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III. Die Biologie des Kolostrums (einschliess]ich Fermente). Von ]. Bauer, Dfisseldorf. Mit 1 &bb. im Text. Inhalt. I. Literatur ........................... 104 II. Die Antigene des Kolostrums .................. 106 A. Die dem Kolostrum eigenen Eiweissantigene . . . . . . . . . . . . . 106 1. Verhiiltnis der Eiweissantigene der Kolostralmilch zu denen der Spiitmilch 106 2. Spezifitiit der Kolostrumantigene . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3. Die Eiweissantigene des Kolostrums und die des Blutes desselben Tieres . 108 B. Andre Antigene des Kolostrums . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 IH. Die Antik~rper des Kolostrums . . . . . . . . . . . . . . . . 110 A. Die NormalantikSrper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 B. Die hnmunantikSrper . . . . . " . . . . . . . . . . . . . . . 111 IV. Die Komplemente des Kolostrums . . . . . . . . . . . . . . . 1t2 ¥. Die Fei'men~e des Kolostrums . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 A. Kohlenhydra~e, Eiweiss und Fet~ angreifende Enzyme . . . . . . . . . 114 1. Die Diastase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Die Monobutyrinase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3. Das proteolytische Ferment . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 B. Oxydierende und reduzierende Fermente . . . . . . . . . . . . . . 115 1. Die indirekten Oxydasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 2. Die Katalase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3. Die Reduktasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 I. Literatur. 1. Ascoli, Zur Kenntnis der Priizipltine der Eiweissk~rper des Blutserums. Mtinehener medizin. Wochenschr. 1902. 34. 2. Bamberg und Brugsch, ~ber dan (~bergang yon Agglutininen yon Mutter auf Kind. Medizin. Klinik I4. 31. 1907. 3. B a u er, J. Die biologisehe Laesreaktion in der S~uglingsklinik. Ref. Monatschr. f. Kinderh. 7. 1908. Heft 6.

Die Biologie des Kolostrums (einschliesslich Fermente)

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Page 1: Die Biologie des Kolostrums (einschliesslich Fermente)

III.

Die Biologie des Kolostrums (einschliess]ich Fermente). Von

]. Bauer, Dfisseldorf.

Mit 1 &bb. im Text.

Inhalt.

I. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

II. Die Antigene des Kolostrums . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

A. Die dem Kolostrum eigenen Eiweissantigene . . . . . . . . . . . . . 106 1. Verhiiltnis der Eiweissantigene der Kolostralmilch zu denen der Spiitmilch 106 2. Spezifitiit der Kolostrumantigene . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3. Die Eiweissantigene des Kolostrums und die des Blutes desselben Tieres . 108

B. Andre Antigene des Kolostrums . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 IH. D i e A n t i k ~ r p e r d e s K o l o s t r u m s . . . . . . . . . . . . . . . . 110

A. Die NormalantikSrper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 B. Die hnmunantikSrper . . . . . " . . . . . . . . . . . . . . . 111

IV. D ie K o m p l e m e n t e d e s K o l o s t r u m s . . . . . . . . . . . . . . . 1t2 ¥ . D i e F e i ' m e n ~ e d e s K o l o s t r u m s . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

A. Kohlenhydra~e, Eiweiss und Fet~ angreifende Enzyme . . . . . . . . . 114 1. Die Diastase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Die Monobutyrinase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3. Das proteolytische Ferment . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

B. Oxydierende und reduzierende Fermente . . . . . . . . . . . . . . 115 1. Die indirekten Oxydasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 2. Die Katalase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3. Die Reduktasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

I. Literatur. 1. A s c o l i , Zur Kenntnis der Priizipltine der Eiweissk~rper des Blutserums. Mtinehener

medizin. Wochenschr. 1902. 34. 2. B a m b e r g und B r u g s c h , ~ber dan (~bergang yon Agglutininen yon Mutter auf Kind.

Medizin. Klinik I4. 31. 1907. 3. B a u er , J. Die biologisehe Laesreaktion in der S~uglingsklinik. Ref. Monatschr. f. Kinderh. 7.

1908. Heft 6.

Page 2: Die Biologie des Kolostrums (einschliesslich Fermente)

Die Biologie des Kolostrums einschliesslich Fermente. 105

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Page 3: Die Biologie des Kolostrums (einschliesslich Fermente)

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II. Die Antigene des Kolostrums.

