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I6. SEPTEMBERx924 KLINISCHE WOCHENSCttRIFT. 3. JAHRGANG. Nr. 38 I72 3 KURZE WISSENSCHAFT DIE BINDUNG DES CHOLESTERINS IM NERVENSYSTEM BEI MANGEL AN VITAMIN B. Von F. VERZXR, ESTER KOKAS und A. ~RVAY. Beim experimentellen Beriberi yon Tauben und Ratten, jenem polyneuritisartigen Symptomenkomplex, der nach mehr- w6chentlicher Ern~ihrung ohne B-Vitamin entsteht, haben wir charakteristische Jknderungen der Cholesterinbindung im Nervensystem gefunden. Die folgende Tabel]e zeigt den ge- samten, den freien und gebundenen Cholesteringeha]t in Prozenten des feuchten Gewichtes im Gehirn, Rfickenmark und Nerven yon normalen und Beriberi kranken Tauben und Ratten. Der gesamte Cholesteringehalt nimmt fast fiberall zu*). Das freie Cholesterin nimmt aber fiberall ab, und das gebun- dene Cholesterin nimmt sehr stark zu. Wdhrend im normalen LICHE MITTEILUNGEN. Mangel an Vitamin B primer die Funktion der Nebennieren- rinde gest6rt ist, dadurch kommt es zur St6rung des Choleste- rinstoffwechsels, und diese wieder hat die Funkfionsst6rungen im Nervensystem zur Folge. Die Versuche werden ausffihrlich in Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. ver6ffentlicht. (Aus dera Physiologischen Institut der Universitdt in Debreczen.) NACHWEIS EINER FUNKTIONSSTORUNG VON KNOCHEN- MARK UND MILZ BEI MANGEL AN VITAMIN C (experimentellem Skorbut). Yon F. VERZ/I~R und ESTER KOKAS. EDDY hat gezeigt, dab Extrakte yon Milz und yon Knochen- mark stark h~molytisch wirken. Injiziert man je I ccm eines Normale Tauben (Mittel yon 3 Tieren) ]3eriberikranke Tauben (Mittel yon 3 Tieren) Normale Ratten (Mittel yon 2 Tieren) Beriberikranke Ratten (Mittel yon 2 Tieren) gesamt 0,62 o,87 0,60 1,46 Gehirn fret gebunden o,47 o, I5 o,43 o,48 0,43 o, 18 o,17 1,26 F 3,13 O,8I 2,38 o, I35 gesamt t,36 1,78 1,37 1,68 Riickenmark fret gebunden 1,33 0,06 0,95 0,83 1,08 0,28 0,24 1,46 F 22,2 I,I 3,78 o,I64 gesamt 1,4o 1,74 4,o9 3,45 Peripherer Nerv fret gebunden 1,25 o,I 4 o,84 0,90 3,42 O,67 0,72 2,81 F G 8,9 0,9 5,I 0,256 Nervensystem die Menge des ]reien Cholesterins ein Mehr]aehes des gebundenen betrdgt, Icehrt sich das Verhaltnis beim Beriberi urn, so dab das gebundene Cholesterin nun ebensoviel oder mehr ist als das freie. Diese Jknderung ~uBert sich sehr auf- fallend im Quotienten freies/gebundenes Cholesterin (F/G), der zeigt, daB beim beriberikranken Tier fast alles Cholesterin verestert ist. Das Cholesterin ist besonders reichlich am Aufbau des Nervensystems, besonders der Axone beteiligt. I)iese starke Jknderung in der biochemischen Struktur muB auch schwere funktionelle St6rungen der Nerven zur Folge haben. ]3as ist tats~chlich der Tall. Die schweren Kr~mpfe und L~hmungen sind bekannt. Von besonderem Interesse ist, dab diese schwere St6rung des intermedfiiren Cholesterinstoffwechsels gleich- zeitig mit einer starken Hypertrophie der Nebennierenrinde einhergeht. Letzteres wurde**) dutch Rekonstruktion der Nebennieren yon Kaninehen und Ratten durch Versuche mit F. PETER bewiesen. Es liegt nahe, daran zu denken, dab bet *) Schon yon HOTTA, Ztschr.L physiol.Chemie 128, 85. 1923, beobachtet. **) Bet V6geln angegeben yon KELLAWAu Proo. of the roy soc. of London (B) 92, 6. I921. solchen Extraktes einem Meerschweinchen intrakardial, so entwickelt sich in i--2 Tagen ebae starke An~mie, und in 8 Tagen tritt wieder vollkommene Regeneration ein. Auch die Extrakte aus Milz und Knochenmark yon nach 3-bis 4w6chiger Ffitterung mit Haler an typischem Skorbut erkrankten Meerschweinchen haben dieselbe h~imolytische Wirknng, wenn man sie normalen Meerschweinchen intra- kardial injiziert. Mischt man I ccm Milzextrakt mit I ccrn Knochenmarkextrakt eines normalen Tieres zusammen, so heben diese beiden, trotzdem jeder fiir sich h~imolytisch wirkt, gegenseitig ihre h~molytische "vVirkung auf. Man muB an- nehmen, dab im normalen Knochenmarkextrakt im l[lberiltl~ eine die Nimolyfische Wirkung der Milz aufhebende Substanz vorhanden ist und ebenso im ~lberiluB eine izrl Milzextrakt, die die H/~molyse des Knochenmarkextraktes hemmt. Im skorbut- kranken Tier scheinen nun diese antihamolytisch wirkenden Substanzen zu ]ehlen. I)enn'wenn man einen stark Nimolytisch wirkenden Milzex~rakt und Knoehenmarkextrakt aus einem skorbutischen Tier zusammen injiziert, so hemmen diese ihre h~imolytische Wirkung nicht. Die folgende Tabelle zeigt die Versuche. Injiziertes Organ normales vom Tier Tier Nr. Nr. vorher 26 2 , 6,04 27 2 -- 25 2 17 3 29 4 6,I5 3 ~ 4 II IO 8 12 8 16 13 22 21 23 i 2i 24 21 19 15 Zahl der roten BlutkSrperchen pro cram in Mfllionen Injektion yon: Injektion yon: normaler Milz normalem skorbutischem Knochenmark Beide zusammen skorbutischer Milz nachher I vorher nachher vorher nachher vorher F 529 I i- I- -- 6,25 4,93 i 6,i ~ 6,2z [ 5,37 5,33 5'41 6,i2 5 4,95 I i I 6,20 i 6,23 Knochenmark Beide zusammen nachher vorher nachher vorher nachher 3,95 5,03 4,25 4,42 5,I3 4,52 5,15 3,99 4,74 6,3~ 4,95 5,95 4,31 5,20 3,88 I!0 ~

