzieren will, indem er entweder die Entscheidung vermeidet (Deferral) oder sich für eine hinsichtlich eines bestimmten Aspekts dominierende Alternative entscheidet.

Die drei Hypothesen sind nicht überschneidungsfrei und ergänzen sich teilweise. Anderson (2003) schlägt deshalb vor, dass die drei Konzepte „can be consolidated by (…) a common mediating variable“ (Anderson 2003, S. 146). Diese gemeinsame Größe bezeichnet er als Entscheidungsschwierigkeit (Selection Difficulty) und umschreibt diese wie folgt: „Selection difficulty is (..) experienced when individuals find it difficult to choose a particular course of action, but it may occur in the absence of uncertain preferences or negative emotion, although these are strong correlates of difficulty“ (Anderson 2003, S. 154). Das von Anderson vorgeschlagene Konstrukt „Entscheidungsschwierigkeit“ subsumiert folglich alle negativen Emotionen, die während der Entscheidung von Konsumenten empfunden und durch die Charakteristika der Entscheidungssituation, insbesondere durch Eigenschaften des Sortiments, verursacht werden.

Für diese Untersuchung liefert die Konflikttheorie zusammen mit den drei Hypothesen theoretische Hinweise für die Entstehung negativer Emotionen als Reaktion des Konsumenten auf Charakteristika des Sortiments. Hierbei interessiert insbesondere der Einfluss der Anzahl und der Art der Produktalternativen, welcher nachfolgend verdeutlicht wird.

Einfluss von Anzahl und Art der Produktalternativen auf die Entscheidungs-schwierigkeit

Betrachtet man zunächst den Einfluss der Anzahl der Alternativen auf die Entscheidungsschwierigkeit, so kann die Grundthese, dass eine höhere Anzahl an Alternativen den Entscheidungskonflikt und damit die Entstehung negativer Emotionen erhöht, unter Rückgriff auf die drei vorgestellten Hypothesen begründet werden:

Justification Hypothese

Die Justification Hypothese besagt, dass Konsumenten dann eine Entscheidung treffen, wenn sie diese auf der Basis guter Gründe vor sich und anderen rechtfertigen

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können, aber „(...) these (reasons) become more scarce as the number of options increases“ (Anderson 2003, S. 144). Erhöht sich die Anzahl der Alternativen, wird das Sortiment dadurch tendenziell homogener und die spezifischen Gründe, die für eine bestimmte Alternative sprechen, nehmen ab. Angenommen wird hierbei, dass die zusätzlichen Alternativen ebenfalls attraktiv sind. Würde ein Choice Set aus 20 unattraktiven und nur einer attraktiven Alternative bestehen, gäbe es genügend Gründe, die für diese eine Option sprächen und die Entscheidung wäre leicht (vgl. Tversky/Shafir 1992, S. 358). Besteht die Alternativenmenge dagegen aus zehn Produkten, die alle in etwa gleich attraktiv sind, so ist davon auszugehen, dass die Anzahl der Gründe, die für eine und gegen die anderen Optionen spricht, relativ gering ist; die Entscheidungsschwierigkeit wäre dann hoch. Damit bleibt festzuhalten, dass aufgrund der zunehmenden Homogenität des Sortiments die Anzahl der Argumente, mit deren Hilfe der Konsument eine Entscheidung vor sich und anderen rechtfertigen kann, mit der Anzahl der attraktiven Alternativen im Sortiment abnimmt, was zur Entstehung negativer Emotionen führt und dadurch die Entscheidungsschwierigkeit erhöht.

Preference Uncertainty Hypothese

Obige Argumentation lässt sich auch auf die Preference Uncertainty Komponente übertragen: „(…) adding attractive alternatives can increase choice uncertainty (…)“ (Dhar 1996, S. 266). Werden einem Choice Set zusätzliche attraktive Alternativen hinzugefügt, nimmt die Überlegenheit einzelner Produkte dadurch tendenziell ab. Der Konsument ist dann gezwungen, die Eigenschaften, anhand derer er den subjektiven Nutzen der Alternativen bestimmen will, zu priorisieren, um so das aus seiner Sicht optimale Produkt zu identifizieren. „This process is complicated as options are added, making it more difficult to discriminate between the subjective utilities of options (…)“ (Anderson 2003, S. 158). Voraussetzung für die Priorisierung der Produktattribute ist zudem, dass der Konsument seine eigenen Präferenzen kennt. Dies ist aber nicht immer der Fall; häufig müssen Konsumenten ihre eigenen Präferenzen in Entscheidungssituation zunächst erst einmal selbst bestimmen (vgl. Dhar 1997a, S. 216).

Es entsteht daher sowohl aufgrund der Unsicherheit hinsichtlich der eigenen Attribut-Präferenzen, als auch aufgrund der geringer werdenden diskriminierenden Unterschiede der Produktalternativen beim Konsumenten ein Unsicherheitsgefühl darüber, ob er das zur Erfüllung seiner Bedürfnisse beste Produkt identifizieren kann.

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Der Konsument empfindet die Entscheidung deshalb bei steigender Alternativenzahl als unangenehmer und somit als schwieriger.

Erwähnenswert ist, dass Festinger (1957) von einem gegenteiligen Zusammenhang ausgeht: Er argumentiert, dass der Konflikt abnimmt, wenn durch zusätzliche Alternativen die Ähnlichkeit der Wahlalternativen und damit der Überschneidungs-bereich der Alternativen zunimmt. Für den Konsumenten nimmt dann das Risiko einer Fehlentscheidung und somit der Entscheidungskonflikt ab. Im Gegensatz hierzu behauptet Dhar (1997, S. 217), dass die Präferenzunsicherheit auf die Attraktivitäts-unterschiede der Alternativen zurückgeht und diese geringer werden, wenn die Anzahl der Alternativen steigt. Er kann diese Hypothese in verschiedenen Experimenten untermauern (vgl. Dhar 1997a, S. 216ff.). Sie wird aber auch von Studien gestützt, die beispielsweise gezeigt haben, dass die Kaufwahrscheinlichkeit durch das Hinzufügen einer unterlegenen Alternative zum Sortiment erhöht werden kann (vgl. Huber/Payne/Puto 1982, S. 90ff.; vgl. auch Dhar 1997a, S. 216ff.), und die Anzahl der aufgenommenen Informationen steigt, wenn die Ähnlichkeit der Alternativen zunimmt (vgl. Stone/Schkade 1994, S. 261ff.). Diese Effekte lassen sich auf der Basis der Argumentation von Festinger (1957) nicht erklären (vgl. Dhar 1997a, S. 217). Die vorliegende Arbeit folgt deshalb der Begründung von Dhar und geht von einem mit der Anzahl attraktiver Alternativen steigenden Entscheidungskonflikt aus.

Wie oben bereits betont wurde, beeinflusst neben der Anzahl der Alternativen auch deren Art die Entscheidungsschwierigkeit. So wird beispielsweise die Entscheidung durch die Erweiterung des Sortiments nur dann schwieriger, wenn diesem attraktive Alternativen hinzugefügt werden und dadurch die Unterschiede der Alternativen hinsichtlich ihrer Gesamtattraktivität abnehmen: „Smaller differences in attractiveness of options produces more preference uncertainty. This uncertainty tends to cause greater difficulty in selection, motivating decision avoidance“ (Anderson 2003, S. 158).

Im Hinblick auf die Fragestellungen dieser Untersuchungen heißt dies, dass nicht allein die Anzahl, sondern auch die Attraktivität der Alternativen die Kosten von Produktvielfalt beeinflusst.

Trade-off Avoidance Hypothese (Hypothese der negativen Emotionen)

Den Einfluss der Kombination aus Anzahl und Art der Produkte auf die Schwierigkeit der Entscheidung verdeutlicht auch die Trade-off Hypothese: Wie oben erläutert, sind

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Kompromisse dann erforderlich, wenn eine Option nicht hinsichtlich aller Produkteigenschaften besser ist als alle anderen verfügbaren Alternativen (Between-Alternative Conflict) und/oder wenn eine Alternative sowohl positive als auch negative Eigenschaften aufweist (Within-Alternative Conflict). Nimmt die Anzahl der attraktiven Alternativen im Choice Set zu, so ist zu erwarten, dass auch die Homogenität der Alternativen zu- und somit die Überlegenheit einzelner Produkte abnimmt. Dies führt dazu, dass der Konsument zur Identifikation der besten Alternative eine größere Anzahl an Attributvergleichen machen muss und „the more such comparisons are required (...) the more trade-offs are required to reach a choice“ (Anderson 2003, S. 159). Da die Anzahl und die Höhe der Trade-off sowie die Art der Attribute, die sie betreffen, für die Intensität der negativen Emotionen ausschlaggebend ist (vgl. z. B. Luce 1998, S. 411, Luce/Payne/Bettman 2001, S. 24; Payne/Bettman/Johnson 1993, S. 201ff.; Chatterjee/Heath 1996, S. 154), kann gefolgert werden, dass mit der Anzahl der Alternativen auch die negativen Emotionen zunehmen und somit die Entscheidungsschwierigkeit steigt.

In der Literatur lassen sich Hinweise darauf finden, dass dieser Effekt noch dadurch verstärkt wird, dass mit zunehmender Vielfalt auch die Erwartungen der Konsumenten an das gewählte Produkt steigen (vgl. Desmeules 2002, S. 9f.; Schwartz 2000, S. 85f.). Die Vielzahl an Alternativen bedingt, dass der Entscheider erwartet, ein für sich optimales Produkt zu finden. Dadurch nimmt seine Kompromissbereitschaft ab, was zu einer Intensivierung der mit einem Trade-off verbundenen negativen Emotionen führt. Höhere Produktvielfalt wirkt sich somit in doppelter Hinsicht negativ aus: Einerseits erhöht sie die Anzahl der Trade-offs und somit die Hauptursache negativer Emotionen. Anderseits reduziert sie die Kompromiss-bereitschaft, steigert also die Aversion gegenüber Kompromissen und verstärkt dadurch die aufgetretenen negativen Emotionen.

Ähnlich wie bei der Präferenzunsicherheit spielt aber auch hier die Art der Alternativen eine wichtige Rolle. So konnten Gourville und Soman (1999) in ihrer an früherer Stelle schon beschriebenen Studie (siehe S. 51 ff.) zeigen, dass der Einfluss der Produktvielfalt auf das Kaufverhalten von der Vergleichbarkeit (Alignability) der Alternativen abhängt: Variieren die Produktalternativen hinsichtlich nicht vergleichbarer Attribute, so nimmt die Kaufintention mit zunehmender Alternativenzahl ab (vgl. Gourville/Soman 1999, S. 11). Die Autoren begründen diese Erkenntnis damit, dass der Konsument bei steigender Alternativenzahl mehr und schwierigere Trade-offs machen muss, wenn die Produktalternativen nicht vergleichbar sind (vgl. Gourville/Soman 1999, S. 8f.). Verdeutlichen lässt sich dies an

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einem Beispiel: Im ersten Fall hat ein Konsument die Wahl zwischen zwei Computern A und B einer bestimmten Marke. A hat einen Prozessor mit 3,5 GHz Taktfrequenz, eine Festplatte mit 40 GB und kostet € 1.500. Computer B hat eine Taktfrequenz von 3,5 GHz, eine Festplatte mit 60 GB und kostet € 1.600. Bei der Entscheidung muss der Käufer „nur“ überlegen, ob er €100 für den zusätzlichen Festplattenspeicherplatz aus-geben will. Im zweiten Fall ist Computer A identisch zu dem im ersten Fall, Computer B hat aber einen Prozessor mit 3,3 GHz, eine Festplatte mit 60 GB und zusätzlich bekommt der Käufer einen Tintenstrahldrucker. Computer B kostet € 1.700. Die beiden Computer sind im zweiten Fall schwieriger zu vergleichen als im ersten, da der Käufer jetzt Kompromisse hinsichtlich der Prozessorleistung, der Festplattengröße und des Preises machen muss und zusätzlich den Drucker zu berücksichtigen hat. Der Entscheidungskonflikt und somit die Entscheidungsschwierigkeit nimmt also sowohl aufgrund der gestiegenen Anzahl an Trade-offs, als auch aufgrund der Nicht-Vergleichbarkeit der Alternativen zu (vgl. March/Simon 1993, S. 133).

Zusammenfassend gibt die Trade-off Hypothese mehrere Anhaltspunkte dafür, dass mit der Anzahl attraktiver Alternativen die Entstehung negativer Emotionen begünstigt wird und dadurch die Entscheidungsschwierigkeit steigt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn gleichzeitig die Vergleichbarkeit der Alternativen untereinander (Alignability) abnimmt. Beide Größen sollen deshalb bei der Untersuchung der Einflussfaktoren des Sortiments auf Kosten und Nutzen von Produktvielfalt berücksichtigt werden.

In den Worten von Dhar (1996) lässt sich der Einfluss (zu) hoher Produktvielfalt auf den emotionalen Zustand und das Verhalten des Konsumenten wie folgt zusammenfassen: „(...) when the decision situation offers many equally acceptable alternatives and none that can easily be verified as the best, it may create feelings of confusion leading to a reluctance to commit to an action“ (Dhar 1996, S. 216).

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Konsequenzen negativer Emotionen während der Entscheidung

Die Folgen negativer Prozessemotionen und der damit verbundenen hohen Entscheidungsschwierigkeit wurden schon mehrfach erwähnt und sollen an dieser Stelle nochmals kurz zusammengefasst werden: In verschiedenen, teilweise in Kapitel 2.1 (S. 42ff.) detailliert beschriebenen Untersuchungen wurde gezeigt, dass negative Emotionen und hohe Entscheidungsschwierigkeit zu Entscheidungs vermeidendem Verhalten (Avoidant Options) des Konsumenten führt. Demzufolge reagiert ein Konsument auf Situationen mit hoher Entscheidungsschwierigkeit mit

Kaufaufschub zur weiteren Informationssuche (Tversky/Shafir 1992, S. 358; Dhar 1996; Dhar/Sherman 1996; Dhar 1997a; Luce et al. 1997; Dhar/Nowlis 1999, S. 381; Dhar et al. 1999; Beattie/Barlas 2001; Milgram et al. 1988; Greenleaf/Lehman 1995, S. 188; Brownstein 2003, S. 547f.), der

Beibehaltung des Status quo (vgl. Luce/Payne/Bettman 2001, S. 33; Redelmeier/Sharif 1995; Riis/Schwarz 2000; Baron/Ritov 1994), der

Wahl einer dominierenden Alternative (vgl. z. B. Anderson 2003, S. 145; Luce 1998, S. 419) oder der

Delegation der Verantwortung an eine andere Person wie z. B. den Verkäufer oder einen Freund (vgl. Beattie/Baron/Hershey 1994, S. 130f.; Brownstein 2003, S. 547f.).

Neben diesen unmittelbaren Folgen für den Entscheidungsausgang wirkt sich die emotionale Schwierigkeit einer Entscheidung auch auf Nachkaufprozesse, insbesondere auf die Evaluation des Kaufs und des Kaufprozesses aus:

Schwierige Entscheidungen mit hohem Entscheidungskonflikt reduzieren das Vertrauen in die Richtigkeit der eigenen Entscheidung (vgl. Tversky 1972; Fischer et al. 2000; Luce/Jia/Fischer 2003, S. 469f.; Zakay 1985, S. 79).Dadurch wird die Entstehung kognitiver Dissonanz nach dem Kauf begünstigt (vgl. Anderson/Taylor/Holloway 1966, S. 62ff.; Oliver 1996, S. 252f.). Diese wiederum steht in engem Zusammenhang mit der Heraus-bildung von Zufriedenheitsurteilen hinsichtlich des gekauften Produkts und des Kaufprozesses (Oliver 1996, S. 261).

Hohe Entscheidungsschwierigkeit führt deshalb zu reduzierter Zufriedenheit mit dem Kaufprozess und dem gekauften Produkt (vgl. Houston/Sherman/ Baker 1991, S. 427f.).

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Zusammenfassend lässt sich hinsichtlich der Folgen von Entscheidungskonflikten festhalten: Ist ein Konsument mit einer schwierigen Entscheidung konfrontiert, wie dies z. B. bei hoher Produktvielfalt der Fall ist, können dadurch sowohl sein Kaufverhalten als auch die nachgelagerten Bewertungsprozesse negativ beeinflusst werden.

Zusammenfassung

In diesem Kapitel wurde auf Basis der Konflikttheorie aufgezeigt, wie sich Anzahl und Art der verfügbaren Produkte in einer Entscheidungssituation auf das Konsumentenverhalten auswirken können und welche Anhaltspunkte sich daraus für die Kostendimension des Werts von Produktvielfalt ergeben. Die Annahme, dass höhere Produktvielfalt den Entscheidungskonflikt verstärkt, zu negativen Emotionen und zu Entscheidungs vermeidendem Verhalten des Konsumenten führt wurde dabei auf drei Hypothesen gestützt:

1. Die Justification Hypothese besagt, dass Konsumenten eine Entscheidung vor sich und anderen begründen können möchten. Für die Wahl einer bestimmten Alternative muss es deshalb „gute Gründe“ geben, die für diese und gegen andere Optionen sprechen. Nimmt die Anzahl der (attraktiven) Alternativen zu, steigt tendenziell auch die Homogenität des Sortiments an, weshalb die Gründe für oder gegen eine Alternative abnehmen. Eine Erhöhung der Produktvielfalt führt deshalb zu einer schwierigeren Entscheidung.

2. Ähnlich ist die Argumentation der Preference Uncertainty Hypothese: Hier wird entgegen der rationalen Entscheidungstheorie angenommen, dass Konsumenten keine vorab festgelegten Präferenzen hinsichtlich aller Alternati-ven und deren Attribute haben, wenn sie eine Entscheidung beginnen. Sieht sich ein Konsument in einer Entscheidungssituation einer großen Anzahl von Alternativen gegenüber, entsteht aufgrund der fehlenden Präferenzen ein Gefühl der Präferenzunsicherheit, das einen Zustand „in which decision makers do not feel they can determine with accuracy which option best meets their goals“ (Anderson 2003, S. 145) beschreibt.

3. Annahme der Trade-off Hypothese ist, dass Konsumenten bei einer Entscheidung Kompromisse (Trade-offs) eingehen müssen. Diese können sich sowohl auf positive und negative Aspekte einer Alternative als auch auf einzelne Attribute verschiedener Alternativen beziehen. Kompromisse hinsichtlich bedeutender

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Produkteigenschaften führen zu negativen Emotionen, die der Konsument als unangenehm empfindet und deshalb vermeiden möchte. Steigt die Anzahl der Alternativen, so nimmt tendenziell die Überlegenheit einzelner Produkte ab und der Entscheider ist gezwungen, die Produkte intensiver miteinander zu vergleichen und Kompromisse bei der Entscheidung einzugehen. Dadurch führt die höhere Anzahl an (attraktiven) Alternativen zur verstärkten Entstehung negativer Emotionen und erschwert so die Entscheidung.

Da die drei erklärenden Hypothesen nicht überschneidungsfrei sind und an vielen Stellen eher ergänzenden Charakter haben, wurde, der theoretischen Konzeption von Anderson (2003) folgend vorgeschlagen, die drei Hypothesen unter einem gemeinsamen Konzept der emotionalen Entscheidungsschwierigkeit (Decision Difficulty) zusammenzufassen. Diese beschreibt Emotionen mit negativer Valenz, die eine affektive Reaktion auf Charakteristika der Entscheidungssituation, wie z. B. die Anzahl der Alternativen, darstellen. Zu betonen ist hierbei, dass diese negativen Emotionen im Entscheidungsprozess entstehen und erlebt werden und deshalb von antizipierten Emotionen zu unterscheiden sind.

Die Verhaltensrelevanz negativer Emotionen basiert darauf, dass der Konsument negative Emotionen als unangenehm empfindet, ihnen gegenüber deshalb avers ist und sie vermeiden möchte. Er wählt folglich Verhaltenweisen, die ihm dies ermöglichen. Beispiele hierfür sind der Kaufaufschub, die Wahl des Status quo oder einer klar unterscheidbaren Alternative, sowie die Delegation der Entscheidung an andere, wie z. B. den Verkäufer.

Neben diesen unmittelbaren Konsequenzen auf das Kaufverhalten wirken sich Kaufsituationen, die mit negativen Emotionen im Entscheidungsprozess verbunden sind, auch negativ auf die nachgelagerten Bewertungsprozesse aus. So wurde aufgezeigt, dass eine Entscheidung mit emotionaler Entscheidungsschwierigkeit zu einer reduzierten Zufriedenheit mit dem Kaufprozess und dem gekauften Produkt führen kann und die Entstehung kognitiver Dissonanz begünstigt.

Die für diese Untersuchung wichtigsten aus der Konflikttheorie ableitbaren Aspekte sind in Abbildung 36 zusammengefasst.

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Kos

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Determinanten

Argumentationslogik der Wirkung

Konsequenzen

Facetten der KPV

Kostendimension

Entstehung negativer Emotionen und Erhöhung der Entscheidungsschwierigkeit

Gründe, die für ein Produkt sprechen nehmen mit zunehmender Vielfalt abPräferenzunsicherheit nimmt mit zunehmender Vielfalt zuÜberlegenheit einzelner Produkte nimmt ab und macht Kompromissen notwendig

Verhaltensrelevanz entsteht aus der Aversion des Konsumenten gegen negative Emotionen

Anzahl der Produkte Kaufintention

ZufriedenheitProzessProdukt

+

negative Emotionen

Facetten der KPV

_

_

Vergleichbarkeit

Klare Produktunterschiede

Kompromissnotwendigkeit +

__

kognitive Dissonanz +

Aufwand und Anstrengung

Kos

tenQua

ntita

tivQ

ualit

ativ

Aus

gang

d.

Ents

chei

dung

Bew

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ng

Determinanten

Argumentationslogik der Wirkung

Konsequenzen

Facetten der KPV

Kostendimension

Entstehung negativer Emotionen und Erhöhung der Entscheidungsschwierigkeit

Gründe, die für ein Produkt sprechen nehmen mit zunehmender Vielfalt abPräferenzunsicherheit nimmt mit zunehmender Vielfalt zuÜberlegenheit einzelner Produkte nimmt ab und macht Kompromissen notwendig

Verhaltensrelevanz entsteht aus der Aversion des Konsumenten gegen negative Emotionen

Anzahl der Produkte Kaufintention

ZufriedenheitProzessProdukt

++

negative Emotionen

Facetten der KPV

__

__

Vergleichbarkeit

Klare Produktunterschiede

Kompromissnotwendigkeit ++

____

kognitive Dissonanz ++

Aufwand und Anstrengung

Abbildung 36: Zusammenfassende Darstellung des Zusammenhangs der Konflikttheorie und den Kosten von Produktvielfalt

Mit der detaillierten Betrachtung der Antizipation von Regret aufgrund von hoher Produktvielfalt steht ebenfalls eine affektive Reaktion des Konsumenten im Mittelpunkt des nächsten Kapitels.

2.3.2.3 Antizipiertes Regret

„Anticipation of regret is likely to favor inaction and routine behavior“ (Kahneman/Tversky 1982, S. 171)

Kahneman und Tversky (1982) bringen mit obigen Zitat die für diese Arbeit zentrale Hypothese hinsichtlich der Wirkung von antizipiertem Regret zum Ausdruck: Die Antizipation von Regret (Bedauern) während einer Kaufentscheidung kann zu deren Aufschub oder Verzicht führen. Anschließend wird auf Basis der Regret-Theorie aufgezeigt, dass hohe Produktvielfalt die Entstehung antizipierten Regrets fördern kann. Hierzu werden zunächst die theoretischen Grundlagen zur Entstehung und Wirkung von Regret knapp dargestellt und darauf aufbauend auf die Ursachen und

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verhaltensrelevanten Konsequenzen von antizipiertem Regret eingegangen. Dabei wird insbesondere der Einfluss der Produktvielfalt verdeutlicht.

Die Regret-Theorie

Bedauern (Regret) ist eine in Konsumsituationen sehr häufig vorkommende Emotion (vgl. Shimanoff 1984, S. 514), die durch eine vom Entscheider wahrgenommene „(...) difference in value between the assets actually received and the highest level of assets produced by other alternatives“ (Bell 1982, S. 963) hervorgerufen wird. Regret entsteht in Konsumsituationen folglich dann, wenn ein Konsument die von ihm gewählte Alternative mit den anderen, ausgeschlagenen, vergleicht und dabei zu dem Schluss kommt, dass ein anderes Produkt die bessere Wahl gewesen wäre. Voraussetzung für das Empfinden von Bedauern wäre demnach ein Feed-back über die Performance der abgelehnten Alternativen. In Untersuchungen (vgl. z. B. Bell 1983, S. 1156; Larrick/Boles 1995, S. 95) wurde aber gezeigt, dass Individuen auch Entscheidungen bedauern, bei denen die Ergebnisse der nicht gewählten Optionen unbekannt sind; Konsumenten also kein Feed-back zur Performance der nicht gewählten Alternativen bekommen.

Zeelenberg (1996) berücksichtigt dies in seiner umfassenden Regret-Definition, die den folgenden Ausführungen zugrunde gelegt wird. Er definiert Bedauern als „(...) a negative, cognitively determined emotion that we experience when realizing or imagining that our present situation would have been better, had we acted differently“ (S. 6). Hierin kommt neben der negativen Valenz der Empfindung von Bedauern auch dessen kognitiver Ursprung zum Ausdruck. Die gedanklichen Prozesse beinhalten dabei einerseits den Ergebnisvergleich der gewählten Alternative mit den ausgeschlagenen Optionen und andererseits die geistige Aufbereitung des Entscheidungsprozesses (vgl. Seilheimer 2001, S. 4).

Die zentrale These der Regret-Theorie ist, dass der vom Konsumenten empfundene Gesamtnutzen einer Entscheidung nicht nur vom Nutzen des gewählten Produkts, sondern auch von der nachträglichen realen oder imaginären Beurteilung der zurückgewiesenen Alternativen abhängt.

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Dies gilt sowohl im positiven als auch im negativen Sinne:

Schneidet beim Vergleich das gewählte Produkt positiv ab, ist sich der Entscheider also sicher, das beste Produkt aus den verfügbaren gewählt zu haben, so empfindet er Freude (Rejoicing) über den Kauf.

Ergibt der Vergleich aber, dass eine andere Option die bessere Wahl gewesen wäre, so entsteht Bedauern (Regret) (vgl. Loomes/Sugden 1987, S. 119).

Der Gesamtnutzen der gewählten Alternative wird entsprechend nachträglich erhöht oder reduziert, wenn der Konsument aufgrund des Vergleichs Rejoicing bzw. Regret empfindet. Der Einfluss der zurückgewiesenen Alternativen auf den Gesamtnutzen der Entscheidung stellt den wesentlichen Unterschied der Regret-Theorie zur Erwartungsnutzen-Theorie dar, die davon ausgeht, dass der Gesamtnutzen der Entscheidung unabhängig von den nicht gewählten Optionen ist (vgl. Herrmann/Huber/Seilheimer 2003, S. 226).

Hinsichtlich der Folgen des Regret bzw. Rejoicing ist entscheidend, dass Menschen das Bedauern einer schlechten Wahl als schlimmer empfinden, als die Freude über eine gute Wahl (vgl. Zeelenberg/van Dijk 1997, S. 684; Mellers/Schwartz/Ritov 1999, S. 338). Dieses Phänomen ist aus der Prospect-Theorie bekannt (vgl. Kahneman/ Tversky 1979, S. 277ff.) und wird dort als Verlustaversion (Loss Aversion) bezeichnet: „Loss aversion refers to the human tendency to weight outcomes viewed as loss from an arbitrary reference point more heavily than equivalent gains“ (Anderson 2003, S. 151). Analog hierzu wird die Abneigung gegenüber dem Regret als Regret-Aversion bezeichnet (vgl. Anderson 2003, S. 151). In der grafischen Darstellung der Regret-Funktion (siehe Abbildung 37) wird dies aus dem steileren Verlauf des Graphen im negativen Bereich der x-Achse deutlich. Erkennbar ist hieraus außerdem, dass der Nutzen der gewählten Alternative den Referenzpunkt der Regret-Funktion bildet und – im Gegensatz zur Prospect-Theorie – das Bedauern bzw. die Freude überproportional zur Abweichung der gewählten Alternative von diesem wächst (vgl. Sugden 1992, S. 172; Seilheimer 2001, S. 13).

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Freude(Rejoicing)

Bedauern(Regret)

Abweichung der gewählten Alternative zur ausgeschlagenen Option

-x2 -x1

x1 x2

R (x1)

R (x2)

R (-x1)

R (-x2)

Gewählte Alternative(Referenzpunkt)

Abbildung 37: Idealtypischer Verlauf der Regret-Funktion. In Anlehnung an Seilheimer 2001, S. 14

Obiger Darstellung liegt die entscheidungstheoretisch geprägte Annahme der Regret-Theorie zugrunde, dass allein die Differenz des Nutzens der gewählten und der ausgeschlagenen Alternativen die Ursache für Bedauern bzw. Freude sind. Dadurch kann aber die Entstehung, die Höhe und die Wirkung des Regrets nicht adäquat erklärt werden (vgl. Herrmann/Huber/Seilheimer 2003, S. 226). Vielmehr spielen die Art der Entscheidungsfindung und die Charakteristika des Entscheidungsproblems hierbei eine wichtige Rolle (vgl. z. B. Kahneman/Tversky 1982, S. 201ff.). Auf diese für den Zusammenhang mit der Produktvielfalt wichtigen Antezedenzien des Regrets wird nachfolgend näher eingegangen. Hierbei wird der Argumentation von Herrmann, Huber und Seilheimer folgend, insbesondere auf die Theorie des Counterfactual Thinking eingegangen (vgl. Herrmann/Huber/Seilheimer 2003, S. 226).

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Antezedenzien des Regret

Die Theorie des Counterfactual Thinking

Roese (2000) definiert Counterfactual Thinking wie folgt: „Counterfactual thinking refers to imaginings of alternatives to past outcomes. These thoughts of what might have been often take the form of a conditional proposition, as in ¸If only I had bought a Ford instead of a Chrysler, I would have saved a lot of money’ ” (Roese 2000, S. 277). Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff Counterfactual „gegensätzlich zu den Fakten“. Als Counterfactuals werden folglich Gedanken bezeichnet, die durch mentale Simulation alternative hypothetische Szenarien zu realen zurückliegenden Ereignissen schaffen (vgl. Tsiros/Mittal 2000, S. 403).

Wie bereits oben erwähnt, können Menschen auch dann Bedauern bzw. Freude empfinden, wenn sie keine Informationen hinsichtlich der Ergebnisse zurück-gewiesener Alternativen haben. Erklärt werden kann dies durch die Theorie des Counterfactual Thinking: „People undertake counterfactuals in an attempt to provide a comparison standard to reality“ (Tsiros/Mittal 2000, S. 403). Hat ein Individuum nach einer Entscheidung nur Informationen über die Performance der gewählten Option, kann es sich durch die Generierung von Counterfactuals „künstliche“ Vergleichspunkte schaffen, mit denen es die gewählte Alternative vergleicht. Diese können besser (Upward Counterfactuals) oder schlechter (Downward Counterfactuals) als das tatsächlich ausgesuchte Produkt sein und dementsprechend zu Regret oder Rejoicing führen. Für die Art der empfundenen Emotion (Regret oder Rejoicing) ist demzufolge die Richtung der generierten Counterfactuals verantwortlich. Die Stärke der emotionalen Reaktion wird durch die Anzahl der Counterfactuals bestimmt (vgl. Zeelenberg et al. 1998, S. 118; Tsiros/Mittal 2000, S. 405).

Die Motivation und Fähigkeit, Counterfactuals zu erzeugen, hängt vom Risiko und der empfundenen Verantwortung, sowie von situationsspezifischen Eigenschaften der Entscheidung, wie der Umkehrbarkeit und Valenz des Ergebnisses ab. Ebenso ist entscheidend, ob mit der Wahl der Alternative eine Veränderung des Status quo einhergegangen ist (vgl. z. B. Tsiros/Mittal 2000, S. 404ff.; Gilovich/Medvec 1994, S. 359). Entsteht ein Zustand durch die Veränderung des Status quo, so führt dies zu stärkeren kognitiven und emotionalen Reaktionen und damit zu mehr Counterfactuals, als wenn derselbe Zustand durch die Beibehaltung des bisherigen Status erreicht

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würde(vgl. Kahneman 1985; Kahneman/Tversky 1982; Landman 1987). Erklärt werden kann dies nach Tsiros und Mittal (2000) auf Basis der Informations-verarbeitungs- und der Attributionstheorie:

Aus der Perspektive der Informationsverarbeitung wird die Veränderung des Status quo vom Konsumenten deutlicher wahrgenommen und dadurch besser erinnert als der Verbleib beim derzeitigen Zustand. Es ist ferner leichter, sich die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands vorzustellen, als dessen Veränderung (vgl. Tsiros/Mittal 2000, S. 404). Der Argumentation der Attributionstheorien folgend „(...) (may) people attribute a stronger link between their decision to change the Status quo and their attitudes and beliefs than their decision to retain the Status quo and their attitudes and beliefs“ (Tsiros/Mittal 2000, S. 404). Ursache hierfür ist, dass ein Konsument eine Aktion, sprich die Veränderung des Status quo, auf sich attribuiert und sich deshalb für die Entscheidung verantwortlich fühlt (interner Lokus). Untätigkeit hingegen (beibehalten des Status quo) lässt sich leichter extern attribuieren (vgl. Herrmann/Huber/Seilheimer 2003, S. 229). Die affektive und kognitive Reaktion und damit auch die Generierung von Counterfactuals ist stärker, wenn sich der Konsument selbst für die Entscheidung verantwortlich fühlt und diese folglich auf sich attribuiert (vgl. Weiner 1982, S. 185ff.; Folkes 1988, S. 557). Es besteht daher ein enger Zusammenhang von Verantwortung und Regret: „A sense of personal responsibility is central to the experience of regret“ (Gilovich/Medvec 1994, S. 359; vgl. auch Simonson 1992, Zeelenberg/van Dijk/Manstead 1998).

Zusammenfassend lässt sich damit sagen, dass die Veränderung des Status quo die Generierung von Counterfactuals und die Entstehung von Regret bzw. Rejoicing begünstigt. Dies ist in dem hier betrachteten Zusammenhang von besonderem Interesse, da Kaufentscheidungen typischerweise nicht mit der Beibehaltung des Status quo, sondern durch den Kauf eines neuen Produkts mit dessen Veränderung verbunden sind und daher eher zu Regret führen können (vgl. Kahneman/Miller 1986, S. 136ff.).

Neben der Veränderung bzw. dem Beibehalten des Status quo und der Verantwortung wurden oben das Risiko sowie die Umkehrbarkeit und Valenz des Ergebnisses als Einflussfaktoren auf die Entstehung von Counterfactuals und Regret genannt.

Ist die Entscheidung mit hohem finanziellen und/oder sozialem Risiko verbunden, geht es also z. B. um den Kauf eines teuren oder prestigeträchtigen Produkts, setzt sich der Konsument intensiv mit der Kaufentscheidung auseinander, indem er die Alternativen während des Entscheidungsprozesses gründlich miteinander vergleicht.

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Hierzu versucht er auch die Zukunft mental zu simulieren, indem er Counterfactuals – bzw. korrekter – Prefactuals (siehe S. 168ff.) generiert (vgl. Tsiros/Mittal 2000, S. 403). Bleibt das Ergebnis der Kaufentscheidung hinter den Erwartungen zurück, versucht der Käufer mit Nachdruck hierfür eine Erklärung zu finden, indem er Counterfactuals produziert (vgl. Herrmann/Huber/Seilheimer 2003, S. 229; Gleicher et al. 1990, S. 293). Je höher somit das vom Konsumenten empfundene Risiko einer Entscheidung, desto wahrscheinlicher ist die Entstehung von Counterfactuals. Bei der hier betrachteten Art der „echten“ Kaufentscheidungen (siehe S. 37ff.), die mit einem gewissen finanziellen Risiko verbunden sind, ist die Entstehung von Counterfactuals deshalb wahrscheinlich.

Ist eine Entscheidung umkehrbar, verhält sich der Konsument eher passiv und ist nicht motiviert, kognitiven Aufwand in die mentale Simulation alternativer Szenarien zu investieren (vgl. Tsiros/Mittal 2000, S. 404). Ist das Ergebnis einer Entscheidung hingegen nicht umkehrbar, ist die Entscheidung mit größerem Risiko verbunden, was wiederum die Entstehung von Counterfactuals und Regret begünstigt (s.o.).

Die Valenz einer Entscheidung wirkt sich dahingehend auf die Generierung von Counterfactuals aus, dass „negative outcomes stimulate more counterfactual thinking than positive outcomes“ (Tsiros/Mittal 2000, S. 405). Ein Grund für dieses asymmetrische Verhalten ist, dass sich Individuen bemühen, einen positiven Zustand zu erhalten, wohingegen sie versuchen, einen negativen Zustand zu verbessern (vgl. Isen/Geva 1987). Folglich sind Konsumenten, die das Ergebnis einer Entscheidung positiv beurteilen, kaum motiviert, alternative Szenarien in Form von Counterfactuals zu generieren. Ist das Entscheidungsergebnis hingegen schlechter als erwartet, versucht der Entscheider durch mentale Simulation eine geeignete Alternative zu finden, um in Zukunft bessere Entscheidungen treffen zu können (vgl. Tsiros/Mittal 2000, S. 405).

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Zusammenfassend wird die Generierung von Counterfactuals und die damit verbundene Entstehung von Regret oder Rejoicing im Wesentlichen von

der Valenz und Umkehrbarkeit des Ergebnisses sowie

dem Risiko und der

empfundenen Verantwortung bei der Entscheidung beeinflusst.

Des Weiteren entstehen Counterfactuals ceteris paribus insbesondere dann, wenn die Entscheidung mit einer Veränderung des derzeitigen Zustands, des Status quo verbunden ist. Dieser Aspekt ist für den hier betrachteten Zusam-menhang von besonderer Relevanz und wird in einem späteren Abschnitt zum antizipierten Regret noch vertieft (siehe S. 173f.).

Der Einfluss der Vielfalt in der Entscheidungssituation auf die Entstehung von Regret

Im letzten Abschnitt wurden die in der Literatur als wesentlich erachteten Antezedenzien von Regret beschrieben. Für die Fragestellung dieser Arbeit interessiert insbesondere, welchen Einfluss die Produktvielfalt in der Entscheidungssituation auf die Entstehung von Regret hat. Zentrale Annahme ist hierbei, dass höhere Vielfalt zu mehr Regret führt. Diese Hypothese stützt sich im Wesentlichen auf drei Argumentationsstränge:

Hohe Produktvielfalt in der Entscheidungssituation führt erstens dazu, dass dem Konsumenten die hohe Wahrscheinlichkeit einer Fehlentscheidung, sowie deren Folgen besonders deutlich werden (vgl. Amir o.J., S. 5). Zurückzuführen ist dies darauf, dass die Generierung von Counterfactuals durch die vielen Alternativen wahrscheinlicher und leichter ist und in Folge dessen das Bewusstsein (Awareness) für das Fehlentscheidungsrisiko steigt (vgl. Kahneman/Tversky 1982; Amir o.J., S. 4f.). Dadurch wird die mentale Simulation alternativer Szenarien nochmals verstärkt (siehe hierzu die Ausführungen zum wahrgenommenen Risiko). Insgesamt fördert diese verstärkte Generierung von Counterfactuals die Entstehung von Regret oder Rejoicing (vgl. Simonson 1992; Gilovich/Medvec 1995; Bell 1985; Gul 1991; Tsiros/Mittal 2000).

Als zweites Argument kann angeführt werden „(...) that as consumers perceive more variety, they may set their expectations, and thus their goals too high“ (Desmeules 2002, S. 10; Hervorhebung nicht im Original). Wenn der Konsument anschließend das Ergebnis des Kaufs mit diesen zu hohen Erwartungen vergleicht, fällt die Beurteilung

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der eigenen Entscheidung meist negativ aus. Da „negative outcomes stimulate more counterfactual thinking than positive outcomes“ (Tsiros/Mittal 2000, S. 405) kann angenommen werden, dass durch (zu) hohe Produktvielfalt Regret entstehen kann.

Schließlich haben drittens Untersuchungen gezeigt, dass „choice-makers in extensive-choice contexts might feel more responsible for their choices given the potential opportunity of finding the very best option (…)“ (Sethi-Iyengar/Lepper 2000, S. 999; Hervorhebung nicht im Original). Wie oben gezeigt wurde, generiert der Konsument mehr Counterfactuals und schafft damit die Voraussetzung für die Entstehung von Regret, wenn er sich für eine Entscheidung verantwortlich fühlt (siehe S. 163f.).

Insgesamt lässt sich damit vermuten, dass die Entstehung von Regret wahrscheinlicher ist, wenn ein Konsument aus einem großen Sortiment wählt. Verglichen damit sollte die Wahl aus einer moderaten Anzahl an Alternativen zu weniger Bedauern führen.

Konsequenzen des Regret

Regret steht in engem Zusammenhang mit der Zufriedenheit und wird in der Literatur als deren Antezedenz bezeichnet (vgl. Oliver 1997; Inman et al. 1997). So konnten z. B. Tsiros und Mittal (2000) zeigen, dass ein höheres Maß an Regret zu einer signifikanten Reduktion der Zufriedenheit führt (siehe auch Abbildung 38). Dies ist dadurch zu erklären, dass Konsumenten bei der Herausbildung eines Zufriedenheits-urteils die Performance des gewählten Produkts einerseits mit ihren Erwartungen vergleichen, andererseits aber auch die zurückgewiesenen Alternativen als Vergleichsmaßstab verwenden (vgl. Herrmann/Huber/Wricke 1999, S. 677ff.; Taylor 1997, S. 229ff.). Entspricht das gewählte Produkt hierbei zwar den Erwartungen des Konsumenten, hätte eine andere Alternative diese aber deutlich übertroffen, so ist davon auszugehen, dass der Konsument mit seinem Kauf unzufrieden ist (vgl. Herrmann/Huber/Seilheimer 2003, S. 230f.). Zusammenfassend ist also von einem negativen Zusammenhang von Regret und Zufriedenheit auszugehen (vgl. Tsiros/Mittal 2000, S. 408).

Regret beeinflusst neben der Zufriedenheit auch die Loyalität bzw. die Wiederkaufsabsicht des Konsumenten. Da zwischen Zufriedenheit und dem Wiederkaufverhalten ein positiver Zusammenhang besteht (vgl. Oliver 1980; Fornell 1992, S. 14, Anderson/Sullivan 1993; S. 141), reduziert Regret indirekt über die Zufriedenheit die Wiederkaufabsicht (vgl. Herrmann/Huber/Seilheimer 2003, S. 213;

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Tsiros/Mittal 2000, S. 405). Regret kann sich aber auch direkt auf die Wiederkaufs-intention auswirken: Ist ein Kunde mit dem von ihm gewählten Produkt zwar zufrieden, stellt er mittels realem oder imaginärem Vergleich (Counterfactuals) im Nachhinein aber fest, dass die Wahl eines anderen Produkts zu einem besseren Ergebnis geführt hätte, so ist es wahrscheinlich, dass er bei der nächsten Kaufgelegenheit zu diesem anderen Produkt wechselt. Er verhält sich also illoyal, obwohl er mit dem Kauf zufrieden ist (vgl. Tsiros/Mittal 2000, S. 408). Ein höheres Maß an Regret reduziert damit die Wiederkaufsabsicht sowohl direkt als auch indirekt über eine geminderte Zufriedenheit. Tsiros und Mittal (2000) konnten in ihren Experimenten diese Zusammenhänge empirisch zeigen (S. 408). Ihre Untersuchungs-ergebnisse sind in Abbildung 38 in Form eines Pfaddiagramms dargestellt.

Regret 1 Regret 2 Regret 3

Satisfaction 1 Satisfaction 2 Satisfaction 3

Repurchase

Complaint

Regret

Satisfaction

0,88* 0,84* 0,79*

0,97* 0,94* 0,89*

- 0,33*

- 0,41*

0,09NS

0,43*- 0,38*

*: p < 0,05; NS: nicht signifikant

Abbildung 38: Die Auswirkungen von Regret auf die Zufriedenheit und die Wiederkaufsabsicht. In Anlehnung an Tsiros/Mittal 2000, S. 408

Die bisherigen Ausführungen zum Regret haben Einflussgrößen und Konsequenzen von Regret verdeutlicht und den Bezug zur Produktvielfalt hergestellt. Diese durch Counterfactuals hervorgerufenen Emotionen sind aber nicht direkt entscheidungs-relevant, da sie erst nach der Kaufentscheidung entstehen und das Wohlbefinden, wie z. B. die Zufriedenheit des Konsumenten beeinflussen (vgl. Seilheimer 2001, S. 67). Die Regret-Aversion wirkt sich aber auch auf das Kaufverhalten aus „(...) because the possibility of regret is anticipated (by consumers, d. V.), and subsequently taken into account when making decisions“ (Zeelenberg 1999, S. 101). Konsumenten können Regret bzw. Rejoicing folglich antizipieren und auf diese Weise in die

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Entscheidung einbeziehen (vgl. Mellers/Schwartz/Ritov 1999, S. 333). Hierauf geht der nächste Abschnitt genauer ein.

Antizipiertes Regret

Counterfactuals spielen, wie oben gezeigt wurde, bei der Entstehung von Regret eine wichtige Rolle, da sie durch mentale Simulation Alternativen zu zurückliegendem Entscheidungsverhalten erzeugen können, d. h. der Konsument stellt sich vor, wie er sich in der Gegenwart (nach dem Kauf) fühlen würde, wenn er sich für ein anderes Produkt entschieden hätte. Konsumenten verhalten sich während einer Kaufentscheidung analog hierzu und „(...) imagine the costs and benefits of one world in which the product is purchased and the costs and benefits of another world in which the product is not purchased“ (McConnel/Niedermeier/Leibold/El-Alayli/Chin 2000, S. 282). Da sich diese mentalen Simulationen auf zukünftige Ereignisse beziehen, werden sie als Prefactuals(wörtlich übersetzt „vor den Fakten“) bezeichnet (vgl. McConnel et al. 2000, S. 282).

Mit Hilfe von Prefactuals stellen sich Konsumenten während der Kaufentscheidung in alternativen Szenarien den Erfüllungsgrad ihrer Bedürfnisse und ihre daraus resultierenden affektiven Reaktionen mit den in Frage kommenden Produkten vor (vgl. Dunning/Madey 1995, S. 124ff.) und beziehen diese antizipierten Emotionen in den Kaufprozess ein (vgl. Mellers/Schwartz/Ritov 1999, S. 337; Loomes/Sugden 1982, S. 820). Begründet werden kann dieses Verhalten durch die Choice Certainty Theory (Mills 1968), wonach sich Konsumenten sicher sein wollen, die beste Alternative zu wählen und deshalb versuchen, durch mentale Simulation der Zukunft ihre Entscheidungssicherheit zu erhöhen (vgl. Brownstein 2003, S. 549).

Die Prefactuals sind dabei typischerweise nach oben gerichtet (Upward Prefactuals), wodurch diese die „(...)anxiety during and after a purchase“ erhöhen (McConnel et al. 2000, S. 287): Nach oben gerichtete Prefectuals führen zu einem schlechten Abschneiden der jeweils aktuell betrachteten Optionen, da diese immer mit einer noch besseren imaginären Alternative verglichen werden und verursachen dadurch die Antizipation von Regret (vgl. Miller/Taylor 1995, S. 314; McConnel et al. 2000, S. 284ff.).

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Einfluss von Anzahl und Art der Produktauswahl auf die Generierung von Prefectuals und die Entstehung von antizipiertem Regret

Janis und Mann (1977) haben das Vorhandensein von mehr als einer attraktiven Alternative als einen wesentlichen Einflussfaktor auf die Entstehung und die Stärke von antizipiertem Regret bezeichnet (vgl. Brownstein 2003, S. 548). Analog zu dem bereits aufgezeigten Einfluss der Produktvielfalt auf die Entstehung von Regret (siehe S. 165f.) kann dies dadurch erklärt werden, dass hohe Produktvielfalt die Generierung von Prefactuals erleichtert und dadurch die Entstehung von antizipiertem Regret fördert (vgl. Miller/Taylor 1995, S. 314). Die verstärkte Generierung von Prefactuals durch hohe Produktvielfalt lässt sich unter Rückgriff auf die oben angeführten Argumente wie folgt begründen:

Hohe Produktvielfalt macht die Entstehung von Prefactuals leichter und wahrscheinlicher, da dem Konsumenten viele Optionen zur Simulation alternativer Szenarien zur Verfügung stehen (vgl. Amir o.J., S. 5). Dadurch wird dem Individuum die Wahrscheinlichkeit einer Fehlentscheidung bewusst, was die Generierung von Prefactuals nochmals verstärkt (vgl. Kahneman/Tversky 1982; Miller/Taylor 1995, S. 314ff.). Diese Prefactuals sind dabei vornehmlich aufwärts gerichtet, da der Konsument aufgrund der Vielzahl an Alternativen sehr hohe Erwartungen an das Ergebnis der Entscheidung hat (vgl. Desmeules 2002, S. 10). Vergleicht der Konsument in mentalen Simulationen die Wahl alternativer Produkte mit diesem hohen Referenzpunkt, führt dies tendenziell zu einer negativen Beurteilung der einzelnen Optionen und somit zur Entstehung von antizipiertem Regret. Interessant ist hierbei vor allem die gegenseitig verstärkende Wirkung dieser Einzeleffekte in einer Art emotionaler Abwärtsspirale, die insgesamt zu einer vermehrten Generierung von Prefactuals führt: Große Auswahl erhöht, wie oben beschrieben, das wahrgenommene Risiko und führt zu überhöhten Erwartungen und dadurch zu einer negativen Beurteilung der Alternativen. Dadurch entstehen auf der Basis mentaler Simulation (Prefactuals) negative Ergebnisse, die wiederum die Generierung von Prefactuals stimulieren (vgl. Tsiros/Mittal 2000, S. 405). Es entstehen somit einander gegenseitig verstärkende Effekte.

Die Möglichkeit, aufgrund der großen Auswahl eine optimale Entscheidung zu treffen führt außerdem dazu, dass Konsumenten eine größere Verantwortung für die Entscheidung empfinden (vgl. Shety-Iyengar/Lepper 2000, S. 999). Wie bereits erwähnt (vgl. S. 163f.), steht diese in engem Zusammenhang mit der Entstehung und

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der Stärke von Regret (Gilovich/Medvec 1994, S. 359; Simonson 1992, Zeelenberg/van Dijk/Manstead 1998).

Auf Basis dieser Argumente kann vermutet werden, dass hohe Produktvielfalt zur Antizipation von Regret führen kann. In der Literatur können aber auch Hinweise dafür gefunden werden, dass zu geringe Produktvielfalt ebenfalls zu antizipiertem Regret führt. So kann der Aufschub einer Kaufentscheidung daher kommen, dass der Konsument hofft, in einer späteren Entscheidungssituation bessere Alternativen zur Wahl zu haben (vgl. Simonson 1992; Anderson 2003, S. 151). Erwartet er beispielsweise in einem anderen Geschäft eine bessere Auswahl vorzufinden, würde er den sofortigen Kauf später eventuell bereuen.

Die Antizipation des Bedauerns kann somit dazu führen, dass ein Konsument seine Entscheidung verschiebt und weitere Geschäfte aufsucht. Dieses Argument wird auch von Untersuchungen gestützt, die gezeigt haben, dass die Antizipation von Regret steigt, wenn der Entscheider ein Feed-back hinsichtlich seiner Entscheidungsqualität erwartet (vgl. Zeelenberg 1998, S. 97ff.; Inman/Dyer/Jia 1997; Ritov/Baron 1995; Taylor 1997). Sucht ein Käufer nach der Entscheidung ein weiteres Geschäft auf, kann er die dort vorhandenen Alternativen mit dem von ihm gewählten Produkt vergleichen und erhält somit ein Feed-back für seine Entscheidung. Erwartet ein Konsument, bei einem anderen Händler eine größere Auswahl vorzufinden, die ihm eine bessere Entscheidung ermöglicht, so kann dies zur Antizipation von Regret führen und der Konsument verschiebt die Entscheidung aufgrund zu geringer bzw. zu unattraktiver Auswahl (vgl. Anderson 2003, S. 152).

Da sowohl zu geringe als auch zu hohe Produktvielfalt die Generierung von Prefactuals und antizipiertem Regret fördert, liegt die Vermutung eines u-förmigen Zusammenhangs von Produktvielfalt und antizipiertem Regret nahe. Da im Zentrum dieser Arbeit die Wirkung hoher Produktvielfalt steht, spielt hier die Entstehung von Regret bei zu geringer Vielfalt keine Rolle.

Neben der Größe des Sortiments beeinflusst auch deren Zusammensetzung die Entstehung von antizipiertem Regret. So argumentiert Zeelenberg (1998), dass antizipiertes Regret insbesondere dann auftritt, wenn „the most preferred alternative is not necessarily superior to another“ (S. 102). In diesem Fall kann der Konsument die Entscheidung nur schwer treffen und muss sich geistig intensiv mit dieser auseinander setzen, was die Generierung von Prefactuals begünstigt. Die Entscheidungs-schwierigkeit resultiert dabei aus der Zusammensetzung des Choice Sets und den Eigenschaften der Alternativen. Demnach antizipiert der Konsument insbesondere

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dann Regret, wenn Alternativen in etwa gleich attraktiv sind (z. B. hinsichtlich ihres erwarteten Nutzens) oder die Entscheidung einen Kompromiss (Trade-off) hinsichtlich wichtiger Attribute erforderlich macht (vgl. Zeelenberg 1998, S. 102). Im letzten Fall ist die Entscheidunge schwerer, was die Generierung von Prefactuals wahrscheinlicher macht (vgl. Zeelenberg 1998, S. 102).

Zusammenfassend können somit große Sortimente, die aus vielen attraktiven Produkten mit jeweils unterschiedlichen Vor- und Nachteilen bestehen und deshalb einen Kompromiss bei der Entscheidung erfordern, die Entstehung von antizipiertem Regret begünstigen.

Konsequenzen von antizipiertem Regret

Aufgrund ihrer Regret-Aversion (siehe Abbildung 37, S. 161) versuchen Konsumenten eine Lösung des Entscheidungsproblems zu finden, die das antizipierte Regret minimiert (vgl. Anderson 2003, S. 148). Voraussetzung für einen systematischen Einfluss des antizipierten Regrets auf die Kaufentscheidung ist dabei, dass sich die Entscheidungsalternativen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit und/oder Intensität der Generierung von Prefactuals und antizipiertem Regret unterscheiden und der Konsument durch seine Wahl die Höhe des antizipierten Regrets reduzieren kann (vgl. Simonson 1992, S. 117). Neben den Produktalternativen des Sortiments stehen dem Konsumenten in einer Kaufsituation verschiedene alternative Entscheidungsausgänge zur Wahl, wodurch er die Regret-Stärke reduzieren kann:

Eine Möglichkeit hierfür ist der Verzicht auf die Entscheidung: „Whenever choice can induce regret consumers have an incentive to eliminate the choice“ (Thaler 1980, S. 52). Antizipation von Regret kann somit zur Entscheidungsaversion führen (vgl. Beattie/Baron/Hersehy 1994, S. 132). Anderson (2003, S. 138) unterscheidet drei Formen, wie eine Entscheidung vermieden werden kann: Status quo, Omission und Deferral.

Wie bereits oben erläutert wurde (vgl. S. 162), führt die Veränderung des Status quo zu intensiveren kognitiven und emotionalen Reaktionen und begünstigt dadurch die Generierung von Prefactuals und somit die Entstehung von antizipiertem Regret (vgl. Kahneman 1995; Kahneman/Tversky 1982; Landman 1987). Die Beibehaltung des Status quo stellt somit eine Regret reduzierende Option dar (vgl. Tsiros/Mittal 2000; Redelmeier/Shafir 1995). Als weiteres Argument mit direktem Bezug zur Produktvielfalt kann hier angeführt werden, dass Konsumenten versuchen,

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Entscheidungen vor sich und anderen zu rechtfertigen und dies ist „usually easier for situations having few rather than many options“ (Redelmeier/Shafir 1995, S. 304). Da der Status quo leichter zu rechtfertigen ist und dadurch die Wahrscheinlichkeit der Antizipation von Regret reduziert wird, kann erhöhte Vielfalt zur Beibehaltung des Status quo führen (vgl. Inman/Zeelenberg 2002).

Omission – das „Nichts tun“ – unterscheidet sich von der Beibehaltung des Status quo dadurch, dass letzteres bewusst gewählt wird, wohingegen bei einer Omission der Konsument sich weder für noch gegen eine Alternative entscheidet und „einfach“ nicht handelt. Der so genannte Action Effect, der auch als Exaggeration Effect oder Emotional Amplification bezeichnet wird (Kahneman/Miller 1986, Zeelenberg et al. 2002), besagt, dass „(...) actions (...) provoke more counterfactual thinking than inactions“ (Mellers/Schwartz/Ritov 1999, S. 341). Durch das „Nichts tun“ kann folglich die Höhe des antizipierten Regrets reduziert werden (vgl. Ritov/Baron 1990; 1995, 1999; Baron Ritov 1994, Spranca et al. 1991).

„A situation in which an individual chooses not to choose for the time being is a choice deferral“ (Anderson 2003, S. 144). Konsumenten verschieben Entscheidungen (Deferral) und vermeiden oder reduzieren dadurch die Regret-Antizipation, wenn sie auf neue Informationen hoffen, die die Entscheidung erleichtern (vgl. Zeelenberg 1999a, S. 329; Cooke/Meyvis/Schwartz 2001). Ein anderer Grund für dieses Verhalten kann auch sein, dass der Konsument hofft, in einer späteren Entscheidungssituation bessere Alternativen zur Wahl zu haben (vgl. Simonson 1992; Anderson 2003, S. 151). Erwartet er beispielsweise in einem anderen Geschäft ein besseres Sortiment vorzufinden, würde er den sofortigen Kauf später vielleicht bereuen. Er verschiebt daher die Entscheidung und sucht weitere Geschäfte auf. Dieses Argument verdeutlicht, dass Regret auch dann entstehen kann, wenn sehr wenige Alternativen im Sortiment vorhanden sind. Es kann daher, wie schon erwähnt, ein u-förmiger Zusammenhang von Produktvielfalt und antizipiertem Regret vermutet werden.

Die aufgeführten drei Optionen zur Regret-Vermeidung haben gemeinsam, dass der Konsument die explizite Entscheidung vermeidet, indem er letztlich nicht kauft.

Simonson (1992) weißt darauf hin, dass die Wahl einer „Default Option“ – einer vorgegebenen Alternative – ebenfalls eine Regret reduzierende Entscheidung darstellt (vgl. Simonson 1992, S. 117). Durch die Vorgabe einer Standardalternative wie z. B. die Markierung eines Produkts als „besondere Empfehlung“ kann ein Einzelhändler folglich die Entscheidungskosten des Konsumenten reduzieren und dadurch die Wahrscheinlichkeit eines Kaufs erhöhen. Eine weitere Möglichkeit, antizipiertes

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Regret zu vermeiden, ist aus der vorherigen Erörterung der Antezedenzien des Regret abzuleiten: Die Entstehung von Regret ist wahrscheinlicher, wenn sich ein Individuum für die Entscheidung selbst verantwortlich fühlt (siehe S. 163). Um die persönliche Verantwortung zu reduzieren, kann der Konsument die Entscheidung an andere, z. B. an den Käufer oder an einen Freund delegieren (vgl. Seilheimer 2001, S. 34). Eine Alternative hierzu stellt der Erwerb einer teureren und bekannteren Marke dar, wodurch ein Entscheider neben der Verantwortung auch das wahrgenommene Risiko reduzieren kann (vgl. Simonson 1992, S. 107).

Zusammenfassend kann ein Konsument die Antizipation von Regret, die z. B. durch hohe Produktvielfalt in der Entscheidungssituation verursacht wird, im Wesentlichen auf drei Arten reduzieren bzw. vermeiden:

1. Er bezieht weitere Personen in die Entscheidung mit ein und reduziert dadurch seine persönliche Verantwortung.

2. Er kann auf die explizite Entscheidung verzichten, indem er den Status quo beibehält, nichts tut oder den Kauf auf einen späteren Zeitpunkt verschiebt.

3. Er kann durch die Wahl einer Standardoption (Default Option) oder einer teuren Marke sowohl sein empfundenes Risiko als auch seine wahrgenommene Verantwortung reduzieren.

Neben diesen unmittelbaren Konsequenzen für das Kaufverhalten kann sich antizipiertes Regret aber auch auf die der Kaufentscheidung nachgelagerten Prozesse der Kaufbewertung auswirken. Dies kann aus der beschriebenen Wirkung von Regret auf die Zufriedenheit und die Wiederkaufabsicht geschlussfolgert werden (vgl. S. 166f.). Analog zur Wirkung von erfahrenem Regret auf die Zufriedenheit mit dem Kauf kann vermutet werden, dass sich die Antizipation von Regret auf die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess (Choice Process Satisfaction) auswirkt (vgl. Zhang/Fitzsimons, 1999, S. 192ff.; Fitzsimons/Greenleaf/Lehmann 1997, S. 1ff.): Führt eine Kaufsituation zur Antizipation von Regret, ist der Käufer demnach vermutlich mit dem Kaufprozess weniger zufrieden, verglichen mit einem Entscheidungsprozess, während dessen er kein Bedauern antizipiert.

Ergänzend soll noch erwähnt werden, dass die beschriebenen kognitiven Prozesse des Counterfactual und Prefactual Thinking neben der Antizipation von Regret auch zur Antizipation von Tadel (Blame) führen kann: „Even if decision makers refuse to consider their own potential regret as an important variable, the blame resulting when others evaluate their decision and make the same cognitive processes may still be

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important to avoid“ (Anderson 2003, S. 148ff.). Die gedankliche Vorwegnahme möglichen Tadels durch andere aufgrund einer falschen Entscheidung tritt vor allem dann auf, wenn sich die Entscheidung auch auf andere Personen auswirkt. Ein Beispiel hierfür ist der Kauf einer Waschmaschine durch einen Familienvater, der bei einem Fehlkauf anschließend von seiner Frau „getadelt“ wird. Die Antizipation von Tadel hat ähnliche Antezedenzien und führt zu ähnlichen Verhaltensweisen wie die Antizipation von Regret und ist daher ergänzend zu dieser zu sehen (vgl. Anderson 2003, S. 148ff.).

Zusammenfassung

Auf der Basis von Regret- und Counterfactual-Theorie wurden Ursachen und Konsequenzen von antizipiertem Regret (und Tadel (Blame)) veranschaulicht.

Ursachen der Entstehung von antizipiertem Regret

Die obigen Ausführungen haben verdeutlicht, dass antizipiertes Regret eine kognitiv determinierte, vorweggenommene negative Emotion darstellt, die aufgrund hoher Produktvielfalt entstehen und sich negativ auf das Kaufverhalten sowie die Kaufbewertung auswirken kann. Neben der Anzahl spielt aber auch die Art der Produkte im Sortiment eine wichtige Rolle. So ist die Entstehung von antizipiertem Regret besonders wahrscheinlich, wenn die Produktauswahl mehrere in etwa gleich attraktive Alternativen enthält und/oder die Entscheidung das Abwägen (Trade-off) wichtiger, wechselseitig vorhandener Produkteigenschaften der Alternativen vom Konsumenten verlangt (vgl. Zeelenberg 1998, S. 102). Zurückzuführen ist dies darauf, dass eine Entscheidungssituation mit hoher Produktvielfalt die Generierung von nach oben gerichteten (upward) Prefactuals und dadurch die Entstehung von antizipiertem Regret fördert (vgl. McConnel et al. 2000, S. 284). Da auch zu geringe Produktvielfalt zur Antizipation von Regret führen kann, wenn der Konsument z. B. erwartet, in einem anderen Geschäft bessere Produkte zu finden (vgl. Simonson 1992; Anderson 2003, S. 151), liegt insgesamt die Vermutung eines u-förmigen Zusammenhangs von Produktvielfalt und antizipiertem Regret nahe. Die Untersuchung des funktionalen Zusammenhangs soll aber in dieser Untersuchung nicht weiter vertieft werden.

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Konsequenzen von antizipiertem Regret

Die Verhaltensrelevanz der auf der Basis mentaler Simulation entstandener und vorweggenommener Emotion entsteht aus der Regret Aversion: Individuen versuchen Regret zu vermeiden und wählen deshalb Optionen oder Alternativen, die dieses reduzieren bzw. minimieren. Hierbei stehen dem Konsumenten im Wesentlichen drei Handlungsalternativen zur Verfügung:

1. Er bezieht weitere Personen in die Entscheidung mit ein und kann dadurch seine Verantwortung für diese reduzieren.

2. Er verzichtet auf die Entscheidung, indem er den Status quo beibehält, nichts tut oder den Kauf auf einen späteren Zeitpunkt verschiebt.

3. Er kauft ein teures, ihm bekanntes Markenprodukt oder wählt eine Standardoption (Default Option).

Damit kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Kaufintention in einer Konsumsituation mit hoher Produktvielfalt, welche die Generierung von Prefactuals und damit die Entstehung von antizipiertem Regret fördert, geringer ist als in einer Situation mit mäßiger Produktauswahl. Neben der kurzfristigen Wirkung auf den Ausgang der Kaufentscheidung wurden auch Konsequenzen des antizipierten Regrets auf die der Kaufentscheidung nachgelagerten Prozesse der Kaufbewertung aufgezeigt. So kann vermutet werden, dass die Antizipation von Regret zur Reduktion der Kaufprozesszufriedenheit und zu einer geringeren Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt führt.

In Abbildung 39 werden die für diese Untersuchung relevanten Zusammenhänge, die sich aus der Antizipation von Regret für die Kostendimension ergeben, zusammenfassend dargestellt.

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Determinanten

Argumentationslogik der Wirkung

Konsequenzen

Facetten der Kosten hoher PV

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Entstehung von antizipiertem Regrethohe Produktvielfalt fördert die Entstehung von nach oben gerichteten simulierten Vergleichspunkten (upward prefactuals) und dadurch die Entstehung von Regret

Konsequenzen von antizipiertem RegretRegretaversion: Konsumenten wollen Antizipation von Regret vermeiden und wählen entsprechende Optionen wie Kaufverzicht und Kaufaufschub

Anzahl der Produkte Kaufintention

ZufriedenheitProzess

Produkt

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antizipiertes Regret

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Klare Produktunterschiede

Kompromissnotwendigkeit (wechselseitige Vor- und Nachteile der Produkte)

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Determinanten

Argumentationslogik der Wirkung

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Kostendimension

Entstehung von antizipiertem Regrethohe Produktvielfalt fördert die Entstehung von nach oben gerichteten simulierten Vergleichspunkten (upward prefactuals) und dadurch die Entstehung von Regret

Konsequenzen von antizipiertem RegretRegretaversion: Konsumenten wollen Antizipation von Regret vermeiden und wählen entsprechende Optionen wie Kaufverzicht und Kaufaufschub

Anzahl der Produkte Kaufintention

ZufriedenheitProzess

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Klare Produktunterschiede

Kompromissnotwendigkeit (wechselseitige Vor- und Nachteile der Produkte)

++

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negative Emotionen

Abbildung 39: Zusammenfassende Darstellung des Zusammenhangs von antizipiertem Regret und den Kosten von Produktvielfalt

In den letzten Kapiteln wurden unterschiedliche Kosten- und Nutzenaspekte hoher Produktvielfalt aus verschiedenen Theorien abgeleitet und in Zusammenhang mit dem Verhalten von Konsumenten gesetzt. Im folgenden Abschnitt werden auf dieser Basis die zentralen Hypothesen formuliert und das Gesamtmodell der Untersuchung entwickelt.

2.3.3 Hypothesen und Modellentwicklung

Die übergeordnetet Hypothese der Arbeit (Hypothese 1, S. 92), die besagt, dass hohe Produktvielfalt aus Konsumentensicht nicht nur mit Nutzen- sondern auch mit Kostenaspekten verbunden ist und diese den Ausgang der Kaufentscheidung und die Nachkaufbewertung aus Unternehmenssicht negativ beeinflussen können, wurde bereits beschrieben.

Nachfolgend werden nun die aus den Theorien abgeleiteten Hypothesen zu direkten Konsequenzen von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt formuliert. Im Anschluss daran werden diese um Hypothesen zu Beziehungen zwischen den bisherigen und zwei weiteren Konstrukten, die aus Erkenntnissen des Relationship-Marketing abgeleitet werden, erweitert. Dadurch ergibt sich das Gesamtmodell der Untersuchung im Hinblick auf die betrachteten Konsequenzen von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt. Abschließend werden, wiederum basierend auf dem theoretischen

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Bezugsrahmen, die Hypothesen zu den Determinanten der beiden Dimensionen des Werts von Produktvielfalt formuliert.

Die Hypothesen der Untersuchung sollen möglichst kompakt dargestellt werden, da die vermuteten Zusammenhänge zwischen Determinanten, Kosten und Nutzen von Produktvielfalt und deren Konsequenzen von diesen bereits im Rahmen der einzelnen Theorien ausführlich beschrieben wurden. Die aus den Theorien abgeleiteten Zusammenhänge sind in Abbildung 40 zusammengefasst.

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Abbildung 40: Zusammenfassende Darstellung der aus den Theorien des Bezugsrahmens abgeleiteten Zusammenhänge von Determinanten, Facetten und Konsequenzen der Kosten und Nutzen von Produktvielfalt

Aus obiger Darstellung ist zu erkennen, dass die Theorien bzw. theoretischen Konzepte jeweils verschiedene Facetten der KNPV erklären. So ist beispielsweise die Theorie der Cost of Thinking die Erklärungsgrundlage für den Aufwands- und

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Anstrengungsaspekt der Kosten von Produktvielfalt. Dieser Aspekt wirkt sich negativ auf die Kaufintention, die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess und die Zufriedenheit mit dem Produkt aus. Die Kosten entstehen laut dieser Theorie aufgrund der Anzahl der Produkte, der Unterschiede der Produkte im Sortiment und der Kompromiss-notwendigkeit bei der Entscheidung. Die Richtung der Wirkung wird durch die Zeichen ++ bzw. __ verdeutlicht. So nehmen die Kosten mit zunehmender Produktanzahl zu und steigen, je höher die Notwendigkeit zum Kompromiss ist. Sie sinken dagegen, wenn die Produkte im Sortiment klare Unterschiede aufweisen.

Entsprechend des Beispiels werden nachfolgend die Hypothesen zu den Konsequenzen und Determinanten von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt formuliert.

2.3.3.1 Hypothesen zu Konsequenzen von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt

Hypothesen zu direkten Konsequenzen der Kosten von Produktvielfalt (KPV)

Hypothese 2: Die Kosten von Produktvielfalt (KPV) wirken sich negativ auf die Kaufintention aus, d. h. je höher die Kosten von Produktvielfalt eines Konsumenten sind, desto geringer ist seine Kaufintention.

Hypothese 3: Die KPV wirken sich negativ auf die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess aus, d. h. je höher die KPV eines Konsumenten sind, desto geringer ist seine Zufriedenheit mit dem Kaufprozess.

Hypothese 4: Die KPV wirken sich negativ auf die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt aus, d. h. je höher die KPV eines Konsumenten sind, desto geringer ist seine Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt.

Hypothese 5: Die KPV wirken sich positiv auf die Entstehung kognitiver Dissonanz aus, d. h. je höher die KPV eines Konsumenten sind, desto höher ist seine kognitive Dissonanz.

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Hypothesen zu direkten Konsequenzen des Nutzens von Produktvielfalt

Hypothese 6: Der Nutzen von Produktvielfalt (NPV) wirkt sich positiv auf die Kaufintention aus, d. h. je höher der NPV eines Konsumenten ist, desto höher ist seine Kaufintention.

Hypothese 7: Der NPV wirkt sich positiv auf die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess aus, d. h. je höher der NPV eines Konsumenten ist, desto höher ist seine Zufriedenheit mit dem Kaufprozess.

Hypothese 8: Der NPV wirkt sich positiv auf die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt aus, d. h. je höher der NPV eines Konsumenten ist, desto höher ist seine Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt.

Mit der Loyalität zum Geschäft soll ein weiterer Aspekt, der nicht unmittelbar aus den beschriebenen Theorien folgt, aus Unternehmenssicht aber relevant ist, zusätzlich als direkte Konsequenz des Nutzens von Produktvielfalt berücksichtigt werden (siehe hierzu auch die Ausführungen auf S. 181). Hintergrund ist, dass aus empirischen Forschungsergebnissen bekannt ist, dass Sortimentsvielfalt nach der Lage und den Preisen eines Geschäfts für Konsumenten das drittwichtigste Kriterium bei der Wahl der Einkaufsstätte ist (vgl. Hoch/Bradlow/Wansik 1999, S. 527). Sie bevorzugen (ceteris paribus) Geschäfte mit großer Angebotsvielfalt gegenüber solchen mit geringer Vielfalt (vgl. Arnold/Oum/Tiger 1983, S. 152) und sind diesen gegenüber loyaler (vgl. Hoch/Bradlow/Wansik 1999, S. 528). Die höhere Loyalität zum Geschäft aufgrund der Angebotsvielfalt sollte im Wesentlichen auf die positiven Aspekte von Produktvielfalt zurückzuführen sein. Es lässt sich deshalb folgende Hypothese formulieren:

Hypothese 9: Der NPV wirkt sich positiv auf Loyalität zum (betrachteten) Handelsunternehmen aus, d. h. je höher der NPV eines Konsumenten im (betrachteten) Handelsunternehmen ist, desto höher ist seine Loyalität gegenüber diesem.

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Hypothesen zu den Beziehungen der Konstrukte

In Hypothese 3 und Hypothese 5 wurde der angenommene Zusammenhang zwischen den Kosten von Produktvielfalt und der Zufriedenheit mit dem Kaufprozess ( __ ) sowie der kognitiven Dissonanz ( ++ ) formuliert. Es wird folglich vermutet, dass beide Konstrukte direkte Konsequenzen der KPV sind. In der Marketingforschung wird die kognitive Dissonanz gleichzeitig als Antezedenz der Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt betrachtet (vgl. Oliver 1996, S. 259f.). Sie entsteht dadurch, dass die Entscheidung inkonsistentes Wissen hinterlässt: „Es ist das Wissen, auf den Genuss positiver Aspekte ausgeschlagener Optionen verzichten zu müssen, während die Nachteile der gewählten Alternative hinzunehmen sind“ (Krober-Riel/Weinberg 1996, S. 184). Befürchtet der Konsument, die falsche Entscheidung getroffen und das falsche Produkt gewählt zu haben, entsteht kognitive Dissonanz. Ist die Entscheidung in gewisser Weise einmalig oder für längere Zeit „bindend“, wie z. B. beim Kauf von einer Digitalkamera, ist die Entstehung kognitiver Dissonanz besonders wahrscheinlich (Raffée et al. 1973, S. 156 ff.; Seilheimer 2001, S. 42). Wenn der Käufer die empfundene Dissonanz kurz nach dem Kauf nicht unmittelbar reduzieren kann, ruft dies eine Phase des Bedauerns hervor (vgl. Fischer/Wiswede 1997, S. 231). Wie empirische Untersuchungen gezeigt haben, kann Bedauern wiederum die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt signifikant reduzieren (vgl. Herrmann/ Huber/Wricke 1999a, S. 687; Taylor 1997, S 232). Insgesamt kann damit der von Oliver (1996, S. 259f.) beschriebene Zusammenhang von kognitiver Dissonanz und Produktzufriedenheit wie folgt nachvollzogen werden: Entsteht unmittelbar nach dem Kauf kognitive Dissonanz, so wird dadurch die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt gemindert. Diese Beziehung soll im Untersuchungsmodell berücksichtigt werden und wird in folgender Hypothese verankert:

Hypothese 10: Die kognitive Dissonanz wirkt sich negativ auf die Zufrieden-heit mit dem gekauften Produkt aus, d. h. je höher die empfundene kognitive Dissonanz eines Konsumenten ist, desto geringer ist seine Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt.

Die kognitive Dissonanz stellt den obigen Ausführungen zufolge gewissermaßen das Bindeglied zwischen Kaufprozess und Produktzufriedenheit dar. Es ist folglich von einem Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit mit dem Kaufprozess und der kognitiven Dissonanz auszugehen:

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Hypothese 11: Die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess wirkt sich negativ auf die kognitive Dissonanz aus, d. h. je zufriedener ein Konsument mit seinem Kauf- und Entscheidungsprozess ist, desto geringer ist die von ihm empfundene kognitive Dissonanz.