A. Die dem Kolostrum eigenen Eiweissantigene. 1. Die Milch bildet g le ich allen a n d e r e n e iweisshal t igen t ier ischen Fliissig-

kei ten in a r t f r emden O r g a n i s m e n spezifische Ant ik0rper . Ebenso enth~ilt

nat i i r l ieh die Fr0.hmilch Stoffe v o m Ant igencha rak te r , fiihig als Ant ikSrper-

b i ldner zu wirken.

Ft i r uns e rheb t sich die Frage , ob die A n t i g e n e d e s K o l o s t r u m s

teilweise oder v(illig yon denen der Sp~tmilch ve r sch ieden sind. Oder, was

wohl mi t dieser F r a g e zusammenfi i l l t , ob das K o l o s t r u m a n t i s e r u m sich yore

gewShnl ichen L a k t o s e r u m (13 o r d e t s) unterscheide t . Re in theoret isch be t rach te t

k 6 n n e n sich die Ant igene des Ko los t rums yon denen der spii teren Milch quant i-

ta t iv un tersche iden . Schon aus der Be t r a ch tung der chemischen Eigent i im-

l ichkei ten der F r f ihmi lch (beztiglich der Chemic des Kolos t rums verweise ich

a u f den Artikel y o n E n g e l in diesem Bande) geh t hervor , dass quant i -

ta t ive Dif fe renzen hier bes tehen kSnnen. W i r wissen, dass der Eiweissgehal t des K o l o s t r u m s ein ande re r als der

de r Milch ist und miissen daraus schliessen, dass auch die an t igenen Eigen-

schaf ten , die d u r c h a u s an das Eiweiss gekni ipf t sind, ande re in der Fri ih-

Page 4: Die Biologie des Kolostrums (einschliesslich Fermente)

Die Biologie des Kolostrams. 107

als in der Spgtmilch sind. Andererseits ist dutch A s e o l i , M i c h a e l i s und I de bekannt, dass z.B. durch Serumalbumin und -globulin zwar nicht ver- schiedene aber doch verschieden starke Prazipitiusera erzeugt werden. Wir k(innen also in Analogie auch infolge der differenten Verteilung der EiweisskOrper im Kolostrum, der Milch gegentiber, ein anderweitiges Kolostrumantiserum erwarten. Die ersten derartigen Angaben machte L a n g e r .

Er fand, dass das Kolostrum viel antigenreicher als die Milch sei. Er erzeugte ein Kolostrumantiserum, das mit homologem Kolostrum noeh in Verdtinnungen bis 1:15000 eine Prazipitation gab, mit Milch nur bis 1:4000. Der Antigengehalt sank vom ersten Tage nach dem Wurf rasch ab.

B a u e r und K o l l m e y e r haben durchaus bestatigen k(innen, dass dem Frtihkolostrum der Kuh starkere antigene F~thigkeiten zukommen. Zwar lasst sich auch mit Milch ein h(~herwertiges Laktoserum bei geeig- neter Immunisierung herstellen, aber ein Kolostrumantiserum reagielt mit Ko- lostrum stets in starkeren Verdfinnungen als mit Milch. Was nun die quali- tative Seite dieser Frage anbelangt, so hat B a u e r gezeigt, dass Antisera gegen Frtihkolostra der Kuh in st~rkerem Masse als Milehantisera mit dem Serum des Rindes reagieren. Ja wi~hrend beim Arbeiten mit den optimaler~ Verhalt- nissen nur speziell gegen die Eiweissstoffe der Molke gerichtete Antisera mit Rinderserum eine Komplementbindung geben, nicht aber gew~hnliche Lakto- sera, pflegen Kolostrumantisera unter denselben Bedingungen mit homologem Serum in Reaktion zu treten. Es ist das ein Beweis daffir, dass im Kolo- strum die Antigene des Blutes in h(iherem Masse vorhanden sind als in tier Milch. Mit tier gew(~hnlichen Milch injizieren wit verschiedene Antigene. Ein Laktoserum ist aber im allgememen vorziiglich ein Kaseinantiserum, sei es, dass das Kasein quantitativ tiberwiegt, sei es, dass das Kasein bei der ,~ Konkurrenz der Antigene ~', wie L. M i c h a e 1 i s das Phanomen des !~berwiegens eines Antigens bei tier gleichzeitigen Injektion mehrerer nannte, die antigene Natur der anderen zurfickdr~tngt.

