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Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich (1998) 143/2: 57-66
Devi «Kleine •uc[isbandwurm»(Echinococc-u multilocularis) - eine persistio o de
Gefahr für den Menschen?Johannes Eckert, Zürich
Zusammenfassung
Der «Kleine Fuchsbandwurm» (Echinococcus multi-
locularis) ist Ursache der Alveolären Echinokokkose
(AE) des Menschen, die primär fast ausschliesslich die
Leber betrifft und bei etwa 90% der unbehandelten
Patienten innerhalb von 10 Jahren nach Diagnosestel-
lung tödlich verläuft. Bei Früherkennung der Infektion
ist dHrch vollsländige chirurgische Entfernung des Pa-
rasiten eine Heilung möglich. In späteren Phasen der
Erkrankung sind die Heilungsaussichten ungünstig,
doch können durch langfristige Chemotherapie das
Parasitenwachstum gehemmt und die Überlebenszeit
der Patienten wesentlich verlängert werden. Bei der AE
handelt es sich um eine seltene Erkrankung mit einer
durchschnittlicheH Inzidenzrale in der Schweiz
(1984-1992) von 0,1 neuen Fällen pro Jahr und 100 000
Einwohner. Angesichts der Schwere der Erkrankung
und des persistierenden Infektionsrisikos muss die AE
jedoch grundsätzlich als ernsthafte Gefahr für Men-
schen angesehen werden.
In der Schweiz ist während der letzten Jahre E. multi-
locularis bei Füchsen aus 21 von 26 Kantonen (inkl.
HalbkantoneH) nachgewiesen worden. Dabei schwank-
te die mittlere Prävalenz in den verschiedenen Kanto-
nen zwischen 2,7% und 53%. Der Parasit kommt sel-
tener auch bei HundeH und Katzen vor, die ebenfalls
als Infektionsquelle far den Menschen anzusehen sind.
Nach neuestem Kenntnisstand ist das Verbreitungsge-
biet von E. multilocularis in Mitteleuropa grösser als
bisher angenommen und umfassl derzeit 10 Länder.
In Anbetracht der anwachsenden Fuchspopulationen,
der zunehmenden Einwanderung von Füchsen in
Wohnsiedlungen und vieler offener epidemiologischer
FrageH wird empfohlen, ein System zur ständigen
Überwachung zu etablieren, und zwar unter Einsatz der
verfügbaren neuen Methoden zur Diagnose der Infek-
tion in Karnivoren (Fuchs, Hund und Katze) (Kopro-
antigennachweis und PCR) bzw. bei Menschen (Im-
mundiagnose, Ultraschalluntersuchung).
The «small fox tapeworm» (Echinococcus mul-tilocularis) — a persisting threat for humans?
The «small fox tapeworm» (Echinococcus multilocula-
ris) is the causative agent of alveolar echinococcosis
(AE) in humans which primarily affects almost exclu-
sively the liver and which is lethal in approximately
90% of untreated patients within 10 years after diagno-
sis. After early detection of the infection cure is possible
by complete surgical removal of the parasite. In later
phases of the disease prospects for cure are unfavou-
rable, but long-term chemotherapy can inhibit parasite
proliferation and prolong survival periods of patients
significantly. AE is a rare disease with an average
incidence rate in Switzerland (1984-1992) of 0.1 new
cases per year and 100 000 inhabitants. However, in
view of the severity of the infection and a persisting
infection risk it has principally to be regarded as a
serious threat for humans.
In Switzerland E. multilocularis has been detected in
foxes from 21 of the 26 cantons (including half-can-
tons) during recent years. The average prevalence ra-
tes in the various cantons ranged between 2.7% and
53%. Less frequently, the parasite also occurs in dogs
and cats. According to the present knowledge, E. mul-
tilocularis has a wider range of geographic distribution
in central Europe than previously anticipated, inclu-
ding 10 countries.
In view of growing fox populations, the increasing
immigration of foxes to residential areas and many
open epidemiological questions, it is recommended to
establish systems for continuous surveillance using the
available new methods (coproantigen detection and
PCR) for diagnosing the infection in carnivores (foxes,
dogs, cats) and in humans (immunodiagnosis, ultra-
sound examination), respectively.
57
Johannes Eckert
1 EINLEITUNG
Im Jahr 1852 beschrieb BUHL in München eine bis dahin
unbekannte Lebergeschwulst des Menschen, die er wegen
ihrer alveolären Struktur als «Alveolarkolloid» bezeichnete
(PoSSELT, 1928). Bald danach (1855) identifizierte der be-
rühmte Pathologe VIRCHOW einen Parasiten (Bandwurm) der
Gattung Echinococcus als Ursache dieser Veränderung und
nannte sie «multilokuläre, ulzerierende Echinokokken-
geschwulst der Leber» (PoSSELT, 1928). Später bürgerte sich
der Name «Alveoläre Echinokokkose» (AE) ein, und es
stellte sich heraus, dass die Erkrankung dnrch ein Larvalsta-
dium (Metazestode) des «Kleinen oder gefährlichen Fuchs-
bandwurmes» (Echinococcus multilocularis) hervorgerufen
wird. In der Schweiz wurden die ersten Fälle von AE etwa 10
Jahre nach der Entdeckung VIRCHOW's diagnostiziert, und
bis 1924 erfasste DARDEL (1927) 97 Fälle bei Schweizern und
5 importierte Fälle. Zu der damals selten diagnostizierten AE
erwähnt DARDEL (1927), dass sie «sehr bösartig ist und der
Träger fast immer an dieser Krankheit zugrunde geht».