Neben dem vermuteten indirekten Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit mit dem Kaufprozess und der Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt über die kognitive Dissonanz ist auch eine direkte Beziehung zwischen den beiden ersten Konstrukten wahrscheinlich: Fitzsimons, Greenleaf und Lehmann (1997, S. 6f.) begründen diese damit, dass Konsumenten, die einen zufrieden stellenden Kauf- und Entscheidungs-prozess durchlaufen, zum einen mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Produkt wählen, das ihren Erwartungen entspricht und damit folglich zufrieden sind, und sie zum anderen die positive Wahrnehmung des Prozesses auf das gekaufte Produkt übertragen. Die Autoren ziehen diese Schlussfolgerung aus einer Analogie zur Rechtsprechung. Demnach beurteilen Verurteilte, ob ihr Urteil gerecht ist, zum einen durch Vergleiche mit Urteilen von anderen Personen mit ähnlichem „Hintergrund“ (Distributive Justice) und zum anderen anhand des Ablaufs und der Fairness des gerichtlichen Prozesses (Procedural Justice) (vgl. Sheppard/Lewicki/Minton 1992). Fitzsimons und seine Kollegen argumentieren, dass analog hierzu die Zufriedenheit mit der Kaufentscheidung die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt beeinflusst (vgl. Fitzsimons/Greenleaf/Lehmann 1997, S. 6). Diese Beziehung wird im Gesamtmodell untersucht und durch folgende Hypothese zusammengefasst:

Hypothese 12: Die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess wirkt sich positiv auf die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt aus, d. h. je zufriedener ein Konsument mit seinem Kaufprozess ist, desto größer ist seine Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt.

Fitzsimons und seine Kollegen (1997, S. 18) haben in ihrer Untersuchung außerdem zeigen können, dass sich die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess positiv auf die Loyalität zum Geschäft auswirkt, wohingegen die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt in Beziehung zur Loyalität zur Marke des gekauften Produkts steht. Sie beziehen mit der Loyalität zum Geschäft und zur Marke zwei aus Unternehmenssicht sehr wichtige Aspekte in ihre Betrachtung ein: In der Marketingforschung wird die Loyalität bzw. Kundenbindung als zentraler Aspekt des Relationship Marketings betrachtet (vgl. Reichheld/Schefter 2000). Der Begriff des Relationship Marketings geht auf Berry (1983, S. 25) zurück und „(…) stresses attracting, maintaining and

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enhancing long-term customer relationships instead of focusing on individual trans-actions“ (Muniz/O’Guinn 2001, S. 427). Ziel eines Unternehmens sollte es nach den Ideen des Relationship Marketings sein, langfristige Beziehungen zu seinen Kunden aufzubauen, anstatt den Fokus auf die Einzeltransaktion zu richten (Siems 2003, S. 2). Begründet wird dies damit, dass sich die Bindung von Kunden positiv auf den Unternehmenserfolg auswirkt, da das Halten von bestehenden Kunden nur einen Bruchteil der Akquisition neuer Kunden kostet (vgl. Galbreath 2002, S. 119).

Die beiden Konstrukte Loyalität zum Geschäft und Loyalität zur Marke sollen aufgrund ihrer Relevanz für die Unternehmenspraxis im Gesamtmodell der Untersuchung berücksichtigt werden. Wie bereits erwähnt, konnten Fitzsimons und seine Kollegen (1997, S. 18) zeigen, dass sich die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess positiv auf die Loyalität zum Geschäft auswirkt und die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt in positiver Beziehung zur Loyalität zur Marke des gekauften Produkts steht. Sie konnten jedoch weder einen Zusammenhang von der Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt und der Loyalität zum Geschäft, noch einen zwischen Zufriedenheit mit dem Kaufprozess und der Loyalität zur Marke feststellen. Sie begründen dies damit, dass die Konsumenten den Einkaufprozess auf das Geschäft attribuieren, d. h. sie machen im Wesentlichen das Geschäft für den Ablauf der Kaufentscheidung verantwortlich. Die Verantwortung für das gekaufte Produkt sehen die Käufer dagegen beim Hersteller und somit bei der Marke. Ist ein Konsument mit seinem Kaufprozess zufrieden, attribuiert er seine Zufriedenheit auf das Geschäft, was seine Loyalität gegenüber diesem erhöht. Analog gilt für die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt, dass sie sich positiv auf die Loyalität zur Marke auswirkt. Dieser positive Zusammenhang konnte in zahlreichen Studien gezeigt werden (vgl. z. B. Söderlund 1998, S. 169 ff.; Anderson/Sullivan 1993; Taylor/Baker 1994).

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Es können somit folgende zwei Hypothesen formuliert werden:

Hypothese 13: Die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess wirkt sich positiv auf die Loyalität zum Geschäft aus, d. h. je zufriedener ein Konsument mit seinem Kaufprozess in einem Geschäft ist, desto höher ist seine Loyalität gegenüber diesem.

Hypothese 14: Die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt wirkt sich positiv auf die Loyalität zur Marke aus, d. h. je zufriedener ein Konsument mit dem gekauften Produkt ist, desto höher ist seine Loyalität gegenüber dessen Marke.

Es sind damit sowohl alle vermuteten Auswirkungen von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt als auch alle angenommenen Beziehungen der in der Untersuchung berücksichtigten Konstrukte, die der Kaufentscheidung nachgelagert sind, in Form von Hypothesen beschrieben worden. Der nächste Abschnitt dient nun der Formulierung der Hypothesen zu den Determinanten der beiden Wertdimensionen und beschreibt damit die aus der Theorie abgeleiteten Einflüsse der Sortimentseigenschaften.

2.3.3.2 Hypothesen zu den Determinanten von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt

Die Hypothesen zu den Determinanten werden wiederum auf Basis der Theorien des Bezugsrahmens formuliert. In Abbildung 40 (S. 177), die bereits Grundlage der Hypothesenformulierung zu den Konsequenzen war, sind auch die abgeleiteten Determinanten der Kosten- bzw. Nutzendimension pro Theorie dargestellt. Diese beschreiben Eigenschaften des Sortiments, welche die KPV bzw. NPV in entsprechender Richtung beeinflussen. So folgt beispielsweise aus der Theorie der Cost of Thinking, dass die Kostenaspekte durch die Anzahl der Produkte und die Kompromissnotwendigkeit bei der Entscheidung erhöht und durch klare Unterschiede der Alternativen vermindert werden.

Entsprechend dieses Beispiels können folgende Hypothesen zu den Determinanten der Kosten von Produktvielfalt und des Nutzens von Produktvielfalt aus den Theorien des Bezugsrahmens abgeleitet werden:

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Hypothese 15: Die Anzahl der Produkte steht in positivem Zusammenhang mit den Kosten von Produktvielfalt, d. h. je höher die Anzahl der Produkte im Sortiment ist, desto höher sind die vom Konsumenten empfundenen KPV.

Hypothese 16: Weisen die Produkte im Sortiment klare Unterschiede auf, werden dadurch die vom Konsumenten empfundenen KPV reduziert, d. h. klare Unterschiede der Produktalternativen und Kosten stehen in negativem Zusammenhang.

Hypothese 17: Die Vergleichbarkeit steht in negativem Zusammenhang mit den KPV, d. h. je höher die Vergleichbarkeit der Produkte im Sortiment ist, desto geringer sind die vom Konsumenten empfundenen KPV.

Hypothese 18: Die Kompromissnotwendigkeit steht in positivem Zusammen-hang mit den KPV, d. h. je höher die Kompromissnotwendigkeit bei der Entscheidung ist, desto höher sind die vom Konsumenten empfundenen KPV.

Die letzte Hypothese zu den Determinanten von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt bezieht sich mit dem Zusammenhang von Produktanzahl und Nutzendimension auf einen zentralen Aspekt der Untersuchung. Aus den theoretischen Ausführungen ging diesbezüglich hervor, dass sich die Anzahl der Produkte positiv auf den Nutzen von Produktvielfalt auswirkt. In nachfolgender Hypothese wird dies formuliert.

Hypothese 19: Die Anzahl der Produkte steht in positivem Zusammenhang mit dem Nutzen von Produktvielfalt, d. h. je höher die Anzahl der Produkte im Sortiment ist, desto höher ist der vom Konsumenten empfundene NPV.

Damit wurden alle Determinanten, Konsequenzen und Beziehungen zwischen den Konstrukten, die aus den beschriebenen Theorien folgen und in dieser Untersuchung berücksichtigt werden sollen in Form von Hypothesen formuliert. Das Gesamtmodell der Untersuchung ist damit erstellt und lässt sich wie folgt zusammenfassen:

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Das Gesamtmodell der Untersuchung im Überblick

Abbildung 41 veranschaulicht in grafischer Form die Hypothesen und Beziehungen der in dieser Untersuchung berücksichtigten Konsequenzen und Determinanten von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt sowie die Beziehungen der Konsequenzgrößen untereinander. Die vermutete Richtung des Zusammenhangs zwischen zwei Konstrukten wird hierbei durch das ++ bzw. __ Zeichen dargestellt, das eine positive bzw. negative Abhängigkeit der Konstrukte symbolisiert.

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tige

Verh

alte

nsab

sich

tVe

rhal

ten

KomPU Ver

NPV KPV

Det

erm

inan

ten

Kon

stru

kt

Anzahl Produkte

klare Produkt-unterschiede

Vergleich-barkeit

Kompromiss-notwendigkeit

Nutzen KostenKaufintention

Zufriedenheit Prozess

kognitive Dissonanz

Loyalität Geschäft

Loyalität Marke

Zufriedenheit Produkt

H7 H3

H9

H13

H8H11

H5

H4

H14

H12H10

H6

ZPr

H19 H15 H16

#Pr

H17 H18++

++

++

++

++

++H2

__

__++

++

____

__++

++ ++____

Abbildung 41 Gesamtmodell der in der Untersuchung berücksichtigten Konsequenzen und Determinanten des Werts von Produktvielfalt

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Zusammenfassung

Mit der Formulierung der Hypothesen ist der theoretische Teil dieser Arbeit abgeschlossen. Es wurde der Stand der Forschung dargestellt, indem verschiedene empirische Forschungsarbeiten zum Zusammenhang von Produktvielfalt und Konsumentenverhalten beschrieben wurden. Hierfür sind im Anschluss mögliche theoretische Erklärungen gegeben worden, indem zunächst mit den gegensätzlichen Hypothesen von Informationsdefizit und Informationsüberlastung, der Theorie des Optimum Stimulation Level und der Tyranny of Freedom grundlegende theoretische Perspektiven zum Umgang von Konsumenten mit hoher Produktvielfalt vorgestellt wurden. Der Gesamtzusammenhang von Produktvielfalt und Konsumentenverhalten wurde anschließend in einen Kosten- und einen Nutzeneffekt „aufgegliedert“. Die Erklärungsgrundlage von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt bildeten insgesamt fünf Theorien bzw. theoretische Konzepte. Der Nutzen von Produktvielfalt wurde durch die Nutzenerwartungswerttheorie und den Hedonic Shopping Value begründet. Die Begründung für die Existenz verschiedener Kostenaspekte hoher Produktvielfalt lieferten die Cost of Thinking, die Konflikt-Theorie und die Theorie des antizipierten Regrets. Diese fünf Theorien bilden zusammen mit den zuvor beschriebenen grundlegenden Theorien insgesamt den theoretischen Bezugsrahmen zur Erklärung von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt. Auf ihrer Basis wurden schließlich Hypothesen zu den Konsequenzen und Determinanten der Kosten von Produktvielfalt und Nutzen von Produktvielfalt sowie zu Beziehungen der abgeleiteten Größen untereinander formuliert. Das Gesamtmodell der Untersuchung (siehe Abbildung 41) fasst diese zusammen.

Zur Überprüfung der Hypothesen des Untersuchungsmodells wird im nächsten Abschnitt ein Instrument zur Messung des Werts von Produktvielfalt und seiner Dimensionen entwickelt und empirisch getestet. Dieses ist die Basis für die in Kapitel 4 und 5 beschriebene Überprüfung der abgeleiteten Hypothesen.

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3. Messung von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt

Das Kapitel geht zunächst auf die Grundlagen der Konstruktmessung ein, im Anschluss daran erfolgt die Konzeptualisierung und Operationalisierung der Kosten von Produktvielfalt und des Nutzens von Produktvielfalt – den zentralen Konstrukten dieser Arbeit. Diese Messinstrumente werden sowohl einem Pretest als auch einer großen empirischen Untersuchung unterzogen, deren Ergebnisse im Hinblick auf Methodik, Gütekriterien, Gesamtbeurteilung und Interpretation ausführlich dargestellt werden.

3.1 Grundlagen der Messung von Konstrukten

Seit in den 70er Jahren eine Reihe von Forschern auf die Problematik der Validität und Reliabilität von Instrumenten zur Messung komplexer Marketingkonstrukte aufmerksam gemacht haben (vgl. vor allem Jacoby 1978; Bagozzi 1979; Churchill 1979; Peter 1979), sind Methoden zur Sicherung von validen und reliablen Messergebnissen zentraler Bestandteil empirischer Forschungsarbeiten. In diesem Abschnitt werden deshalb die Grundlagen der Konstruktmessung sowie die in dieser Arbeit verwendeten Methoden und Verfahren zur Erlangung von reliablen und validen Ergebnissen dargestellt. Hierzu sollen zunächst die grundlegenden Begriffe im Zusammenhang mit der Konstruktmessung erläutert werden.

3.1.1 Grundlagen der Konstruktmessung

3.1.1.1 Begriffliche Grundlagen

Edwards und Bagozzi (2000) bezeichnen ein Konstrukt als „a conceptual term used to describe a phenomenon of theoretical interest” (S. 156f.). Aus dieser Definition wird deutlich, dass es sich bei einem Konstrukt um ein theoretisches Gebilde handelt, das das interessierende Phänomen beschreibt. Die beiden Autoren betonen weiterhin, dass es sich hierbei um ein real existierendes Phänomen handeln muss, das entweder

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beobachtbar oder unbeobachtbar ist. In beiden Fällen dient das Konstrukt als „an abstract term that describes the phenomenon“ (Edwards/Bagozzi 2000, S. 157). Da es sich bei einem komplexen Marketingkonstrukt meist um „ (...) an abstract entity which represents the ‚true’, nonobservable state or nature of a phenomen (...)“ (Bagozzi/Fornell 1982, S. 24) handelt, das folglich nicht direkt messbar ist, wird ein theoretisches Konstrukt häufig als latente Variable bezeichnet (vgl. Homburg/Giering 1996, S. 6). Beispiele für komplexe Konstrukte sind Kundenzufriedenheit, Preiswahrnehmung, Loyalität und die in dieser Arbeit zu untersuchenden Phänomene von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt.

Ziel der Konstruktmessung ist es, ein Messinstrument für das nicht direkt messbare, durch das Konstrukt bezeichnete Phänomen zu entwickeln, indem Beziehungen zwischen Konstrukt und beobachtbaren, messbaren Variablen spezifiziert werden. Mit Hilfe dieser Variablen, die als Indikatorvariablen, Indikatoren oder Items bezeichnet werden, lässt sich somit ein „(...) observed score gathered through self-report, interview, observation or some other means“ (Edwards/Bagozzi 2000, S. 156) für das zu untersuchende Phänomen gewinnen (vgl. hierzu auch Backhaus et al. 2003, S. 344).

Der Entwicklungsprozess des Konstruktmessinstruments wird als Operationalisie-rung bezeichnet. Inhalt der Operationalisierung ist zum einen die Generierung der Indikatoren, und zum anderen die Festlegung der Art der Beziehung zwischen Indikatoren und Konstrukt. Spiegeln die Indikatoren die Ausprägung des Konstrukts wider, spricht man von reflektiven Indikatoren. Ist die Wirkungsrichtung umgekehrt, bestimmen also die Indikatoren die Ausprägung der latenten Variablen, bezeichnet man die Indikatoren als formativ (vgl. Jarvis/ MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 200; Homburg/Giering 1996, S. 6). Abschnitt 3.1.2 (S. 192ff.) geht auf die Unterschiede von formativen und reflexiven Indikatoren näher ein. Die Art der Operationalisierung wirkt sich auf die Bezeichnung des resultierenden Messinstruments eines Konstrukts aus: Basiert dieses auf reflektiven Indikatoren, so wird es als Skala bezeichnet. Wird das Konstrukt mit Hilfe formativer Indikatoren gemessen, so bezeichnet man das Messinstrument als Index (vgl. Diamantopoulos/Winklhofer 2001, S. 269).

Die Operationalisierung mittels Indikatoren gründet auf der Konzeptualisierung des Konstrukts, welche die theoriebasierte Ermittlung der Dimensionen und Teildimensionen eines Konstrukts zum Ziel hat (vgl. Homburg/Giering 1996, S. 5; Bruhn/Homburg 2001, S. 306).

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Homburg und Giering (1996) unterscheiden hinsichtlich der Konzeptualisierung einfaktorielle und mehrfaktorielle Konstrukte (siehe Abbildung 42).

...

Konstrukt = Faktor

...

Konstrukt = Faktor

... ...... ...... ......

Konstrukt

Dimension 1 Dimension n

Faktor 1,m Faktor n,1 Faktor n,m

...

... ...Faktor 1,1... ...

Konstrukt

Faktor 1 Faktor n...

... ...

Konstrukt

Faktor 1 Faktor n...

EinfaktoriellMehrfaktoriell

Eindimensional Mehrdimensional

Indikatoren

Abbildung 42: Möglichkeiten der Konzeptualisierung von Konstrukten. In Anlehnung an Homburg/Gierung 1996, S. 6

Bei einfaktoriellen Konstrukten entspricht das Konstrukt genau einem Faktor und die Indikatoren lassen sich diesem direkt zuordnen. Mehrfaktorielle Konstrukte bestehen aus mehreren Faktoren. Können diese Faktoren alle einer theoretischen Einheit bzw. Dimension zugeordnet werden, so spricht man von einem eindimensionalen Konstrukt. Ist dies nicht möglich, können also die verschiedenen Dimensionen des Konstrukts nicht direkt über Indikatoren abgebildet werden, liegt ein mehrdimensio-nales Konstrukt vor. In diesem Fall bilden die Dimensionen eine zusätzliche Konstrukt-Ebene, auf der Faktoren, die zu einer theoretischen Domäne gehören, jeweils zu einer Dimension zusammenfasst werden.

Wie bereits oben erwähnt, ist es zur Gewährleistung der Qualität der Konstrukt-messung von zentraler Bedeutung, bei der Entwicklung des Instruments wesentliche Gesichtspunkte hinsichtlich der Reliabilität und Validität der Messung zu beachten. Der Begriff Reliabilität bezeichnet dabei die Zuverlässigkeit einer Messung, d. h. inwieweit diese frei von zufälligen Messfehlern ist (vgl. Backhaus et al. 2003, S. 371). Peter (1979) bezeichnet die Validität einer Messung als „sine qua non of science“ (S. 6) und definiert diese als „(...) the degree to which instruments truly measure the construct which they are intended to measure“ (S. 6). Man spricht also dann von einer validen Konstruktmessung, wenn durch das Messverfahren auch das Konstrukt gemessen wird, das gemessen werden soll (vgl. Böhler 1992, S. 102).

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Die Gütekriterien und Verfahren zur Bewertung der Reliabilität und Validität einer Messung sind abhängig davon, ob das betreffende Konstrukt auf Basis eines formativen oder reflektiven Messmodells operationalisiert wurde. Die allgemeinen und in der Untersuchung verwendetet Gütemaße werden deshalb in den entsprechenden nachfolgenden Abschnitten beschrieben. Bevor im nächsten Kapitel näher auf Eigenschaften und Charakteristika von Messmodellen eingegangen wird, sollen diese zunächst in den Kontext von Strukturgleichungsmodellen eingeordnet werden, um so die Bedeutung der Messung der Kosten und Nutzen von Produktvielfalt im Zusammenhang mit der Gesamtuntersuchung zu verdeutlichen.

3.1.1.2 Das Messmodell im Kontext von Strukturgleichungsmodellen

Die Untersuchung kausaler Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge von Produktvielfalt und Konsumentenverhalten bildet den Kern dieser Arbeit. Hierbei spielt insbesondere die Erklärung von Zusammenhängen zwischen latenten, d. h. nicht direkt beobachtbaren Variablen, wie beispielsweise den Kosten von Produktvielfalt, dem Nutzen von Produktvielfalt und der Kaufprozesszufriedenheit eine wichtige Rolle. Die Überprüfung dieser Abhängigkeiten erfolgt mit Hilfe eines Strukturgleichungsmodells (Structural Equation Model (SEM)) (vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 1). Strukturgleichungs- oder Kausalmodelle finden seit Anfang der 70er Jahre zunehmende Anwendung in der empirischen Wirtschafts- und Sozialforschung (vgl. Homburg/Baumgartner 1996, S. 140f.; Steenkamp/Baumgartner 2000, S. 195f.) und stellen eine Verbindung von regressions- und faktoranalytischen Ansätzen dar (vgl. Ringle 2004, S. 5). Für die Schätzung der Modellparameter sind hierbei kovarianz- und varianzbasierte Verfahren gebräuchlich. Während kovarianzbasierte Verfahren die Modellparameter schätzen, indem sie die empirische Kovarianzmatrix der Indikatoren bestmöglich nachbilden, versuchen varianzbasierte Verfahren, die Indikatorwerte optimal zu reproduzieren (vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 5). Auf Verfahrensdetails wird in späteren Abschnitten noch eingegangen (siehe Kapitel 3.3.1 (S. 231) und Kapitel 3.4.1.2 (S. 253)). Kausal- bzw. Strukturgleichungs-modelle werden auch als Verfahren der zweiten Generation bezeichnet und unterscheiden sich von den Verfahren der ersten Generation vor allem dadurch, dass sie die gleichzeitige Modellierung mehrerer unabhängiger und mehrerer abhängiger Variablen erlauben (vgl. Gesen/Straub/Boundreau 2000, S. 4).

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Ein Strukturgleichungsmodell besteht grundsätzlich aus drei Submodellen (vgl. Backhaus et al. 2003, S. 350f.):

Das Strukturmodell bzw. innere Modell bildet die aus der Theorie abgeleiteten Beziehungen zwischen den latenten exogenen und endogenen Variablen ab. Dabei werden die endogenen (abhängigen) Variablen durch die exogenen (unabhängigen) Variablen mittels der im Modell spezifizierten kausalen Beziehungen erklärt.

Das exogene Messmodell enthält die aus der Operationalisierung der unabhängigen (endogenen) latenten Variablen hervorgegangenen Indikatoren. Abhängig von der Kausalitätsrichtung zwischen Indikatoren und Konstrukt wird ein Konstrukt formativ oder reflektiv operationalisiert (vgl. Kapitel 3.1.2, S. 192ff.).

Das Messmodell der latenten endogenen Variablen umfasst analog zum exogenen Messmodell die Indikatorvariablen zur Messung der endogenen (abhängigen) latenten Variablen, einschließlich der vermuteten Zusammen-hänge zwischen diesen Items und dem zu messenden Konstrukt.

Abbildung 43 veranschaulicht die drei Komponenten eines Strukturgleichungsmodells anhand eines Pfaddiagramms.

Messmodell der latenten endogenen Variablen

Strukturmodell

Indikator y1

Indikator y2

Indikator y3

ε1

ε2

ε3

η

ζη

Ref

lekt

ives

M

essm

odel

l

Indikator x4

Indikator x5

Indikator x6

δ1

δ2

δ3

ξ2

Ref

lekt

ives

M

essm

odel

l

Indikator x1

Indikator x2

Indikator x3

ξ1

δξ1

Form

ativ

es

Mes

smod

ell

Messmodell der latenten exogenen Variablen

Abbildung 43: Pfaddiagramm eines Strukturgleichungsmodells mit formativer und reflektiver latenter Variable. In Anlehnung an Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 7

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Ziel dieses Kapitels ist es, ein Messinstrument für Kosten und Nutzen von Produktvielfalt zu entwickeln, weshalb das Messmodell im Zentrum der Betrachtung steht. Hierauf geht das nächste Kapitel im Detail ein.

3.1.2 Das Messmodell

Durch das Messmodell wird die Beziehung zwischen Indikatoren und dem zugrunde liegenden Konstrukt bzw. Faktor spezifiziert. Wie bereits erläutert, werden hierbei in Abhängigkeit der Richtung dieser Beziehung formative und reflektive Indikatoren bzw. Messmodelle unterschieden (vgl. Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 200; Homburg/Giering 1996, S. 6; Diamantopoulos/Winklhofer 2001, S. 269ff.; Bollen/Lennox 1991, S. 305.). Abbildung 44 verdeutlicht die Unterschiede der beiden Messmodellarten des Messmodells anhand eines einfaktoriellen Konstrukts ξ mit drei Indikatorvariablen x1, x2 und x3. Die Pfeile symbolisieren die Beziehungsrichtung zwischen dem Konstrukt und seinen Indikatoren.

λ1 λ2 λ3

x1 x3x2

ξδ

r12 r23

r13

λ1 λ2 λ3

x1 x3x2

ξ

r12 r23

r13

δ2δ1 δ3

Formatives MessmodellReflektives Messmodell

Abbildung 44: Reflektives und formatives Messmodell. In Anlehnung an Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 11

Im Fall des reflektiven Messmodells (linker Teil) werden die Indikatoren vom Konstrukt verursacht, d. h. Veränderungen des zugrunde liegenden Konstrukts bewirken Veränderungen der Messitems (vgl. Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003,

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S. 200). In Abbildung 44 wird dies durch den Pfeil vom Konstrukt zu den Indikatorvariablen symbolisiert.

Umgekehrt ist der Ursache-Wirkungs-Zusammenhang beim formativen Messmodell: Wie durch die Pfeilrichtung verdeutlicht, wird beim formativen Messmodell davon ausgegangen, dass Veränderungen der Indikatoren Veränderungen des zugrunde liegenden Konstrukts verursachen. In der englischsprachigen Literatur werden formative Indikatoren deshalb auch als „cause indicators“ oder „composite indicators“ bezeichnet (Bollen/Lennox 1991, S. 306). Die Indikatoren bilden in der Summe das Konstrukt ab, d. h. jeder Indikator stellt eine Facette des Konstrukts dar und trägt einen Teil zu dessen konzeptioneller und empirischer Bedeutung bei (vgl. Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 201).

Abbildung 44 stellt ein reflektives und formatives Messmodell eines einfaktoriellen Konstrukts einander gegenüber und beschreibt damit den einfachsten Fall der Konstruktkonzeptualisierung. Auch mehrfaktorielle Konstrukte können formative und/oder reflektive Strukturen aufweisen. So kann beispielsweise bei einem zweifaktoriellen Konstrukt die Faktorenebene reflektiv und die Konstruktebene formativ operationalisiert sein. In Abbildung 45 sind die möglichen Kombinationen aus formativen und reflektiven Strukturen eines mehrfaktoriellen, eindimensionalen Konstrukts dargestellt. Da die Faktoren eine zweite Strukturebene bilden, spricht man hier auch von einem Konstrukt zweiter Ordnung (Second Order Model).

Reflektiv Formativ

Ref

lekt

ivFo

rmat

iv

Konstruktebene

Faktorebene

Faktor1

ε13X13

ε12X12

ε11X11

ε13X13 ε13X13

ε12X12 ε12X12

ε11X11 ε11X11

Faktor n

εn3Xn3 εn3Xn3

εn2Xn2 εn2Xn2

εn1Xn1 εn1Xn1

Konstrukt ...

Faktor1

ε13X13

ε12X12

ε11X11

ε13X13 ε13X13

ε12X12 ε12X12

ε11X11 ε11X11

Faktor n

εn3Xn3 εn3Xn3

εn2Xn2 εn2Xn2

εn1Xn1 εn1Xn1

Konstrukt ...

ζ1

ζn

ζη

Faktor1

X13

X12

X11

Faktor n

Xn3

Xn2

Xn1

Konstrukt ...

ζ1

ζn

ζηX13

X12

X11

Xn3

Xn2

Xn1

Konstrukt ...

ζ1

ζn

Faktor1

Faktor n

Abbildung 45: Konstrukte zweiter Ordnung (Second Order Model) mit formativen und reflektiven Strukturen. In Anlehung and Jarvis et al. 2003, S. 205

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194

Die Gütekriterien zur Sicherstellung valider und reliabler Messergebnisse unterscheiden sich je nach Messmodellart. Diese werden nachfolgend, aufbauend auf den grundlegenden Beschreibungen des jeweiligen Modells, dargestellt.

3.1.2.1 Das reflektive Messmodell

Wie bereits erläutert, geht das reflektive Messmodell davon aus, dass das hypothetische Konstrukt die zugeordneten Indikatoren verursacht.

Ein reflektives Messmodell lässt sich formal in folgender Form darstellen:

xi = λiξ + δi (11)

xi Indikatorvariable i

λi Ladungskoeffizient der vonξ auf den Faktor xi

ξ zugrunde liegende latente Variable (Konstrukt)

δi Messfehler der Indikatorvariablen xi

Die Indikatoren (x1, ..., xn ) stellen demnach eine fehlerbehaftete Messung der latenten Variable ξ dar. Aus dem zugrunde liegenden Kausalitätszusammenhang folgt, dass die Indikatorvariablen eine Funktion des Konstrukts ξ sind (vgl. Bollen/Lennox 1991, S. 305). Ändert sich dessen Wert, so ändern sich auch die Ausprägungen aller seiner Indikatoren x1, ..., xn (vgl. Eggert/Fassot 2003, S. 4).

Hierbei liegt die Prämisse zugrunde, dass reflektive Indikatoren, die demselben Konstrukt zugeordnet werden können, aus Konsistenzgründen stark miteinander korrelieren (vgl. Bollen/Lennox 1991, S. 306). Würde das Konstrukt fehlerfrei durch die Indikatoren abgebildet werden, hätten die Items untereinander einen Korrelationskoeffizienten von 1 (vgl. Eggert/Fassot 2003, S. 4). Damit verbunden ist auch die Austauschbarkeit der Indikatoren: Da alle manifesten Variablen gleichsam valide Messungen des Konstrukts darstellen, können gleich reliable Indikatoren beliebig gegeneinander ausgetauscht werden. Das bedeutet auch, dass die Konstruktvalidität unverändert bleibt, wenn ein Indikator entfernt wird (vgl. Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 200).

Die Messung eines Konstrukts durch Indikatoren ist aber immer mit Messfehlern behaftet (vgl. Churchill 1979, S. 65). Um reliable und valide Messungen zu erhalten,

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195

ist es deshalb erforderlich, dass Messmodelle bestimmte Kriterien hinsichtlich ihrer Validität und Reliabilität erfüllen.

Kriterien zur Beurteilung der Güte reflektiver Messmodelle

Zunächst soll der Zusammenhang von Messfehlern, Validität und Reliabilität verdeutlicht werden. Churchill (1979, S. 65) stellte hierzu folgende Gleichung auf:

XO = XT + XS + XR (12)

Die Messung des Konstrukts liefert den beobachteten Wert XO (O = Observed). Dieser entspricht dem tatsächlichen, wahren Wert des Konstrukts XT (T = True) zuzüglich eines systematischen Messfehlers XS (S = Systematic) und eines zufälligen Messfehlers XR (R = Random).

Der systematische Fehler XS ist unabhängig von zufälligen Einflussfaktoren und tritt bei jeder Wiederholung der Messung in gleicher Höhe auf. So kann beispielsweise die Reihenfolge der Fragen in einem Fragebogen die Messergebnisse systematisch beeinflussen.

Im Gegensatz hierzu tritt der zufällige Fehler XR ohne erkennbare Systematik auf und variiert von Messung zu Messung. So können beispielsweise die Fragen eines Fragebogens von Probanden unterschiedlich interpretiert werden und deshalb zu Messfehlern führen. Der Zusammenhang der beiden Fehlerarten mit der Reliabilität und Validität von Konstruktmessungen wird nun deutlich:

Peter und Churchill (1986) definieren den Begriff der Reliabilität als „(...) the degree to which measures are free from random error (...)“ (S. 4). Die Reliabilität gibt folglich an, inwieweit eine Messung frei von zufälligen Messfehlern ist, und bezeichnet somit deren Zuverlässigkeit (vgl. Backhaus et al. 2003, S. 371). Ein Konstrukt wird demnach dann absolut reliabel gemessen, wenn der zufällige Messfehler XR null ist.

Die Validität (Gültigkeit) einer Messung gibt an, zu welchem Grad durch das Messinstrument das gemessen wird, was gemessen werden soll (vgl. Peter 1979, S. 6). Eine Messung ist folglich dann vollkommen valide, wenn der beobachtete Wert XO dem wahren Konstruktwert XT entspricht, die Messung somit vollkommen frei von Messfehlern ist und die Fehlerterme XS und XR den Wert 0 haben. Reliabilität ist

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196

somit eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Validität einer Messung (vgl. Homburg/Giering 1996, S. 7; Peter 1979, S. 6).

In der Literatur werden vier Arten von Validität für reflektive Messmodelle unterschieden (vgl. u. a. Peter/Churchill 1986, S. 1ff.; Churchill 1979, S 65ff.; Homburg/Giering 1996, S. 7f.):

Inhaltsvalidität

Konvergenzvalidität

Diskriminanzvalidität

Nomologische Validität

Die Inhaltsvalidität, die auch als Content oder Face Validity bezeichnet wird, gibt an, inwieweit die Indikatoren eines Konstrukts mit dessen theoretischen Rahmen konsistent sind und alle Facetten und Bedeutungsinhalte abbilden. Alle Indikatorvariablen müssen folglich dem „inhaltlich-semantischen Bereich des Konstrukts angehören“ (Homburg/Giering 1996, S. 7).

Konvergenzvalidität beschreibt den Grad, zu dem „(...) two measures designed to measure the same construct are related“ (Bearden/Netemeyer 1999, S. 5). Die Konvergenzvalidität beschreibt somit die interne Konsistenz verschiedener Items eines Konstrukts. Dies gilt auf Faktor- und Konstruktebene: Sowohl die Indikatoren eines Faktors als auch die Faktoren einer Dimension müssen eine starke Beziehung untereinander aufweisen (vgl. Homburg/Giering 1996, S. 7).

Die Diskriminanzvalidität gibt an, inwieweit „(...) measures of distinct concepts differ“ (Bagozzi, Phillips 1982, S. 469). Diskriminanzvalidität liegt also dann vor, wenn die Messmodelle inhaltlich verschiedener Konzepte auch unterschiedliche Messergebnisse erzeugen. Die Beurteilung der Diskriminanzvalidität erfolgt bei mehrdimensionalen Konstrukten genau wie bei der Konvergenzvalidität sowohl auf Faktoren als auch auf Konstruktebene: Auf Faktorenebene wird gefordert, dass die Zusammenhänge zwischen den Indikatoren eines Faktors stärker sind als die Zusammenhänge zwischen Indikatoren verschiedener Faktoren. Gleiches gilt auf Konstruktebene: Hier müssen die Assoziationen zwischen den Faktoren, die derselben Dimension angehören, stärker sein als die Assoziationen von Faktoren, die zu verschiedenen Dimensionen gehören.

Bearden und Netemeyer (1999) definieren nomologische Validität in dem von ihnen herausgegebenen Handbook of Marketing Scales als „the degree to which predictions

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from a formal theoretical network containing the concept under scrutiny are confirmed“ (S. 5). Zur Überprüfung der nomologischen Validität eines Konstrukts muss dieses folglich in einen übergeordneten theoretischen Rahmen eingebettet werden. Nomologische Validität liegt dann vor, wenn die aus der Theorie abgeleiteten Zusammenhänge des zu untersuchenden Konstrukts mit anderen (validen) Konstrukten empirisch nachgewiesen werden können (vgl. Homburg/Giering 1996, S. 7f).

Insgesamt ist die Messung eines Konstrukts nur dann als valide zu bezeichnen, wenn das zugehörige Messmodell allen vier Validitätsarten gerecht wird.

Die Methoden und Gütemaße zur Überprüfung der Reliabilität und Validität reflektiver Messmodelle sind abhänig zum zugrunde liegenden Ananlyseverfahren. Auf die in dieser Studie verwendeten Gütemaße wird im Rahmen der Methodik-beschreibung des Pretests (S. 231ff.) und der empirischen Hauptuntersuchung (S. 260ff.) eingegangen.

3.1.2.2 Das formative Messmodell

Das formative Messmodell geht von einer umgekehrten Einflussrichtung von Indikatoren und Konstrukt aus, als sie das reflektive Modell aufweist: In einem formativen Modell verursachen die gemessenen Indikatoren die latente Variable, d. h. die Veränderung eines Indikators bewirkt eine Veränderung der Konstruktausprägung.

Formal lässt sich das formative Messmodell folgendermaßen darstellen (vgl. Edwards/Bagozzi 2000, S. 162):

∑ +=i

ii x δλξ

(13)

ξ zugrunde liegende latente Variable (Konstrukt)

λi Gewichtungskoeffizient (Regressionskoeffizient) des Indikators xi auf die latente Variable ξ

xi gemessener Wert der Indikatorvariable i

δ Messfehler auf Konstruktebene

Der Wert der latenten Variablen ξ ergibt sich demnach als Summe der Produkte aller gemessenen Indikatorwerte xi mit ihrem jeweiligen Regressions- bzw. Gewichtungs-koeffizient λi. Der Parameter λi gibt hierbei die Gewichtung der Indikatorvariablen xi

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bei ihrer linearkombinatoren Verrechnung zur latenten Variable ξ an (vgl. Eggert/Fassot 2003, S. 4). Der Messfehler δ repräsentiert den Teil der latenten Variable, der durch die Indikatoren nicht erklärt werden kann. Im Gegensatz hierzu wird die Messung der Indikatorvariablen xi als fehlerfrei angenommen (vgl. (Edwards/Bagozzi 2000, S. 162).

Aus der im Vergleich zum reflektiven Modell gegensätzlichen Kausalitätsrichtung zwischen Indikatorvariablen und Konstrukt ergeben sich folgende weitere Unterschiede zwischen reflektivem und formativem Messmodell (vgl. Diamantopoulos/Winklhofer 2001, S. 270f.):

Erstens sind im Gegensatz zu reflektiven Modellen bei formativen Modellen die Indikatoren nicht austausch- oder entfernbar, da jeder Indikator eine Facette des Konstrukts abbildet: „Omitting an indicator is omitting a part of the construct“ (Bollen/Lennox 1991, S. 308).

Ein zweiter Unterschied besteht hinsichtlich der Korrelationen zwischen den Indikatoren, die in Abbildung 44 (S. 192) durch die Pfeile zwischen den Indikatoren symbolisiert sind: Im Unterschied zum reflektivem Modell werden beim formativen Modell die Korrelationen zwischen den Items nicht durch das Messmodell erklärt.

Eng damit verbunden ist ein dritter Unterschied: Bei einem formativen Messmodell kann keine Aussage darüber gemacht werden, ob, in welcher Richtung und in welcher Höhe die Indikatoren eines Faktors bzw. die Faktoren einer Dimension miteinander korrelieren: „(...) internal consistency is of minimal importance because two variables that might even be negatively related can both serve as meaningful indicators of a construct“ (Nunnally/Bernstein 1994, S. 489). Als unmittelbare Konsequenz daraus ergibt sich, dass die Güte eines formativen Modells nicht anhand seiner internen Konsistenz beurteilt werden kann (vgl. Rossiter 2002, S. 307f.)

Viertens haben formative Indikatoren keine Fehlerterme. Die Fehlervarianz wird ausschließlich durch den Fehlerterm δ auf Konstruktebene repräsentiert. Dieser korreliert nicht mit den Indikatorvariablen (d. h. cov [xi ;δ] = 0).

Im Gegensatz zum reflektiven Modell ist ein formatives Messmodell unteridentifiziert. Konsequenz dieses fünften Unterschieds ist, dass die Parameter eines formativen Messmodells nur im Kontext eines größeren Modells schätzbar sind. Bei einem reflektiven Modell können sie hingegen mit Hilfe einer konfirmatorischen Faktorenanalyse geschätzt werden.

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Selbst wenn ein formatives Konstrukt in ein Gesamtmodell eingebettet ist, kann die Identifikation aller Parameter immer noch problematisch sein. Dies führen Diamantopoulos und Winklhofer (2001) als sechsten Unterschied von reflektivem und formativem Messmodell an.

Formative und reflektive Messmodelle unterscheiden sich demnach erheblich in ihren Eigenschaften. Tabelle 5 stellt die Eigenschaften von reflektiven und formativen Messmodellen zusammenfassend gegenüber.

Eigenschaft Reflektives Messmodell Formatives Messmodell

Richtung der Kausalität Von Konstrukt zu Indikator Von Indikator zu Konstrukt

Austauschbarkeit der Indikatoren

Indikatoren sind austauschbar Indikatoren sind nicht austauschbar.

Korrelationen der Indikatoren eines Faktors

Korrelation der Indikatorvariablen wird durch das Messmodell erklärt Indikatoren müssen stark positiv korrelieren

Korrelation der Indikatorvariablen wird nicht durch das Messmodell erklärt Indikatoren müssen nicht korrelieren

Fehlerterme Ein Fehlerterm pro Indikator Nur ein Fehlerterm auf Faktorenebene

Identifizierbarkeit des Modells

Modell ist identifizierbar (z. B. konfirmatorische Faktorenanalyse)

Modell kann unterbestimmt sein. Parameter können nur bei Einbettung in größeres Modell geschätzt werden.

Tabelle 5: Gegenüberstellung der Eigenschaften von formativen und reflektiven Messmodellen

Im Hinblick auf die Reliabilitäts- und Validitätsbeurteilung folgt aus den Eigenschaften formativer Messmodelle, dass „(...) traditional validity assessments and classical test theory do not cover cause indicators“ (Bollen 1989, S. 222). Die im vorherigen Abschnitt dargestellten Validitätsanforderungen reflektiver Messmodelle sind folglich nicht auf Modelle mit formativen Indikatoren übertragbar. Nachfolgend werden Anforderungskriterien an formative Messmodelle zur Gewährleistung reliabler und valider Konstruktmessungen beschrieben.

Kriterien zur Beurteilung der Güte formativer Messmodelle

Bei der Entwicklung einer Skala (reflektives Modell) kann auf etablierte Kriterien und Verfahren zur Gewährleistung einer reliablen und validen Konstruktmessung zurückgegriffen werden (vgl. z. B. Churchill 1979, S. 67ff; Homburg/Giering 1996, S. 11ff.). Aufgrund der Dominanz reflektiver Messmodelle in der empirischen Marketingforschung (vgl. Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 200) existieren aber

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200

für die Indexentwicklung (formatives Messmodell) weder etablierte Vorgehens-weisen noch bewährte Gütekriterien zur Validitätsbeurteilung (vgl. Diamantopoulos/ Winklhofer 2001, S. 271). Die nachfolgenden Ausführungen repräsentieren den momentanen Forschungsstand in der empirischen Marketingforschung (2004).

Durch eine umfassende Literaturanalyse konnten Diamantopoulos und Winklhofer (2001, S. 271f.) vier Kriterien für eine erfolgreiche Indexentwicklung identifizieren:

Inhaltsspezifikation (Content Specification)

Indikatorspezifikation (Indicator Specification)

Indikatorkollinearität (Indicator Collinearity)

Externe Validität (External Validity)

Ziel der Inhaltsspezifikation ist eine präzise Beschreibung des inhaltlichen Umfangs des vom Index zu erfassenden Konstrukts. Da bei formativen Messmodellen das Konstrukt durch die Indikatorvariablen verursacht wird, ist es hierbei insbesondere wichtig, dieses in seiner gesamten inhaltlichen Breite zu erfassen: „breadth of definition is extremely important to causal indicators“ (Nunnally/Bernstein 1994, S. 484). Nur wenn im Rahmen der Inhaltsspezifikation alle wesentlichen Konstruktfacetten berücksichtigt werden, können die auf der Inhaltspezifikation basierenden Indikatoren das Konstrukt vollständig und valide abbilden.

Die Indikatorspezifikation basiert auf der Inhaltsspezifikation und beinhaltet die Generierung der Indikatorvariablen des Index. Hierbei ist es analog zur Inhaltsspezifikation für die Qualität der Konstruktmessung entscheidend, alle Facetten des Konstrukts durch entsprechende Indikatoren abzubilden, was zu einer großen Anzahl an Indikatoren führen kann. Es sei an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass die vollständige Abbildung aller Konstruktfacetten durch entsprechende Indikatoren bei reflektiven Messmodellen keine Rolle spielt, da „the set of items ‚is chosen randomly from the universe of items relating to the construct of interest’“ (Diamantopoulos/Winklhofer 2001, S. 271).

Das Kriterium der Indikatorkollinearität gründet auf der Struktur formativer Messmodelle: Wie aus der formellen Darstellung des formativen Messmodells hervorgeht (siehe S. 197), beruht dieses auf einer multiplen Regression. Dies bedingt, dass die Stabilität der Indikator-Koeffizienten (λi) einerseits von der Stichprobengröße und andererseits von der Stärke der Indikatorkorrelationen abhängt. Im Falle perfekter Multikollinearität sind die Regressoren linear abhängig, d. h. ein Regressor ist als Linearkombination der anderen Regressoren darstellbar. Die multiple Regression ist

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201

dann nicht durchführbar (vgl. Backhaus 2003, S. 88f.). Besteht zwischen den Indikatoren zwar keine perfekte, aber dennoch starke lineare Abhängigkeit, liegt also ein hoher Grad an Kollinearität vor, kann der Einfluss jedes einzelnen Indikators xi auf die latente Variable ξ nicht mehr festgestellt werden. Im Zusammenhang der Gütebetrachtung sind damit zwei Aspekte verbunden (Diamantopoulos/Winklhofer 2001, S. 272):

Zum einen stellen die Indikator-Koeffizienten λi den Einfluss der Indikatorvariablen xi auf die latente Variable ξ dar und können daher als Validitätskoeffizienten interpretiert werden. Liegt eine starke Multikollinearität vor, führt dies dazu, dass die Schätzung der Indikator-Koeffizienten λi nicht stabil ist und folglich die Beurteilung der Indikatorreliabilität problematisch ist. Zum anderen kann bei starker linearer Abhängigkeit eines Indikators dieser nahezu perfekt als Linearkombination anderer Indikatoren dargestellt werden. Das Item trägt somit redundante Informationen und ist ggf. von der Analyse auszuschließen.

Der Untersuchung der externen Validität kommt bei formativen Messmodellen eine besondere Bedeutung zu, da die interne Konsistenz aufgrund der nicht notwendigen Abhängigkeit der zu einem Faktor gehörenden Indikatoren nicht untersucht werden kann. Bagozzi (1994) unterstreicht dies: „the best we can do (...) is to examine how well the index relates to measures of other variables“ (S. 333). Da es hierfür in der Literatur keine etablierten Verfahren und Kriterien gibt und die Elimination von Indikatoren aus theoretischer Sicht problematisch, aus praktischer aber sinnvoll ist, schlagen Diamantopoulos und Winklhofer (2001, S. 272) alternativ die Anwendung eines so genannten MIMIC-Modells (Multiple Indicators and MultIple Causes) vor. Wie aus Abbildung 46a hervorgeht, bildet ein MIMIC-Modell ein Konstrukt gleichzeitig durch formative und reflektive Indikatoren ab. Wird dieses Modell mit Hilfe kovarianzbasierter Verfahren wie z. B. LISREL einem simultanen Test unterzogen, kann die Güte der Operationalisierung ganzheitlich anhand der Fitindizes des Modells abgeschätzt werden. Erweist sich der Gesamtfit des Modells als akzeptabel, kann daraus geschlossen werden, dass der Index das Konstrukt angemessen abbildet. Erklären weiterhin die verwendeten Indikatoren einen beachtlichen Teil der Varianz der reflektiven Indikatoren, weist das zu untersuchende Konstrukt eine hohe Inhaltsvalidität und eine gute nomologische Validität auf (vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 18). Des Weiteren kann anhand der Regressionskoeffizienten die Einflussstärke und Signifikanz einzelner Indikatoren des Index bewertet werden (vgl. Diamantopoulos/Winklhofer 2001, S. 272).

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202

Die Spezifizierung einer Variablen durch ein MIMIC-Modell wird von einigen PLS-Verfahren wie beispielsweise PLS-Graph, das in dieser Untersuchung zur Anwendung kommt, nicht unterstützt. Die Einführung einer reflektiv operationalisierten Phantomvariable ermöglicht die Lösung dieser Problematik (siehe Abbildung 46b). Kann dabei der angenommene starke und signifikante Zusammenhang zwischen formativ operationalisiertem Konstrukt und reflektiv operationalisierter Phantomvariable gezeigt werden und erklärt das formative Konstrukt gleichzeitig einen erheblichen Anteil der Varianz der Phantomvariable, kann externe Validität angenommen werden (vgl. Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 22; Diamantopoulos/Winklhofer 2001, S. 273).

Zwei-Konstrukt Modell (mit Phantomvariable)

y1 y3

λ1

π1 π2 π3

λ2 λ3

δ1 δ2 δ3

x1 x3

y2

x2

ξ

ηγ21

ζ1

δ = 0

r12 r23

r13

MIMIC Modell

y1 y3

λ1

π1 π2 π3

λ2 λ3

δ1 δ2 δ3

x1 x3

y2

x2

ηζ1

r12 r23

r13

Abbildung 46: MIMIC-Modell und Modell mit Phantomvariable zur Untersuchung der externen Validität formativ operationalisierter Konstrukte. In Anlehnung an Diamantopoulos/Winklhofer 2001, S. 272

Die in dieser Arbeit verwendeten Methoden und Gütemaße zur Beurteilung formativer Messmodelle werden im entsprechenden Abschnitt der Beschreibung der empirischen Untersuchung dargestellt (siehe Kapitel 3.4.1.3, S. 259ff.).

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203

Zusammenfassung

In den letzten beiden Abschnitten wurden Gütekriterien reflektiver und formativer Modelle zur Gewährleistung reliabler und valider Konstruktmessungen beschrieben. Vergleicht man die Kriterien der beiden Messmodellarten, so wird deutlich, dass von vier Gütekriterien reflektiver Messmodelle (Inhaltsvalidität, Konvergenzvalidität, Diskriminanzvalidität und nomologische Validität) bei formativen Modellen nur zwei Kriterien relevant sind: Inhaltsvalidität und nomologische Validität. Konvergenz- und Diskriminanzbetrachtungen sind dagegen aufgrund der linear-additiven Struktur formativer Messmodelle nicht sinnvoll. Bei der Konstruktion eines Index ist hingegen insbesondere auf die vollständige und umfassende Abbildung des zu erfassenden Konstrukts durch entsprechende Indikatoren zu achten. Bleiben relevante Konstruktfacetten unberücksichtigt, kann das Konstrukt durch den Index nicht valide gemessen werden. Die Gegenüberstellung der Grundlagen und Eigenschaften reflektiver und formativer Messmodelle hat verdeutlicht, dass mit der Operationalisie-rung eines Konstrukts weitreichende Folgen verbunden sind. Es ist folglich von zentraler Bedeutung, ein Konstrukt inhaltlich richtig durch ein formatives oder reflektiven Modells zu operationalisieren.

Die Notwendigkeit, sich bei der Entwicklung eines Messinstruments intensiv mit der Art des zugrunde liegenden Messmodells auseinanderzusetzen, haben die Untersuchungen von Jarvis, MacKenzie und Podsakoff (2003) und Eggert und Fassot (2003) verdeutlicht: Letztere arbeiteten heraus, dass alle Konstrukte der in der Zeitschrift Marketing ZFP veröffentlichten Strukturgleichungsmodelle reflektiv operationalisiert wurden, 79,6% der Messmodelle aber eher formativen als reflektiven Charakter haben (S. 9f.). Zu einem ähnlichen, wenn gleich nicht so extremen Ergebnis kamen Jarvis, MacKenzie und Podsakoff (2003). Sie untersuchten die Konstrukte in Strukturgleichungsmodellen, die im Zeitraum von 1977 bis 2000 in einem der führenden amerikanischen Marketing Zeitschriften (Journal of Consumer Research, Journal of Marketing, Journal of Marketing Research und Marketing Science) veröffentlicht wurden. Dabei stellten sie fest, dass 96% aller Konstrukte reflektiv operationaliert wurden, bei 28% der Konstrukte aus messtheoretischer Sicht aber eine formative Operationalisierung angebracht gewesen wäre. Die Autoren konnten ferner mit Hilfe einer Monte-Carlo Simulation zeigen, dass „(...) measurement model misspecification of even one formatively measured construct within a typical structural equation model can have very serious consequences for the theoretical conclusions drawn from that model“ (Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 212).

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204

Um eine aus messtheoretischer Sicht richtige Modellspezifikation des Werts von Produktvielfalt und seinen Dimensionen, der Kosten von Produktvielfalt und des Nutzens von Produktvielfalt zu gewährleisten, werden nachfolgend Kriterien beschrieben, anhand derer entschieden werden kann, ob ein Konstrukt formativ oder reflektiv zu operationalisieren ist.

3.1.2.3 Entscheidungskriterien zur Verwendung formativer oder reflektiver Messmodelle

Motiviert durch die Ergebnisse ihrer bereits erwähnten Untersuchung (siehe S. 203) haben Jarvis, MacKenzie und Podsakoff (2003) einen Fragenkatalog entwickelt, mit dessen Hilfe entschieden werden kann, ob ein Konstrukt formativen oder reflektiven Charakter hat. Der Fragenkatalog gliedert sich in vier Themenbereiche, denen die jeweiligen Fragen zugeordnet sind. In Tabelle 6 ist dieser in übersetzter Form dargestellt.

Im ersten Teil des Fragenkatalogs geht es um die Richtung der Kausalität zwischen Indikatoren und Konstrukt. Bei einem formativen Messmodell wird das Konstrukt von den Indikatoren bestimmt und die Kausalitätsrichtung verläuft von den Indikatoren zum Konstrukt. Erfolgt die Operationalisierung reflektiv, verläuft die Kausalitäts-richtung umgekehrt. Die zweite Fragenkategorie befasst sich mit der Austauschbarkeit der Indikatoren. Im Gegensatz zu formativen Modellen müssen diese bei reflektiven Messmodellen austauschbar sein. Beim dritten Kriterium geht es um die Kovariation (Covariation) der Indikatorvariablen. Während reflektive Indikatoren notwendiger-weise untereinander kovariieren müssen, ist dies im formativen Fall nicht erforderlich. Der vierte und letzte Teil des Fragenkatalogs befasst sich mit dem nomologischen Netz des Konstrukts, d. h. mit dessen Antezedenzien und Konsequenzen. Bei einem reflektiven Messmodell müssen diese für alle Indikatoren identisch sein, wohingegen die formativen Indikatoren eines Konstrukts verschiedene Antezedenzien und Konsequenzen haben können.

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205

Kriterium/Frage Formatives Messmodell Reflektives Messmodell

1. Richtung der Kausalität zwischen Indikatoren und Konstrukt, impliziert durch die konzeptionelle Konstruktdefinition

Von den Indikatoren zum Konstrukt

Vom Konstrukt zu den Indikatoren

Sind die Indikatoren a) definierende Merkmale

(Characteristics) oder b) Erscheinungsformen

(Manifestations) des Konstrukts?

Indikatoren sind definierende Merkmale (Characteristics) des Konstrukts

Indikatoren sind Erscheinungsformen (Manifestations) des Konstrukts

Würden Veränderungen der Ausprägungen der Indikatoren zu Verändungen des Konstrukts führen?

Veränderungen der Ausprägungen der Indikatoren sollten zu Verändungen des Konstrukts führen.

Veränderungen der Ausprägungen der Indikatoren sollten nicht zu Verändungen des Konstrukts führen.

Würden Veränderungen des Konstrukts zu Verändungen der Ausprägungen der Indikatoren führen?

Veränderungen des Konstrukts führen nicht zu Verändungen der Indikatoren.

Veränderungen des Konstrukts führen zu Verändungen der Indikatoren.

2. Austauschbarkeit der Indikatorvariablen

Indikatoren müssen nicht austauschbar sein.

Indikatoren sollten austauschbar sein.

Sollten die Indikatoren denselben oder ähnlichen Inhalt haben? Haben die Indikatoren ein gemeinsames Thema?

Indikatoren müssen nicht denselben oder ähnlichen Inhalt haben/Indikatoren müssen kein gemeinsames Thema haben.

Indikatoren sollten denselben oder ähnlichen Inhalt haben/Indikatoren sollten ein gemeinsames Thema haben.

Würde der Ausschluss eines Indikators den konzeptionellen Rahmen des Konstrukts verändern?

Der Ausschluss eines Indikators könnte den konzeptionellen Rahmen des Konstrukts verändern.

Der Ausschluss eines Indikators sollte den konzeptionellen Rahmen des Konstrukts nicht verändern.

3. Kovariation zwischen den Indikatoren

Indikatoren müssen nicht notwendigerweise kovariieren.

Indikatoren sollten kovariieren.

Sollte eine Änderung eines Indikators zur Änderung der anderen Indikatoren führen?

Nicht unbedingt Ja

4. Nomologisches Netz der Indikatoren

Nomologisches Netz der Indikatoren kann sich unterscheiden.

Nomologisches Netz der Indikatoren sollte sich nicht unterscheiden.

Sollten die Indikatoren dieselben Antezedenzien und Konsequenzen haben?

Indikatoren müssen nicht dieselben Antezedenzien und Konsequenzen haben.

Indikatoren müssen dieselben Antezedenzien und Konsequenzen haben.

Tabelle 6: Entscheidungskriterien zur Verwendung eines formativen oder reflektiven Messmodells. Quelle: Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, S. 203 (Übersetzung durch den Verfasser)

Die von Jarvis und seinen Kollegen vorgeschlagene Vierteilung suggeriert, dass es sich um vier voneinander unabhängige Entscheidungskriterien handelt. Herrmann, Huber und Kressmann (2004) haben jedoch gezeigt, dass sich alle vier Kriterien auf die Frage reduzieren lassen „ob eine Veränderung des Konstruktes eine Veränderung aller Indikatoren bewirkt (reflektiv) oder die Veränderung eines Indikators eine

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206

Veränderung der Konstruktausprägungen evoziert (formativ)“ (S. 13). Ähnlich wie Herrmann und seine Kollegen argumentiert auch Chin (1998a): Er schlägt vor, dass die Entscheidung, ob ein Konstrukt formativ oder reflektiv zu operationalisieren ist, anhand folgender Frage beantwortet werden kann: „Is it necessarily true that if one of the items (assuming all coded in the same direction) were to suddenly change in a particular direction, the others will change in a similar manner?“ (S. IX). Kann die Frage bejaht werden, handelt es sich um ein reflektives Konstrukt. Die von Chin vorgeschlagene Frage zielt auf die Kovariation der Indikatoren ab und entspricht der dritten Kategorie des Fragenkatalogs von Jarvis, MacKenzie und Podsakoff (2003). Diese folgt aber im Wesentlichen aus der Kausalitätsrichtung reflektiver Messmodelle (vom Konstrukt zu den Indikatoren), die bedingt, dass die Variation reliabler reflektiver Indikatoren nahezu ausschließlich auf die Variation des Konstrukts zurückzuführen ist. Reflektive Indikatoren müssen deshalb stark korreliert sein (vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 14).

Zusammenfassend kann man festhalten, dass es bei der Entscheidung der Operationalisierungsart im Kern um die Frage der Kausalität geht: Verändert das Konstrukt die Indikatoren (reflektiv) oder die Indikatoren das Konstrukt (formativ)? Sowohl der von Jarvis und seinen Kollegen entwickelte Fragenkatalog, als auch das von Chin vorgeschlagene Gedankenexperiment sind eher zu Orientierungszwecken und zur Verdeutlichung der Unterschiede von formativen und reflektiven Mess-modellen geeignet. Der Forscher kann anhand dieser Kriterien seine Entscheidung überprüfen. Die Ausführungen haben weiterhin verdeutlicht, dass die Entscheidung, ob zur Messung eines Konstrukts ein formatives oder reflektives Modell anzuwenden ist, allein auf Basis der theoretischen Konzeption des Konstrukts getroffen werden kann (vgl. Edwards/Bagozzi 2000, S. 171).

Damit sind die Grundlagen der Konstruktmessung gelegt worden. Im nächsten Abschnitt wird die Vorgehensweise bei der Entwicklung eines Messinstruments für Kosten und Nutzen von Produktvielfalt als zentrale Konstrukte dieser Untersuchung vorgestellt.

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207

3.1.3 Vorgehensweise bei der Entwicklung eines Messinstruments für den Wert von Produktvielfalt und seiner Dimensionen

Die Entwicklung des Messinstruments für den Wert von Produktvielfalt erfolgt durch Triangulation von Theorie, qualitativen und quantitativen Forschungsmethoden in vier Schritten. Schematisch ist die Vorgehensweise in Abbildung 47 dargestellt.

Basis/Methodik

Schritt 1

Schritt 2

Schritt 3

Schritt 4

KONZEPTUALISIERUNGEntwicklung der Dimensions- und FaktorstrukturBasis: Theoretischer Bezugsrahmen (Theorien und theoretische Konzepte)

OPERATIONALISIERUNGGenerierung einer Ausgangsmenge an IndikatorenDefinition der MessmodellartQuellen: Theorie, Experteninterviews, Konsumenteninterviews

PRETEST (auf Faktorebene)Optimierung der Messinstruments auf FaktorebeneExploratorische und konfirmatorische Faktorenanalyse

HAUPTUNTERSUCHUNG (Gesamtmodell)Empirische Überprüfung des vollständigen Messmodells Validitäts- und Reliabilitätsbeurteilung des Gesamtmodells mittels entsprechender Gütemaße

Theo

rie

qual

itativ

e em

piris

che

Fors

chun

gsm

etho

den

quan

titat

ive

empi

risch

e Fo

rsch

ungs

met

hode

n

Schritt 1

Schritt 2

Schritt 3

Schritt 4

KONZEPTUALISIERUNGEntwicklung der Dimensions- und FaktorstrukturBasis: Theoretischer Bezugsrahmen (Theorien und theoretische Konzepte)

OPERATIONALISIERUNGGenerierung einer Ausgangsmenge an IndikatorenDefinition der MessmodellartQuellen: Theorie, Experteninterviews, Konsumenteninterviews

PRETEST (auf Faktorebene)Optimierung der Messinstruments auf FaktorebeneExploratorische und konfirmatorische Faktorenanalyse

HAUPTUNTERSUCHUNG (Gesamtmodell)Empirische Überprüfung des vollständigen Messmodells Validitäts- und Reliabilitätsbeurteilung des Gesamtmodells mittels entsprechender Gütemaße

Theo

rie

qual

itativ

e em

piris

che

Fors

chun

gsm

etho

den

quan

titat

ive

empi

risch

e Fo

rsch

ungs

met

hode

n

Abbildung 47: Vorgehensweise bei der Entwicklung eines Messinstruments für den Wert von Produktvielfalt

Im ersten Schritt wird das Konstrukt konzeptualisiert, indem eine geeignete Dimension- und/oder Faktorstruktur entwickelt wird. Basis hierfür sind die in Kapitel 2 beschriebenen Theorien und theoretischen Konzepte.

Die nächste Phase dient der Operationalisierung des Konstrukts und seiner Dimensionen. Hierzu wird eine Ausgangsmenge an Indikatoren generiert und die Art der Messmodelle (formativ oder reflektiv) für die Dimensions- und Faktorenebene

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208

festgelegt. Quellen für die Generierung der Items sind die Theorien des Bezugsrahmens (Kapitel 2) sowie Konsumenten- und Experteninterviews.

Die so entstandenen Messmodelle der Faktoren der Konstrukte werden im dritten Schritt einem Pretest unterzogen um sie im Hinblick auf die anschließende Hauptuntersuchung zu optimieren. Hierzu werden die Faktoren mittels exploratorischer und konfirmatorischer Faktorenanalysen (LISREL) ersten Validitäts- und Reliabilitätsprüfung unterzogen und nicht geeignete Items entfernt.

Im vierten und letzen Schritt wird das vollständige Messmodell des Werts von Produktvielfalt im Rahmen der Hauptuntersuchung einer großen empirischen Überprüfung unterzogen. Hierbei wird sowohl die Faktor- als auch die Dimensionsebene mittels geeigneter Verfahren und Gütekriterien auf Validität und Reliabilität überprüft. Ergebnis dieser letzten Phase sind die endgültigen Messinstrumente für die KPV und NPV, welche Grundlage für die anschließende Untersuchung der Konsequenzen und Determinanten der KNPV sind.

3.2 Konzeptualisierung und Operationalisierung des Werts von Produktvielfalt und seiner Kosten- und Nutzendimension

Ziel dieses Abschnitts ist es, auf Basis der in Kapitel 2 beschriebenen Theorien ein Instrument zur Messung des Werts von Produktvielfalt und seiner unabhängigen Dimensionen, der Kosten von Produkvielfalt und des Nutzens von Produktvielfalt zu entwickeln, um dieses dann einer empirischen Prüfung zu unterziehen. Hierzu wird das zu untersuchende Konstrukt zunächst konzeptualisiert, d. h. es wird die Dimensions- bzw. Faktorstruktur aus den theoretischen Ausführungen abgeleitet. Im nächsten Schritt erfolgt die Operationalisierung, die zum einen die Generierung und Beschreibung der Indikatorvariablen und zum anderen die Bestimmung der Art des Messmodells zum Ziel hat. Hierbei ist festzulegen, ob ein formatives oder reflektives Modell zur Messung der jeweiligen Ebene geeignet ist.

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3.2.1 Konzeptualisierung des Werts von Produktvielfalt

Wie bereits dargestellt, beinhaltet die Konzeptualisierung eines Konstrukts die theoriebasierte Ermittlung seiner Dimensionen und Teildimensionen (vgl. Homburg/Giering 1996, S. 5; Bruhn/Homburg 2001, S. 306; siehe auch S. 188). Ausgangspunkt der Konzeptualisierung des Werts von Produktvielfalt als zentrales Konstrukt dieser Untersuchung sind daher die in Kapitel 2 beschriebenen Theorien.

Grundlegendes Ziel vorliegenden Arbeit ist es, die positiven und negativen Aspekte von Produktvielfalt durch das zwischen Sortimentsstimuli und Konsumentenverhalten mediierende Konstrukt Wert von Produktvielfalt theoretisch zu begründen und empirisch aufzuzeigen. Dieses wird deshalb als übergeordnetes Konstrukt der unabhängigen Dimensionen Nutzen von Produktvielfalt und Kosten von Produktvielfalt konzeptualisiert. Zu begründen ist dieser Kosten-Nutzen-Ansatz vor allem auf Basis der Forschungsfragen: Die Arbeit hat das Ziel, die Existenz der positiven und negativen Seiten von Produktvielfalt aus Konsumentensicht und deren Konsequenzen und Determinanten aufzuzeigen. Um sowohl die Nutzen- als auch Kostenaspekte aufzeigen zu können, müssen diese isoliert betrachtet werden. Die Konzeptualisierung des Werts von Produktvielfalt durch eine Kosten- und eine Nutzendimensionen, die als unabhängig betrachtet werden und deren Konsequenzen und Determinanten folglich ebenfalls isoliert untersucht werden können, ist deshalb naheliegend. Die Betrachtungsebene der weiteren Analysen ist folglich nicht eine Verknüpfungsebene, sondern die als unabhängig betrachteten Dimensionen Kosten von Produktvielfalt und Nutzen von Produktvielfalt (siehe hierzu auch die Ausführungen im Definitionsteil auf S. 12f.). Abbildung 48 veranschaulicht die Konzeptualisierung des Werts von Produktvielfalt als mediierendes zweidimensionales Konstrukt nochmals grafisch.

KonsumentenverhaltenProduktvielfalt(Sortiment)

Zukünftiges Verhalten

Ergebnis Kaufentscheidung

Wert von Produktvielfalt

Kostenvon Produktvielfalt

(KPV)

Nutzenvon Produktvielfalt

(NPV)

Wert von Produktvielfalt

Kostenvon Produktvielfalt

(KPV)

Nutzenvon Produktvielfalt

(NPV)

Evaluation von Prozess und Produkt

Abbildung 48: Konzeptualisierung des Werts von Produktvielfalt als zweidimensionales Konstrukt mit den Kosten von Produktvielfalt und dem Nutzen von Produktvielfalt als unabhängige Dimensionen

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210

Die Dimensionen des Werts von Produktvielfalt werden weitgehend als eigene Konstrukte betrachtet, weshalb sie teilweise als Kosten- und Nutzenkonstrukt bezeichnet werden. In den nächsten Abschnitten wird zunächst die Faktorstruktur der Nutzendimension und anschließend die der Kostendimensione abgeleitet.

3.2.1.1 Konzeptualisierung des Nutzens von Produktvielfalt

Die dargestellten Theorien haben auf verschiedene Art die positive Wirkung hoher Produktvielfalt erklärt. Dadurch wurde deutlich, dass der NPV für Konsumenten verschiedene Facetten hat. Abbildung 40 (S. 177), die auch Grundlage der Hypothesenformulierung war, hat die aus der jeweiligen Theorie abgeleiteten Nutzenfacetten zusammengefasst und in Beziehung zu Determinanten und Konsequenzen gesetzt.

Durch die Nutzenerwartungswerttheorie wurden die Facetten Antizipierter Produktnutzen und Erfolgsaussichten aufgezeigt; d. h. aus hoher Vielfalt folgt für den Konsumenten ein hoher antizipierter Produktnutzen, da durch die vorhandene Vielfalt der Konsument annimmt, dass das Sortiment mindestens ein Produkt enthält, das seinen Idealvorstellungen sehr nahe kommt und folglich einen hohen Nutzen für ihn hat. Durch den Aspekt Erfolgsaussichten wird zusätzlich noch die Transaktion selbst berücksichtigt: Der Konsument hat bei großer Vielfalt eine entsprechend hohe Chance, den beabsichtigten Kauf erfolgreich abschließen zu können und dadurch seine Bedürfnisse, die zur Auslösung der Kaufhandlung geführt haben, zu befriedigen. Dieser Handlungsgesichtspunkt unterscheidet die Erfolgsaussichten vom antizipierten Produktnutzen.

Die Ausführungen zum Shopping Hedonismus haben aufgezeigt, dass Einkaufen für Konsumenten aber nicht nur aus der reinen Transaktion zur Bedürfnisbefriedigung besteht, sondern sie dem Einkaufsprozess selbst einen hedonistischen Wert beimessen. So haben Kunden durch hohe Produktvielfalt tendenziell mehr Spaß am Einkauf, was u. a. auf die ausgeprägten Lern-, Test- und Informationsmöglichkeiten bei hoher Vielfalt zurückzuführen ist. Neben Spaß als starker und „aktiver“ Emotion können durch ein großes Sortiment auch allgemein positive Emotionen hervorgerufen werden, die eher mit der Anmutung der Warenvielfalt zu tun haben. So kann, wie aus der Theorie folgt, hohe Vielfalt z. B. ansprechend sein, Langeweile vermeiden und ein Gefühl der Entscheidungsfreiheit vermitteln. Spaß und allgemeine positive Emotionen sind folglich qualitativ unterschiedliche affektive Nutzenfacetten von Produktvielfalt.

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Ein weiterer positiver Aspekt hoher Produktvielfalt wurde durch die Hypothese des Informationsdefizits aufgezeigt (siehe Kapitel 2.2.1.1, S. 69). Demnach haben Konsumenten bei einem großen Sortiment eine bessere Informationsbasis für die Entscheidung als bei einem kleinen und sind folglich eher bereit, sich für den Kauf zu entscheiden. Gleichzeitig erreichen sie durch ihre bessere Informiertheit eine höhere Entscheidungsqualität. Demzufolge erhöhen die Informationsmöglichkeiten hoher Produktvielfalt die Kaufintention des Konsumenten und, aufgrund der höheren Qualität der Entscheidung, vermutlich auch die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt. Die Informationsmöglichkeiten stellen folglich einen weiteren wichtigen Nutzenaspekt hoher Produktvielfalt dar.

Insgesamt können damit aus den theoretischen Ausführungen fünf Facetten des Nutzens von Produktvielfalt abgeleitet werden. Sie beinhalten sowohl kognitive als auch affektive Aspekte:

Antizipierter Produktnutzen (kognitiv)

Erfolgsaussichten (kognitiv)

Spaß (am Einkaufen) (affektiv)

Positive Emotionen und (affektiv)

Informationsmöglichkeiten (kognitiv)

Diese fünf Facetten werden aufgrund ihrer weitgehenden Eigenständigkeit als Faktoren des Nutzenkonstrukts definiert. Eine weitere Untergliederung der fünf Faktoren scheint nicht sinnvoll.

Der Nutzen von Produktvielfalt werden folglich als eindimensionales Konstrukt mit fünf Faktoren konzeptualisiert.

3.2.1.2 Konzeptualisierung der Kosten von Produktvielfalt

Analog zu den Nutzenfacetten können, wie in Abbildung 40 (S. 177) verdeutlicht, aus dem theoretischen Bezugsrahmen auch die verschiedenen Aspekte der Kosten von Produktvielfalt abgeleitet werden:

Die Cost of Thinking haben verdeutlich, dass hohe Produktvielfalt für den Konsumenten mit hohem Aufwand bei der Entscheidungsfindung verbunden ist. Dieser muss, um zu einer Entscheidung zu kommen, bei vielen verfügbaren Alternativen eine große Menge an Informationen verarbeiten. Die Informations-

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verarbeitung ist für ihn mit zeitlichem und kognitivem Aufwand verbunden und erfordert entsprechende Anstrengungen.

Wie die Konflikt-Theorie gezeigt hat, können in einer Entscheidungssituation negative Emotionen entstehen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn mehrere gleich attraktive Alternativen zur Wahl stehen und die Entscheidung vom Konsumenten aufgrund wechselseitig positiver und negativer Eigenschaften der Alternativen einen Kompromiss verlangt. Diese Emotionen entstehen direkt im Entscheidungsprozess, weshalb sie als „process emotions“ (Hastie 2000, S. 21) bezeichnet werden.

Durch die Ausführungen zum antizipierten Regret wurde aufgezeigt, dass Konsumenten Emotionen, die erst nach der Kaufentscheidung entstehen, mittels geistiger Simulation des Nachkaufzustands vorwegnehmen und in die Kaufent-scheidung einbeziehen können. Anderson (2003) bezeichnet diese Art der Emotionen deshalb als Anticipatory (vorwegnehmende) oder Anticipated Amotions (vorweggenommene, vorausgesehene) (S. 141ff.). Antizipiertes Regret ist folglich von den negativen Prozessemotionen zu unterscheiden und beschreibt eine eigene Facette der Kosten von Produktvielfalt.

Auch die drei in Kapitel 2.2 (S. 68ff.) dargestellten grundlegenden theoretischen Perspektiven zum Umgang von Konsumenten mit Produktvielfalt haben verschiedene Facetten der KPV aufgezeigt: So hat die Hypothese von der Informationsüberlastung Hinweise dafür gegeben, dass hohe Vielfalt für Entscheider mit kognitivem Aufwand verbunden ist und zu dessen Überforderung führen kann. Erkennt der Konsument seine eigene Überforderung, begünstigt dies die gleichzeitige Entstehung negativer Emotionen wie Verwirrtheit und Frustration. Ähnlich wurde durch die Theorie des Optimum Stimulation Level die Entstehung eines „inneren Spannungszustandes“ bei zu hoher Stimulation, sprich zu hoher Produktvielfalt, begründet. Der Tyranny of Freedom hat schließlich ebenfalls die Überforderung und Entstehung von antizipiertem Regret als Ursache für die zunehmend negative Wirkung übermäßig hoher Produktvielfalt genannt.

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Insgesamt können damit aus den theoretischen Ausführungen drei Facetten der Kosten hoher Produktvielfalt abgeleitet werden:

Aufwand und Anstrengung (kognitiv)

Negative Emotionen/Verwirrung und Frustration (affektiv) und

Antizipiertes Regret (affektiv)

Die verschiedenen Facetten der KPV decken sowohl kognitive als auch affektive Negativaspekte hoher Produktvielfalt ab. Da die drei Facetten weitgehend überschneidungsfrei sind und sich inhaltlich und konzeptionell voneinander unterscheiden, werden sie jeweils als ein Faktor der Kosten von Produktvielfalt betrachtet.

Die Kosten von Produktvielfalt werden somit insgesamt als eindimensionales Konstrukt mit drei Faktoren konzeptualisiert.

Zusammenfassung

Abbildung 49 zeigt die Gesamtstruktur des Werts von Produktvielfalt und die Faktorstrukturen der Kosten- und Nutzendimension zusammen mit den theoretischen Bezugspunkten, die den jeweiligen Faktor inhaltlich erklären. Die Faktoren der Kostendimension werden hierbei hauptsächlich von den drei Theorien Cost of Thinking, Konflikt-Theorie und Antizipiertes Regret begründet. Liegt die Vielfalt über dem „Optimum“ des Konsumenten, erhöhen die in „zweiter Reihe“ angeführten theoretischen Konzepte die Bedeutung einzelner Kostenfaktoren zusätzlich.

