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Zbl. Vet. Med. A, 18, 824-834 (1971) @ 1971 Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg Aus dern Veterinar-Anatomischen Institut der Justus Liebig-Universitat Giejlen Direktor: Prof. Dr. A. Schummer Die Awfnahme von Myofer durch das Vormagenepithel der Ziege') ') Von B. SCHNORR Mit I Abbildungen (Eingegnngen am 1. Dezember 1970) I. Einleitung Die von uns ermittelten elektronenoptischen und cytochemischen Befunde (SCHNORR u. VOLLMERHAUS, 1967; VOLLMERHAUS u. SCHNORR, 1967; SCHNORR u. a., 1969; SCHNORR, 1971 a, b) haben gezeigt, dai3 das Epithel der Vormagen eine besondere Feinstruktur aufweist, und dai3 in seinen Zellen bestimmte Enzyme vorkommen, die vermutlich am Stoff transport mitbeteiligt sind. Es war daher von Interesse zu priifen, wie sich die Epithelzellen gegen- iiber Modellsubstanzen verhalten, mit denen die unter physiologischen Bedin- gungen sich vollziehende Aufnahme und der Transport von Stoffen durch die Zellen nachgeahmt und an Gewebeschnitten sichtbar gemacht werden kann. Zum Nachweis der Aufnahme, des intrazellularen Transportes und der Ab- gabe von Stoffen wurden in den letzten Jahren bei verschiedenen Zellarten zahlreiche Markierungssubstanzen benutzt (Literaturiibersicht siehe SCHMIDT, 1962 und STOCKEM, 1966). Die Modellsubstanzen sollen ,,gewebsfreundlich" sein, keine toxische Wirkung haben, gut fixierbar sein und sich moglichst sicher mit licht- und elektronenmikroskopischen Methoden nachweisen lassen. Alle diese Eigenschaften werden dem Myofer (Hoechst), einem makromolekularen Stoff, zugeschrieben (SCHMIDT, 1961, 1962). Bei dieser wiederholt mit Erfolg verwendeten Modellsubstanz (BAUTZMANN u. SCHMIDT, 1960; SCHMIDT, 1961, 1962; WARTENBERG, 1964; WESSING, 1965) handelt es sich urn einen lipoid- unloslichen Eisen 111-Dextrankomplex mit einem Molekulargewicht von Nach SCHMIDT (1961, 1962) wird Myofer von der Diinndarmepithelzelle durch Permeation aufgenommen und nach diffuser Verteilung im Cytoplasma in Vakuolen segregiert und angereichert. Die Vakuolen schleusen das Myofer l) .%il einer Arbeit, die der Veterinar-Mediiinischen Fakultat der Justus Liebig- *) Frau E. MERL sei fur wertvolle technische Hilfe gedankt. 50 000-100 000. ~~ Universitat GieBen als Habilitationsschrift vorlag.

Die Aufnahme von Myofer durch das Vormagenepithel der Ziege

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Page 1: Die Aufnahme von Myofer durch das Vormagenepithel der Ziege

Zbl. Vet. Med. A, 18, 824-834 (1971) @ 1971 Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg

Aus dern Veterinar-Anatomischen Institut der Justus Liebig-Universitat Giejlen

Direktor: Prof . Dr. A. Schummer

Die Awfnahme von Myofer durch das Vormagenepithel der Ziege') ')

Von

B. SCHNORR

Mit I Abbildungen

(Eingegnngen am 1. Dezember 1970)