Wie ist die Situalion heute zu beurteilen? Ist die AE des
Menschen noch immer eine in der Regel tödliche Infektion,
wie hoch ist das Infektionsrisiko, stellen das Anwachsen der
Fuchspopulationen und die zunehmende Einwanderung von
Füchsen in Wohngebiete neue Risikofaktoren dar, und gibt es
Fortschritte in der Diagnostik, Prophylaxe und BekämpfuHg?
Zu diesen und anderen Fragen, die während der letzten Jahre
zum Teil in den Massenmedien diskutiert worden sind, soll
der folgende Artikel einige Informationen vermitteln.
2 DER PARASIT UND SEIN ENTWICKLUNGS-
ZYKLUS
Der «Kleine Fuchsbandwurm» (hier kurz als Fuchsband-
wurm bezeichnet) kommt in Mitteleuropa im Dünndarm des
Rotfuchses (Vulpes vulpes) und seltener auch bei Hund und
Katze vor (Abb. 1). Es handelt sich um einen sehr kleineH
Bandwurm von nur etwa 4 mm Länge, der aus dem Kopf und
mehreren (meist 4-5) Körpersegmenten (Gliedern) besteht.
Im Endglied des Parasiten werden etwa 300 Eier gebildet, die
mit dem Kot der Füchse aH die Aussenwelt gelangen, wo sie
in feuchter Umgebung je nach Jahreszeit 3 bis 8 Monate
lebensfähig bleiben und auch tiberwintern können. Gegen
niedere Temperaturen sind diese Eier äusserst resistent, und
erst durch Gefriertemperaturen von –70 bis –80 °C werdeH
sie innerhalb von 4 bzw. 2 Tagen sicher abgetötet (ECKERT,
1996a). Hingegen werden sie durch Trockenheit rasch ge-
schädigt; z. B. verlieren sie bei +25 °C und einer relativen
Luftfeuchte von 27% innerhalb 2 Tagen ihre Infektiosität
(VEIT et al., 1995).
Die Bandwurmeier können von natürlichen Zwischenwir-
ten (meistens Nagetieren) sowie auch gelegentlich vom Men-
schen und anderen Fehlwirten per os aufgenommen werden.
Im Gegensatz zu den Zwischenwirten haben Fehlwirte im
Entwicklungszyklus keine Bedeutung und stellen für den
Parasiten eine biologische Sackgasse dar (Abb. 1).
Abb. l. Lebenszyklus von Echinococcus multilocularis in Mittel-europa. l: Der Rotfuchs als wichtigster Endwirt von E. multilocu-laris. 1 a und lb: Hund und Katze sind seltener Träger des Parasiten.2: Endglied des Bandwurmes mit Eiern. 3: Ei in der Aussenwelt. 4:Feldmaus mit Metazestoden-Stadium in der Leber. 4a: Der Menschals «Fehlwirt» mit Metazestoden in der Leber. 5: Mäuseleber mitMetazestoden. 5a: Schnitt durch den Metazestoden mit Finnen
-bläschen und darin enthaltenen Kopfanlagen (Protoskolezes), diesich im Darm eines Endwirtes zu adulten Parasiten entwickeln. 5b:Einzelnes Finnenbläschen mit Protoskolezes. (© Institut für Parasi-tologie, Universität Zürich).
Fig. 1. Life cycle of Echinococcus multilocularis in central Euro-pe. 1: Red fox as most important final host of E. multilocularis. laand lb: dogs and cats are less frequently carriers of the parasite.2: Terminal segment of the parasite with eggs. 3: Egg in theenvironment. 4: Common vole with metacestode stage in the liver.4a: Man as aberrant host with metacestodes in the liver. 5: Vole liverwith metacestodes. 5a: Section of metacestode with cysts and pro-toscoleces which develop to adult stages in the small intestine of adefinitive host. 5b: Single cyst with protoscoleces. (© Institute ofParasitology, University Zurich).
58
Der «Kleine Fuchsbandwurm» – eine persistierende Gefahr für den Menschen?
Im Darm von Zwischen- und Fehlwirten schlüpft aus dem
Ei eine kugelförmige Larve (Onkosphäre), die auf dem Blut-
weg in die Leber gelangt und sich dort znm sogenanntenFinnenstadium (= Metazestode) entwickelt. Dabei handelt es
sich um ein Konglomerat mikroskopisch kleiner, maximal 2
bis 3 cm grosser Firmenbläschen. Die Finne ist in der Lage,
durch Proliferation infiltrativ in das umliegende Gewebe
hineinzuwuchern und Metastasen in der Umgebung der Le-
ber oder auch in entfernteren Organen zu bilden (beim Men-
schen vor allem in Lunge, Zentralnervensystem und Kno-
chen). Dadurch verhält sich die Finne wie ein bösartiger
Tumor.