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214

Nutzenerwar-tungswert-

theorie

Hedonic Shopping

Value

Hypothese vom Informations-

defizit

Theorien und theoretische Konzepte

NPV KPV

AP EA Sp AA VF ARPEIM

Antizipierter Produktnutzen

Erfolgs-aussichten Spaß

Aufwand und Anstrengung

Negative Emotionen/Verwirrung und

Frustration

Antizipiertes Regret

Positive Emotionen

Informations-möglichkeiten

Optimum Stimulation

LevelTyranny of Freedom

Konflikt-Theorie

Antizipiertes Regret

Nutzen Kosten

Faktoren

Hypothese der Information-überlastung

Cost of Thinking

kognitiv affektiv kognitiv affektiv

Dimensionen Wert von Produktvielfalt

Abbildung 49: Konzeptualisierung des Werts von Produktvielfalt und seiner Dimensionen mit den jeweils zugrunde liegenden theoretischen Bezugspunkten

Die Verschiedenartigkeit der Faktoren der jeweiligen Dimension deutet bereits auf die formative Beziehung zwischen den Faktoren und der zugehörigen Dimension hin. In der Abbildung ist dies durch die gestrichelten Pfeile zwischen den Faktoren und dem Gesamtkonstrukt angedeutet. Im Rahmen der Operationalisierung wird die Kausalitätsrichtung sowohl auf Faktor- als auch auf Dimensionsebene noch ausführlicher diskutiert (siehe Kapitel 3.2.2.4, S. 226).

Der nächste Abschnitt beschreibt die Operationalisierung der Dimensionen, die im Wesentlichen die Generierung der Indikatoren der Faktoren zum Inhalt hat.

3.2.2 Operationalisierung

3.2.2.1 Vorgehensweise und Quellen zur Generierung der Indikatoren

Da es sich beim Wert von Produktvielfalt und seinen Dimensionen um bisher in dieser Form in der Literatur nicht existierende Konstrukte handelt, kann nicht auf etablierte Skalen oder Indizes zurückgegriffen werden. Die Indikatoren zur Messung der einzelnen Faktoren müssen deshalb neu generiert werden. Hierfür wurden durch die Verwendung von drei Arten an Quellen verschiedene Forschungsmethoden

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215

(Triangulation) kombiniert, um eine breite Abdeckung der Konstruktinhalte sicherzustellen (vgl. Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 17): Als Quellen dienten

1. Literaturrecherche

2. Experteninterviews

3. Kundeninterviews.

Im Rahmen einer intensiven Literaturrecherche konnten einige Indikatoren zu bestimmten Faktoren aus empirischen Untersuchungen zu den in Kapitel 2 beschriebenen Theorien entnommen werden. Diese wurden um Items ergänzt, die aus verschiedenen Literaturquellen zu der jeweiligen Theorie entnommen oder aus theoretischen Überlegungen abgeleitet wurden.

Um die theoriebasierte Itemliste zu erweitern, wurden Interviews mit Experten und Kunden geführt. Diese qualitative Forschungsmethode gewährleistet, dass alle aus Unternehmens- und Konsumentensicht wesentlichen Aspekte von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt im Messinstrument berücksichtigt werden. Insgesamt wurden acht Experten und 25 Kunden befragt. Vier der Experten kommen aus dem Umfeld des kooperierenden Handelsunternehmens, die anderen vier sind Unternehmensberater, die sich schwerpunktmäßig mit Handelsmarketing beschäftigen.

Beide Personengruppen wurden nach den aus ihrer Sicht wesentlichen positiven und negativen Aspekten hoher Vielfalt und geringer Vielfalt gefragt. Kehrt man letztere um, erhält man wiederum positive und negative Aspekte hoher Vielfalt. Durch diese Art der Befragung können auch Aspekte identifiziert werden, die nicht als positiv empfunden werden, so lange sie vorhanden sind, aber als negativ wahrgenommen werden, wenn sie fehlen. Ein Beispiel hierfür ist das Gefühl eines Konsumenten, dass es in anderen Geschäften bessere Angebote gibt, wenn er sich in einem Geschäft mit relativ geringer Vielfalt befindet. Bei Aspekten, die von Experten oder Konsumenten genannt, auf Basis theoretischer Überlegungen aber noch keine Berücksichtigung fanden, wurde nach der Begründung für diesen Aspekt gefragt. Die Konsumenten wurden im Rahmen der Interviews erst angesprochen, nachdem sie sich entscheiden haben, ob sie ein Produkt kaufen oder nicht, so dass sie zusätzlich nach den Gründen für ihre Kaufentscheidung gefragt werden konnten.

Zur Auswertung der aufgezeichneten Experten- und Kundeninterviews wurden die genannten Aspekte zunächst den acht Faktoren der KNPV zugeordnet und anschließend pro Faktor kategorisiert. Bis auf zwei Aspekte (Beratungs- und Informationsbedarf), die nicht einem der Faktoren zuzuordnen waren, konnten alle

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216

genannten Punkte jeweils einem Faktor zugeordnet werden. Die beiden Aspekte werden indirekt über den Entscheidungsausgang (Informationsbedarf) und die Berücksichtigung der Beratungszufriedenheit in einem erweiterten Modell (siehe S. 343ff.) in die Untersuchung einbezogen.

Wie in Abbildung 50 zu erkennen ist, nannten Konsumenten die Vergleichs-möglichkeiten, die empfundene Entscheidungsfreiheit und die allgemeine Bedürfniserfüllung, sowie die Chance, ein Produkt mit optimalem Preis-Leistungs- Verhältnis zu finden, als häufigste Nutzenaspekte großer Sortimente. Die meistgenannten Kostenaspekte waren die Dauer und Anstrengung der Entscheidungs-findung, die Schwierigkeit des Produktvergleichs sowie die Unsicherheit über die Richtigkeit der Entscheidung und das Gefühl der Überforderung.

HäufigkeitNennung

6

3

6

3 32

3

5

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2 2

8 8

16

3

7

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8

10

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AP EA Sp PEIM VF ARAA

Nutzendimension Kostendimension

Antizipierter Produktnutzen

Erfolgs-aussichten Spaß

Aufwand und Anstrengung

Negative Emotionen

Antizipiertes Regret

Positive Emotionen

Informations-möglichkeiten

Abbildung 50: Ergebnisse der qualitativen Konsumentenbefragung

Die aus der Literaturrecherche und den Experten- und Konsumenteninterviews entstandene „Long-list“ an Indikatoren wurde schließlich pro Faktor nochmals kategorisiert und von Redundanzen befreit. So ist eine Sammlung an Indikatoren entstanden, die sowohl auf Erkenntnissen der Theorie, als auch auf Meinungen und Wahrnehmungen von Experten und Konsumenten beruht. Dieses Ausgangs- Messinstrument wird im Anschluss konstruktweise beschrieben.

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217

3.2.2.2 Operationalisierung des Nutzens von Produktvielfalt

Die nachfolgend dargestellten Indikatoren bzw. Fragen des verwendeten Fragebogens beziehen sich auf die Produktkategorie Digitalkameras. Die Itembatterie der zweiten in der empirischen Untersuchung einbezogenen Produktart (DVD-Player und DVD-Recorder) soll an dieser Stelle nicht zusätzlich aufgeführt werden.

Antizipierter Produktnutzen

Die Indikatoren zur Messung des antizipierten Produktnutzens lehnen sich inhaltlich an eine Skala von Kahn und Wansink (2004, S. 531) an, die die Autoren im Kontext von Süßigkeitenkäufen verwendeten. Die Itembatterie wurde auf die hier betrachtete Kategorie der echten Kaufentscheidungen und den empirischen Rahmen des Digitalkamerakaufs angepasst. Da die rationale Entscheidungstheorie davon ausgeht, dass der Konsument das Produkt mit dem für ihn höchsten Nutzen kauft, wird nicht nach dem durchschnittlichen, sondern dem maximalen Nutzen gefragt. Die Fragen sind deshalb so formuliert, dass das Sortiment mindestens eine Digitalkamera enthält, welche die jeweilige Nutzensausprägung erfüllt.

Der Faktor antizipierter Nutzen manifestiert sich in verschiedenen Aspekten, von denen folgende in dieser Untersuchung relevant sind:

Die antizipierte Erfüllung des kaufauslösenden Bedürfnisses durch das Produkt (kognitiv),

die antizipierte Freude (affektiv),

der antizipierte funktionale Nutzen (kognitiv) und

die antizipierte Zufriedenheit (kognitiv und affektiv).

Der antizipierte Nutzen kommt sowohl in kognitiven als auch affektiven Aspekten zum Ausdruck. Bis auf den funktionalen Nutzenaspekt, der von Experten als bedeutsam für den Kauf von Elektronikprodukten genannt wurde, finden sich die Inhalte auch in der Skala von Kahn und Wansink (2004). Von Konsumenten wurde in den Interviews die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse hinsichtlich wünschenswerter Produkteigenschaften besonders häufig angeführt. Der Indikator AnUt1 bildet diesen Aspekt mit ab.

Tabelle 7 stellt die Indikatoren des Faktors antizipierter Produktnutzen dar.

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218

Bezeichnung Item Inhalt Quelle

AnUt1 Das Sortiment enthält mindestens eine Digitalkamera, die meine Bedürfnisse optimal erfüllt und genau die Eigenschaften hat, die ich mir wünsche.

Bedürfnisserfüllung und wünschenswerte Eigenschaften

AnUt2 Das Sortiment enthält mindestens eine Digitalkamera, die mir viel Freude bereiten wird.

Antizipierte Freude

In Anlehnung an Kahn/Wansink 2004, S. 531

AnUt3 Das Sortiment enthält mindestens eine Digitalkamera, die mir viel nützen wird.

Antizipierter funktionaler Nutzen

Experteninterviews

AnUt4 Das Sortiment enthält mindestens eine Digitalkamera, mit der ich sehr zufrieden sein werde.

Antizipierte Zufriedenheit

In Anlehnung an Kahn/Wansink 2004, S. 531

Tabelle 7: Indikatoren des Nutzen-Faktors „Antizipierter Produktnutzen“

Erfolgsaussichten

Der Faktor Erfolgsaussichten beschreibt, wie der Name schon sagt, die Chance des Konsumenten, die Transaktion durch den Kauf eines Produkts erfolgreich zu beenden. Wie die Konsumenteninterviews gezeigt haben, manifestieren sich diese vor allem im Finden eines Produkts mit möglichst gutem Preis-Leistungs-Verhältnis. Dieser Argumentation folgen auch Wright und Barbour (1975), die argumentieren, dass ein Konsumtent „(…) may intuitively realize (…) that a larger pool (of alternatives) increases his chance for an optimal choice (…)” (Wright/Barbour 1975, S. 248). Das Item Erfolg1 bildet diesen Aspekt ab. Die Erfolgsaussicht, d. h. die Möglichkeit, ein Produkt zu finden, das den eigenen Vorstellungen entspricht, ist eine weitere Ausdrucksmöglichkeit des Faktorinhalts, der durch Erfolg2 abgebildet wird. Dieses Item basiert auf der Argumentation von Hocht et al. (1999): „Greater variety and larger assortments increase the probability of a perfect match” (Hoch/Bradlow/Wansink 1999, S. 528). Eines der Hauptargumente des Handels für große Sortimente kommt in der letzten Frage zum Ausdruck: Demnach hat ein Konsument, der sich einem großen Sortiment gegenüber sieht, nicht das Gefühl, ein besseres Angebot eines anderen Geschäfts zu verpassen. Er hat folglich geringere „Opportunitätskosten“. Dhar (1997a, S. 216) spricht in diesem Zusammenhang vom erwarteten Nutzen der Produktsuche. Er argumentiert, dass ein Konsument dann in anderen Geschäften nach weiteren Alternativen sucht, „when (...he) expects to find better alternatives by continuing to search“ (S. 216). Die Opportunitätskosten können

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219

demnach als erwarteter Produktnutzen der durch die Weitersuche gefundenen Alternativen interpretiert werden.

Der Faktor Erfolgsaussichten wird insgesamt durch die drei in Tabelle 8 beschriebenen Indikatoren gemessen.

Bezeichnung Item Inhalt Quelle

Erfolg1 Hier kann ich eine Digitalkamera mit dem optimalen Preis-Leistungs Verhältnis finden.

Erfolg hinsichtlich Preis-Leistung

In Anlehnung an Wright/Barbour 1975, S. 248; Experten- und Kundeninterviews

Erfolg2 Ich kann hier wahrscheinlich nicht finden, was ich suche, und muss deshalb noch in weitere Geschäfte gehen. (Invers)

Übereinstimmung mit eigenen Vorstellungen

Experten- und Kundeninterviews

Erfolg3 In anderen Geschäften gibt es bestimmt noch bessere Digitalkameras und Angebote. (Invers)

Vermiedene Opportunität

In Anlehnung an Dhar (1997a, S. 216) ; Experten- und Kundeninterviews

Tabelle 8: Indikatoren des Nutzen-Faktors „Erfolgsaussichten“

Informationsmöglichkeiten

Dieser Faktor wird durch insgesamt sechs Items gemessen, die vornehmlich auf verschiedenen Literaturquellen basieren (siehe Tabelle 9). Demnach bestehen die Informationsmöglichkeiten durch hohe Produktvielfalt darin, dass sich Konsumenten einen Überblick über die am Markt verfügbaren Produkte verschaffen können (Info1), sich direkt vor Ort auf Basis des Sortiments informieren können und hierfür (Info2) und sie aufgrund der verfügbaren Informationen eine gute Grundlage für die Entscheidung haben (Info 3). Weiterhin kommen die Möglichkeiten zur Informationsgewinnung dadurch zum Ausdruck, dass (potenzielle) Kunden die entscheidungsrelevanten Produktattribute erkennen bzw. lernen können (Info4) und sich über Marktneuheiten informieren können (Info5). Der Indikator Info6 bezieht sich schließlich auf die Möglichkeit, aufgrund der großen Vielfalt, Produkte, Marken und Preise miteinander vergleichen zu können. Dies war der von Konsumenten in der qualitativen Befragung am häufigsten genannte positive Aspekt hoher Produktvielfalt. In nachfolgender Tabelle ist die Itembatterie des Faktors zusammengefasst.

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220

Bezeichnung Item Inhalt Quelle

Info1 Ich bekomme durch das Sortiment einen guten Überblick über verschiedene Produkte, Marken und Preise.

Marktüberblick In Anlehnung an Babin/Darden/Griffin 1994, S. 646

Info2 Ich kann mich hier gut informieren und spare mir den Weg in andere Geschäfte.

Informationsmöglichkeiten und reduzierter Aufwand

Experten- und Kundeninterviews

Info3 Das Sortiment bietet mir alle Informationen, die ich für eine gute Entscheidung brauche.

Schaffung einer guten Entscheidungsbasis

In Anlehnung an Huffmann/Kahn 1998, S. 510

Info4 Durch die verschiedenen Produkte kann ich feststellen, auf welche Produkteigenschaften ich beim Kauf besonders achten muss.

Identifikation entscheidungsrelevanter Produktattribute

In Anlehnung an Walsh 2002, S. 203

Info5 Ich kann mich durch das Sortiment über Neuheiten am Markt informieren.

Informationen über Neuheiten am Markt

In Anlehnung an Arnold/Reynolds 2003, S. 80

Info6 Die Vielfalt an Digitalkameras gibt mir die Möglichkeit, Preise und Produkte zu vergleichen.

Vergleichsmöglichkeiten Experten- und Kundeninterviews

Tabelle 9: Indikatoren des Nutzen-Faktors „Informationsmöglichkeiten“

Spaß (am Einkauf)

Der Nutzenfaktor Spaß wird anhand von vier Indikatorvariablen gemessen (siehe Tabelle 10). Das Item Spaß1 geht auf Argumente von Arnold und Reynolds (2003, S. 80) zurück, wonach Konsumenten Spaß daran haben, Neues über Produkte zu erfahren. Dies ist konform mit den Personal Shopping Motives von Taubner (1972) und empirischen Erkenntnissen von Bloch, Sherrell und Ridgway (1986, S. 125): Die drei Autoren konnten zeigen, dass Konsumenten fortlaufend und unabhängig von Kaufabsichten Informationen zu Produkten sammeln und Wissen über sie erwerben, weil sie daran Spaß haben und dadurch positive Emotionen empfinden. Das Item Spaß3 bildet einen ähnlichen Aspekt ab wie das erste Item, betont hierbei aber stärker den Neuheitsaspekt. Der Indikator Spaß2 geht auf die Argumentation von Desmeules (2002, S. 8) zurück, wonach Konsumenten Spaß daran haben, sich vorzustellen, eines der verfügbaren Produkte zu besitzen. Bei großen Sortimenten gibt es hierfür mehr Möglichkeiten als bei kleinen, weshalb diese Variable den Spaßfaktor großer Sortimente zum Ausdruck bringen kann. Ein weiterer in den Konsumenteninterviews genannter und auch von Punj und Staelin (1983) angeführter Aspekt dieses Faktors ist die Möglichkeit, verschiedene Produkte anschauen, anfassen und ausprobieren zu können: „Consumers get pleasure (benefit) from trying out numerous brands within a

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221

product class or from seeking out information about them“ (Punj/Staelin 1983, S. 368f.). Das Item Spaß4 misst diesen Aspekt.

Bezeichnung Item Inhalt Quelle

Spaß1 Es macht mir Spaß, hier während des Einkaufens mehr über Digitalkameras zu erfahren.

Spaß durch Lernen In Anlehnung an Arnold/Reynolds 2003, S. 80

Spaß2 Es macht mir Spaß, mir vorzustellen, eine der verschiedenen Kameras des Sortiments zu besitzen.

Spaß durch Vorstellung/Phantasie

In Anlehnung an Desmeules 2002, S. 8

Spaß3 Es macht mir Spaß, hier neue Digitalkameras und Eigenschaften von Digitalkameras zu entdecken.

Spaß durch Entdecken von Neuem

In Anlehnung an Babin/Darden/Griffin 1994, S. 649; Chandon/Wansink/Laurent 2000, S. 69

Spaß4 Es macht mir Spaß, hier die verschiedenen Digitalkameras anschauen, anfassen und ausprobieren zu können.

Spaß durch „Touch and Feel“

In Anlehnung an Punj/Staelin 1983, S. 368f.; Konsumenteninterviews

Tabelle 10: Indikatoren des Nutzen-Faktors „Spaß (am Einkauf)“

Positive Emotionen

Der Faktor positive Emotionen wird durch eine Batterie von sieben Items operationalisiert (siehe Tabelle 11). Bei der Generierung der Indikatoren ist zu beachten, dass ein weites Spektrum von Emotionen, die im Kontext von Produktvielfalt entstehen können, in der Skala zum Ausdruck kommt. Fünf der sieben Indikatoren stammen deshalb aus existierenden Emotionsskalen aus dem Konsumkontext. Die Items PoEm1, PoEm2 und PoEm4 basieren auf dem Consumption Emotions Set (CES) von Richins (1997) und PoEm5 sowie PoEm7 aus der von Mano und Oliver 1993 (S. 649) entwickelten Skala. Ergänzt werden diese Items durch die auf Iyengar und Lepper (2002, S. 72ff.) und Reibstein et al. (1975, S. 435) zurückgehende empfundene Entscheidungsfreiheit (PoEm3) und die schon im Zusammenhang mit der Informationsgewinnung erwähnten positiven Emotionen durch neue Erfahrungen (PoEm6).

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222

Bezeichnung Item Inhalt Quelle

PoEm1 Das Digitalkamerasortiment ist ansprechend.

Sortimentsanmutung Consumption Emotions Set (CES) (Richins 1997, S. 127ff.)35

PoEm2 Das Digitalkamerasortiment ist aufregend.

Excitement/Reiz Consumption Emotions Set (CES) (Richins 1997, S. 127ff.)

PoEm3 Das Digitalkamerasortiment gibt mir das Gefühl, selbst bestimmen zu können, was ich kaufen will.

Entscheidungsfreiheit/ Selbstbestimmtheit

In Anlehnung an Iyengar/Lepper 2002, S. 72ff.; Reibstein/Youngblood/ Fromkin 1975, S. 435

PoEm4 Das Digitalkamerasortiment stimmt mich optimistisch.

Optimismus Consumption Emotions Set (CES) (Richins 1997, S. 127ff.)

PoEm5 Das Digitalkamerasortiment langweilt mich.

Unterhaltung In Anlehung an Babin/Attaway 2000, S. 94; Mano/Oliver 1993, S. 456

PoEm6 Das Digitalkamerasortiment bietet mir neue interessante Erfahrungen.

Neue Erfahrungen In Anlehnung an Babin/Darden/Griffin 1994, S. 649

PoEm7 Das Digitalkamerasortiment inspiriert mich.

(Kauf)Inspiration In Anlehnung an Mano/Oliver 1993, S. 456

Tabelle 11: Indikatoren des Nutzen-Faktors „Positive Emotionen“

Damit sind alle Faktoren des Nutzenkonstrukts mittels geeigneter Fragen operationalisiert. Der nächste Abschnitt beschreibt die Operationalisierung der Kosten von Produktvielfalt.

3.2.2.3 Operationalisierung der Kosten von Produktvielfalt

Aufwand und Anstrengung

Der erste Faktor der Kostendimension wird durch sechs Indikatoren gemessen (siehe Tabelle 12). Die Dauer und der Aufwand der Entscheidung wurden von Konsumenten am häufigsten als negative Aspekte hoher Produktvielfalt genannt (siehe Abbildung 50, S. 216). Dieser auch von Loewenstein (1999, S. 2) angeführte Negativaspekt wird durch das Item Aufw1 erfasst. Der Autor argumentierte, dass sich der Entscheidungs-aufwand bei großer Vielfalt auch im hohen Zeitaufwand niederschlägt, der mittels

35 In: Bearden/Netemeyer/Mobley, M. F. (1999): Handbook of marketing scales, S. 236ff.

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223

Aufw3 gemessen wird. Angela Hausman (1996, S. 345f.) hat den Aufwand bei der Entscheidung zum einen global („I put forth a great deal of effort making this decision“) und zum anderen in Bezug auf die kognitive Anstrengung („I thought very hard about which product I chose“) gemessen. Die Indikatoren Aufw2 und Aufw4 entsprechen diesen zwei Gesichtspunkten. Neben der empfundenen Anstrengung und Mühe (Aufw6) ist auch die wahrgenommene Komplexität bzw. Schwierigkeit (Aufw5) ein Maß für den durch Vielfalt verursachten Entscheidungsaufwand.

Bezeichnung Item Inhalt Quelle

Aufw1 Ich muss viel Zeit und Energie in die Entscheidung investieren, welche die beste Digitalkamera für mich ist.

Zeit- und Energieaufwand

In Anlehung an Loewenstein 1999, S. 2 Konsumenteninterviews

Aufw2 Insgesamt ist die Entscheidung mit großem Aufwand verbunden.

Aufwand global In Anlehnung an Hausman 1996, S. 345f.

Aufw3 Es dauert lange, die richtige Digitalkamera zu finden.

Zeitaufwand In Anlehung an Loewenstein 1999, S. 2

Aufw4 Ich muss viel nachdenken, um die richtige Entscheidung zu treffen.

Kognitiver Aufwand

In Anlehnung an Hausman 1996, S. 345f.

Aufw5 Die Entscheidung ist kompliziert. Schwierigkeit/ Kompliziertheit

In Anlehunge an Huffmann/Kahn 1998, S. 510; Laurent/Kapferer 198536

Aufw6 Ich finde die Entscheidung sehr mühsam und anstrengend.

Mühe und Anstrengung

Experteninterviews

Tabelle 12: Indikatoren des Kosten-Faktors „Aufwand und Anstrengung“

Negative Emotionen /Verwirrung und Frustration

Wie auch beim Faktor positive Emotionen des Nutzenkonstrukts, wird bei der Operationalisierung der negativen Emotionen vornehmlich auf bestehende Emotionsskalen zurückgegriffen. In der Literatur werden mit hoher Vielfalt vor allem die Emotionen Verwirrung und Frustration in Zusammenhang gebracht (vgl. Huffmann/Kahn 1998, S. 510ff.; Klein/Yadav 1989, S. 414; Walsh 2002, S. 223ff.; Fitzsimons/Greenleaf/Lehmann 1997, S. 34ff.). Der Faktor negative Emotionen wird nachfolgend deshalb zur besseren Interpretierbarkeit als Verwirrung und Frustration bezeichnet. Durch die Indikatoren VerFr1, VerFr3, VerFr4, VerFr5 und VerFr6, werden diese beiden Emotionen in der Skala operationalisiert. Sie wurden in

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Anlehnung an das Consumer Style Inventory (CSI) (vgl. Sproles/Kendal 1990), die Studie von Klein und Yadav (1989, S. 414), sowie der schon verwendeten CES (Richins 1997) formuliert. Auch Jacoby, Speller und Kohn (1974, S. 64) maßen bei ihrer Untersuchung zur Informationsüberlastung die empfundene Verwirrung der Befragungsteilnehmer (VerFr1). Aus den Interviews mit Kunden und Experten ging außerdem hervor, dass sich Konsumenten durch Vielfalt häufig überfordert fühlen. Das Item VerFr2 integriert diese Emotion in die Skala. Da Verwirrung und Frustration im Extremfall durch Entscheidungsangst zum Ausdruck kommen, wurde auch dieses Gefühl in die Operationalisierung des Faktors aufgenommen (VerFr7).

Bezeichnung Item Inhalt Quelle

VerFr1 Die vielen Digitalkameras verwirren mich etwas.

Verwirrung In Anlehnung an Jacoby/ Speller/Kohn 1974, S. 64; Consumer Style Inventory (CSI) (Sproles/Kendal 1990)37

VerFr2 Ich fühle mich von der Entscheidung überfordert.

Überforderung Konsumenten- und Experteninterviews

VerFr3 Ich fühle mich durcheinander.

Verwirrung In Anlehnung an Walsh 2002, S. 223; Klein/Yadav 1989, S. 414

VerFr4 Ich fühle mich frustiert. Frustration

VerFr5 Ich fühle mich genervt. Frustration

VerFr6 Ich fühle mich deprimiert. Frustration

VerFr7 Ich fürchte mich vor der Entscheidung.

Angst

Consumption Emotions Set (CES) (Richins 1997, S. 127ff.)38

Tabelle 13: Indikatoren des Kosten-Faktors „Verwirrung und Frustration“

Antizipiertes Regret

Bei diesem Faktor kann nur in geringem Maß auf etablierte Emotionsskalen zurückgegriffen werden, da antizipiertes Regret eine spezielle Emotionsform darstellt, die bisher in empirischen Untersuchungen wenig Beachtung fand. Es werden deshalb einzelne Aspekte des antizipierten Regrets aus verschiedenen Skalen übernommen und 36 In: Bearden/Netemeyer/Mobley, M. F. (1999): Handbook of marketing scales, S. 180f. 37 In: Bearden/Netemeyer/Mobley, M. F. (1999): Handbook of marketing scales, S. 260f.

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225

durch Ergebnisse der Konsumenten- und Experteninterviews ergänzt. Aus letzteren wurde der Indikator AnReg1 abgeleitet, der die Antizipation von Regret in einfacher Art und Weise umschreibt. Jacoby, Speller und Kohn (1974, S. 64) verwendeten eine ähnliche Frage, um das Empfinden von Regret während der Entscheidung zu messen. Gleiches gilt für das Item AnReg2, das mit der empfundenen Entscheidungs-unsicherheit eine nahverwandte Emotion des antizipierten Regrets in die Skala einbezieht. Dieser Punkt wurde außerdem von Konsumenten häufig als negativer emotionaler Aspekt hoher Vielfalt genannt und findet sich auch im Consumer Involvement Profile (CIP) von Laurent und Kapferer (1985). Da Regret antizipiert und in den Entscheidungsprozess einbezogen wird, kann es sich auch in Form eines „unguten Gefühls“ bei der Entscheidung äußern, das durch AnReg3 abgebildet wird. Sweeney, Hausknecht und Soutar (2000, S. 281) führen dieses ungute Gefühl auf kognitive Dissonanzen während der Entscheidung zurück, die wiederum zu Regret bzw. antizipiertem Regret führen können (vgl. Seilheimer 2001, S. 41ff.). Das auftretende ungute Gefühl kann folglich Ausdruck antizipierten Regrets sein. Während durch die Indikatorvariable AnReg4 die Möglichkeit des Auftretens von Regret direkt erfragt wird, beschreibt die Variable AnReg6 eine Antezedenz von Regret. Hohe Erwartungen fördern die Entstehung von (antizipiertem) Regret (vgl. Desmeules 2002, S. 10) und werden deshalb in die Skala einbezogen. Das Item AnReg5 integriert schließlich mit dem antizipierten Tadel eine Emotion, die auf dieselben Entstehungsprozesse wie das antizipierte Regret zurückzuführen ist und folglich einen Randaspekt hiervon abdecken kann (vgl. Anderson 2003, S. 148ff.). Tabelle 14 stellt die verwendete Itembatterie dar.

38 In: Bearden/Netemeyer/Mobley, M. F. (1999): Handbook of marketing scales, S. 236ff.

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Bezeichnung Item Inhalt Quelle

AnReg1 Wenn ich später merke, dass ich mich besser für eine andere Digitalkamera entschieden hätte, bedauere ich meine Entscheidung schon jetzt.

Bedauern bei Erkenntnis der Fehlentscheidung

In Anlehnung an Jacoby/Speller/Kohn 1974, S. 64; Konsumenten- und Experteninterviews

AnReg2 Während der Entscheidung war ich mir immer ganz sicher, die für mich beste Digitalkamera zu kaufen. (Invers)

Entscheidungsunsicherheit

In Anlehnung an Laurent/Kapferer 198539; Jacoby/Speller/Kohn 1974, S. 64; Konsumenteninterviews

AnReg3 Ich habe bei der Entscheidung alles in allem ein ungutes Gefühl.

Ungutes Gefühl (antizipiertes Regret)

In Anlehungen an Sweeney/Hausknecht/Soutar 2000, S. 281; 16/176; Feigs 1976, S. 24ff.

AnReg4 Es kann durchaus sein, dass ich meinen Kauf später bereue.

Mögliches Auftreten von Bedauern

In Anlehnung an Chatterjee/Heath 1996, S. 148f.

AnReg5 Für meine Entscheidung könnte ich von anderen kritisiert werden.

Antizipierter Tadel In Anlehnung an Anderson 2003, S. 147ff.

AnReg6 Die Auswahl an Produkten weckt in mir die Erwartung, dass ich genau das Produkt finde, das ich suche.

Hohe Erwartungen als Antezedenz von antizipiertem Regret

In Anlehnung an Desmeules 2002, S. 10

Tabelle 14: Indikatoren des Kosten-Faktors „Antizipiertes Regret“.

Es sind damit für alle Faktoren der Kosten von Produktvielfalt Itembatterien erstellt worden. Im nächsten Schritt ist nun festzulegen, ob die Messmodelle formativen oder reflektiven Charakter haben.

3.2.2.4 Art der Messmodelle

Die Dimensionsebene, d. h. die Beziehungen zwischen den Faktoren und der Nutzen- bzw. Kostendimension wird, wie bereits angedeutet, formativ operationalisiert. Auf Faktorenebene kommen dagegen reflektive Messmodelle zur Anwendung. Die Begründung hierfür erfolgt nachfolgend getrennt für die beiden Ebenen anhand der auf Jarvis et al. (2003, S. 203) zurückgehenden, in Kapitel 3.1.2.3 beschriebenen und in Tabelle 6 (S. 205) zusammengefassten vier Kriterien

Richtung der Kausalität

Austauschbarkeit der Indikatoren

Kovariation zwischen den Indikatoren und

nomologisches Netz der Indikatoren.

39 Teil des Consumer Involvement Profiles (CIP): Probability of Mispurchase; In:

Bearden/Netemeyer/Mobley, M. F. (1999): Handbook of marketing scales, S. 180f.

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227

Begründung für ein formatives Messmodell auf Dimensionsebene

Richtung der Kausalität zwischen Faktoren und der jeweiligen Dimension

Die Faktoren der Kosten- und Nutzendimension wurden aus den in Kapitel 2 dargestellten Theorien als verschiedene Facetten der jeweiligen Dimension abgeleitet. Sie stellen definierende Merkmale der Dimensionsebene dar, da jeder Faktor unterschiedliche Nutzen- bzw. Kostenaspekte beschreibt. Nimmt beispielsweise der Wert des Faktors Antizipiertes Regret zu, führt dies zur Erhöhung der (Entscheidungs)Kosten. Umgekehrt führt eine Veränderung auf Dimensionsebene nicht automatisch zur Veränderung aller Faktoren. So kann z. B. ein höherer Nutzen sowohl auf höhere Informationsmöglichkeiten als auch auf stärker ausgeprägte positive Emotionen zurückzuführen sein.

Austauschbarkeit der Indikatoren bzw. Faktoren

Bei der Verwendung eines reflektiven Messmodells müssen die Indikatoren der Faktoren austauschbar sein, d. h. denselben oder ähnlichen Inhalt haben. Gleiches gilt auf Konstruktebene für die Faktoren; diese sollten bei reflektiver Operationalisierung austauschbar sein. Da die Faktoren sowohl auf Kosten- als auch Nutzenseite jeweils unterschiedliche Inhalte darstellen, können die Faktoren nicht gegenseitig ausgetauscht werden. So unterscheiden sich beispielsweise die Faktoren der Nutzendimension antizipierter Produktnutzen und Spaß offensichtlich hinsichtlich ihres Inhalts. Würde ein Faktor eliminiert werden, würde dadurch der Inhalt der Dimension verändert werden. Eine reflektive Operationalisierung wäre deshalb inhaltlich falsch.

Kovariation zwischen den Indikatoren bzw. Faktoren

Wie bereits verdeutlicht, führt die Erhöhung eines Faktors nicht automatisch zur Erhöhung der anderen Faktoren; ferner sind diese nicht gegen einander austauschbar, was auf eine Kovariation der Faktoren hindeuten würde. Die Begründung dafür, dass die Faktoren des jeweiligen Konstrukts nicht, wie bei einem reflektiven Messmodell gefordert, kovariieren, liegt in erster Linie an ihren unterschiedlichen Inhalten. So führt eine Erhöhung des Faktors Antizipiertes Regret z. B. nicht automatisch zu erhöhtem Aufwand.

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228

Nomologisches Netz der Faktoren

Bei einem formativen Messmodell müssen die Faktoren im Gegensatz zum reflektiven Modell nicht notwendigerweise auf dieselben Ursachen zurückzuführen sein. Da die Facetten von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt aus verschiedenen Theorien und theoretischen Konzepten abgeleitet wurden, haben sie folglich auch unterschiedliche Antezedenzien.

Alle vier Kriterien zeigen, dass auf Dimensionsebene für beide Konstrukte – Nutzen von Produktvielfalt und Kosten von Produktvielfalt – ein formatives Messmodell inhaltlich begründet ist.

Begründung für die Verwendung reflektiver Messmodelle auf Faktorenebene

Richtung der Kausalität zwischen Indikatoren und dem jeweiligen Faktor

Im Gegensatz zur Konstruktebene sind die Indikatoren Manifestationen des jeweiligen Faktors, d. h. die Kausalität verläuft vom Faktor zu den manifesten Variablen. Die Indikatorvariablen bringen hierbei unterschiedliche Äußerungsformen eines Faktors zum Ausdruck, weshalb sie sich inhaltlich leicht voneinander entscheiden. Diese inhaltlichen Unterschiede könnten zunächst auf ein formatives Messmodell schließen lassen. Man kann dies widerlegen, indem man sich überlegt, wie sich eine Veränderung des Faktorwerts auf die zugehörigen Indikatoren auswirkt: Erhöht sich z. B. der Wert des antizipierten Produktnutzens, so führt dies dazu, dass der Konsument davon ausgeht, dass seine Bedürfnisse besser erfüllt werden (AnUt1), er mehr Freude am Produkt hat (AnUt2), die Digitalkamera ihm mehr nützt (AnUt3) und er mit ihr zufriedener ist (AnUt4). Der Wert aller vier Indikatoren würde folglich in ähnlicher Höhe zunehmen wie der des Konstrukts. Dies spricht für ein reflektives Messmodell. Durch ähnliche Überlegungen kommt man zum Schluss, dass bei allen betrachteten Faktoren die Kausalität vom Faktor zu den Indikatoren verläuft.

Austauschbarkeit der Indikatoren

Die Indikatoren unterscheiden sich inhaltlich zwar leicht, haben aber alle ein eng eingegrenztes gemeinsames Thema. Wird ein Item entfernt, wird deshalb der konzeptionelle Rahmen des Faktors nicht verändert. Steigt beispielsweise der

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229

Aufwand der Entscheidung, so dürfte sich dies sowohl im Zeitaufwand, in der kognitiven Anstrengung und der empfundenen Komplexität der Entscheidung äußern. Wird ein Aspekt entfernt, wird der Inhalt des Konstrukts dadurch aber nicht verändert.

Kovariation zwischen den Indikatoren

Dieser Aspekt ist eng mit der Austauschbarkeit der manifesten Variablen verbunden: Sind die Items austauschbar, sollten sie auch kovariieren. Es ist beispielsweise davon auszugehen, dass ein Konsument, der sich überfordert fühlt, auch Verwirrung und Frustration empfindet.

Nomologisches Netz der Indikatoren

Jeder Faktor wurde im Wesentlichen aus einer Theorie abgeleitet. Somit beruhen auch seine Indikatoren jeweils auf einer oder wenigen Theorien. Folglich haben alle Items dieselben Antezedenzien und auch Konsequenzen. Dieser Punkt spricht, wie auch die anderen, für ein reflektives Messmodell.

Alle Faktoren erfüllen die Kriterien zur Verwendung eines reflektiven Messmodells und werden folglich reflektiv operationalisiert. Das Messmodell des Werts von Produktvielfalt mit seiner Kosten- und Nutzendimension kann damit zusammen-fassend wie folgt dargestellt werden.

Zusammenfassende Darstellung des Messmodells von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt

Abbildung 51 stellt die Konzeptualisierung und Operationalisierung des Werts von Produktvielfalt als zentrales Konstrukt der Untersuchung zusammenfassend dar. Zu erkennen ist, dass die Faktorenebene (Ebene 1), d. h. die Beziehungen zwischen den Indikatoren und den Faktoren reflektiv operationalisiert sind. Die Dimensionsebene (Ebene 2), welche die Beziehungen der Faktoren zur Nutzen- bzw. Kostendimension beschreibt, wird durch ein formatives Messmodell operationalisiert. Zu erkennen ist wieterhin, dass die Kosten von Produktvielfalt und Nutzen von Produktvielfalt als unabhängige Dimensionen des übergeordneten Wertkonstrukts konzeptualisiert wurden (siehe S. 209f.).

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230

Wert von Produktvielfalt

NPV KPV

Antizipierter Produktnutzen

Erfolgs-aussichten Spaß

Aufwand und Anstrengung

Negative Emotionen

Antizipiertes Regret

Positive Emotionen

Informations-möglichkeiten

...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

Eben

e 2

(form

ativ

)

AP EA Sp AA VF ARPEIM

Eben

e 1

(ref

klek

tiv)

Nutzen Kosten

Kon

stru

kt-

eben

e

Abbildung 51: Operationalisierung des Werts von Produktvielfalt als zweidimensionales, mehrfaktorielles Konstrukt mit reflektivem Messmodell auf Faktorenebene und formativem Messmodell auf Dimensionsebene

Dieses Messmodell wurde einem Pretest unterzogen, dessen Ablauf, Untersuchungs-design und Ergebnisse nachfolgend beschrieben werden.

3.3 Pretest

Ziel des Pretests ist es, die Messmodelle der KPV und NPV für die Hauptuntersuchung im Hinblick auf die Länge des dort zu verwendenden Fragebogens zu optimieren. Hierzu werden Indikatoren, die überflüssig sind, nicht eindeutig einem Faktor zugeordnet werden können oder keinen wesentlichen Erklärungsbeitrag zu einem Faktor leisten, aus dem Messmodell entfernt.

Ansatzpunkt und Betrachtungsebene ist hierbei die reflektiv operationalisierte Faktorenebene des Gesamtkonstrukts. Die formativ operationalisierte Dimensionsebene eignet sich nicht für eine Optimierungsmaßnahme, da die Faktoren jeweils einzelne Facetten der Dimension darstellen, die aus der Theorie abgeleitet wurden und deshalb nicht ohne Weiteres aufgrund statistischer Kriterien entfernt werden dürfen: „Omitting an indicator40 is omitting a part of the construct“ (Bollen/Lennox 1991, S. 308). Im Rahmen der Beschreibung des formativen Messmodells wurde hierauf bereits ausführlich eingegangen (siehe S. 198ff.). Die

40 Im Fall der KPV und NPV bezieht sich dies auf die Faktoren der formativ operationalisierten

Dimensionsebene und nicht auf die Indikatoren des Faktors.

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231

Analysen des Pretests fokussieren deshalb auf die insgesamt acht reflektiv operationalisierten Faktoren der Nutzen- und Kostendimension. Die Gütebeurteilung des formativen Teils des Gesamtmessmodells (Ebene 2) ist Teil der Hauptuntersuchung (siehe S 287ff. (NPV) und S. 296ff. (KPV)).

Anschließend werden die verwendeten Analyseverfahren, insbesondere die konfirmatorische Faktorenanalyse mit den entsprechenden Gütemaßen kurz erläutert. Im Anschluss folgen die Beschreibungen des Designs und der Analyseergebnisse der empirischen Untersuchung.

3.3.1 Methodik und Gütekriterien

Zur Analyse der einzelnen Faktoren des Messmodells (Ebene 1) kommen im Pretest zwei Verfahren zur Anwendung:

Die exploratorische Faktorenanalyse (EFA) und

die konfirmatorische Faktorenanalyse (KFA).

Beide Methoden sind in der empirischen Sozialforschung und insbesondere in der Marketingforschung weit verbreitet, weshalb auf deren ausführliche Darstellung an dieser Stelle verzichtet wird41. Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich auf eine Beschreibung der Vorgehensweise und der verwendeten Gütekriterien bei der Analyse, sowie eine knappe Darstellung des Methodenhintergrunds.

Vorgehensweise und Methodenhintergrund

Da nur die Ebene 1 des Messmodells im Rahmen des Pretests untersucht wird, erfolgt die Gütebeurteilung für jeden Faktor separat. Eine Ausnahme bildet dabei das Fornell-Larcker-Kriterium, das Faktor übergreifend ist und der Überprüfung der Diskriminanzvalidität dient.

Die Analyse des Messmodells beginnt für jeden der acht Faktoren mit einer exploratorischen Faktorenanalyse. Diese dient in erster Linie der Überprüfung der Unidimensionalität des Faktors, die im Hinblick auf die Konvergenzvalidität ein zentraler Aspekt ist (vgl. Homburg/Giering 1996, S. 8). Hierzu wird untersucht, ob die

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einem Faktor zugeordneten Indikatoren auch tatsächlich nur auf einen Faktor laden. Beurteilen lässt sich dies anhand der ermittelten Eigenwerte der Korrelationsmatrix der manifesten Variablen: Ein häufig verwendetes Kriterium ist dabei das so genannte Kaiser-Kriterium, das besagt, dass die Anzahl der extrahierten Faktoren der Anzahl der Faktoren mit einem Eigenwert über 1 entspricht (vgl. Backhaus et al. 2003, S. 295). Als Extraktionsverfahren kommt in der vorliegenden Untersuchung dabei die Hauptachsenanalyse zum Einsatz. Hat ein Faktor mehrere Eigenwerte über 1, führt dies zur Aufnahme der zusätzlichen Faktoren.

Im Gegensatz zur exploratorischen Faktorenanalyse, deren Ziel die Aufdeckung von Faktorstrukturen ist, dient die konfirmatorische Faktorenanalyse (KFA) der Überprüfung vermuteter Faktorstrukturen, die vorab aus der Theorie, aus Expertengesprächen oder aus empirischen Voruntersuchungen abgeleitet wurden. Eine konfirmatorische Faktorenanalyse kommt folglich dann zum Einsatz, „(...) when the researcher has some knowledge about the unterlying latent variable structure“ (Byrne 1998, S. 5). Da die Faktorstruktur der Kosten- und Nutzendimension im Rahmen der Konzeptualisierung und Operationalisierung sowohl aus der Theorie als auch aus Experten- und Kundeninterviews abgeleitet wurde, ist die Anwendung der konfirmatorischen Faktorenanalyse zulässig und sinnvoll um die vermuteten Faktorstrukturen zu überprüfen.

Die KFA stellt einen Spezialfall der Kausalanalyse dar, in der „auf der Grundlage von empirisch gemessenen Varianzen und Kovarianzen von Indikatorvariablen durch Parameterschätzung Rückschlüsse auf Abhängigkeitsbeziehungen zwischen zugrunde liegenden latenten Variablen“ (Homburg/Pflesser 1999b, S. 635) gezogen werden. In Abbildung 43 (S. 191) wurde bereits ein vereinfachtes Strukturmodell mit der für die Kausalanalyse typischen Unterscheidung von Mess- und Strukturmodell veranschaulicht (für eine detaillierte Darstellung siehe Kapitel 3.1.1.2, S. 190ff.). Die KFA ist insofern ein Spezialfall der Kausalanalyse, da sie nur die Beziehungen zwischen den latenten Variablen und den zugehörigen Indikatoren, nicht aber die Abhängigkeiten der latenten Variablen untereinander untersucht. Sie stellt somit eine separate Analyse des Messmodells dar (vgl. Byrne 1998, S. 18).

In dieser Untersuchung wird die KFA mit Hilfe von LISREL (8.54) durchgeführt. LISREL (LInear Structural RELations) ist ein in der Marketingforschung häufig verwendetes Softwarepaket zur Abbildung und Analyse von Kausalmodellen, das von 41 Eine ausführliche Beschreibung findet sich z. B. bei Homburg/Giering 1996, Homburg 1995;

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233

Jöreskog und Sörbom (1982, S. 404ff.) entwickelt wurde. Die Bezeichnung LISREL ist darauf zurückzuführen, dass sich die Messmodelle und das Strukturmodell als lineare Gleichungssysteme darstellen lassen, weshalb man in diesem Zusammenhang auch von einem linearen Strukturgleichungsmodell spricht (vgl. Backhaus et al. 1996, S. 327). Die Schätzung der Modellparameter (Faktorladungen, Varianzen und Kovarianzen der Faktoren, Varianzen der Messvariablen) erfolgt hierbei mit dem Ziel, eine möglichst gute Übereinstimmung der vom Modell reproduzierten Kovarianzmatrix der Indikatorvariablen mit der empirischen Kovarianzmatrix der Indikatoren zu erreichen (vgl. Homburg/Faßnacht/Werner 2002, S. 520). LISREL gehört folglich der Kategorie der kovarianzbasierten Verfahren an.

Das Programm ermöglicht die Anwendung von sieben verschiedenen Schätzverfahren zur Bestimmung der Modellparameter, von denen die Maximum-Likelihood (ML) Methode die bekannteste und wohl auch am häufigsten verwendete ist. Diese setzt aber eine zumindest annähernde Normalverteilung der manifesten Variablen voraus, was explizit vor Durchführung der KFA zu überprüfen ist. In dieser Untersuchung wird deshalb der KFA der Kolmogorow-Smirnow-Test zum Test der Normalverteilungsannahme der Indikatoren vorgelagert (vgl. Bellgardt 2004, S. 84f.). Ab einem Signifikanzniveau < 0,05 ist die Normalverteilungsannahme abzulehnen. Ist dies der Fall, kann die ML-Methode nicht mehr angewendet werden und es kommt entsprechend der Empfehlungen in der Literatur das Unweighted-Least-Squares (ULS) Verfahren als Schätzmethode zum Einsatz (vgl. Backhaus et al. 2003, S. 363ff.; Herrmann/Huber/Wricke 1999, S. 685, Homburg/Hildebrand 1998, S. 22).

Notwendige Voraussetzung für die Identifizierbarkeit des Modells einer KFA ist außerdem, dass die Anzahl der Indikatoren größer ist als 3 (vgl. Kline 1998, S. 203). Besteht ein Faktor folglich aus weniger als vier Items, ist für diesen keine KFA durchführbar.

Gütemaße

Für die Beurteilung der Güte des resultierenden Modells, genauer gesagt der Güte der Anpassung der geschätzten Kovarianz- bzw. Korrelationsmatrix an die empirische Kovarianz bzw. Korrelationsmatrix, stellt LISREL als Verfahren der zweiten Generation verschiedene Anpassungsmaße zur Verfügung. Hierbei wird zwischen

Algesheimer 2004, Byrne 1998 und Kline 1998.

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234

lokalen und globalen Gütemaßen unterschieden. Während erstere der Überprüfung von Modellteilen, wie beispielsweise der Beziehung zwischen einer latenten Variablen und einzelnen Indikatoren dienen, erfolgt mittels globaler Gütemaße die Beurteilung des Gesamtmodells – im Fall der KFA also des gesamten Messmodells. Sowohl lokale als auch globale Anpassungsmaße sind bei der Gütebeurteilung im Rahmen der KFA zu berücksichtigen (vgl. Homburg/Baumgartner 1995, S. 1103). Abbildung 52 gibt einen Überblick zu verschiedenen Anpassungsmaßen. Auf eine detaillierte Darstellung und Beschreibung soll an dieser Stelle verzichtet werden. Der interessierte Leser sei auf Algesheimer (2004, S. 195ff.) und Homburg/Pflesser (1999a, S. 425ff.; 1999b, S. 646ff.) verwiesen.

Anpassungsmaße

GlobaleAnpassungsmaße

LokaleAnpassungsmaße

Anpassungsmaße mit Vergleichsstandards

(Relative globale Anpassungsmaße)

Anpassungsmaße für das Strukturgleichungsmodell

Stand-AloneAnpassungsmaße

Anpassungsmaße für das Messmodell

InferenzstatistischeAnpassungsmaße

Deskriptive Anpassungsmaße

Inkrementelle Anpassungsmaße

Anpassungsmaße, die Freiheitsgrade nicht

berücksichtigen

Anpassungsmaße, die Freiheitsgrade

berücksichtigen

Anpassungsmaße, die Freiheitsgrade nicht

berücksichtigen

Anpassungsmaße, die Freiheitsgrade

berücksichtigen

Beispiele:χ2-DifferenztestRMSEA

Beispiel:GFI

Beispiele:χ2/dfAGFI

Beispiel:NNFI

Beispiel:CFI

Beispiel:Quadrierte multiple Korrelation

Beispiele:t-Wert (Faktorladungen)IndikatorreliabilitätFaktorreliabilitätDEV

Abbildung 52: Anpassungsmaße zur Gütebeurteilung von Kausalmodellen im Überblick. In Anlehnung an Homburg/Pflesser 1999b, S. 648

Verwendete Gütemaße

Die Gütebeurteilung des Pretests erfolgt anhand von Kriterien, die nach Empfehlungen von Homburg/Giering (1996, S. 13), Algesheimer (2004, S. 218), und Bauer et al. (2001, S. 352) zusammengestellt wurden. Zu beachten ist hierbei, dass bei der

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235

Auswahl der Gütemaße der KFA davon ausgegangen wurde, dass die Indikatoren keiner Normalverteilung folgen und folglich das ULS- und nicht das ML-Verfahren zum Einsatz kommt. Die Verteilungsannahme ist aber für jeden Indikator im Vorfeld der Analyse mittels eines Kolmogorow-Smirnow-Tests zu überprüfen. Kommt – wie vermutet – das ULS-Verfahren zur Anwendung, können „keine Standartschätzfehler, keine t-Werte und kein Chi-Quadrat-Test herangezogen werden“ (Bauer et al. 2001, S. 351; vgl. Backhaus et al. 2003, S. 364f.), weshalb Gütemaße, die hierauf beruhen, in dieser Untersuchung nicht berücksichtigt werden.

Die lokale Anpassung des Modells wird mittels der Indikatorreliabilität, der durchschnittlich erfassten Varianz (DEV) und der Faktorreliabilität beurteilt. Während die ersten beiden Kriterien ab einem Wert von 0,50 als erfüllt gelten, wird für die Faktorreliabilität ein Mindestwert von 0,60 gefordert. Die Indikatorreliabilität gibt an, „welcher Anteil der Varianz eines Indikators durch die zugrunde liegende latente Variable erklärt werden kann“ (Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 13). Erstrebenswert ist, dass mindestens 50% der Varianz eines Indikators durch die zugehörige latente Variable erklärt wird, was gleichzeitig bedeutet, dass die gemeinsame Varianz zwischen latenter und zugehöriger manifester Variable (Indikator) größer ist als die Varianz des entsprechenden Messfehlers (vgl. Carmines/Zeller 1979, S. 27). Da die Varianz des Messfehlers des Indikators i var(εi ) durch 1-λi

2 definiert ist (λi bezeichnet die Ladung zwischen der latenten Variable und dem Indikator i) gilt, dass genau dann mehr als 50% der Varianz des Indikators i durch die entsprechende latente Variable verursacht werden, wenn die Ladung λi größer als die Wurzel aus 0,50 (≈0,707) ist. Aus diesem Grund wird eine Faktorladung von mindestens 0,7 als primäres Eliminationskriterium für Indikatoren verwendet: Indikatoren mit einer Faktorladung von weniger als 0,7 werden entfernt und von der weiteren Analyse ausgeschlossen. Während die Indikatorreliabilität ein Maß zur Beurteilung der Reliabilität eines einzelnen Indikators ist, geben die Faktorreliabilität und die DEV Auskunft darüber, „wie gut der Faktor durch alle ihm zugeordneten Indikatoren gemeinsam gemessen wird“ (Homburg/Giering 1996, S. 10).

Der globale Fit des Messmodells wird anhand des Goodness of Fit Index (GFI), des Adjusted Goodness of Fit Index (AGFI), des Normed Fit Index (NFI), des Comparative Fit Index (CFI) und des Root Mean Square Residual (RMR) beurteilt. Während für die vier erstgenannten Größen ein Mindestwert von 0,90 gefordert wird, soll das RMR den Wert von 0,10 nicht überschreiten. Der GFI gibt an, „welcher Anteil der Ausgangsvarianzen an der gesamten Ausgangsvarianz durch die

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236

Modellstruktur erklärt wird“ (Algesheimer 2004, S. 202) und entspricht quasi dem Bestimmtheitsmaß in der Regressionsanalyse (vgl. Siems 2003, S. 139). Der AGFI berücksichtigt zusätzlich die Anzahl der Freiheitsgrade und entgegnet damit einem Hauptkritikpunkt des GFI, der durch eine Überparameterisierung des Modells positiv beeinflussbar ist (vgl. Algesheimer 2004, S. 203). Auch der NFI und der CFI tragen dieser Kritik Rechnung und berücksichtigen die Anzahl der Freiheitsgrade bei der Güteschätzung eines Modells. Der RMR misst schließlich die durchschnittliche Restvarianz eines Modells und ist demnach ein Maß für die im Durchschnitt durch das Modell nicht erklärten Kovarianzen und Varianzen (vgl. Backhaus et al. 1996, S. 400).

Aufgrund der weiten Verbreitung in der Literatur wird schließlich noch das Cronbachs Alpha eines Faktors angegeben. Dieses misst als der am häufigsten verwendete Reliabilitätskoeffizient der ersten Generation „die Reliabilität einer Gruppe von Indikatoren, die einen Faktor messen“ (Homburg/Giering 1996, S. 8). Als Mindestwert wird in dieser Untersuchung der Empfehlung von Nunnally (1978, S. 245) folgend ein Wert von 0,70 gefordert.

Zur Beurteilung der Diskriminanzvalidität der Faktoren, die dann vorliegt, wenn die Messmodelle inhaltlich verschiedener Konzepte auch unterschiedliche Ergebnisse erzeugen (vgl. Bagozzi/Phillips 1982, S. 469), wird abschließend überprüft, ob alle latenten Variablen auf Ebene 1 des Messmodells das Fornell-Larcker-Kriterium erfüllen (vgl. Fornell/Larcker 1981, S. 46; siehe auch die Ausführungen auf S. 264). Dieses besagt, dass dann von Diskriminanzvalidität ausgegangen werden kann, wenn die durchschnittlich erfasste Varianz einer latenten Variablen größer ist als sämtliche quadrierten Korrelationen dieser Variablen mit allen anderen Konstrukten im Messmodell (vgl. Fornell/Larcker 1981, S. 46). Ist das Fornell-Larcker-Kriterium erfüllt, so ist die gemeinsame Varianz einer latenten Variablen mit ihren manifesten Variablen größer als die gemeinsame Varianz mit anderen Konstrukten des Modells.

Damit ist der Ablauf der Analysen des Pretests mit allen verwendeten Gütemaßen und Beurteilungskriterien vorgestellt worden. Tabelle 15 stellt diese nochmals im Überblick dar. Im nächsten Abschnitt wird das Untersuchungsdesign des Pretests und im Anschluss daran die Analyseergebnisse beschrieben.

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Gütekriterien im Pretest auf Ebene 1

Wert von Produktvielfalt

NPV KPV

Antizipierter Produktnutzen

Erfolgs-aussichten Spaß

Aufwand und Anstrengung

Negative Emotionen

Antizipiertes Regret

Positive Emotionen

Informations-möglichkeiten

... ... ... ... ... ... ... ...

Eben

e 2

(form

ativ

)

AP EA Sp AA VF ARPEIM

Eben

e 1

(ref

klek

tiv)

Pret

est Hau

ptun

ters

uchu

ng

Kon

-st

rukt

Analyse Inhalt/Kategorie Gütemaß Kriterium

Exploratorische Faktorenanalyse (Hauptachsenanalyse)

Überprüfung auf Unidimensionalität (nur ein Faktor wird extrahiert) Eigenwerte (EW) der Faktoren 1. EW > 1

2. EW < 1

Kolmogorow-Smirnow Test Test auf Normalverteilung der Indikatoren eines Faktors (Ablehung Normalverteilungsannahme)

Signifikanzniveau < 0,05

Indikatorreliabilität (Faktorladung)

> 0,50 (> 0,70)

Faktorreliabilität > 0,60

Lokale Anpassungsmaße

DEV > 0,50

GFI > 0,90

AGFI > 0,90

NFI > 0,90

CFI > 0,90

Konfirmatorische Faktorenanalyse

Globale Anpassungsmaße

RMR < 0,10

Exploratorische Faktorenanalyse Deskriptives Reliabilitätsmaß Cronbachs Alpha > 0,70

Fornell-Larcker-Kriterium Überprüfung der Diskriminanzvalidität der Faktoren

DEVi > als jede quadrierte Korrelationen von Konstrukt i mit allen anderen Konstrukten

Tabelle 15: Gütekriterien des Pretests

3.3.2 Untersuchungsdesign

Der Pretest erfolgte als Experiment mit einer anschließenden schriftlichen Befragung mittels Fragebogen. Als Stimuli wurden hierbei, wie auch bei der Hauptuntersuchung, Digitalkameras verwendet. Diese sind einerseits gut für ein Experiment geeignet, da sie sich anhand eines Bildes und weniger Produkteigenschaften gut in Schriftform beschreiben lassen. Andererseits ist aufgrund ihres relativ hohen Preises davon auszugehen, dass die Auswahl mit der für die hier betrachtete Kategorie der „echten“ bzw. „kognitiven“ Kaufentscheidungen (siehe S. 37) erforderlichen Tiefe der

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238

Auseinandersetzung erfolgt. Im Rahmen der Beschreibung der Hauptuntersuchung wird hierauf noch detaillierter eingegangen (siehe S. 273ff.).

Um die erwünschte Varianz in der Ausprägung der Indikatoren zu erreichen, wurden vier verschiedene „künstliche Sortimente“ mit einer hohen (36), mittleren (21), geringen (12) bzw. sehr geringen (6) Anzahl an Digitalkameras verwendet. Jede Digitalkamera wurde anhand von einem Bild und neun tabellarisch aufgeführten Produktattributen (Marke, Typ, Preis, Auflösung, Optisches Zoom, Objektiv, Belichtung, Speicher und Besonderheiten) beschrieben. Dadurch konnten sowohl quantitative Aspekte, wie die Anzahl der Produkte und Marken, als auch qualitative Eigenschaften des Sortiments, wie etwa die Vergleichbarkeit der Produkte und die Kompromissnotwendigkeit bei der Entscheidung durch die Zusammenstellung des Stimulussets manipuliert werden.

Die Befragungsteilnehmer erhielten eines der vier Digitalkamerasets in Papierform. Sie wurden gebeten, sich vorzustellen, dass sie dieses „künstliche“ Sortiment in einer realen Kaufsituation vorfinden. Anschließend sollte jeder Teilnehmer versuchen, die aus seiner Sicht beste Kamera zu identifizieren. Wie bei einer echten Kauf-entscheidung wurde den Befragten die Möglichkeit gegeben, sich für oder gegen den Kauf zu entscheiden. Entsprechende Antwortmöglichkeiten wurden zur Wahl gestellt. Nach ihrer Entscheidung füllten die Teilnehmer den Fragebogen aus. In Abbildung 53 ist das größte Produktsortiment mit 36 Digitalkameras, wie es den Teilnehmern präsentiert wurde, veranschaulicht.

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239

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3fach

29 - 117 mm

P, MP*

Memory Stick Pro (16 MB)

Fernsteuerungvom PC

PentaxOptio 33L

€ 330

3,2 Megapixel

3fach28 - 114 mm

P, MP*

CompactFlashTyp I (16MB)

Objektiv/Monitor schwenkbar

MinoltaDiMAGE F200

€ 3204,0 Megapixel

3fach

38 - 114 mm

P, H, MP, M*

MultiMediaCard(32MB)Direkt-Druck-Funktion

OlympusCamedia C-740 Ultra Zoom

€ 3403,2 Megapixel

10fach

38 - 380 mm

P, H, MP, M*

xD Card(16 MB)Stativgewinde

OlympusCamedia C-750 Ultra Zoom

€ 4354,0 Megapixel

10fach

38 - 380 mm

P, H, MP, M*

xD Card(16 MB)Anschluss für externen Blitz

OlympusCamedia C-760 Ultra Zoom

€ 3703,2 Megapixel

10fach

42 - 420 mm

P, H, MP, M*

xD Card(16 MB)Fernbedienung

PanasonicLumix DMC-FX5

€ 4004,0 Megapixel

3fach

25 - 105 mm

P, MP*

MultiMediaCard(16MB)Direkt-Druck Funktion

PanasonicLumix DMC-FZ10

€ 5904,0 Megapixel

12fach

35 - 420 mm

P, H, MP, M*

MultiMediaCard(16MB)Stativgewinde, Bluetooth

MarkeTyp

PreisAuflösung

Optisches Zoom

Objektiv

Belichtung*

Speicher

Besonderheiten

PanasonicLumix DMC-FZ2

€ 3602,0 Megapixel

12fach

35 - 420 mm

P, H, MP*

MultiMediaCard(8MB)Fernbedienungam PC

PanasonicLumixDMC-LC 33

€ 240

3,2 Megapixel

3fach25 - 105 mm

P, MP

MultiMediaCard(16MB)

n. a.

PentaxOptio 555

€ 470

5,0 Megapixel

5fach

37,5 - 187,5 mmP, H, MP, M*

MultiMediaCard(16MB)

Blitz-Langzeitsyn-chronisation

PentaxOptio S4i

€ 390

4,0 Megapixel

3fach

35 - 105 mmP, MP*

Memory Stick Pro (10 MB)

Fernbedienung

SanyoXacti VPC-J2EX

€ 270

3,2 Megapixel

2,8fach

37 - 104 mmP, MP*

MultiMediaCard(16MB)

Fernbedienung 24

SonyCyber-shot DSC-P10

€ 360

5,0 Megapixel

3fach

38 - 114 mmP, MP*

Memory Stick Pro (32 MB)

Direkt-DruckFunktion

SonyCyber-shot DSC-P72

€ 230

3,2 Megapixel

3fach

39 - 117 mmP, MP*

Memory Stick Pro (16 MB)

n. a.

SonyCyber-shot DSC-P8

€ 250

3,2 Megapixel

3fach

39 - 117mmP, MP*

Memory Stick Pro (16 MB)

Fernbedienung

SonyCyber-shot DSC-T1

€ 480

5,0 Megapixel

3fach

38 - 114 mmP, MP*

Memory Stick Pro (32 MB)

Bildstabilisator

SonyCyber-shot DSC-V1

€ 470

5,0 Megapixel

4fach

34 - 136 mmP, H, MP, M*

Memory Stick Pro (32 MB)

Bluetooth

Yahica-KyoceraFinecam S5R

€ 360

5,0 Megapixel

3fach35 - 105mm

P, H, MP*

MultiMediaCard(16MB)

Selbstauslöser

MarkeTyp

Preis

Auflösung

Optisches Zoom

ObjektivBelichtung*

Speicher

Besonderheiten

CanonPowerShot S1 IS

€ 470

3,2 Megapixel10fach

38 - 380 mm

P, H, MP, M*

CF Typ I/II (32 MB)

Anschluss fürexternen Blitz

OlympusCamedia C-5050

€ 7005,0 Megapixel

3fach

35 - 105 mm

P, H, MP, M*

CF Typ I/II (32 MB)Bildstabilisierung, Fernsteuerung

SonyCyber-shot DSC-P100

€ 430

5,1 Megapixel

3fach

38 - 114 mmP, MP*

Memory Stick Pro (32 MB)

Selbstauslöser

KodakEasyShareDX6490

€ 3654,0 Megapixel

10fach

38 - 380 mm

P, H, MP, M*

MultiMediaCard(16 MB)Bildstabilisierung

*) P = Programmautomaitk, H = Halbautomatik, MP = Motivprogramme, M = Manuelle Belichtung

Abbildung 53: Das mit 36 Produkten größte „künstliche Sortiment“ des Pretests

Der Pretest wurde an einer deutschen Universität mit einem Studentensample durchgeführt. Die Nutzung von so genannten Convenience Samples, die Stichproben bezeichnen, zu denen man relativ leichten Zugang hat, ist in der empirischen Sozialforschung sehr gebräuchlich aber nicht unproblematisch (vgl. Peterson 2001, S. 450ff.; Rotfeld 2003, S. 192; Ferber 1977, S. 57f.). So weist Peterson (2001, S. 458) darauf hin, dass die Antworten von Studentensamples homogener sind, als die der Gesamtbevölkerung. Studenten bieten sich deshalb vor allem für explorative Forschungszwecke als Stichprobe an, wobei aber auch hier explizit darauf zu achten ist, dass sie eine relevante Grundgesamtheit für die Fragestellung darstellen (vgl. Ferber 1977, S. 58.; Peterson 2001, S. 458). Da Studenten potenzielle Käufer von Digitalkameras sind, ist dies hier gegeben. Für die Durchführung des Pretests, der in erster Linie der Überprüfung und Optimierung der entwickelten Skalen im Hinblick auf die Hauptuntersuchung dient, ist ein Studentensample deshalb geeignet.

Insgesamt haben 126 Studenten an der Befragung teilgenommen. Neun der Fragebögen enthielten fehlende Werte und wurden deshalb bei den Analysen nicht berücksichtigt. Insgesamt lag die Stichprobengröße damit bei 117, was für einen

Page 268: Der Wert von Produktvielfalt - University of St. Gallen...Der Wert von Produktvielfalt: Wirkung großer Sortimente auf das Verhalten von Konsumenten DISSERTATION der Universität St

240

Pretest als sinnvolle Größenordnung betrachtet werden kann. Die Teilnehmer waren zwischen 19 und 33 Jahre alt. Der Durchschnitt lag bei 23,6 Jahren (SD = 2,4). 70% der Befragten waren Frauen. Ingesamt hat die Stichprobe damit die erwarteten soziodemografischen Charakteristika einer Studentenbefragung im Marketing-fachbereich.

3.3.3 Ergebnisse der Analysen

Die Analyseergebnisse werden nachfolgend für jeden Faktor einzeln beschrieben. Die Betrachtung des Fornell-Larcker-Kriteriums erfolgt am Ende.

3.3.3.1 Faktoren der Nutzendimension

Erfolgsaussichten

Der Faktor Erfolgsaussichten besteht aus drei Indikatoren, eine konfirmatorische Faktorenanalyse ist folglich nicht möglich (vgl. S. 233). Es stehen deshalb nur Gütemaße der exploratorischen Faktorenanalyse zur Verfügung. Bei dieser wurde nur ein Faktor extrahiert, da der erste Eigenwert mit einem Wert von 2,37 über und der zweite Eigenwert (0,38) deutlich unter 1 liegt. Die Faktorladungen der drei manifesten Variablen überschreiten alle den Grenzwert von 0,70. Entsprechend liegt auch die Indikatorreliabilität der drei Indikatoren über 0,50. Auf Konstruktebene überschreitet die DEV mit einem Wert von 0,69 genauso wie die Faktorreliabilität die vorgegebene Untergrenze von 0,50 bzw. 0,60. Das Cronbachs Alpha ist mit 0,87 als gut einzustufen.

Das Messmodell für den Faktor Erfolgsaussichten erfüllt damit alle verwendeten Gütekriterien und kann unverändert in die Hauptuntersuchung eingehen.

Page 269: Der Wert von Produktvielfalt - University of St. Gallen...Der Wert von Produktvielfalt: Wirkung großer Sortimente auf das Verhalten von Konsumenten DISSERTATION der Universität St

241

Indikatorenebene Faktorebene

Indikator Ladung Indikator-reliabilität

DEV Faktor-reliab.

Globale Anpassungsmaße

Cronbachs Alpha

Kriterium > 0,70 > 0,50 > 0,50 > 0,60 > 0,9 < 0,1 > 0,70

Erfolg1 0,86 0,74

Erfolg2 0,87 0,76

Erfolg3 0,75 0,56

0,69 0,87 GFI: n.a. AGFI: n.a. NFI: n.a. CFI: n.a.

RMR: n.a.

0,87

Tabelle 16: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Faktors „Erfolgsaussichten“

Antizipierter Produktnutzen

Der Faktor Antizipierter Produktnutzen besteht aus vier Indikatoren, eine KFA ist folglich möglich. Die exploratorische Faktorenanalyse hat zur Extraktion von nur einem Faktor geführt (1. Eigenwert 3,00; 2. Eigenwert 0,47), es kann also von Unidimensionalität ausgegangen werden. Die Indikatoren sind nicht normalverteilt, was der Kolmogorov-Smirnov-Test gezeigt hat (p < 0,001). Folglich kommt bei der KFA die ULS-Methode zum Einsatz. Tabelle 17 stellt die Ergebnisse der Parameterschätzungen und die entsprechenden Gütemaße der KFA dar.

Die Faktorladungen aller Indikatoren haben Werte über 0,70, entsprechend überschreiten auch die Indikatorreliabilitäten den Grenzwert von 0,50. Auf Konstruktebene nehmen die DEV und die Faktorreliabilität Werte von 0,67 bzw. 0,89 an und liegen damit deutlich über dem Mindestwert. Die Berechnung der globalen Gütemaße GFI, AGFI, NFI und CFI hat jeweils den möglichen Maximalwert vom 1,0 ergeben und das RMR unterschreitet mit 0,02 den maximal zulässigen Wert von 0,1 sehr deutlich. Schließlich deutet auch das Cronbachs Alpha von 0,88 auf eine hohe Reliabilität der Messung hin, so dass insgesamt von Validität des Messmodells dieses Faktors ausgegangen werden kann.

Das Messungmodell des Faktors Antizipierter Produktnutzen erfüllt alle verwendeten Gütekriterien eindeutig und wird in unveränderter Form in der Hauptuntersuchung eingesetzt.

Page 270: Der Wert von Produktvielfalt - University of St. Gallen...Der Wert von Produktvielfalt: Wirkung großer Sortimente auf das Verhalten von Konsumenten DISSERTATION der Universität St

242

Indikatorenebene Faktorebene

Indikator Ladung Indikator-reliabilität

DEV Faktor-reliab.

Globale Anpassungsmaße

Cronbachs Alpha

Kriterium > 0,70 > 0,50 > 0,50 > 0,60 > 0,9 < 0,1 > 0,70

AnUt1 0,73 0,53

AnUt2 0,88 0,77

AnUt3 0,75 0,56

AnUt4 0,90 0,81

0,67 0,89 GFI: 1,00 AGFI: 1,00 NFI: 1,00 CFI: 1,00

RMR: 0,02

0,88

Tabelle 17: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Faktors „Antizipierter Produktnutzen“

Informationsmöglichkeiten

Die exploratorische Faktorenanalyse hat zur Extraktion von nur einem Faktor geführt, da die Werte des ersten bzw. zweiten Eigenwerts bei 3,23 bzw. 0,66 liegen. Die Normalverteilungsannahme aller Indikatoren musste aufgrund des Kolmogorov-Smirnow Tests abgelehnt werden (p < 0,05), so dass bei der anschließenden KFA das ULS-Verfahren angewendet wurde.

Bis auf den Indikator Info1 (Ich bekomme durch das Sortiment einen guten Überblick über verschiedene Produkte, Marken und Preise) haben alle manifesten Variablen Faktorladungen über 0,70. Das Item Info1 wird daher eliminiert und von den weiteren Analysen ausgeschlossen. Ursache für die geringe Ladung könnte sein, dass die Konsumenten aufgrund der hohen Vielfalt Schwierigkeiten haben, sich einen Überblick über den Markt zu verschaffen und daher diesem Punkt weniger Zustimmung entgegen bringen als den anderen. Die restlichen fünf Indikatoren erreichen eine DEV von 0,56 und eine Faktorreliabilität von 0,86 und erfüllen diese Kriterien. Gleiches gilt für die Gütemaße zur Beurteilung des globalen Fits des Messmodells, die ebenfalls alle über den genannten Mindestwerten liegen. Anzumerken ist, dass das RMR mit einem Wert von 0,099 den maximal zulässigen Wert von 0,1 nur sehr knapp unterschreitet. Die insgesamt gute Reliabilität des Messmodells drückt auch das Cronbachs Alpha von 0,86 aus. Tabelle 18 stellt alle geschätzten Parameter und berechneten Gütemaße im Überblick dar.

In der Hauptuntersuchung erfolgt die Messung des Faktors Informationsmöglichkeiten durch die fünf Indikatoren Info2 bis Info6, das Item Info1 wird nicht berücksichtigt.

Page 271: Der Wert von Produktvielfalt - University of St. Gallen...Der Wert von Produktvielfalt: Wirkung großer Sortimente auf das Verhalten von Konsumenten DISSERTATION der Universität St

243

Indikatorenebene Faktorebene

Indikator Ladung Indikator-reliabilität

DEV Faktor-reliab.

Globale Anpassungsmaße

Cronbachs Alpha

Kriterium > 0,70 > 0,50 > 0,50 > 0,60 > 0,9 < 0,1 > 0,70

Info142 0,48 -

Info2 0,73 0,53

Info3 0,77 0,59

Info4 0,71 0,50

Info5 0,73 0,53

Info6 0,79 0,62

0,56 0,86 GFI: 0,99 AGFI: 0,98 NFI: 0,95 CFI: 0,97

RMR: 0,099

0,86

Tabelle 18: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Faktors „Informationsmöglichkeiten“

Spaß

Der Nutzenfaktor Spaß wird mittels vier Indikatoren gemessen, deren Ladungen alle über 0,70 und somit über dem Grenzwert liegen. Gleiches gilt für die jeweiligen Indikatorreliabilitäten. Auf Basis des Kaiser-Kriteriums wurde nur ein Faktor extrahiert (1. Eigenwert 3,07; 2. Eigenwert 0,36). Die Messung erfüllt weiterhin alle verwendeten Gütekriterien auf Konstruktebene. Da der Kolmogorow-Smirnow-Test zeigte, dass die Indikatoren nicht einer Normalverteilung folgen (p < 0,05), wurde in der KFA das ULS-Verfahren verwendet. Wie Tabelle 19 zu entnehmen ist, liegt die DEV mit 69% wie auch die Faktorreliabilität mit 0,90 deutlich über dem geforderten Mindestwerten. Die globalen Anpassungsmaße (GFI, AGFI, NFI und CFI) erreichen alle ihren Höchstwert von 1,00 und das RMR liegt mit 0,03 deutlich unter dem Grenzwert von 0,1. Schließlich deutet auch das Cronbachs Alpha mit einer Höhe von 0,90 auf die Reliabilität der Faktormessung hin.

Insgesamt lassen die verwendeten Gütemaße auf eine hohe Validität und Reliabilität des entwickelten Messmodells des Nutzenfaktors Spaß schließen. Es geht unverändert in die Hauptuntersuchung ein.

42 Von der weiteren Analyse ausgeschlossen

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244

Indikatorenebene Faktorebene

Indikator Ladung Indikator-reliabilität

DEV Faktor-reliab.