I. Einleitung Die von uns ermittelten elektronenoptischen und cytochemischen Befunde

(SCHNORR u. VOLLMERHAUS, 1967; VOLLMERHAUS u. SCHNORR, 1967; SCHNORR u. a., 1969; SCHNORR, 1971 a, b) haben gezeigt, dai3 das Epithel der Vormagen eine besondere Feinstruktur aufweist, und dai3 in seinen Zellen bestimmte Enzyme vorkommen, die vermutlich am Stoff transport mitbeteiligt sind. Es war daher von Interesse zu priifen, wie sich die Epithelzellen gegen- iiber Modellsubstanzen verhalten, mit denen die unter physiologischen Bedin- gungen sich vollziehende Aufnahme und der Transport von Stoffen durch die Zellen nachgeahmt und an Gewebeschnitten sichtbar gemacht werden kann. Zum Nachweis der Aufnahme, des intrazellularen Transportes und der Ab- gabe von Stoffen wurden in den letzten Jahren bei verschiedenen Zellarten zahlreiche Markierungssubstanzen benutzt (Literaturiibersicht siehe SCHMIDT, 1962 und STOCKEM, 1966). Die Modellsubstanzen sollen ,,gewebsfreundlich" sein, keine toxische Wirkung haben, gut fixierbar sein und sich moglichst sicher mit licht- und elektronenmikroskopischen Methoden nachweisen lassen. Alle diese Eigenschaften werden dem Myofer (Hoechst), einem makromolekularen Stoff, zugeschrieben (SCHMIDT, 1961, 1962). Bei dieser wiederholt mit Erfolg verwendeten Modellsubstanz (BAUTZMANN u. SCHMIDT, 1960; SCHMIDT, 1961, 1962; WARTENBERG, 1964; WESSING, 1965) handelt es sich urn einen lipoid- unloslichen Eisen 111-Dextrankomplex mit einem Molekulargewicht von

Nach SCHMIDT (1961, 1962) wird Myofer von der Diinndarmepithelzelle durch Permeation aufgenommen und nach diffuser Verteilung im Cytoplasma in Vakuolen segregiert und angereichert. Die Vakuolen schleusen das Myofer

l) .%il einer Arbeit, die der Veterinar-Mediiinischen Fakultat der Justus Liebig-

*) Frau E. MERL sei fur wertvolle technische Hilfe gedankt.

50 000-100 000.

~~

Universitat GieBen als Habilitationsschrift vorlag.

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durch das Cytoplasma, verschmelzen mit den basalen, vor allem aber latera- len Plasmalemmabschnitten und geben es in den Interzellularraum ab. Von hier tritt das Myofer durch die Basalmembran und gelangt ins Bindegewebe. Ein interzellularer Durchtritt des Myofers unmittelbar in die Interzellular- raume erfolgte nicht. Dieser im Modellversuch fur das Myofer nachgewiesene transepitheliale Transportweg berechtigte zu der Annahme, dai3 auch die ,,physiologischen Resorbate" den gleichen Weg nehmen konnen (SCHMIDT, 1962).

Durch diese Versuche und ihre Ergebnisse angeregt, sollte zunachst ge- pruft werden, ob intraruminal verabreichtes Myofer durch die gesamte Epi- thelschicht der Vormagen transportiert wird. Ferner war bei positivem Aus- fall des Versuches festzustellen, ob der Durchtritt inter- oder transzellular erfolgt.

11. Material und Methoden Die Resorptionsversuche wurden an 6 erwachsenen Ziegen verschiedenen

Alters durchgefuhrt. Alle Tiere waren vor dem Versuch rnit Heu, Weizenkleie, Rubenschnitzel und Sojaschrot ernahrt worden.

Verabreihung der Resorptionssubstanz Als Resorptionssubstanz wurden 50 ml handelsubliches Myofer rnit

Leitungswasser 1 : 20 verdunnt und den Tieren je zur Halfte per 0 s und mittels einer langen Injektionskanule direkt in den Pansen verabreicht. Die Zeit von der Verabreichung der Myoferlosung bis zur Entnahme und Fixierung der Gewebsproben variierte bei den einzelnen Tieren zwischen 30 min und 2 Std. In einem Fall betrug sie 20 Std.

Materialentnahme und Fixation Unter Narkose wurden den Tieren aus folgenden Abschnitten des Ver-

dauungsapparates Gewebestucke entnommen und untersucht. Pansen: ventraler Pansensack, Pansenpfeiler, dorsaler Pansensack und Schleudermagen; Netz- magen: Leiste und Boden der Waben; Blattermagen: Basis und freier Rand grofler und mittlerer Blatter. Fur die lichtmikroskopischen Nachweisreaktionen wurden die Gewebestucke in BOUIN und fur elektronenmikroskopische Unter- suchungen in 5 O/oiger Kakodylat gepufierter Glutaraldehydlosung (pH 7,2) fixiert.