In Zwischenwirten entwickeln sich in den Finnenbläschen
im Verlauf von etwa 40 bis 60 Tagen nach der Infektion
zahlreiche Kopfanlagen (Protoskolezes). Werden Zwischen-
wirte, die Metazestoden mit Kopfanlagen enthalten, von ei-
nem Endwirt (Fuchs, Hund, Katze) verzehrt, entwickelt sich
im Dünndarm eine neue Bandwurmgeneration, die bereits
nach 26 bis 28 Tagen infektionstüchtige Eier produzieren
kann (ECKERT, 1996a). In Mitteleuropa weisen die meisten
Füchse relativ geringe Befallsintensitäten auf. So waren nach
einer Untersuchung von 36 Füchsen aus dem Kanton Zürich
(DEPLAZES, 1997) 39% mit < 20 bis 100 Exemplaren von
E. multilocularis befallen, 26% mit > 100 bis 1000 Parasiten
und 25% mit mehr als 1000 Parasiten. Die Maximalzahl
betrug etwa 60 000 Parasiten pro Fuchs. Alle Füchse zusam-
men waren mit 115 200 Parasiten infiziert, von der zwei
Füchse 78% dieser Biomasse beherbergten. Möglicherweise
sind diese wenigen, stark befallenen Füchse für die Ausstreu-
ung von Eiern von besonderer Bedeutung. Unter Berücksich-
tigung der Anzahl der von einem Bandwurm pro Tag ab-
gestossenen Glieder (0.08-0.14) lässt sich berechnen, dass
ein Fuchs, der 10 000 Parasiten beherbergt, täglich 240 000
bis 420 000 Eier in die Umwelt abgeben kann. Die Lebens-
dauer von E. multilocularis im Fuchs ist mit etwa 2 bis 5
Monaten ziem lich kurz; auch die Eiproduktion wird nur etwa
1 bis 4 Monate aufrecht erhalten (Lit. bei ECKERT, 1996a).
AufgIund der hervorragenden Anpassung von E. multilocu-
laris an die Lebensweise im Darm des Endwirtes fehlt offen-
bar eine ausreichende immunologische Gegenreaktion, die
zur Elimination der Parasiten oder zum Schutz vor erneuter
Infektion beitragen könnte.
3 EPIDEMIOLOGIE
Im Hinblick auf die Infektionsgefahr für den Menschen sind
verschiedene epidemiologische Faktoren bedentsam. Diese
werden im folgenden Abschnitt diskutiert.
• Geographische Verbreitung von E. multilocularis undVorkommen bei Füchsen
E. multilocularis kommt in der nördlichen Hemisphäre in
verschiedenen Regionen von Nordamerika, Europa und Asi-
en vor. In Mitteleuropa galten bis 1989 bestimmte Regionen
in Deutschland, Frankreich, Österreich und in der Schweiz
als Endemiegebiete von E. multilocularis. Seit 1989 in ver-
schiedenen Ländern durchgeführte Untersuchungen von
Füchsen haben aber ergeben, dass der Parasit in weiteren
sechs Ländern Mitteleuropas vorkommt, und zwar in den
Niederlanden, in Belgien, Luxemburg, Liechtenstein, Polen
und in Tschechien (Lit. bei ECKERT, 1996a; ECKERT und
DEPLAZES, 1998). Dabei sind die Verbreitungsgebiete weit-
aus grösser als bisher angenommen (Abb. 2). Diese neuen
Daten dürfen aber nicht im Sinne einer in jüngster Zeit
erfolgten geographischen Ausbreitung des Parasiten interpre-
tiert werden, da aus früheren Jahren aus den neu entdeckten
Endemiegebieten Vergleichsdaten fehlen.
In der Schweiz ist bisher das Vorkommen von E. multi-
locularis bei Füchsen aus 21 der 26 Kantone/Halbkantone
nachgewiesen worden (Abb. 3). (Diese Untersuchungen wur-
den in Arbeitsteilung vom Institut für Zoologie in Neuchätel
und vom Institut für Parasitologie der Universität Zürich
durchgeführt; Lit. bei ECKERT et al., 1993; ECKERT, 1996a).
Einige Kantone in der Zentralschweiz konnten bisher nicht
oder nur unzureichend untersucht werden.
In der Schweiz wurden von 1990 bis 1995 etwa 7000
erlegte oder verunfallte Füchse auf E. multilocularis unter-
Abb. 2. Ungefähre Verbreitung von Echinococcus multilocularisbei Füchsen (Vulpes vulpes) in Mitteleuropa; Stand: Ende 1997.Quellen: siehe ECKERT und DEPLAZES, 1998. (© Institut für Parasi-tologie, Universität Zürich).
Fig. 2. Approximate geographic distribution of Echinococcusmultilocularis in foxes (Vulpes vulpes) in central Europe; status:end of 1997. Sources: see ECKERT and DEPLAZES, 1998. (© Instituteof Parasitology, University Zurich).