Globale Anpassungsmaße

Cronbachs Alpha

Kriterium > 0,70 > 0,50 > 0,50 > 0,60 > 0,9 < 0,1 > 0,70

Spaß1 0,84 0,71

Spaß2 0,81 0,66

Spaß3 0,88 0,77

Spaß4 0,79 0,62

0,69 0,90 GFI: 1,00 AGFI: 1,00 NFI: 1,00 CFI: 1,00

RMR: 0,03

0,90

Tabelle 19: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Faktors „Spaß“

Positive Emotionen

Die exploratorische Faktorenanalyse der Indikatoren des Faktors Positive Emotionen führte nach dem Kaiser-Kriterium mit einem ersten Eigenwert von 3,60 und einem zweiten von 0,50 zur Extraktion von nur einem Faktor. Die anschließend durchgeführte KFA zeigte, dass die Ladungen der beiden Indikatoren PoEm643 und PoEm744 unterhalb 0,70 liegen. Diese beiden Items wurden deshalb eliminiert und von den weiteren Analysen ausgeschlossen. Auch bei diesem Faktor wurde die KFA mit dem ULS-Verfahren durchgeführt, da der Kolmogorow-Smirnow-Test zur Ablehnung der Normalverteilungsannahme der Itemwerte führte (p < 0,05). Wie aus Tabelle 20 hervor geht, erfüllen die verbleibenden fünf manifesten Variablen alle Gütekriterien auf Konstruktebene deutlich. Die Messung des Faktors Positive Emotionen mittels der fünf Indikatoren PoEm1 bis PoEm5 kann folglich als valide und reliabel eingestuft werden. In der Hauptuntersuchung kommt die um die zwei Indikatoren PoEm6 und PoEm7 gekürzte Operationalisierung zur Anwendung.

43 „Diese Digitalkamera bietet mir neue interessante Erfahrungen.“ 44 „Das Digitalkamerasortiment inspiriert mich.“

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245

Indikatorenebene Faktorebene

Indikator Ladung Indikator-reliabilität

DEV Faktor-reliab.

Globale Anpassungsmaße

Cronbachs Alpha

Kriterium > 0,70 > 0,50 > 0,50 > 0,60 > 0,9 < 0,1 > 0,70

PoEm1 0,89 0,79

PoEm2 0,73 0,53

PoEm3 0,81 0,66

PoEm4 0,86 0,74

PoEm5 0,74 0,55

PoEm645 0,63 -

PoEm745 0,59 -

0,65 0,90 GFI: 1,00 AGFI: 0,99 NFI: 0,99 CFI: 1,00

RMR: 0,05

0,90

Tabelle 20: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Faktors „Positive Emotionen“

Im nächsten Abschnitt werden die Pretestergebnisse der Messmodelle der Kostendimension beschrieben.

3.3.3.2 Faktoren der Kostendimension

Verwirrung und Frustration

Die exploratorische Faktorenanalyse ergab, dass die Ladung des Indikators VerFr7 (Ich fürchte mich vor der Entscheidung) unter 0,70 liegt und deshalb aus dem Messmodell entfernt wird. Das Item VerFr1 ist mit einer Ladung von 0,70 grenzwertig, wird aber beibehalten. Die verbleibenden sechs manifesten Variablen laden alle auf einen Faktor, was aus dessen Eigenwerten zu erkennen ist (1. Eigenwert 4,06; 2. Eigenwert 0,60). Der Kolmogorow-Smirnow-Test ergab weiterhin, dass die Indikatorwerte nicht normalverteilt sind (p < 0,05) und deshalb bei der KFA das ULS-Verfahren anzuwenden ist. Auf Faktorebene erfüllt das Messmodell alle lokalen, globalen und deskriptiven Gütemaße bis auf das RMR, dessen Wert von 0,11 überschreitet den Grenzwert von 0,10 leicht. Da aber die anderen Gütemaße deutlich erfüllt werden und beispielsweise der GFI, AGFI und der CFI, ebenso wie das deskriptive Cronbachs Alpha von 0,90 auf eine hohe Modellgüte schließen lassen, wird das Messmodell insgesamt als reliabel und valide betrachtet.

45 Von der weiteren Analyse ausgeschlossen

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246

In der Hauptuntersuchung wird der Faktor Verwirrung und Frustration durch die sechs Indikatoren VerFr1 bis Verfr6 gemessen.

Indikatorenebene Faktorebene

Indikator Ladung Indikator-reliabilität

DEV Faktor-reliab.

Globale Anpassungsmaße

Cronbachs Alpha

Kriterium > 0,70 > 0,50 > 0,50 > 0,60 > 0,9 < 0,1 > 0,70

VerFr1 0,70 0,49

VerFr2 0,77 0,59

VerFr3 0,78 0,61

VerFr4 0,88 0,77

VerFr5 0,77 0,60

VerFr6 0,78 0,61

VerFr739 0,64 -

0,61 0,90 GFI: 1,00 AGFI: 0,99 NFI: 0,96 CFI: 0,97

RMR: 0,11

0,90

Tabelle 21: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Faktors „Verwirrung und Frustration“

Aufwand

Auch bei diesem Faktor muss aufgrund der geringen Ladung ein Item ausgeschlossen werden (siehe Tabelle 22): Der Indikator Aufw6 (Ich finde die Entscheidung sehr mühsam und anstrengend) hat nur eine Ladung von 0,51, die somit deutlich unterhalb des Mindestwerts von 0,70 liegt. Das Ergebnis verwundert etwas, da sich das Item Aufw6 inhaltlich nicht wesentlich von den anderen Indikatoren unterscheidet, vielmehr zusammenfassenden Charakter anderer Aspekte hat. Dennoch wird das Messitem entfernt. Die exploratorische Faktorenanalyse der verbleibenden fünf Indikatoren führte zur Extraktion von nur einem Faktor (1. Eigenwert: 3,59; 2. Eigenwert: 0,49), es kann somit von Unidimensionalität der Messung ausgegangen werden. Die Indikatorwerte folgen nicht einer Normalverteilung, was sich aus dem Kolmogorow-Smirnow-Test ergab (p < 0,001) und zur Anwendung des ULS-Verfahrens in der KFA führte. Die hierbei ermittelten Gütemaße liegen alle über den vorgegebenen Grenzwerten. Hervorzuheben ist, dass die globalen Gütemaße (GFI, AGFI, NFI und CFI) Werte zwischen 0,98 und 1,00 annehmen und damit den Grenzwert von 0,90 deutlich überschreiten. Auch die hohe Faktorreliabilität von 0,90 und das Cronbachs Alpha in gleicher Höhe deuten auf eine hohe Qualität des Messmodells hin.

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247

Insgesamt führt der Pretest zur Elimination von einem Item der ursprünglichen Operationalisierung. Das Messmodell der verbleibenden fünf Indikatoren kann als valide und reliabel eingestuft werden und geht entsprechend in die Hauptuntersuchung ein.

Indikatorenebene Faktorebene

Indikator Ladung Indikator-reliabilität

DEV Faktor-reliab.

Globale Anpassungsmaße

Cronbachs Alpha

Kriterium > 0,70 > 0,50 > 0,50 > 0,60 > 0,9 < 0,1 > 0,70

Aufw1 0,72 0,52

Aufw2 0,77 0,60

Aufw3 0,86 0,74

Aufw4 0,85 0,72

Aufw5 0,82 0,67

Aufw646 0,51 -

0,65 0,90 GFI: 1,00 AGFI: 0,99 NFI: 0,98 CFI: 0,99

RMR: 0,08

0,90

Tabelle 22: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Faktors „Aufwand“

Antizipiertes Regret

Der letzte Faktor Kostendimension wurde durch sechs Indikatoren operationalisiert, von denen aber nur vier eine Faktorladung von über 0,70 im Pretest aufwiesen: Die Items AnReg5 (Für meine Entscheidung könnte ich von anderen kritisiert werden) und AnReg6 (Die Auswahl an Produkten weckt in mir die Erwartung, dass ich genau das Produkt finde, das ich suche) wurden deshalb eliminiert und von der weiteren Betrachtung ausgeschlossen. Erstaunlich ist hierbei, dass das letzte Item, das eine Antezedenz des Regrets misst, von den Befragten nur sehr schwach mit den anderen gemessenen Aspekten des Regrets in Verbindung gebracht wird. Der Wegfall der Facette des antizipierten Tadels (AnReg5) scheint dagegen plausibel und nachvollziehbar.

Die verbleibenden vier Indikatoren laden alle auf einen Faktor, was aus den Werten von 2,72 und 0,48 des ersten bzw. zweiten Eigenwerts erkennbar ist. Der Kolmogorow-Smirnow-Test führte zur Ablehnung der Normalverteilungsannahme der Indikatoren (p < 0,05) und zur Anwendung des ULS-Verfahrens bei der KFA.

46 Von der weiteren Analyse ausgeschlossen

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248

Die hierbei ermittelten lokalen und globalen Gütemaße bescheinigen dem verbleibenden Messmodell eine gute Modellgüte. So überschreiten die DEV mit 57% und die Faktorreliabilität mit 0,84 die Mindestwerte von 50% bzw. 0,60 und die globalen Gütemaße liegen nahe an ihrem jeweiligen Maximalwert von 1,00. Abgerundet wird das Ergebnis durch das deskriptive Cronbachs Alpha, das mit einem Wert von 0,84 als gut einzustufen ist und auf eine angemessene Reliabilität der Messung schließen lässt.

Der Faktor Antizipiertes Regret wird in der Hauptuntersuchung durch die vier Indikatoren AnReg1 bis AnReg4 gemessen.

Indikatorenebene Faktorebene

Indikator Ladung Indikator-reliabilität

DEV Faktor-reliab.

Globale Anpassungsmaße

Cronbachs Alpha

Kriterium > 0,70 > 0,50 > 0,50 > 0,60 > 0,9 < 0,1 > 0,70

AnReg1 0,72 0,52

AnReg2 0,78 0,61

AnReg3 0,78 0,61

AnReg4 0,75 0,56

AnReg547 0,45 -

AnReg647 0,29 -

0,57 0,84 GFI: 1,00 AGFI: 1,00 NFI: 0,99 CFI: 1,00

RMR: 0,04

0,84

Tabelle 23: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Faktors „Antizipiertes Regret“

3.3.3.3 Gesamtbeurteilung

Überprüfung der Diskriminanzvalidität

Neben der isolierten Betrachtung jedes einzelnen Faktors ist im Rahmen des Pretests auch die übergreifende Diskriminanzvalidität der Messung auf Faktorebene zu überprüfen, d. h. es ist festzustellen, ob die unterschiedlichen Messmodelle der Faktoren auch tatsächlich inhaltlich verschiedene Aspekte von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt messen. Dies erfolgt anhand des Fornell-Larcker-Kriteriums (vgl. Fornell/Larcker 1981, S. 46; siehe auch die Ausführungen auf S. 264). Hierfür ist für

47 Von der weiteren Analyse ausgeschlossen

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249

jeden Faktor zunächst ein Faktorwert (Wert der latenten Variablen) pro Datensatz zu berechnen, um anschließend Korrelationskoeffizienten ermitteln zu können. Der Wert einer latenten Variablen ergibt sich dabei als gleichgewichteter Mittelwert aller einem Faktor zugeordneten Indikatoren (vgl. Homburg 1995, S. 111). Diese Durchschnitts-betrachtung ist konform mit der reflektiven Operationalisierung der Faktoren. Die Berechnung der Korrelationskoeffizienten erfolgte in SPSS.

Wie aus Tabelle 24 zu erkennen ist, wird das Fornell-Larcker-Kriterium von allen Faktoren erfüllt, da für jeden Faktor gilt, dass seine DEV größer ist als die quadrierte Korrelation seines Faktorwerts mit den Faktorwerten aller anderen Faktoren. Somit kann von Diskriminanzvalidität der Faktoren ausgegangen werden, d. h. die verschiedenen Faktoren messen auch tatsächlich untschiedliche Inhaltsaspekte.

Faktoren Erfolgs-

aussichten Antizi-pierter

Produkt-nutzen

Informat-ionsmö-

glichkeiten

Spaß Positive Emotionen

Verwir-rung und

Frustration

Aufwand

Erfolgsaus-sichten 0,686 quadrierte Korrelationen

Antizipierter Produktnutzen 0,670 0,134

Informations-möglichkeiten 0,557 0,298 0,230

Spaß 0,690 0,003 0,100 0,027

Positive Emotionen 0,654 0,247 0,346 0,311 0,160

Verwirrung und Frustration 0,611 0,023 0,058 0,038 0,071 0,070

Aufwand 0,649 0,303 0,013 0,037 0,003 0,014 0,291

Antizipiertes Regret 0,574 0,012 0,126 0,128 0,097 0,083 0,345 0,189

DEV 0,686 0,670 0,557 0,690 0,654 0,611 0,649

Tabelle 24: Ergebnisse der Überprüfung des Fornell-Larcker-Kriteriums der Nutzen- und Kostendimension im Pretest

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250

Zusammenfassung

Die Gütebeurteilung der Messmodelle auf Faktorenebene des Werts von Produktvielfalt hat zur Anpassung der Itembatterien einiger Faktoren geführt. Den angepassten Messmodellen konnte aber insgesamt eine hohe Güte bescheinigt werden. Die Überprüfung des Fornell-Larcker-Kriteriums hat außerdem die Diskriminanz-validität der Messung gezeigt. Insgesamt hat der Pretest die vorgeschlagene Struktur und Operationalisierung der Faktorenebene Kosten- und Nutzendimension bestätigt. In Tabelle 25 ist die Anzahl der Indikatoren pro Faktor und Dimension vor und nach dem Pretest nochmals zusammenfassend dargestellt. Insgesamt wurden durch den Pretest sieben Items aus der Itembatterie entfernt, drei bei der Nutzendimension und vier bei der Kostendimension. In der Hauptuntersuchung werden die KPV und NPV durch 21 bzw. 15 gemessen.

Anzahl der Indikatoren Dimension Faktor

Operationalisierung (ursprünglich)

Eliminiert (nach

Pretest)

Hauptuntersuchung

Erfolgsaussichten 3 0 3

Antizipierter Produktnutzen 4 0 4

Informationsmöglichkeiten 6 1 5

Spaß 4 0 4

Nutzen

Positive Emotionen 7

24

2 5

21

Verwirrung und Frustration 7 1 6

Aufwand 6 1 5

Kosten

Antizipiertes Regret 6

19

2 4

15

Summe 43 7 36

Tabelle 25: Anzahl der Indikatoren pro Dimension und Faktor vor und nach dem Pretest

Nach der Darstellung des Pretests und seiner Ergebnisse kann im nächsten Kapitel die Hauptuntersuchung beschrieben werden. Hierbei wird zunächst auf die methodischen Aspekte eingegangen und Analyseverfahren, Gütekriterien und insbesondere der PLS-Ansatz vorgestellt. Anschließend werden das Untersuchungsdesign und die Ergebnisse der Analysen auf Messmodellebene erläutert.

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251

3.4 Hauptuntersuchung

3.4.1 Analyseverfahren und Gütekriterien

3.4.1.1 Auswahl eines geeigneten Analyseverfahrens

Ziel der empirischen Untersuchung ist es, die Parameter des in den vorherigen Kapiteln konzeptualisierten und operationalisierten Konstrukts mit Hilfe geeigneter Verfahren zu schätzen und dabei die reliable und valide Messung sicherzustellen. Wie in Kapitel 3.1.1.2 (S. 190f.) bereits erwähnt, kommen für die Schätzung der Parameter der Mess- und Strukturmodelle kovarianz- und varianzbasierte Verfahren in Frage. Während kovarianzbasierte Verfahren in der Marketingforschung weit verbreitet sind, findet das varianzbasierte Verfahren der Partial Least Squares-Analyse (PLS) erst seit kurzem breitere Anwendung in der empirischen Forschung (vgl. Ringle 2004, S. 5; Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 2ff.; Eggert/Fassot 2003, S. 2).

Die Entscheidung, ob ein varianzbasiertes Verfahren wie PLS oder ein kovarianzbasiertes wie LISREL in einer Untersuchung zur Anwendung kommt, ist vor allem von der Operationalisierung der Modellkonstrukte und der Forschungs-motivation abhängig (vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 19ff):

Sind alle Konstrukte des Modells reflektiv operationalisiert, sind grundsätz-lich beide Verfahren geeignet und die Wahl ist abhängig von der Forschungs-motivation. Dominiert hierbei die Varianzerklärung der Zielvariablen, so ist dem PLS-Verfahren der Vorzug zu geben, ansonsten sind kovarianzbasierte Verfahren geeigneter.

Besteht ein Modell nur aus formativen Konstrukten, kommt aus Identifikationsaspekten nur PLS in Frage.

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252

Enthält das Modell sowohl formative als auch reflektive Konstrukte, ist die Anwendung kovarianzbasierter Verfahren nur unter bestimmten Bedingungen möglich:

- Von jedem formativen Konstrukt müssen mindestens zwei Pfade zu reflektiven Konstrukten ausgehen und

- Nur exogene Konstrukte sind formativ, alle endogenen Konstrukte sind reflektiv. Im Falle formativ operationalisierter endogener Konstrukte sind kovarianzbasierte Verfahren aufgrund der nicht möglichen Aussagen zur Varianzerklärung nicht zu empfehlen.

In allen anderen Fällen ist die Verwendung von PLS möglich bzw. zu empfehlen.

Ob in der vorliegenden Untersuchung ein kovarianzbasiertes Verfahren (LISREL) oder mit PLS ein varianzbasiertes Verfahren bei der empirischen Analyse zur Anwendung kommen soll, ist folglich abhängig von der Operationalisierung der Kosten- und Nutzendimension sowie der Zielsetzung der Untersuchung:

Die hier zu untersuchenden Dimensionen Kosten von Produktvielfalt und Nutzen von Produktvielfalt wurden auf Faktorenebene reflektiv und auf Dimensionsebene formativ operationalisiert, enthalten also sowohl formative als auch reflektive Elemente (siehe Kapitel 3.2.2, S. 214ff).

Ziel der Untersuchung ist neben der Messung von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt auch die Bestimmung des Einflusses hoher Vielfalt auf verschiedene Zielgrößen des Konsumentenverhaltens wie Kaufintention und Zufriedenheit. Es steht daher die Varianzerklärung dieser Zielgrößen und nicht die Überprüfung eines theoretischen Modells im Vordergrund.

Aus diesen Gründen ist das PLS-Verfahren geeigneter als ein kovarianzbasiertes Verfahren, wie z. B. LISREL und wird in dieser Untersuchung zur Datenanalyse verwendet.

Nachfolgend werden nach einem knappen Überblick zum PLS-Verfahren die in der Hauptuntersuchung verwendeten und auf PLS basierenden Analyseverfahren und Gütekriterien der Konstruktmessung dargestellt.

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253

3.4.1.2 Der PLS-Ansatz

Das varianzbasierte PLS-Verfahren gründet auf einem von Herman Wold Ende der 60er Jahre entwickelten Algorithmus, der die einfache Einbindung formativer und reflektiver Konstrukte in ein Strukturgleichungsmodell erlaubt (vgl. Wold 1985, S. 581ff.). Obwohl dieser 1977 von Apel und 1982 von Lohmüller softwaretechnisch umgesetzt wurde, fand er bislang in der betriebswirtschaftlichen Forschung kaum Beachtung. In dieser Arbeit kommt das von Chin entwickelte Programm PLS Graph in der Version 3.00 zum Einsatz. Dieses basiert auf dem von Lohmöller (letzte Version 1987) entwickelten Programm LVPLS 1.8, verfügt aber zusätzlich über eine graphische Oberfläche und verbesserte Validierungstechniken (vgl. Chatelin/Vinzi/ Tenenhaus 2002, S. 7).

Als varianzbasiertes Verfahren hat der PLS-Ansatz das Ziel, die empirische Datenstruktur, also die Indikatorwerte, bestmöglich zu reproduzieren. In Abbildung 54 ist ein komplettes PLS-Modell mit formativen und reflektiven latenten Variablen dargestellt.

y1

y2

y3

x1

x2

x3

x4

λy1πx1

πx2

πx3

πx4

λy2

λy3

ε1

ε2

ε3

Exogenes (formatives) Messmodell Endogenes (reflektives) Messmodell

ξ ηγ1

ζη

inneres Modell/Strukturmodell

äußeres Modell äußeres Modell

Abbildung 54: PLS-Modell nach der Parameterschätzung. Quelle: Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 6

Zur Bestimmung der Schätzparameter λi und πi nutzt der PLS-Schätzalgorithmus so genannte Gewichte als Hilfsvariablen. Mit deren Hilfe werden konkrete Werte für die latenten Variablen auf der Basis einer gewichteten Linearkombination ihrer Indikatoren berechnet. Die Gewichte werden durch den Algorithmus dabei so bestimmt, dass die Residuen in den Messmodellen minimiert werden, um so die tatsächlichen Datenpunkte optimal anzunähern (Kleinstquadrateigenschaft)

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(vgl. Lohmöller 1989, S. 29f.; Voges/Lohmöller 1989, S. 10; Herrmann/ Huber/Kressmann 2004, S. 5). Der PLS-Algorithmus schätzt die Gewichte für jede Variable getrennt und unter der Annahme, dass die anderen, benachbarten latenten Variablen bekannt sind, also quasi perfekt gemessen werden. Dabei ist die Art, in der PLS die Gewichte bestimmt, abhängig vom Messmodelltyp und erfolgt iterativ in einem dreiphasigen Prozess, der in Abbildung 55 als Ablaufdiagramm veranschaulicht ist (vgl. Lohmöller 1989, S. 29f.).

ERSTELLUNG DER AUSGANGSLÖSUNGJede latente Variable wir als nichttriviale Linearkombination der jeweiligen

Indikatorvariablen ausgedrückt

BERECHNUNG DER MODELLPARAMETER

Berechnung der Pfadkoeffizienten im äußeren Modell

Berechnung der Pfadkoeffizienten im inneren Modell

ITERATIVE SCHÄTZUNG DER LATENTEN VARIABLEN

Innere ApproximationMinimierung der Varianz von ζ im Strukturmodell

Äußere ApproximationMinimierung der Varianz von ε und δ im reflektiven Messmodell

Minimierung der Varianz von δ im formativen Messmodell

PHASE 1

PHASE 2

PHASE 3

Konvergenztest

Abbildung 55: Ablaufdiagramm des PLS-Schätzalgorithmus. Quelle: Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 6

In der ersten Phase wird eine Ausgangslösung erstellt, indem jede latente Variable als nichttriviale Linearkombination ihrer Indikatoren ausgedrückt wird.

Die zweite Phase dient der Schätzung der latenten Variablen. Hierbei werden die Schätzwerte in einem iterativen Prozess durch wechselweise innere und äußere Approximation (im Sinne des Struktur- bzw. Messmodells) verbessert. Ziel dieser Iteration ist es, die Residualvarianzen im Struktur- und Messmodell zu minimieren. Die Iteration aus äußerer und innerer Approximation wird deshalb so oft durchgeführt,

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255

bis sich die Gewichte nicht mehr wesentlich ändern und ein vorgegebenes Konvergenzkriterium48 erfüllen (vgl. Lohmöller 1989, S. 29f.). Die Gewichte der Messmodelle sind dabei im Fall eines reflektiven Konstrukts als einfache Regressionskoeffizienten des Indikators, durch die der Einfluss der latenten Variable auf den jeweiligen Indikator beschrieben wird, zu verstehen. Bei formativen Messmodellen dienen die multiplen Regressionskoeffizienten, die den Einfluss der Indikatorvariablen auf die zugehörige latente Variable messen, als Gewichte (vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 5).

Basierend auf den Schätzwerten der zweiten Phase werden in der dritten Phase die Modellparameter mittels einer OLS-Regression bestimmt. Hierbei werden zunächst die Pfadkoeffizienten des inneren Modells (Strukturmodell) und anschließend die Regressionskoeffizienten im Messmodell (äußeres Modell) berechnet (vgl. Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 6). Für formative Konstrukte führt die Schätzung der multiplen Regressionskoeffizienten auf Basis der aus den Gewichten bestimmten Konstruktwerte dabei „(...)zwingend zu den Gewichten als Regressionskoeffizienten und einem Fehlerterm δ von Null“ (Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 6). Die zur Berechnung einiger Gütemaße erforderlichen Mittelwerte für latente und manifeste Variablen werden zusammen mit den Ortungsparametern am Ende des Algorithmus bestimmt (Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 6).

Obwohl der PLS-Algorithmus jeweils nur einen Teil des Models behandelt (daher der Name Partial Least Squares), liefert er eine „(...) modellweite und hinsichtlich der Erklärungskraft des Gesamtmodells optimale Lösung (...)“ (Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 6).

Der PLS-Ansatz und kovarianzbasierte Verfahren im Vergleich

Der varianzbasierte PLS-Ansatz unterscheidet sich von kovarianzbasierten Verfahren wie LISREL am augenscheinlichsten hinsichtlich seiner Zielsetzung: Während die Kovarianzstrukturanalyse ein konfirmatorisches Verfahren darstellt und darauf abzielt, ein aus der Theorie abgeleitetes Modell zu analysieren und zu validieren, maximiert PLS die Erklärungskraft des Strukturmodells. Da die Parameter durch den PLS-Algorithmus so bestimmt werden, dass die Datenmatrix bestmöglich nachgebildet

48 Ein gebräuchliches Kriterium ist, dass sich die die Gewichte zwischen innerer und äußerer

Approximation ab der vierten Nachkommastelle nicht mehr ändern.

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256

wird, haben diese bessere Vorhersageeigenschaften als Schätzer kovarianzbasierter Verfahren (vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 7). Das PLS-Verfahren ist daher insbesondere für die Überprüfung der Prognosegenauigkeit eines Modells und die Theorieherleitung und weniger für die Überprüfung eines theoriebasierten Modells geeignet (vgl. Wold 1982a, S. 341ff.; Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 4).

Dies liegt insbesondere auch darin begründet, dass in PLS keine Gesamtgütemaße in Bezug auf die Modellanpassung verfügbar sind: „Since PLS does not attempt to minimize residual item covariance, there is no summary statistic to measure the overall fit of models (...)“ (Sarker et al. 2001, S. 366). Hintergrund hierfür ist, dass PLS keine Annahmen hinsichtlich der Verteilung der Daten voraussetzt und deshalb auch keine inferenzstatistischen Tests auf der Grundlage von Verteilungen möglich sind. Signifikanzaussagen können in PLS daher nur auf Basis der Hilfs-Prozeduren Bootstrap und Jackknife gemacht werden (vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 7).

Demgegenüber ist das PLS-Verfahren im Vergleich zur Kovarianzstrukturanalyse hinsichtlich der Mindestanforderungen an die Stichprobengröße im Vorteil. Während kovarianzbasierte Verfahren einen Stichprobenumfang von mindestens 100 für die Identifizierbarkeit des Models benötigen (vgl. Backhaus et al. 2003, S. 365), hat PLS auch bei relativ kleinen Stichproben keine Identifikationsprobleme, da nur jede Teilregression identifizierbar sein muss (vgl. Chin/Newsted 1999, S. 313). Da das PLS-Verfahren keine Verteilungsannahme unterstellt, ist es auch dann einsetzbar, wenn die manifesten Variablen nicht multinormalverteilt sind und die Residuen keine identische Verteilung (Homoskedastizität) besitzen (vgl. Lohmöller 1989, S. 70f.). Aufgrund dieser „weichen“ Verteilungsannahmen wird die Modellierung mit dem PLS-Verfahren auch als Soft Modeling bezeichnet (vgl. Wold 1980, S. 47ff.). Ein weiterer Vorteil – wenn nicht der Hauptvorteil von PLS – ist, dass das PLS-Verfahren die Analyse sowohl formativer als auch reflektiver Konstrukte erlaubt. Dies ist bei der Kovarianzanalyse nur unter relativ restriktiven Bedingungen möglich (siehe S. 252).

Der PLS-Ansatz ist demnach weniger restriktiv als kovarianzbasierte Verfahren, dafür hat er Schwächen hinsichtlich der systematischen Messfehler und der Konsistenz der Parameterschätzungen (vgl. Chin/Marcolin/Newsted 1996, S. 34). Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich die Konstruktwerte als lineare Kombination der mit Messfehlern behafteten Indikatoren ergeben und diese deshalb inkonsistent sind. Gleiches gilt für die auf den Konstruktwerten basierenden Parameterschätzungen (Fornell/Cha 1994, S. 66).

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257

In Folge dessen werden durch das PLS-Verfahren die Verbindungen zwischen Konstrukt und Indikatoren (Ladungen) überschätzt und die Pfadkoeffizienten als Verbindungen zwischen den Konstrukten unterschätzt. (vgl. Chin/Marcolin/Newsted 1996, S. 34). Es konnte aber nachgewiesen werden, dass sich die Überschätzungen im Messmodell und die Unterschätzungen im Strukturmodell gegenseitig aufheben und somit die „Korrelationen zwischen Indikatoren verschiedener latenter Variablen wiederum stets konsistent sind“ (Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 8). Ferner argumentierte Wold (1980, S. 52), dass sich kovarianz- und varianzbasierte Schätzer nicht wesentlich voneinander unterscheiden und in der Regel co-konsistent sind. Folglich ist die Rangfolge der Einflussstärken sehr ähnlich und deren Relationen sind nahezu proportional (vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 8).

Nachteilig ist ferner, dass es beim PLS-Verfahren zur Verbesserung der Konsistenz der Schätzer notwendig ist, gleichzeitig den Stichprobenumfang und die Anzahl der Indikatoren zu erhöhen. Dies liegt daran, dass die Konstrukte als Linearkombination der Indikatoren abgebildet werden und dadurch bei erhöhter Indikatorenzahl der einzelne fehlerbehaftete Indikator weniger ins Gewicht fällt. Diese Eigenschaft wird als „consistency at large“ (Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 9) bezeichnet. Im Vergleich hierzu reicht es bei der Kovarianzanalyse aus, den Stichprobenumfang zu erhöhen, um die Konsistenz der Schätzer zu verbessern (vgl. Wold 1982b, S. 25).

Zusammenfassung

Fasst man die Vor- und Nachteile des PLS-Ansatzes gegenüber kovarianzbasierten Verfahren zusammen, so lässt sich folgendes festhalten: PLS ist das weniger restriktive Verfahren, das auch die Analyse kleiner Strichproben ermöglicht und keine Annahmen hinsichtlich der Verteilung der manifesten Variablen macht. Damit verbunden ist aber, dass PLS keine Gütemaße auf Gesamtmodellebene zur Verfügung stellt und deshalb weniger zur Theorieüberprüfung, als viel mehr zur Vorhersage konkreter Datenpunkte geeignet ist. Hinsichtlich der Genauigkeit der Schätzer ist das PLS-Verfahren der Kovarianzanalyse unterlegen. Da die Schätzer kovarianz- und varianzbasierter Verfahren aber normalerweise co-konsistent sind, sind die relativen Einflüsse der Parameter bei beiden Verfahren etwa gleich. Sollen in einer Untersuchung die relativen Einflüsse verschiedener Parameter auf eine Zielgröße untersucht werden, ist PLS folglich gegenüber kovarianzanalytischen Verfahren nicht im Nachteil (vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 10). Das PLS-Verfahren ist

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258

somit besser zur Untersuchung der hier betrachteten Fragestellungen geeignet, als ein varianzbasiertes Verfahren wie beispielsweise LISREL.

Ansatz zur Analyse von Konstrukten zweiter Ordnung mit PLS

Eines der Ziele der empirischen Untersuchung ist die Messung des Werts von Produktvielfalt anhand seiner Kosten- und Nutzendimension. Beide wurden als Konstrukt zweiter Ordnung49 konzeptualisiert (siehe Kapitel 3.2.1. S. 209ff.). Es ist deshalb ein auf PLS basierender Ansatz anzuwenden, der die hierarchische Struktur der Konstruktebenen abbildet, zu einer globalen latenten Variable „verdichtet“ und für diese einen Wert berechnet. Dieser Wert enspricht dem Wert der latenten Variablen KVP bzw. NVP und damit den Kosten bzw. dem Nutzen von Produktvielfalt.

Wold (1982, S. 40ff.) schlägt hierfür eine Struktur vor, in der alle latenten Variablen in einem „super block“ (Tenenhaus et al. 2004, S. 38) zusammengefasst und die einzelnen latenten Variablen mit diesem verbunden werden. Abbildung 56 stellt die von Wold (1982b) entwickelte Modellstruktur als Pfaddiagramm dar.

X4

x11

x12

x21

x13

x22

x31

x33

x32

x11

x12

x13

x21

x22

x31

x33

x32

X1

X2

X3

X4

x11

x12

x21

x13

x22

x31

x33

x32

x11

x12

x21

x13

x22

x31

x33

x32

x11

x12

x13

x11

x12

x13

x21

x22

x21

x22

x31

x33

x32

x31

x33

x32

X1

X2

X3

Abbildung 56: Von Wold (1982b) entwickelte Struktur zur Abbildung eines Konstrukts zweiter Ordnung in PLS. In Anlehnung an Wold (1982b), S. 41

49 Auf Konstrukte zweiter Ordnung wurde bereits in Kapitel 3.1.2, S. 192ff. (siehe auch Abbildung

45, S. 193) eingegangen.

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259

Auf Faktorenebene werden die latenten Variablen X1, X2 und X3 reflektiv durch die entsprechenden manifesten Variablen x11 bis x33 abgebildet. Den Gesamtwert der latenten Variable auf Konstruktebene (X4) erhält man durch die Verbindung der latenten Variablen X1, X2 und X3 mit der latenten Variablen X4, die alle manifesten Variablen als „super block“ (Tenenhaus et al. 2004, S. 38) zusammenfasst. Wold (1982b) schlägt vor, die Superblock-Variable reflektiv durch alle manifesten Variablen des Konstrukts zu operationalisieren (vgl. Wold 1982b, S. 40ff.). Ebenso argumentieren beispielsweise auch Guinot, Latreille und Tenenhaus (2001, S. 257), sowie Pagès und Tenenhaus (2001, S. 267f.), welche die von Wold (1982b) vorgeschlagene Struktur in empirischen Untersuchungen angewendet haben, um für Konstrukte mit einer formativen Operationalisierung auf zweiter Ebene einen globalen Wert zu berechnen.

Eine Alternative zum Vorschlag von Wold wäre, das Konstrukt auf zweiter Ebene als eine Art MIMIC-Modell abzubilden (siehe hierzu auch Abbildung 46, S. 202). Dabei wird die Konstruktebene direkt durch Indikatoren reflektiv operationalisiert. Nachteil dieses Verfahrens ist, dass die weitere Berechnung ausschließlich auf diesen Indikatoren beruht, die das Gesamtkonstrukt direkt messen, und folglich die Informationen der ersten Ebene verloren gehen. Im Gegensatz hierzu nutzt die Struktur von Wold die Informationen aller manifesten Variablen.

Die Konzeptualisierung der Kosten- und Nutzendimension des Werts von Produktvielfalt entspricht genau der von Wold (1982b) vorgeschlagenen Struktur. Sein Ansatz ist deshalb Grundlage der nachfolgend beschriebenen Methodik zur Datenanalyse der Hauptuntersuchung. Bei der Methodenbeschreibung wird insbesondere auf die Gütemaße eingegangen, auf deren Basis die Validität und Reliabilität der Konstruktmessung unter Verwendung des PLS-Ansatzes beurteilt wird.

3.4.1.3 Gütekriterien zur Beurteilung der Messmodelle

Nachfolgend werden die Gütekriterien zur Beurteilung der Messmodelle auf der Ebene 1 (reflektiv) und Ebene 2 beschrieben.

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Wert von Produktvielfalt

NPV KPV

Antizipierter Produktnutzen

Erfolgs-aussichten Spaß

Aufwand und Anstrengung

Negative Emotionen

Antizipiertes Regret

Positive Emotionen

Informations-möglichkeiten

...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

Eben

e 2

(form

ativ

)

AP EA Sp AA VF ARPEIM

Eben

e 1

(ref

klek

tiv)

Nutzen Kosten

Kon

stru

kt-

eben

e

Abbildung 57: Ebenen des Messmodells

Ebene 1: Gütekriterien zur Beurteilung der reflektiv operationalisierten Faktoren

In Kapitel 3.1.2.1 (S. 196) wurde bereits erläutert, dass zur Beurteilung der Güte reflektiver Messmodelle vier Validitätsarten von Beutung sind:

Inhaltsvalidität

Konvergenzvalidität

Diskriminanzvalidität

Nomologische Validität

Während die Beurteilung der Inhaltsvalidität vor allem auf Indikatorenebene erfolgt, werden die anderen Validitätsarten auf Konstruktebene bewertet.

Gütekriterien auf Ebene der Indikatoren

Die Inhaltsvalidität verlangt, dass die Indikatoren eines Konstrukts mit dessen theoretischen Rahmen konsistent sind und alle Facetten und Bedeutungsinhalte abbilden. Dies wird in erster Linie durch das in Kapitel 2 beschriebene theoretische Gerüst der Untersuchung gewährleistet, das die Basis der Konzeptualisierung und Operationalisierung des Werts von Produktvielfalt darstellt (siehe Kapitel 3.2.1, S. 209ff.). Inhaltsvalidität setzt weiterhin voraus, dass alle Indikatorvariablen dem „inhaltlich-semantischen Bereich des Konstrukts angehören“ (Homburg/Giering

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261

1996, S. 7). Es muss folglich eine enge Beziehung zwischen einer latenten Variablen und deren Indikatoren bestehen.

In diesem Zusammenhang spielt die Indikatorreliabilität eine wichtige Rolle. Sie gibt an, „welcher Anteil der Varianz eines Indikators durch die zugrunde liegende latente Variable erklärt werden kann“ (Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 13). Dieses Kriterium wird dann erfüllt, wenn mehr als 50% der Varianz eines Indikators durch die zugehörige latente Variable erklärt wird, was gleichzeitig bedeutet, dass die gemeinsame Varianz zwischen latenter und zugehöriger manifester Variable (Indikator) größer ist als die Varianz des entsprechenden Messfehlers (vgl. Carmines/Zeller 1979, S. 27). Da die Varianz des Messfehlers des Indikators i var(εi) durch 1-λi

2 definiert ist (λi bezeichnet die Ladung zwischen der latenten Variable und dem Indikator i) gilt, dass genau dann mehr als 50% der Varianz des Indikators i durch die entsprechende latenten Variable verursacht werden, wenn die Ladung λi größer als die Wurzel aus 0,50 (≈0,707) ist. Werden für die Berechnungen in PLS standardisierte manifeste Variablen verwendet, was in dieser Untersuchung der Fall ist, so entspricht die Ladung λi der Korrelation zwischen manifester Variable i und dem Wert der zugehörigen latenten Variable. Das Ladungsquadrat λi

2 wird dann als Kommunalität (Communality) bezeichnet (vgl. Chatelin/Vinzi/Tenenhaus 2002, S. 28). Sie wird in PLS-Graph sowohl auf Indikator- als auch auf Konstruktebene (durchschnittliche Kommunalität) berechnet. Das Kriterium der Indikatorreliabilität ist folglich dann erfüllt, wenn die Kommunalität einer manifesten Variable größer als 0,5 ist.

Neben der Höhe der Ladung zwischen latenter und manifester Variable λi interessiert vor allem deren Signifikanz (vgl. Hulland 1999, S. 198). Diese lässt sich durch die t-Werte der Ladungen abschätzen (vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 24). Zweiseitige Signifikanz liegt dabei ab einem t-Wert von 1,9850 vor. Zur Berechnung der t-Werte dienen in PLS die Resampling-Prozeduren Bootstrapping und Jackknifing, wobei aufgrund des geringeren Standardfehlers das Bootstrapping-Verfahren dem Jackknifing-Verfahren vorzuziehen ist und in dieser Untersuchung angewendet wird (vgl. Efron/Tibshirani 1993, S. 145f.; Tenenhaus et al. 2004, S. 25). Zur Ermittlung der t-Werte mittels des Bootstrapping-Verfahrens wird dieselbe Anzahl an Subsamples generiert, wie die Stichprobe Fälle enthält, d. h. bei einer Stichprobengröße von 596 werden im Rahmen des Bootstrapping-Verfahrens

50 Der Grenzwert ist abhängig von der Anzahl der Freiheitsgrade.

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262

596 Subsamples „gezogen“. Damit wird der Empfehlung von Tenenhaus et al. (2004, S. 18) Rechnung getragen, der die Generierung von über 100 Subsamples anrät.

Gütekriterien auf Faktorebene

Während die Indikatorreliabilität die Modellgüte auf der Ebene der Indikatoren beurteilt, stellt die Konvergenzvalidität die interne Konsistenz verschiedener Items eines Konstrukts bzw. Faktors sicher. Die Betrachtung erfolgt somit nicht auf Indikatorebene sondern auf Konstrukt- bzw. Faktorebene. Konvergenzvalidität setzt voraus, dass die manifesten Variablen desselben Konstrukts bzw. Faktors untereinander eine starke Beziehung aufweisen. Götz und Liehr-Gobbers (2004) schlagen vor, die Konvergenzvalidität anhand der internen Konsistenz zu beurteilen (S. 13). Diese gibt an, wie gut ein Konstrukt bzw. Faktor durch die ihm zugeordneten Indikatoren gemessen wird und ist wie folgt definiert:

( )∑∑

+⎟⎠

⎞⎜⎝

⎟⎠

⎞⎜⎝

=

ii

ii

ii

IKελ

λ

var2

2

(14)

λi Ladung zwischen Indikator i und zugehöriger latenter Variable

εi Messfehler der Indikatorvariablen i (var(εi) = 1 - λi2)

Die interne Konsistenz, die auch als Faktorreliabilität (vgl. Ringle 2004, S. 19) oder Konstruktreliabilität (vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 24) bezeichnet wird, kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen, wobei höhere Werte auf eine bessere Messung schließen lassen. Als akzeptabel werden in der Literatur Werte ab 0,6 (vgl. Bagozzi/Yi 1988, S. 82) bzw. 0,7 (vgl. Nunnally 1978, S. 245) bezeichnet.

Als weitere Kenngröße zur Beurteilung der Konvergenzvalidität wird in der Literatur die auf Fornell und Larcker (1981, S. 45f.) zurückgehende durchschnittlich erfasste Varianz DEV (AVE – Average Variance Extracted) genannt (vgl. Ringle 2004, S. 19f.).

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263

Sie ist formal definiert als:

( )∑∑∑+

=

ii

ii

ii

DEVελ

λ

var2

2

(15)

λi Ladung zwischen Indikator i und zugehöriger latenter Variable

εi Messfehler der Indikatorvariablen i (var(εi) = 1 - λi2)

Die DEV gibt an, wie hoch der durch einen Faktor erklärte Varianzanteil der manifesten Variablen ist. Sie entspricht bei der Verwendung standardisierter manifester Variablen der durchschnittlichen Kommunalität der Indikatoren eines Blocks (Konstrukt, Faktor) und kann somit ebenfalls Werte zwischen 0 und 1annehmen (vgl. Ringle 2004, S. 20). Als untere Grenze zur Annahme der Messung wird im Schrifttum ein Wert von 0,5 genannt (vgl. Homburg/Baumgartner 1998, S. 361).

Konvergenzvalidität setzt voraus, dass die Korrelationen zwischen den manifesten Variablen ausschließlich durch das zugrunde liegende Konstrukt verursacht werden (vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 24). Die latente Variable muss somit unidimensional sein. Unidimensionalität bezeichnet „the degree to which items load only on their respective constructs without having‚ parallel correlational pattern(s)“ (Gefen/Straub/Boudreau 2000, S. 25). Zur Überprüfung der Unidimensionalität des Konstrukts empfehlen Tenenhaus et al. (2004) u. a. die Eigenwerte der Korrelationsmatrix der manifesten Variablen zu bestimmen. Ein Block (latente Variable) kann dann als unidimensional bezeichnet werden, wenn der erste Eigenwert größer als 1 und der zweite kleiner als eins ist oder zumindest deutlich vom ersten abweicht. In der Literatur wird dieses Kriterium auch als Kaiser-Kriterium bezeichnet (vgl. Backhaus et al. 2003, S. 295). Die Autoren schlagen weiterhin vor, dass man von Unidimensionalität ausgehen kann, wenn das Cronbachs Alpha des Konstrukts über 0,7 liegt (vgl. Tenenhaus et al. 2004, S. 5f.). Im Gegensatz hierzu weisen Gefen und seine Kollegen (2000) darauf hin, dass die Unidimensionalität nicht anhand dieser Größe beurteilt werden kann (S. 25). In dieser Untersuchung wird es dennoch als zusätzliche Größe angegeben. Für eine unidimensionale Messung eines Konstrukts sind außerdem geringe Kreuzladungen zwischen den Indikatoren des betrachteten Konstrukts und anderen Konstrukten zu fordern (vgl. Herrmann/

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264

Huber/Kressmann 2004, S. 24f.). Im Fall von standardisierten manifesten Variablen sollten also manifesten Variablen stärker mit der zugehörigen latenten Variable als mit anderen korrelieren. Eng hiermit verbunden ist die Diskriminanzvalidität.

Diese gibt an, inwieweit „(...) measures of distinct concepts differ“ (Bagozzi/Phillips 1982, S. 469) und liegt dann vor, wenn die Messmodelle inhaltlich verschiedener Konzepte auch unterschiedliche Messergebnisse erzeugen. Die Diskriminanzvalidität lässt sich mit Hilfe des Fornell-Larcker-Kriteriums beurteilen (vgl. Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 15). Dieses besagt, dass dann von Diskriminanzvalidität ausgegangen werden kann, wenn die durchschnittlich erfasste Varianz einer latenten Variablen größer ist als sämtliche quadrierten Korrelationen dieser Variablen mit allen anderen Konstrukten im Modell (vgl. Fornell/Larcker 1981, S. 46). Ist das Fornell-Larcker-Kriterium erfüllt, so ist die gemeinsame Varianz einer latenten Variablen mit ihren manifesten Variablen größer als die gemeinsame Varianz mit anderen Konstrukten des Modells.

Zur Überprüfung der nomologischen Validität muss das zu untersuchende Konstrukt in einen übergeordneten theoretischen Rahmen eingebettet werden. Nomologische Validität liegt dann vor, wenn die auf diesem Rahmen basierenden Zusammenhänge des zu untersuchenden Konstrukts mit anderen (validen) Konstrukten empirisch nachgewiesen werden können (vgl. Homburg/Giering 1996, S. 7f). Die Überprüfung der nomologischen Validität erfolgt auf Konstruktebene bei der Untersuchung der Konsequenzen der KPV und NPV (vgl. Kapitel 4, S. 307ff.).

Herrmann, Huber und Kressmann (2004) schlagen vor, die Prognosevalidität reflektiver Messmodelle zusätzlich anhand des Stone-Geissers Q2 zu beurteilen (S. 26). Dieses basiert auf der Blindfolding-Prozedur, die systematisch einzelne Fälle bei der Parameterschätzung als fehlend (missing) annimmt und deren Rohdaten auf Basis der geschätzten Parameter rekonstruiert. In dieser Untersuchung wird der in der Literatur genannten Empfehlung, 25-30 Fälle als fehlend anzunehmen (d. h. G = 30), gefolgt (vgl. Chatelin/Vinzi/Tenenhaus 2002, S. 10f). Das Stone-Geissers Q2 kann sowohl auf Konstruktebene bezüglich der Kommunalitäten, als auch auf Strukturebene bzgl. der Redundanzen berechnet werden. Da Redundanzen nur für endogene Konstrukte angegeben werden können, kommt zur Gütebeurteilung der exogenen Faktoren nur das Q2 auf Basis der Kommunalitäten in Frage. Das Stone-Geissers Q2 vergleicht die Höhe der Residuen der Indikatorvariablen aus der Modellschätzung mit der Höhe der Residuen einer trivialen Vorhersage. Letztere basiert auf den Mittelwerten der verbleibenden Daten aus der Blindfolding-Prozedur (vgl.

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265

Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 25). Das Kriterium misst, wie gut das geschätzte Modell die empirisch gewonnen Daten rekonstruieren kann und wird daher als Maß für die Vorhersagerelevanz des Modells bezeichnet (vgl. Fornell/Cha 1994, S. 72f.). Das Stone-Geissers Q2 eines Konstrukts ist folgendermaßen definiert:

∑∑

−=

kk

kk

O

EQ 12

(16)

Ek Quadratsumme der Prognosefehler für Indikator k

Ok Quadratsumme aus der Differenz von geschätztem Wert und dem Mittelwert der verbleibenden Daten aus der Blindfolding-Prozedur für Indikator k

Das Messmodell besitzt eine hinreichende Prognosefähigkeit, wenn das Stone-Geissers Q2 größer als 0 ist. In diesem Fall ist die Summe der Quadratsumme der Prognosefehler aller Indikatoren k eines Konstrukts kleiner als die Summe der Residuen der auf Basis von Mittelwerten ermittelten trivialen Lösung (vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 25; Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 25f.).

In Tabelle 26 sind alle Prüfkriterien, die in der Hauptuntersuchung auf Ebene 1 (reflektives Messmodell) zur Anwendung kommen, nochmals zusammengefasst.

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266

Validitätsart Ebene Gütemaß/Prüfkriterium Kriterium

Ladung

> 0,70 (entspricht bei standardisierten Werten annähernd einer Kommunalität > 0,50)

Inhaltsvalidität und Indikator-reliabilität

Indikatoren (manifeste Variablen)

t-Wert der Ladungen >1,98 (zweiseitig)

Interne Konsistenz (IK) (Faktorreliabilität) > 0,6

Durschnittliche erfasste Varianz (DEV)

> 0,5 (entspricht bei standardisierten Werten der durchschnittlichen Kommunalität der Indikatoren eines Konstrukts)

1. Eigenwert (EW) 2. Eigenwert (EW)

1. EW > 1 2. EW < 1

Konstruktebene (latente Variablen)

Cronbachs Alpha > 0,70

Konvergenz-validität

Zwischen manifesten und latenten Variablen

Korrelationen zwischen latenten und manifesten Variablen

Größer zwischen manifesten Variablen und zugehörigem Konstrukt als zwischen manifesten Variablen und anderen Konstrukten

Diskriminanz-validität Zwischen latenten

Variablen Fornell-Larcker-Kriterium DEVi > als jede quadrierte Korrelationen von Konstrukt i mit allen anderen Konstrukten

Prognosevalidität Konstruktebene Stone-Geissers Q2 (Kommunalität) > 0

Tabelle 26: Gütemaße und Kriterien der Hauptuntersuchung für die Ebene 1 des Messmodells (reflektives Messmodell)

Ebene 2: Gütekriterien zu Beurteilung der formativ operationalisierten Dimension

Die auf dem Vorschlag von Wold (1982b) basierende Modellierung der zweiten Ebene führt dazu, dass eine Mischform aus Mess- und Strukturmodell entsteht. Hierbei dienen die Faktoren einerseits als formative Indikatoren der formativ operationalisierten Dimension, wobei deren Wert nicht manifest, sondern durch PLS auf Basis der manifesten Variablen des entsprechenden Faktors berechnet wird. Andererseits handelt es sich um ein Strukturmodell, bei dem der Einfluss der einzelnen Faktoren auf den Dimensionswert untersucht wird. Zur Beurteilung der Validität und Reliabilität dieses Ansatzes werden deshalb Gütemaße verwendet, die für die Gütebeurteilung sowohl formativ operationalisierter Konstrukte, als auch zur Beurteilung eines Strukturmodells geeignet sind. Es werden zunächst die Maße

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abgeleitet, die in der Literatur zur Valditätsbeurteilung formativer Messmodelle empfohlen werden.

Wie bereits in Kapitel 3.1.2.2 (S. 197ff.) erläutert wurde, gibt es in der Literatur bisher kaum etablierte Verfahren und Gütekriterien zur Entwicklung valider formativer Messmodelle. Der bereits dargestellte Ansatz von Diamantopoulos und Winklhofer (2001) (siehe auch S. 200ff.) zählt derzeit zu den bekanntesten Verfahrensweisen der Gütebeurteilung formativer Messmodelle und dient als Grundlage der Vorgehensweise bei der Analyse. Er beinhaltet die vier Kriterien

1. Inhaltsspezifikation

2. Indikatorspezifikation

3. Indikatorkollinearität und

4. externe Validität.

Die Validitätsbeurteilung erfolgt dabei in den in Abbildung 58 dargestellten vier Schritten durch die jeweils angegebenen Methoden.

Genaue Spezifikation des Konstruktinhaltes

Sammlung von Indikatoren, die alle Konstruktfacetten

abdecken

Elimination von Items mit hoher

Multikollinearität

Sicherstellen der externen Validität

über nomologisches Netzwerk

Theoretische Bezugspunkte, Experten- und Konsumenteninterviews PLS-basierte Gütemaße

Genaue Spezifikation des Konstruktinhaltes

Sammlung von Indikatoren, die alle Konstruktfacetten

abdecken

Elimination von Items mit hoher

Multikollinearität

Sicherstellen der externen Validität

über nomologisches Netzwerk

Theoretische Bezugspunkte, Experten- und Konsumenteninterviews PLS-basierte Gütemaße

Abbildung 58: Umsetzung der vier Schritte der Operationalisierung formativer Konstrukte nach Diamantopoulos und Winklhofer (2001, S. 271f.). Quelle: Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 18

Inhalts- und Indikatorspezifikation

Die ersten beiden Schritte dienen der Sicherstellung der Inhaltsvalidität des zu messenden formativen Konstrukts. Sie gewährleisten die umfassende und ganzheitliche Abbildung der latenten Variablen in allen ihren Facetten. Basis hierfür ist die genaue Spezifikation und Definition des Konstruktinhalts in Schritt 1. Der nächste Schritt dient dazu, die Indikatoren zu spezifizieren, d. h. möglichst alle Indikatoren, die das Konstrukt potenziell beeinflussen, zu identifizieren. Im Kontext dieser Untersuchung bedeutet dies, dass alle relevanten Facetten, die den Nutzen bzw.

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die Kosten hoher Produktvielfalt aus Konsumentensicht bestimmen, identifiziert werden müssen.

Die Inhalts- und Indikatorspezifikation wurde in dieser Untersuchung durch die Vorgehensweise und Kombination mehrerer Forschungsmethoden bei der Konzeptualisierung und Operationalisierung der KVP und NVP sichergestellt (siehe Kapitel 3.2.2.1, S. 214ff.). Zentral ist, dass die Konstruktkonzeptualisierung und -operationalisierung einerseits auf den in Kapitel 2 beschriebenen Theorien und theoretischen Konzepte und andererseits auf Konsumenten- und Experteninterviews basieren. Dadurch wird gewährleistet, dass die Facetten des jeweiligen Konstrukts möglichst umfassend und aus verschiedenen Blickwinkeln durch die Faktoren abgebildet werden.

Elimination von Indikatoren hoher Multikollinearität

Obwohl im Messmodell des Werts von Produktvielfalt nicht die Indikatoren, sondern die Faktoren formativ operationalisiert sind, lassen sich die Vorgehensweise und die Empfehlungen zur Elimination von Indikatoren hoher Multikollinearität hier anwenden, indem die Faktoren bzw. deren durch PLS berechnete Werte als Indikatoren bzw. Indikatorwerte interpretiert werden. Analog können die Beziehungen zwischen Faktoren und Dimension als Beziehungen zwischen Indikatoren und Konstrukt interpretiert werden. Im Folgenden soll die von Diamantopoulos und Winklhofer (2001) verwendete Terminologie (Indikator, Konstrukt) beibehalten werden. Wie oben erläutert, sind in der hier verwendeten Modellstruktur mit Indikatoren nicht die manifesten Variablen, sondern die (berechneten) Faktorwerte gemeint.

Während bei reflektiven Messmodellen empfohlen wird, Indikatoren mit geringen Ladungen zu eliminieren, darf dieses Kriterium nicht auf formative Messmodelle übertragen werden: „Omitting an indicator is omitting a part of the construct“ (Bollen/Lennox 1991, S. 308). Von der Höhe der Regressionsparameter zwischen Indikator und Konstrukt kann folglich nicht direkt auf die Güte des Messmodells geschlossen werden. Auch Indikatoren mit einem geringen Regressionskoeffizienten können einen Beitrag zum Konstrukt leisten. Die Signifikanz des Einflusses eines Indikators lässt sich mit Hilfe des t-Werts des zugehörigen (multiplen) Regressionskoeffizienten bestimmen. Diesen kann man in PLS mit Hilfe der Bootstrapping- oder Jackknifing-Prozedur bestimmen, wobei das Bootstrapping-

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Verfahren – wie bereits erwähnt – aufgrund seines geringeren Standardfehlers dem Jackknifing vorzuziehen ist und hier zur Anwendung kommt (vgl. Efron/Tibshirani 1993, S. 145f.; Tenenhaus et al. 2004, S. 25). Zweiseitige Signifikanz ist ab einem Wert größer als 1,98 gegeben. Indikatoren mit einem geringeren t-Wert sollten eliminiert werden. Da der t-Wert die Signifikanz des Einflusses eines Indikators auf das Konstrukt ausdrückt, ermöglicht er eine Aussage über die Vorhersagevalidität eines Indikators in Bezug auf das Konstrukt (vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 25).

Die Elimination eines Indikators aus einem formativen Messmodell wird ebenfalls empfohlen, wenn starke Multikollinearität vorliegt (vgl. Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 17). Dies ist zum einen dadurch zu begründen, dass bei hoher Multikollinearität die Schätzung der Regressionskoeffizienten nicht stabil ist. Zum anderen lässt sich dann ein Indikatorwert nahezu perfekt als Linearkombination anderer Indikatoren darstellen und trägt folglich redundante Informationen. Liegt starke Multikollinearität vor, lässt sich deshalb der Einfluss einzelner Indikatoren auf das Konstrukt nur schwer separieren (für eine detaillierte Darstellung siehe S. 200f.). Die Höhe der Multikollinearität lässt sich mit Hilfe des Variance Inflation Factors (VIF) beurteilen. „Dieser basiert auf dem Varianzanteil eines Indikators, den die übrigen Konstruktindikatoren erklären können“ (Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 25). Er ist definiert als:

211

iRVIF

−=

(17)

Ri2 Bestimmtheitsmaß der linearen Regression mit dem Indikator i als abhängiger

Variable(Regressand) und allen anderen Indikatoren des formativen Konstrukts als unabhängige Variablen (Regressoren).

Der Minimalwert des VIF beträgt 1; ein Wert größer als 10 deutet auf Multi-kollinearität hin (vgl. Guijarati 2003, S. 362; Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 25). Ein alternatives Maß zur Prüfung auf Multikollinearität ist der Konditionsindex nach Belsley, Kuh und Welsch (1980), der in dieser Untersuchung aber nicht zur Anwendung kommt51.

51 Details zur Berechnung finden sich bei Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 20f.

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Überprüfung der externen Validität

In einem vorherigen Abschnitt wurde bereits die Verwendung einer Phantomvariable als Möglichkeit zur Überprüfung der externen Validität beschrieben (vgl. S. 201f.). Dieses Verfahren wird hier verwendet. Dazu werden sowohl die Nutzen- als auch die Kostendimension durch je eine Phantomvariable mit zwei Indikatoren reflektiv abgebildet und mit dem jeweiligen (Gesamt)Konstrukt in Verbindung gesetzt. Besteht zwischen einem Konstrukt und der zugehörigen Phantomvariable ein starker und signifikanter Zusammenhang und kann ein erheblicher Teil der Varianz der Phantomvariablen durch das jeweilige Konstrukt erklärt werden, so kann auf externe Validität der Messung geschlossen werden (vgl. Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 22).

Vorhersagerelevanz von Struktur- und Messmodell

Wie bereits erwähnt, stellt das von Wold vorgeschlagene Verfahren zur Abbildung eines Konstrukts zweiter Ordnung mit dem PLS-Verfahren eine Mischform aus Mess- und Strukturmodell dar. Die bisher dargestellten Gütemaße basieren auf der Beurteilung des Messmodells, werden aber in modifizierter Art auch zur Gütebeurteilung des Strukturmodells empfohlen (vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 29). Ist das „Zielkonstrukt“ eines Strukturmodells wie im Ansatz von Wold reflektiv operationalisiert, kann zusätzlich das bereits beschriebene Stone-Geissers Q2 zur Beurteilung der gemeinsamen Vorhersagevalidität von Struktur- und Messmodell verwendet werden (vgl. Fornell/Cha 1994, S. 72f.; Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 26). Im Gegensatz zur Gütemessung reflektiver Messmodelle wird das Q2 dann aber nicht bzgl. der Kommunalitäten, sondern bzgl. der Redundanzen berechnet. Die Art der Berechnung unterscheidet sich deshalb leicht von der auf Ebene 1 angewandten. Es gilt aber auch hier, dass Werte größer als 0 Ausdruck annehmbarer Vorhersage-validität des gemeinsamen Struktur- und Messmodells sind.

Zur Beurteilung der Güte der Messmodelle auf Ebene 2 kommen zusammenfassend die in Tabelle 27 dargestellten Kriterien zur Anwendung.

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Inhalt Ebene Gütemaß/Prüfkriterium Kriterium

Multikollinearität Faktoren Variance Inflation Factor < 10

Faktoren t-Wert der (multiplen) Regressionskoeffizienten > 1,98

Vorhersagevalidität

Konstruktebene Stone-Geissers Q2 (Redundanz) > 0

Konstruktebene R2Phantomvariable > 0,5

Externe Validität Beziehung mit Phantomvariable

t-Wert des Regressionskoeffizienten > 1,98

Tabelle 27: Gütemaße und Kriterien der Hauptuntersuchung für die Ebene 2 des Messmodells (formatives Messmodell)

Die verwendeten und auf dem PLS-Verfahren beruhenden Gütemaße zur Beurteilung der Ebene 1 und Ebene 2 des Messmodells der KPV und NPV sind nachfolgend zusammenfassend dargestellt.

Zusammenfassende Darstellung der verwendeten und auf dem PLS-Verfahren beruhenden Gütemaße auf Ebene 1 und 2 des Messmodells

Die zur Beurteilung der Messmodelle des Werts von Produktvielfalt und seiner Dimensionen verwendeten Gütemaße sind zusammenfassend in Abbildung 59 dargestellt.

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Gütekriterien der Messmodelle der Hauptuntersuchung

Wert von Produktvielfalt

NPV KPV

Antizipierter Produktnutzen

Erfolgs-aussichten Spaß

Aufwand und Anstrengung

Negative Emotionen

Antizipiertes Regret

Positive Emotionen

Informations-möglichkeiten

...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

Eben

e 2

(form

ativ

)

AP EA Sp AA VF ARPEIM

Eben

e 1

(ref

klek

tiv)

Nutzen Kosten

Kon

stru

kt-

eben

e

NGl

NGl1 NGl2

Nutzen global

NGl

NGl1 NGl2

NGl

NGl1 NGl2

Nutzen globalPh

atom

-va

riabl

e

KGl

KGl1 KGl2

Kosten global

KGl

KGl1 KGl2

KGl

KGl1 KGl2

Kosten global

Betrachtete Ebene Analyseebene Gütemaß Kriterium

Ladung > 0,70 Indikatorenebene

t-Wert der Ladung > 1,98

DEV (Durchschnittlich erfasste Varianz) > 0,50

IK (Interne Konsistenz) > 0,60

Stone Geissers Q2 (Kommunalität) > 0

Eigenwerte (EW) der Faktoren 1. EW > 1 2. EW < 1

Faktorenebene

Cronbachs Alpha > 0,70

Korrelationen zwischen latenten und manifesten Variablen

Größer zwischen manifesten Variablen und zugehörigem Konstrukt als zwischen manifesten Variablen und anderen Konstrukten

Ebene 1

Manifeste und latente Variablen

Fornell-Larcker-Kriterium DEVi > als jede quadrierte Korrelationen von Konstrukt i mit allen anderen Konstrukten

Pfadkoeffizient > 0,1

t-Wert des Pfadkoeffizient > 1,98 Faktorenebene

VIF (Variance Inflation Factor) < 10

Stone Geissers Q2 (Redundanz) > 0

R2 (Phantomvariable) > 0,5

Pfadkoeffizient (zur Phantomvariable) > 0,5

Ebene 2

Dimensionsebene

t-Wert Pfadkoeffizient (zur Phantomvariable) > 1,98

Abbildung 59: Gütekriterien zur Beurteilung der Messmodelle der Kosten und Nutzen von Produktvielfalt in Hauptuntersuchung

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3.4.2 Untersuchungsdesign und Auswahl der Datensätze

3.4.2.1 Untersuchungsdesign

Das Design der empirischen Untersuchung ist so zu wählen, dass dadurch die Fragestellungen der Arbeit beantwortet werden können. Stimuli, Methode und Prozess der Datenerhebung werden deshalb genauso wie der einzubeziehende Personenkreis von der Zielsetzung und dem theoretischen Hintergrund der Untersuchung bestimmt.

Stimuli

Um die Existenz der beiden Phänomene – Kosten und Nutzen von Produktvielfalt – bei hoher Vielfalt empirisch aufzuzeigen, ist ein Versuchsdesign zu wählen, das folgende Bedingungen erfüllt:

1. Möglichst reale Kaufsituation mit einer

2. extensiven Kaufentscheidung bei

3. hoher Produktvielfalt

Die erste Bedingung ist zu erfüllen, da die psychischen Prozesse, die letztlich Ursache für die Kosten- und Nutzenaspekte hoher Produktvielfalt sind, nur in einer realen Kausituation auftreten. Durch Experimente können diese zwar simuliert werden, deren Ausprägungsgrad sollte aber in realen Situationen deutlich höher sein. Die Ausführungen dieser Arbeit beziehen sich insgesamt nur auf extensive Kaufentscheidungen (siehe S. 37ff.). Hintergrund ist, dass die psychischen Prozesse, die vor allem zu den negativen Aspekten hoher Produktvielfalt führen, nur auftreten, wenn mit dem Kauf ein gewisses Risiko für den Entscheider verbunden ist und eine Fehlentscheidung entsprechende negative Konsequenzen hat. So wäre beispielsweise der Kauf einer Frühstücksmarmelade ein eher ungeeigneter Stimulus der Untersuchung, da das Fehlkaufrisiko in diesem Fall äußerst begrenzt ist. Wählt man dagegen als Untersuchungsstimulus den Kauf eines etwas teureren Produkts, das eher selten gekauft wird, so kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass sich der Konsument aufgrund des mit dem Kauf verbundenen finanziellen Risikos intensiv mit der Kaufentscheidung beschäftigt. In diesem Fall treten die zu untersuchenden psychischen Reaktionen auf. Elektro- oder Elektronikartikel sind typische Vertreter dieser Art der Kaufentscheidung.

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Um Kosten und Nutzen von Produktvielfalt bei hoher Vielfalt empirisch untersuchen zu können, muss eine Kaufsituation gewählt werden, in der ein Konsument aus einer großen Anzahl an Produkten wählen kann. Die Untersuchung sollte folglich in einem Geschäft stattfinden, das über große Sortimente in der jeweiligen Produktkategorie verfügt.

Als Stimuli der Befragung wurde aus den oben genannten Gründen die Sortimente für Digitalkameras und DVD-Player bzw. DVD-Recorder in einer Filiale eines großen Elekto- und Elektronikhandelsunternehmens gewählt. Die gewählten Produkt-kategorien erfüllen zum einen die Anforderungen hinsichtlich der Intensität der Kaufentscheidung, zum anderen ermöglichen sie auch eine entsprechende Stichprobengröße, da sie relativ häufig verkauft werden. Das Kooperations-unternehmen ist für seine große Auswahl bekannt. Dadurch kann sichergestellt werden, dass der Befragungsteilnehmer in der Kaufsituation mit einem großen Sortiment, sprich einer hohen Produktvielfalt, konfrontiert ist. Um Unterschiede in der Höhe und Art des Sortiments zu gewährleisten, wurde die Befragung insgesamt in drei verschiedenen Märkten durchgeführt, deren Sortimente sich hinsichtlich ihrer Größe und Zusammensetzung unterschieden.

Relevanter Personenkreis (Grundgesamtheit)

Die Fragestellung der Untersuchung bedingt, dass nur Personen für die Datengewinnung in Frage kommen, die auch tatsächlich eine Kaufentscheidung treffen wollen. Dabei spielt das Ergebnis dieser Entscheidung – also der Kauf oder der Nicht-Kauf – ebenso eine wichtige Rolle, wie die Intensität, mit der sich der Konsument mit der Entscheidung beschäftigt hat. Ersteres ist relevant, da eines der Untersuchungsziele die Auswirkung von Kosten und Nutzen von Vielfalt auf das Kaufverhalten ist. Es müssen deshalb zu möglichst gleichen Teilen Käufer und Nicht-Käufer in die Befragung einbezogen werden.

Ob sich ein Konsument wirklich intensiv mit der Entscheidung beschäftigt hat, ist vor allem bei Nicht-Käufern kritisch, da bei Käufern meist von einem intensiven Entscheidungsprozess ausgegangen werden kann. Von den Konsumenten, die nicht gekauft haben, interessieren aber nicht diejenigen, die „nur schauen“ wollen; vielmehr sind für die Untersuchung nur solche Personen relevant, die auch tatsächlich einen Kauf beabsichtigen. Dies setzt voraus, dass sie eine mittlere bis hohe Kaufabsicht haben und sich eine gewisse Zeit mit der Produktauswahl beschäftigen, also am Regal

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stehen, sich informieren und/oder Produkte miteinander vergleichen. Es wurde deshalb darauf geachtet, dass nur Konsumenten in die Untersuchung einbezogen wurden, die sich mindestens 5 Minuten mit den zur Wahl stehenden Produkten der betrachteten Kategorien beschäftigt haben. Um sicherzustellen, dass Nicht-Käufer zwar die Absicht hatten, eine Kaufentscheidung zu treffen, diese aber nicht treffen konnten oder wollten, wurde die „Kaufabsicht beim Betreten des Geschäfts“ im Fragebogen erfragt. In der Datenanalyse wurden nur Personen berücksichtigt, die mindestens eine mittlere Kaufabsicht52 bei Betreten des Geschäfts hatten. Um bei der Analyse einen Stichprobenumfang von 500 bis 600 zu erhalten, wurde eine Anzahl von rund 700 beantworteten Fragebögen als Zielgröße der Befragung angestrebt, da davon ausgegangen wurde, dass rund 20% der befragten Nicht-Käufer nur eine geringe Kaufabsicht hatten, und deshalb im Nachhinein von der Analyse ausgeschlossen werden müssen.

Methode und Prozess der Datenerhebung

Als Methode der Datenerhebung wurde die schriftliche Befragung anhand eines Fragebogens gewählt53. Gegenüber der mündlichen Befragung hat dies den Vorteil, dass das eigenständige Ausfüllen des Fragebogens schneller ist und die Befragten weniger zu „sozial erwünschten“ Antworten neigen. Der Fragebogen beinhaltet zudem Fragen z. B. bzgl. der Überforderung und Verwirrung, die in Anwesenheit eines Interviewers eventuell weniger ehrlich beantwortet würden, als in einer anonymen schriftlichen Befragung.

Der Fragebogen bestand insgesamt aus 96 Fragen für Käufer und 84 Fragen für Nicht-Käufer. Der Unterschied kommt dadurch zustande, dass Käufer zusätzlich Fragen zum gekauften Produkt, zur (antizipierten) Zufriedenheit mit diesem, der empfundenen kognitiven Dissonanz und der beabsichtigten Loyalität zur Marke des gekauften Produkts zu beantworten hatten. Personen, die nicht gekauft haben, können diese Fragen nicht gestellt werden, diese hatten aber zusätzlich Fragen zu Gründen des Nicht-Kaufs zu beantworten. Als Skala diente für die meisten Fragen eine siebenstufige Likertskala mit den Extremwerten „stimme überhaupt nicht zu“ und „stimme vollkommen zu“ bzw. „trifft überhaupt nicht zu“ bis „trifft vollkommen zu“.

52 Wert größer oder gleich 4 auf einer Skala von 1 (keine Kaufabsicht bei Betreten des Geschäfts) bis

7 (sehr hohe Kaufabsicht bei Betreten des Geschäfts) 53 Einen umfassenden Überblick zu Methoden der Datenerhebung gibt z. B. Walsh 2002, S. 172ff.

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Abweichungen hiervon gab es bei soziodemographischen Fragen nach Beruf, Bildung und Alter sowie der Beurteilung der Produkt-, Marken und Preisvielfalt. Hier wurden 13-stufige Likertskalen von 1 („deutlich zu gering“) über 7 („optimal“) bis 13 („deutlich zu hoch“) verwendet.

Die empirische Datenerhebung erfolgte an jeweils vier Tagen pro Filiale und wurde durch zwei Interviewer durchgeführt. Insgesamt sind im Zeitraum vom 15. Juli bis 20. August 2004 an 12 Tagen 710 Konsumenten befragt worden.

Der Befragungsprozess lief wie folgt ab: Der Interviewer beobachtete zunächst die potenziellen Teilnehmer, um sicherzustellen, dass sich diese intensiv (mindestens rund 5 Minuten) mit der Kaufentscheidung beschäftigt haben. Hat sich ein Konsument für den Kauf entschieden, erhielt dieser von einem Verkäufer eine Rechnung, mit der er zur Kasse ging und anschließend das gekaufte Produkt ausgehändigt bekam. Der Käufer wurde von dem Interviewer unmittelbar nach Erhalt der Rechnung angesprochen und um Teilnahme an der Befragung gebeten. Hierbei wurde darauf hingewiesen, dass es sich um eine Befragung im Rahmen einer Doktorarbeit handelt. Für das Ausfüllen des Fragebogens erhielt der Befragte als kleines Dankeschön eine CD oder DVD, die er aus einem bestimmten Sortiment auswählen konnte. Auch die Nicht-Käufer wurden erst angesprochen, wenn sie eine Entscheidung getroffen und den Point of Sale verlassen hatten. Dadurch konnte sichergestellt werden, dass der Konsument definitiv entschieden hatte, nichts zu kaufen und er durch die Befragung in seiner Kaufentscheidung nicht beeinträchtigt oder beeinflusst wird.

Der Befragungszeitpunkt ist für den Zweck dieser Untersuchung sehr wichtig: Das Ausfüllen des Fragebogens muss unmittelbar nach der Kaufentscheidung erfolgen, da nur so sichergestellt werden kann, dass dem Befragten die Gedanken und Emotionen, die er während der Entscheidungsphase hatte, noch gegenwärtig sind. Erfolgt die Befragung später, wären vor allem seine Emotionen „erkaltet“ und er würde sich evtl. nicht mehr genau an diese und an seine Gedanken erinnern können.

3.4.2.2 Auswahl der Datensätze

Insgesamt haben 710 Konsumenten an der Befragung an 12 Tagen in den drei Geschäften teilgenommen. Um eine hohe Qualität der Analysen zu gewährleisten, sind ungeeignete Datensätze von diesen auszuschließen. Hierzu zählen zum einen Datensätze, die eine Vielzahl an fehlenden Werten (Missing Values) aufweisen.

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277

Von der Untersuchung wurden Datensätze von Personen ausgeschlossen, die mehr als 5 Fragen des Fragebogens (≈5%) nicht ausgefüllt hatten. Da bereits bei der Befragung darauf geachtet wurde, dass die Konsumenten den Fragebogen vollständig ausfüllen, mussten nur 19 Datensätze aufgrund von fehlenden Werten von den weiteren Analysen ausgeschlossen werden.

Weiterhin können Outlier die Analyseergebnisse verfälschen. Diese sind z. B. auf schnell und ungenau ausgefüllte Fragebögen zurückzuführen. Enthält ein Datensatz hinsichtlich mehrerer Konstrukte Ausreißer, empfehlen Herrmann, Huber und Kressmann (2004), diesen zu entfernen. Nach dem von den drei Autoren vorgeschlagenen Verfahren (vgl. Herrmann et al. 2004, S. 24) sind insgesamt 16 Datensätze entfernt werden.

Neben diesen eher statistischen Aspekten wurde, wie bereits erwähnt, ein inhaltliches Ausschlusskriterium bzgl. der Kaufabsicht eines Konsumenten definiert. Diese ist, wie oben erläutert, elementare Voraussetzung für die zu untersuchenden psychischen Reaktionen des Konsumenten auf die ihm angebotene Vielfalt. Nur wenn sich ein Konsument intensiv mit der Kaufentscheidung beschäftigt, treten die mit der Vielfalt verbundenen negativen Aspekte hoher Produktvielfalt auf. So empfindet beispielsweise eine Person, die nicht die Absicht hat, eine Digitalkamera zu kaufen, keine hohen psychischen Kosten bei der Entscheidung, da sie sich mit dieser auch nicht intensiv beschäftigt. Aufgrund ihrer geringen Kaufabsicht wird der Konsument am Ende der Entscheidung auch höchstwahrscheinlich kein Produkt kaufen. Wird diese Person in die Untersuchung einbezogen und die Auswirkungen von mit Vielfalt verbundenen Kosten auf das Kaufverhalten untersucht, könnte dies zu Verzerrungen der Ergebnisse führen. Um die gewünschte Tiefe der Auseinandersetzung der Befragten mit der Kaufentscheidung sicherzustellen, sind zum einen nur Kunden befragt worden, die sich mindestens 5 Minuten mit dem Sortiment beschäftigt hatten. Zum anderen wurde die Kaufabsicht im Fragebogen explizit erfragt. Nur Konsumenten, die eine mittlere bis hohe Kaufabsicht, d. h. auf einer Skala von 1 bis 7 einen Wert von 4 oder höher hatten, wurden in den Analysen berücksichtigt. Dies führte zum Ausschluss von 79 Datensätzen. Insgesamt basieren die nachfolgend beschriebenen Analysen damit auf einer Stichprobengröße von 596 (N = 596). Wird die Größe der Stichprobe in den nachfolgend beschriebenen Analysen nicht explizit erwähnt, beziehen sich die Analyseergebnisse stets auf diese Größe.