Nachweis von Myofer Zum lichtmikroskopischen Nachweis des Myofer wurde die Berliner

Blau-Reaktion (Nachweis von Fe 111) durchgefuhrt. Fur die elektronenmikroskopische Untersuchung wurde das Glutar-

aldehyd-fixierte Material mit 1 O/oiger Osmiumlosung (Phosphatpuffer p H 7,2) 1 Stunde nachfixiert und in Mikropal eingebettet. Die Dunnschnitte wurden rnit Uranylacetat nachkontrastiert und im EM 9 (Zeiss) untersucht.

111. Ergebnisse

a) Lihtmikroskopishe Befunde In allen untersuchten Proben ist die Berliner Blau-Reaktion, rnit der

die Eisenkomponente des Myofers nachgewiesen wird, im Stratum corneum und vereinzelt im oberen Stratum granulosum positiv. Hingegen ist rnit der

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Farbreaktion eine genaue Feststellung zwischen intra- oder interzellularer Lage des Myofer nur schwer moglich. Im Punsenepithel sind vor allem die diskus- und ballonformigen Hornzellen intensiv angefarbt (Abb. 1) . Die Schicht der flachen Hornzellen zeigt gleichfalls haufig starke Ablagerungen des Farbstoffes. Die beiden Typen der Kornerzellen sind nur vereinzelt schwach gefarbt. Die genannten Ablagerungsorte im Epithel sind in allen aus dem Pansen entnommenen Proben gleich und zeigen keine regionalen Unterschiede. Bevorzugte ,,Resorptionsorte", nachweisbar am Kriterium der Berliner Blau-Reaktion, wie z. B. an Zottenspitzen, Zottenseitenflachen oder interpapillaren Bezirken sind nicht zu beobachten. Im Unterschied zum Pansen reagieren die Hornzellen des Netzrnugenepithels schwacher. Hier ist in den Kornerzellen nur in Ausnahmefallen Eisen nachweisbar. Regionale Unter- schiede fehlen auch hier (Abb. 2). Im Epithel des Bliittevrnugens ist quantitativ vie1 weniger Resorptionssubstanz nachzuweisen als in jenem des Pansens und des Netzmagens. Eisen ist deutlich nur in den flachen Hornzellen nachweisbar. Die Kornerzellen zeigen keine Blaufarbung. Somit ist fur die fiirberische Nachweisbarkeit des Myofer eine deutliche Abnahme vom Pansen uber den Netzmagen zum Blattermagen hin festzustellen.

In den t ie fen Epithelschichten aller untersuchten Vormagenregionen ist nur dann eine schwache Reaktion vorhanden, wenn das Myofer bis ZLI 20 Std. auf das Epithel eingewirkt hatte. In diesem Fall war im Zytoplasma der Zellen des Stratum spinosum superficiale, Stratum parabasale und Stratum basale eine schwache diffusblaue Anfarbung ZLI beobachten.

In der Propria mucosae und in den subepithelialen Gefafien ist bei allen Versuchsreihen kein Eisen nachweisbar.

Abb. 1. Epithel des Pansens der Ziege nach Myofereinwirkung. Eisennachweis mit der Berliner Blau-Reaktion. Die Zeit von der Applikation bis zur Entnahme und Fixierung der Proben betrug zwei Stunden. Stark positive Reaktion in den ballon- (1) und diskusformigen

(2) Hornzellen. Vereinzelt positiv sind auch flache Hornzellen (3). Vergr. 370 x

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Abb. 2. Epithel des Netzmagens nach Myofereinwirkung. Die Zeit von der Applikation bis zur Entnahme und Fixierung der Proben betrug zwei Stunden. Berliner Blau-Reaktion. Oben Anschnitt einer Papille, unten Schleimhautbucht. Positive Reaktion im Stratum cor-

neum (Pfeile). Vergr. 370 X

b) Elektronenmikroskopische Befiinde Auch elektronenoptisch 1ai3t sich das Myofer in allen Typen der Horn-

zellen und vereinzelt in den oberen Kornerzellen nachweisen. Daruber hinaus dringt es auch in die Interzellularraume des Stratum corneum und in jene zwischen tiefen Hornzellen und oberen Kornerzellen vor (Abb. 3, 4). In den Intermediar-, Parabasal- und Basalzellen und ihren Interzellularraumen ist die Resorptionssubstanz nicht mit Sicherheit nachzuweisen. Nur bei der