59
® <1-10%® 11-20%® 21-30%
31-40%Minii >40%
examined. notdetected
v not examined
Johannes Eckert
Abb. 3. Verbreitung und Prävalenz von Echinococcus multilocula-ris bei Füchsen in der Schweiz; Stand: Februar 1996. Quellen:EWALD, 1993; ALTHER, 1996; SIEGENTHALER, 1995, pers. Mittei-lung. (© Institut für Parasitologie, Universität Zürich).
Fig. 3. Distribution and prevalences of Echinococcus multilocu-laris in foxes in Switzerland; status: February 1996. Sources:EWALD, 1993; ALTHER, 1996; SIEGENTHALER, 1995, pers. communi-cation. (© Institute of Parasitology, University Zurich).
sucht (ECKERT, 1996a). Dabei handelte es sich um sehr auf-
wendige Untersuchungen bei der Sektion, wobei strikte Si-
cherheitsmassnahmen eingehalten werden mussten, um die
Untersucher nicht zu gefährden. Im Landesdurchschnitt wa-
ren 29% der Füchse mit E. multilocularis befallen (= Präva-lenzrate) mit Schwankungen zwischen 2,7% im Tessin und
53% in Appenzell-AR (Abb. 3). Aus der Karte ist ersichtlich,
dass die höchsten Prävalenzraten in den nördlichen Kantonen
zu verzeichnen waren. Dies stimmt mit früheren Beobachtun-
gen einer Häufung von AE-Fällen bei Menschen in dieser
Region überein (Lit. bei FESSELER, 1990). In anderen Län-
dern Mitteleuropas schwanken die regionalen Prävalenzraten
etwa zwischen 1% und über 60% (ECKERT, 1996a; ECKERT
Und DEPLAZES, 1998). Innerhalb eines grösseren Gebietes
sind erhebliche lokale Schwankungen in den Prävalenzraten
nachweisbar. Nach Untersuchungen in Frankreich (GIRAU-
DOUX, 1991) sind diese damit erklärbar, dass sich lokale
Endemieherde bilden, in denen besonders günstige Bedin-
gungen für den Zyklus bestehen und daher Endwirte und
Zwischenwirte erhöhte Befallsraten aufweisen.
Seit einigen Jahren gibt es Hinweise auf eine zahlen-
mässige Zunahme der Fuchspopulationen in verschiedenen
Ländern Mitteleuropas (ARTOIS, 1997). In der Schweiz wird
für die Jahre 1984 bis 1992 mit einer 4fachen Zunahme
gerechnet (ARTOIs, 1997). Ausserdem ist seit längerer Zeit
eine zunehmende Invasion von Füchsen in Städte zu beob-achten, die sich an dieses Milieu offenbar gut anpassenkönnen und auch ein reichhaltiges NahruHgsangebot vorfin-
den (LABHARDT, 1990). Im Rahmen eines interdisziplinären,
vom Schweizer Nationalfonds unterstützten Projektes wird
derzeit das Fuchsproblem in der Stadt Zürich unteIsucht.
Dabei hat sich herausgestellt, dass von 95 Füchsen aus eherländlichen Stadtrandgebieten 64% mit E. multilocularis be-fallen waren, aber auch 19% von 53 Füchsen aus dem Stadt-
zentrum von Zürich. Ausserdem waren im Stadtgebiet 26%
von 47 Schermäusen (Arvicola terrestris) mit Metazestodenvon E. multilocularis infiziert (DEPLAZES et al., 1998). DieseDaten sind Hinweise für die Existenz eines urbanen Zyklusvon E. multilocularis. Infizierte Füchse können in urbanenGebieten in Gärten, Grünanlagen und an anderen Orten ihres
Aktivitätsbereiches Kot absetzen, dadurch die Umwelt mitEiern von E. multilocularis kontaminieren und somit einInfektionsrisiko für Menschen verursachen.
• Vorkommen von E. multilocularis bei Hund und KatzeDa bisher ein sicherer Nachweis von E. multilocularis nur amtoten Tier bei der Sektion möglich war, sind Angaben über
das Vorkommen des Parasiten bei Hund und Katze relativ
spärlich. Einige Daten sind in Tab. 1 aufgeführt. DurCh die
Entwicklung neuer Diagnosemethoden am Institut für Para-
sitologie der Universität Zürich ist nun auch die Untersu-
chung grösserer Populationen lebender Tiere möglich gewor-
den. Für Massenuntersuchungen besonders geeignet ist ein
immundiagnostisches Verfahren (ELISA = Enzyme-linked
Immunosorbent Assay) mit dem im Kot der Tiere Antigene,die vom Parasiten stammen, mit grosser Genauigkeit nachge-
wiesen werden können (= Koproantigen-Test) (ALTHER,
1996; DEPLAZES und ECKERT, 1996). Zur Bestätigung oder
zum Ausschluss einer Infektion kann ein relativ aufwendiger
zweiter Test eingesetzt werden, und zwar der Nachweis von
Parasiten-DNA in Kotproben durch die Polymerase ChainReaction (PCR) (MATHIS et al., 1996). Mit Hilfe dieser Me-thoden wurden in der Ostschweiz 661 Hunde und 452 Katzen(ein Teil der Katzen durch Sektion) auf E. multilocularis
untersucht; davon waren 0,3% bzw. 0,2% Ieit E. multilocula-ris infiziert (Tab. 1). Hierbei handelt es sich um Durch-
schnittswerte, die sich aUf Hunde und Katzen aus sehr unter-
schiedlichen Haltungsarten beziehen. In Endemieherden
können aber weitaus höhere Befallsraten vorliegen. So waren
in einem solchen Herd im Kanton Fribourg 12% von 41Hunden mit E. multilocularis befallen (GOTTSTEIN et al.,1997).