Im nächsten Kapitel werden die Ergebnisse der Untersuchung beschrieben.

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278

3.4.3 Ergebnisse der Analysen

3.4.3.1 Deskriptive und soziodemographische Analysen

Verteilung auf die Geschäfte und Kaufverhalten

Die Stichprobe verteilt sich in etwa gleichmäßig auf die drei Geschäfte. So besuchten 202 der Befragten das Geschäft 1, 182 das Geschäft 2 und 212 Personen füllten den Fragebogen im 3. Geschäft aus.

105 95 102

9787

110

0

50

100

150

200

250

Geschäft 1 Geschäft 2 Geschäft 3

Nicht-Kauf Kauf

Anzahl

52% 52% 48%

48% 48% 52%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Geschäft 1 Geschäft 2 Geschäft 3

Nicht-Kauf Kauf

Anteil

Käufer und Nicht-Käufer pro GeschäftAbsolute Verteilung

Käufer und Nicht-Käufer pro GeschäftRelative Verteilung

ø 51 %ø 51 %

202182

212

Abbildung 60: Verteilung der Käufer und Nicht-Käufer pro Geschäft

Der Anteil der Personen, die im Anschluss an ihre „Kaufentscheidung“ auch eine Digitalkamera bzw. einen DVD-Player oder DVD-Recorder gekauft haben, lag über die drei Geschäfte verteilt insgesamt bei 49%. Hierbei gab es keinen nennenswerten Unterschied zwischen den Befragungsorten. Für die Untersuchung der Auswirkung von Produktvielfalt auf das Ergebnis der Kaufentscheidung (Kauf oder Nicht-Kauf) ist ein möglichst ähnlich großer Anteil an Käufern und Nicht-Käufern sehr wünschenswert, da dadurch die Signifikanz der Ergebnisse verbessert werden kann. Mit einem Käuferanteil von 49% erfüllt die Stichprobe dieses Kriterium sehr gut.

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279

Produktart

143103

129

59

79

83

0

50

100

150

200

250

Geschäft 1 Geschäft 2 Geschäft 3

Kamera DVD

Anzahl

71%57% 61%

29%43% 39%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Geschäft 1 Geschäft 2 Geschäft 3

Kamera DVD

Anteil

Befragte pro Produktart pro GeschäftAbsolute Verteilung

Befragte pro Produktart pro GeschäftRelative Verteilung

ø 63 %ø 63 %

202182

212

Abbildung 61: Verteilung der Befragten auf die Produktgruppen (Digital)Kamera und DVD (Player/Recorder)

Wie Abbildung 61 verdeutlicht, beziehen sich 63% der Datensätze auf die Produktkategorie Digitalkameras. Dieses Verhältnis von ca. 2:1 entspricht in etwa auch der stückzahlenmäßigen Verteilung an verkauften Digitalkameras zu DVD-Playern/Recordern. Der höhere Digitalkameraanteil in Geschäft 1 ist dadurch bedingt, dass am ersten Tag der Befragung, Digitalkameras durch einen 4-seitigen „Flyer“ beworben wurden. Dies fand während der Befragungszeiträume in den anderen beiden Geschäften nicht statt.

Bei den weiteren Analysen erfolgt keine Unterscheidung der beiden Produktgruppen, da diese hinsichtlich der Art der Kaufentscheidung und dem mit ihr verbundenen Risiko vergleichbar sind. Es wird davon ausgegangen, dass die Kaufentscheidung bei beiden Produktkategorien gleichermaßen die zu untersuchenden psychischen Reaktionen hervorruft.

Geschlecht

Insgesamt sind rund 70% der Befragten Männer. Dieser mehr als doppelt so hohe Anteil gegenüber Frauen ist vor allem auf die beiden eher technischen Produktkategorien zurückzuführen, zu denen Männer tendenziell eine höhere Affinität

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280

haben als Frauen. Abbildung 62 veranschaulicht die Verteilung über die drei Geschäfte.

52 4577

150137

135

0

50

100

150

200

250

Geschäft 1 Geschäft 2 Geschäft 3

Frau Mann

Anzahl

26% 25%36%

74% 75%64%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Geschäft 1 Geschäft 2 Geschäft 3

Frau Mann

Anteil

Frauen und Männer pro GeschäftAbsolute Verteilung

Frauen und Männer pro GeschäftRelative Verteilung

ø 29 %ø 29 %

202182

212

Abbildung 62: Verteilung der Stichprobe nach Geschlecht

In Tabelle 28 sind die Verteilungen der Befragten hinsichtlich Kaufverhalten, Produktgruppe und Geschlecht nochmals zusammenfassend dargestellt.

Kaufverhalten Produktgruppe Geschlecht

Geschäft Nicht-Kauf

Kauf Kamera DVD Frau Mann

Teil-nehmer

Geschäft 1 Anzahl 105 97 143 59 52 150 202 Anteil (in Geschäft) 52% 48% 71% 29% 26% 74% 34%

Geschäft 2 Anzahl 95 87 103 79 45 137 182 Anteil (in Geschäft) 52% 48% 57% 43% 25% 75% 31%

Geschäft 3 Anzahl 102 110 129 83 77 135 212 Anteil (in Geschäft) 48% 52% 61% 39% 36% 64% 36%

Gesamt Anzahl 302 294 375 221 174 422 596 Anteil (Gesamt) 51% 49% 63% 37% 29% 71% 100%

Tabelle 28: Verteilung von Kaufverhalten, Produktgruppe und Geschlecht in der Hauptuntersuchung

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281

Bildung und Beruf

Hinsichtlich des höchsten Bildungsabschlusses der Befragten fällt der mit 42% überdurchschnittlich hohe Anteil an Personen mit einem abgeschlossenen Studium (42%) auf (siehe Tabelle 29). Dieser ist, wie auch der über 50%ige Anteil an Angestellten (siehe Tabelle 30) auf die Ansiedlung der Geschäfte in München zurückzuführen, wo der Akademikeranteil der Bevölkerung insgesamt vermutlich überdurchschnittlich hoch ist. Damit verbunden ist auch der hohe Anteil an Angestellten, im Vergleich z. B. zu Arbeitern. Die Geschäfte weisen generell dieselbe Tendenz hinsichtlich der Schwerpunkte bei Bildung und Beruf aus. Dennoch sind die Unterschiede teilweise erheblich. So sind beispielsweise in Geschäft 2 doppelt so viele der Befragten selbständig (18%) verglichen mit Geschäft 3 (9%). Die Ursache hierfür ist vermutlich darin zu sehen, dass die Geschäfte in verschiedenen Stadtteilen liegen, deren Gesellschaftsstrukturen sich entsprechend unterscheiden. Da in allen Geschäften aber die Tendenz zu einem hohen Akademikeranteil festzustellen ist, werden die Geschäfte nicht getrennt untersucht.

Geschäft Abitur Realschule Studium Volks-/ Hauptschule

Sonstiges

Geschäft 1 Anzahl 38 41 87 27 9 Anteil (in Geschäft) 19% 20% 43% 13% 4%

Geschäft 2 Anzahl 33 38 85 24 2 Anteil (in Geschäft) 18% 21% 47% 13% 1%

Geschäft 3 Anzahl 42 55 76 25 14 Anteil (in Geschäft) 20% 26% 36% 12% 7%

Gesamt Anzahl 113 134 248 76 25 Anteil (Gesamt) 19% 22% 42% 13% 4%

Tabelle 29: Verteilung der (höchsten) Bildungsabschlüsse in der Stichprobe

Geschäft Angestell-te(r)

Arbeiter/-in

Beamter/-in

Hausmann/-frau

Rentner/-in

Selbstän-dige(r)

Student/-in

Sonstiges

Geschäft 1 Anzahl 95 13 19 5 9 29 18 14 Anteil (in Geschäft) 47% 6% 9% 2% 4% 14% 9% 7%

Geschäft 2 Anzahl 102 9 12 4 6 33 12 4 Anteil (in Geschäft) 56% 5% 7% 2% 3% 18% 7% 2%

Geschäft 3 Anzahl 108 17 10 4 13 20 22 18 Anteil (in Geschäft) 51% 8% 5% 2% 6% 9% 10% 8%

Gesamt Anzahl 305 39 41 13 28 82 52 36 Anteil (Gesamt) 51% 7% 7% 2% 5% 14% 9% 6%

Tabelle 30: Verteilung der Berufsgruppen in der Stichprobe

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282

Alter

Hinsichtlich des Alters der Befragten ist die Stichprobe über die drei Geschäfte relativ homogen. Dies veranschaulicht Abbildung 63, die die Boxplots der Altersverteilung in den drei Geschäften darstellt. Daraus geht hervor, dass rund 90% der befragten Konsumenten zwischen 28 und 45 Jahre alt sind. Der Altersdurchschnitt liegt je nach Geschäft zwischen 36,30 und 37,75 Jahren, ähnliches gilt für den Median, der zwischen 34,50 und 37,00 liegt. Das Alter der jüngsten Befragungsteilnehmer liegt abhängig vom Befragungsort bei 15 bzw. 16, der älteste Teilnehmer war je nach Geschäft 70, 74 bzw. 75 Jahre alt. Die detaillierten Kenngrößen zur Alterstruktur in den drei Märkten stellt Tabelle 31 dar.

0

10

20

30

40

50

60

70

80

Geschäft 1 Geschäft 2 Geschäft 3 Gesamt

AlterBoxplots (Alter der Befragten)

Abbildung 63: Boxplots zur Veranschaulichung der Altersverteilung der drei Geschäfte

Geschäft Durchschnitt ( ø )

95% Konfidenz-intervall für ø

Standard-abweichung

Median Minimal-wert

Maximal-wert

Geschäft 1 37,75 [36,00; 39,50] 12,63 36,50 16 70

Geschäft 2 37,67 [35,87; 39,47] 12,31 37,00 15 75

Geschäft 3 36,30 [34,51; 38,09] 13,23 34,50 15 74

Gesamt 37,21 [36,19; 38,24] 12,75 36,00 15 75

Tabelle 31: Kenngrößen zur Beschreibung der Altersstruktur der Befragten

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283

Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Stichprobe keine großen Unterschiede zwischen den drei Märkten hinsichtlich der soziodemographischen Merkmale der Befragten erkennen lässt, was die gemeinsame Auswertung der Daten in den nachfolgend beschriebenen Analysen der Mess- und Strukturmodelle erlaubt.

Weitere Vorgehensweise zur Beschreibung des Messmodells

Die Analysen hinsichtlich Validität und Reliabilität des Messmodells der Kosten- und Nutzendimension erfolgen anhand der in Kapitel 3.4.1.3 (S. 259ff.) beschriebenen Gütemaße (siehe Tabelle 26, S. 266). Die Darstellung erfolgt dimensionsweise, beginnend mit der Nutzendiemenson. Dabei wird zunächst auf die Analyseergebnisse des reflektiven Messmodells auf Ebene 1 und anschließend auf die berechneten Gütemaße auf der formativen Konstruktebene (Ebene 2) eingegangen.

3.4.3.2 PLS-Messmodell der Nutzendimension

Ebene 1: Reflektives Messmodell auf Faktorenebene

Die Nutzendimension besteht aus den fünf Faktoren

Erfolgsaussichten

Antizipierter Produktnutzen

Informationsmöglichkeiten

Spaß

Positive Emotionen

Tabelle 32 stellt die verwendeten Gütemaße zur Beurteilung der Inhalts-, Indikator-, Konvergenz- und Prognosevalidität der Messung der o.g. fünf Faktoren dar.

Betrachtet man zunächst die Indikatorenebene, so geht aus der Tabelle hervor, dass alle Ladungen der Indikatoren einen Wert über 0,718 aufweisen, und damit über dem genannten Grenzwert von 0,7 liegen. Dies bedeutet, dass mehr als 50% der Varianz jedes Indikators durch den entsprechenden der fünf Faktoren verursacht wird und damit der Messfehler unter 50% liegt. Sämtliche Ladungen sind hochsignifikant und

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284

weisen t-Werte zwischen 28,074 und 89,578 auf. Insgesamt erfüllen damit alle Indikatoren die Gütekriterien hinsichtlich der Inhalts- und Indikatorreliabilität.

Im zweiten Schritt erfolgt die Gütebeurteilung auf der Ebene der Faktoren. Diese wurden reflektiv operationalisiert und müssen deshalb einen hohen Grad an Konvergenz aufweisen. Voraussetzung hierfür ist die Unidimensionalität jedes Faktors, die anhand des Kaiser-Kriteriums und des Cronbachs Alphas beurteilt wird. Da hier die ersten Eigenwerte der Korrelationsmatrix der manifesten Variablen aller Faktoren zwischen 2,023 und 3,031 und der maximale zweite Eigenwert 0,728 beträgt, ist dieses Kriterium für sämtliche Faktoren der Nutzendimension erfüllt. Ebenso erfüllen alle das Gütekriterium hinsichtlich des Cronbachs Alphas, da die fünf Faktoren jeweils einen Wert größer als 0,70 aufweisen.

Weitere Gütemaße zur Beurteilung der Konvergenzvalidität sind die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) und die interne Konsistenz (IK). Alle fünf Faktoren haben eine DEV von über 57% und erfüllen damit dieses Kriterium. Die Werte der internen Konsistenz schwanken für die Faktoren der Nutzendimension zwischen 0,861 und 0,908 und liegen damit ebenfalls deutlich über dem genannten Grenzwert von 0,6.

Zur Beurteilung der Prognosevalidität eines reflektiv operationalisierten exogenen Faktors des Messmodells dient das Stone-Geissers Q2 in Bezug auf die Kommunalität54. Der Grenzwert von 0 wird dabei von alle Faktoren überschritten, was auf deren Prognosevalidität schließen lässt.

54 Im Gegensatz hierzu lässt sich die gemeinsame Prognosevalidität von Mess- und Strukturmodell

eines reflektiv operationalisierten endogenen Konstrukts anhand des Stone-Geissers Q2 hinsichtlich der Redundanz beurteilen.

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285

Indikatorenebene Faktorenebene

Indikator Ladung t-Wert (Ladung)

DEV Interne Konsistenz

Q2 Eigenwerte (EW)

Cronbachs Alpha

Fakt

or

Kriterium > 0,70 > 1,98 > 0,50 > 0,60 > 0 1. EW > 1 2. EW < 1

> 0,70

Erfolg1 0,859 75,605

Erfolg2 0,827 43,841

Erfo

lgs-

auss

ich-

ten

Erfolg3 0,775 35,963

0,674 0,861 0,348 2,023 0,555

0,758

AnUt1 0,804 45,006

AnUt2 0,889 89,578

AnUt3 0,835 54,713

Ant

izip

. Pro

-du

ktnu

tzen

AnUt4 0,846 52,128

0,712 0,908 0,509 2,850 0,496

0,865

Info2 0,781 43,266

Info3 0,779 42,370

Info4 0,799 43,864

Info5 0,749 34,135 Info

rmat

ions

-m

öglic

hkei

ten

Info6 0,782 42,259

0,606 0,885 0,407 3,031 0,726

0,837

Spaß1 0,814 50,704

Spaß2 0,779 39,579

Spaß3 0,828 49,508 Spaß

Spaß4 0,831 52,698

0,662 0,887 0,430 2,647 0,542

0,829

PoEm1 0,823 52,622

PoEm2 0,754 38,812

PoEm3 0,728 28,267

PoEm4 0,718 28,074 Posi

tive

Emot

ione

n

PoEm5 0,759 36,309

0,573 0,870 0,363 2,868 0,728

0,813

Tabelle 32: Ergebnisse der Analysen des Messmodells (Ebene 1) für die Nutzendimension

Nach der Empfehlung von Tenenhaus et al. (2004) kann die Korrelationsmatrix zwischen manifesten und latenten Variablen als Indiz sowohl für die Konvergenz- als auch für die Diskriminanzvalidität dienen (vgl. Ausführungen auf S. 264). In Tabelle 33 ist diese dargestellt. Alle in der Tabelle angegebenen Korrelationen, die auf den durch PLS berechneten Werten der latenten und manifesten Variablen beruhen, haben dabei ein Signifikanzniveau von p < 0,01. Aus der Tabelle geht hervor, dass sämtliche manifesten Variablen stärker mit der „ihrer“ latenten Variable korrelieren als mit anderen latenten oder manifesten Variablen. Interessant ist, dass die manifesten Variablen der beiden Faktoren Informationsmöglichkeiten und Spaß jeweils stark mit der „eigenen“ und leicht mit der jeweils anderen latenten Variable korrelieren. So weisen die Items Spaß1 bis Spaß4 Korrelation mit der latenten Variable

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286

Informationsmöglichkeiten zwischen 0,5 und 0,6 auf. Dies deutet darauf hin, dass Konsumenten Spaß daran haben, sich über Produkte und Produkteigenschaften vor Ort informieren zu können (vgl. Desmeules 2002, S. 6).

lat. Var. man. Var.

Erfolgsaussicht Antizipierter Produktnutzen

Informations-möglichkeiten

Positive Emotionen

Spaß

Erfolg1 0,8587 0,6021 0,5795

Erfolg2 0,8268 0,5070 0,5008

Erfolg3 0,7747

AnUt1 0,8038 0,5057

AnUt2 0,8887

AnUt3 0,8352

AnUt4 0,8462

Info2 0,5538 0,7810 0,5381 0,5271

Info3 0,6346 0,7786 0,6274 0,5210

Info4 0,7994 0,5526

Info5 0,7488 0,5412

Info6 0,7824 0,5088

PoEm1 0,5279 0,5458 0,8229

PoEm2 0,5017 0,5608 0,7538 0,5513

PoEm3 0,7281

PoEm4 0,7176

PoEm5 0,7592

Spaß1 0,5842 0,5124 0,8141

Spaß2 0,5013 0,7790

Spaß3 0,6126 0,8284

Spaß4 0,5073 0,8307

Tabelle 33: Korrelationen zwischen manifesten und latenten Variablen der Nutzendimension (zur besseren Lesbarkeit wurden Korrelationen unter 0,5 nicht abgebildet)

Die Korrelationsmatrix liefert bereits erste Hinweise auf die Diskriminanzvalidität der Konstrukte. Um diese abschließend beurteilen zu können, kommt das Fornell-Larcker- Kriterium zur Anwendung. Dieses besagt, dass die durchschnittlich erfasste Varianz eines Faktors größer sein muss, als die quadrierten Korrelationen dieses Faktors mit sämtlichen anderen Faktoren. In Tabelle 34 sind die Ergebnisse für die Nutzendimension dargestellt und zeigen, dass das Fornell-Larcker-Kriterium für alle Faktoren erfüllt ist.

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287

Faktoren Erfolgsaus-sichten

Antizipierter Produktnutzen

Informations-möglichkeiten Spaß Positive

Emotionen

Erfolgsaus-sichten 0,674 quadrierte Korrelationen

Antizipierter Produktnutzen 0,712 0,214

Informations-möglichkeiten 0,606 0,416 0,217

Spaß 0,661 0,254 0,177 0,462

Positive Emotionen 0,573 0,394 0,319 0,440 0,336

DEV 0,674 0,712 0,606 0,661 0,573

Tabelle 34: Ergebnisse der Überprüfung des Fornell-Larcker-Kriteriums der Nutzendimension

Zusammenfassung

Die Überprüfung der verwendeten Gütemaße auf der Ebene der reflektiv operationalisierten Faktoren hat gezeigt, dass die Messung die gesetzten Kriterien hinsichtlich der Reliabilität und Validität für alle Faktoren erfüllt. Es kann somit im nächsten Schritt eine Betrachtung auf der formativ operationalisierten Ebene 2 (Dimensionsebene) erfolgen.

Ebene 2: Formatives Messmodell auf Dimensionsebene

Die Gütebeurteilung der formativ operationalisierten Konstruktebene erfolgt anhand der in Kapitel 3.4.1.3 (Ebene 2) entwickelten Kriterien (siehe Tabelle 27, S. 271). Die Parameter des gesamten Messmodells wurden hierzu mit Hilfe des PLS-Verfahrens geschätzt. Abbildung 64 stellt die Ergebnisse dieser Schätzung für die Nutzen-dimension als Pfadmodell dar. Darin sind die Pfadkoeffizienten zwischen den fünf Faktoren und der latenten Variablen auf Dimensionsebene zu erkennen. Die Beziehung zur Phantomvariablen, die der Überprüfung der externen Validität dient ist ebenfalls dargestellt. Nachfolgend werden die Ergebnisse der Parameterschätzung sowie der Überprüfung der Gütemaße erläutert und interpretiert.

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288

NPV

0,185 0,235 0,238 0,2790,295

Kon

stru

kt(E

bene

2)

EA AP Sp PEIM

5 4 3 21

Erfolgs-aussichten

Antizipierter Produktnutzen

Spaß Positive Emotionen

Informations-möglichkeiten

Rang

NGl

NGl1 NGl2

NGl

NGl1 NGl2

R 2= 0,624

Phat

om-

varia

ble

0,790

Nutzen global

3

...... ...... ...... ............

Abbildung 64: Ergebnisse der PLS-Schätzung des formativen Messmodells der Nutzendimension mit Phantomvariable: Gütemaße und Parameterschätzungen (Ebene 2)

Gütemaße und Parameterschätzungen (Ebene 2)

Ausgangspunkt der Gütebeurteilung und gleichzeitig zentrales Element der Interpretation sind die Pfadkoeffizienten zwischen den fünf Faktoren und dem Gesamtkonstrukt.

Beginnt man mit der Überprüfung der Erfüllung der Gütekriterien, so ist aus der Grafik und aus Tabelle 35 zu erkennen, dass die Höhe der Pfadkoeffizienten zwischen 0,185 für den Faktor Erfolgsaussichten und 0,295 für den Faktor Informationsmöglichkeiten liegt. Alle Pfadkoeffizienten überschreiten damit den Grenzwert von 0,1. Dies ist ein erster Anhaltspunkt für die Signifikanz des Einflusses der einzelnen Faktoren auf die Nutzen von Produktvielfalt, die anhand der durch das Bootstrapping-Verfahrens gewonnenen t-Werte überprüft wird. Diese liegen zwischen 28,428 und 40,576 und damit deutlich über der Untergrenze von 1,98. Alle Pfadkoeffizienten sind damit hochsignifikant. Da auch das Stone-Geissers Q2 (bezüglich der Redundanz) mit einem Wert von 0,415 über dem Grenzwert von 0 liegt, erfüllt die Messung sowohl auf Faktor- als auch auf Konstruktebene die Kriterien hinsichtlich der Prognosevalidität.

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289

Voraussetzung für die Richtigkeit der Schätzung der Pfadkoeffizienten durch das PLS-Verfahren ist, dass die Faktoren nicht linear voneinander abhängig sind. Dies wird mit Hilfe des Variance Inflation Faktors (VIF) überprüft. Mit Werten zwischen 1,531 und 2,632 liegt er für alle Faktoren deutlich unter der Obergrenze von 10. Die Multikollinearität der Faktoren kann damit ausgeschlossen und die Richtigkeit der Parameterschätzung angenommen werden.

Faktorenebene Dimensionsebene

Phantomvariable Faktor Pfadko-effizient

t-Wert (Pfadko-effizient)

VIF Q2 (Red.) R2 Pfadko-

effizient t-Wert

(Pfadkoeffizient)

Kriterium > 0,1 > 1,98 < 10 > 0 > 0,5 > 0,5 > 1,98

Erfolgsaus-sichten 0,185 31,457 1,980

Antizipierter Produktnutzen 0,235 28,428 1,531

Informations-möglichkeiten 0,295 40,576 2,632

Spaß 0,238 34,284 1,984

Positive Emotionen 0,279 35,260 2,359

0,415 0,624 0,790 54,046

Tabelle 35: Ergebnisse der Analysen des Messmodells (Ebene 2) für die Nutzendimension

Die Überprüfung der externen Validität erfolgt mit Hilfe eines MIMIC-Modells mit einer reflektiv operationalisierten Phantomvariablen (siehe hierzu die Ausführungen auf S. 201f). Diese wurde durch die beiden Indikatoren NGl1 (Die Produktvielfalt ist nützlich und hilfreich) und NGl2 (Insgesamt finde ich das Sortiment vom Gefühl her positiv) operationalisiert. Diese erfassen auf globaler Ebene einerseits affektive und andererseits kognitive Aspekte als Ausdruck des Nutzens hoher Produktvielfalt. Um weitere Aussagen hinsichtlich der Beziehung der latenten Nutzenvariable auf Gesamtebene machen zu können, ist zunächst die Güte des reflektiven Messmodells der Phantomvariable zu überprüfen.

Hierzu kommen dieselben Gütemaße wie auf Ebene 1 des Messmodells zur Anwendung. Deren Werte sind in Tabelle 36 abgebildet. Die Ladungen der beiden Items liegen über dem Wert von 0,7 und sind aufgrund der hohen t-Werte als hochsignifikant zu bewerten. Mit rund 77% liegt die DEV ebenso über dem Grenzwert (50%), wie die IK (0,60), die einen Wert von 0,871 hat. Die Unidimensionalität des

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290

Faktors wird durch Werte von 1,548 und 0,452 für den ersten bzw. zweiten Eigenwert und das Cronbachs Alpha von 0,708 bestätigt, wobei letzteres als grenzwertig einzustufen ist.

Indikatorenebene Konstruktebene

Indikator Ladung t-Wert (Ladung)

DEV Interne Konsistenz

Q2 Eigenwerte (EW)

Cronbachs Alpha

Kriterium > 0,70 > 1,98 > 0,50 > 0,60 > 0 1. EW > 1 2. EW < 1

> 0,70

NGl1 0,848 43,221

NGl2 0,908 38,113

0,772 0,871 0,298 1,548 0,452

0,708

Tabelle 36: Gütekriterien des Messmodells der reflektiv operationalisierten Phantomvariablen für die Nutzendimension

Insgesamt kann die Messung der Phantomvariablen aufgrund der Gütemaße als reliabel und valide bezeichnet werden. Damit können die Gütemaße bezüglich der Phantomvariablen auf Konstruktebene betrachtet werden.

Die latente Nutzenvariable auf Konstruktebene kann insgesamt 62,4% der Varianz der Phantomvariable erklären (R2 = 0,624). Gleichzeitig ist der Pfadkoeffizient zwischen den beiden Konstrukten mit einem Wert von 0,790 relativ hoch und signifikant, was durch dessen t-Wert von über 54 zum Ausdruck kommt. Aus diesen Ergebnissen kann geschlossen werden, dass zwischen Gesamtkonstrukt und Phantomvariable ein starker Zusammenhang besteht und die latente Variable der NPV einen erheblichen Varianzanteil der Phantomvariablen erklären kann. Dies lässt auf externe (nomologische) Validität des Messmodells der Nutzendimension schließen (vgl. Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 22) und ist außerdem Ausdruck für dessen Inhaltsvalidität (vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 18).

Zusammenfassend erfüllt das Messmodell der Nutzendimension alle vorgegebenen Gütemaße und –kriterien und kann anschließend hinsichtlich der Einflussstärke einzelner Faktoren interpretiert werden.

Interpretation des Messmodells auf Konstruktebene

Um den Erklärungsbeitrag der einzelnen Faktoren zur Dimension und damit deren Einflussstärke auf den Gesamtnutzen hoher Produktvielfalt abschätzen zu können, empfehlen Tenenhaus und seine Kollegen (2004), das Bestimmtheitsmaß (R2)

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291

entsprechend folgender Formel auf die einzelnen Faktoren aufzuteilen (vgl. Tenenhaus et al. 2004, S. 20f.)

∑=j

jj xycorR ),(2 β

(18)

y latente Variable auf Konstruktebene (2. Ebene)

xj latente Variablen auf Faktorenebene (1. Ebene)

βj Pfadkoeffizient zwischen xj und y

Diese „Zerlegung“ ist nur anwendbar, wenn Korrelation und Pfadkoeffizienten je Beziehung dasselbe Vorzeichen haben und alle Variablen standardisiert sind (vgl. Tenenhaus et al. 2004, S. 21); beides ist hier erfüllt. Die Ergebnisse sind in Tabelle 37 dargestellt. Anzumerken ist hierzu, dass die Varianz der Gesamtdimension aufgrund der Struktur des Messmodells per definitionem 100% beträgt. Die Multiplikationen von Pfadkoeffizienten und Korrelationen addiert sich über alle Faktoren somit zu 1 (siehe hierzu die Ausführungen auf den S. 258f.).

Faktor Pfadkoeffizient Korrelation Pfadkoeffizient

x Korrelation

Relativer Erklärungsanteil Rang

Erfolgsaussichten 0,185 0,780 0,144 14% 5

Antizipierter Produktnutzen 0,235 0,717 0,168 17% 4

Informations-möglichkeiten 0,295 0,872 0,257 26% 1

Spaß 0,238 0,793 0,189 19% 3

Positive Emotionen 0,279 0,862 0,240 24% 2

Tabelle 37: Relativer Erklärungsbeitrag der einzelnen Faktoren der Nutzendimension

Insgesamt erklärt der Faktor Informationsmöglichkeiten mit 26% den größten Anteil der Varianz, gefolgt vom Faktor Positive Emotionen, der einen Erklärungsbeitrag von 24% leistet. Auf den Rängen drei, vier und fünf liegen die Aspekte Spaß, Antizipierter Produktnutzen und Erfolgsaussichten mit relativen Einflussstärken von 19%, 17% und 14%.

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292

Dieses Ergebnis überrascht zunächst, da die Faktoren Erfolgsaussichten und Antizipierter Produktnutzen, die das Hauptargument der rationalen Entscheidungs-theorie für hohe Produktvielfalt darstellen, getrennt den geringsten Einfluss haben. Dies kann so interpretiert werden, dass der Konsument davon ausgeht, dass er bei hoher Vielfalt das Produkt findet, das er sucht und dieser Funktion somit keinen besonders hohen „zusätzlichen“ Nutzen zuschreibt. Zusammen haben die Faktoren aber mit 31% den stärksten Einfluss auf die Nutzendimension.

Der aus der Sicht des Konsumenten positivste Aspekt hoher Produktvielfalt ist nach den Ergebnissen der Untersuchung die Möglichkeit, sich vor Ort über verschiedene Produkte zu informieren und einen Überblick über den Gesamtmarkt der jeweiligen Produktkategorie zu bekommen. Der Kunde gewinnt dadurch den Eindruck, alle wichtigen Produkte am Markt vor sich zu sehen und vergleichen zu können. Gleichzeitig verbindet der potenzielle Kunde mit der Vielfalt positive Emotionen, ist hinsichtlich seiner Entscheidung optimistisch gestimmt und empfindet ein großes Sortiment als unterhaltsam und ansprechend. Hierbei haben die Korrelationen von manifesten Variablen des Faktors Spaß mit der latenten Variable Informations-möglichkeiten bereits angedeutet, dass es Konsumenten offensichtlich Spaß bereitet, sich vor Ort informieren zu können (siehe Tabelle 33, S. 286). Informations-möglichkeiten könnten sich somit auch positiv auf den hedonistischen Wert des Einkaufs (Spaß) auswirken. Dies bestätigt, wie im Theorieteil erläutert wurde, dass Konsumenten Spaß daran haben, sich über Produkte zu informieren und ihre Präferenzen zu lernen (siehe S. 119f.)

Dem Ergebnis nach zu urteilen, spielen die affektiven bzw. hedonistischen Aspekte hoher Produktvielfalt in Form von Positiven Emotionen und Spaß für den Konsumenten mit 43% Erklärungsbeitrag eine fast gleichwichtige Rolle wie die kognitiv geprägten Vielfaltsvorteile, die zusammen 57% der Varianz erklären. Die Einzelaspekte Informationsmöglichkeiten, Erfolgsaussichten und Antizipierter Produktnutzen sind zusammengenommen dennoch etwas wichtiger als die affektiven Faktoren, dominieren diese aber nicht in dem Maße, wie es die rationale Entscheidungstheorie und die Hypothese vom Informationsdefizit nahe legen.

Für Handelsunternehmen folgt aus den Ergebnissen, dass sie einerseits die Informationsmöglichkeiten vor Ort betonen sollten, indem sie dem Konsumenten das Gefühl geben, den wichtigsten Teil des Gesamtmarkts der Produktkategorie vor sich zu haben und vergleichen zu können. Der Einzelhändler sollte deshalb seine Sortimentskompetenz zum Ausdruck bringen, indem er z. B. Produkte verschiedener

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Preiskategorien von billig bis sehr teuer führt. Gleichzeitig kann ein Geschäft die positive Wahrnehmung der Vielfalt stärken, indem es die affektiven Komponenten Anmutung, Unterhaltsamkeit und Spaß betont, so beispielsweise für eine angenehme Shop-Atmosphäre sorgt und dem Konsumenten auch entsprechend Zeit für die Entscheidung einräumt. Die Implikationen für Forschung und Praxis werden detaillierter in Kapitel 6 (S. 387ff.) diskutiert.

Im nächsten Abschnitt werden die Gütemaße für die Kostendimension nacheinander für die reflektiv operationalisierte Faktorenebene (Ebene 1) und die formativ operationalisierte Konstruktebene (Ebene 2) beschrieben und interpretiert.

3.4.3.3 PLS-Messmodell der Kostendimension

Ebene 1: Reflektives Messmodell auf Faktorenebene

Indikatorenebene Konstruktebene

Indikator Ladung t-Wert (Ladung)

DEV Interne Konsistenz

Q2 Eigenwerte (EW)

Cronbachs Alpha

Fakt

or

Kriterium > 0,70 > 1,98 > 0,50 > 0,60 > 0 1. EW > 1 2. EW < 1

> 0,70

Aufw1 0,846 60,787

Aufw2 0,833 48,096

Aufw3 0,834 62,679

Aufw4 0,874 75,403 Auf

wan

d un

d A

nstre

ngun

g

Aufw5 0,862 60,439

0,722 0,929 0,573 3,612 0,461

0,904

VerFr1 0,766 43,149

VerFr2 0,758 37,961

VerFr3 0,844 53,601

VerFr4 0,856 61,834

VerFr5 0,857 52,221 Ver

wirr

ung

und

Frus

tratio

n

VerFr6 0,852 67,931

0,678 0,927 0,544 4,070 0,614

0,904

AnReg1 0,869 82,046

AnReg2 0,863 76,381

AnReg3 0,856 68,270

Ant

izip

ierte

s R

egre

t

AnReg4 0,865 72,723

0,746 0,921 0,558 2,982 0,384

0,886

Tabelle 38: Ergebnisse der Analysen des Messmodells (Ebene 1) der Kostendimension

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Betrachtet man zunächst die Indikatorenebene der in Tabelle 38 abgebildeten Gütemaße der Kostendimension, so ist zu erkennen, dass alle Items eine Ladung größer als 0,758 aufweisen und damit über dem Grenzwert von 0,7 liegen. Für die Faktoren Aufwand und Antizipiertes Regret liegen die Ladungen durchweg über dem Wert von 0,833, was als eine gute Messung zu interpretieren ist. Auch die t-Werte der Ladungen überschreiten mit einem Minimalwert von 37,961 den Mindestwert von 1,98 sehr deutlich. Die Ladungen sind daher alle als hoch signifikant zu bewerten.

Auf Faktorenebene liegt die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) mit Werten von rund 68%, 72% und 75% für die Faktoren Verwirrung und Frustration, Aufwand und Anstrengung und Antizipiertes Regret über dem Grenzwert von 50%. Gleiches gilt für die interne Konsistenz: Mit Werten von über 0,921 überschreiten alle drei Faktoren den Mindestwert von 0,60 ebenfalls deutlich. Da die Messung alle Gütekriterien hinsichtlich der Konvergenzvalidität erfüllt, kann diese insgesamt angenommen werden. Das Messmodell genügt ebenfalls den Anforderungen hinsichtlich der Prognosevalidität, was durch positive Stone-Geissers Q2 zum Ausdruck kommt.

Schließlich kann auch die Unidimensionalität der einzelnen Faktoren bestätigt werden, da der erste Eigenwert55 eines jeden Faktors den Grenzwert von 1 deutlich überschreiten und die Werte des jeweiligen zweiten Eigenwerts unter diesem Wert liegen. Alle Faktoren weisen zudem ein Cronbachs Alpha von rund 0,9 auf, was die Unidimensionalität unterstreicht und gleichzeitig auf eine hohe Reliabilität der Messung deutet.

Anhand der in Tabelle 39 abgebildeten Korrelationsmatrix von manifesten und latenten Variablen kann die Konvergenzvalidität nochmals verdeutlicht werden. Die Matrix gibt ebenfalls erste Hinweise darauf, dass die Faktoren auch inhaltlich verschiedene Elemente messen und somit diskriminant sind. Beide Aussagen basieren darauf, dass die manifesten Variablen jeweils stärker mit der „eigenen“ latenten Variable korrelieren als mit anderen. Dennoch korrelieren die Items teilweise deutlich mit anderen Faktoren. So hat z. B. Aufw3 (Es dauert lange, die richtige Digitalkamera zu finden) Korrelationskoeffizienten von über 0,5 mit den latenten Variablen der Faktoren Verwirrung und Frustration und Antizipiertes Regret. Dies deutet darauf hin, dass die drei Faktoren gemeinsame Elemente haben und Teil einer Dimension – den Kosten von Produktvielfalt – sind.

55 Bezieht sich auf Eigenwerte der Korrelationsmatrix der manifesten Variablen eines Faktors

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lat. Var. man. Var.

Aufwand Verwirrung und Frustration

Antizipiertes Regret

Aufw1 0,8455 0,5499

Aufw2 0,8333

Aufw3 0,8339 0,5205 0,5386

Aufw4 0,8737

Aufw5 0,8624 0,5183 0,5287

VerFr1 0,7663

VerFr2 0,5320 0,7581 0,5094

VerFr3 0,8438

VerFr4 0,8562

VerFr5 0,8569

VerFr6 0,8522

AnReg1 0,8688

AnReg2 0,8633

AnReg3 0,5441 0,8564

AnReg4 0,5561 0,8653

Tabelle 39: Korrelationen zwischen manifesten und latenten Variablen der Kostendimension (zur besseren Lesbarkeit wurden Korrelationen unter 0,5 nicht abgebildet) (p < 0,01)

Dass die latenten Variablen dennoch verschiedene Aspekte der Kosten von Produktvielfalt messen, zeigen die Ergebnisse hinsichtlich der Überprüfung des Fornell-Larcker-Kriteriums. Da alle Faktoren dieses Kriterium erfüllen (siehe Tabelle 34), kann von Diskriminanzvalidität der Messung auf Faktorenebene ausgegangen werden. Die Zusammengehörigkeit der Faktoren kommt aber auch hier durch Korrelationskoeffizienten der latenten Variablen von 0,536 (=0,287 ½ ), 0,553 (= 0,306 ½ ) und 0,606 (= 0,367 ½ ) zum Ausdruck.

Faktoren Aufwand Verwirrung und Frustration

Antizipiertes Regret

Aufwand 0,722 quadrierte Korrelationen

Verwirrung und Frustration 0,678 0,306

Antizipiertes Regret 0,746 0,367 0,287

DEV 0,722 0,678 0,746

Tabelle 40: Ergebnisse der Überprüfung des Fornell-Larcker-Kriteriums der Kostendimension

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Die reflektiven Messmodelle der KVP auf Faktorenebene erfüllen insgesamt alle in dieser Arbeit verwendeten Gütekriterien. Es kann somit von reliablen und validen Messungen ausgegangen werden.

Ebene 2: Formatives Messmodell auf Konstruktebene

KPV

0,415 0,440 0,331

Kon

stru

kt(E

bene

2)

2 1 3

Aufwand und Anstrengung

Verwirrung und Frustration

Antizipiertes Regret

Rang

KGl

KGl1 KGl2

KGl

KGl1 KGl2

R 2= 0,677

Phat

om-

varia

ble

0,823

Kosten global

AA VF AR

...... ...... ......

Abbildung 65: Ergebnisse der PLS-Schätzung des formativen Messmodells der Kostendimension mit Phantomvariable: Gütemaße und Parameterschätzungen (Ebene 2)

In Abbildung 65 sind die Parameterschätzungen des PLS-Messmodells auf der formativen Konstruktebene sowie die Beziehung zur Phantomvariable und deren Messmodell dargestellt. Nachfolgend werden analog zum Nutzenkonstrukt zunächst die Gütemaße der zweiten Ebene des Messmodells der KVP beschrieben. Anschließend werden die Ergebnisse hinsichtlich der Einflussstärke der Faktoren auf das Gesamtkonstrukt interpretiert.

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Gütemaße und Parameterschätzungen (Ebene 2)

Betrachtet man zunächst die Gütemaße auf Faktorenebene, so ist aus Tabelle 41 zu erkennen, dass die Pfadkoeffizienten der drei Faktoren Verwirrung und Frustration, Aufwand und Anstrengung und Antizipiertes Regret mit Werten von 0,440, 0,415 und 0,331 deutlich über der Grenze von 0,1 liegen. Aufgrund der mittels des Bootstrapping-Verfahrens gewonnenen t-Werte zwischen 38,727 (Antizipiertes Regret) und 56,7 (Verwirrung und Frustration) kann davon ausgegangen werden, dass die Pfadkoeffizienten signifikant sind. Außerdem wird die Multikollinearität der drei Faktoren ausgeschlossen, da der jeweilige Variance Inflation Faktor (VIF) deutlich unter der Grenze von 10 liegt. Das formative Messmodell erfüllt somit auf Faktorenebene sehr deutlich alle vorgegebenen Gütekriterien.

Faktorenebene Dimensionsebene

Phantomvariable Faktor Pfadko-effizient

t-Wert (Pfadko-effizient)

VIF Q2 (Red.) R2 Pfadko-

effizient t-Wert

(Pfadkoeffizient)

Kriterium > 0,1 > 1,98 < 10 > 0 > 0,5 > 0,5 > 1,98

Aufwand und Anstrengung

0,415 42,006 1,786

Verwirrung und Frustration 0,440 56,676 1,587

Antizipiertes Regret 0,331 38,727 1,739

0,502 0,677 0,823 64,714

Tabelle 41: Ergebnisse der Analysen des Messmodells (Ebene 2) der Kostendimension

Betrachtet man auf Dimensionsebene zunächst das Stone-Geissers Q2, so kann aus dem Wert von 0,502 und den Ergebnissen auf Faktorenebene auf die Prognosevalidität der Messung geschlossen werden. Von externer Validität der Messung kann aufgrund der Erklärungsstärke des Gesamtkonstrukts im Hinblick auf die Phantomvariable ebenfalls ausgegangen werden: Die Kostendimension kann insgesamt 67,7% der Varianz der Phantomvariable (R2 = 0,677) erklären und steht mit dieser in sehr engem Zusammenhang. Dies ist aus dem relativ hohen Pfadkoeffizienten von 0,823 zu erkennen, der gleichzeitig hochsignifikant ist (t-Wert von 64,714).

Um die Parameterschätzungen hinsichtlich der Phantomvariablen abschließend beurteilen zu können, ist sicherzustellen, dass die Phantomvariable reliabel und valide gemessen wurde. Die entsprechenden Gütemaße ihres Messmodells sind in Tabelle 42 zusammengefasst. Die Phantomvariable der KPV wurde wie die des NPV durch zwei

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reflektive Indikatoren operationalisiert. Das Item KGl1 (Insgesamt empfinde ich die Entscheidung vom Gefühl her als unangenehm) stellt dabei vor allem die affektiven Manifestationen der KVP dar, während durch den Indikator KGl2 (Insgesamt würde ich sagen, die Entscheidung war ... [(1): sehr einfach ... (7) sehr schwer]) die globale kognitive Entscheidungsschwierigkeit hoher Produktvielfalt global gemessen wird.

Indikatorenebene Konstruktebene

Indikator Ladung t-Wert (Ladung)

DEV Interne Konsistenz

Q2

(Kom.) Eigenwerte

(EW) Cronbachs

Alpha

Kriterium > 0,70 > 1,98 > 0,50 > 0,60 > 0 1. EW > 1 2. EW < 1

> 0,70

KGl1 0,880 49,923

KGl2 0,854 49,023

0,751 0,858 0,257 1,506 0,494

0,672

Tabelle 42: Gütekriterien des Messmodells der Phantomvariable für die Kostendimension

Die Ladungen beider Indikatoren liegen mit Werten von 0,880 (KGl1) und 0,854 (KGl2) deutlich über der Grenze von 0,7 und sind hochsignifikant, da ihre t-Werte bei rund 49 liegen. Auf Konstruktebene erfüllt die Messung die Kriterien hinsichtlich der durchschnittlich erfassten Varianz (DEV) und der internen Konsistenz deutlich. Auch die Eigenwerte liegen mit Werten von 1,506 und 0,494 für den ersten bzw. zweiten Eigenwert über bzw. unter 1, woraus auf Unidimensionalität der latenten (Phantom)variable geschlossen werden kann. Dagegen liegt das Cronbachs Alpha mit 0,672 unter dem Grenzwert von 0,7. Dies ist zum einen auf die Operationalisie-rung mit nur zwei Indikatoren zurückzuführen und deutet zum anderen darauf hin, dass die beiden Indikatoren nicht exakt denselben Faktor messen und die Messung deshalb das Kriterium der Konvergenzvalidität nicht optimal erfüllt. Ein Grund hierfür könnte sein, dass Konsumenten die durch KGl1 bzw. KGl2 gemessenen affektiven bzw. kognitiven Aspekte als Facetten der Entscheidungsschwierigkeit und damit teilweise als ergänzend betrachten. Dies war das Hauptargument für die formative Operationalisierung der Konstruktebene und die Verwendung der von Wold (1982b) vorgeschlagenen „Superblock-Struktur“ (siehe S. 258f.). Da die Messung aber die drei anderen Gütekriterien hinsichtlich der Konvergenzvalidität (DEV, interne Konsistenz und Eigenwerte) erfüllt, kann insgesamt mit leichten Einschränkungen von Konvergenzvalidität ausgegangen werden. Aus dem Stone-Geissers Q2 von 0,257 kann schließlich auf Prognosevalidität und damit insgesamt auf eine valide Messung der Phantomvariablen geschlossen werden.

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Insgesamt erfüllt das Messmodell der Kosten von Produktvielfalt damit die vorgegebenen Gütekriterien der Ebene 2 und kann deshalb als reliabel und valide eingestuft werden.

Interpretation des Messmodells auf Konstruktebene

Die Einflussstärke der drei Faktoren Verwirrung und Frustration, Aufwand und Anstrengung und Antizipiertes Regret auf den Wert der Kosten von Produktvielfalt wird analog zum Nutzenkonstrukt auf Basis des jeweiligen relativen Erklärungsbetrags eines Faktors zum Bestimmtheitsmaß auf Dimensionsebene beurteilt (siehe S. 291). Die Ergebnisse der Berechnungen sind in Tabelle 43 dargestellt. Demnach ist der Faktor Verwirrung und Frustration mit einem Erklärungsbeitrag von 38% der bedeutendste Aspekt der Kostendimension, dicht gefolgt vom Faktor Aufwand und Anstrengung, der 35% zum Bestimmtheitsmaß beiträgt. Mit 27% ist auch der Erklärungsbeitrag des drittstärksten Einflussfaktors Antizipiertes Regret immer noch relativ hoch, so dass insgesamt festgehalten werden kann, dass alle drei Faktoren einen bedeutenden Einfluss auf die KPV haben, wobei die Faktoren Verwirrung und Frustration und Aufwand und Anstrengung etwas bedeutender sind die latente Variable Antizipiertes Regret. Damit sind ähnlich wie bei den NPV die affektiven Kostenaspekte erstaunlich wichtig. Anzumerken ist hierzu, dass ein gewisser Zusammenhang des Faktors Aufwand und Anstrengung mit den beiden anderen Faktoren Verwirrung und Frustration und Antizipiertes Regret zu vermuten ist. Dies ist aus der Korrelation einiger manifester Variablen des Aufwandsfaktors (z. B. Aufw3, Aufw5) mit den anderen beiden latenten Variablen abzuleiten (siehe Tabelle 39, S. 295). Hinweise hierauf geben auch die Korrelationen zwischen der latenten Variablen des Faktors Aufwand und Anstrengung mit den latenten Variablen Verwirrung und Frustration (0,553) und Antizipiertes Regret (0,606), die aus Tabelle 40 (Fornell-Larcker-Kriterium) in quadrierter Form abzulesen sind.

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Faktor Pfadkoeffizient Korrelation Pfadkoeffizient

x Korrelation

Relativer Erklärungsanteil Rang

Aufwand 0,415 0,856 0,349 35% 2

Verwirrung und Frustration 0,440 0,848 0,376 38% 1

Antizipiertes Regret 0,331 0,819 0,274 27% 3

Tabelle 43: Relativer Erklärungsbeitrag der einzelnen Faktoren der Kostendimension zur Gesamtdimension

Aus den Ergebnissen kann insgesamt geschlossen werden, dass die negativen Aspekte hoher Produktvielfalt für den Konsumenten insbesondere durch Verwirrung und Frustration und durch den Aufwand und die Anstrengung bei der Entscheidung bestimmt werden. Für Handelsunternehmen ist es folglich besonders wichtig, die Verwirrung des Konsumenten zu reduzieren, indem Sortimente z. B. klar strukturiert werden und der Konsument sich möglichst leicht orientieren kann, um zu dem Produkt „zu finden“, das seinen Vorstellungen entspricht. Weiterhin sollten Unternehmen versuchen, den Aufwand der Entscheidung zu reduzieren, indem beispielsweise Berater aktive Entscheidungsunterstützung leisten, anstatt „nur“ über Produkte und deren Eigenschaften zu informieren. Detaillierter wird auf die Implikationen aus den Ergebnissen in Kapitel 6.2 (S. 397ff.) eingegangen.

3.5 Zusammenfassung

In diesem Kapitel wurde ein Messinstrument für den Wert von Produktvielfalt mit seinen beiden Dimenseionen Kosten von Produktvielfalt und Nutzen von Produktvielfalt NPV entwickelt. Die Dimensionen wurden hierzu als unabhängige Konstrukte des übergelagerten Wertkonstrukts konzeputalisiert. Die Nutzendimension besteht aus drei Faktoren, die Kostendimension ist fünffaktoriell. Die Operationalisie-rung beider Dimensionen erfolgt auf Faktorenebene reflektiv und auf Dimensions-ebene formativ. Die Items zur Messung der einzelnen Faktoren wurden auf Basis der in Kapitel 2 beschriebenen Theorien sowie Konsumenten- und Experteninterviews generiert. Durch diesen Methodenmix kann eine breite Abdeckung des Konstruktinhalts gewährleistet werden. Das so entstandene Messinstrument wurde anschließend auf Faktorenebene einem Pretest unterzogen, um ungeeignete Items zu

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entfernen. Insgesamt wurden sieben Indikatoren im Rahmen einer konfirmatorischen Faktorenanalyse entfernt, so dass in der anschließenden Hauptuntersuchung die Kostendimension durch insgesamt 15 und die Nutzendimension durch 21 Items gemessen wurde.

Die Analysen der Hauptuntersuchung, die mit Hilfe von PLS durchgeführt wurden, bestätigten die Struktur der Messmodelle sowohl auf Faktor- als auch auf Dimensionsebene. Durch die Untersuchung der Einflussstärke der einzelnen Faktoren auf die jeweilige Dimension wurde deutlich, dass die Faktoren Informations-möglichkeiten und Spaß den Nutzen von Produktvielfalt und die Faktoren Anstrengung und Aufwand sowie Verwirrung und Frustration die Kosten von Produktvielfalt am stärksten beeinflussen.

Mit Hilfe des entwickelten Messinstruments können in den nächsten beiden Kapiteln die Konsequenzen der Kosten und Nutzen von Produktvielfalt (Kapitel 4) und deren Determinanten (Kapitel 5) untersucht werden.

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4. Auswirkungen von Kosten und Nutzen von Vielfalt auf das Konsumentenverhalten

Das Kapitel ist so strukturiert, dass zunächst die Methodik und Vorgehensweise bei der Analyse der Daten hinsichtlich der Konsequenzen der Wertdimensionen beschrieben wird (Kapitel 4.1). Im Anschluss daran wird untersucht, wie sich Kosten und Nutzen von Produktvielfalt auf den Ausgang der Kaufentscheidung (Kapitel 4.2) und die nachgelagerten Evaluationsprozesse (Kapitel 4.3) auswirken. Der letzte Abschnitt (Kapitel 4.4) beschreibt die Analyseergebnisse zu erweiterten Modellen. Hierbei wird zum einen das bestangepasste Modell beschrieben und zum anderen werden weitere Konstrukte in die Betrachtung einbezogen.

4.1 Methodik und Gütekriterien bei der Analyse der Daten

4.1.1 Methodik und Vorgehensweise

Da dieser Abschnitt der Untersuchung der Konsquenzen von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt dient, steht das Strukturmodell im Mittelpunkt der Betrachtung. Dieses beschreibt die Beziehungen zwischen exogenen und endogenen Konstrukten, sowie Beziehungen endogener Konstrukte untereinander. Bei der Modellbeurteilung sind deshalb zwei Aspekte zu berücksichtigen: Zum einen sind die Messmodelle der endogenen Konstrukte auf Validität und Reliabilität zu überprüfen, und zum anderen müssen die im Strukturmodell beschriebenen Beziehungen zwischen den Konstrukten untersucht werden.

Da alle endogenen Konstrukte reflektiv operationalisiert werden, erfolgt die Beurteilung der Messmodelle mittels der Gütekriterien, die bereits auf Faktorenebene der Kosten- und Nutzendimension verwendet wurden. Analog zur dortigen Vorgehensweise werden die endogenen Konstrukte zunächst theoriebasiert operationalisiert und die so entstandenen Itembatterien anschließend einem Pretest unterzogen. Die Beurteilung der Messmodellgüte erfolgt in der Analyse der

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Hauptuntersuchung, die ebenfalls auf PLS basiert, durch dieselben Gütekriterien wie bei der Hauptuntersuchung die Messmodelle der Kosten- und Nutzendimension (siehe Kapitel 3.4.1.3, S. 260ff.). Auf die Gütekriterien zur Validitäts- und Reliabilitäts-beurteilung der Messmodelle wird an dieser Stelle deshalb nicht nochmals eingegangen.

Noch nicht dargestellt wurden dagegen die Kriterien zur Gütebeurteilung des Strukturmodells. Dies erfolgt anschließend.

4.1.2 Gütekriterien zur Beurteilung des Strukturmodells

Das Strukturmodell dient dem Test der Hypothesen hinsichtlich der Konsequenzen von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt und damit auch der Überprüfung der nomologischen Validität ihrer Messmodelle. Die Hypothesen werden getestet, indem die Strukturgleichungspfade des Modells hinsichtlich Richtung, Signifikanz und Erklärungskraft in Bezug auf die kausal nachfolgenden Konstrukte beurteilt werden.

Ausgangspunkt der Überprüfung der Erklärungskraft des Modells ist das Bestimmtheitsmaß (R2) (vgl. Chin 1998a, S. 316f.). In einem Regressionsmodell gibt dieses an, welchen Anteil der Streuung einer abhängigen Variablen die ihr kausal vorgelagerten unabhängigen Variablen erklären können (vgl. Backhaus et al. 2003, S. 66). In einem PLS-Strukturmodell stellen die endogenen latenten Variablen die abhängigen Variable (Regressoren) und die latenten exogenen Konstrukte die unabhängigen Variablen (Regressoren) eines multiplen Regressionsmodells dar (vgl. Ringle 2004, S. 15). Das in PLS ermittelte Bestimmtheitsmaß einer endogenen Variablen gibt folglich den Anteil der Streuung an, der durch die mit der Variablen in Verbindung stehenden kausal vorgelagerten exogenen Konstrukte erklärt wird. Es „(...) misst damit die Güte der Anpassung einer Regressionsfunktion an die empirisch gewonnenen manifesten Items“ (Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 23).

Das R2 ist eine normierte Größe mit einem Wertebereich von 0 bis 1, wobei größere Werte für eine höhere Erklärungskraft des Modells stehen (vgl. Backhaus et al. 2003, S. 66). Chin (1998, S. 323) bezeichnet einen in einem PLS-Modell ermittelten R2-Wert von 0,67 als „substantial“, während er Ergebnisse von 0,33 und 0,19 als „moderate“ bzw. „weak“ einstuft (Chin 1998a, S. 323). In der vorliegenden Untersuchung wird ein auch in der Literatur genannter Wert von 0,30 als unterer Grenzwert verwendet (vgl. z. B. Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 29).

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304

Die Stärke, Richtung und Signifikanz des Einflusses eines Konstrukts auf ein kausal nachfolgendes Konstrukt kann anhand des Pfadkoeffizienten des PLS-Strukturmodells beurteilt werden (vgl. Chin 1998a, S. 316ff.). Dieser kann als standardisierter Beta-Koeffizient eines multiplen Regressionsmodells interpretiert werden (vlg. Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 24). Lohmöller (1989, S. 60f.) bezeichnet einen Zusammenhang zwischen zwei Variablen als signifikant, wenn der entsprechende Pfadkoeffizient des PLS-Modells eine betragsmäßige Höhe von mindestens 0,1 aufweist. Chin (1998, S. 324) hingegen empfiehlt einen betragsmäßigen unteren Grenzwert von 0,2. Während die absolute Höhe der Pfadkoeffizienten einen guten Anhaltspunkt für die Stärke des Zusammenhangs zwischen zwei Variablen liefert, wird in der Literatur empfohlen, die statistische Signifikanz der Pfadkoeffizienten anhand deren t-Werte zu beurteilen (vgl. Herrmann/Huber/Kressmann 2004, S. 26). Diese werden wie auch bei den Messmodellen durch die Resampling Methoden Bootstrapping oder Jackknifing gewonnen. Wie bereits erwähnt, kommt in dieser Arbeit aufgrund seines geringeren Standardfehlers das Bootstrapping-Verfahren zur Anwendung.

Um die Prognoserelevanz eines exogenen Konstrukts hinsichtlich eines kausal nachfolgenden endogenen Konstrukts beurteilen zu können, schlägt Chin (1998) in Ergänzung zu Bestimmtheitsmaß und t-Werten die Verwendung der Effektgröße f 2 vor, die er analog zum partiellen F-Test entwickelte. Sie ist folgendermaßen definiert:

2

222

1 incl

exclincl

RRRf

−−=

(19)

R2incl Bestimmtheitsmaß der abhängigen Variablen, wenn die betrachtete, kausal

vorgelagerte unabhängige Variable im Strukturmodell eingeschlossen wird

R2excl Bestimmtheitsmaß der abhängigen Variable, wenn die betrachtete, kausal vorgelagerte

unabhängige Variable im Strukturmodell nicht eingeschlossen wird

Die Effektgröße gibt an, inwieweit durch die Berücksichtigung der betrachteten exogenen Variablen im Strukturmodell die erklärte Varianz der entsprechenden endogenen Variable erhöht werden kann. Sie überprüft somit, ob eine unabhängige (exogene) latente Variable einen substanziellen Einfluss auf eine abhängige (endogene) latente Variable ausübt. Werte von 0,02, 0,15 bzw. 0,35 lassen auf einen geringen, mittleren bzw. großen Einfluss der exogenen auf die mit ihr in Beziehung

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305

stehende endogene Variable schließen (vgl. Gefen/Straub/Boudreau 2000, S. 65). Dem Verfasser dieser Arbeit ist kein in der Literatur genannter unterer Grenzwert bekannt. Da jedes vorgelagerte Konstrukt aber mindestens einen geringen Einfluss auf ein kausal folgendes Konstrukt haben soll, wird ein Mindestwert von 0,05 als sinnvoll erachtet.

In PLS können zur Überprüfung der Gesamtmodellgüte, im Gegensatz zu kovarianzbasierten, Verfahren keine inferenzstatistischen Tests durchgeführt werden. Dies liegt vor allem daran, dass PLS keine Annahmen hinsichtlich der Verteilung der Daten trifft (vgl. Götz/Liehr-Gobbers 2004, S. 23). Die Prognoserelevanz des Modells lässt sich folglich nur separat für jedes (reflektive) Zielkonstrukt mit Hilfe des auf Redundanzen basierenden Stone-Geissers Q2 beurteilen. Da dieses bereits zur Beurteilung der formativen Konstruktebene des Messmodells (Ebene 2) verwendet wurde, wird an dieser Stelle auf eine ausführliche Erklärung verzichtet (Details siehe S. 264f.).

Hohe Multikollinearität der antezedenten latenten Variablen eines Konstrukts kann zu einer Verzerrung der multiplen Regressionskoeffizienten führen (vgl. Backhaus 2003, S. 88f; siehe auch S. 200). Herrmann, Huber und Kressmann (2004) empfehlen deshalb, den Variance Inflation Factor in die Gütebeurteilung von Strukturmodellen zu integrieren, um mit dessen Hilfe, den Grad der Multikollinearität zwischen den Prädikatoren abzuschätzen. Der Variance Inflation Factor dient ebenfalls als Gütemaß des Messmodells und wird deshalb an dieser Stelle nicht nochmals beschrieben (siehe S. 269f.).

Abbildung 66 stellt im Überblick alle Gütemaße dar, die nachfolgend zur Beurteilung der endogenen Messmodelle und des Strukturmodells verwendet werden.

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306

Gütekriterien für Mess- und Strukturmodell

ZP

KD

NPV KPV

Kosten

Zufriedenheit Prozess

kognitive Dissonanz

Loyalität Geschäft

Loyalität Marke

Zufriedenheit Produkt ZPr

LMLGEbene 2

(Strukturmodell)

Ebene1(endogene

Messmodelle)

... ...

......

...

Nutzen

Betrachtete Ebene Analyseebene Gütemaß Kriterium

Ladung > 0,70 Indikatorenebene

t-Wert der Ladung > 1,98

DEV (Durchschnittlich erfasste Varianz) > 0,50

IK (Interne Konsistenz) > 0,60

Stone Geissers Q2 (Kommunalität) > 0

Eigenwerte (EW) der Faktoren 1. EW > 1 2. EW < 1

Faktorenebene

Cronbachs Alpha > 0,70

Rotierte Faktorladungen Oblimin-Rotation der exploratorischen Faktorenanalyse)

Faktorladung einer manifesten Variable am höchsten bei „eigener“ latenten Variable

Korrelationen zwischen latenten und manifesten Variablen

Größer zwischen manifesten Variablen und zugehörigem Konstrukt als zwischen manifesten Variablen und anderen Konstrukten

Ebene 1 (endogene Messmodelle)

Manifeste und latente Variablen

Fornell-Larcker-Kriterium DEVi > als jede quadrierte Korrelationen von Konstrukt i mit allen anderen Konstrukten

Pfadkoeffizient > 0,1

t-Wert des Pfadkoeffizient > 1,98

VIF (Variance Inflation Factor) < 10

Ausgangs-konstrukt

Effektgröße f2 > 0,05

Stone Geissers Q2 (Redundanz) > 0

Ebene 2 (Struktur-modell)

Zielkonstrukt R2 > 0,3

Abbildung 66: Gütemaße zur Beurteilung des Gesamtmodells

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307

Das nächste Kapitel beschreibt die Analyseergebnisse zur Auswirkung der KNPV auf den Ausgang von Kaufentscheidungen.

4.2 Wirkung auf das Kaufverhalten

Ziel dieses Abschnitts ist es, die Ergebnisse der empirischen Überprüfung der Hypothesen zur Wirkung von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt auf das Kaufverhalten darzustellen (siehe Kapitel 2.3.3.1, S. 178ff.). Hypothese 2 und Hypothese 6 gehen von einem negativen bzw. positiven Zusammenhang der KPV bzw. NPV und der Kaufintention aus, d. h., die Nutzenaspekte hoher Vielfalt wirken sich positiv auf die Kaufabsicht aus, während hohe Kosten diese negativ beeinflussen.

Einen ersten Anhaltspunkt hinsichtlich der Auswirkung auf das Kaufverhalten gibt der Vergleich der durchschnittlichen Kosten- und Nutzen-Werte von Käufern und Nicht-Käufern. Hierzu wurde ein T-Test auf Basis der in PLS-Graph ermittelten (standardisierten) Werte der latenten Kosten- und Nutzen-Variablen durchgeführt:

Der durchschnittliche Nutzenwert der Käufer (ø = 0,284; Standardabweichung (SD) = 1,046) unterscheidet sich signifikant (p < 0,001) von dem der Nicht-Käufer (-0,277; SD = 0,867). Gleiches gilt für die Ergebnisse bzgl. der latenten Kostenwerte, deren Durchschnitt bei Nicht-Käufern (ø = 0,276; SD = 0,982) signifikant (p< 0,001) höher ist als bei Käufern (ø = -0,283; SD = 0,940). Die Ergebnisse zeigen, dass die Nicht-Käufer nicht nur höhere Kosten von Vielfalt, sondern auch einen geringeren Nutzen haben. Der T-Test hat somit erste Hinweise auf die Wirkung von Kosten und Nutzen von Vielfalt auf das Kaufverhalten gegeben.

Um die Stärke des Einflusses der KPV und NPV auf die Kaufabsicht zu untersuchen und dadurch die Hypothesen zu testen, wurde das in Abbildung 67 dargestellte PLS-Strukturmodell verwendet. Die beiden Konstrukte wurden dabei mit Hilfe der im vorherigen Kapitel dargestellten Operationalisierung gemessen. Die Messung der endogenen Variablen Kaufabsicht erfolgte durch eine 10-Punkt-Skala, die anschließend standardisiert wurde. Konsumenten, die sich entschieden hatten, nicht zu kaufen, wurden dabei gefragt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie das betrachtete Produkt (Digitalkamera bzw. DVD-Player/Recorder) doch noch in diesem Geschäft kaufen. Sie konnten die Wahrscheinlichkeit hierfür auf einer Skala von 1 (sehr gering) bis 7 (sehr hoch) angeben. Käufer wurden entsprechend des Preises des

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gekauften Produkts in eine der drei Gruppen „günstig“, „mittleres Preissegment“ und „teuer“ eingeteilt, was den Kaufabsichtswerten 8, 9 und 10 entspricht. Diese Operationalisierung wurde gewählt, da dadurch die Umsatzwirkung als zentrale Erfolgsgröße des Handels explizit in der Untersuchung berücksichtig wird.

Das Ergebnis der Parameterschätzungen ist in Abbildung 67 dargestellt. Darin ist zu erkennen, dass sich wie erwartet der Nutzen positiv und die Kosten negativ auf die Kaufabsicht auswirken. Die beiden Konstrukte können zusammen 32% der Kaufabsicht erklären. Berücksichtig man, dass es sich hierbei nicht um ein Experiment, sondern um reales Kaufverhalten handelt, ist dieser Wert als gut einzustufen.

NPV KPV

AP EA Sp AA VF ARPEIM

R 2= 320

KI

KI1

Kaufintention

0,396 - 0,286Nutzen Kosten

Abbildung 67: Die Auswirkung der Kosten und Nutzen von Produktvielfalt auf die Kaufabsicht. Ergebnisse der PLS-Parameterschätzung

Um eine Aussage über die Annahme oder Ablehnung der Hypothesen treffen zu können, wird das Strukturmodell anhand der in Tabelle 44 zusammengefassten Gütemaße beurteilt:

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Ausgangskonstruktebene (exogene Variable)

Zielkonstruktebene (endogene Var.)

Pfadko-effizient

t-Wert (Pfadko-effizient)

VIF f2 R2 Q2 (Redu.) Exogene

Konstrukte

Zielkonstrukt Hypo-these

⏐⏐> 0,1 > 1,98 < 10 > 0,05 > 0,3 > 0

NPV + ( ) 0,396 10,920 1,139 0,200

KPV

Kauf-intention

– ( ) -0,286 7,745 1,139 0,104 0,320 0,121

Tabelle 44: Gütemaße zur Beurteilung der Wirkung der Kosten von Produktvielfalt und Nutzen von Produktvielfalt auf die Kaufabsicht

Die Pfadkoeffizienten liegen mit Werten von 0,396 bzw. -0,286 deutlich über dem Grenzwert von 0,1, haben das vermutete Vorzeichen und weisen auf Basis des Bootstrap-Verfahrens gewonnene t-Werte von 10,920 bzw. 7,744 auf. Auch die Effektgröße f2 beider Konstrukte liegt mit Werten von 0,200 und 0,104 über der Untergrenze von 0,05. Die Konstrukte sind ferner nicht linear abhängig, was sich aus dem VIF von 1,139 schlussfolgern lässt. Insgesamt kann deshalb der positive Einfluss der NPV und der negative Einfluss der KPV auf die Kaufabsicht als signifikant bezeichnet werden. Die Erklärungskraft des Modells wird auch durch das Stone-Geissers Q2 von 0,121 bekräftigt.

Weiterhin kann der relative Erklärungsbeitrag des Nutzen- bzw. Kostenkonstrukts zum Bestimmtheitsmaß (R2) der Kaufabsicht Auskunft über die Stärke des Einflusses der beiden Konstrukte auf das Kaufverhalten geben. Dieser kann aus der schon beschriebenen Zerlegung des R2 in die einzelnen Bestandteile gewonnen werden (siehe S. 291). Die Ergebnisse zeigen, dass der Erklärungsbeitrag des Nutzens von Produktvielfalt mit 62% deutlich höher ist, als der der Kosten von Produktvielfalt (38%), was bedeutet, dass die positiven Aspekte hoher Vielfalt letztlich zwar überwiegen, die Kostenaspekte aber dennoch einen beträchtlichen negativen Einfluss auf die Kaufabsicht haben.

Damit können die Hypothesen, dass sich die Kosten von Produktvielfalt negativ (Hypothese 2 ) und der Nutzen von Produktvielfalt positiv (Hypothese 6) auf das Kaufverhalten auswirken, aufrecht erhalten werden.

Der nächste Abschnitt stellt die Untersuchungsergebnisse bezüglich der Wirkung der KPV und NPV auf die der Kaufentscheidung nachgelagerten Evaluationskonstrukte dar.

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310

4.3 Wirkung auf die Kauf- und Nachkaufbewertung

Um zu untersuchen, wie sich die Kosten- und Nutzendimension des Wertkonstrukts auf die hier betrachteten, der Kaufentscheidung nachgelagerte Größen auswirken, sind diese zunächst zu operationalisieren. Analog zu den Messmodellen der KPV und NPV werden die endogenen Konstrukte anschließend im Rahmen des Pretests einer konfirmatorischen Faktorenenanalyse unterzogen. In der Hauptuntersuchung werden sowohl die Messmodelle als auch das Strukturmodell mittels der beschriebenen Gütekriterien beurteilt.

4.3.1 Messmodelle der endogenen Konstrukte

4.3.1.1 Operationalisierung der Konstrukte

Bei den endogenen Konstrukten handelt es sich teilweise um Konstrukte, die in der Marketingliteratur, vor allem im Relationship-Marketing, weit verbreitet sind. Es wird deshalb versucht, bei deren Operationalisierung so weit wie möglich auf bestehende und etablierte Skalen oder Messansätze zurückzugreifen. Die Beschreibung der verwendeten Skalen wird in diesem Fall möglichst knapp gehalten.

Folgende endogene Konstrukte werden im Gesamtmodell der Untersuchung auf Basis der in Kapitel 2.3.3.1 (S. 178ff.) formulierten Hypothesen berücksichtigt und nachfolgend operationalisiert:

Zufriedenheit mit dem Kauf- und Entscheidungsprozess

Kognitive Dissonanz

Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt

Loyalität zur gekauften Marke

Loyalität zum Geschäft

Zufriedenheit mit dem Kauf- und Entscheidungsprozess

Dieses Konstrukt wurde bisher in der Marketingliteratur nach dem Kenntnisstand des Autors nur selten in empirischen Untersuchungen verwendet (siehe Fitzsimons/

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Greenleaf/Lehmann 1997, S. 1ff; Zhang/Fitzsimons 1999, S. 192ff.), weshalb nicht auf eine etablierte Skala zurückgegriffen werden kann. Die in oben genannten Studien verwendeten Operationalisierungen basieren zudem häufig auf Antezedenzien der Kaufprozesszufriedenheit wie z. B. der Verfügbarkeit guter Alternativen im Sortiment (vgl. Fitzsimons/Greenleaf/Lehmann 1997, S. 34). Da in dieser Untersuchung die Kaufprozesszufriedenheit als Konsequenz der NPV und KPV abgebildet werden soll, muss die Operationalisierung aber so erfolgen, dass keine Antezedenzien im Messmodell enthalten sind.

Im Gegensatz zur Zufriedenheit mit dem Kaufprozess ist das Konstrukt der Produktzufriedenheit in der Marketingliteratur weit verbreitet (vgl. Herrmann 1998, S. 37ff.; Yi 1990, S. 68ff.). Die Kaufprozesszufriedenheit soll deshalb in Analogie zu dieser operationalisiert werden.

Im Zentrum der am weitesten verbreiteten Operationalisierung der Produkt-zufriedenheit steht das Erwartungs-Diskonfirmations-Paradigma (vgl. Oliver 1980, S. 460ff.; Yi 1990, S. 87f.). Dieses besagt, dass ein Konsument im Rahmen eines kognitiven Vergleichsprozesses die tatsächliche Leistung eines Produkts mit seinen vor dem Kauf entwickelten Erwartungen vergleicht. Liegt die Produktleistung dabei auf Höhe der Erwartungen (Konfirmation) oder überschreitet diese (positive Diskonfirmation), entsteht Zufriedenheit. Schneidet das Produkt dagegen schlechter als erwartet ab (negative Diskonfirmation), führt dies zur Unzufriedenheit. Tse und Wilton (1988) sind dagegen der Meinung, dass Konsumenten unabhängig von Vorkaufserwartungen genau dann zufrieden sind, „whenever a product performs well“ (S. 205). Neben diesem Erklärungsansatz und dem Erwartungs-Diskonfirmations-Paradigma existieren in der Literatur eine Reihe weiterer Modelle und Theorien zur Entstehung von Zufriedenheit, wie z. B. die Equity-Theorie und die Value-Disparity Theory. Auf diese soll hier aber nicht näher eingegangen werden (Yi 1990, S. 87ff. gibt einen viel zitierten Überblick hierzu). Für die vorliegende Untersuchung sollen das Erwartungs-Diskonfirmations-Paradigma und der Vorschlag von Tse und Wilton (1988) als Grundlage der Operationalisierung der Produkt- und Kaufprozesszufriedenheit dienen.

Insgesamt wurden zur Messung der Zufriedenheit mit dem Kaufprozess vier Indikatoren generiert: Der erste Indikator SatProz1 bildet in Anlehnung an Fitzsimons et al. (1997, S. 34) und Jacoby et al. (1974, S. 64) die globale Zufriedenheit mit dem Kaufprozess ab. Das Item SatProz2 basiert auf den Überlegungen von Tse und Wilton (1988) wonach Zufriedenheit dann entsteht, wenn – in diesem Fall die

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Kaufentscheidung – gut und wie gewünscht ablief und folglich wenig Raum für Verbesserungen lässt. Die Grundlage der beiden Indikatorvariablen SatProz3 und SatProz4 bildet das Erwartungs-Diskonfirmations-Paradigma, wonach ein Konsument dann mit seinem Entscheidungsprozess zufrieden ist, wenn er wie erwartet ablief (SatProz4). Wird der Entscheidungsprozess zum Vergleichsstandard für nachfolgende Käufe (SatProz3), ist dies ebenfalls ein Ausdruck von Zufriedenheit. Tabelle 45 fasst die Operationalisierung des Konstrukts Kaufprozesszufriedenheit zusammen und stellt den genauen Wortlaut der Fragen dar.

Bezeichnung Item Inhalt Quelle

SatProz1 Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit Ihrem Einkaufs- und Entscheidungsprozess?

Globale Zufriedenheit mit Kaufprozess

In Anlehnung an Fitzsimons/Greenleaf/Lehmann 1997, S. 34; Jacoby/Speller/Kohn 1974, S. 64

SatProz2 Der Kauf der Kamera war, wie ich ihn mir wünsche, und ich wüsste nicht, was man daran verbessern könnte.

Positive Einschätzung des Kaufprozesses

SatProz3 Es wäre schön, wenn jede Kaufentscheidung so ablaufen würde wie diese.

Entscheidungsprozess als positiver Vergleichsstandard für nachfolgende Kaufprozesse

SatProz4 Insgesamt war die Entscheidungsfindung, wie ich es erwartet habe.