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Rbb. 3. Epithel des Pansens der Ziege nach Einwirkung von Myofer. Zeit der Einwirkung zwei Stunden. Teilabbildungen a und b : Elektronendichte Granula in einer diskusformigen Hornzelle. Die Granula haben sich zu unterschiedlich grogen Aggregaten zusammengelagert (a), die nicht von einer Membran umgeben sind (b). Teilabbildung c: Elektronendichte Partikel in den Interzellularraumen zwischen einer flachen Hornzelle (oben) und einer Kornerzelle (unten). Man beachte die Ablagerung der Granula in den Desmosomen (D). Teilabbildung d : Elektronendihtes Material an den Membranen gequollener Mitochondrien ciner Kornerzelle. Nachkontrastierung mit Uranylacetat. Vergr. 28 000 x (a, c, d) bzw.

80 000 x (b)

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Die Aufnahme von Myofer durch das Vormagenepithel der Ziege

Versuchsreihe, wo die Entnahme der Proben erst 20 Std. nach der Myofer- applikation erfolgte, sind in der Matrix von Mitochondrien der zuletzt genannten Zelltypen vermehrt elektronendichte Einlagerungen zu beobachten (Abb. 5).

Zbl. Vet. Med., Keihe A, Bd. 18, Heft 10 56

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Abb. 5. Pansenepithel der Ziege nach Einwirkung von Myofer. Zeit der Einwirkung 20 Stun- den. Ausschnitte aus Parabasalzellen. Elektronendichte, nahezu homogene Einlagerungen in den Mitochondrien (a), die bei starkerer V e r g r o h u n g feingranulare Strukturen aufweisen

(b). Nachkontrastierung mit Uranylacetat. Vergr. 28 000 x (a) bzw. 80 000 x (b)

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Die Resorptionssubstanz findet sich in den Horn- und Kornerzellen in Form von 100 A groi3en polymorphen Granula, die entweder einzeln liegen oder unterschiedlich groi3e Aggregate bilden (Abb. 3, 4), wobei die einzeln liegenden Granula zwar auch in unmittelbarer Nachbarschaft der Zellmem- bran zu beobachten sind, ohne jedoch in Pinocytoseblaschen eingelagert zu sein. Ebenso fehlen den intrazellularen Aggregaten eigene Membranen (Abb. 3 b). Auffallend ist, dai3 sich Myofer zum Teil auch in den Haftstellen, vor allem in jenen der tiefen Hornzellen, nachweisen lai3t (Abb. 3 c). In den Kornerzellen wurde vereinzelt beobachtet, dai3 sich die Resorptionssub- stanz an den Membranen der gequollenen Mitochondrien niederschlagt (Abb. 3 d).

Das interzelluliir gelegene Myofer besteht gleichfalls aus einzelnen Gra- nula und verschieden groi3en Aggregaten, die z. T. den gesamten Interzellu- larraum ausfullen (Abb. 4).

IV. Diskussion Nach den lichtmikroskopischen Untersuchungen wird die angebotene

Modellsubstanz bei einer Versuchsdauer von 30 min bis 2 Std. in deutlich nachweisbaren Mengen vom Stratum corneum aufgenommen. Dagegen sind in der oberen Schicht der Kornerzellen nur vereinzelt Reaktionsprodukte sicht- bar. Ein Transport durch das Stratum spinosum bis in das Stratum basale erfolgte nur dann, wenn Myofer bis zu 20 Std. auf das Epithel einwirken konnte. Die Berliner Blau-Reaktion in den tiefen Zellschichten fie1 jedoch auch unter diesen Bedingungen nur sehr schwach aus. Ein Nachweis, dai3 die Resorptionssubstanz, wenn sie in hoheren Konzentrationen angeboten wird, auch bis in die basalen Zellagen vordringt, war nicht zu erbringen. Diese Ver- teilung des Myofers, bezogen auf die einzelnen Epithelschichten, gemessen am Kriterium der Berliner Blau-Reaktion, ist in allen untersuchten Proben im wesentlichen die gleiche. Hingegen bestehen quantitative Unterschiede zwischen den drei Vormfgen. Wie erwahnt, wurde vom Pansenepithel immer mehr Resorptionssubstanz aufgenommen als von jenem des Netzmagens. Die geringste Menge war im Epithel des Blattermagens nachweisbar. Dieser zuletzt genannte Befund 1ai3t jedoch keinen RiickschluB auf eine unterschiedliche Resorptionsleistung der einzelnen Vormagenabteilungen zu. Vielmehr kann er auf eine Minderung der Konzentration des Myofers nach seiner Applikation im Inhalt des Pansens, der Haube und des Psalters zuruckgefuhrt werden.