• Vorkommen von E. multilocularis bei ZwischenwirtenIn Europa wurden Metazestoden von E. multilocularis in 6Nagetierarten nachgewiesen, von denen nach dem bisherigenKenntnisstand vor allem die Feldmaus (Microtus arvälis), dieSchermaus (Arvicola terrestris) und der Bisam (Ondathra
60
Der «Kleine Fuchsbandwurm» – eine persistierende Gefahr für den Menschen?
Tab. l. Echinococcus multilocularis in Mitteleuropa: Vorkommen bei Hund und Katze (ausgewählte Beispiele).Tab. 1. Echinococcus multilocularis in central Europe: Prevalence in dogs and cats (selected examples).
Land/Region Periode AnzahluDtersuchte Tiere
Priivalenz%
Literatur
Hund
Frankreich– Haute-Savoie 1978-1983 36 5,6(1) CoNTAT, 1984
Schweiz– Ostschweiz– Kanton Fribourg
19951997
66141
0,3(2)12,2(2)
ALTHER, 1996GoTTSTEIN et al., 1997
Katze
Deutschland– Baden-Württemberg–Thüringen
19891992
17058
2,9(1)3,401
FESSLER et al., 1989WORBES, 1992
Schweiz– Ostschweiz 1995 452 0,2(3) ALTHER, 1996
(1) Parasitennachweis bei der Sektion. (2) Diagnose durch Koproantigen-ELISA m't Bestätigung durch PCR. (3) Diagnose durch Methoden(1) und (2)
zibethicus) als Zwischenwirte eine grössere Rolle spielen
(ECKERT, 1996a). In der Schweiz scheint nach den wenigen
vorliegenden Daten die Schermaus der bedeutendste Zwi-
schenwirt zu sein (SCHAERER, 1987; SCHMITT et al., 1997;
DEPLAZES et al., 1998); ausserdem wurde der Parasit beim
Bisam gefunden (EWALD, 1993). Die durchschnittlichen Be-
fallsraten der Zwischenwirte mit Metazestoden von E. multi-
locularis sind gering (<1% bis etwa 6%) (ECKERT, 1996a),
doch gibt es auch hier höhere Befallsraten in Endemieherden,
z. B. 39% von 11 A. terrestris in einem Herd im KaHtonFribourg (SCHMITT et al., 1997).
Die Schermaus kommt in Eurasien in zwei Hauptgruppen
mit terrestrischer oder mehr an aquatische Habitate ange-
passter Lebensweise vor. Zur erstgenannten Gruppe gehörtA. terrestris scherman, die in der Schweiz nördlich der Alpen
vorkommt. Nach Untersuchungen von WEBER und AUBRY
(1993) in der Westschweiz lag währeHd der Jahre 1988 bis
1991 die Populationsdichte dieser Nagerart bei 160 bis 980
Tieren pro Hektar. In Zyklen von 4 bis 8 Jahren treten
Bevölkerungsexplosionen auf, welche die Populationsdich-
ten auf über 1400 Schermäuse pro Hektar ansteigen lassen.
Nach den Untersuchungen von WEBER und AUBRY (1993)
bestand während der oben erwähnten Periode der Magenin-
halt von 1213 Füchsen zu 54% aus Teilen von A. terrestris.
Dieser hohe Anteil von Schermäusen an der Fuchsnahrung
dürfte die Übertragung des Parasiten begünstigen und diese
auch dann sicherstellen, wenn nur ein geringer Prozentsatz
der Nager mit Metazestoden infiziert ist.
• Infektionsquellen für den Menschen und Übertra-gungswege
Unter den Bedingungen Mitteleuropas kommen für den Men-
schen als Infektionsquellen Füchse, Hunde und Katzen in
Betracht, die Träger von E. multilocularis sind und Eierdieses Parasiten ausstreuen. Eine von uns für den Kanlon
Zürich durchgeführte Modellrechnung, bei der die Populati-
onsgrössen der verschiedenen Endwirte berücksichtigt wur-
den, hat ergeben, dass Füchse das grösste Kontingent an
Bandwurmträgern stellen und daher in erster Linie für dieKontamination der Umwelt mit Bandwurmeiern verantwort-
lich sein dürften. Hunde und Katzen erreichen maximal 9%
bzw. 20% dieser Ausscheidungskapazität (Tab. 2) (zu weite-
ren Faktoren, die hier zu berücksichtigen sind, siehe ECKERT
und DEPLAZES, 1998). Aus epidemiologischen Daten ergibt
sich, dass Füchse die wichtigste Infektionsquelle für den
Menschen darstellen (ECKERT, 1996b). Hunde und Katzen
können aber wegen ihrer engen Assoziation mit Menschen
ebenfalls von Bedeutung sein. Darüber gibt es aber bisher nur
wenige Daten. Kürzlich wurde in Österreich in einer retro-
spektiven Studie (1967-1997) die Lebensweise von 21 Pati-
enlen, die an AE erkrankt waren, mit 84 gesunden Kontroll-
personen epidemiologisch und statistisch analysiert. Als Ri-
sikofaktoren für eine Infektion wurden Katzenbesitz und die
Jagd ermittelt (KREIDL et al., 1998). Nach aHderen Studien
haben in der Landwirtschaft tätige Personen ein höheresInfektionsrisiko als der Durchschnitt der Bevölkerung (Lit.