Erfüllung Erwartungen

In Analogie zur Messung der Produktzufriedenheit

Tabelle 45: Operationalisierung des endogenen Konstrukts „Zufriedenheit mit dem Kaufprozess“

Neben den Indikatoren ist auch die Art des Messmodells für das Konstrukt festzulegen: Die Operationalisierung der Kaufprozesszufriedenheit erfolgt reflektiv. Dies ist vor allem damit zu begründen, dass sich durch die Veränderung eines Indikators auch alle anderen Indikatoren verändern würden (vgl. Herrmann/Huber/ Kressmann 2004, S. 10). Wäre ein Konsument beispielsweise mit dem Kaufprozess im Ganzen unzufrieden (SatProz1) würde er diesen wohl kaum zum positiven Vergleichsstandard erheben. Die Kausalität verläuft dementsprechend vom Konstrukt zu den Indikatoren, diese sind austauschbar und kovariieren. Es sind folglich alle vier Kriterien eines reflektiven Messmodells erfüllt (vgl. Jarvis et al. 2003, S. 203; siehe auch Tabelle 6, S. 205).

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313

Kognitive Dissonanz

Die Operationalisierung dieses Konstrukts basiert auf einer von Sweeny, Hausknecht und Soutar (2000, S. 369ff.) entwickelten Skala. Im Original werden durch 22 Indikatoren die drei Dissonanz-Dimensionen Emotional, Wisdom of Purchase und Concern over Deal abgebildet. Während die erste Dimension den „psychological discomfort subsequent to the purchase decision“ (Sweeny/Hausknecht/Soutar 2000, S. 380) beschreibt, umfasst die zweite Dimension „a person’s recognition after the purchase has been made that they may not need the product or may not have selected the appropriate one“ (Sweeny/Hausknecht/Soutar 2000,S. 380). Die Dimension Concern over Deal beinhaltet schließlich die Bedenken eines Konsumenten, dass er bei seiner Entscheidung gegen seinen Willen beeinflusst wurde. In der vorliegenden Untersuchung wird die Ursprungsskala aus forschungsökonomischen Gründen auf vier Indikatoren reduziert, wobei alle drei Dimensionen der Originalskala Berücksichti-gung finden (siehe Tabelle 46). So sind die Indikatoren KogDis1 und KogDis2 Teil der Wisdom of Purchase Dimension und drücken die Unsicherheit des Konsumenten hinsichtlich des eigenen Bedürfnisses und der Entscheidung für das konkrete Produkt aus. Kognitive Dissonanz äußert sich nach Sweeny et al. (2000) außerdem in grundsätzlichen Bedenken des Konsumenten bezüglich des Kaufs (KogDis3) und in einer emotionalen Reaktion, die mit einem „unguten Gefühl“ nach der Kaufentscheidung zusammengefasst werden kann (KogDis4).

Bezeichnung Item Inhalt Quelle

KogDis1 Ich frage mich, ob ich wirklich eine Digitalkamera brauche.

Bedürfnisunsicherheit

KogDis2 Ich frage mich, ob es richtig war, diese Digitalkamera zu kaufen.

Entscheidungsunsicherheit

KogDis3 Ich frage mich, ob mit der Kamera, die ich gekauft habe, irgendwas nicht stimmt.

Bedenken zum Kauf

KogDis4 Ich habe nach dem Kauf irgendwie ein ungutes Gefühl.

Emotionale Reaktion

In Anlehnung an Sweeny/Hausknecht/Soutar 2000, S. 381

Tabelle 46: Operationalisierung des endogenen Konstrukts „Kognitive Dissonanz“

Entsprechend der Originalskala von Sweeny und seinen Kollegen erfolgt die Operationalisierung reflektiv. Dies lässt sich auch anhand der von Herrmann, Huber und Kressmann (2004, S. 10) vorgeschlagenen „Testfrage“, ob die Veränderung eines Indikators die Veränderung der anderen Indikatoren bewirkt,

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314

nachvollziehen: Ist sich der Käufer beispielsweise nicht sicher, ob er tatsächlich eine Digitalkamera braucht (KogDis1), wird er sich auch fragen, ob es richtig war, die konkrete Kamera zu kaufen (KogDis2), was grundsätzliche Bedenken zum Kauf (KogDis3) und ein ungutes Gefühl nach der Entscheidung (KogDis4) auslösen kann.

Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt

Die Operationalisierung der Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt knüpft an die obigen Ausführungen zur Kaufprozesszufriedenheit an und basiert auf dem Erwartungs-Diskonfirmations-Paradigma und der Argumentation von Tse und Wilton (1988, S. 204ff.). Die ersten beiden der insgesamt sechs Items (siehe Tabelle 47) entstammen, wie auch das Item SatProd4, der Consumption Satisfaction Skala von Fitzsimons et al. (1997, S. 34) und messen die globale Zufriedenheit (SatProd2), die positiven Emotionen nach dem Kauf (SatProd1) und die Nähe des gekauften Produkts zur allgemeinen Idealvorstellung eines Produkts dieser Kategorie (SatProd4). Im Item SatProd5 kommt mit der Erfüllung der funktionalen Idealvorstellung ein vornehmlich kognitiver Aspekt der Produktzufriedenheit zum Ausdruck, während der Indikator SatProd6 die positive Leistungsbeurteilung des gekauften Produkts abbildet. Die Erfüllung der Erwartungen als Ausdruck von Zufriedenheit wird schließlich durch die Variable SatProd3 gemessen.

Bezeichnung Item Inhalt Quelle

SatProd1 Ich bin mit der gekauften Kamera sehr glücklich.

Positive Emotionen

SatProd2 Was denken Sie, wie zufrieden Sie mit dem gerade gekauften Produkt sein werden?

Globale antizipierte Produktzufriedenheit

In Anlehnung an Fitzsimons/Greenleaf/Lehmann 1997, S. 34

SatProd3 Diese Digitalkamera wird alle meine Erwartungen erfüllen.

Erfüllung Erwartungen Basierend auf dem Erwartungs-Diskonfirmations Paradigma

SatProd4 Wenn ich mir eine ideale Digitalkamera vorstelle, kommt die gerade gekaufte diesem Ideal sehr nahe.

Allgemeine Idealvorstellungen

In Anlehnung an Fitzsimons/Greenleaf/Lehmann 1997, S. 34

SatProd5 Diese Digitalkamera hat alle Eigenschaften, die ich mir wünsche.

Funktionale Idealvorstellungen

SatProd6 Ich wüsste nicht, was man an der gekauften Digitalkamera noch verbessern könnte.

Positive Leistung

In Anlehnung an Tse/Wilton 1988, S. 206

Tabelle 47: Operationalisierung des endogenen Konstrukts „Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt“

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Analog zur Argumentation der Zufriedenheit mit dem Kaufprozess kommt auch hier ein reflektives Messmodell zur Anwendung, da die Indikatoren Ausdrucksformen und nicht Bestimmungsfaktoren des Konstrukts sind.

Loyalität zur gekauften Marke

Unter der Loyalität wird in dieser Arbeit eine „behavioral intention to maintain an ongoing relationship“ (Singh/Sirdeshmukh (2000, S. 161) verstanden. Diese manifestiert sich u. a. in der zukünftigen Wiederkauf- und Weiterempfehlungsabsicht (vgl. Homburg/Faßnacht/Werner 2002, S. 508f.). Die Operationalisierung des Konstrukts erfolgt durch die Brand Purchase Intention und die Brand-word-of-mouth Skala von Fitzsimons, Greenleaf und Lehmann (1997, S. 35), welche die Autoren in Anlehnung an Parasuraman, Zeithaml and Berry (1995), entwickelt und in ihrer Untersuchung zur Wirkung der Produkt- und Kaufprozesszufriedenheit auf die Loyalität zur Marke und zum Geschäft verwendet haben. Die inhaltliche Nähe der Konsequenzkonstrukte der vorliegenden Untersuchung zu denen von Fitzsimons legt die Verwendung derselben Skalen für die Loyalität zur Marke und zum Geschäft nahe. Die Items der Skala sind Tabelle 48 zu entnehmen. Entsprechend der Originalskala wird ein reflektives Messmodell verwendet.

Bezeichnung Item Inhalt Quelle

LoyMa1 Für diese Art von Produkten ist die gekaufte Marke ab jetzt meine bevorzugte Marke.

Dauerhafte Kaufpräferenz

LoyMa2 Ich beabsichtige, in Zukunft häufiger Produkte dieser Marke zu kaufen.

Wiederkaufsabsicht

LoyMa3 Ich werde positiv über diese Marke sprechen.

Positives „Word of Mouth“ (WOM)

LoyMa4 Ich werde die gekaufte Marke weiterempfehlen, wenn mich jemand um Rat fragt.

Reaktive Weiterempfehlung

LoyMa5 Ich werde Freunde und Verwandte ermuntern, Produkte dieser Marke zu kaufen.

Aktive Weiterempfehlung

In Anlehnung an Fitzsimons/Greenleaf/Lehmann 1997, S. 35

Tabelle 48: Operationalisierung des endogenen Konstrukts „Loyalität zur gekauften Marke“

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Loyalität zum Geschäft

Dieses Konstrukt beschreibt die Wiederkaufsabsicht in dem besuchten Geschäft, sowie die Absicht des Konsumenten, dieses weiterzuempfehlen. Die verwendete Itembatterie basiert wie auch beim vorherigen Konstrukt auf eine Skala von Fitzsimons, Greenleaf und Lehmann (1997, S. 35). Die Inhalte der Indikatoren und die in der empirischen Untersuchung verwendete Itembatterie gehen aus Tabelle 49 hervor. Die Messung erfolgte analog zur Originalskala mittels eines reflektiven Modells.

Bezeichnung Item Inhalt Quelle

LoyGe1 Wenn ich in Zukunft ein ähnliches Produkt kaufen möchte, komme ich erst einmal hierher.

Dauerhafte Kaufpräferenz

LoyGe2 Ich beabsichtige, in Zukunft häufiger in diesem Geschäft einzukaufen.

Wiederkaufsabsicht

LoyGe3 Über dieses Geschäft werde ich positiv sprechen.

Positives WOM

LoyGe4 Ich werde dieses Geschäft weiterempfehlen, wenn mich jemand um Rat fragt.

Reaktive Weiterempfehlung

LoyGe5 Ich werde Freunden und Verwandten raten, hier einzukaufen.

Aktive Weiterempfehlung

InAnlehnung an Fitzsimons/Greenleaf/Lehmann 1997, S. 35

Tabelle 49: Operationalisierung des endogenen Konstrukts „Loyalität zum Geschäft“

Damit sind alle Konsequenzkonstrukte durch reflektive Messmodelle operationalisiert worden. Diese wurden analog zu den Messmodellen der Kosten und Nutzen von Produktvielfalt einem empirischen Pretest unterzogen, dessen Ergebnisse nachfolgend dargestellt sind.

4.3.1.2 Überprüfung der Messmodelle im Pretest

Der Pretest diente in erster Linie der Optimierung des Fragebogens für die Hauptuntersuchung. Da alle berücksichtigten Konsequenzen reflektiv operationalisiert wurden, kommen dieselben Verfahren und Gütekriterien wie beim Pretest der Faktoren der Kosten- und Nutzendimension des Wertkonstrukts zum Einsatz, d. h. es wird pro Faktor sowohl eine exploratorische als auch eine konfirmatorische Faktorenanalyse durchgeführt. Anschließend wird die Diskriminanzvalidität anhand

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317

des Fornell-Larcker-Kriterium beurteilt. Detailliert wurde die Vorgehensweise in Kapitel 3.3.1 (S. 231ff.) beschrieben.

Zufriedenheit mit dem Kaufprozess

Bei der exploratorischen Faktorenanalyse wurde nur ein Faktor extrahiert (1. Eigenwert: 2,93; 2. Eigenwert: 0,43). Wie der anschließende Kolmogorow- Smirnow-Test zeigte, sind die Indikatoren nicht normalverteilt (p < 0,05), weshalb bei der KFA das ULS-Verfahren verwendet wurde. Dieses ergab, dass die Faktorladungen aller vier Indikatoren über dem Grenzwert von 0,70 liegen. Die minimale Indikatorreliabilität ist mit 0,60 folglich auch höher als die geforderte Mindesthöhe von 0,50. Auf Konstruktebene erfüllt die Itembatterie alle verwendeten Gütekriterien: So werden 64% der durchschnittlichen Varianz erklärt, die Faktorreliabilität liegt bei 0,88 und die globalen Gütemaße haben Werte von 0,99 bzw. 1,00. Auch das RMR unterschreitet mit 0,04 den geforderten Maximalwert von 0,1 deutlich. Konform mit diesen Ergebnissen hat auch das Cronbachs Alpha mit 0,88 eine Ausprägung, die deutlich über dem Grenzwert von 0,70 liegt.

Insgesamt ist das Messmodell des Faktors Kaufprozesszufriedenheit als gut einzustufen. Die Skala wird in unveränderter Form in der Hauptuntersuchung verwendet.

Indikatorenebene Konstruktebene

Indikator Ladung Indikator-reliabilität

DEV Faktor-reliab.

Globale Anpassungsmaße

Cronbachs Alpha

Kriterium > 0,70 > 0,50 > 0,50 > 0,60 > 0,9 < 0,1 > 0,70

SatProz1 0,77 0,60

SatProz2 0,85 0,72

SatProz3 0,79 0,62

SatProz4 0,80 0,64

0,64 0,88 GFI: 1,00 AGFI: 1,00 NFI: 0,99 CFI: 1,00

RMR: 0,04 0,88

Tabelle 50: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Konstrukts „Zufriedenheit mit dem Kaufprozess“ im Pretest

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318

Kognitive Dissonanz

Wie Tabelle 51 zeigt, erfüllt die Operationalisierung des Konstrukts Kognitive Dissonanz alle verwendeten Gütekriterien sowohl auf Indikator- als auch auf Konstruktebene. Die im Vorfeld der KFA durchgeführte exploratorische Faktorenanalyse zeigte, dass der gemessene Faktor unidimensional ist (1. Eigenwert: 3,01; 2. Eigenwert: 0,45). Weiterhin ergab sich ein Cronbachs Alpha von 0,89, was auf eine gute Reliabilität der Messung hindeutet. Der lokale und globale Fit des Messmodells der KFA ist insgesamt als gut einzustufen, was aus der DEV von 63%, der Faktorreliabilität von 0,89 und aus den Globalmaßen von 0,99 bzw. 1,00 sowie dem RMR von 0,06 zu schließen ist. Anzumerken ist, dass bei der KFA das ULS-Verfahren verwendet wurde, da auf der Basis des Kolmogorow-Smirnow-Tests die Normalverteilungsannahme der Werte der vier Indikatoren abgelehnt werden musste (p < 0,05).

Indikatorenebene Konstruktebene

Indikator Ladung Indikator-reliabilität

DEV Faktor-reliab.

Globale Anpassungsmaße

Cronbachs Alpha

Kriterium > 0,70 > 0,50 > 0,50 > 0,60 > 0,9 < 0,1 > 0,70

KogDis1 0,77 0,59

KogDis2 0,89 0,79

KogDis3 0,80 0,64

KogDis4 0,82 0,67

0,67 0,89 GFI: 1,00 AGFI: 0,99 NFI: 0,99 CFI: 1,00

RMR: 0,05 0,89

Tabelle 51: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Konstrukts „Kognitive Dissonanz“ im Pretest

Die Operationalisierung des Konstrukts Kognitive Dissonanz kann aufgrund der Ergebnisse im Pretest in unveränderter Form in der Hauptuntersuchung verwendet werden.

Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt

Das Konstrukt Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt wurde durch insgesamt sieben Indikatoren operationalisiert. Die exploratorische Faktorenanalyse ergab, dass die Faktorladung der Items SatProd6 (Ich wüsste nicht, was man an der gekauften Digitalkamera verbessern könnte) unter dem geforderten Mindestwert von 0,70 liegt. Das Ergebnis, das auch durch eine KFA bestätigt wurde, könnte dadurch erklärt

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319

werden, dass Käufer die Produktzufriedenheit nur antizipierten konnten, da sie unmittelbar nach der (fiktiven) Kaufentscheidung befragt wurden. Die Einschätzung des Verbesserungspotenzials, die durch das Item SatProd6 abgefragt wurde, ist zu diesem Zeitpunkt vermutlich weniger ausgeprägt, als die anderen Aspekte der Produktzufriedenheit. Der Indikator SatProd6 wird folglich von den weiteren Berechnungen ausgeschlossen.

Die verbleibenden fünf Indikatoren gehören nach dem Kaiser-Kriterium alle zu einem Faktor (1. Eigenwert: 3,51; 2. Eigenwert: 0,54) und weisen Faktorladung von minimal 0,72 auf. Die im Rahmen KFA ermittelten globalen Anpassungsmaße liegen deutlich über den Mindestanforderungen, bzw. unterschreiten im Falle des RMR mit einem berechneten Wert von 0,06 den maximal zulässigen Wert von 0,1 deutlich. Bei der KFA kam hierbei das ULS-Verfahren zum Einsatz, da die Normalverteilungs-annahme der Itemwerte aufgrund des Kolmogorow-Smirow-Tests nicht haltbar war (p < 0,05). Das Cronbachs Alpha von 0,89 vervollständigt das Ergebnis und ist Ausdruck der guten Reliabilität des Messmodells.

Indikatorenebene Konstruktebene

Indikator Ladung Indikator-reliabilität

DEV Faktor-reliab.

Globale Anpassungsmaße

Cronbachs Alpha

Kriterium > 0,70 > 0,50 > 0,50 > 0,60 > 0,9 < 0,1 > 0,70

SatProd1 0,72 0,52

SatProd2 0,82 0,67

SatProd3 0,80 0,64

SatProd4 0,80 0,64

SatProd5 0,82 0,67

SatProd647 0,53 -

0,63 0,89 GFI: 1,00 AGFI: 0,99 NFI: 0,99 CFI: 1,00

RMR: 0,06 0,89

Tabelle 52: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Konstrukts „Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt“ im Pretest

Aufgrund der Ergebnisse des Pretests erfolgt die Messung der Produktzufriedenheit in der Hauptuntersuchung nicht mit sechs, sondern mit fünf Indikatoren.

Loyalität zur gekauften Marke

Die Analysen auf Indikatorebene ergaben, dass das Item LoyMa4 (Ich werde die gekaufte Marke weiterempfehlen, wenn mich jemand um Rat fragt) aufgrund seiner zu

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320

geringen Faktorladung zu eliminieren ist. Dass dieser Indikator, der reaktives Fürsprechertum abbildet, entfernt werden muss, wohingegen das Item LoyMa5, das proaktives Fürsprechertum misst, beibehalten werden kann, erstaunt dabei etwas. Die exploratorische Faktorenanalyse der verbleibenden vier Indikatoren führte zur Extraktion von nur einem Faktor (1. Eigenwert: 3,01; 2. Eigenwert: 0,43), d. h. das Konstrukt ist unidimensional. Das resultierende Messmodell ist laut der Gütemaße der KFA, die mit dem ULS-Verfahren56 durchgeführt wurde, von hoher Güte. So überschreitet die DEV mit 68% die Mindestanforderung von 50% sehr deutlich, gleiches gilt für die Faktorreliabilität, die einen Wert von 0,89 erreicht. Die globalen Anpassungsmaße GFI, AGFI, NFI und CFI nehmen jeweils ihren Maximalwert von 1,00 an und das RMR ist mit einem Wert von 0,02 deutlich unter dem Toleranzwert von 0,10. Auch das Cronbachs Alpha verdeutlicht mit einem Wert von 0,89 die gute Messung dieses Konstrukts.

Indikatorenebene Konstruktebene

Indikator Ladung Indikator-reliabilität

DEV Faktor-reliab.

Globale Anpassungsmaße

Cronbachs Alpha

Kriterium > 0,70 > 0,50 > 0,50 > 0,60 > 0,9 < 0,1 > 0,70

LoyMa1 0,87 0,76

LoyMa2 0,90 0,81

LoyMa3 0,78 0,61

LoyMa457 0,61 -

LoyMa5 0,73 0,53

0,68 0,89 GFI: 1,00 AGFI: 1,00 NFI: 1,00 CFI: 1,00

RMR: 0,02 0,89

Tabelle 53: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Konstrukts „Loyalität zur gekauften Marke“ im Pretest

In der Hauptuntersuchung erfolgt die Messung der Loyalität zur gekauften Marke mittels der vier verbleibenden Indikatoren.

Loyalität zum Geschäft

Wie beim vorherigen Konstrukt muss auch bei der Loyalität zum Geschäft mit dem Item LoyGe4 dasjenige eliminiert werden, welches das reaktive Fürsprechertum misst.

56 Die Normalverteilungsannahme der Indikatoren musste aufgrund des Kolmogorow-Smirnow Test

abgelehnt werden (p < 0,05). 57 Von der weiteren Analyse ausgeschlossen

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321

Grund hierfür ist die mit 0,64 zu geringe Faktorladung. Das Messmodell der verbleibenden vier Indikatoren erreicht ebenfalls analog zum vorher betrachteten Faktor eine hohe Güte. So ist der lokale und der globale Fit des Messmodells recht gut, was aus der DEV von 76%, der Faktorreliabilität von 0,93 und den Werten der Anpassungsmaße GFI, AGFI, NFI und CFI, die jeweils bei 1,00 liegen, gefolgert werden kann. Das RMR von 0,03 unterstreicht die hohe Modellgüte genauso wie das Cronbachs Alpha von 0,93. Zu erwähnen ist, dass die KFA mit dem ULS-Verfahren erfolgte, da die Indikatoren nicht normalverteilt sind (p < 0,05). Weiterhin bestätigte die exploratorische Faktorenanalyse auf Basis des Kaiser-Kriteriums die Undimensionalität des gemessenen Konstrukts (1. Eigenwert: 3,31; 2. Eigenwert: 0,34).

Indikatorenebene Konstruktebene

Indikator Ladung Indikator-reliabilität

DEV Faktor-reliab.

Globale Anpassungsmaße

Cronbachs Alpha

Kriterium > 0,70 > 0,50 > 0,50 > 0,60 > 0,9 < 0,1 > 0,70

LoyGe1 0,81 0,66

LoyGe2 0,95 0,90

LoyGe3 0,84 0,71

LoyGe458 0,64 -

LoyGe5 0,89 0,79

0,76 0,93 GFI: 1,00 AGFI: 1,00 NFI: 1,00 CFI: 1,00

RMR: 0,03 0,93

Tabelle 54: Parameterschätzungen und Gütekriterien des Konstrukts „Loyalität zum Geschäft“ im Pretest

Die Messung des Konstrukts Loyalität zum Geschäft mittels der vier Indikatoren LoyGe1, LoyGe2, LoyGe3 und LoyGe4 führte im Pretest zu einem Messmodell mit hoher Güte und wird deshalb in der Hauptuntersuchung in dieser veränderten Form verwendet.

Beurteilung der Diskriminanzvalidität

Um eine reliable und valide Messung der endogenen Konstrukte in der Hauptuntersuchung sicherzustellen, ist im Rahmen des Pretests zu überprüfen, ob die vorgeschlagenen Messmodelle der verschiedenen Konstrukte auch tatsächlich

58 Von der weiteren Analyse ausgeschlossen

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322

inhaltlich unterschiedliche Größen messen. Deshalb soll die Diskriminanzvalidität der vorgeschlagenen Konstruktmessung anhand des Fornell-Larcker Kriteriums beurteilt werden. Wie Tabelle 55 zeigt, ist dieses Kriterium für alle Konstrukte erfüllt, d. h. für alle Konstrukte gilt, dass die DEV höher ist als die quadrierte Korrelation der zugehörigen latenten Variablen mit allen anderen latenten Variablen. Der Wert einer latenten Variablen wird hierbei durch den ungewichteten Mittelwert ihrer Indikatoren berechnet, was der reflektiven Operationalisierung der endogenen Konstrukte entspricht (siehe hierzu auch die detaillierteren Ausführungen auf S. 249).

Faktoren Zufriedenheit Kaufprozess

Kognitive Dissonanz

Zufriedenheit Produkt

Loyalität Marke

Loyalität Geschäft

Zufriedenheit Kaufprozess 0,645 quadrierte Korrelationen

Kognitive Dissonanz 0,674 0,151

Zufriedenheit Produkt 0,629 0,291 0,343

Loyalität Marke 0,677 0,045 0,036 0,085

Loyalität Geschäft 0,764 0,180 0,085 0,263 0,259

DEV 0,645 0,674 0,629 0,677 0,764

Tabelle 55: Ergebnisse der Überprüfung des Fornell-Larcker-Kriteriums der Konsequenzgrößen im Pretest

Zusammenfassung der Ergebnisse des Pretests

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass drei der vorgeschlagenen Messmodelle der endogenen Konstrukte aufgrund der Ergebnisse des Pretests leicht angepasst werden müssen. So musste bei den Konstrukten Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt, Loyalität zur Marke und Loyalität zum Geschäft jeweils ein Item aus dem Messmodell entfernt werden. Die angepassten Itembatterien erreichten alle im Pretest eine hohe Güte und kommen in entsprechend modifizierter Art in der Haupt-untersuchung zum Einsatz. Wie Tabelle 56 zeigt, werden die endogenen Konstrukte in der Hauptuntersuchung jeweils durch vier bzw. fünf Items gemessen, so dass die Folgen hoher Produktvielfalt durch insgesamt 21 Fragen abgedeckt werden.

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323

Anzahl der Indikatoren Konstrukt Operationalisierung

(ursprünglich) Eliminiert

(nach Pretest) Hauptuntersuchung

Zufriedenheit Kaufprozess 4 0 4

Kognitive Dissonanz 4 0 4

Zufriedenheit Produkt 6 1 5

Loyalität Marke 5 1 4

Loyalität Geschäft 5

24

1 4

21

Tabelle 56: Anzahl der Indikatoren zur Messung der endogenen Konstrukte vor und nach dem Pretest

Nach der Operationalisierung der endogenen Konstrukte und deren Überprüfung im Rahmen eines Pretests können nun die Ergebnisse der Hauptuntersuchung hinsichtlich der Messmodelle und der Beziehungen der Größen des Gesamtmodells beschrieben werden.

4.3.2 Ergebnisse des PLS-Modells der Hauptuntersuchung

Nachfolgend werden zunächst die Ergebnisse der Parameterschätzung des PLS-Messmodells der endogenen Konstrukte beschrieben. Im Anschluss daran erfolgt die Erläuterung und Diskussion der Resultate auf Strukturmodellebene. Anhand dieser lassen sich die formulierten Hypothesen zur Wirkung von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt auf die der Kaufhandlung nachgelagerten Größen überprüfen.

4.3.2.1 Ebene 1: Messmodelle der endogenen Konstrukte

Da alle endogenen Konstrukte reflektiv operationalisiert wurden, kommen zur Gütebeurteilung der Messung die bereits auf Faktorenebene des Wertkonstrukts verwendeten Gütekriterien zur Anwendung (siehe Kapitel 3.4.1.3, S. 260ff.). In Tabelle 57 sind die Ergebnisse der Gütemaße für die endogenen Konstrukte aufgeführt.

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324

Indikatorenebene Konstruktebene

Indikator Ladung t-Wert (Ladung)

DEV Interne Konsistenz

Q2

(Kom) Eigenwerte

(EW) Cronbachs

Alpha

Kon

stru

kt

Kriterium > 0,70 > 1,98 > 0,50 > 0,60 > 0 1. EW > 1 2. EW < 1

> 0,70

SatProz1 0,756 30,005

SatProz2 0,884 91,371

SatProz3 0,891 76,144

Zufr

iede

nhei

t K

aufp

roze

ss

SatProz4 0,791 31,024

0,693 0,900 0,484 2,775 0,559

0,851

KogDis159 0,517 -

KogDis2 0,735 17,351

KogDis3 0,798 26,152

Kog

nitiv

e D

isso

nanz

KogDis4 0,851 39,232

0,633 0,838 0,281 1,902 0,624

0,711

SatProd1 0,796 30,904

SatProd2 0,782 28,154

SatProd3 0,871 50,372

SatProd4 0,813 31,582 Zufr

iede

nhei

t Pr

oduk

t

SatProd5 0,820 34,028

0,667 0,909 0,501 3,359 0,522

0,877

LoyMa1 0,779 13,369

LoyMa2 0,742 10,953

LoyMa3 0,894 36,899 Loya

lität

M

arke

LoyMa5 0,848 25,063

0,669 0,889 0,449 2,717 0,680

0,842

LoyGe1 0,895 90,632

LoyGe2 0,867 53,421

LoyGe3 0,912 82,137 Loya

lität

G

esch

äft

LoyGe5 0,894 69,702

0,796 0,940 0,635 3,188 0,409

0,915

Tabelle 57: Ergebnisse der Analysen des Messmodells (Ebene 1) für die endogenen Konstrukte

Betrachtet man zunächst auf Indikatorenebene die Faktorladungen der Indikatoren der einzelnen Konstrukte, so ist zu erkennen, dass bis auf das Item KogDis1 (Ich frage mich, ob ich wirklich eine Digitalkamera/einen DVD-Player brauche) alle Ladungen den Grenzwert von 0,7 übersteigen. Der Indikator KogDis1 ist deshalb von den weiteren Analysen auszuschließen. Die Ladungen der verbleibenden Items weisen t-Werte zwischen 10,953 und 91,371 auf und sind daher als signifikant bzw. hochsignifikant einzustufen. Inhaltsvalidität und Indikatorreliabilität können damit als gegeben angenommen werden (siehe Tabelle 26, S. 266).

59 Von den weiteren Analysen ausgeschlossen

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325

Die Überprüfung der Konvergenzvalidität erfolgt auf Konstruktebene anhand der DEV (Durchschnittlich Erfasste Varianz), der Internen Konsistenz, der Eigenwerte und des Cronbachs Alpha. Alle Konstrukte weisen eine DEV von über 0,633 auf und liegen damit deutlich über dem Grenzwert von 0,50. Gleiches gilt für die interne Konsistenz, deren Werte zwischen 0,838 und 0,936 liegen und damit den minimalen Toleranzwert von 0,60 deutlich überschreiten. Alle Konstrukte erfüllen auch das Kaiser-Kriterium, d. h. bei allen Konstrukten liegt der erste Eigenwert der Korrelationsmatrix der manifesten Variablen über 1 und der zweite darunter. Die Konvergenzvalidität und Reliabilität der Messmodelle kommt auch in den relativ hohen Cronbachs Alpha-Werten zum Ausdruck. Lediglich das Konstrukt Kognitive Dissonanz ist mit einem Wert von 0,711 diesbezüglich als grenzwertig einzustufen. Schließlich erfüllen alle Konstrukte auch das Kriterium hinsichtlich des Stone-Geissers Q2, da der Q2-Wert bezüglich der Kommunalität aller latenten Variablen positiv ist. Damit kann von Prognosevalidität des jeweiligen Messmodells auf Konstruktebene ausgegangen werden.

Zusammenfassend erfüllen die Messungen aller endogenen Konstrukte die verwendeten Gütekriterien sowohl auf Indikatoren- als auch auf Konstruktebene.

Als nächstes ist die Diskriminanzvalidität zu überprüfen, d. h. es wird getestet, ob die verschiedenen Messinstrumente auch tatsächlich inhaltlich verschiedene Aspekte messen. Den Ausgangspunkt bildet hierzu eine exploratorische Faktorenanalyse für alle fünf endogenen Konstrukte. Es kommt eine Hauptachsenanalyse mit schiefwinkliger Rotation (Direct-Oblimin) zum Einsatz. Tabelle 58 zeigt die in SPSS ermittelten rotierten Faktorladungen. Der Empfehlung von Homburg (1995, S. 93) folgend, wurden hierbei alle Faktorladungen, die betragsmäßig den Wert von 0,4 übersteigen, hervorgehoben, um so zu erkennen, auf welche Faktoren die einzelnen Indikatoren besonders stark laden. Zu erkennen ist, dass alle Indikatoren außer SatProz1 (Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit Ihrem Einkaufs- und Entscheidungs-prozess?) eindeutig auf „ihren“ zugehörigen Faktor laden. Dies ist ein erster Hinweis auf die Diskriminanzvalidität der Messung. Um diese besser beurteilen zu können, wurden weiterhin die Korrelationen zwischen manifesten und latenten Variablen untersucht. Tabelle 59 zeigt, dass die manifesten Variablen jeweils stark mit der zugehörigen latenten Variablen korrelieren und lediglich zwischen den manifesten und latenten Variablen der Konstrukte Zufriedenheit mit dem Kaufprozess und Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt Korrelationen über 0,5 existieren. Die manifeste Variable SatProz1 ist besonders zu beachten, da sie bei der Faktorenanalyse nicht eindeutig auf einen Faktor geladen hat. Sie korreliert aber am stärksten mit

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326

„ihrer“ latenten Variablen Zufriedenheit mit dem Kaufprozess und wird deshalb nicht von der weiteren Analyse ausgeschlossen.

lat. Var. man. Var.

Zufriedenheit Produkt

Loyalität Marke Loyalität Geschäft

Zufriedenheit Prozess

Kognitive Dissonanz

SatProz1 0,3666 -0,1375 -0,1756 -0,1290 -0,2051

SatProz2 0,1305 -0,0305 -0,0005 -0,5783 -0,1743

SatProz3 -0,0932 0,0964 -0,0380 -0,9215 -0,0535

SatProz4 0,1566 -0,0789 -0,0322 -0,6001 0,0191

KogDis2 -0,0682 0,0386 0,0271 -0,0188 0,5634

KogDis3 0,0088 -0,0501 -0,0295 0,1090 0,6133

KogDis4 0,0177 -0,0121 0,0190 0,0321 0,7475

SatProd1 0,6403 0,1503 -0,0339 0,0207 -0,0979

SatProd2 0,7379 -0,1118 -0,0599 0,0388 -0,0657

SatProd3 0,7882 0,0148 -0,0728 -0,0064 -0,0387

SatProd4 0,7863 0,0387 0,0252 -0,0711 0,1121

SatProd5 0,7251 0,0941 0,0983 -0,0984 -0,0125

LoyMa1 0,0447 0,7274 -0,0942 -0,0348 0,2077

LoyMa2 -0,0070 0,7278 0,0140 -0,0031 0,0328

LoyMa3 0,1413 0,7448 -0,0191 0,1241 -0,1479

LoyMa5 -0,0514 0,7481 -0,0569 -0,0834 -0,0816

LoyGe1 0,0136 -0,0011 -0,7990 -0,0770 0,0224

LoyGe2 -0,0450 0,0023 -0,7477 -0,0558 -0,0261

LoyGe3 0,0059 -0,0021 -0,9474 0,0894 -0,0059

LoyGe5 0,0267 0,0847 -0,8138 0,0197 0,0246

Tabelle 58: Rotierte Faktorladungen der Konsequenzen (Oblimin Rotation)

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327

lat. Var. man. Var.

Loyalität Geschäft

Loyalität Marke Zufriedenheit Produkt

Kognitive Dissonanz

Zufriedenheit Prozess

SatProz1 0,5303 0,7561

SatProz2 0,8842

SatProz3 0,8909

SatProz4 0,7911

KogDis2 0,7346

KogDis3 0,7982

KogDis4 0,8505

SatProd1 0,7987

SatProd2 0,7817 0,5017

SatProd3 0,8738 0,5164

SatProd4 0,8159

SatProd5 0,8227

LoyMa1 0,7791

LoyMa2 0,7424

LoyMa3 0,8938

LoyMa5 0,8475

LoyGe1 0,8953

LoyGe2 0,8671

LoyGe3 0,9117

LoyGe5 0,8938

Tabelle 59: Korrelationen manifester und latenter Variablen der Konsequenzen (zur besseren Lesbarkeit wurden Korrelationen unter 0,5 nicht abgebildet) (p < 0,01)

Zur abschließenden Beurteilung der Diskriminanzvalidität dient das Fornell-Larcker- Kriterium. Die mit Hilfe von PLS-Graph berechneten Ergebnisse sind in Tabelle 60 dargestellt und zeigen, dass alle latenten Variablen das Kriterium erfüllen. Hierzu ist kritisch anzumerken, dass PLS die Beziehungen zwischen Konstrukten tendenziell unterschätzt und die Zusammenhänge zwischen manifesten und latenten Variablen überschätzt. Dadurch wird die durchschnittlich erfasste Varianz eher überschätzt und die Korrelationen werden tendenziell unterschätzt. Dies hat insgesamt einen positiven Einfluss auf die Erfüllung des Fornell-Larcker-Kriteriums. Da das Fornell-Larcker Kriterium aber ein relativ hartes Kriterium ist (vgl. Homburg 1995, S. 85), kann insbesondere dann, wenn es von allen Faktoren deutlich erfüllt wird, von Diskriminanzvalidität ausgegangen werden. Wie Tabelle 60 zeigt, ist die DEV im schlechtesten Fall doppelt so hoch wie die quadrierten Korrelationen der

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328

entsprechenden latenten Variablen (Zufriedenheit Kaufprozess und Zufriedenheit Produkt). Das Fornell-Larcker Kriterium wird also recht deutlich erfüllt.

Zusammen mit den Ergebnissen der exploratorischen Faktorenanalyse und der Korrelationsanalyse manifester und latenter Variablen kann aus der deutlichen Erfüllung des Fornell-Larcker Kriteriums auf die Diskriminanzvalidität der Messung der endogenen Konstrukte geschlossen werden.

Konstrukt Zufriedenheit Kaufprozess

Kognitive Dissonanz

Zufriedenheit Produk

Loyalität Marke

Loyalität Geschäft

Zufriedenheit Kaufprozess 0,693 Quadrierte Korrelationen

Kognitive Dissonanz 0,633 0,295

Zufriedenheit Produkt 0,667 0,335 0,185

Loyalität Marke 0,669 0,010 0,001 0,087

Loyalität Geschäft 0,796 0,264 0,051 0,117 0,155

DEV 0,693 0,633 0,667 0,669 0,796

Tabelle 60: Ergebnisse der Überprüfung des Fornell-Larcker-Kriteriums der Konsequenzen

Nachdem die Messmodelle der endogenen latenten Variablen als reliabel und valide bezeichnet werden können, kann im nächsten Schritt die Beziehungen zwischen Kosten und Nutzen von Produktvielfalt und den endogenen Variablen, sowie die Beziehungen dieser untereinander analysiert werden. Dies ermöglicht insbesondere die Überprüfung der formulierten Hypothesen. Hierzu werden die Ergebnisse der Parameterschätzung und der Gütemaße zunächst dargestellt und anschließend interpretiert.

4.3.2.2 Ebene 2: Strukturmodell

Ergebnisse der Parameterschätzungen und Gütemaße des Strukturmodells

Zur Beurteilung des Strukturmodells kommen die in Kapitel 4.1.2 (S. 303ff.) beschriebenen Gütekriterien zur Anwendung. Zentrale Elemente sind hierbei die

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329

Pfadkoeffizienten zwischen exogenen und endogenen, sowie zwischen endogenen Variablen und die erklärte Varianz, also das Bestimmtheitsmaß R2 der abhängigen Variablen. Abbildung 68 stellt das Strukturmodell und die in PLS geschätzten Pfadkoeffizienten zwischen den Variablen zusammen mit den erklärten Varianzen der Zielkonstrukte (R2) dar.

ZP

KD

Eval

uatio

n un

d zu

künf

tige

Verh

alte

nsab

sich

t

NPV KPV

Kon

stru

kt

Nutzen Kosten

Zufriedenheit Prozess

kognitive Dissonanz

Loyalität Geschäft

Loyalität Marke

Zufriedenheit ProduktZPr

LMLG

0,295R2=0,425 R2=0,087

0,497

0,227

0,189- 0,4210,338

- 0,231

0,194

0,513

R2=0,444

R2=0,332

R2=0,505

- 0,362

0,344

Abbildung 68: Pfaddiagramm der mittel- und langfristigen Konsequenzen der Kosten und Nutzen von Produktvielfalt

Betrachtet man zunächst die Höhe und das Vorzeichen der Pfadkoeffizienten, so ist zu erkennen, dass alle betragsmäßig über dem Grenzwert von 0,1 liegen und bis auf die Beziehung zwischen den KPV und der Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt das vermutete Vorzeichen haben. Die Hypothese 4 (negativer Zusammenhang zwischen den KPV und der Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt) muss deshalb abgelehnt werden. Im anschließenden Diskussionsteil wird hierauf noch näher eingegangen. Abbildung 68 sind weiterhin die Anteile der erklärten Varianz (R2) zu entnehmen. Für die Zielkonstrukte Zufriedenheit mit dem Kaufprozess, Zufriedenheit mit dem Produkt und Loyalität zum Handel ist diese mit Werten von 50,5%, 44,4% und 42,5% als „gut“ zu bezeichnen (vgl. Chin 1998a, S. 323). Die Varianz der Kognitiven Dissonanz kann mit 33,2% dagegen nur befriedigend erklärt werden und

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330

der erklärte Varianzanteil der Loyalität zur Marke ist mit 8,7% deutlich zu gering. Die Hypothese 14 (positiver Zusammenhang von Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt und Loyalität zur Marke) kann deshalb nicht aufrecht erhalten werden.

Zur weiteren Überprüfung der Hypothesen ist die Signifikanz der Pfadkoeffizienten zwischen den Konstrukten anhand der auf dem Bootstrapping-Verfahren basierenden t-Werte zu beurteilen. Diese sind zusammen mit weiteren Gütekriterien in Tabelle 61 aufgeführt und liegen mit Werten zwischen 2,89 und 14,30 teilweise deutlich über dem geforderten Mindestwert von 1,98. Alle Pfadkoeffizienten können deshalb als signifikant bezeichnet werden.

Hat ein Zielkonstrukt mehr als ein Ausgangskonstrukt, können mit der Effektgröße f2 und dem Variance Inflation Factor (VIF) zwei weitere Gütemaße auf der Ebene dieser exogenen Konstrukte angegeben werden. Die Effektgröße f2 gibt Auskunft darüber, ob ein Konstrukt einen substanziellen Einfluss auf ein ihm im Strukturmodell nachfolgendes Konstrukt hat. Die berechneten f2-Werte zeigen, dass einige Konstrukte sehr großen Einfluss auf nachfolgende Größen haben, was z. B. beim NPV und der Zufriedenheit mit dem Kaufprozess der Fall ist (f2 = 0,438). Der Erklärungsbeitrag anderer Konstrukte, wie beispielsweise der Zufriedenheit mit dem Kaufprozess zur Loyalität zum Geschäft ist dagegen relativ gering (f2 = 0,04). Als untere Grenze wurde ein Wert von 0,05 als sinnvoll erachtet. Dieser ist aber nicht als „hartes Kriterium“ zu verstehen, da es in der Literatur keine dem Verfasser bekannten Richtlinien gibt. So schließen z. B. Gefen, Straub und Boudreau (2000) von f2-Werten in Höhe von 0,02, 0,15 bzw. 0,55 auf einen geringen, mittleren bzw. großen Einfluss eines Konstrukts auf ein achfolgendes (vgl. S. 65). In diesem Sinne ist der Einfluss der KPV auf die Zufriedenheit mit dem Produkt als gering zu bezeichnen. Gleiches gilt für die Beziehung zwischen der Zufriedenheit mit dem Kaufprozess und der Loyalität zum Geschäft. Der VIF liegt für alle Konstrukte unter dem Wert von 2 und unterschreitet damit den Grenzwert von 10 deutlich. Folglich kann die Multikollinearität der latenten Variablen, die ein gemeinsames Zielkonstrukt haben, ausgeschlossen werden.

Auf der Ebene der (reflektiven) Zielkonstrukte ist neben dem Bestimmtheitsmaß auch das auf Redundanzen basierende Stone-Geissers Q2 Ausdruck für die Prognose-relevanz des jeweiligen Modells. Mit Ausnahme des „Erklärungsmodells“ der Loyalität zur Marke, dessen Hypothese ja bereits abgelehnt wurde, haben alle Zielkonstrukte einen positiven Q2-Wert. Im Fall der drei latenten Variablen Zufriedenheit mit dem Kaufprozess, Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt und

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331

Loyalität zum Geschäft wird der Grenzwert von 0 dabei deutlich überschritten. Die Erklärungskraft des Gesamtmodells ist damit als gut inzustufen.

Ausgangskonstruktebene (exogene Variable)

Zielkonstruktebene (endogene Var.)

Pfadko-effizient

t-Wert (Pfadko-effizient)

VIF f2 R2 Q2 (Redu.) Exogene

Konstrukte

Zielkonstrukt Hypo-these

⏐⏐> 0,1 > 1,98 < 10 > 0,05 > 0,3 > 0

NPV + ( ) 0,497 14,305 1,139 0,438

KPV

Zufriedenheit Kaufprozess

– ( ) -0,362 9,833 1,139 0,232 0,505 0,288

KPV + ( ) 0,227 3,695 1,397 0,057

Zufriedenheit Prozess

Kognitive Dissonanz

– ( ) -0,421 7,633 1,397 0,192 0,332 0,050

NPV + ( ) 0,338 6,161 1,397 0,126

KPV – ( ) 0,189 2,887 1,412 0,045

Kognitive Dissonanz – ( ) -0,231 4,622 1,511 0,065

Zufriedenheit Prozess

Zufriedenheit Produkt

+ ( ) 0,344 4,670 1,972 0,092

0,444 0,175

NPV + ( ) 0,513 11,276 1,626 0,278

Zufriedenheit Kaufprozess

Loyalität Geschäft

+ ( ) 0,194 3,546 1,626 0,040 0,425 0,242

Zufriedenheit Produkt

Loyalität Marke + ( ) 0,295 4,711 – (n.a.) –

(n.a.) 0,087 -0,844

Tabelle 61: Gütemaße des Strukturmodells (2. Ebene)

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332

Die Ergebnisse der Überprüfung der Gütekriterien lassen sich damit folgendermaßen zusammenfassen:

Zwei Hypothesen müssen abgelehnt werden:

- Der Zusammenhang zwischen den Kosten von Produktvielfalt und der Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt ist nicht wie vermutet negativ, sondern (signifikant) positiv.

- Die erklärte Varianz der Loyalität zur Marke durch das Konstrukt Zufriedenheit mit dem Produkt ist zu gering und die Beziehung daher als nicht signifikant einzustufen.

Alle weiteren Hypothesen können aufrechterhalten werden.

Die Erklärungsmodelle der Zielkonstrukte sind mit Ausnahme der latenten Variablen Kognitive Dissonanz als gut einzustufen.

Das Wirkungsmodell der KPV und NPV auf die Kaufevaluation und die zukünftige Verhaltensabsicht gegenüber dem Handel konnte insgesamt bestätigt werden.

Interpretation der Ergebnisse

Die Interpretation der Ergebnisse erfolgt für die aufrechterhaltenen Hypothesen im Wesentlichen anhand der Höhe und Richtung der Pfadkoeffizienten, sowie der Höhe der erklärten Varianz der Zielkonstrukte. Bei der Konstruktebene des Messmodells (Ebene 2) wurde hierzu das Bestimmtheitsmaß in die Bestandteile Korrelation und Pfadkoeffizient zerlegt und so der relative Erklärungsbeitrag jedes vorgelagerten Konstrukts zum Zielkonstrukt berechnet. Voraussetzung für diese „Zerlegung“ ist, dass für jede Beziehung zwischen unabhängiger und abhängiger Variable die Korrelations- und Pfadkoeffizienten dasselbe Vorzeichen haben (vgl. Tenenhaus et al. 2004, S. 21; siehe auch S. 291). Da der Pfadkoeffizient zwischen KPV und Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt positiv ist (0,189), der Korrelations-koeffizient der beiden latenten Variablen aber ein negatives Vorzeichen hat (-0,219), ist dieses Verfahren hier nicht anwendbar. Um die Beurteilung der Einflussstärke der jeweiligen Konstrukte für alle Beziehungen konsistent zu gestalten, erfolgt diese anhand der Pfadkoeffizienten. Hierzu wird der betragsmäßige Anteil eines Konstrukts an der betragsmäßigen Summe der Pfadkoeffizienten aller mit einem Zielkonstrukt

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333

verbundenen Ausgangsvariablen berechnet. Auf dieser Basis kann der Einfluss jeder unabhängigen Variablen auf die abhängige bestimmt werden.

Die Interpretation der Ergebnisse wird nach den Zielkonstrukten strukturiert, wobei das Konstrukt Loyalität zur Marke ausgeschlossen wird, da die entsprechende Hypothese abgelehnt wurde.

Zufriedenheit mit dem Kaufprozess

Sowohl Kosten als auch Nutzen von Produktvielfalt wirken sich auf die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess aus, allerdings in entgegengesetzter Richtung: Wie erwartet, führt die Zunahme der positiven Aspekte von Produktvielfalt zu einer Erhöhung der Zufriedenheit mit dem Kaufprozess, eine Steigerung der Vielfaltskosten wirkt sich dagegen negativ aus. Die Einflussstärke der Nutzenaspekte ist dabei mit 58% etwas höher als die der Kosten (42%) (siehe Tabelle 62). Dennoch ist der starke negative Einfluss hoher Produktvielfalt auf die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess fast erstaunlich. Die Vielfalt erschwert die Entscheidungsfindung für den Konsumenten offenbar so sehr, dass sich dies in starkem Maße negativ auf seine Zufriedenheit auswirkt. Damit konnte empirisch gezeigt werden, dass sich hohe Produktvielfalt nicht nur unmittelbar negativ auf die Kaufintention (siehe Kapitel 4.2), sondern auch auf die Evaluation des Kauferlebnisses und damit auf die der Kaufhandlung nachfolgende Phase auswirkt.

Einflussstärke auf die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess

Gesamteinfluss Ausgangs-konstrukte

Direkt Indirekt absolut relativ

NPV 0,497 - 0,497 58%

KPV -0,362 - -0,362 42%

Summe (Beträge der Gesamteinflüsse) 0,859 100%

Tabelle 62: Einflussstärke der KPV und NPV auf die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess

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334

Kognitive Dissonanz

Die kognitive Dissonanz stellt gewissermaßen die Verbindung zwischen dem Kaufprozess und der Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt dar und wird deshalb häufig als Antezedenz dieser betrachtet (vgl. Oliver 1996, S. 259f.). Die empirische Untersuchung hat die vermutete positive Beziehung zwischen den KPV und der kognitiven Dissonanz bestätigt. Je stärker folglich die negativen Aspekte von Vielfalt ausgeprägt sind, desto höher ist die kognitive Dissonanz, die der Konsument im Anschluss an seine Entscheidung empfindet. Dagegen wirkt sich die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess negativ auf die kognitive Dissonanz aus, d. h. je zufriedener ein Konsument mit seinem Kauf- und Entscheidungsprozess ist, desto geringer ist seine empfundene kognitive Dissonanz. Die Einflussstärke der beiden unmittelbaren Bestimmungsgrößen KPV und Zufriedenheit mit dem Kaufprozess ist mit 47% und 53% in etwa gleich groß (siehe Tabelle 63). Zu beachten ist hierbei, dass sich die Vielfaltskosten sowohl direkt als auch indirekt über die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess auf die Kognitive Dissonanz auswirken.

Einflussstärke auf die Kognitive Dissonanz

Gesamteinfluss Ausgangs-konstrukte

Direkt Indirekt absolut relativ

KPV 0,227 0,152 ( = -0,362 x -0,421) 0,379 47%

Zufriedenheit Prozess -0,421 - -0,421 53%

Summe (Beträge der Gesamteinflüsse) 0,800 100%

Tabelle 63: Stärke der direkten Einflussgrößen der Kognitiven Dissonanz

Neben den direkten Einflussgrößen interessiert in dieser Untersuchung insbesondere, wie sich die KPV und NPV – und damit die Sortimentsgröße – auf die Entstehung kognitiver Dissonanz auswirken. Dazu werden die Einflussstärken der KPV und NPV auf die Kognitive Dissonanz berechnet und miteinander verglichen. Die Nutzenaspekte wirken sich hierbei nicht direkt, sondern über den Mediator Zufriedenheit mit dem Kaufprozess aus. Wie die in Tabelle 64 dargestellten Ergebnisse der Berechnungen zeigen, ist der Dissonanz steigernde Einfluss der Kostenaspekte mit 64% deutlich stärker, als der reduzierende Effekt der Nutzenaspekte. Die Kognitive Dissonanz wird folglich stärker durch die aus hoher Produktvielfalt resultierende Entscheidungs-schwierigkeit gefördert, als durch die positiven Vielfaltsaspekte reduziert. Um die

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Kognitive Dissonanz zu reduzieren, ist die Reduktion der KPV folglich der effektivere Hebel als die Betonung der Nutzenaspekte. Händler sollten folglich versuchen, durch entsprechende Maßnahmen die Entscheidungsschwierigkeiten der Konsumenten zu reduzieren, um so die Entstehung kognitiver Dissonanz zu vermeiden.

Einflussstärke auf die Kognitive Dissonanz

Gesamteinfluss Kosten und Nutzen

Direkt Indirekt absolut relativ

NPV - -0,209 -0,209 36%

KPV 0,227 0,152 0,379 64%

Summe (Beträge der Gesamteinflüsse) 0,588 100%

Tabelle 64: Einflussstärke der Kosten und Nutzen von Produktvielfalt auf die die Kognitive Dissonanz

Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt

Die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt wird im Modell direkt durch vier Konstrukte beeinflusst, die teilweise zusätzlich indirekte Effekte über Mediatoren aufweisen. Zu diskutieren ist hierbei vor allem der Einfluss der KPV auf die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt. Die Hypothese 4, die von einem negativen Einfluss der KPV auf die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt ausgegangen ist, konnte nicht bestätigt werden, da die empirische Untersuchung einen signifikanten positiven Einfluss aufgezeigt hat. Gleichzeitig korrelieren aber die beiden latenten Variablen negativ (r = -0,219) und der indirekte Wirkungseffekt über die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess und der Kognitiven Dissonanz ist negativ. Direkte und indirekte Wirkung stehen einander somit entgegen und heben sich gegenseitig fast auf. Dies bewirkt, dass der Nettoeinfluss der KPV mit 2% sehr gering ist (siehe Tabelle 65). Ein möglicher Erklärungsansatz für den positiven direkten Zusammenhang von Kostendimension und Produktzufriedenheit ist folgender: Entscheidet sich ein Konsument trotz der großen Schwierigkeit für den Kauf eines Produkts, kann er dies als eine Art „Erlösung“ von seiner Entscheidungsaufgabe empfinden und dabei der Logik folgen, dass das gekaufte Produkt gut sein muss, da er sich während des Kaufprozesses sehr angestrengt hat, um dieses auszuwählen. Er durchläuft also eine Art „Prozess der selbst-erfüllenden Prophezeiung“ (Self-Fulfilling Prophecy).

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Den stärksten Einfluss auf die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt hat mit 44% die Nutzendimension. Dies ist auch naheliegend, da mit der Zunahme der Vielfalt die Wahrscheinlichkeit steigt, dass ein Konsument ein Produkt findet, das seinen Erwartungen entspricht und somit gemäß dem Expectation-Disconfirmation Paradigma (vgl. Yi 1990, S. 87ff.) zur Zufriedenheit mit diesem führt. Unerwartet hoch ist dagegen der positive Einfluss der Zufriedenheit mit dem Kaufprozess. Die Ergebnisse zeigen, dass 35% der erklärbaren Produktzufriedenheit auf den Kaufprozess zurückzuführen sind. Für Hersteller bedeutet dies, dass sie die Zufriedenheit mit ihrem Produkt auch dadurch beeinflussen können, dass sie dem Kunden den Kaufprozess erleichtern. Eine intensive Zusammenarbeit mit dem Handel zur Verbesserung der Kauf- und Entscheidungsprozesse der Konsumenten macht folglich für einen Hersteller durchaus Sinn. Anzumerken ist hierbei, dass der Effekt durch das Untersuchungsdesign wahrscheinlich etwas überschätzt wird, da unmittelbar nach der Kaufentscheidung nur die antizipierte und nicht die tatsächliche Produktzufriedenheit nach einer intensiven Nutzungszeit erfragt werden kann. Die Ergebnisse können aber dennoch eine Grundtendenz aufzeigen. Als letztes konnte die Untersuchung den in der Literatur beschriebenen negativen Zusammenhang von kognitiver Dissonanz und Produktzufriedenheit bestätigen (vgl. Oliver 1996, S. 259f.). Sind sich Käufer nach der Kaufentscheidung unsicher, das richtige Produkt gekauft zu haben, wird dadurch die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt negativ beeinflusst. Auch hier gilt die Einschränkung in Bezug auf die Erhebungsmethodik.

Einflussstärke auf die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt

Gesamteinfluss Ausgangs-konstrukte

Direkt Indirekt absolut relativ

NPV 0,338 0,219 0,557 44%

KPV 0,189 -0,212 -0,023 2%

Kognitive Dissonanz -0,231 - -0,231 18%

Zufriedenheit Prozess 0,344 0,097 0,441 35%

Summe (Beträge der Gesamteinflüsse) 1,252 100%

Tabelle 65: Stärke der direkten Einflussgrößen der Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt

Betrachtet man abschließend den Einfluss der KPV und NPV auf die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt (siehe Tabelle 66), so zeigt sich, dass die KPV mit 4%

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337

einen vernachlässigbaren Nettoeinfluss haben. Zurückzuführen ist dies auf die oben schon erläuterten gegenläufigen direkten (0,189) und indirekten (-0,212) Auswirkungen, die sich gegenseitig aufheben.

In letzter Konsequenz heißt dies, dass sich die negativen Aspekte hoher Produktvielfalt, die im Kern die Schwierigkeit bei der Entscheidungsfindung betreffen, nicht negativ auf die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt auswirken.

Einflussstärke die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt

Gesamteinfluss Kosten und Nutzen

Direkt Indirekt absolut relativ

NPV 0,338 0,219 0,557 96%

KPV 0,189 -0,212 -0,023 4%

Summe (Beträge der Gesamteinflüsse) 0,580 100%

Tabelle 66: Einflussstärke der Kosten und Nutzen von Produktvielfalt auf die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt

Loyalität zum Geschäft

Die Loyalität zum Geschäft wird in dem hier untersuchten Modell direkt durch die NPV und das Konstrukt Zufriedenheit mit dem Kaufprozess bestimmt. Mit 76% der Einflussstärke ist dabei das Nutzenkonstrukt rund dreimal so einflussreich wie die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess. Dies unterstreicht, dass ein umfassendes Sortiment die Wahl der Einkaufsstätte und damit auch die Loyalität zu einem bestimmten Geschäft wesentlich beeinflusst (vgl. auch Hoch/Bradlow/Wansik 1999, S. 527; siehe auch S. 3). Trotz der starken Bedeutung der Sortimentsaspekte sollte nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Ablauf der Kaufentscheidung und des Kaufprozesses die Loyalität zu einem Geschäft ebenfalls signifikant positiv beeinflusst. So sind Konsumenten, die mit ihrem Entscheidungsprozess in einem Geschäft zufrieden sind, diesem gegenüber loyaler, was auch beinhaltet, dass sie es weiterempfehlen. Ein Einzelhändler sollte deshalb bemüht sein, seinen Konsumenten sowohl ein gutes Sortiment, als auch einen angenehmen Kaufprozess zu bieten, indem er z. B. den Entscheidungsprozess durch Berater aktiv unterstützt und dadurch erleichtert.

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Einflussstärke auf die Loyalität zum Geschäft

Gesamteinfluss Ausgangs-konstrukte

Direkt Indirekt absolut relativ

NPV 0,513 0,096 0,609 76%

Zufriedenheit Kaufprozess 0,194 - 0,194 24%

Summe (Beträge der Gesamteinflüsse) 0,803 100%

Tabelle 67: Stärke der direkten Einflussgrößen auf die Loyalität zum Geschäft

Vergleicht man abschließend den Einfluss der KPV und NPV auf die Loyalität zum Geschäft, so wiederholt sich das Ergebnis, dass Konsumenten die Vorteile eines großen Sortiments an einem Geschäft schätzen. So entfallen 90% des Einflusses auf die Loyalität zum Geschäft auf das Nutzenkonstrukt. Die Ergebnisse zeigen dennoch, dass die negativen Aspekte hoher Produktvielfalt die Loyalität zu einem Geschäft mindern. Einzelhändler können folglich durch die Ausweitung des Sortiments die Loyalität ihrer Kunden nur bedingt erhöhen, da die negativen Aspekte von Vielfalt die positive Wirkung mindern. Ob der Einfluss der KPV mit steigender Sortimentstiefe zunimmt, bleibt dabei offen und könnte in weiterführenden Untersuchungen mit experimentellem Charakter betrachtet werden.

Einflussstärke auf die Loyalität zum Geschäft

Gesamteinfluss Kosten und Nutzen

Direkt Indirekt absolut relativ

NPV 0,513 0,096 0,609 90%

KPV - -0,070 -0,070 10%

Summe (Beträge der Gesamteinflüsse) 0,679 100%

Tabelle 68: Einflussstärke der Kosten und Nutzen von Produktvielfalt auf die Loyalität zum Geschäft

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4.3.2.3 Zusammenfassung

Die Parameterschätzungen des Strukturmodells haben zusammen mit der Überprüfung der entsprechenden Gütemaße ergeben, dass sich Kosten und Nutzen von Produktvielfalt nicht nur auf das Ergebnis des Kaufprozesses sondern auch auf weitere dem Kauf nachgelagerte Aspekte des Konsumentenverhaltens, wie Zufriedenheit und Loyalität auswirken.

Zwei der ursprünglichen Hypothesen mussten dabei abgelehnt werden:

Zum einen konnte kein signifikanter Einfluss der Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt und der Loyalität zur Marke festgestellt werden. Dies lag vermutlich am Befragungszeitpunkt direkt nach der Kaufentscheidung. Da er der endgültigen Herausbildung eines Zufriedenheitsurteils bezüglich des gekauften Produkts vorgelagert ist, konnte dieses von den Befragten nur antizipiert werden. Dies reicht aber vermutlich nicht aus, um auch die nach-folgende Wirkung auf die Loyalität zur Marke aufzeigen zu können.

Zum anderen hat die Untersuchung einen positiven, und nicht wie vermutet, negativen Zusammenhang zwischen den KPV und der Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt ergeben. Der Gesamteffekt der KPV, der auch indirekte Effekte über Mediatorvariablen berücksichtigt, ist insgesamt negativ, aber relativ gering. Als mögliche Erklärung für den positiven direkten Zusammen-hang der beiden Konstrukte wurde oben eine Art „Self-Fullfilling Prophecy“-Verhalten des Konsumenten gegeben: Der Konsument erwartet folglich, dass ein Produkt, das er nach einem für ihn schweren Entscheidungs-prozess gekauft hat, auch gut sein muss, da er sich bei der Entscheidung sehr angestrengt und bemüht hat. Die Pfade über die Kaufprozesszufriedenheit und die Kognitive Dissonanz zeigen dagegen einen negativen Zusammenhang in etwa gleicher Höhe, was zu einem insgesamt fast neutralen Gesamteffekt führt.

Alle anderen Hypothesen können aufrechterhalten werden. So haben die Parameterschätzungen ergeben, dass sich die KPV bzw. NPV negativ bzw. positiv auf die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess auswirken und rund 50% der Varianz dieser erklären können. Die relative Einflussstärke der beiden Dimensionen liegt dabei mit 42% bzw. 58% in einer vergleichbaren Größenordnung.

Ferner konnte gezeigt werden, dass die Kognitive Dissonanz durch die Kaufprozesszufriedenheit reduziert und durch die KPV erhöht wird. Der relative

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340

Einfluss der KPV ist dabei fast doppelt so hoch wie der des Nutzenkonstrukts, was die Bedeutung der Entscheidungsschwierigkeit für die psychischen Reaktionen des Konsumenten unmittelbar nach der Kaufentscheidung verdeutlicht.

Die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt wird in etwa gleicher Höhe durch die Nutzenaspekte von Vielfalt und die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess beeinflusst. Beide wirken sich positiv auf die Produktzufriedenheit aus, wohingegen die Kognitive Dissonanz eine negative Wirkung auf diese zeigt. Vergleicht man den Einfluss der KPV und NPV, so dominieren letztere ganz deutlich, was an dem schon erläuterten neutralisierenden Effekt von direktem und indirektem Einfluss der Kostenaspekte auf die Produktzufriedenheit liegt. Das Ergebnis kann als indirekter Hinweis auf das Expectation-Disconfirmation Paradigma (vgl. Yi 1990, S. 87ff.) interpretiert werden, da mit der Vielfalt auch die Wahrscheinlichkeit steigt, ein Produkt mit den erwarteten Eigenschaften zu finden.

Schließlich konnte die Bedeutung der positiven Aspekte großer Sortimente für die Loyalität zu einem Geschäft unterstrichen werden. Diese tragen im direkten Vergleich mit der Kaufprozesszufriedenheit 76% zur erklärten Loyalität gegenüber dem Geschäft bei. Dies soll aber nicht darüber hinweg täuschen, dass der Kaufprozess die Loyalität signifikant beeinflusst. Gleiches gilt für die KPV, die relativ zu den Nutzenaspekten zwar einen geringen, aber signifikanten negativen Einfluss haben. Dies zeigt auf, dass Einzelhändler die Loyalität ihrer Konsumenten nicht grenzenlos durch die Ausdehnung der Sortimente steigern können.

Durch die Bestätigung der Hypothesen hinsichtlich der Konsequenzen von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt wurde auch die Relevanz dieses Konstrukts, sowie die nomologische Validität des Messmodells unterstrichen.

Aus Unternehmenssicht folgt aus den Ergebnissen, dass große Sortimente positive Aspekte haben, die sich auch positiv auf mittel- und langfristige Reaktionen von Konsumenten auswirken. Gleichermaßen konnte aber auch gezeigt werden, dass hohe Produktvielfalt aus Konsumentensicht Kostenaspekte aufweist, die sich negativ auf mittel- und langfristige Konsequenzen auswirken können. Unternehmen sollten deshalb Maßnahmen ergreifen, die die KPV, sprich die Entscheidungsschwierigkeit reduzieren und dabei die positiven Aspekte konstant halten oder betonen. Im Diskussionsteil werden die Implikationen für die Unternehmenspraxis detailliert dargestellt (siehe Kapitel 6.2, S. 397ff.).

Die bisherigen Analysen dienten dazu, die aus der Theorie abgeleiteten Hypothesen zu überprüft. Es besteht aber die Möglichkeit, dass neben den vermuteten

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341

Zusammenhängen noch weitere bestehen. Diese sollen im nächsten Kapitel zusammen mit weiteren Einflussgrößen in verschiedenen erweiterten Modellen berücksichtigt werden.

4.4 Erweiterte Modelle und weiterführende Untersuchungen

Im Folgenden werden nacheinander verschiedene Erweiterungen des aus der Theorie abgeleiteten Gesamtmodells vorgenommen. So wird dieses zunächst um signifikante Beziehungen zwischen den Konstrukten erweitert, um so nicht vermutete Beziehungen aufzudecken. In einem nächsten Modell werden mit der Beratungs-zufriedenheit und der Preisführerschaft des Einzelhändlers zwei weitere Konstrukte, die sich auf Charakteristika des Geschäfts beziehen und in Expertengesprächen häufig als bedeutungsvoll genannt wurden, im Modell berücksichtigt. Schließlich werden im letzten Abschnitt mit der Expertise (produktspezifisches Wissen) und dem Optimum Stimulation Level personenspezifische Einflüsse des Konsumenten auf die Kosten und Nutzen von Produktvielfalt untersucht.

4.4.1 Erweitertes Strukturmodell

Die Untersuchung, ob weitere signifikante Beziehungen zwischen den Modellkonstrukten bestehen, die aus der Theorie so nicht abgeleitet wurden, hat eher explorativen Charakter. Der PLS-Ansatz, der verglichen z. B. mit LISREL ebenfalls explorativ und nicht konfirmatorisch ist, ist hierfür besonders geeignet (vgl. Tenenhaus 2004, S. 62ff). Zur Identifikation bisher nicht berücksichtigter Beziehungen wurde nacheinander jeder Faktor mit allen ihm im Sinne des CDP-Modells von Blackwell, Miniard und Engel (2001) nachgelagerten oder gleichstufigen Konstrukten (siehe auch S. 15f.) in Verbindung gesetzt. Die Einschränkung auf Beziehungen mit nachgelagerten Konstrukten und auf Konstrukte, die auf derselben Kaufprozessstufe stehen, ist darin begründet, dass nur diese Zusammenhänge inhaltlich sinnvoll interpretierbar sind.

Nur eine dieser neu eingefügten Beziehungen hat sich als signifikant erwiesen: Die Loyalität zum Geschäft wirkt sich positiv auf die Loyalität zur Marke aus. Der Pfadkoeffizient zwischen diesen beiden Konstrukten ist dabei mit 0,330 rund doppelt

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342

so hoch, wie der zwischen der Produktzufriedenheit und der Loyalität zur Marke (siehe Tabelle 69). Die positive Auswirkung der Loyalität zum Geschäft auf die Markenloyalität kann folgendermaßen interpretiert werden: Will ein Konsument ein neues Produkt kaufen, denkt er zunächst daran WO er es kauft und nicht welche MARKE er erwerben will.

Die Einführung der neuen Beziehung kann das Bestimmtheitsmaß des Konstrukts Loyalität zur Marke zwar von 0,087 auf 0,182 erhöhen, dieses bleibt aber dennoch deutlich unter dem Grenzwert von 0,3. Auch das Stone-Geissers Q2 ist negativ, was die Aussagekräftigkeit des Modells in Bezug auf dieses Konstrukt in Frage stellt. Zurückzuführen ist dies wahrscheinlich, wie bereits oben erläutert, auf den Zeitpunkt der Befragung unmittelbar nach dem Kauf, zu dem der Befragte die Produkt-zufriedenheit nur antizipieren kann, was zur Folge hat, dass ein wesentlicher Einflussfaktor der Markenloyalität (vgl. Oliver 1980; Fornell 1992, S. 14, Anderson/Sullivan 1993; S. 141) noch mit hoher Unsicherheit behaftet ist.

Festzuhalten bleibt, dass die Beziehung zwischen den Konstrukten Loyalität zum Geschäft und Loyalität zur Marke positiv und signifikant ist, diese insgesamt aber aufgrund der Unterschreitung der Gütemaße auf Gesamtkonstruktebene (Markenloyalität) nicht beibehalten wird. Die Untersuchungsergebnisse können daher nur als erster Hinweis für die positive Auswirkung der Loyalität zum Geschäft auf die Loyalität zur Marke interpretiert werden.

Ausgangskonstruktebene (exogene Variable)

Zielkonstruktebene (endogene Var.)

Pfadko-effizient

t-Wert (Pfadko-effizient)

VIF f2 R2 Q2 (Redu.) Exogene

Konstrukte

Zielkonstrukt Hypo-these

⏐⏐> 0,1 > 1,98 < 10 > 0,05 > 0,3 > 0

Zufriedenheit Produkt + ( ) 0,170 2,516 1,133 0,032

Loyalität Geschäft

Loyalität Marke

n.a. 0,330 4,369 1,133 0,116 0,182 -0,157

Tabelle 69: Gütemaße des Zielkonstrukts Loyalität zur Marke im erweiterten Modell

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343

4.4.2 Einfluss von Beratungszufriedenheit und Preisführerschaft

Beratung und Preisniveau wurden in Expertengesprächen vor allem von Filialleitern des kooperierenden Handelsunternehmens neben dem Sortiment als besonders einflussreich auf das Verhalten von Konsumenten genannt. Die Marketingforschung kommt zu ähnlichen Ergebnissen: So konnten z. B. Hoch Bradlow und Wansik (1999) zeigen, dass die Preise eines Geschäfts nach dessen Lage das zweitwichtigste Auswahlkriterium bei der Einkaufsstättenwahl sind (S. 527). Die Bedeutung der Beratung konnte beispielsweise Haas (2001, S. 10ff.) zeigen, nach dessen Forschungsergebnissen sich Beratungszufriedenheit positiv auf das Kauf- und Weiterempfehlungsverhalten der Konsumenten auswirkt. Aus diesen Gründen sollen sowohl Beratungs- als auch Preisaspekte in die Untersuchung einbezogen und dem Einfluss des Sortiments im Sinne der KPV und NPV gegenübergestellt werden. Mit dem Konstrukt Beratungszufriedenheit wurden die Aspekte der Beratung umfassend und aus der Perspektive des Konsumenten abgebildet. Die durch Konsumenten wahrgenommene Preisführerschaft eines Geschäfts greift hingegen einen speziellen Preisaspekt heraus, der laut Expertenmeinung besonders einflussreich ist. So stufen es verschiedenen Filialleiter als sehr wichtig ein, Produkte im Vergleich zu Wettbewerbern günstiger anzubieten – also Preisführer zu sein.

Die nächsten Abschnitte beschreiben nach der Operationalisierung der beiden Konstrukte deren Auswirkung auf das Kaufverhalten und die Kaufevaluation.

4.4.2.1 Messung der Konstrukte Beratungszufriedenheit und Preisführerschaft

Beratungszufriedenheit

Das Konstrukt Beratungszufriedenheit wurde durch insgesamt fünf reflektive Indikatoren operationalisiert, wobei die Messung jeweils mittels einer 7-stufigen Likertskala erfolgte. Die Operationalisierung lehnt sich an Forschungsergebnisse von Haas (2001) an, der festgestellt hat, dass die Beratungszufriedenheit im Wesentlichen durch drei Faktoren bestimmt wird (S. 15):

1. Die Entscheidungshilfe der Ausführungen

2. Ein positives Gesprächsklima.

3. Fachwissen des Beraters

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344

Neben diesen drei Aspekten wurden zusätzlich die Globalzufriedenheit und die Verfügbarkeit des Beraters erfragt. Letztes wurde in Gesprächen mit Konsumenten im Vorfeld der Untersuchung immer wieder als Kritikpunkt bezüglich der Beratung genannt und deshalb zusätzlich im Messmodell aufgenommen. Tabelle 70 zeigt die Operationalisierung des Konstrukts Beratungszufriedenheit.

Kürzel Item Inhalt Quelle

Ber1 Wie zufrieden waren Sie mit der Beratung? Globalurteil Keine Quelle

Ber2 Der Berater war mir bei der Entscheidung eine grosse Hilfe.

Entscheidungshilfe

Ber3 Der Verkäufer war kompetent und hat mich gut und unabhängig informiert.

Kompetenz und Unabhängigkeit

Ber4 Der Berater war freundlich und hilfsbereit. Positives Gesprächsklima

In Anlehnung an Haas (2001, S. 15)

Ber5 Ich musste lange warten, bis ein Berater für mich Zeit hatte (Invers).

Verfügbarkeit Expertengespräche

Tabelle 70: Operationalisierung des Konstrukts Beratungszufriedenheit

Die Gütebeurteilung des Konstrukts erfolgt anhand der schon bekannten Kriterien, Tabelle 71 stellt die Ergebnisse dar. Zu erkennen ist hierin, dass alle Gütekriterien deutlich erfüllt werden. So liegen sämtliche Ladungen über 0,780 und sind mit einem minimalen t-Wert von rund 22 hochsignifikant. Auf Konstruktebene sprechen die DEV von knapp 70% und die interne Konsistenz von 0,919 für eine hohe Konvergenzvalidität. Die Unidimensionalität der Konstruktmessung kommt durch einen ersten Eigenwert von rund 3,6 und einen zweiten von 0,506 ebenso wie durch ein Cronbachs Alpha von über 0,9 zum Ausdruck.

Indikatorenebene Konstruktebene

Indikator Ladung t-Wert (Ladung)

DEV Interne Konsistenz

Q2 Eigenwerte (EW)

Cronbachs Alpha

Kon

stru

kt

Kriterium > 0,70 > 1,98 > 0,50 > 0,60 > 0 1. EW > 1 2. EW < 1

> 0,70

Ber1 0,841 31,918

Ber2 0,857 45,868

Ber3 0,877 46,712

Ber4 0,805 22,661 Ber

atun

gs-

zufr

iede

nhei

t

Ber5_Inv 0,780 26,684

0,693 0,919 0,554 3,613 0,506

0,903

Tabelle 71: Gütekriterien des PLS-Messmodells der Beratungszufriedenheit

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345

Weiterhin ist zu überprüfen, ob die Messung der Beratungszufriedenheit die Kriterien hinsichtlich der Diskriminanzvalidität erfüllt und durch die Messung auch tatsächlich etwas anderes, als durch die bisherigen Konstrukte gemessen wird. Dies erfolgt wie schon bekannt zum einen anhand der Korrelationen zwischen manifesten und latenten Variablen, und zum anderen mit Hilfe des Fornell-Larcker-Kriteriums. Tabelle 72 und Tabelle 73 stellen die entsprechenden Ergebnisse dar.

lat. Var. man. Var.