Die Bindung des Cholesterins im Nervensystem bei Mangel an Vitamin B

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I6. SEPTEMBERx924 K L I N I S C H E W O C H E N S C t t R I F T . 3. J A H R G A N G . N r . 38 I 7 2 3

K U R Z E W I S S E N S C H A F T

DIE BINDUNG DES CHOLESTERINS IM NERVENSYSTEM BEI MANGEL AN VITAMIN B.

Von F . VERZXR, ESTER KOKAS u n d A. ~RVAY.

B e i m e x p e r i m e n t e l l e n B e r i b e r i y o n T a u b e n u n d R a t t e n , j e n e m p o l y n e u r i t i s a r t i g e n S y m p t o m e n k o m p l e x , d e r n a c h m e h r - w 6 c h e n t l i c h e r E r n ~ i h r u n g o h n e B - V i t a m i n e n t s t e h t , h a b e n w i r c h a r a k t e r i s t i s c h e J k n d e r u n g e n d e r C h o l e s t e r i n b i n d u n g i m N e r v e n s y s t e m g e f u n d e n . D i e f o l g e n d e Tabe l ]e ze ig t d e n ge- s a m t e n , d e n f r e i en u n d g e b u n d e n e n C h o l e s t e r i n g e h a ] t in P r o z e n t e n des f e u c h t e n G e w i c h t e s i m Geh i rn , R f i c k e n m a r k u n d N e r v e n y o n n o r m a l e n u n d B e r i b e r i k r a n k e n T a u b e n u n d R a t t e n . D e r g e s a m t e C h o l e s t e r i n g e h a l t n i m m t f a s t f ibera l l zu*) . D a s f re ie C h o l e s t e r i n nimmt a b e r f ibera l l ab , u n d d a s g e b u n - d e n e C h o l e s t e r i n n i m m t s e h r s t a r k zu. Wdhrend im normalen

L I C H E M I T T E I L U N G E N .

Mangel an Vitamin B primer die Funktion der Nebennieren- rinde gest6rt ist, dadurch kommt es zur St6rung des Choleste- rinstoffwechsels, und diese wieder hat die Funkfionsst6rungen im Nervensystem zur Folge. Die Versuche werden ausffihrlich in Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. ver6ffentlicht. (Aus dera Physiologischen Institut der Universitdt in Debreczen.)

NACHWEIS EINER FUNKTIONSSTORUNG VON KNOCHEN- MARK UND MILZ BEI MANGEL AN VITAMIN C

(experimentellem Skorbut). Yon

F . VERZ/I~R u n d ESTER KOKAS.