bei ECKERT, 1996b). Wegen dieser widersprüchlichen Daten-
sind weitere UnteIsuchungen nötig.
61
Johannes Eckert
Tab. 2. Relative Bedeutung von Füchsen, Hunden und Katzen alsTräger von Echinococcus multilocularis: Modellrechnung für denKanton Zürich (nach ECKERT, 1996b).Tab. 2. Relative relevance of foxes, dogs and cats as carriers ofEchinococcus multilocularis: model calculation for the canton Zu-rich (after ECKERT, 1996b).
Tierart GeschätztePopulationsgrösse
(1992)'
In fiziert mit E. multilocularis:
Infektionsrate p) Anzahl lz>
Fuchs 4 700 33% 1 551
Hund 48 400 0,3% 145(9%)
Katze 145 200 0,2% 319(20%)
0) Quellen: siehe ECKERT, 1996b. (2) Errechnete Zahl der Parasiten-träger; in Klammern: Trägerkapazität in Prozent im VeIgleich zuFüchsen
Für die Überlragung der Eier von E. multilocularis auf den
Menschen sind folgende Wege in Betracht zu ziehen: (a) Die
Kontamination der Hände beim Berühren von Endwirten, an
deren Fell Eier von E. multilocularis haften, oder bei Arbeiten
mit Erde oder Pflanzen, die mit solchen Eiern kontaminiert
sind, und (b) die Aufnahme von Nahrungsmitteln (z. B.
Gemüse, Wildbeeren, Fallobst usw.) oder von Trinkwasser,
die durch Kot infizierter Endwirte verunreinigt sind. Über dietatsächliche Bedeutung dieser möglichen Übertragungswege
liegen keine gesicherten Kenntnisse vor, weil es bisher nicht
möglich war, die Eier von E. multilocularis von den morpho-
logisch identischen Eiern verwandter Bandwurmarten der
Familie Taeniidae zu unterscheiden. Mit der Entwicklung
einer PCR-Methode (MATHIS et al., 1996) bieten sich hier
neue Möglichkeiten der epidemiologischen Forschung.
Als Infektionspforte bei Menschen und anderen Fehlwir-
ten sowie bei Zwischenwirten ist die perorale Aufnahme der
Eier von E. multilocularis-Eiern unbestritten. Infektionen
durch Einatmen aufgewirbelter Eier via Mundhöhle und Nase
mit anschliessendem Weitertransport in den Verdauungstrakt
scheinen möglich, sind aber nicht erwiesen.
Zusammenfassend ist zur Epidemiologie festzuhallen,
dass sich unsere Kenntnisse in den letzten 10 Jahren stark
erweitert haben, aber noch viele Fragen offen sind.
4 DIE ALVEOLÄRE ECHINOKOKKOSE (AE) DES
MENSCHEN UND IHRE HÄUFIGKEIT
Die AE ist eine Erkrankung, die primär fast ausschliesslich
(> 98%) die Leber betrifft, sekundär kommt es in einem Teil
der Fälle zur Metastasenbildung in anderen Organen, vor
allem in Lunge, Zentralnervensystem und Knochen (AM-
MANN und ECKERT, 1996) (Abb. 4). Im allgemeinen treten
Symptome erst viele Jahre (5-15 Jahre) nach der Infektion
auf, und zwar Oberbauchschmerzen (ca. 36% der Patienten),
Gelbsucht (27%) und andere Erscheinungen (21%); ein Teil
der Fälle (16%) wird bei medizinischen Untersuchungen
zufällig entdeckt (MESARINA-WICKI, 1991). Die AE tritt vor
allem bei älteren Personen kliHisch in Erscheinung. Das
Durchschnittsalter von 65 Patienten in der Schweiz betrug 52
Jahre (Schwankung: 22-85 Jahre) (ECKERT et al., 1995). Von
60 in der Schweiz erfassten Patienten, bei denen das Her-
kunftsland bekannt war, stammten 88% aus der Schweiz und
12% aus dem Ausland. Grundsätzlich ist die AE als eine sehr
bösartige Erkrankung einzustufen. VoH 107 unbehandelten
Patienten starben 90% innerhalb von 10 Jahren nach Diagno-
sestellung und 100% innerhalb von 15 Jahren (Lit. bei AM-
MANN und ECKERT, 1996). In einem gewissen, noch nicht
genau bekannten Anteil von Fällen, bei denen die Abwehr-
kräfte des menschlichen Organismus den Parasiten zu elimi-
nieren vermögen (RAUSCH et al., 1987), kaHn es zur Selbst-
heilung kommen.