Loyalität Geschäft

Loyalität Marke

Zufrieden-heit Produkt

Kognitive Dissonanz

Zufrieden-heit Prozess

Beratungs-zufrieden-

heit

Preisfüh-rerschaft

Preis 1,0000

Ber1 0,8332

Ber2 0,8690

Ber3 0,8902

Ber4 0,8164

Ber5 0,7927

SatProz1 0,5303 0,7561

SatProz2 0,8842

SatProz3 0,8909

SatProz4 0,7911

SatProd1 0,7987

SatProd2 0,7817 0,5017

SatProd3 0,8738 0,5164

SatProd4 0,8159

SatProd5 0,8227

LoyMa1 0,7791

LoyMa2 0,7424

LoyMa3 0,8938

LoyMa5 0,8475

LoyGe1 0,8953

LoyGe2 0,8671

LoyGe3 0,9117

LoyGe5 0,8938

KogDis2 0,7346

KogDis3 0,7982

KogDis4 0,8505

Tabelle 72: Korrelationen manifester und latenter Variablen der Konsequenzen des erweiterten Modells (zur besseren Lesbarkeit wurden Korrelationen unter 0,5 nicht abgebildet; p < 0,01)

Aus obiger Tabelle ist zu erkennen, dass die manifesten Variablen des Konstrukts Beratungszufriedenheit nur mit der latenten Variablen Beratungszufriedenheit

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346

korrelieren. Gleichzeitig konnten keine Korrelationen über 0,50 zwischen dieser und den manifesten Variablen anderer Konstrukte des Strukturmodells festgestellt werden. Dies spricht für die Diskriminanzvalidität der Messung, die auch durch die sehr deutliche Erfüllung des Fornell-Larcker-Kriteriums (siehe Tabelle 73) zum Ausdruck kommt.

Faktoren Zufrieden-heit

Kaufprozess

Kognitive Dissonanz

Zufrieden-heit Produk

Loyalität Marke

Loyalität Geschäft

Beratungs-zufreiden-

heit

Preisführerschaft

Zufriedenheit Kaufprozess 0,693 quadrierte Korrelationen

Kognitive Dissonanz 0,633 0,296

Zufriedenheit Produkt 0,667 0,336 0,186

Loyalität Marke 0,669 0,008 0,001 0,081

Loyalität Geschäft 0,796 0,262 0,051 0,117 0,157

Beratungs-zufriedenheit 0,693 0,284 0,072 0,068 0,007 0,268

Preisführerschaft 1,000 0,051 0,015 0,028 0,048 0,165 0,033

DEV 0,693 0,633 0,667 0,669 0,796 0,693 1,000

Tabelle 73: Ergebnisse der Überprüfung des Fornell-Larcker-Kriteriums unter Berücksichtigung von Beratungszufriedenheit und Preisführerschaft

Insgesamt erfüllt die Messung der Beratungszufriedenheit damit alle vorgegebenen Gütekriterien.

Preisführerschaft

Die Preisführerschaft des Geschäfts wurde mittels folgender Frage operationalisiert: „Digitalkameras/DVD-Player sind hier billiger als in anderen Geschäften“ (1: stimme überhauptnicht zu ... 7: Stimme vollkommen zu). Derartige Single-item measures werden häufig kritisiert, da sie die verschiedenen Komponenten komplexer Konstrukte nur unzureichend abbilden können und auch hinsichtlich der Validitätsbeurteilung Probleme aufwerfen (vgl. Yi 1990, S. 71). Dennoch ist die Operationalisierung der Preisführerschaft durch nur eine manifeste Variable in diesem Fall vertretbar, da die

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347

durch Konsumenten wahrgenommene Preisführerschaft eines Geschäfts ein Konstrukt von geringer Komplexität ist, das relativ eindeutig durch eine Frage abgebildet werden kann. Die Inhaltsvalidität scheint daher erfüllt zu sein. Durch die geringe Korrelation der manifesten Variable Preisbereitschaft mit den anderen latenten bzw. manifesten Variablen des Modells (siehe Tabelle 72 bzw. Tabelle 73 oben) kann auch von Diskriminanzvalidität ausgegangen werden. Der Zufallsfehler der Messung ist dagegen nicht abschätzbar. Dennoch kann insgesamt von einer Messung der wahrgenommenen Preisführerschaft ausgegangen werden, die unter forschungs-ökonomischen Gesichtspunkten als sinnvoll bezeichnet werden kann.

Der nächste Abschnitt beschreibt die Auswirkungen der beiden Konstrukte Beratungszufriedenheit und Preisführerschaft auf die Kaufentscheidung und die Nachkaufbewertung der Konsumenten.

4.4.2.2 Der Einfluss von Beratungszufriedenheit und Preisführerschaft auf die Kaufentscheidung und Nachkaufbewertung

Einfluss auf die Kaufintention

In Tabelle 74 sind die Ergebnisse der Parameterschätzungen dargestellt. Zu erkennen ist hierbei, dass weder die Beratungszufriedenheit noch die Preisführerschaft die Kaufabsicht signifikant beeinflussen. Dieses Resultat ist durchaus überraschend, da beide Aspekte von Handelsexperten als besonders wichtig eingestuft wurden. Für ein Handelsunternehmen kann aus den Analyseergebnissen hinsichtlich der Preisführerschaft geschlossen werden, dass es für Konsumenten nicht entscheidend ist, möglichst preiswert einzukaufen; sie wollen ein Produkt „nur“ nicht wesentlich teurer kaufen, als dies in einem anderen Geschäft möglich wäre. Der Einzelhändler muss folglich nicht billiger sein als seine Wettbewerber, darf deren Preise vermutlich aber auch nicht signifikant überbieten.

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Ausgangskonstruktebene (exogene Variable)

Zielkonstruktebene (endogene Var.)

Pfadko-effizient

t-Wert (Pfadko-effizient)

VIF f2 R2 Q2 (Redu.) Exogene

Konstrukte

Zielkonstrukt Hypo-these

⏐⏐> 0,1 > 1,98 < 10 > 0,05 > 0,3 > 0

NPV + ( ) 0,328 6,856 1,658 0,106

KPV – ( ) -0,266 6,429 1,253 0,087

Beratungs-zufriedenheit n.a. 0,117 1,655 1,299 0,015

Preisführer-schaft

Kauf-intention

n.a. 0,058 1,494 1,221 0,003

0,333 0,132

Tabelle 74: Wirkung von Beratungszufriedenheit und Preisführerschaft auf die Kaufintention

Das Ergebnis hinsichtlich der Beratungszufriedenheit bedarf einer genaueren Analyse, da in der Analyse auch Konsumenten berücksichtigt sind, die nicht beraten wurden (42%; 250 Personen). Da diese Personen keine Angaben über die Beratungszufriedenheit machen konnten, fehlen alle Indikatorwerte dieser Befragten (Missing Values). PLS nimmt folglich den Wert der latenten Variablen Beratungszufriedenheit dieser Personen als „missing“ an und bezieht ihn nicht in die Untersuchung ein (vgl. Tenenhaus et al. 2004, S. 14). Da dies nur für Daten der nicht-beratenen Konsumenten erfolgt, kann es zu einer systematischen Beeinflussung der Parameterschätzungen kommen. Dass die Beratungszufriedenheit keinen Einfluss auf die Kaufintention hat, kann deshalb bezweifelt werden.

Gestützt wird dieser Zweifel auch durch den in Abbildung 69 dargestellten Vergleich des Käuferanteils von beratenen und nicht beratenen Konsumenten. So haben 66% der Befragten, die beraten wurden, das entsprechende Produkt gekauft. Im Vergleich hierzu haben sich nur 28% der nicht beratenen Kunden zum Kauf entschlossen. Der Anteil der Käufer unter den beratenen Konsumenten ist somit mehr als doppelt so hoch, als der Anteil der Käufer unter Personen, die nicht beraten wurden. Auch wenn die PLS-Analyse den positiven Einfluss der Beratungszufriedenheit auf die Kaufintention nicht zeigen konnte, kann dennoch von diesem ausgegangen werden. Die Stärke des Einflusses und dessen Relation zu den Sortimentsaspekten im Sinne von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt ist an dieser Stelle nicht abschätzbar und kann Teil weiterführender Untersuchungen sein.

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349

Beratung

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

nein ja

Anteil der Befragten

42%

58%

28%

72%

34%

66%

72% der nicht beratenen

Kunden haben nicht gekauft

66% der beratenen

Kunden haben gekauft

Kauf kein Kauf

Abbildung 69: Anteil der Käufer und Nicht-Käufer von beratenen und nicht beratenen Konsumenten

Neben der kurzfristigen Auswirkung auf den Ausgang der Kaufentscheidung interessiert auch, wie sich die Preisführerschaft und Beratungszufriedenheit mittelfristig auf die Zufriedenheit und Loyalität der Konsumenten auswirkt.

Auswirkungen auf die Nachkaufbewertung

Genau wie bei der Identifikation nicht vermuteter Beziehungen, wurde auch hier explorativ vorgegangen (siehe S. 341f.): Die Konstrukte Beratungszufriedenheit und Preisführerschaft wurden mit allen anderen Konstrukten außer den KPV und NPV, die ebenfalls rein exogenen Charakter haben, in Beziehung gesetzt. Daraufhin sind alle nicht signifikanten Beziehungen entfernt worden. Abbildung 70 zeigt das endgültige Strukturmodell, die entsprechenden Gütemaße sind in Tabelle 75 dargestellt.

Die wahrgenommene Preisführerschaft wirkt sich nur auf die Loyalität zum Geschäft signifikant positiv aus. Hierauf hat auch die Beratungszufriedenheit einen positiven Einfluss. Durch die Berücksichtigung dieser beiden Konstrukte kann der Anteil der erklärten Varianz dieses Konstrukts im Vergleich zum Grundmodell um 7,7 Prozentpunkte auf 50,2% erhöht werden. Betrachtet man die relative Einflussstärke der verschiedenen Aspekte, so nimmt der Nutzen von Vielfalt mit 47% gegenüber der Beratungszufriedenheit (31%) und der Preisführerschaft (22%) die führende Rolle ein. Die (positiven) Sortimentsaspekte beeinflussen die Loyalität zu einem Geschäft folglich stärker als die Beratung und die Möglichkeit, ein Produkt dort im Vergleich zu anderen Geschäften billiger kaufen zu können.

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350

KD

Eval

uatio

n un

d zu

künf

tige

Verh

alte

nsab

sich

t

NPV KPV

Kon

stru

kt

Nutzen Kosten

Zufriedenheit Prozess

kognitive Dissonanz

Loyalität Marke

Zufriedenheit ProduktZPr

LG

0,170R2=0,502 R2=0,183

0,400

0,227

0,189- 0,4220,337

- 0,230

0,432

R2=0,445

R2=0,332

R2=0,549

- 0,316

0,346

PF

BZ

Modellerweiterung

Beratungs-zufriedenheit

Preisführer-schaft

ZP0,244

0,281

0,204 0,339 LM

Loyalität Geschäft

0,090NS

Abbildung 70: Erweitertes Strukturmodell unter Berücksichtigung von Beratungszufriedenheit und Preisführerschaft

Erstaunlich ist, dass die KPV keinen negativen Einfluss mehr auf die Loyalität zum Geschäft haben: Der t-Wert des Pfadkoeffizienten zwischen der Kaufprozess-zufriedenheit und der Handelsloyalität liegt mit einem Wert von 1,555 unterhalb der Signifikanzgrenze von 1,98, weshalb die Beziehung zwischen diesen Konstrukten entfernt werden muss. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass der Konsument seine Zufriedenheit mit dem Kaufprozess in erheblichem Maße durch den Berater bestimmt sieht und die Kaufprozesszufriedenheit folglich großteils auf die Beratungs-zufriedenheit projiziert.

Die Beratungszufriedenheit wirkt sich folglich positiv auf die Kaufprozess-zufriedenheit aus. Die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess wird auch unter Berücksichtigung der Beratung zu 66% von positiven bzw. negativen Aspekten der Sortimentsvielfalt bestimmt. Die Beratungszufriedenheit hat aber mit einem relativen Einfluss von 34% einen Erklärungsanteil in vergleichbarer Höhe wie die KPV (44%) und NPV (27%). Insgesamt kann der Anteil der Varianzerklärung durch die Einbeziehung der Beratungszufriedenheit gegenüber dem Grundmodell um 4,4 Prozentpunkte auf rund 55% erhöht werden.

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351

Ausgangskonstruktebene (exogene Variable)

Zielkonstruktebene (endogene Var.)

Pfadko-effizient

t-Wert (Pfadko-effizient)

VIF f2 R2 Q2 (Redu.) Exogene

Konstrukte

Zielkonstrukt Hypo-these

⏐⏐> 0,1 > 1,98 < 10 > 0,05 > 0,3 > 0

Nutzen + ( ) 0,400 8,916 1,412 0,266

Kosten – ( ) -0,316 8,107 1,253 0,182

Beratungs-zufriedenheit

Zufriedenheit Kaufprozess

n.a. 0,244 4,094 1,300 0,102

0,549 0,299

KPV + ( ) 0,227 3,689 1,397 0,057

Zufriedenheit Prozess

Kognitive Dissonanz

– ( ) -0,422 7,248 1,397 0,192 0,332 0,051

NPV + ( ) 0,337 5,810 1,397 0,126

KPV – ( ) 0,189 2,845 1,412 0,045

Kognitive Dissonanz – ( ) -0,230 4,757 1,511 0,065

Zufriedenheit Prozess

Zufriedenheit Produkt

+ ( ) 0,346 4,726 1,972 0,094

0,445 0,176

NPV + ( ) 0,432 8,728 1,490 0,265

Zufriedenheit Kaufprozess60 + ( ) 0,090 1,555 – –

Beratungs-zufriedenheit n.a. 0,281 3,948 1,264 0,125

Preisführer-schaft

Loyalität Geschäft

n.a. 0,204 4,378 1,218 0,072

0,502 0,279

Zufriedenheit Produkt + ( ) 0,170 2,486 1,133 0,031

Loyalität Handel

Loyalität Marke

n.a. 0,339 4,525 1,133 0,118 0,183 -0,157

Tabelle 75: Gütemaße des erweiterten Strukturmodells unter Berücksichtigung von Beratungszufriedenheit und Preisführerschaft

Zusammenfassung

Ein Berater kann sowohl die kurzfristige Zufriedenheit mit dem Kaufprozess als auch die mittel- bzw. langfristige Loyalität gegenüber dem Geschäft beeinflussen, indem er

60 Bei der Analyse nicht berücksichtigt.

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Konsumenten freundlich, unabhängig und kompetent berät und sie aktiv bei der Entscheidungsfindung unterstützt. Gute Beratung ist folglich im Hinblick auf die Kaufprozessbewertung wichtig. Die Untersuchung konnte dagegen keinen Einfluss der Beratungszufriedenheit auf den Ausgang der Kaufentscheidung zeigen. Hierauf hat auch die Preisführerschaft keinen Einfluss. Diese wirkt sich insgesamt nur positiv auf die Loyalität zum Geschäft aus. Für Handelsunternehmen folgt darauf, dass sie nicht notwendigerweise billiger sein müssen als ihre Konkurrenten, um insgesamt erfolgreicher zu sein. Gleichzeitig dürfen sie aber vermutlich auch nicht wesentlich teurer sein. Ein Einzelhändler sollte deshalb versuchen, seine Preise auf einem ähnlichen Niveau wie seine direkten Wettbewerber zu halten.

4.4.3 Personenimmanente Eigenschaften

Dieser Abschnitt beschäftigt sich damit, inwiefern sich personenimmanente Eigenschaften auf Kosten und Nutzen von Produktvielfalt auswirken. Nachfolgend werden die Untersuchungsergebnisse zum Einfluss von Expertise und Optimum Stimulation Level auf die beiden Konstrukte beschrieben. Da die Untersuchung der moderierenden Effekte von personenspezifischen Eigenschaften keinen Schwerpunkt der Untersuchung darstellt, soll aus forschungsökonomischen Gründen nur überprüft werden, ob Einflusstendenzen erkennbar sind. Eine umfassende und tiefgehende Untersuchung bleibt späteren Arbeiten vorbehalten.

4.4.3.1 Expertise

Im Rahmen der Ausführungen zur Tyranny of Freedom (siehe S. 84ff.) wurde deutlich, dass die Expertise und das Involvement eines Konsumenten dessen „Point of Regret“ verschieben und somit vor allem die Vielfaltskosten beeinflussen können. In der vorliegenden Arbeit wird nur der Einfluss der Expertise, nicht aber der des Involvement untersucht. Um dies zu begründen, soll kurz auf das Involvement eingegangen werden.

Zusammenhang von Involvement in einer Kaufsituation und Expertise

Trommsdorff (1993) bezeichnet das Involvement als ein „Schlüsselkonstrukt der Marketingforschung“ (S. 48) und definiert es als „Aktivierungsgrad bzw. Motivstärke

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zur objektgerichteten Informationssuche, -aufnahme, -verarbeitung und –speicherung“ (S. 49). Die motivierende Komponente des Involvement bringt auch Rothschild (1984) in seiner Definition zum Ausdruck: „Involvement is an unobservable state of motivation, arousal or interest. It is evoked by a particular stimulus or situation. It has drive properties: its consequences are types of searching, information processing and decision making“ (Rothschild 1984, S. 217).

In der Literatur werden verschiedene Arten von Involvement wie z. B. Product Involvement (vgl. Bloch 1982, S. 413) oder das Purchase Involvement (vgl. Beatty/Kahle/Homer 1988, S. 149 ff.) unterschieden. Im Rahmen dieser Untersuchung interessiert aber vor allem das in einer bestimmten Kaufsituation von einem Konsumenten empfundene Involvement, das als Felt Involvement (vgl. z. B. Peter/Olson 2002, S. 88) bezeichnet wird. Wie der Name bereits verdeutlicht, handelt es sich hierbei um einen psychischen Zustand, den Konsumenten nur zu bestimmten Zeitenpunkten und Gelegenheiten empfinden (vgl. Peter/Olson 2002, S. 88). Der involvierte Zustand gründet dabei sowohl auf situativen Aspekten (Situational Involvement), als auch auf anhaltenden Eigenschaften des Individuums (Enduring Involvement, Ego Involvement). Situational Involvement, das vor allem auf das bei einem Kauf wahrgenommene Risiko zurückzuführen ist (vgl. Bloch/Richins 1983, S. 70) und Enduring Involvement können somit als Antezedenzien des Felt Involvement verstanden werden (vgl. Celsi/Olson 1988, S. 211). Das Enduring Involvement gründet hierbei auf dem emotionalen Aktivierungspotenzial eines Produktes (vgl. Laurent/Kapferer 1985, S. 44), dessen Bedeutung für den Konsumenten und seiner sozialen Wirkung (vgl. Assael 1994, S. 76).

Damit kann der Bogen zum Ausgangspunkt des Exkurses zum Involvement und zur Frage, warum dieses in der vorliegenden Untersuchung nicht als Moderator oder Mediator berücksichtigt wird, gespannt werden:

Die Fragestellung der Arbeit ist auf echte Kaufentscheidungen, die mit einem gewissen (finanziellen) Risiko verbunden sind, limitiert (siehe S. 37f.). Da das finanzielle Risiko neben anderen Arten, wie z. B. dem psychischen und funktionalen Risiko einen zentralen Risikoaspekt in einer Kaufentscheidung darstellt, kann davon ausgegangen werden, dass das situative Involvement eines Konsumenten bei der hier untersuchten Kaufentscheidung relativ hoch ist. Empfindet ein Konsument einem Produkt gegenüber hohes Enduring Involvement, hat diese für ihn also hohe Relevanz und interessiert ihn, kann vermutet werden, dass er sich mit diesem auch näher befasst, Informationen darüber sammelt und dadurch entsprechende

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Produktkenntnisse erwirbt. Enduring Involvement und Expertise, die Desmeules allgemein (2002) in Anlehnung an Mitchell and Dacin (1996) als „the amount, content and organization of knowledge about domains” (S. 11) definiert, sollten folglich positiv korrelieren. Zu diesem Schluss kommen auch Novak, Hoffmann und Yung (2000), welche die positive Beziehung von Expertise und Enduring Involvement empirisch zeigen konnten (vgl. S. 39).

Analysiert man folglich den Einfluss der Produktexpertise eines Konsumenten auf dessen KPV und NPV, sollte dies bei echten Kaufentscheidungen wesentliche Involvementaspekte mit abbilden. Auf eine gesonderte Betrachtung des Involvementeinflusses kann somit unter der gegebenen exploratorischen Zielsetzung der Untersuchung hinsichtlich des Einflusses personenspezifischer Eigenschaften, verzichtet werden.

Als nächstes soll der Zusammenhang von Expertise und den KPV und NPV nochmals verdeutlicht werden.

Zusammenhang von Expertise mit den Kosten und Nutzen von Produktvielfalt

Nach der im Theorieteil beschriebenen Tyranny of Freedom (siehe S. 84ff. und Abbildung 25, S. 87) ist der Beginn der negativen Wirkung von Produktvielfalt u. a. von der produktspezifischen Erfahrung, d. h. Expertise des Konsumenten abhängig. So geht Desmeules (2002, S. 11) davon aus, dass der Point of Regret eines Konsumenten mit relativ ausgeprägter Expertise, weiter rechts auf der x-Achse liegt, als der einer Person mit geringer Fachkenntnis. Der erfahrene Käufer kann damit mehr Vielfalt „verarbeiten“ als der unerfahrene. Dies ist damit zu begründen, dass ein „Experte“ die (für sich) entscheidungsrelevanten Attribute eines Produktes kennt und auf dieser Basis die verfügbaren Optionen schnell auf eine überschaubare und verarbeitbare Anzahl an Alternativen, die für den Kauf in Frage kommen (Consideration Set), reduzieren kann (vgl. Huffmann/Kahn 1998, S. 492ff.; Bettman/Park 1980, S. 242ff., Rao/Monroe 1988, S. 254ff.). So argumentieren Johnson und Russo (1984, S. 548), dass Konsumenten mit hoher Expertise weniger Informationen suchen und verarbeiten müssen, da sie zum einen aufgrund ihres Fachwissens bereits auf viele Fakten im Gedächtnis zurückgreifen können und diese nicht mehr dem Sortiment entnehmen müssen. Zum anderen verfügen sie über Prozesswissen hinsichtlich der Entscheidung und können effiziente Entscheidungsprozeduren bei der Identifikation einer geeigneten Alternative anwenden.

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355

Insgesamt liegt damit die Vermutung nahe, dass Konsumenten mit hoher Expertise im Vergleich zu Personen mit geringer Expertise geringe KVP haben, wenn sie aus einem großen Sortiment wählen. Ein Zusammenhang von Expertise mit dem NPV wird nicht vermutet. Damit kann folgende Hypothese formuliert werden:

Hypothese 20: Die Kosten von Produktvielfalt sind bei Konsumenten mit hoher Expertise geringer als bei Konsumenten mit geringer Expertise.

Nachfolgend werden die Ergebnisse der empirischen Überprüfung dieser Hypothese beschrieben. Hierbei wird zunächst auf die Operationalisierung des Expertise-konstrukts und anschließend auf die Untersuchungsergebnisse eingegangen.

Empirische Untersuchung

Operationalisierung von Expertise

Die hier verwendete und in Tabelle 76 dargestellte Operationalisierung des Expertisekonstrukts basiert auf einem Vorschlag von Johnson (1984, S. 746ff.), den dieser auf der Basis von drei Anforderungen an ein Instrument zur Messung von Wissen formuliert hat:

1. Die Messung soll absolut erfolgen.

2. Das gesamte Spektrum von vollkommen unwissenden Konsumenten bis zum absoluten Spezialisten muss durch das Instrument abgedeckt werden.

3. Die Skala sollte so spezifisch wie möglich sein, um Interpretationsspielräume der befragten Person zu vermeiden.

Das ursprüngliche Messinstrument von Johnson (1984) war eine 20-Punkt-Skala, die an den Ausprägungen 0, 5, 10, 15 und 20 eine konkrete Beschreibung des Wissens auf der jeweiligen Skalenstufe aufwies. Dieses Messmodell unterscheidet sich insbesondere im Hinblick auf die vorgegebenen Ausprägungen von der eher gebräuchlichen Selbsteinschätzung des Wissens im Vergleich zur Gesamtbevölkerung („Im Vergleich zu anderen kenne ich mich mit Produkt x sehr gut aus“) (vgl. Johnson/Russo 1984, S. 545). Obwohl das von Johnson vorgeschlagene Instrumentarium im Vergleich hierzu aufgrund der Vorgabe konkreter Ausprägungen objektiver ist, gilt auch hier die Einschränkung, dass nicht das tatsächliche, sondern

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356

das selbst eingeschätze Wissen des Konsumenten gemessen wird (vgl. Johnson 1984, S. 746).

Die hier verwendete Skala zur Messung der Produktexpertise eines Konsumenten (siehe Tabelle 76) lehnt sich an die Idee von Johnson an und formuliert auf einer 7-Punkt-Skala für die Ausprägungen 1, 3, 5 und 7 jeweils ein konkretes Expertiseniveau für die Produktgruppe (Digitalkamera, DVD-Player/Recorder) dem sich der Befragte zuordnet. Weitere Items, wie z. B. die Kauferfahrung, wurden aus befragungsökonomischen Gründen nicht erhoben.

1 2 3 4 5 6 7 Ich habe noch nie eine Digitalkamera benutzt und kenne mich damit auch überhaupt nicht aus.

Ich habe schon mal mit einer Digitalkamera

fotografiert oder mich mit den Eigenschaften und

Funktionen von Digitalkameras beschäftigt.

Ich fotografiere regelmäßig mit einer

Digitalkamera und kenne mich mit deren Funktionen recht gut

aus.

Ich kenne mich wie ein professioneller

Fotograf mit Digitalkameras aus.

Tabelle 76: Operationalisierung von Expertise

Ergebnisse der Untersuchung

Um die Hypothese zu testen, werden die Befragten in eine Gruppe mit geringer und eine Gruppe mit hoher Expertise eingeteilt. Anschließend wird mittels eines T-Tests überprüft, ob sich die Mittelwerte der latenten Variable KPV der beiden Gruppen signifikant unterscheiden. Nachfolgende Grafik veranschaulicht die Vorgehensweise.

Gesamte Stichprobe

Clusteranalysegering

Mittelwert

KPV

NPV

Mittelwert

KPV

NPV

T-Test

VergleichT-Test

Erfahrung/OSL

hoch

Erfahrung/OSL

Abbildung 71: Vorgehensweise bei der Untersuchung personenimmanenter Einflüsse

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357

Die Gruppeneinteilung erfolgte mittels einer zweistufigen Clusteranalyse. Hierbei wurden 357 Personen (60%) dem Cluster „geringe Expertise“ und 238 (40%) der Gruppe „hohe Erfahrung“ zugeordnet. Ein Datensatz konnte keiner der Gruppen zugeordnet werden und wurde nicht berücksichtigt. Im Durchschnitt hatten die Personen der ersten Gruppe einen Expertisewert von 2,61 (Standardabweichung 1,06), der Durchschnitt der zweiten Gruppe lag bei 5,31 (Standardabweichung 0,62). Der Unterschied zwischen Experten und „Laien“ ist signifikant (p < 0,001) was durch einen zweiseitigen T-Test bestätigt wurde. Tabelle 77 stellt die Ergebnisse der Clusteranalyse dar.

Cluster Anzahl Anteil Durchschnitt Standard-abweichung

Sig. T-Test (2-tailed)

Geringe Expertise 357 60% 2,61 1,06

Hohe Expertise 238 40% 5,31 0,62

0,000

Tabelle 77: Ergebnisse der Clusteranalyse zur Expertise

Die Clustervariable wurde in dem anschließenden T-Test als Gruppierungsvariable verwendet. Hierbei wurden die Mittelwerte der in PLS berechneten Werte der latenten Variablen KPV und NPV der beiden Cluster miteinander verglichen. Wie aus Tabelle 78 hervorgeht, unterscheidet sich, wie erwartet, der Mittelwert des Nutzens von Produktvielfalt der Personen mit hoher Expertise nicht signifikant von dem der Personen mit geringer Expertise. Nur wenn man anstatt eines zweiseitigen Tests einen einseitigen verwendet und überprüft, ob der Nutzen hoher Produktvielfalt bei Experten größer ist als bei Nicht-Experten, ergibt sich eine schwache Signifikanz (p < 0,10).

NPV KPV Cluster

Durchschnitt Standard-abweichung

Sig. T-Test (2-tailed)

Durchschnitt Standard-abweichung

Sig. T-Test (2-tailed)

Geringe Expertise -0,042 1,00 0,105 1,010

Hohe Expertise 0,068 1,00

0,194

-0,161 0,968

0,001

Tabelle 78: Ergebnisse des T-Tests der Kosten und Nutzen von Produktvielfalt für Befragte mit hoher und geringer Expertise

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358

Im Gegensatz hierzu ist der Kostenunterschied erfahrener und unerfahrener Konsumenten signifikant (p < 0,001): Die durchschnittlichen Kosten von Produktvielfalt sind bei Personen mit hoher Expertise signifikant geringer als bei Personen mit geringem Produktwissen. Die Hypothese 20 kann somit aufrecht erhalten werden: Personen, die über Produktexpertise verfügen, können mit hoher Produktvielfalt in einer Entscheidungssituation besser umgehen als unerfahrene Konsumenten.

4.4.3.2 Optimum Stimulation Level (OSL)

Die generelle Vorstellung einer Person hinsichtlich ihres optimalen Stimulationslevels wurde im Abschnitt zum Optimum Stimulation Level unter Gesichtspunkten der Produktvielfalt in einer Kaufsituation (siehe Kapitel 2.2.2, S. 80) ausführlich diskutiert. Um Redundanzen zu vermeiden, soll an dieser Stelle auf die im Theorieteil beschriebene Argumentation zum Zusammenhang von OSL und Produktvielfalt nicht nochmals eingegangen werden. Aufbauend auf den theoretischen Ausführungen in Kapitel 2.2.2 (S. 80) kann folgende Hypothese formuliert werden:

Hypothese 21: Personen mit hohem OSL verbinden im Vergleich zu Personen mit geringem OSL weniger Kosten mit hoher Produktvielfalt.

Empirische Überprüfung der Hypothese

Operationalisierung des Optimum Stimulation Level

Für die Messung des OSL eines Individuums stehen eine Reihe von Skalen, wie der Change Seeker Index (CSI) (Garlington/Shimota 1964)), die Arousal Seeking Tendency Scale (AST) (Mehrabian/Russell (1974)) und die AST-II (Mehrabian 1978), die Sensation Seeking Scale (SS) oder die General Sensation Seeking Scale (SSS) (Zuckermann 1979) zur Verfügung. Diese Skalen haben zwar den Vorteil, etabliert und häufig getestet zu sein, sie sind aber auch sehr umfangreich. So bestehen beispielsweise der CSI aus 95 und die SSS aus 22 Items. Da die Untersuchung des Einflusses des OSL einer Person auf deren Kosten und Nutzen von Produktvielfalt nur

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359

ein Randthema dieser Arbeit ist, sind obige Skalen nicht geeignet, da der Fragebogen sonst die den Befragten zumutbare Länge deutlich überschreiten würden.

Das OSL wurde in dieser Untersuchung deshalb durch eine von Steenkamp und Baumgartner (1995) entwickelte Kurzform der CSI operationalisiert. Die Autoren konnten zeigen, dass die aus sieben Items bestehende Skala mit der originalen CSI hinsichtlich Faktorstruktur, Validität und Reliabilität vergleichbar ist und deshalb „an attractive alternative to the original 95-item scale for researchers who want to study the role of OSL in human behavior in general, and in consumer behaviors with strong exploratory elements“ (Steenkamp/Baumgartner 1995, S. 103) darstellt. In Tabelle 79 ist die in der empirischen Untersuchung verwendete Skala dargestellt. Die Übersetzung aus dem Englischen erfolgte möglichst wörtlich, musste aus Verständnisgründen aber teilweise erweitert werden.

Indikator Frage

OSL1 Wenn mich Dinge langweilen, suche ich neue und unbekannte Erfahrungen.

OSL2 Ich mag es lieber, wenn mein tägliches Leben geordnet und regelmäßig abläuft und wenige unvorhersehbare Veränderungen mit sich bringt (Invers).

OSL3 Ich mag einen Job, der mir Veränderungen, Vielfalt und Reisemöglichkeiten bietet, selbst wenn damit auch Gefahren verbunden sind.

OSL4 Ich mache nie lange dasselbe, sondern verändere meine Aktivitäten dauernd.

OSL5 Ich ziehe es vor, die Dinge beizubehalten wie sie sind, anstatt neue, andersartige Sachen auszuprobieren (Invers).

OSL6 In meinem täglichen Leben mag ich Neuheiten und Veränderungen.

OSL7 Ich suche kontinuierlich nach neuen Ideen und Erfahrungen

Tabelle 79: Operationalisierung des Optimum Stimulation Levels. In Anlehnung an Steenkamp/Baumgartner 1995, S. 100; Übersetzung durch den Autor

Konfirmatorische Faktorenanalyse (Pretest)

Die Skala wurde, wie alle Messmodelle im Rahmen des Pretests, einer konfirmatorischen Faktorenanalyse unterzogen (siehe Tabelle 80). Dabei konnten die guten Validitäts- und Reliabilitätsergebnisse von Steenkamp und Baumgartner (1995) nicht bestätigt werden: Drei der sieben Items wiesen eine Faktorladung von unter 0,7 auf und wurden daher von der weiteren Analyse ausgeschlossen. Die verbleibenden

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360

vier Indikatoren (OSL1, OSL2, OSL3 und OSL5) erfüllen alle Gütekriterien sowohl auf Indikator- als auch auf Konstruktebene. Insbesondere liegen alle verwendeten globalen Gütemaße mit Werten von 1,00 deutlich über der Grenze von 0,9. Auch das Cronbachs Alpha übersteigt mit einer Höhe von 0,84 den Grenzwert. Da der erste Eigenwert der Korrelationsmatrix der manifesten Variablen über 1 (2,73) und der zweite darunter liegt (0,45) kann weiterhin von Unidimensionalität der Skala ausgegangen werden.

Insgesamt sind die Ergebnisse unter dem Gesichtspunkt, dass es sich um eine etablierte Skala handelt, als nicht gut einzustufen. Eine mögliche Erklärung ist, dass die Fragen zum OSL das Ende des Fragebogens markierten und die Konzentration der Befragten an dieser Stelle schon nachgelassen hatte, was zu unsachgemäßen Antworten geführt haben könnte.

Indikatorenebene Konstruktebene

Indikator Ladung Indikator-reliabilität

DEV Faktor-reliab.

Globale Anpassungsmaße

Cronbachs Alpha

Kriterium > 0,70 > 0,50 > 0,50 > 0,60 > 0,9 < 0,1 > 0,70

OSL1 0,77 0,59

OSL2 0,75 0,56

OSL3 0,73 0,53

OSL461 0,50 -

OSL5 0,76 0,59

OSL661 0,47 -

OSL761 0,61 -

0,57 0,84 GFI: 1,00 AGFI: 1,00 NFI: 1,00 CFI: 1,00

RMR: 0,00 0,84

Tabelle 80: Ergebnisse der konfirmatorischen Faktorenanalyse des OSL im Pretest

PLS-Messmodell (Hauptuntersuchung)

In Tabelle 81 sind die Ergebnisse des PLS-Messmodells der Hauptuntersuchung für das OSL dargestellt. Die aus der KFA resultierende Skala kann auch hier nicht beibehalten werden, da die Ladung des Indikators OSL1 mit 0,619 unter dem Grenzwert von 0,70 liegt. Er wurde deshalb von den weiteren Analysen ausgeschlossen. Die verbleibenden drei manifesten Variablen OSL2, OSL3 und OSL5 erfüllen auf Indikatorebene und Konstruktebene mit Ausnahme des Cronbachs Alpha

61 Von der weiteren Analyse ausgeschlossen

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361

alle vorgegebenen Gütekriterien. Mit einem Wert von 0,621 liegt dieses aber deutlich unter dem Grenzwert von 0,70. Die Messung des OSL kann daher zusammenfassend als eher unterdurchschnittlich bezeichnet werden. Ein möglicher Grund hierfür ist, dass, genau wie im Pretest, die OSL-Fragen den Abschluss des Fragebogens der Hauptuntersuchung darstellten und deshalb evtl. von den Befragten nicht mehr sehr gewissenhaft ausgefüllt wurden.

Indikatorenebene Konstruktebene

Indikator Ladung t-Wert (Ladung)

DEV Interne Konsistenz

Q2 Eigenwerte (EW)

Cronbachs Alpha

Kriterium > 0,70 > 1,98 > 0,50 > 0,60 > 0 1. EW > 1 2. EW < 1

> 0,70

OSL162 0,619 -

OSL2 0,758 32,403

OSL3 0,702 21,971

OSL5 0,801 44,930

0,570 0,798 0,172 1,710 0,725

0,621

Tabelle 81: Gütekriterien des PLS-Messmodells der Hauptuntersuchung für das OSL

Da die Untersuchung des Einflusses personenspezifischer Unterschiede auf KPV und NPV explorativen Charakter hat, soll dieser trotz der suboptimalen Messung des OSL auf Basis der verbleibenden drei Indikatoren nachfolgend betrachtet werden.

Überprüfung der Hypothese

Der Hypothesentest erfolgt nach demselben Schema wie bei der Expertise: Zunächst werden die Personen geclustert, d. h. einem Cluster mit hohem OSL oder einem Cluster mit geringem OSL zugeteilt. 302 (59,9%) Befragte fielen dabei in die Gruppe mit hohem, 291 (49,1%) in die Gruppe mit geringem OSL. Drei Personen konnten nicht eindeutig zugeteilt werden und wurden deshalb bei der Analyse nicht berücksichtigt. Die Clusterung erfolgte auf Basis der in PLS berechneten standardisierten Werte der latenten OSL-Variablen. Personen mit hohem OSL hatten durchschnittlich eine Ausprägung von 0,788 (SD = 0,559), der Mittelwert der Personen, die zum Cluster mit geringem OSL gehören, haben bei -0,818 (SD = 0,634). Ein T-Test hat bestätigt, dass sich die OSL-Mittelwerte der beiden Cluster signifikant

62 Von der weiteren Analyse ausgeschlossen

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362

(p < 0,001) unterscheiden. Die Ergebnisse der Clusteranalye sind in Tabelle 82 zusammengefasst.

Cluster Anzahl Anteil Durchschnitt Standard-abweichung

Sig. T-Test (2-tailed)

Hohes OSL 302 50,9% 0,788 0,559

Geringes OSL 291 49,1% -0,818 0,634

0,000

Tabelle 82: Ergebnisse der Clusteranalyse zum Optimum Stimulation Level

Um eine Aussage zum Zusammenhang von OSL und von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt machen zu können, wurden die (standardisierten) Mittelwerte der latenten Nutzen- und Kostenvariable (aus PLS) der beiden Gruppen „Geringes OSL“ und „Hohes OSL“ miteinander verglichen und einem T-Test unterzogen, Tabelle 83 zeigt die Ergebnisse. Der NPV der Gruppen unterscheidet sich erwartungsgemäß nicht signifikant. Auch die Kostenunterschiede sind nicht sehr ausgeprägt und folglich auch nicht signifikant. So haben Personen mit hohem OSL durchschnittlich Kosten von -0,066 (SD = 1,031). Die Kosten der Personen mit geringem OSL sind mit einem Mittelwert von 0,059 (SD = 0,967) etwas höher. Die Kostenunterschiede haben damit die vermutete Richtung, da Personen mit hohem OSL mit hoher Vielfalt geringere Kosten verbinden. Erfolgt der T-Test einseitig, wird also nur beurteilt, ob die KPV von Personen mit hohem OSL geringer sind, als die von Personen mit geringem OSL; so ergibt sich ein schwach signifikanter Unterschied (p < 0,10).

Nutzen Kosten Cluster

Durchschnitt Standard-abweichung

Sig. T-Test (2-tailed)

Durchschnitt Standard-abweichung

Sig. T-Test (2-tailed)

Hohes OSL 0,008 1,051 -0,066 1,031

Geringes OSL -0,001 0,948

0,916

0,059 0,967

0,129

Tabelle 83: Ergebnisse des T-Tests der Kosten und Nutzen von Produktvielfalt für Befragte mit hohem und geringem OSL

Insgesamt zeigen die Untersuchungsergebnisse die vermutete Richtung des Zusammenhangs des Optimum Stimulation Level einer Person und ihrer KPV. Der

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Mittelwert der latenten Kostenvariable der Individuen mit hohem OSL liegt aber nur geringfügig über dem der Personen mit geringem OSL (einseitiger T-Test; p < 0,10). Da der Unterschied der Mittelwerte der beiden Cluster (zweiseitiger T-Test) nicht signifikant ist, kann die Hypothese 21 nicht aufrecht erhalten werden.

Zusammenfassend können die Ergebnisse zum Zusammenhang von OSL und den KPV als explorativ interpretiert werden. Sie haben die vermutete Tendenz aufgezeigt aber nicht „belegt“. In nachfolgenden Untersuchungen mit entsprechendem Schwerpunkt, kann das Konstrukt Optimum Stimulation Level deshalb einen wichtigen Erklärungsbeitrag zum interpersonellen Unterschied im Umgang mit hoher Produktvielfalt liefern.

4.4.4 Zusammenfassung

In diesem Abschnitt wurde erstens untersucht, ob es weitere, nicht aus der Theorie abgeleitete Zusammenhänge zwischen den Größen des Untersuchungsmodells gibt. Zweitens sind mit der Beratungszufriedenheit und der Preisführerschaft zwei weitere Einflussfaktoren außerhalb des Sortiments in die Betrachtung einbezogen worden und zum dritten wurde analysiert, wie sich die Expertise und das Optimum Stimulation Level (OSL) als personenimmanente Eigenschaften auf den Umgang mit Produktvielfalt auswirken.

Die Analysen haben hierbei gezeigt, dass es einen signifikanten Einfluss der Loyalität zum Geschäft auf die Loyalität zur Marke gibt, der darauf hindeutet, dass Konsumenten zunächst daran denken, wo sie kaufen und dann erst überlegen, welche Marke sie erwerben möchten. Da die Varianzerklärung der Loyalität zur Marke mit 18,2% aber insgesamt gering ist, ist dieses Ergebnis nicht stark belastbar. Die Ursache für die geringe Varianzerklärung liegt vermutlich darin, dass die Personen aufgrund des Untersuchungsdesigns direkt nach dem Kauf nach ihrer Loyalität zur gekauften Marke gefragt wurden, diese sich aber erst im Laufe der Produktnutzung herausbildet und deshalb zum Zeitpunkt der Befragung von den Teilnehmern nur antizipiert werden konnte. Dieses Urteil ist noch mit großen Unsicherheiten behaftet, so dass es durch die Größen des Modells insgesamt nur schlecht erklärt werden kann.

Aus den PLS-Modellen zur Untersuchung des Einflusses der Preisführerschaft und der Beratungszufriedenheit ging hervor, dass beide Größen keine Wirkung auf die Kaufabsicht haben. Dieses Ergebnis zeigt, dass Handelsunternehmen nicht

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notwendigerweise billiger sein müssen als ihre Konkurrenten, sie sollten vermutlich aber auch nicht wesentlich teurer sein als diese. Das Resultat hinsichtlich der Beratungszufriedenheit muss insgesamt angezweifelt werden, da weitere Analysen gezeigt haben, dass beratene Kunden deutlich häufiger kaufen als nicht beratene. Die Parameterschätzungen durch PLS sind dahingehend unsicher, dass auch Personen, die nicht beraten wurden, in die Analysen mit einbezogen werden mussten, um die Wirkung auf das Kaufverhalten zu berechnen. Da diese Personen aber keine Angaben zur Beratungszufriedenheit machen konnten und ihre Werte durch PLS als fehlend angenommen werden, kann es einen systematischen Einfluss auf die Schätzergebnisse gegeben haben. Die Untersuchung der Auswirkung der Beratungszufriedenheit und der Preisführerschaft auf dem Kauf nachgelagerte Größen hat aber gezeigt, dass die Preisführerschaft die Loyalität zum Geschäft signifikant beeinflusst. Gleiches gilt für die Beratungszufriedenheit, die zusätzlich noch einen Einfluss auf die Kaufprozess-zufriedenheit hat. Die Einflussstärke beider Konstrukte ist jedoch geringer als die des Nutzens von Produktvielfalt, woraus der Schluss gezogen werden kann, dass die Größe und Art des Sortiments einen größeren Einfluss auf die Kaufprozesszufriedenheit und die Loyalität zum Geschäft haben, als die Preisführerschaft und die Beratung.

Zuletzt wurde untersucht, ob sich die Expertise und das OSL einer Person auf deren Kosten und Nutzen von Produktvielfalt auswirken. Dies ist nur ein Randthema der Untersuchung, das dazu dienen soll Tendenzen aufzuzeigen; die Ergebnisse sind daher als explorativ zu verstehen. Es hat sich gezeigt, dass Personen, die über hohe Expertise verfügen, mit hoher Produktvielfalt weniger negative Aspekte verbinden, was aus ihren durchschnittlich geringeren Kosten von Produktvielfalt zu erkennen ist. Die Unterschiede von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt hinsichtlich des OSL sind nicht signfikant. Nur eine einseitige Betrachtung, ob Personen mit höherem OSL geringere Kosten von Produktvielfalt haben, ist schwach signifikant. Diese Ergebnisse sind vor allem auf das verhältnissmäßig schlechte Messungmodell des OSL zurückzuführen, die wiederum darin begründet liegt, dass das Konstrukt am Ende des Fragebogens gemessen wurden und die Messung aufgrund der nachlassenden Konzentration der Befragungsteilnehmer mit Fehlern behaftet sein könnte. Die Tendenz, dass Personen mit hohem OSL mit großen Sortimenten weniger negative Aspekte, d. h. geringere Kosten von Produktvielfalt verbinden, ist dennoch erkennbar. Im Gegensatz hierzu konnten erwartungsgemäß keine Unterschiede der Werte des Nutzens von Produktvielfalt von Konsumenten mit hohem oder geringem OSL festgestellt werden, gleiches gilt für die Expertise. Die beiden betrachteten

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365

Personeneigenschaften wirken sich folglich, wie vermutet, nur auf die Kostenseite, also auf die negativen Aspekte hoher Produktvielfalt aus.

Aus Unternehmenssicht ist es von hoher Relevanz zu wissen, durch welche Eigenschaften des Sortiments Kosten und Nutzen von Produktvielfalt beeinflusst werden, um daraus entsprechende Gestaltungsmaßnahmen ableiten zu können. Nachfolgend wird deshalb die Einflussstärke verschiedener Eigenschaften des Sortiments auf Kosten und Nutzen von Produktvielfalt untersucht.

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5. Determinanten der Kosten und Nutzen von Produktvielfalt

In den bisher beschriebenen Ergebnissen der empirischen Untersuchung ging es zum einen um die Messung des Werts von Produktvielfalt in Form seiner Kosten- und Nutzendimension, und zu anderen um dessen bzw. deren Konsequenzen. Aus Unternehmenssicht ist es aber wichtig zu wissen, welche Eigenschaften des Sortiments Kosten und Nutzen von Produktvielfalt wie stark beeinflussen. Durch die Kenntnis der Einflussstärke verschiedener Eigenschaften des Sortiments können zentrale Stellhebel zur effektiven und effizienten Reduktion negativer, bzw. Betonung positiver Aspekte hoher Produktvielfalt identifiziert werden. Wie gezeigt wurde, wirken sich sowohl die KPV als auch die NPV auf das Kaufverhalten und die Kaufbewertung aus. Durch die zielgerichtete Anpassung des Sortiments kann ein Unternehmen somit letztlich sowohl die Kaufintention als auch die Zufriedenheit und Loyalität der Konsumenten erhöhen.

Um diejenigen Eigenschaften des Sortiments zu identifizieren, welche die Kosten und Nutzen von Produktvielfalt maßgeblich beeinflussen, werden zunächst potenzielle Einflussfaktoren herausgearbeitet. Die im Anschluss daran dargestellten Ergebnisse der empirischen Untersuchung geben Auskunft über die Einflussstärke der identifizierten Sortimentseigenschaften auf den Wert von Produktvielfalt bzw. auf dessen Kosten- und Nutzendimension.

5.1 Sortimentseigenschaften als Determinanten

5.1.1 Potenzielle Einflussfaktoren des Sortiments

Die in die Untersuchung einbezogenen und als wesentlich für die Entstehung der beiden Dimensionen des Werts von Produktvielfalt eingeschätzten Sortiments-charakteristika basieren zum einen auf dem in Kapitel 2 (S. 68ff.) dargestellten theoretischen Hintergrund der Untersuchung, und zum anderen auf Einschätzungen von Experten. Die aus der Theorie abgeleiteten Einflussgrößen sind bereits ausführlich diskutiert und in den Hypothesen 15 bis 19 zusammengefasst worden (siehe S. 184).

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Ohne auf Details einzugehen, wurden dabei folgende Sortimentseigenschaften als potenzielle Determinanten der Kosten von Produktvielfalt abgeleitet:

Die Anzahl der Produkte im Sortiment ( ++ ),

die Existenz wechselseitig positiver Produktattribute verschiedener Alternativen, d. h. die Kompromissnotwendigkeit bei der Entscheidung ( ++ ),

die Verschiedenheit (klare Produktunterschiede) ( __ ) und

die Vergleichbarkeit der Produkte( __ ).

Als hauptverantwortlich für die Entstehung des Nutzens von Produktvielfalt wurde aus den theoretischen Ausführungen

die Anzahl der Produkte ( ++ )

abgeleitet.

Diese potenziellen Einflussfaktoren wurden im Vorfeld der empirischen Untersuchung mit verschiedenen Experten, vor allem aus dem Umfeld des kooperierenden Handelsunternehmens, diskutiert. Dabei wurde deutlich, dass drei weitere Aspekte mit potenziellem Einfluss aus Unternehmenssicht von Interesse sind:

Die Anzahl der Marken im Sortiment,

die Anzahl der Produkte auf dem für den Konsumenten relevanten Preisniveau und

die Abdeckung verschiedener Preispunkte (Preisvielfalt).

Die Wichtigkeit der Markenanzahl wurde von den Experten damit begründet, dass im Bereich der Elektronikprodukte Marken bei der Kaufentscheidung eine wichtige Rolle spielen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Konsumenten davon ausgehen, dass ein Markenprodukt qualitativ hochwertig ist und der Kauf eines Markenprodukts folglich mit geringeren Risiken verbunden ist. Die Wahl einer bekannten Marke stellt deshalb eine Heuristik dar, welche die Kaufentscheidung erleichtert (vgl. Hauser/Wernerfelt 1990, S. 393; Simonson 1992, S. 107)). Gleichzeitig erwartet der Konsument von einem guten Sortiment, dass dieses Produkte verschiedener und führender Marken enthält. Die Anzahl an Marken könnte sich somit positiv auf den NPV und negativ auf die KPV auswirken.

Konsumenten wissen nach Expertenaussage meist relativ genau, wie viel sie für den Kauf eines Produktes ausgeben wollen. Für den Verbraucher ist bei der Kaufentscheidung deshalb nicht das gesamte Sortiment relevant, sondern nur der Teil

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mit Produkten auf dem entsprechenden Preisniveau. In der Marketingliteratur wird in diesem Zusammenhang häufig vom Consideration Set gesprochen, der die für die Entscheidung relevanten Marken und Produkte enthält (vgl. Roberts/Lattin 1991, S. 429). Es macht folglich Sinn, die Anzahl der Produkte auf relevantem Preisniveau explizit als Determinante der NPV in die Untersuchung einzubeziehen.

Der positive Einfluss der Preisvielfalt auf die Nutzenaspekte liegt im Wesentlichen darin begründet, dass Konsumenten durch die Existenz verschiedener Preispunkte im Sortiment die Möglichkeit haben, sich über das Leistungsspektrum von billigen bis zu teuren Produkten zu informieren. Sie bekommen dadurch ein Gefühl für die Preis-Leistungs-Relation der Produktkategorie und können die einzelnen Produkte besser beurteilen. Für ein Handelsunternehmen ist die Abdeckung eines breiten Preisspektrums zudem eine Möglichkeit, seine Sortimentskompetenz zu demonstrieren und dem Konsumenten den Eindruck zu vermitteln, den „gesamten Markt“ der Produktkategorie, d. h. Produkte von preiswert bis teuer, zur Wahl zu haben.

Insgesamt werden sieben potenzielle Einflussfaktoren in die Untersuchung einbezogen, von denen vier quantitative und drei qualitative Aspekte des Sortiments abdecken. Letztere adressieren vor allem die Eigenschaften der Produkte des Sortiments und deren Beziehungen untereinander und fallen somit eher in den Gestaltungsbereich von Produktherstellern. Im Gegensatz hierzu beziehen die quantitativen Größen verschiedene Gesichtspunkte in die Untersuchung mit ein, die ein Handelsunternehmen durch die Auswahl der angebotenen Produkte im Sortiment beeinflussen kann.

Abbildung 72 stellt die in der nachfolgend beschriebenen empirischen Untersuchung als potenzielle Einflussfkatoren auf die KPV und NPV einbezogenen Sortiments-eigenschaften zusammenfassend dar.

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Anzahl Produkte

Anzahl Marken

Anzahl Produkte auf relevantem Preisniveau

Preisvielfalt

Kompromissnotwendigkeit

klare Produktunterschiede

Vergleichbarkeit Produkte

Quantitativ

Qualitativ

NPV KPV

Antizipierter Produktnutzen

Erfolgs-aussichten Spaß

Aufwand und Anstrengung

Negative Emotionen

Antizipiertes Regret

Positive Emotionen

Informations-möglichkeiten

...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

AP EA Sp AA VF ARPEIM

Nutzen Kosten

Abbildung 72: In der empirischen Untersuchung berücksichtigte Sortimentsaspekte als potenzielle Einflussgrößen auf die Kosten und Nutzen von Produktvielfalt

Um die Einflussstärke der betrachteten Sortimentscharakteristika messen zu können, müssen diese zunächst operationalisiert werden.

5.1.2 Operationalisierung der untersuchten Einflussfaktoren

Vorüberlegungen zur Operationalisierung der Einflussgrößen

Generelles Ziel der empirischen Untersuchung ist es, den Umgang von Konsumenten mit hoher Produktvielfalt in einer realen Kaufsituation zu untersuchen. Die Untersuchung der Determinanten der KPV und NPV konnten deshalb nur in einem Feldexperiment und nicht – wie beispielsweise im Pretest – im Rahmen eines Laborexperiments mit einer künstlichen Kaufentscheidung erfolgen. Aus forschungstheoretischer Sicht wäre es folglich optimal, das Sortiment der betrachteten Produktkategorie eines Einzelhändlers so zu verändern, dass die zu untersuchenden Variablen manipuliert werden und die resultierenden Effekte durch eine Konsumentenbefragung mittels des entwickelten Messinstruments und dem Ausgang der Kaufentscheidung erfasst werden. So müsste beispielsweise die Anzahl der Produkte im Sortiment mindesten so verändert werden, dass sie einmal relativ gering und einmal relativ hoch ist. In der Praxis ist dies aufgrund der möglicherweise hohen finanziellen Auswirkungen für den kooperierenden Einzelhändler nur schwer durchsetzbar.

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Es wurde deshalb ein anderes Untersuchungsdesign gewählt: Die Vielfalt wurde indirekt manipuliert, indem die Untersuchung in drei Geschäften mit unterschiedli-chen Sortimenten stattfand. Die eigentliche Messung der Einflussgrößen erfolgte anhand der durch Konsumenten wahrgenommenen und bewerteten Vielfalt.

Die drei einbezogenen Märkte derselben Handelskette unterscheiden sich dabei sowohl hinsichtlich der Größe, als auch der Zusammensetzung der Sortimente. So bietet beispielsweise das Geschäft 2 insgesamt 90 Digitalkameras an, das Geschäft 3 dagegen 134, also rund 49% mehr. Hinsichtlich der Markenzahl und der Anzahl verschiedener Preispunkte sind die Unterschiede zwischen minimaler und maximaler Vielfalt der drei Geschäfte etwas geringer. Bei der Markenzahl liegen sie zwischen 21 und 26 (+24%), bei der Anzahl verschiedener Preispunkte zwischen 43 und 55 (+28%). Die Preisspannen zwischen dem billigsten und dem teuersten Produkt unterscheiden sich dabei zwischen den drei Geschäften um rund 10% und liegen bei der DVD-Kategorie zwischen € 1.030 und € 1.148, und bei Digitalkameras zwischen € 1.400 und € 1.550. In Abbildung 73 sind die beschriebenen quantitativen Sortimentseigenschaften der Märkte grafisch veranschaulicht.

74

96

26 21

39 43

8390

21 21

3746

95

134

26 24

42

55

0

20

40

60

80

100

120

140

160

DVD Kamera DVD Kamera DVD Kamera

Anzahl Anzahl Produkte Anzahl Marken Preispunkte und -spannen

Geschäft 1 Geschäft 2 Geschäft 3

€ 49 € 69 € 49

€ 1.197€ 1.099

€ 99 € 49 € 49

€ 1.499€ 1.599 € 1.499

Abbildung 73: Anzahl der Marken, Produkte und Preispunkte sowie Preisspannen der drei Geschäfte

Die Messung der in die Untersuchung einbezogenen Einflussgrößen erfolgte nicht anhand der absoluten, sondern mittels der durch Konsumenten wahrgenommenen Vielfalt. So wurden Konsumenten beispielsweise gebeten, die angebotene Anzahl an Produkten auf einer Skala von „deutlich zu gering“ über „optimal“ bis zu „deutlich zu hoch“ einzuordnen. Die Wahrnehmung eines Stimulus – in dem hier betrachteten

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371

Zusammenhang des Sortiments – wird in der Konsumentenverhaltensforschung als Teil des Informationsverarbeitungsprozesses betrachtet (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S. 265), an dessen Ende das „durch Gedächtnisinhalte ergänzte, durch Kognition durchstrukturierte, und durch Verhaltenserfahrungen bewertete Sinnerlebnis“ (Hajos 1977, S. 528) steht. Der Konsument nimmt folglich die Vielfalt des Sortiments wahr, indem er die Sinnerlebnisse mit seinen Erfahrungen in anderen Geschäften in Verbindung bringt. Diese stellen sozusagen Referenzpunkte dar, mit denen der Konsument seine aktuellen Sinneseindrücke vergleicht und sie so bewertet. Diese Argumentation verwenden z. B. auch Wakefield und Baker (1998), um zu untersuchen, wie sich die Vielfalt an Geschäften eines Einkaufszentrums auf die Besucherzahl und Aufenthaltsdauer in diesem auswirkt: „(...) one’s perception of an object (i.e. the environment) is based upon internally processed comparisons with other similar objects (...)“ (Wakefield/Baker 1998, S. 529). Für den hier betrachteten Zusammenhang heißt dies, dass Konsumenten die Vielfalt eines Geschäfts mit der eines anderen vergleichen. Ihre Einschätzung kann folglich als Annäherung für die tatsächlichen Vielfaltsunterschiede der Geschäfte verwendet werden. Unterstützt wird diese Argumentation auch von Analysen der Hauptuntersuchung:

0,0% 0,0% 0,5% 3,0%6,9% 9,4%

42,1%

9,4% 8,9% 5,4% 5,9% 5,0% 3,5%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

viel zugering

genaurichtig

viel zuhoch

Anteil der Befragten

Geschäft 2

Geschäft 1

Geschäft 3

74

96

8390

95

134

0

20

40

60

80

100

120

140

160

DVD Kamera

Geschäft 1Geschäft 2

Geschäft 3

Anzahl

Bewertung der Produktanzahl durch Konsumenten

zu gering19,8%

0,0% 0,0% 1,1%5,5%

11,0% 9,9%

32,4%

8,8% 8,2% 7,1% 9,3%2,2% 4,4%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

viel zugering

genaurichtig

viel zuhoch

Anteil der Befragten

zu gering27,5%

0,0% 0,5% 0,0% 1,4%5,7%

12,7%

34,9%

10,8% 10,4%7,1%

10,8%

2,8% 2,8%

0%5%

10%15%20%25%30%35%40%

viel zugering

genaurichtig

viel zuhoch

Anteil der Befragten

zu gering20,3%

Tatsächliche Produktanzahl

zu hoch38,1%

zu hoch40,1%

zu hoch44,8%

Abbildung 74: Vergleich der durch Konsumenten eingeschätzten und der tatsächlichen Anzahl der Produkte in den drei untersuchten Geschäften

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372

Vergleicht man in obiger Abbildung die Einschätzung der Anzahl an Produkten durch Konsumenten (links) mit der realen Produktanzahl (rechts), so ist zu erkennen, dass letztere von Geschäft 1 zu Geschäft 3 zunimmt. Der Anteil der Befragten, welche die Produktanzahl als „zu hoch“ einschätzen, steigt ebenfalls von 38,1% im ersten Geschäft auf 44,8% im dritten Geschäft und ist folglich mit der realen Zunahme an angebotenen Produkten konform.

Die Wahrnehmung bzw. Bewertung der Vielfalt durch Konsumenten scheint folglich als Annäherung an die tatsächliche Vielfalt sinnvoll zu sein. Sie stellt unter den gegebenen Rahmenbedingungen eines Feldexperiments, in dem die Sortimente nicht verändert werden können, einen gangbaren Weg zur Messung der Sortiments-eigenschaften als Einflussgrößen auf Kosten und Nutzen von Produktvielfalt dar.

Operationalisierung der potenziellen Determinanten

In Tabelle 84 ist die Operationalisierung der untersuchten Einflussgrößen des Sortiments dargestellt. Es ist zu erkennen, dass zwei verschiedene Skalen verwendet wurden. Zum einen diente eine 13-Punkt-Skala der Operationalisierung der quantitativen Größen Produktzahl, Markenzahl und Produktzahl auf relevantem Preisniveau. Sie hatte Ausprägungen von „deutlich zu gering“ (1), über „optimal“ (7) bis „deutlich zu hoch“ (13). Zum anderen wurde eine 7-Punkt-Likertskala für die qualitativen Einflussgrößen und die Anzahl der Preispunkte verwendet. Die Bewertungsskala mit 13 Antwortmöglichkeiten wurde gewählt, da sie gegenüber einer Likert-ähnlichen Skala wie z. B. „Die Anzahl an Produkten ist ... (1) sehr gering ... (7) sehr hoch“ den Vorteil hat, dass zusätzlich Aussagen über die Bewertung der Vielfalt durch die Konsumenten gemacht werden können.

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373

Einflussgröße Frage Skala

1 (...) 7 (...) 13 Anzahl Produkte Ich finde die Anzahl der Digitalkameras ist

insgesamt... deutlich zu gering

genau richtig

deutlich zu hoch

1 (...) 7 (...) 13 Anzahl Marken Ich finde, die Anzahl verschiedener Marken

(Hersteller) ist ... deutlich zu gering

genau richtig

deutlich zu hoch

1 (...) 7 (...) 13 Anzahl Produkte auf relevantem Preisniveau

Ich finde, die Anzahl der Digitalkameras, die in etwa das kosten, was ich ausgeben will, ist ... deutlich zu

gering genau richtig

deutlich zu hoch

Preisvielfalt Dieses Sortiment enthält Digitalkameras in vielen Preislagen – von preiswert bist teuer.

Stimme überhaupt nicht zu

(…) Stimme

vollkommen zu

Kompromiss-notwendigkeit

Die Digitalkameras haben verschiedene Vor- und Nachteile, so dass ich Kompromisse eingehen muss

Stimme überhaupt nicht zu

(…) Stimme

vollkommen zu

Klare Produkt-unterschiede

Die Unterschiede der verschiedenen Digitalkameras sind mir vollkommen klar.

Stimme überhaupt nicht zu

(…) Stimme

vollkommen zu

Vergleichbarkeit der Produkte

Ich kann die verschiedenen Digitalkameras des Sortiments leicht miteinander vergleichen.

Stimme überhaupt nicht zu

(…) Stimme

vollkommen zu

Tabelle 84: Operationalisierung der Einflussfaktoren

Auf Basis dieser Operationalisierung wurde die Stärke des Einflusses der einzelnen Größen auf die KPV und NPV untersucht. Die Ergebnisse werden im nächsten Kapitel beschrieben und diskutiert.

5.2 Empirische Untersuchung

Die Untersuchung der Einflussstärke der betrachteten Sortimentseigenschaften erfolgte ebenfalls mit Hilfe eines PLS-Graphen. Da auch Größen in die Untersuchung einbezogen wurden, die nicht aus theoretischen Ausführungen des zweiten Kapitels abgeleitet wurden, aber aus Expertensicht relevant sind (siehe S. 367f.), existieren nicht für alle Größen Hypothesen bezüglich deren Auswirkung auf die KPV und NPV.

Es wurde deshalb in einem ersten explorativen Schritt der Zusammenhang aller einbezogenen Größen sowohl mit den KPV als auch mit den NPV untersucht. In dem hierbei verwendeten PLS-Strukturmodell stellen die Kosten- und Nutzenaspekte die endogenen Variablen dar. Diese wurden wie schon bei vorherigen Analysen durch die von PLS ermittelten Werte der latenten Variablen KPV und NPV gemessen (siehe z. B. S. 307ff.). Die einbezogenen Einflussgrößen bilden die exogenen Variablen des

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Strukturmodells. Da in dem verwendeten Schätzverfahren63 PLS intern mit standardisierten Werten rechnet, wurden alle Variablen in der Originalskalierung, d. h. unabhängig davon, ob ihnen eine 13- oder 7-Punkt Skala zugrunde liegt, in die Analysen einbezogen.

Im zweiten Schritt wurden auf Basis der t-Werte der Pfadkoeffizienten sukzessive alle nicht signifikanten Beziehungen entfernt, bis das Modell nur noch signifikante Beziehungen enthielt. Dies führte zu folgenden Ergebnissen:

Ergebnisse des PLS-Modells

Abbildung 75 stellt die Ergebnisse in grafischer Form als Pfaddiagramm dar. Die schon zugehörigen Gütemaße sind Tabelle 85 zu entnehmen.

NVP KPV

Kon

stru

kt

Anzahl Produkte

klare Produkt-unterschiede

Vergleich-barkeit

Kompromiss-notwendigkeit

Nutzen Kosten

0,060ns

Anzahl Marken

# Produkte auf rel. Preisniveau Preisvielfalt

KomPU#Pr #Ma #PPr PV Ver

Rang Nutzen n.a. 2 3 1Rang Kosten 1 6 4 25 7 3

Det

erm

inan

ten

Det

erm

inan

ten

0,335

0,094 0,367 0,530

-0,116 -0,073

-0,077 0,215 -0,313-0,091

Abbildung 75: Ergebnisse der PLS-Parameterschätzung der Determinanten der Kosten und Nutzen von Produktvielfalt

63 Centroid; Rescaling with Location

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375

Ausgangskonstruktebene (exogene Variable)

Zielkonstruktebene (endogene Var.)

Pfadko-effizient

t-Wert (Pfadko-effizient)

VIF f2 R2 Q2 (Redu.) Exogene

Konstrukte

Ziel-konstrukt

Hypo-these

⏐⏐> 0,1 > 1,98 < 10 > 0,05 > 0,3 > 0

Anzahl Produkte64 + ( ) 0,060 1,401

Anzahl Marken54 n.a. 0,053 1,259

Anzahl Produkte auf rel. Preisniveau54

n.a. 0,075 1,753

Preisvielfalt n.a. 0,335 8,545 1,058 0,160

Kompromiss-notwendigkeit54 n.a. -0,063 1,653

Klare Produkt-unterschiede n.a. 0,094 2,072 1,587 0,008

Vergleichbarkeit der Produkte

NPV

n.a. 0,367 8,692 1,567 0,131

0,358 0,077

Anzahl Produkte + ( ) 0,530 16,006 1,399 0,426

Anzahl Marken n.a. -0,116 2,942 1,439 0,024

Anzahl Produkte auf rel. Preisniveau

n.a. -0,073 2,156 1,135 0,017

Preisvielfalt n.a. -0,077 2,449 1,083 0,019

Kompromiss-notwendigkeit + ( ) 0,215 7,448 1,038 0,087

Klare Produkt-unterschiede – ( ) -0,091 2,319 1,605 0,021

Vergleichbarkeit der Produkte

KPV

– ( ) -0,313 7,804 1,592 0,139

0,531 0,223

Tabelle 85: Parameterschätzung und Gütemaße der Determinanten der Kosten und Nutzen von Produktvielfalt (Größen mit signifikantem Einfluss sind farbig hinterlegt)

Nutzen von Produktvielfalt

Betrachtet man zunächst die Einflussfaktoren auf den Nutzen von Produktvielfalt, so ist aus der Tabelle zu erkennen, dass die beiden Größen Vergleichbarkeit der Produkte und Preisvielfalt diesen am stärksten beeinflussen. Die Pfadkoeffizienten der beiden Einflussfaktoren liegen mit Werten von 0,335 für die Preisvielfalt und

64 In Analysen nicht berücksichtigt

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376

0,367 für die Vergleichbarkeit der Produkte in einer ähnlichen Größenordung. Gleiches gilt für die t-Werte der Pfadkoeffizienten sowie für die f 2-Werte. Positiv beeinflusst wird der Nutzen auch von dem Faktor klare Produktunterschiede, wobei dieser Einfluss mit einem Pfadkoeffizienten von 0,094 und einem f2-Wert von 0,008 relativ gering, aber aufgrund des t-Werts des Pfadkoeffizienten von 2,072 signifikant ist. Die anderen betrachteten Sortimentseigenschaften beeinflussen den NPV nicht. Insbesondere das Ergebnis, dass die Anzahl der Produkte im Sortiment keinen Einfluss auf den Nutzen von Produktvielfalt hat, ist überraschend und stellt eine zentrale Hypothese dieser Untersuchung in Frage. Dieser Punkt wird deshalb an späterer Stelle (siehe S. 381) tiefer gehend betrachtet.

Insgesamt erklären die drei signifikanten Einflussfaktoren 35,8% der Varianz der Nutzendimension, was als zufrieden stellend einzustufen ist. Das Stone-Geisers Q2 bezüglich der Redundanz ist positiv und deutet auf die Prognosevalidität des Modells hin, das insgesamt als valide zu betrachten ist.

Kosten von Produktvielfalt

Die Kosten von Produktvielfalt werden von allen betrachteten Sortiments-eigenschaften signifikant beeinflusst, was aus den t-Werten der Pfadkoeffizienten, die für alle Größen über der Grenze von 1,98 liegen, hervorgeht. Betrachtet man zunächst die Höhe der Pfadkoeffizienten, ist aus der Tabelle zu erkennen, dass sich die Faktoren aber erheblich in ihrer Einflussstärke unterscheiden. So beeinflusst die Anzahl der Produkte die Kostenaspekte am stärksten, gefolgt von der Vergleichbar-keit der Produkte und der Kompromissnotwendigkeit. Die Unterschiede in der Stärke des Einflusses kommen auch in den f2-Werten zum Ausdruck, die zwischen 0,426 für die Produktanzahl und 0,017 für die Anzahl der Produkte auf relevantem Preisniveau liegen. Vier Einflussfaktoren unterschreiten die gesetzte Grenze von 0,05, üben somit also einen sehr geringen Einfluss aus. Da die Effektgröße f2 aber kein hartes Ausschlusskriterium darstellt (sieh S. 330) und die t-Werte über dem Grenzwert liegen, werden die Beziehungen auch weiterhin im Modell berücksichtigt.

Die Pfadkoeffizienten der Größen, für die Hypothesen formuliert wurden, haben das erwartete Vorzeichen: Je höher die Anzahl der Produkte bzw. die Notwendigkeit zum Kompromiss, desto höher die Kosten. Umgekehrt verhält es sich mit der Vergleichbarkeit der Produkte und den Produktunterschieden: Je geringer diese sind, desto höher sind die KPV.

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Da der VIF aller Determinanten unter dem Wert von 2 und damit sehr deutlich unter dem Grenzwert von 10 liegt, kann weiterhin deren Multikollinearität ausgeschlossen werden. Insgesamt können die Einflussgrößen 53,1% der Varianz der latenten Kostenvariablen erklären, was als gutes Ergebnis zu bezeichnen ist. Die Prognosegüte des Modells kommt auch durch das Stone-Geissers Q2 von 0,223 zum Ausdruck.

Die Hypothesen 15 bis 18 können somit insgesamt aufrechterhalten werden. Die Hypothese 19 (positiver Zusammenhang von Produktanzanl und NPV) wird einer gesonderten Prüfung unterzogen

Interpretation der Ergebnisse

Die Interpretation der Ergebnisse erfolgt wie beim Messmodell der KPV und NPV (siehe S. 291f bzw. S. 300f) einerseits anhand des relativen Erklärungsanteils einer Einflussgröße (Pfadkoeffizient x Korrelation) und andererseits, um eine Aussage über die Richtung der Beziehung machen zu können, anhand des Vorzeichens des Pfadkoeffizienten. Beide sind für die Determinanten mit signifikantem Einfluss auf das jeweilige Zielkonstrukt in Tabelle 86 aufgeführt.

Faktor Pfad-koeffizient Korrelation

Pfadkoeffizient x

Korrelation

Relativer Erklärungsanteil Rang

Preisvielfalt 0,335 0,335 0,143 40% 2

Klare Produkt-unterschiede 0,094 0,388 0,036 10% 3

NPV

Vergleichbarkeit der Produkte 0,367 0,488 0,179 50% 1

Anzahl Produkte 0,530 0,547 0,290 52% 1

Anzahl Marken -0,116 -0,092 0,011 2% 5

Anzahl Produkte auf rel. Preisniveau

-0,073 -0,063 0,005 1% 7

Preisvielfalt -0,077 -0,162 0,012 2% 5

Kompromiss-notwendigkeit 0,215 0,251 0,054 10% 3

Klare Produkt-unterschiede -0,091 -0,365 0,033 6% 4

KPV

Vergleichbarkeit der Produkte -0,313 -0,471 0,147 27% 2

Tabelle 86: Einflussstärke der betrachteten Sortimentseigenschaften auf die Kosten und Nutzen von Produktvielfalt

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Nutzendimension

Die Varianz der latenten Variablen NPV wird zu 50% durch die Vergleichbarkeit der Produkte und zu 40% durch die Preisvielfalt im Sortiment erklärt. Beide Größen wirken sich positiv auf den Nutzen aus, d. h. je höher die Vergleichbarkeit der Produkte bzw. Preisvielfalt, desto höher der Nutzen. Die Verschiedenheit der Produkte steht mit dem NPV ebenfalls in einem positiven Zusammenhang; ihr Erklärungsbeitrag ist mit 10% aber vergleichsweise gering.

Für Konsumenten scheint es folglich besonders wichtig zu sein, dass die Produkte eines Sortiments eine hohe Vergleichbarkeit aufweisen. Dies wirkt sich nicht nur reduzierend auf die KPV, sondern auch stark positiv auf den NPV aus. Zu begründen ist dies vermutlich damit, dass der potenzielle Käufer besonders dann von hoher Produktvielfalt profitiert, wenn er aufgrund der Vergleichbarkeit der Produkte leichter das Produkt identifizieren kann, das seinen Erwartungen und Ansprüchen am nächsten kommt. Er schätzt folglich die beiden Faktoren der Nutzenkomponente Erfolgsaussichten und Antizipierter Produktnutzen entsprechend hoch ein. Gleichzeitig könnte es dem Verbraucher bei guter Vergleichbarkeit der Produkte besonders leicht fallen, dem Sortiment Informationen zu entnehmen und mehr über die Produkte zu erfahren, was ihm zusätzlich auch Spaß bereitet. Die Vergleichbarkeit der Produkte wirkt sich somit positiv auf wesentliche Faktoren der Nutzendimension aus, was ihren starken Einfluss erklären kann. Die Ergebnisse decken sich insgesamt mit den Erkenntnissen zur Alignability von Produkten von Gourville und Soman (1999), auf die an früherer Stelle bereits eingegangen wurde (siehe Kapitel 2.1.4, S. 51ff.).

Die positive Wirkung der Preisvielfalt auf die Nutzendimension lässt sich anhand von zwei Aspekten gut erklären: Der erste Aspekt bezieht sich darauf, dass ein Sortiment, das Produkte von billig bis teuer enthält, dem Käufer das gesamte Produktleistungs-spektrum vergegenwärtigt und ihm die Möglichkeit bietet, sich über seine eigenen Präferenzen klar zu werden. Der Konsument hat daran zum einen Spaß (vgl. Huffmann/Kahn 1998, S. 509) und zum anderen erhöht dies sein Informationsniveau. Er kann durch ein breites Preisspektrum weiterhin ein besseres Verständnis der Preis-Leistungs-Relation der Produktgruppe entwickeln. Ein zweiter Erklärungsansatz ist die Sortimentskompetenz des Händlers, die durch ein breites Preisspektrum zum Ausdruck kommt. Der Konsument gewinnt dadurch den Eindruck, dass der Einzelhändler große Teile der am Markt verfügbaren Produkte anbietet und entsprechend kompetent ist, und er schließt daraus, dass er in einem anderen Geschäft keine Produkte findet, die aus seiner Sicht besser sind als die hier verfügbaren. Die

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Nutzenfacetten Erfolgsaussichten und Antizipierter Produktnutzen sind dadurch entsprechend hoch.