Elekt~onenmikroskopisch Lei3 sich in dem Material von mit Myofer behandelten Tieren elektronendichtes Material unterschiedlicher Form und Groi3e nachweisen. Diese in den Zellen des Stratum corneum und des oberen Stratum granulosum aller Versuchsreihen nachweisbaren elektronendichten Partikel sind in ihrer Form und Groi3e mit einer normalen Myofersuspension vergleichbar (Abb. 4). Aui3erdem kommen bei langzeitiger Einwirkung von Myofer (20 Std.) auch in Mitochondrien der tieferen Zellschichten, also der Intermediar-, Parabasal- und Basalzellen, allerdings weniger elektronendichte, feingranulare Einlagerungen vor, die sich aufgrund ihrer Struktur deutlich von jenen in den oberen Zellagen des Epithels unterscheiden (Abb. 5). Dieser Befund legt die Vermutung nahe, dai3 Myofer bis zum Stratum corneum und oberen Stratum granulosum in nativer, also unveranderter Form vordringt, wahrend es sich bei den Einlagerungen in die Mitochondrien wahrscheinlich um ein Spaltprodukt des Myofers, und zwar um freies Eisen handelt. Die Fahigkeit der Mitochondrien, kolloidale Schwermetalle und Si 0, zu speichern, ist bekannt (DEMPSEY u. WISLOKCI, 1955; -BESSIS u. BRETON GORIUS, 1959; GIESEKING, 1957; GUSEK, 1959).

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Im Zusammenhang mit der von uns (SCHNORR u. VOLLMERHAUS, 1967) beschriebenen ,,Barrierenfunktion" des Epithels lassen sich die vorliegenden Befunde uber die Resorption des Myofers wie folgt deuten: Durch das magen- lumenseitig off ene Labyrinth der Interzellularraume kann das unveranderte Myofer interzellular leicht bis zu der tiefen Hornschicht, der ,,Barriere", vordringen und von hier aus von den Hornzellen aufgenommen und gespeichert werden. Die Aufnahme erfolgt vermutlich durch eine Art Permeation, da weder Pinocytoseblaschen mit Myofergranula noch Segregation in Membran- vesikel zu beobachten sind. Da diese Feststellung auch fur die tiefen Horn- zellen in allen Versuchsreihen zutrifft, kann - entgegen friiheren Vermutun- gen (VOLLMERHAUS u. SCHNORR, 1967) - angenommen werden, dai3 die Barriere mit Hilfe von Membranvesikulation nicht uberwunden werden kann. Da nun aber, wie festgestellt wurde, sowohl in den oberen Kornerzellen als auch in den zwischen ihnen und den tiefen Hornzellen gelegenen Interzellular- raumen Resorptionssubstanz zu finden ist, mui3 ein Durchtritt von Stoffen durch die ,,Barriere", wenn auch in begrenzten Mengen, moglich sein. Als Weg dieser Passage bietet sich einmal der transzellulare Transport von Zelle zu Zelle, und zwar uber die Desmosomen zwischen den tiefen Hornzellen und oberen Kornerzellen an, in denen die Resorptionssubstanz haufig zu finden ist. Zum anderen ist anzunehmen, dai3 die ,,Barriere" fur die hier verwendete Modellsubstanz in gewissem Grad doch durchlassig ist und damit auch ein interzellularer Transport moglich wird.

Zusammenfassung Zum Nachweis des Stofftransportes durch das Epithel der Vormagen

wurde als Modellsubstanz Myofer intraruminal appliziert und dessen Ver- bleib in der Lamina epithelialis licht- sowie elektronenmikroskopisch unter- sucht. Die Zeit von der Applikation bis zur Entnahme und Fixierung der Proben betrug 30 bis 120min; bei einem Versuchstier sogar 20Std. Dabei wurde festgestellt, dai3 Myofer zwar vom Stratum corneum in deutlich nachweisbaren Mengen aufgenommen wird, in das Stratum granulosum jedoch nur in geringer Menge vordringt und sich dann in diesen Epithel- schichten sowohl in den Interzellularraumen als auch intrazellular nachweisen 1ai3t. Die Aufnahme des Myofers durch die Horn- und Kornerzellen erfolgt nicht durch Pinocytose.