EDDY hat gezeigt, dab Ext rakte yon Milz und yon Knochen- mark stark h~molytisch wirken. Injiziert man je I ccm eines

Normale Tauben (Mittel yon 3 Tieren)

]3eriberikranke Tauben (Mittel yon 3 Tieren)

Normale Ra t t e n (Mittel yon 2 Tieren)

Ber iber ikranke R a t t e n (Mittel yon 2 Tieren)

gesamt

0,62

o,87

0,60

1,46

Gehirn

fret gebunden

o,47 o, I5

o,43 o,48

0,43 o, 18

o,17 1,26

F

3,13

O,8I

2,38

o, I35

gesamt

t,36

1,78

1,37

1,68

Riickenmark

fret gebunden

1,33 0,06

0,95 0,83

1,08 0,28

0,24 1,46

F

22,2

I,I

3,78

o,I64

gesamt

1,4o

1,74

4,o9

3,45

Peripherer Nerv

fret gebunden

1,25 o,I 4

o,84 0,90

3,42 O,67

0,72 2,81

F G

8,9

0,9

5,I

0,256

Nervensystem die Menge des ]reien Cholesterins ein Mehr]aehes des gebundenen betrdgt, Icehrt sich das Verhaltnis beim Beriberi urn, so dab das gebundene Cholesterin nun ebensoviel oder mehr ist als das freie. Diese Jknderung ~uBert sich sehr auf- fallend im Quotienten freies/gebundenes Cholesterin (F/G), der zeigt, daB beim beriberikranken Tier fast alles Cholesterin verestert ist.

Das Cholesterin ist besonders reichlich am Aufbau des Nervensystems, besonders der Axone beteiligt. I)iese starke Jknderung in der biochemischen Struktur muB auch schwere funktionelle St6rungen der Nerven zur Folge haben. ]3as ist tats~chlich der Tall. Die schweren Kr~mpfe und L~hmungen sind bekannt. Von besonderem Interesse ist, dab diese schwere St6rung des intermedfiiren Cholesterinstoffwechsels gleich- zeitig mit einer starken Hypertrophie der Nebennierenrinde einhergeht. Letzteres wurde**) dutch Rekonstruktion der Nebennieren yon Kaninehen und Ratten durch Versuche mit F. PETER bewiesen. Es liegt nahe, daran zu denken, dab bet

*) Schon yon HOTTA, Ztschr. L physiol. Chemie 128, 85. 1923, beobachtet. **) Bet V6geln angegeben yon KELLAWAu Proo. of the roy soc. of London (B) 92, 6. I921.

solchen Extraktes einem Meerschweinchen intrakardial, so entwickelt sich in i - - 2 Tagen ebae starke An~mie, und in 8 Tagen t r i t t wieder vollkommene Regeneration ein. Auch die Extrakte aus Milz und Knochenmark yon nach 3-bis 4w6chiger Ffit terung mit Haler an typischem Skorbut erkrankten Meerschweinchen haben dieselbe h~imolytische Wirknng, wenn man sie normalen Meerschweinchen intra- kardial injiziert. Mischt man I ccm Milzextrakt mit I ccrn Knochenmarkextrakt eines normalen Tieres zusammen, so heben diese beiden, t rotzdem jeder fiir sich h~imolytisch wirkt, gegenseitig ihre h~molytische "vVirkung auf. Man muB an- nehmen, dab im normalen Knochenmarkextrakt im l[lberiltl~ eine die Nimolyfische Wirkung der Milz aufhebende Substanz vorhanden ist und ebenso im ~lberiluB eine izrl Milzextrakt, die die H/~molyse des Knochenmarkextraktes hemmt. I m skorbut- kranken Tier scheinen nun diese antihamolytisch wirkenden Substanzen zu ]ehlen. I)enn'wenn man einen stark Nimolytisch wirkenden Milzex~rakt und Knoehenmarkextrakt aus einem skorbutischen Tier zusammen injiziert, so hemmen diese ihre h~imolytische Wirkung nicht. Die folgende Tabelle zeigt die Versuche.

Injiziertes Organ normales vom

Tier Tier Nr. Nr.

vorher

26 2 , 6,04 27 2 -- 25 2 17 3 29 4 6,I5 3 ~ 4

I I IO 8 12 8 16 13 22 21 23 i 2i 24 21 19 15

Zahl der roten BlutkSrperchen pro cram in Mfllionen Injektion yon: Injektion yon:

normaler Milz normalem skorbutischem Knochenmark Beide zusammen skorbutischer Milz

nachher I vorher nachher vorher nachher vorher F

529 I i - I- - - 6,25 4,93 i 6, i ~ 6,2z [ 5,37 5,33

5'41 6, i2 5

4,95

I i I 6,20 i 6,23

Knochenmark Beide zusammen

nachher vorher nachher vorher nachher

3,95 5,03 4,25

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5,15 3,99 4,74

6,3~ 4,95 5,95 4,31 5,20 3,88

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