Obwohl der Einfluss des Faktors Verschiedenheit der Produkte verhältnismäßig gering ist, sollte er nicht vernachlässigt werden. Hat ein Konsument die Möglichkeit, Unterschiede der Produkte klar zu erkennen, kann er dadurch ebenfalls leichter seine Präferenzen identifizieren und sein Informationsniveau erhöhen.

Ein Handelsunternehmen kann die Nutzenaspekte eines Sortiments folglich dadurch erhöhen, dass es die Produkte des Sortiments beispielsweise durch die Bereitstellung entsprechender Informationen vergleichbar macht, ein breites Preisspektrum anbietet und die Unterschiede der einzelnen Produkte betont. Auf konkrete Handlungs-empfehlungen wird in Kapitel 6.2 (S. 397ff.) eingegangen.

Kosten

Den mit Abstand stärksten Einfluss auf die KPV übt mit 52% Varianz-erklärungsbeitrag die Anzahl der Produkte im Sortiment aus. Dies bestätigt die zentrale Hypothese der Arbeit, dass hohe Produktvielfalt für Konsumenten mit negativen Konsequenzen in Form von Entscheidungsaufwand, Verwirrung und Frustration sowie Antizipiertem Regret verbunden ist. Durch eine gezielte Reduktion der Anzahl der Produkte im Sortiment kann ein Einzelhändler folglich die Entscheidungskosten des Konsumenten reduzieren.

Neben der Produktanzahl spielt die Vergleichbarkeit der Produkte auch auf der Kostenseite eine zentrale Rolle. So kann der kognitive Aufwand bei der Entscheidung vermutlich deutlich reduziert werden, wenn der Konsument die Produkte gut miteinander vergleichen kann. Er ist dann durch die Vielfalt außerdem weniger verwirrt und frustriert, da er in geringerem Maße überfordert wird. Dieser Aspekt wurde von Gourville und Soman (1999), ebenso wie von Markman und seinen Kollegen (siehe z. B. Markman/Medin 1995; Zhang/Markman 1998; Zhang/Markman 1999) intensiv im Zusammenhang mit der Alignability von Produkten diskutiert (siehe auch Kapitel 2.1.4, S. 51ff.).

Bestätigt wurde ebenfalls der vermutete positive Zusammenhang von Kompromiss-notwendigkeit und KPV. Dieser dürfte zum einen auf den höheren kognitiven Aufwand und zum anderen auf die negativen Emotionen, welche bei Entscheidungen, die einen Kompromiss erfordern, zurückzuführen sein. Im Rahmen der Konflikttheorie wurde hierauf detailliert eingegangen (siehe Kapitel 2.3.2.2, S. 134ff.).

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Die Auswirkungen der Produktunterschiede sind wie erwartet negativ, das heißt, je klarer die Unterschiede, desto geringer die Kosten. Dies deutet darauf hin, dass die Entscheidung für den Konsumenten mit einem geringeren kognitiven Aufwand verbunden ist, wenn ihm die Unterschiede der Produkte klar sind und er sich also lange und intensiv mit den Produkten beschäftigen muss, um deren Unterschiede zu erkennen. Die Entstehung von antizipiertem Regret dürfte dadurch ebenfalls gemindert werden, da klare Produktunterschiede eine eindeutige Entscheidung des Konsumenten erleichtern, er sich der Richtigkeit seiner Entscheidung sicherer ist und deshalb weniger Bedauern antizipiert.

Der kostenreduzierende Einfluss der Sortimentseigenschaften Markenanzahl, Anzahl der Produkte auf relevantem Preisniveau sowie Preisvielfalt ist mit Erklärungs-anteilen von 2% bzw. 1% vernachlässigbar gering. Es scheint folglich, dass Konsumenten mit einer hohen Markenzahl weder positive noch negative Aspekte verbinden. Gleiches gilt für die Anzahl der Produkte auf relevantem Preisniveau. Letzteres ist durchaus erstaunlich, da an sich ein positiver Einfluss auf die NPV naheliegend ist.

Zusammenfassung

Die Untersuchungsergebnisse haben gezeigt, dass der Nutzen von Produktvielfalt im Wesentlichen durch

die Vergleichbarkeit der Produkte ( ++ ) (50%),

Die Preisvielfalt ( ++ ) (40%) und

die Verschiedenheit ( ++ ) (10%) der Produkte

bestimmt wird. Alle drei Größen wirken sich mit zunehmender Ausprägung positiv auf die Nutzenaspekte aus.

Die Kosten von Produktvielfalt sind vor allem auf

die Anzahl der Produkte ( ++ ) (52%),

die Vergleichbarkeit der Produkte ( __ ) (27%),

die Kompromissnotwendigkeit ( ++ ) (10%) und

die klaren Produktunterschiede ( __ ) (6%)

zurückzuführen. Während die Anzahl der Produkte und die Kompromissnotwendigkeit bei zunehmender Ausprägung die Kosten erhöhen, führt eine Zunahme der beiden

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anderen Faktoren zu deren Senkung. Steigende Vergleichbarkeit und klare Unterschiede erleichtern demnach die Entscheidung.

Da die Analysen ergeben haben, dass die Anzahl der Produkte keinen positiven Einfluss auf die NPV hat, wird der Zusammenhang von Produktanzahl NPV sowie KPV anschließend detailliert betrachtet.

Anzahl der Produkte im Sortiment und ihre Auswirkung auf die NPV und KPV

Zur näheren Untersuchung des Zusammenhangs von Produktanzahl und NPV, wird dieser zunächst grafisch veranschaulicht. Hierzu wird für jeden Datensatz der in PLS ermittelte Wert der latenten Nutzen- bzw. Kostenvariablen (y-Wert) in Abhängigkeit der zugehörigen wahrgenommenen Produktvielfalt (x-Wert) in einem kartesischen Koordinatensystem in einer Art „Punktewolke“ dargestellt. Abbildung 76 zeigt dies.

deutlich zu gering

deutlich zu hoch

optimal

Nutzen von Produktvielfalt

Anzahl Produkte

Nutzen

deutlich zu gering

deutlich zu hoch

optimal

Kosten von Produktvielfalt

Anzahl Produkte

KostenÜber OptimumBis Optimum Über OptimumBis Optimum

Abbildung 76: Grafische Veranschaulichung des Zusammenhangs von Produktanzahl und den Werten der latenten Nutzen- und Kostenvariablen

Im linken Teil der Grafik ist der Zusammenhang von (wahrgenommener) Produktvielfalt (Anzahl Produkte) und dem Wert der latenten Nutzenvariable (NPV) dargestellt. Dem Augenschein nach ist zu erkennen, dass der NPV (y-Variable) nicht wie erwartet über den gesamten Wertebereich der x-Variablen (Anzahl Produkte) – von „deutlich zu gering“ bis „deutlich zu hoch“ – linear ansteigt. Der

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PLS-Algorithmus basiert aber auf multiplen linearen Regressionen und versucht, vereinfacht gesagt, eine Gerade durch die dargestellte „Punktewolke“ zu legen, deren Steigung Ausdruck für die Stärke und Richtung des Zusammenhangs der beiden Variablen ist. Die gestrichelte Linie im Diagramm stellt die auf Basis der Werte ermittelte65 lineare Trendlinie dar. Zu erkennen ist, dass diese nahezu parallel zur Abszisse verläuft, also eine Steigung von annähernd 0 (0,008) hat. Folglich ist es nicht verwunderlich, dass sich im PLS-Modell kein signifikanter positiver Zusammenhang von Produktanzahl und NPV ergeben hat.

Betrachtet man die Punkte nicht über den gesamten Wertebereich, sondern abschnittweise zum einen bis zur aus Konsumentensicht optimalen Produktanzahl und zum anderen oberhalb dieser, ergibt sich ein anderes Bild: Wie die abschnittweise hinzugefügten Trendlinien66 veranschaulichen, steigt der Nutzen bis zum Optimum mit zunehmender Vielfalt deutlich an, nimmt dann aber nach dessen Überschreitung ab. Es scheint somit, dass zunehmende Vielfalt nach dem Überschreiten eines Optimums einen negativen Grenzwert hat, d. h. wird die Alternativenzahl über das Optimum hinausgehend erhöht, reduziert dies den NPV eines Konsumenten.

Führt man dieselbe Betrachtung für die Kostendimension durch (rechter Teil von Abbildung 76), so zeigt sich, dass die lineare Trendlinie für den gesamten Wertebereich (gestrichelte Linie) eine deutlich positive Steigung hat, weshalb sich im PLS-Modell auch ein signifikanter positiver Zusammenhang von Produktanzahl und KPV ergeben hat. Unterscheidet man auch hier zwei Abschnitte – einen bis zum Optimum und einen darüber – so verdeutlichen die abschnittweisen Trendlinien, dass die Kosten bis zum Optimum relativ konstant sind, nach dessen Überschreiten aber sehr stark ansteigen.

An dieser Stelle soll aber nicht der Versuch unternommen werden, einen mathematisch korrekten und statistisch belastbaren funktionalen Zusammenhang von Produktanzahl und Kosten bzw. Nutzen von Produktvielfalt herzuleiten. Vielmehr sollte die grafische Betrachtung des Zusammenhangs eine mögliche Erklärung des Ergebnisses des PLS-Modells hinsichtlich der nicht signifikanten Beziehung zwischen der Anzahl der Produkte und dem Nutzenkonstrukt geben. Als Konsequenz der explorativen Veranschaulichung bietet es sich aber an, die Wirkung der Alternativenzahl auf die KPV und NPV abschnittweise mit Hilfe eines PLS-Modells zu analysieren.

65 Mit Hilfe der Trendlinienfunktion von Microsoft Excel ermittelt

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Abschnittsweise Betrachtung des Zusammenhangs von Alternativenzahl und Kosten und Nutzen von Produktvielfalt

Zur abschnittweisen Untersuchung dieses Zusammenhangs mittels eines PLS-Modells wurde der Datensatz anhand der Werte der „wahrgenommenen Produktvielfalt“ zweigeteilt: 315 der 596 Datensätze hatten Variablenausprägungen von 1 bis 7 und fielen in die Gruppe „bis zum Optimum“. Die wahrgenommene Produktvielfalt der restlichen 245 Befragten lag über dem Wert von 8, ihre Datensätze wurden deshalb dem Sample „über dem Optimum“ zugeteilt. Anschließend wurde für die beiden Subsamples getrennt ein PLS-Modell mit NPV und KPV67 als endogene Variablen und der Anzahl der Produkte als exogene Variable berechnet. In Abbildung 77 sind die beiden Strukturmodelle mit Parameterschätzung und in Tabelle 87 die zugehörigen Gütemaße dargestellt.

Vielfalt BIS Optimalniveau (7) Vielfalt ÜBER Optimalniveau (7)

Über OptimumBis Optimum

N = 351

NPV KPV

Det

erm

inan

teK

onst

rukt

Nutzen Kosten

0,457

Anzahl Produkte

#Pr

Anzahl Produkte

#Pr

- 0,241

R2 = 0,058R2 = 0,209

N = 245

NPV KPV

Det

erm

inan

teK

onst

rukt

Nutzen Kosten

- 0,263

Anzahl Produkte

#Pr

Anzahl Produkte

#Pr

0,489

R2 = 0,239R2 = 0,069

Abbildung 77: Abschnittweise PLS-Modelle (bis Optimum, über Optimum) des Zusammenhangs von Alternativenzahl und Kosten- und Nutzenkonstrukt

Die Parameterschätzungen bestätigen dabei den aufgrund der grafischen Veranschaulichung vermuteten Zusammenhang:

Im Bereich bis zum Optimum besteht ein signifikanter positiver Zusammenhang zwischen der Alternativenzahl und der Nutzenkomponente. Der Pfadkoeffizient ist mit 0,457 sehr hoch, dessen Signifikanz kommt durch den zugehörigen t-Wert von 8,868 zum Ausdruck. Im Gegensatz hierzu ist die Auswirkung der Produktvielfalt auf die KPV trotz eines Pfadkoeffizienten von -0,241 mit einem t-Wert von 1,081 in diesem 66 Mit Hilfe der Trendlinienfunktion von Microsoft Excel ermittelt 67 Die Nutzen- und Kostenvariable wurde jeweils wie bei den vorherigen Modellen gemessen.

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„Vielfalts-Abschnitt“ nicht signifikant. Auf Zielkonstruktebene kann das Modell die verwendeten Gütekriterien nicht erfüllen, da die erklärte Varianz der latenten Nutzenvariable bei nur rund 21%, und das Stone-Geissers Q2 mit einem Wert von -0,051 jeweils unterhalb des vorgegebenen Grenzwerts liegen. Die Erklärungskraft des Modells ist folglich nicht zufrieden stellend. Da aber nicht die Erklärung der Nutzen- bzw. Kostenvariable, sondern die Untersuchung ihrer Zusammenhänge mit der Anzahl der Produkte im Sortiment Ziel dieser gesonderten Analyse ist, fällt dieses Ergebnis nicht weiter ins Gewicht. Aus der Signifikanz der Beziehung zwischen Produktanzahl und NPV kann daher die Schlussfolgerung gezogen werden, dass sich eine Zunahme der Produktanzahl bis zum Optimum positiv auf den NPV auswirkt, während dadurch die Kosten nicht signifikant beeinflusst werden.

Liegt die Alternativenzahl über dem Optimum, führt eine Erhöhung der Alternativenzahl zu einer Reduzierung des Nutzens und einer starken Erhöhung der Kosten. Beide Beziehungen sind mit t-Werten von 5,340 (Nutzen) und 9,773 (Kosten) signifikant, wobei der kostensteigernde Effekt aufgrund des deutlich höheren Pfadkoeffizienten von 0,469 gegenüber -0,263 stärker ist. Auf Zielkonstruktebene wiederholt sich das Ergebnis des anderen Subsamples: Sowohl die erklärte Varianz als auch das Q2 liegen für beide Zielkonstrukte unterhalb der Grenzwerte, wobei die Werte der NPV deutlich schlechter sind als die der KPV. Die Variable Anzahl der Produkte kann somit allein betrachtet weder den Nutzen noch die Kosten von Produktvielfalt ausreichend erklären, beeinflusst diese aber signifikant.

Ausgangskonstruktebene (exogene Variable)

Zielkonstruktebene (endogene Var.)

Pfadko-effizient

t-Wert (Pfadko-effizient)

VIF f2 R2 Q2 (Redu.) Exogenes

Konstrukt

Zielkonstrukt Hypo-these

⏐⏐> 0,1 > 1,98 < 10 > 0,05 > 0,3 > 0

NPV + ( ) 0,457 8,868 – (n.a.)

– (n.a.) 0,209 -0,052 Anzahl

Produkte bis Optimum (N=351) KPV n.a. -0,241 1,081 –

(n.a.) –

(n.a.) 0,058 -0,140

NPV n.a. -0,263 5,340 – (n.a.)

– (n.a.) 0,069 -0,178 Anzahl

Produkte über Optimum (N=245) KPV + ( ) 0,469 9,773 –

(n.a.) –

(n.a.) 0,239 -0,021

Tabelle 87: Parameter und Gütemaße der PLS-Modelle der Subsamples „bis Optimum“ und „über Optimum“

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385

Zusammenfassung

Für die Hypothese 19 folgt aus den gesonderten Analysen, dass sie nur teilweise angenommen werden kann. So hat sich gezeigt, dass der Nutzen von Produktvielfalt nur bis zu einem bestimmten Punkt mit zunehmender Vielfalt entsprechend der Hypothese steigt. Überschreitet die Vielfalt an Produkten ein optimales Niveau, führt eine weitere Erhöhung zu einer Reduktion des Nutzens und gleichzeitig zu einem starken Anstieg der Kosten. Der Effekt zwischen Produktanzahl und Kosten sowie Nutzen von Produktvielfalt ist damit stärker als zunächst angenommen:

Eine hohe Produktanzahl im Sortiment führt nicht nur zu hohen Entscheidungs-kosten, sondern reduziert gleichzeitig die mit großer Auswahl verbundenen positiven Aspekte und wirkt sich somit in doppelter Hinsicht negativ aus.

Für Handelsunternehmen folgt daraus, dass sich eine zu hohe Anzahl an Produkten im Sortiment stark negativ auf das Kaufverhalten der Konsumenten auswirken kann, da dadurch gleichzeitig die in einem positiven Zusammenhang mit der Kaufabsicht stehenden Nutzenaspekte reduziert, und die kaufwahrscheinlichkeitsminderndenen Kostenfacetten gesteigert werden. Ähnliches gilt für die dem Kauf nachgelagerte Bewertung wie z. B. die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess. Folglich sollte ein Einzelhändler die Gesamtzahl der angebotenen Produkte in einer Produktkategorie sehr kritisch auf Reduktionsmöglichkeiten überprüfen.

5.3 Zusammenfassung

Kosten und Nutzen von Produktvielfalt werden sowohl durch quantitative als auch qualitative Aspekte des Sortiments beeinflusst.

Die Anzahl der Produkte im Sortiment ist hierbei der stärkste Einflussfaktor auf die KPV, wirkt sich aber nur bis zu einem personenspezifischen Optimum positiv auf den NPV aus. Wird dieses Optimum überschritten, bietet ein Unternehmen also mehr Produkte an, als aus Sicht eines Konsumenten optimal ist, führt dies zu einer Reduktion des NPV. Die Grundhypothese dieser Arbeit, dass hohe Produktvielfalt negative Auswirkungen haben kann, wird durch diese doppelt negative Wirkung zu hoher Vielfalt zusätzlich bekräftigt.

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Den zweitstärksten Einfluss auf die KPV und den stärksten auf den NPV hat mit der Vergleichbarkeit der Produkte eine qualitative Sortimentseigenschaft. Demzufolge profitieren Konsumenten insbesondere von Sortimenten, deren Produkte gut vergleichbar sind, wodurch insbesondere die Informationsmöglichkeiten verbessert und der Vergleich mit den eigenen Präferenzen erleichtert wird. Letzteres beeinflusst indirekt den antizipierten Produktnutzen und die Erfolgsaussichten und wirkt sich somit fördernd auf den NPV aus. Der starke Einfluss auf die KPV ist durch die Notwendigkeit zusätzlicher Abstraktionsschritte bei geringer Vergleichbarkeit der Produkte zu erklären.

Zweitwichtigster Einflussfaktor auf den NPV ist die Preisvielfalt. Konsumenten profitieren davon vermutlich in erster Linie dadurch, dass sie sich durch Sortimente mit Produkten von preiswert bis teuer einen guten Überblick über das Leistungs-spektrum verschaffen können und so ein Gefühl für die Preis-Leistungs-Relation der Produktkategorie gewinnen.

Interessant ist an den Ergebnissen auch, dass die Anzahl der Marken und die Anzahl der Produkte auf relevantem Preisniveau keinen Einfluss auf die NPV und nur einen äußerst geringen, aber signifikanten auf die KPV ausübt.

Insgesamt zeigen die Untersuchungsergebnisse insbesondere, dass zum einen (zu) hohe Produktvielfalt für Konsumenten negative Aspekte hat und zum anderen sowohl quantitative als auch qualitative Charakteristika des Sortiments Kosten und Nutzen von Produktvielfalt beeinflussen.

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6. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse

Dieses Kapitel fasst die Gesamtergebnisse der Untersuchung aus den Blickwinkeln der Marketingtheorie und der Unternehmenspraxis zusammen.

6.1 Die Ergebnisse der Untersuchung aus Sicht der Marketingtheorie

Aus der Perspektive der Marketingtheorie stand eine übergeordnete Frage im Zentrum dieser Arbeit:

Verbinden Konsumenten mit hoher Produktvielfalt negative Aspekte?

Die Ergebnisse der Untersuchung lassen den Schluss zu, diese Frage mit JA zu beantworten: Aus Konsumentensicht hat Vielfalt nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile. Diese wurden als Kosten von Produktvielfalt bezeichnet und wirken sich negativ auf das Kaufverhalten und die dem Kauf nachgelagerten Evaluationsgrößen aus. Demnach kann hohe Vielfalt die Kaufintention sowie die Zufriedenheit des Entscheiders mit dem Kaufprozess reduzieren, die Entstehung kognitiver Dissonanz begünstigen und so die Produktzufriedenheit negativ beeinflussen. Letztlich kann hohe Vielfalt dazu führen, dass Konsumenten gegenüber Geschäften mit hoher Vielfalt illoyal werden.

Die zentrale Hypothese dieser Arbeit (Hypothese 1, S. 92), die von der Existenz negativer Aspekte hoher Produktvielfalt aus Konsumentensicht ausgegangen ist und deren nachteilige Auswirkungen auf die Kaufintention und auf verschiedene Facetten der Nachkaufbewertung vorhergesagt hat, kann somit aufrecht erhalten werden.

Die Untersuchungsergebnisse stehen damit im Widerspruch zur rationalen Entscheidungstheorie (Rational Theory of Choice) (vgl. Luce 1959, 1977; Tversky/Shafir 1992, S. 358; siehe auch S. 43f.) bzw. Nutzenerwartungswerttheorie, die von einem positiven Zusammenhang von Produktvielfalt und Kaufverhalten ausgeht und im Kern besagt, dass „(...) a high-variety strategy (or customisation strategy) increases the likelihood that each consumer will find exactly what she or he wants” (Kahn 1998, S. 46).

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Die Resultate der Untersuchung lassen sich anhand der zu Beginn der Arbeit formulierten vier Forschungsfragen im Gesamtzusammenhang darstellen.

Beantwortung der Forschungsfragen

1. Theoretische Erklärung des Zusammenhangs von Produktvielfalt und Konsumentenverhalten (Forschungsfrage 1)

Der Zusammenhang von Produktvielfalt und Konsumentenverhalten wurde zunächst anhand folgender übergeordneter Theorien bzw. theoretischer Konzepte verdeutlicht:

Den gegensätzlichen Hypothesen von Informationsdefizit und Informations-überlastung (vgl. Jacoby et al. 1974a,b),

der Theorie des Optimum Stimulation Level (vgl. Hebb 1955; Leuba 1955) und

dem Tyranny of Freedom (vgl. Schwarz 2000).

Die Theorien bzw. theoretischen Konzepte haben Hinweise darauf gegeben, dass übermäßig hohe Produktvielfalt für Konsumenten negative Folgen hat, die sich in reduzierter Kaufwahrscheinlichkeit und geringerer Zufriedenheit niederschlagen. Auf unterschiedlicher Basis haben alle drei Theorien einen umgekehrt-u-förmigen Zusammenhang zwischen der Produktanzahl und der Kaufabsicht bzw. dem (positiven) Gefühlszustand des Konsumenten abgeleitet. Da die vorliegende Arbeit zum Ziel hat, die Wirkung hoher Produktvielfalt zu untersuchen, wurden die weiteren Analysen auf den Bereich der Vielfalt um und über dem Optimum dieses Zusammenhangs eingeschränkt.

Um den Wirkungszusammenhang von Produktvielfalt und Konsumentenverhalten detaillierter theoretisch zu beleuchten, wurde dieser in einen Kosten- und einen Nutzeneffekt aufgegliedert. Die Kosten von Produktvielfalt (KPV) und der Nutzen von Produktvielfalt (NPV) wurden anschließend durch verschiedene Theorien und theoretische Konzepte erklärt, indem theoriebasierte Begründungen für die Existenz positiver und negativer Aspekte hoher Produktvielfalt gegeben wurden. Hierbei sind sowohl verschiedene Facetten der beiden Konstruktdimensionen, als auch deren Konsequenzen und Determinanten aufgezeigt worden.

Die Nutzenerwartungswerttheorie hat verdeutlicht, dass hohe Produktvielfalt für Konsumenten mit einem hohen antizipierten Produktnutzen und guten

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Erfolgsaussichten verbunden ist. Wie die Ausführungen zum Shopping Hedonismus gezeigt haben, macht Konsumenten eine große Auswahl zudem Spaß und führt zur Entstehung positiver Emotionen. Als Folge dieser vier Nutzenaspekte haben Konsumenten eine höhere Kaufabsicht und sind mit dem Kaufprozess und dem gekauften Produkt zufriedener. Zurückzuführen sind diese Nutzenaspekte von Produktvielfalt laut der beschriebenen Theorien in erster Linie auf die Anzahl der Alternativen im Sortiment.

Die Kosten von Produktvielfalt wurden durch die Cost of Thinking, die Konflikt-Theorie und die Theorie des antizipierten Regrets erklärt. Die Theorien haben aufgezeigt, dass hohe Produktvielfalt für Konsumenten mit Aufwand und Anstrengung verbunden ist und zur Entstehung von negativen Emotionen (Verwirrung und Frustration) und Antizipiertem Regret führen kann. Diese Kostenfacetten wirken sich gegensätzlich zu den Nutzenfacetten aus und reduzieren die Kaufintention, die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess und dem gekauften Produkt und können zu kognitiver Dissonanz nach dem Kauf führen. Die Theorien haben weiterhin verdeutlicht, dass neben quantitativen Eigenschaften des Sortiments, wie der Anzahl der Alternativen, auch qualitative Aspekte, wie z. B. die Vergleichbarkeit der Produkte einen Einfluss auf die KPV ausüben können.

Insgesamt haben die theoretischen Bezugspunkte die erste Forschungsfrage beantwortet, indem sie

einen theoretischen Erklärungsansatz für den Zusammenhang von Produktvielfalt und Konsumentenverhalten gegeben,

verschiedene Facetten sowie

Determinanten und Konsequenzen von Kosten und Nutzen von Produkt-vielfalt als unabhängige Dimensionen des Werts von Produktvielfalt aufgezeigt haben.

2. Messung von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt (Forschungsfrage 2)

Kosten und Nutzen von Produktvielfalt wurden als unabhängige Dimensionen des übergeordneten Konstrukts Wert von Produktvielfalt als eindimensionale mehrfaktorielle Konstrukte konzeptualisiert, deren Faktoren den jeweiligen aus den Theorien abgeleiteten und oben beschriebenen Facetten entsprechen.

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Die Nutzendimension bzw. der Nutzen von Produktvielfalt besteht aus den fünf Faktoren

Antizipierter Produktnutzen

Erfolgsaussichten

Informationsmöglichkeiten

Spaß (am Einkaufen) und

Positive Emotionen

Die Kostendimension bzw. die Kosten von Produktvielfalt werden durch drei Faktoren

Aufwand und Anstrengung

Verwirrung und Frustration

Antizipiertes Regret

konzeptualisiert.

Da die Faktoren verschiedene Facetten der jeweiligen Dimension abbilden, wird auf Dimensionsebene ein formatives Messmodell verwendet; die Beziehungen zwischen den Faktoren und der zugehörigen Dimension werden folglich formativ operationalisiert. Im Gegensatz hierzu erfolgt die Messung auf Faktorenebene mittels reflektiver Modelle, da die Faktoren jeweils inhaltlich eng umgrenzte Themenbereiche abdecken und deshalb eine hohe Abhängigkeit der Indikatoren eines Faktors unterstellt wird. Die generierten Indikatoren basieren zum einen auf den theoretischen Ausführungen und zum anderen auf Experten- und Konsumenten-interviews. Nach einem Pretest mit einer exploratischen und konfirmatorischen Faktorenanalyse (LISREL) wurden die Messmodelle einer empirischen, auf dem PLS-Verfahren basierenden Untersuchung unterzogen und im Hinblick auf deren Validität und Reliabilität mittels geeigneter Gütekriterien überprüft. Bei der Analyse der Einflussstärke der Faktoren auf die Konstrukte hat sich gezeigt, dass die Nutzendimension am stärksten durch die Faktoren Informationsmöglichkeiten und Positive Emotionen bestimmt wird und die Kostendimension besonders auf die Faktoren Verwirrung und Frustration und Aufwand und Anstrengung zurückzuführen sind.

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3. Konsequenzen von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt (Forschungsfrage 3)

Die Konsequenzen von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt im Hinblick auf das Konsumentenverhalten können anhand der Ergebnisse der entsprechenden Hypothesentests verdeutlich werden (siehe Abbildung 78).

ZP

LMLG

KI

KD

KomPU Ver

NPV KPV

Anzahl Produkte

klare Produkt-unterschiede

Vergleich-barkeit

Kompromiss-notwendigkeit

Nutzen KostenKaufintention

Zufriedenheit Prozess

kognitive Dissonanz

Loyalität Geschäft

Loyalität Marke

Zufriedenheit Produkt

H7 H3

H9

H13

H8H11

H5

H4

H14

H12H10

H6

ZPr

H19 H15 H16

#Pr

H17 H18++

++

++

++

++

++H2

__

__++

++

____

__++

++ ++____( )

Eval

uatio

n un

d zu

künf

tige

Verh

alte

nsab

sich

tVe

rhal

ten

Det

erm

inan

ten

Kon

stru

kt

Abbildung 78: Die Ergebnisse der Überprüfung der Hypothesen zu den Konsequenzen der Kosten und Nutzen von Produktvielfalt

Wie aus der Abbildung zu erkennen ist, können bis auf die Hypothesen 4 und 14 alle Hypothesen aufrechterhalten werden. Demzufolge wirkt sich der NPV direkt positiv auf die Kaufintention, die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess und dem Produkt, sowie auf die Loyalität zum Geschäft aus. Im Gegensatz hierzu reduzieren die KPV die Kaufabsicht und die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess und begünstigen die Entstehung kognitiver Dissonanz. Der Zusammenhang mit der Produktzufriedenheit ist nicht wie vermutet negativ, sondern positiv. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass der Käufer erwartet, dass er nach einer schweren Entscheidung, bei der er sich sehr

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angestrengt hat, letztlich eine gute Entscheidung getroffen hat und deshalb mit dem gewählten Produkt zufrieden ist. Der direkte positive Zusammenhang wird aber über einen indirekten negativen egalisiert, so dass insgesamt kein Zusammenhang von KPV und Produktzufriedenheit besteht.

Auch die Hypothesen zu den Abhängigkeiten der Konsequenzkonstrukte untereinander können bis auf eine beibehalten werden, d. h. die vermuteten Beziehungen der Konstrukte sind signifikant und haben die erwartete Richtung. Aus theoretischer Sicht ist vor allem interessant, dass sich die bislang relativ wenig erforschte Zufriedenheit mit dem Kaufprozess positiv auf die Loyalität zum Geschäft und die Zufriedenheit mit dem gekauften Produkt auswirkt und gleichzeitig die Entstehung Kognitiver Dissonanz reduziert. Da die Kognitive Dissonanz die Produktzufriedenheit signifikant negativ beeinflusst, wird der positive Einfluss der Kaufprozesszufriedenheit auf die Produktzufriedenheit indirekt noch verstärkt. Dass Konsumenten, die mit dem gekauften Produkt zufrieden sind auch eine höhere Loyalität gegenüber der gekauften Marke haben, konnte nicht gezeigt werden. Zurückzuführen ist dies vermutlich in erster Linie auf das Untersuchungsdesign, bei dem Konsumenten kurz nach der Kaufentscheidung nach ihrer antizipierten Produktzufriedenheit und Markenloyalität gefragt wurden. Da sich die Zufriedenheit mit dem Produkt erst im Laufe der Nutzung herausbildet und diese ein wichtiger Bestimmungsfaktor der Markenloyalität ist, scheinen zum Zeitpunkt der Befragung diese Konstruktausprägungen noch zu gering zu sein, um signifikante Zusammen-hänge zwischen ihnen aufzeigen zu können.

Die Untersuchungen haben somit gezeigt, dass der Nutzen von Produktvielfalt die Kaufintention, die Kaufprozesszufriedenheit, die Produktzufriedenheit und die Loyalität zum Geschäft positiv beeinflussen. Die Kosten von Produktvielfalt reduzieren dagegen die Kaufabsicht und die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess, führen gleichzeitig zu kognitiver Dissonanz. Indirekt wirken sich die KPV weiterhin negativ auf die Loyalität zum Geschäft aus, d. h. der allgemein anerkannte positive Zusammenhang zwischen Sortimentsgröße und Loyalität wird bei hoher Vielfalt durch zunehmende Kostenaspekte (KPV) negativ beeinflusst.

Insgesamt konnte die Verhaltensrelevanz der beiden Konstruktdimensionen Kosten von Produktvielfalt und Nutzen von Produktvielfalt durch die empirischen Untersuchungen gezeigt werden.

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4. Determinanten von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt (Forschungsfrage 4)

In der vierten Forschungsfrage geht es darum, welche Eigenschaften des Sortiments Kosten und Nutzen von Produktvielfalt in welcher Stärke beeinflussen. Zu vier aus der Theorie abgeleiteten potenziellen Einflussfaktoren wurden Hypothesen formuliert, drei weitere Sortimentseigenschaften, die Experten als besonders einflussstark betrachteten, wurden in der Untersuchung berücksichtigt, ohne dass vorab Hypothesen hierzu formuliert wurden.

NPV KPV

Kon

stru

kt

Anzahl Produkte

klare Produkt-unterschiede

Vergleich-barkeit

Kompromiss-notwendigkeit

Nutzen Kosten

H19H15

H17 H18++

++

__( )

Anzahl Marken

# Produkte auf rel. Preisniveau Preisvielfalt

__ __

KomPU#Pr #Ma #PPr PV Ver

H16

++ ++ ++

Rang Nutzen n.a. 2 3 1Rang Kosten 1 6 4 25 7 3

Det

erm

inan

ten

Det

erm

inan

ten

__ __++

Abbildung 79: Determinanten der Kosten und Nutzen von Produktvielfalt (Zu den Beziehungen mit grau hinterlegten Konstrukten und + / - Zeichen wurden vorab keine Hypothesen formuliert.)

Wie aus Abbildung 79 hervorgeht, können bis auf eine alle Hypothesen beibehalten werden. Die Hypothese 19, die den Zusammenhang zwischen der Anzahl der Produkte und dem NPV beschreibt, kann dagegen nur bedingt aufrechterhalten werden. Wie Detailanalysen (siehe S. 381ff.) gezeigt haben, wirkt sich die Produktanzahl nur bis zu einem Optimum positiv auf die NPV aus, danach ist die Beziehung negativ. Das heißt, überschreitet die Anzahl verfügbarer Optionen ein konsumentenindividuelles Optimum, wirkt sich die Vielfalt negativ auf die Nutzenaspekte aus. Die nachteilige Wirkung zu hoher Produktvielfalt wird dadurch noch verstärkt, was die Grundhypothese der Arbeit (Hypothese 1) zur negativen Wirkung hoher Produktvielfalt noch bekräftigt.

Der stärkste Einfluss auf den Nutzen von Produktvielfalt geht von der Vergleichbarkeit der Produkte und der Preisvielfalt aus. Demnach profitieren Konsumenten weniger von der Gesamtzahl der Produkte, sondern vielmehr von deren

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Vergleichbarkeit sowie der angebotenen Preisvielfalt. Können Konsumenten Produkte gut vergleichen, wirkt sich dies folglich stark positiv auf den empfundenen Nutzen hinsichtlich des Sortiments aus. Zu einem ähnlichen Schluss kommen auch Markman und seine Kollegen (vgl. Markman/Medin 1995; Zhang/Markman 1998; Zhang/Markman 1999) im Rahmen ihrer Untersuchungen zur Alignability (Vergleichbarkeit) von Produkten (siehe S. 52f.).

Die Kosten von Produktvielfalt werden zu über 50% durch die Anzahl der Produkte bestimmt, was die Grundthese der Arbeit bestätigt. Nennenswerten Einfluss üben außerdem noch die Vergleichbarkeit der Produkte und die Kompromissnotwendigkeit bei der Entscheidung aus. Die Produktvergleichbarkeit beeinflusst demnach nicht nur die NPV positiv, sondern kann auch gleichzeitig zu einer Reduktion der KPV beitragen und ist folglich ein besonders wichtiger Einflussfaktor.

Neben den Einflüssen des Sortiments wurde auch untersucht, wie sich die personenimmanenten Eigenschaften Erfahrung und OSL eines Konsumenten auf die KPV und NPV auswirken. Die Analysen haben aber nur explorativen Charakter und sind deshalb nicht stark belastbar. Sie haben gezeigt, dass erfahrene Konsumenten geringere KPV haben als unerfahrene. Der moderierende Einfluss des OSL war dagegen nur bei einer einseitigen Betrachtung signifikant. Es konnte aber die Tendenz erkannt werden, dass Personen mit hohem OSL geringere KPV haben. Beide Personeneigenschaften haben sich erwartungsgemäß nicht auf die NPV ausgewirkt. Die tiefergehende Untersuchung moderierender Effekte personenspezifischer Eigenschaften bleibt weiterführenden Untersuchungen vorbehalten.

Insgesamt haben die Untersuchungen der Determinanten von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt ergeben, dass die Anzahl der Produkte die KPV sehr stark positiv beeinflusst und gleichzeitig nach Überschreiten eines konsumentenindividuellen Optimums zu einer Reduzierung der NPV führen kann. Ein zu großes Sortiment kann sich aufgrund der aufgezeigten Konsequenzen der beiden Konstrukte folglich in doppelter Weise negativ auf das Konsumentenverhalten ausüben. Gleichzeitig wurde durch die Analysen deutlich, dass qualitative Eigenschaften des Sortiments und hierbei insbesondere die Vergleichbarkeit der Produkte einen starken Einfluss sowohl auf die KPV als auch die NPV auswirken. Dies legt nahe, dass eine Portfoliosichtweise auf das Sortiment, welche die Beziehungen der Alternativen untereinander berücksichtigt, zu einer gegenüber der Produktsichtweise verbesserten Prognostizierbarkeit des Verhaltens von Konsumenten führen kann. Dies ist ein viel versprechender Ansatzpunkt weiterführender Forschungsarbeiten.

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Zusammenfassung

Zusammenfassend konnten die Untersuchungsergebnisse aufzeigen, dass hohe Produktvielfalt aus Konsumentensicht sowohl positive als auch negative Aspekte hat, die theoretisch begründbar sind, gemessen werden können und Verhaltensrelevanz haben, da sie die Kaufentscheidung und die Kaufevaluation positiv (NPV) bzw. negativ (KPV) beeinflussen. Sie werden durch quantitative und qualitative Eigenschaften des Sortiments bestimmt, wobei hier insbesondere die Anzahl der Alternativen und deren Vergleichbarkeit maßgeblichen Einfluss haben.

Die Untersuchung ist einigen Einschränkungen unterworfen und hat weiteren Forschungsbedarf aufgezeigt.

Limitationen und weiterer Forschungsbedarf

Die Untersuchung ist auf echte Kaufentscheidungen, die eine relativ intensive Auseinandersetzung des Konsumenten mit den verfügbaren Alternativen erfordert und mit einem gewissen finanziellen Risiko verbunden ist, eingeschränkt worden. Inwiefern die Ergebnisse auf andere Kaufarten wie z. B. Impulskäufe bei Gütern des täglichen Bedarfs übertragbar sind, ist unklar. In weiterführenden Arbeiten könnte dies untersucht werden, indem anstatt langlebiger Konsumgüter Produkte der FMCG68-Kategorie, wie beispielsweise Marmeladen oder Wein, als Stimuli verwendet werden. In diesem Fall sollten aber weitere Nutzenaspekte, insbesondere in Bezug auf Variety-Seeking Motive, berücksichtigt werden. Neben den psychischen Reaktionen, die vermutlich insbesondere auf Kostenseite weniger intensiv ausfallen werden, ist in diesem Zusammenhang insbesondere die vertiefte Analyse des Kaufausgangs interessant. Im Gegensatz zur vorliegenden Untersuchung, die nur die Kauf-wahrscheinlichkeit bzw. Kaufintention, nicht aber das gewählte Produkt als Ergebnisvariable verwendet hat, könnte untersucht werden, ob hohe Vielfalt zum verstärkten Kauf von Billig- oder Markenprodukten oder z. B. zur stärkeren Habitualisierung führt. Es wäre beispielsweise möglich, dass ein Kunde aufgrund seiner Verwirrung letztlich immer das gleiche Produkt kauft, demzufolge aber von der angebotenen Vielfalt auch nicht profitieren kann.

Im Rahmen erweiterter Modelle wurden die Konstrukte Preisführerschaft und Beratungszufriedenheit in die Analysen einbezogen. Hierbei konnte auf Basis des 68 Fast Moving Consumer Goods

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PLS-Modells kein signifikanter Einfluss der beiden Größen auf die Kaufintention festgestellt werden. Aufgrund weiterer Analysen wurde das Ergebnis der PLS-Schätzung bezüglich des Einflusses der Beratungszufriedenheit aber angezweifelt. Der Einfluss des Sortiments konnte jedoch im Rahmen der Unstersuchung den Einflussgrößen Beratung und Preis nicht gegenübergestellt werden. Für Unternehmen ist es aber von hoher Relevanz zu wissen, wie das Sortiment im Vergleich zu Beratung und Preis das Kaufverhalten von Konsumenten beeinflusst. Nachfolgende Untersuchungen könnten deshalb den Einfluss von Beratungszufriedenheit und Preisführerschaft nochmals detaillierter untersuchen und dem von Kosten und Nutzen von Produktvielfalt gegenüberstellen.

Ein weiterer Aspekt, der in dieser Arbeit nur peripher betrachtete wurde, ist der (moderierende) Effekt personenspezifischer Eigenschaften. Es konnte zwar aufgezeigt werden, dass Konsumenten mit hoher Expertise verglichen mit Nicht-Experten weniger ausgeprägte Entscheidungskosten bei hoher Vielfalt haben, eine detaillierte Betrachtung dieses Effekts, wie z. B. die Stärke des moderierenden Effekts oder die Auswirkungen auf den Kaufausgang waren aber nicht Gegenstand der Untersuchung. Ähnliches gilt für das Optimum Stimulation Level, das ein viel versprechendes Persönlichkeitskonstrukt zur Erklärung interindividueller Unterschiede im Umgang mit Produktvielfalt ist. Es stellte in dieser Untersuchung aber nur einen Randbereich dar. Die erkennbare Tendenz, dass Personen mit hohem OSL weniger negative Aspekte mit hoher Produktvielfalt verbinden als Personen mit niedrigem OSL, zeigt die grundsätzliche Relevanz des Konstrukts, das folglich einen interessanten Ansatzpunkt für die Erklärung persönlichkeitsbedingter Unterschiede im Umgang mit hoher Produktvielfalt bietet. In weiterführenden Untersuchungen könnten z. B. im Anschluss an eine Expertise- und/oder OSL-Segmentierung spezifische Sortiments- und Verkaufsstrategien für die einzelnen Segmente entwickelt werden.

Insbesondere die Untersuchung der Determinanten hat gezeigt, dass das Sortiment als ganzes, und nicht nur seine Einzelprodukte, das Verhalten der Konsumenten beeinflussen. Deutlich wurde dies aus dem starken Einfluss der Produktanzahl und der quantitativen Einflussfaktoren, insbesondere der Vergleichbarkeit der Alternativen auf die Kosten- und Nutzendimension. Demzufolge bietet eine portfolioorientierte Betrachtung des Sortiments gegenüber einer produktorientierten Sichtweise Vorteile im Hinblick auf das Verständnis des Konsumenten und ermöglicht eine bessere Vorhersehbarkeit seines Verhaltens. Dieser „Portfolio-Ansatz“ stellt einen viel versprechenden Ansatzpunkt für die Prognose der Kaufwahrscheinlichkeit in

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Abhängigkeit verschiedener Einflussfaktoren des Sortiments dar. Die Entwicklung eines derartigen Modells könnte Gegenstand weiterführender Forschungsarbeiten sein.

6.2 Implikationen für die Unternehmenspraxis

Die Untersuchungsergebnisse haben für Unternehmen eine hohe Relevanz, da gezeigt wurde, dass Kosten und Nutzen von Produktvielfalt die Kaufintention, die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess und dem Produkt sowie die Loyalität gegenüber dem Geschäft beeinflusst. Da dies aus Unternehmenssicht zentrale Erfolgs- und Steuerungsgrößen sind, ist es für die Praxis von Interesse, durch welche Maßnahmen die Kostenaspekte von Produktvielfalt reduziert und/oder die Nutzenaspekte erhöht werden können, um dadurch kurz- (Kaufintention), mittel- (Zufriedenheit) und langfristig (Loyalität) den Unternehmenserfolg zu steigern. Damit ein Unternehmen seine Ressourcen effektiv und effizient einsetzen kann, muss es wissen, welche Maßnahmen die höchste Wirkung auf Kosten und Nutzen von Produktvielfalt versprechen.

Um diese zu identifizieren, werden anhand der relativen Erklärungsbeiträge der Faktoren der Messmodelle und der Determinanten der KPV und NPV die einflussstärksten Parameter abgeleitet. Sowohl für die KPV als auch für die NPV werden jeweils die zwei einflussstärksten Messmodellfaktoren und die drei einflussstärksten Determinanten gewählt. Dies führt insgesamt zu neun Ansatzpunkten, die in Abbildung 80 zusammen dargestellt sind. Der Grafik sind weiterhin die relativen Erklärungsbeiträge der Faktoren bzw. Determinanten sowie deren jeweiliger Rang in Bezug auf eines der Konstrukte Kosten von Produktvielfalt bzw. Nutzen von Produktvielfalt zu entnehmen.

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NPV KPV

Anzahl Produkte

klare Produkt-unterschiede

Vergleich-barkeit

Kompromiss-notwendigkeit

Anzahl Marken

# Produkte auf rel. Preisniveau

Preisvielfalt

VerKom#Pr #Ma #PPr PV PU

Nutzen n.a. 2 (40%)

3 (10%)

1 (50%)

Kosten 1(52%)

6(2%)

4(6%)

2(27%)

5 (2%)

7(1%)

3(10%)

Det

erm

inan

ten

PESpEAAP IM

4(17%)

5(14%)

3 (19%)

... ... ... ... ... ... ... ... ... ...

1(26%)

2 (24%)

ARAA VF

... ... ... ... ... ...

Antizip.Pro-duktnutzen

Erfolgs-aussichten Spaß Aufwand &

AnstrengungVerwirr.&

FrustrationAntizip. Regret

Positive Emotionen

Info.möglich-keiten

Mes

smod

ell

Mes

smod

ell

1 (38%)

2 (35%)

3 (27%)

55 66 88 99

11 22 33 44

77

Rang Erklärungs-beitrag

Abbildung 80: Die neun einflussstärken Messmodellfaktoren und Determinanten zeigen effektive und effiziente Ansatzpunkte für Maßnahmen auf.

Ein Unternehmen kann folglich Kosten und Nutzen von Produktvielfalt am effektivesten und effizientesten durch Maßnahmen beeinflussen, die auf diese neun Aspekte ausgerichtet sind. Einem Handelsunternehmen stehen hierfür neben der Preispolitik innerhalb des Geschäfts im Wesentlichen folgende vier Gestaltungs-felder zur Verfügung:

1. Anzahl und Art der Produkte im Sortiment

2. Präsentation des Sortiments

3. Beratung

4. Kommunikationsmaßnahmen am Point of Sale69

69 „Point of sale (POS), point of purchase, (POP), Ort des Einkaufs (aus Sicht des Konsumenten) bzw. Ort

des Verkaufs (aus Sicht des Händlers). Synonym verwandte Begriffe die den Ort des Warenangebots (einen Laden bzw. den innerbetrieblichen Standort eine Ware im Regal, (...) ) bezeichnen, an dem die Kunden in Selbstbedienungsgeschäften unmittelbaren Kontakt mit der Ware haben und deshalb, zur Förderung von Impulskäufen, gezielt mittels Maßnahmen der Verkaufsförderung angesprochen werden können“ (Gabler Wirtschaftslexikon 1997, S. 3007)

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Für jeden dieser Bereiche werden anschließend konkrete Maßnahmenvorschläge erarbeitet, durch die ein Einzelhändler Kosten und Nutzen von Produktvielfalt in seinem Sinne beeinflussen kann. Am Rande wird hierbei auch auf Gestaltungs-möglichkeiten eines Herstellers eingegangen.

Ausgangspunkt sind die neun abgeleiteten Ansatzpunkte, die aufgrund ihrer Wichtigkeit nachfolgend nochmals kurz inhaltlich zusammengefasst werden:

1. Informationsmöglichkeiten: Konsumenten schätzen es, dass sie sich aufgrund der Vielfalt und Größe des Sortiments über die Produktkategorie informieren können. Insbesondere können sie Produkte vergleichen, sich einen Überblick über den Markt verschaffen und die entscheidungsrelevanten Attribute sowie ihre eigenen Präferenzen lernen.

2. Positive Emotionen: Konsumenten finden große Sortimente im Allgemeinen ansprechend, inspirierend, aufregend und unterhaltsam. Sie geben ihnen zudem die Möglichkeit, interessante Erfahrungen zu machen und verleihen ihnen Gefühle von Entscheidungsfreiheit, Selbstbestimmtheit und Optimismus.

3. Aufwand und Anstrengung: Hohe Produktvielfalt macht eine Entscheidung kompliziert, führt zu hohem Zeitaufwand und erfordert vom Konsumenten starke kognitive Anstrengungen, die mit intensivem Nachdenken und hoher empfundener Mühe und Anstrengung verbunden sind: James Bryce formulierte dies sehr eindringlich: „To most people nothing is more troublesome than the effort of thinking” (James Bryce, The American Commonwealth 1888, zitiert nach Shugan 1980, S. 99).

4. Verwirrung und Frustration: Große Vielfalt kann bei Entscheidern Gefühle der Überforderung, Verwirrung und Frustration auslösen.

5. Anzahl der Produkte: Die Untersuchungsergebnisse haben gezeigt, dass die Anzahl der Produkte über 50% der Varianz der Kosten von Produktvielfalt erklärt und somit einen sehr starken Einfluss auf diese hat. Ein positiver Zusammenhang mit dem Nutzen von Produktvielfalt besteht indes nur bis zu einem personenspezifischen Vielfaltsoptimum. Ist dieses überschritten, enthält das Sortiment also mehr Produkte als aus Sicht des Konsumenten optimal wäre, führt dies zu einer Reduktion der NPV und somit zu einer Verstärkung des negativen Effekts.

6. Preisvielfalt: Preisvielfalt bedeutet in erster Linie, dass das Sortiment Produkte in allen Preiskategorien enthält. Der Konsument hat dadurch die Möglichkeit,

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das gesamte Leistungsspektrum der verfügbaren Produkte zu sehen. Dies ermöglicht ihm zudem, ein Verständnis der Preis-Leistungsrelation der Produktkategorie zu entwickeln. Für ein Handelsunternehmen bietet die Preisvielfalt ein Instrument, seine Sortimentskompetenz zu demonstrieren und dem Produktangebot z. B. durch das Vorhandensein sehr teurer Produkte eine gewisse Exklusivität zu verleihen.

7. Kompromissnotwendigkeit: Konsumenten fällt es im Allgemeinen schwer, bei einer Entscheidung Kompromisse einzugehen, da sie durch die Entscheidung für ein bestimmtes Produkt auf positive Eigenschaften eines anderen Produkts verzichten müssen. Dadurch können negative Emotionen und antizipiertes Regret entstehen.

8. Klare Unterschiede: Kann eine Person die Unterschiede zwischen den Alternativen klar erkennen, fällt ihr die Entscheidung leichter, da sie die Produkte dadurch einfacher hinsichtlich ihrer eigenen Präferenzen beurteilen kann.

9. Vergleichbarkeit: Der starke Einfluss der Vergleichbarkeit der Produkte ist konform mit den Forschungsergebnissen zur Alignability von Markman und seinen Kollegen (vgl. Markman/Medin 1995; Zhang/Markman 1998; Zhang/Markman 1999): Demnach fällt es Konsumenten schwer, Produkte, die hinsichtlich ihrer Attribute nicht inkompatibel sind, zu vergleichen. Hat ein Autokäufer z. B. die Wahl zwischen zwei PKW, die sich nur darin unterscheiden, dass eines ein Schiebedach und das andere statt dessen einen CD-Wechsler hat, so muss der Konsument versuchen, diese beiden Produktattribute miteinander zu vergleichen. Dies kann er aber nur auf einer abstrakteren Ebene, wie z. B. dem „Lebensgefühl im Auto“, tun. Dies erfordert zusätzlichen Aufwand und kann aufgrund der höheren Abstraktion und der damit verbundenen geringeren Entscheidungssicherheit zur Verwirrung und Antizipation von Regret führen. Die positive Wirkung der Vergleichbarkeit auf die NPV entsteht im Wesentlichen durch die besseren Informations-gewinnungsmöglichkeiten und den einfacheren Vergleich der Alternativen mit den eigenen Präferenzen. Dies erhöht den antizipierten Produktnutzen und die Erfolgsaussichten des Konsumenten.

Nachfolgend werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie diese Ansatzpunkte durch Maßnahmen in den Gestaltungsbereichen Sortiment (Produktauswahl und

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401

Präsentation), Beratung und Kommunikation am Point of Sale beeinflusst werden können.

Anzahl und Art der Produkte im Sortiment

Bosshart (2002) formuliert die Kernaussage zu diesem Aspekt sehr einprägsam: „Die Einstellung, die in die Zukunft weist, lautet (...) ‚Weniger ist mehr’ oder ‚Mehr ist anders’“ (S. 19). Ziel eines Handelsunternehmens sollte es folglich nicht mehr sein, ein Sortiment mit möglichst vielen Produkten, sondern mit klar differenzierten Produkten anzubieten. Klar differenziert bedeutet hierbei Differenzierung nach innen und nach außen. Das heißt, die angebotenen Produkte müssen untereinander, aber auch gegenüber Wettbewerbern klare Unterschiede aufweisen. Im Fokus sollte folglich nicht mehr die Größe des Sortiments, sondern dessen Vielfal t– im Sinne von Verschiedenartigkeit – stehen. Rudolph und Schweizer (2003, S. 50) fordern in diesem Sinne den Handel dazu auf, sich seiner Selektionsfunktion stärker bewusst zu werden, und das Produktangebot sorgfältig auszuwählen und dadurch dem Konsumenten die Entscheidung zu erleichtern. Diese „Mental Convenience“ (Rudolph/Schweizer 2003, S. 50) verschafft dem Unternehmen ein einzigartiges Profil und ermöglicht es ihm, sich klar von seinen Wettbewerbern zu differenzieren. Die Empfehlung von Bratschi (2002) geht ebenfalls in diese Richtung: „Die Zukunft liegt in der Entwirrung der Komplexität für Kunden“ (S. 63). Er ermuntert Handelsunternehmen, sich dadurch zu differenzieren, dass sie dem Kunden das geben, was er heute im Handel vermisst: „radikale Einfachheit“ (S. 66).

Wie kann ein Unternehmen dieses Ziel der Entwirrung und Einfachheit durch die Auswahl der angebotenen Produkte erreichen?

In einem ersten Schritt sollte ein Handelsunternehmen die Einschätzung der Sortimentsgröße durch Kunden untersuchen. So gaben beispielsweise 41,1% der Befragten in dieser Untersuchung an, dass das Sortiment zu viele oder deutlich zu viele Produkte enthält, nur 22,3% beurteilten die Anzahl erhältlicher Produkte als (etwas) zu gering. Auf Basis dieser Analyse kann der Händler die Anzahl an angebotenen Produkten reduzieren. Welche Ansatzpunkte hat er hierfür?

Die Geschäfte, in denen die Hauptuntersuchung durchgeführt wurde, bieten beispielsweise insgesamt 134 verschiedene Digitalkameras an. 80% der 238 Verkäufe wurden aber durch nur 26 verschiedene Produkte erzielt. Insgesamt wurden von 134 Produkten 76 nie gekauft. Ähnliches gilt für die Produktmarken: Insgesamt standen

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Digitalkameras von 24 Marken zur Verfügung. 95% der Verkäufe machten die Geschäfte mit Produkten von 10 Marken, die restlichen 5% entfielen auf 5 weitere. Einem Unternehmen kann empfohlen werden, sich bei der Auswahl der Produkte und/oder Marken, die es aus dem Sortiment nimmt, an den nicht oder nur sehr selten verkauften Produkten und Marken – den „Langsamdrehern“ – zu orientieren.

Bei der Zusammenstellung der Produkte des Sortiments sollten Handels-unternehmen aber darauf achten, dass der Konsument immer den Eindruck großer Vielfalt behält. Entscheidend ist folglich nicht die tatsächliche, sondern die wahrgenommene Vielfalt (vgl. Kahn/Morales 2001, S. 71). Broniarczyk, Hoyer und McAlister (1998, S. 173) konnten zeigen, dass diese durch die Artikelreduktion nicht notwendigerweise negativ beeinflusst wird, sie kann im Gegenteil durch die Entfernung „langsamdrehender“ Artikel sogar erhöht werden. Eine weitere Möglichkeit hierfür ist, das Sortiment hinsichtlich der Aspekte zu variieren, derer Vielfältigkeit Konsumenten positiv bewerten: „Offering variety along the dimensions that matter, while keeping other dimensions fixed, can increase perceived variey while managing cost“ (Kahn/Morales 2001, S. 72). Wie die Untersuchungsergebnisse verdeutlich haben, ist der Preis eine der Dimensionen, hinsichtlich derer sich Konsumenten Vielfalt wünschen. Ein Einzelhändler sollte deshalb hohe Preisvielfalt, d. h. Produkte von billig bis teuer anbieten. Dies bringt seine Sortimentskompetenz zum Ausdruck und ermöglicht dem Verbraucher, ein breites Leitstunksspektrum der Produktkategorie zu sehen. Kahn und Morales (2002) nennen neben dem Preis diejenigen Produktattribute, welche die Sinne des Menschen ansprechen, als sinnvolle Variationsdimensionen. So bietet beispielsweise OLYMPUS eine seiner meistverkauften Digitalkameras in insgesamt sechs verschiedenen Farben an. Diese Variation ist für Konsumenten positiv und erschwert die Entscheidung nicht, da farbliche Präferenzen meist relativ ausgeprägt sind.

Zwei weitere Aspekte kann ein Händler bei der Sortimentszusammenstellung beachten, um die KPV zu reduzieren und/oder den NPV zu erhöhen:

Der erste Gesichtspunkt bezieht sich auf die Vergleichbarkeit der Produkte. Wie die Untersuchungsergebnisse gezeigt haben, beeinflusst diese sowohl die Kosten von Produktvielfalt als auch den Nutzen von Produktvielfalt sehr stark. Ein Handels-unternehmen sollte deshalb versuchen, Produkte anzubieten, die möglichst gut vergleichbar sind und z. B. gemeinsame Attribute haben, hinsichtlich derer sie durch den Konsumenten verglichen werden können. Um die Kompromissnotwendigkeit zu reduzieren ist, gleichzeitig zu beachten, dass sich Produkte über positive

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Eigenschaften differenzieren und negative gemeinsam haben. Wie Dhar und Sherman (1999, S. 200) zeigen konnten, entstehen dadurch weniger Konflikte. Obwohl beide Aspekte vornehmlich im Gestaltungsbereich von Herstellern liegen, können Handelsunternehmen durch die Wahl ihrer Produkte einen gewissen Einfluss ausüben. Hersteller sollten bei der Gestaltung einer Produktlinie darauf achten, dass die Produkte klare Unterschiede haben, wenige Kompromisse verlangen und möglichst gut vergleichbar sind. Dies bedeutet, dass teurere Produkte gegenüber preiswerteren hinsichtlich aller Attribute besser sind, und so z. B. eine Kamera, die eine Auflösung von 5 Mio. Pixel ermöglicht, kein kleineres Display hat, als eine Kamera mit einer Auflösung von 4 Mio Pixel.

Beim zweiten Aspekt geht es um die Förderung positiver Emotionen, die eine wichtige Einflußgröße des NPV sind. Ein Einzelhändler kann dies beispielsweise dadurch erreichen, dass er neue oder ausgefallene Produkte anbietet und diese entsprechend hervorhebt. Die positive Wirkung von Neuheiten ist z. B. aus der Automobilbranche bekannt: Neue Modelle üben häufig eine hohe Anziehungskraft auf Konsumenten aus. Gleiches gilt auch für Showcars oder Modellstudien, die durch ihre außergewöhnliche Erscheinung besonderes Interesse wecken.

Zusammenfassend können aus den Untersuchungsergebnissen folgende Empfehlungen an Handelsunternehmen hinsichtlich der Anzahl und Art der Produkte im Sortiment abgeleitet werden:

1. Die Anzahl der angebotenen Produkte ist bei hoher Vielfalt auf Reduktions-möglichkeiten zu überprüfen. Ansatzpunkte hierfür bieten selten oder nie verkaufte Marken und Produkte („Langsamdreher“).

2. Die Produkte im Sortiment sollten möglichst klare und leicht erkennbare Unterschiede aufweisen und gut vergleichbar sein. Idealerweise unter-scheiden sie sich durch aus Käufersicht positive Attribute und haben negative Eigenschaften gemeinsam.

3. Die Vielfältigkeit des Sortiments sollte sich auf diejenigen Produktattribute beschränken, deren Variation aus Konsumentensicht wünschenswert und „gewinnbringend“ ist. Zu empfehlen ist das Angebot einer hohen Preisvielfalt indem das Sortiment Produkte von preiswert bis teuer enthält.

4. Durch Produktneuheiten und außergewöhnliche Produkte im Sortiment kann das Interesse der Konsumenten geweckt und die Entstehung positiver Emotionen gefördert werden.

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Ein Geschäft kann Kosten und Nutzen von Produktvielfalt neben der Zusammen-stellung auch durch die Präsentation des Sortiments beeinflussen.

Präsentation des Sortiments

Kahn und Morales (2001) weisen darauf hin, dass „the perception of variety is based on how these items are offered” (S. 74). Drei Faktoren üben hierbei einen besonders starken Einfluss aus (vgl. Broniarczyk/Hoyer/McAlister 1998, S. 173; Hoch/Bradlow/Wansink 1999, S. 539):

Präsenz des (potenziell) favorisierten Produkts,

Organisation des Sortiments und

mehrfaches Vorhandensein einzelner Produkte.

Ist das favorisierte bzw. potenziell favorisierte Produkt im Sortiment vorhanden, ist die wahrgenommene Vielfalt höher (vgl. Broniarczyk/Hoyer/McAlister 1998, S. 173). Wichtig ist hierbei, dass der Konsument dieses Produkt auch schnell erkennt. Da, wie oben beschrieben, eine relativ geringe Anzahl an Produkten einen Großteil der Verkäufe auf sich vereint, ist es wahrscheinlich, dass der „Durchschnittskunde“ eines der meistverkauften Produkte präferiert. Werden diese „Schnelldreher“ besonders hervorgehoben, kann der Konsument seinen potenziellen Favoriten relativ zügig erkennen. Eine Möglichkeit hierfür ist die Einführung einer „Hitlist“ der meistverkauften Produkte. So könnten z. B. die Top 10 der Produktverkäufe innerhalb einer Produktkategorie besonders hervorgehoben oder separat angeordnet werden.

Die Organisation des Sortiments kann einerseits die wahrgenommene Vielfalt, und andererseits auch die Orientierung des Konsumenten innerhalb des Produktsortiments beeinflussen. So konnten Hoch, Bradlow und Wansink (1999, S. 539) zeigen, dass Konsumenten, die aus einem übersichtlich angeordneten Sortiment wählen, die Vielfalt, im Vergleich zu einer chaotisch dargebotenen Auswahl, als größer einschätzen. Ein Handelsunternehmen sollte seine Artikel folglich möglichst übersichtlich präsentieren. Werden die Produkte darüber hinaus noch so strukturiert, dass Konsumenten dadurch eine Orientierungs- und Entscheidungshilfe geboten wird, können zusätzlich auch die Kosten von Produktvielfalt reduziert und der Nutzen von Produktvielfalt gesteigert werden. Da Konsumenten meist eine relativ klare Vorstellung von dem Betrag haben, den sie für den Produktkauf ausgeben wollen, bietet sich der Preis als Strukturierungsgröße an. In der Untersuchung wurden

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beispielsweise € 200, € 350 und € 500 besonders häufig als Maximalpreis für Digitalkameras genannt. Folglich ist es naheliegend, das Digitalkamerasortiment in die vier Segmente „bis € 200“, „von € 200 bis € 350“, „von € 350 bis € 500“ und „über € 500“ einzuteilen. Dies ermöglicht es dem Interessenten, sich einerseits einen Überblick über das Sortiment zu verschaffen, andererseits kann er in einem gut strukturierten Sortiment schnell diejenigen Produkte finden, die für ihn zum Kauf in Frage kommen sind. Dies reduziert sowohl die Verwirrung und Frustration als auch den Entscheidungsaufwand. Ferner ist die Anmutung eines gut strukturierten Sortiments ansprechender, was die Entstehung positiver Emotionen fördert.

Sind Produkte mehrfach im Sortiment vorhanden, kann dies unter der Voraussetzung, dass die mehrmals vorhandenen Produkte dicht nebeneinander stehen und gleichzeitig die Sortimentsfläche entsprechend groß ist, die wahrgenommene Vielfalt erhöhen (vgl. Broniarczyk/Hoyer/McAlister 1998, S. 173). Mehrfachpräsentationen sollten aber auf Topseller beschränkt werden, da dies den weiteren Vorteil hat, dass mehrere Konsumenten die gefragten Artikel gleichzeitig anschauen und testen können, was den NPV zusätzlich über die Aspekte Spaß und Informationsmöglichkeiten positiv beeinflusst.

Zusammenfassend können aus den Ergebnissen der Untersuchung folgende Empfehlungen an Handelsunternehmen hinsichtlich der Präsentation der Produkte im Sortiment abgeleitet werden:

1. Durch die Hervorhebung besonders häufig verkaufter Produkte (z. B. Top 10) kann ein Händler die wahrgenommene Vielfalt erhöhen und gleich-zeitig die Entscheidungsschwierigkeit durch die Beschränkung des Choice-Sets reduzieren. Werden diese Topseller direkt nebeneinander mehrfach präsentiert, kann dies zu einer Verstärkung des positiven Effekts führen, da die wahr-genommene Vielfalt dadurch positiv beeinflusst wird und die begehrten Produkte zusätzlich aufgrund der besseren Verfügbarket leichter und intensiver getestet werden können.

2. Die Produkte des Sortiments sollten möglichst übersichtlich angeordnet und nach einem entscheidungsrelevanten Kriterium sortiert werden. Es bietet sich an, die Produkte in verschiedene Preisklassen einzuteilen und innerhalb dieser nach einem durchgängigen und entscheidungsrelevanten Kriterium zu sortieren.

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Beratung

Der Verkäufer ist für ein Handelsunternehmen die wichtigste Schnittstelle zum Konsumenten (vgl. Bratschi 2002, S. 66), weshalb die Beratung eine wichtige Rolle im Beziehungsmanagement zum Kunden übernimmt. Die Untersuchungsergebnisse untermauern dies durch die aufgezeigten positiven Auswirkungen der Beratungs-zufriedenheit auf die Kaufprozesszufriedenheit und die Loyalität zum Geschäft. Neben der Verfügbarkeit kommt die Zufriedenheit mit der Beratung insbesondere in der Entscheidungsunterstützung des Verkäufers zum Ausdruck (vgl. Haas 2001, S. 14f.). Der Verkäufer kann die Entscheidungsfindung dadurch unterstützen, dass er zum einen eine Art „Enablerfunktion“ übernimmt und dem Kunden hilft, sich selbst zu helfen, und zum anderen explizite Empfehlungen ausspricht. Ersteres kann man erreichen, indem der Verkäufer dem Konsumenten hilft, seine eigenen Präferenzen kennen zu lernen. Kahn und Morales (2001, S. 76) empfehlen hierzu, den Kunden attributweise nach seinen Präferenzen zu fragen, hierbei aber auf explizite Trade-offs zwischen verschiedenen Produkteigenschaften zu verzichten. Unterschiedliche Produktattribute sollten zudem sequenziell und nicht simultan betrachtet werden (vgl. Luce/Payne/Bettman 2001, S. 33). Ein Berater kann beispielsweise dem Käufer einer Digitalkamera dabei helfen, festzustellen, ob er eine Auflösung von 4 oder 5 Mio. Pixeln präferiert. Er sollte ihn aber nicht mit der Entscheidung zwischen 4 Mio. Pixel und einem großem Display und 5 Mio. Pixel und einem kleinem Display konfrontieren. Es wird empfohlen, diese Trade-offs implizit zu machen, indem der Verkäufer eine Kamera empfiehlt und dadurch den Konflikt löst. Der Verkäufer sollte generell darauf achten, den Konsumenten nicht zu überfordern, das heißt, weder zu viele Informationen von ihm zu erfragen, noch ihm zu viele anzubieten (Kahn 1998, S. 51). Gleichzeitig ist es vor allem im Bereich der Elektro- und Elektronikprodukte wichtig, bei der Kommunikation das richtige technische Niveau zu treffen (vgl. Johnson/Russo 1984, S. 549). So kann es angemessen sein, einen technisch versierten Jugendlichen mit Detailinformationen zur Auflösung einer Digitalkamera zu versorgen, damit sich dieser zwischen 4 und 7 Mio. Pixel entscheiden kann. Ein älterer Herr, der ein geringeres technisches Verständnis hat, wäre hiervon überfordert. Ihm sollte der Verkäufer eher nutzenorientiert den Unterschied zwischen den Produkten klar machen, indem er beispielsweise aufzeigt, dass Bilder, die mit der 7 Mio. Pixel Kamera gemacht werden ohne Qualitätsverlust auf Postergröße ausgedruckt werden können, was bei einer Auflösung von 4 Mio. Pixel nicht möglich ist. Nachdem ein Verkäufer die Präferenzen des Konsumenten erfragt hat, sollte er die Anzahl der in Frage kommenden Alternativen möglichst schnell auf wenige, d. h. zwei bis vier

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einschränken und nach deren detaillierterer Betrachtung explizit ein Produkt empfehlen.

Hintergrund obiger Empfehlungen ist, dass ein Konsument durch das Lernen seiner eigenen Präferenzen eine stärkere Kontrolle über den Entscheidungsprozess empfindet und gleichzeitig daran Spaß hat. Weiterhin kann er dadurch sicherer sein, das richtige Produkt zu kaufen, da er genauer weiß, was er selber will. Dies wiederum führt zu einem höheren antizipierten Produktnutzen, höheren Erfolgsaussichten und geringerem antizipierten Regret. Durch die schnelle Reduktion auf wenige Alternativen und eine explizite Produktempfehlung durch den Verkäufer kann ferner der Aufwand, die Verwirrung und die Notwendigkeit zum Kompromiss reduziert werden.

Zusammenfassend ergeben sich aus den Untersuchungsergebnissen folgende Empfehlungen an Handelsunternehmen hinsichtlich der Beratung von Konsumenten:

1. Ein Berater sollte den Konsumenten dabei unterstützen, attributweise seine eigenen Präferenzen zu lernen. Explizite Trade-offs zwischen verschiedenen Produkteigenschaften sind hierbei zu vermeiden. Außerdem ist darauf zu achten, den Kunden nicht zu überfordern und das richtige technische Niveau bei der Kommunikation zu wählen.

2. Nach einer schnellen Einschränkung auf wenige Alternativen (zwei bis vier) und deren detaillierterer Diskussion kann der Verkäufer durch eine explizite Empfehlung die Entscheidung des Konsumenten deutlich erleichtern.

Kommunikationsmaßnahmen am Point of Sale

Durch Kommunikationsmaßnahmen können zum einen die Informations-möglichkeiten und zum anderen die qualitativen Einflussgrößen Unterschiede und Vergleichbarkeit der Produkte beeinflusst werden. Gebräuchlichstes Mittel hierfür ist, auf kleinen Displays in schriftlicher Form zusätzliche Informationen zu den Produkten darzustellen. Zur Verdeutlichung der Produktunterschiede und zur Verbesserung der Vergleichbarkeit der Produkte sind hierbei zwei Maßnahmen geeignet:

Erstens sollten zu allen Produkten einheitliche Informationen hinsichtlich derselben Attribute angeboten werden. Hierbei sind Attribute zu wählen, die eine hohe Entscheidungsrelevanz haben. Bei Digitalkameras könnten beispielsweise Informationen zur Auflösung, zum Objektiv, zur Belichtung und zum Speicherchip

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angegeben werden. Besondere Eigenschaften des Produkts können separat vermerkt werden. Diese attributweise Darstellung erleichtert den Vergleich, macht Unterschiede deutlich und verbessert dadurch die Informationsaufnahme (vgl. Kahn/Morales 2001, S. 76).

Eine zweite Kommunikationsmaßnahme zielt auf die Verbesserung der Vergleichbarkeit der Produkte. Wie oben erläutert wurde, abstrahieren Konsumenten bei nicht vergleichbaren Produkten auf eine höhere Ebene, was für sie mit kognitiver Anstrengung und erhöhter Unsicherheit verbunden ist. Kunden kann dieser Prozessschritt abgenommen werden, indem ihnen Informationen auf einer höheren Abstraktionsebene angeboten werden. Üblich ist dies beispielsweise in PKW-Testzeitschriften, in denen Autos in Kategorien wie Qualität, Fahrdynamik oder Wirtschaftlichkeit bewertet werden. Hierbei wird kategorieübergreifend eine einheitliche Skala wie z. B. Schulnoten verwendet. Bei Digitalkameras könnten analog hierzu die Fotoqualität, Bedienungsfreundlichkeit und Langlebigkeit für jede Kamera z. B. auf einer Skala von eins bis fünf (1 Stern, ... , 5 Sterne) angegeben werden. Konsumenten werden dadurch Attribute angeboten, hinsichtlich derer auch völlig unterschiedliche Produkte vergleichbar sind. Dies kann die Entscheidungsfindung erheblich erleichtern.

Zusammenfassend können Handelsunternehmen auf Basis der Untersuchungs-ergebnisse folgende Empfehlungen zu Kommunikationsmaßnahmen am Point of Sale gegeben werden:

1. Die Informationen zu Produkten sollten standardisiert werden, indem zu allen Produkten einer Kategorie Informationen zu denselben Attributen angegeben werden. Hierbei ist zu beachten, dass die Produkteigenschaften, zu denen Informationen angeboten werden, hohe Entscheidungsrelevanz haben.

2. Durch die Bewertung der Produkte hinsichtlich abstrakter Größen wie Qualität, Langlebigkeit und Wirtschaftlichkeit können nicht vergleichbare Produkte für Konsumenten vergleichbar gemacht werden. Die Bewertung sollte dabei Kategorieübergreifend auf einer einheitlichen Skala erfolgen (z. B. 1 Stern, ... , 5 Sterne)

Insgesamt wurden damit aus den Untersuchungsergebnissen 10 Maßnahmen in den Bereichen Sortiment, Beratung und Kommunikation abgeleitet, durch die ein Handelsunternehmen Kosten und Nutzen von Produktvielfalt eines Konsumenten effektiv und effizient beeinflussen kann. Dadurch hat ein Einzelhändler, wie die Analysen gezeigt haben, die Möglichkeit, die Kaufwahrscheinlichkeit, die Zufriedenheit mit dem Kaufprozess und dem gekauften Produkt sowie die Loyalität

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der Konsumenten gegenüber seinem Geschäft zu steigern. In Abbildung 81 sind die Maßnahmen zusammen mit den Ansatzpunkten, auf die sie ausgerichtet sind zusammenfassend dargestellt.

Anz

ahl u

nd A

rt d

er

Prod

ukte

Informations-möglichkeiten

1

Positive Emotionen

2

Aufwand und Anstrengung

3

Verwirrung und Frustration

4

Anzahl Produkte

5

Preisvielfalt

6

Kompromiss-notwendigkeit

7

klare Produkt-unterschiede

8

1 2 3 4 5 6 7 8

Kategorie und Maßnahme

X

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

Anzahl Produkte analysieren, ggf. Langsamdrehen entfernen

Produkte anbieten, die klare Unterschiede haben und gut vergleichbar sind, d.h. gemeinsam Attribute haben

Hohe Vielfältigkeit anbieten: Preis- und sensorische Vielfalt (z.B. Farben)

Produktneuheiten und besondere Produkte im Sortiment wecken Interesse und verleihen Exklusivität

Hervorhebung einzelner Produkte, z.B. Top 10, Bestseller

Strukturierung und Segmentierung des Sortiments anhand entscheidungsrelevanter Kriterien, z.B. Preis

Den Kunden beim Lernen seiner Präferenzen unterstützen, nicht überfordern, keine Trade-offs, richtiges techn. Niveau

Schnelle Einschränkung auf wenige Alternativen; aktive Entscheidungsunterstützung; Produktempfehlung

Standardisierte Informationen zu entscheidungsrelevanten Attributen; zu allen Produkten einer Kategorie dieselben Infos

Informationen zu übergeordneten Kategorien wie Qualität und Handhabung; Einheitliche Bewertung (1 Stern – 5 Sterne)

Präs

en-

tatio

nB

erat

ung

Kom

mun

ik.

PoS

Vergleich-barkeit

9

9

X

XXX

XXX

XXX

XXX

X XX XXX

XX X

Ansatzpunkte

Abbildung 81: Aus den Untersuchungsergebnissen abgeleitete Maßnahmen und deren Ansatzpunkte im Überblick

„Freedom of choice is a two-edged sword, for just on the other side of liberation sits chaos and paralysis.”

(Schwarz 2000, S. 24)

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