Die Behandlung der AE beruht auf radikaler (= vollstän-
diger) chirurgischer Entfernung des Parasiten, die aber nur
dann Heilungsaussichten bietet, wenn Diagnose und Opera-
tion in einem frühen Stadium erfolgen. Zum Zeitpunkt der
Diagnose der symptomatischen AE können aber nur noch
20% bis 40% der Patienten radikal operiert werden. Seit etwa
1975 wurde unter intensiver Mitwirkung verschiedener Ar-
beitsgruppen in der Schweiz eine Chemotherapie entwickelt,
Abb. 4. Leber eines 62jährigen Patienten mit Alveolärer Echino-kokkose. (© Institut für Parasitologie, Universität Zürich).
Fig. 4. Liver of a 62-years old patient with alveolar echinococco-sis. (© Institute of Parasitology, University Zurich).
62
Der «Kleine Fuchsbandwurm» – eine persistierende Gefahr für den Menschen?
die heute komplementär zu den Operationsmethoden einge-
setzt wird. Allerdings müssen die Medikamente (Benzimida-
zolverbindungen: Mebendazol oder Albendazol) täglich für
mindestens 2 Jahre, meist aber dauerhaft über viele Jahre
verabreicht werden. Die Chemotherapie unterdrückt das Pa-
rasitenwachstum und führt zwar meist nicht zur Heilung, aber
oft zu einer erheblichen Besserung mit deutlicher Verlänge-
rung der Lebenserwartung. Bei 75 in der Schweiz chemolhe-
rapeutisch behandelten Patienten betrug die Überlebensrate
nach 10 Jahren 83% und nach 15 Jahren 80% (im Vergleich
zu 10% bzw. 0% bei unbehandelten, historischen Kontrollen;
siehe oben) (AMMANN und ECKERT, 1996). Dieses Ergebnis
ist bei dieser bösartigen Erkrankung als erheblicher Fort-
schritt zu werten, der zum wesentlichen Teil auf interdiszipli-
näre Forschung in der Schweiz zurückzuführen ist. Dennoch
bleibt die AE ein Problem, denn die Behandlung ist nicht
immer erfolgreich und ausserdem sehr aufwendig und teuer.
Allein die Kosten für Medikamente belaufen sich bei Dauer-
behandlung auf etwa 8300-9800 sFr. pro Patient und Jahr.
Die Kosten für Diagnose, chirurgische Behandlung und lau-
fende medizinische Betreuung können diese Beträge weit
übersteigen.Günstig ist, dass es sich bei der AE um eine seltene
Erkrankung handelt, wie die Zahlen in Tab. 3 zeigen. DieInzidenz der AE (Anzahl neuer Fälle pro Jahr und 100 000
Einwohner) liegt in der Schweiz etwa in der gleichen Grös-
senordnung (rund 10 neue Fälle pro Jahr) wie die der Creutz-
feld-Jacob-Erkrankung (BGA, 1998), von der im Zusammen-
hang mit der BSE (Bovine Spongiforme Encephalitis) des
Rindes in der Presse häufig die Rede ist. Die Daten der Tab.
3 zeigen, dass die Inzidenzrate in der Schweiz von 1956 bis
1992 annähernd konstant geblieben ist. Allerdings kann der-
zeit nicht abgeschätzt werden, ob die anwachsenden
Fuchspopulationen, die Einwanderung von Füchsen in Stadt-
gebiete und andere Faktoren für die Zukunft ein erhöhtes
Risiko darstellen könnten. Daher werden von uns laufende
Überwachungsmassnahmen gefordert (siehe unten).
5 VORKOMMEN DER AE BEI ANDEREN
FEHLWIRTEN
Ähnlich wie der Mensch sind verschiedene Säugetierarten als
Fehlwlrte (siehe oben) für die Infektion mit Eiern von E.
multilocularis empfänglich, so dass sich in ihnen Metazesto-
den mehr oder weniger weit (vor allem in der Leber) entwik-
keln können. Solche Infektionen wurden in deH letzten Jahren
in verschiedenen europäischen Ländern bei Haus- und Wild-
schwein, beim Nutria (Myocastor coypus), bei verschiedenen
Affenarten und sogar beim Hund festgestellt (lelzterer ist
normalerweise Endwirt von E. multilocularis!) (Lit. bei EK-
KERT, 1996a). Bei den in der Schweiz beobachteten Fällen bei
Schweinen und Affen kam als Infektionsquelle Gras in Be-
tracht, das von Flächen stammte, zu denen Füchse Zugang
hatten. Diese Fälle sind Indikatoren für die Persistenz eines
Infektionsrisikos, das auch den Menschen betreffen kann.
Tab. 3. Alveoläre Echinokokkose des Menschen in Mitteleuropa: Beispiele für Inzidenzraten (= Zahl der Neuerkrankungen pro Jahr und100 000 Einwohner).Tab. 3. Human alveolar echinococcosis in central Europe: examples of incidence rates (= new cases per year and 100 000 inhabitants).