Im Stratum spinosum und Stratum basale konnte diese Resorptions- substanz erst dann, und zwar nur in den Mitochondrien dieser Zellen nach- gewiesen werden, wenn sie bis zu 20 Std. auf das Epithel einwirkte. Vermut- lich handelt es sich hier lediglich um die Aufnahme des Eisenanteils des Myofers.

Summary The uptake of Myofer by the forestomach epithelium in the goat

To demonstrate metabolic transport through the epithelium of the forestomach Myofer was used as a model substance, given into the rumen, and its stay in the epithelial layer was studied by light and electron micros- copy. The time interval between application and removal and fixation of samples ranged from 30 to 120 minutes, except in one case where i t was extended to 20 hours. The results showed that Myofer was detectable in the stratum corneum in considerable amounts, in the stratum granulosum in very small amounts and could be detected in these layers in both the cells and the intercellular spaces. Uptake of Myofer through the cornified and granular cells did not occur by pinocytosis.

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In the stratum spinosum and stratum basale the resorption substance could first be detected after 20 hours and then only in the mitochondria. It is suggested that what was detected was merely the iron component of the Myofer.

RCsumi Sur I’absorption de myofer par 1’6pith6lium de I’estomac de la chkvre

Pour mettre en kvidence le transport des substances i travers l’kpithk- lium des estomacs, on applique du myofer (comme substance de rkfkrence) par voie intra-ruminale et I’on examine sa persistance dans la lame kpithk- liale A l’aide du microscope ordinaire et du microscope Clectronique. Le temps qui s’kcoule entre l’application d’une part et la rksorption et la fixation des Cchantillons d’autre part est de 30 i 120 minutes; chez un des animaux d’expk- rience, jusqu’i 20 heures. On note que le myofer est absorbk par la couche cornCe en quantitks nettement dkcelables, qu’il progresse jusque dans la couche granuleuse, mais en faible quantitk, et qu’il se laisse mettre en kvidence dans les couches kpithkliales, non seulement dans les espaces inter- cellulaires, mais aussi A l’intkrieur des cellules. L’absorption du myofer B travers les cellules cornkes et granuleuses ne s’effectue pas par pinocytose.

Dans la couche Cpineuse et la couche basale, on ne parvient B mettre en kvidence cette substance de rksorption que dans les mitochondries, aprks qu’elle ait pu exercer son action jusqu’A 20 heures sur 1’i.pithklium. I1 s’agit vraisemblablement de l’assimilation exclusive de la partie ferrique du myofer.

Resumen La absorci6n de Myofer por el epitelio pregistrico de la cabra

Para probar el transporte de substancias a travks del epitelio de 10s preesdmagos, se aplic6 Myofer como substancia modelar por via intrarrumi- nal, examinindose su paradero en la limina epitelial foto y electr6nico- microscbpicamente. El tiempo transcurrido desde la aplicacibn hasta la reco- gida y fijaci6n de las muestras dur6 de 30 a 120 min; en un animal de experimentaci6n incluso 20 horas. Aqui se comprob6 que aunque Myofer es absorbido por el estrato c6rneo en cantidades identificables con claridad, solo penetra en el estrato granuloso en cantidades escasas y luego se puede iden- tificar en estas capas epiteliales tanto en 10s espacios intercelulares como intracelularmente. La absorci6n de Myofer por las cklulas c6rneas y granu- losas no ha lugar mediante pinocitosis. En 10s estratos espinoso y basal solo se l o g 6 identificar esta substancia de resorcihn, y nada mis en las mito- condrias de estas cklulas, cuando actuaba hasta 20 horas sobre el epitelio. A1 parecer, en este caso no se trata mis que de la acogida de la parte de hierro del Myofer.

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Anschrift des Verfassers: Dr. B. Schnorr, Veterinar-Anatomisches Institut, 63 GieBen,

803-806.

365-389.

372-400.

1004-1 01 9.

Frankfurter Straie 94.