Land und Region Periode Zahl derNeuerkrankungeD(I)
Mittel pro Jahr IDzidenzrate Literatur
Schweiz– ganzes Land 1956-69 122 8,7 0,15 DROLSHAMMER et al., 1973– ganzes Land 1970-83 145 10,4 0,18 GLOOR, 1988– ganzes Land 1984-92 65 7,2 0,10 ECKERT et al., 1995– Kanton Jura 1970-83 6 0,4 0,74 GLOOR, 1988
Österreich– ganzes Land 1983-90 14 l,8 0,02 AUER und ASPOCK, 1991
Deutschland– Bayern 1985-90 50 10 0,09(2) NOTHDURFF et al., 1995
Frankreich– Franche Comte 1971-89 85 4,5 0,5 BRESSON-HADNI, 1990– Doubs 1960-92 56 l,7 l,4(3) BRESSON-HADNI et al., 1994
1) Nur Fälle, die durch klinische, pathologische und andere Daten verifiziert sind. (2) Korrigierte Zahl (3) Errechnet aus seroepidemiologi-scher Studie.
63
Johannes Eckert
6 MASSNAHMEN DER ÜBERWACHUNG,.
PROPHYLAXE UND BEKÄMPFUNG
• ÜberwachungWegen der oben angedeuteten offenen Fragen in der Epide-miologie wird von uns eine langfristige Überwachung derSituation empfohlen. Dazu gehört die Erfassung der Fälle vonAE beim Menschen, die in der Schweiz eine meldepflichtigeErkrankung ist. Auch sollten nach Möglichkeit die bei Tierenauftretenden Fälle zentral erfasst und analysiert werden. Be-sonders wichtig wäre die Überwachung der Infektion beiFüchsen in repräsentativ ausgewählten Gebieten. Diese Emp-fehlung wäre heute mit einem relativ geringen Aufwandrealisierbar, da für solche Überwachungsuntersuchungen derKoproantigentest (siehe oben) eingesetzt werden könnte, sodass man nicht mehr auf die aufwendigen Fuchssektionenangewiesen wäre.• ProphylaxeZu den vorbeugenden Massnahmen gehören vorsorglicheBlutunteIsuchungen beim Menschen auf Antikörper gegen E.
multilocularis. Diese Untersuchungen haben zum Ziel, einemögliche Infektion frühzeitig erkennen und behandeln zukönnen oder eine Infektion auszuschliessen. Solche Untersu-chungen, für die genaue Empfehlungen publiziert wurden(ECKERT et al., 1993; ECKERT, 1996a), sind bei Personenindiziert, die Kontakt mit nachweislich infizierten Füchsen,Hunden oder Katzen hatten, häufig mit Füchsen umgehen (z.B. Fuchsjäger) oder einem anderen konkreten Infektionsrisi-ko ausgesetzt waren (z. B. Kinder, die Fuchskot berührthaben). Allerdings ist hier in jedem Einzelfall eine Beratungdurch Fachinstitute erforderlich. Vorsorgeuntersuchungen iHForm eines Massenscreenings sind in Hokkaido, Japan, inden Jahren 1984 bis 1993 bei ca. 716 000 Personen durchge-führt worden (SUZUKI et al., 1996). Ähnliche Untersuchun-gen in kleinerem Stil erfolglen auch in der Schweiz (Gorr-
STEIN et al., 1987) und in einigen anderen Ländern Mitteleu-ropas. Vom Nationalen Zentrum für Echinokokkose am Insti-tut für Parasitologie der Universität Zürich wurden in Zusam-menarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit Empfehlun-gen zu Hygienemassnahmen ausgearbeitet, die in einemMerkblatt zusammengefasst sind (auf Anfrage erhältlich bei:Institut für Parasitologie, Winterthurerstr. 266a, 8057 Zü-rich).
Um das möglicherweise von Hunden und Katzen ausge-hende Infektionsrisiko zu vermindern, können Tiere, die Na-ger fangen und verzehren, alle 4 Wochen mit einem spezifi-schen, gegen E. multilocularis wirksamen Medikament (Pra-ziquantel) behandelt werden. Allerdings ist diese Massnahme
aufwendig. Die neue Möglichkeit des diagnostischen Kopro-antigennachweises dürfte in Zukunft bessere Voraussetzun-gen für eine Beschränkung dieser Massnahme auf definierteGruppen von Risikotieren ermöglichen.• BekämpfungEin sicher wirksames und finanzierbares Verfahren zur Be-kämpfung von E. multilocularis steht noch nicht zur Verfti-gung. In Deutschland laufen Untersuchungen über die Be-kämpfung des Parasiten in Fuchspopulationen durch Ausle-gen von Ködern, die ein hochwirksames Medikament (Prazi-quantel) enthalten (SCHELLING et al., 1996; TACKMANN et al.,1997). Ein Problem dabei ist, dass sich die Füchse bereitswenige Tage nach einer Behandlung wieder infizieren kön-nen. Eine Langzeitwlrkung wie bei der Impfung gegen Toll-wut besteht also hier nicht. Definitive Daten zu diesem Ver-fahren liegen noch nicht vor.
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