Mit der Pr~zipitinmethode land B a u e r ei s e n die entsprechenden Ver- haltnisse. Diese unspezifischere Methode ergab, dass Kolostrumantisera am sti~rksten auf die KolostrumlOsung, etwas schwacher auf die Molkenproteine und Kasein und auf das homologe Serum wirken. B a u e r e i s e n sagt ge- radezu, das Kuhkolostrumantiserum ist in tier Hauptsache ein Molkenprotein- antiserum. Dieser Befund entspricht auch vollkommen unserer Kenntnis yon tier Chemie des Kolostrums, d. h. von der relativen Vermehrung tier Albumin- globulinsubstanzen in der Friihmilch.

2. Dass die A r t s p e z i f i t i ~ t eines Kolostrumantiserums der des Lakto- serums entspricht, versteht sich yon selbst. Nach eigenen Untersuchungen gab ein Antiserum gegen Kuhkolostrum eine Komplementablenkung mit

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108 J. Bauer,

Kuhkolostrum yore 1. Tag bis 1:100000 Kuhmilch 1 : 50000 Bfiffelmilch 1 : 2000 Ziegenmilch 1 : 2000 Eselinnenmilch 1 : 20 Frauenmilch 1 : 10

Wir sehen also, dass auch dieVerwandtschaftsreaktionen beim Kolostrum- antiserum ihren Ausdruck finden.

Wit wissen aber, dass nich~ nur V e r w a n d t s c h a f t s e i g e n s c h a f t e n , sondern auch k o n s t i t u t i v e bei den Eiweissk6rpern der Milch eine Rolle spielen. So erzeugt man mit dem Kasein einer Milch Antisera, die fiir das Kasein der betreffenden Tierart spezifisch sind. Sie geben mit den Molkenproteinen derselben Art eine geringgradigere Reaktion, ebenso wie sie mit den Kaseinen verwandter Tiere ~heterotoge ~ Reaktionen eingehen. Dasselbe gilt mutatis mutandis ffir die EiweisskOrper der Molke. Auch die einzelnen EiweisskSrper des Kolostrums zeigen diese biologischen Eigen- schaften.

3. L a n g e r hat im Jahre 1907 beobachtet, dass ein Kolostrumanti- serum mit dem miitterlieheu Serum einen Niederschlag bei der Prazipitie- rung gab, hingegen nieht mit dem des Neugeborenen. Erst wenn das neu- geboreue Kalb an dem Eut, er getrunken hatte, gab sein Blutserum einen Niederschlag mit dem Kolostrumantiserum. L a n g e r schloss daraus, dass im Kolostrum Antigene sind, die aus dem Blute stammen, die aber das neu- geborene Individumn erst durch die Siiugung aufnimmt. B a u e r e i s e n hat aber gezeigt, dass Neugeborenenserum in derselben Weise wie miitterliches Serum prazipitiert wird, wenn man beide Sera auf den g]eiehen Eiweissgehalt bringt. Neugeborenenserum resp. Nabelschnurserum ist an sich viel eiweiss- armer als Erwachsenenserum.

Auch B a u e r hat gefunden, dass Nabe]schnurserum mit Kolostrum- antiserum reagiert, wenn auch viel schwiicher als mfitterliches Serum. Diese Differenz ist wohl auf die quantitativen Unterschiede, auf die B a u e r e i s e n aufmerksam machte, zurfickzufiihren. Es ist aber dennoch auch eine q u a l i t a t i v e Differenz zwischeu den Molkenproteinen der Milch und des Blutserums der Mutter einerseits und denen des fSta]en und Neugeborenenserums andererseits vorhanden. Antiseren gegen die Ei- weissstoffe der Frauenmilchmolke geben, nach den Untersuchungen, die B a u e r mittelst der Komplementablenkung anstellte, eine Reaktion mit Erwachsenenblutserum, nieht abet mit dem des l~eugeborenen. Erst wenn das Kind einige Tage alt war, gab es eine positive Reaktion. Diese Unter- suchungen wurden mit der optimaten Antiserummenge vorgenommen, die einen hohen Grad yon Spezifiti~t bedingt. Es ergaben sich Differenzen zwischen dem Blute des F5tus und Neugeborenen einerseits und dem des Kindes und Erwachsenen auf der anderen Seite, die nicht durch die quantitativen Unter-

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Die Biologic des Kolostrums. 109

schiede im Eiweissgehalt der versehiedenen Sera zu erklaren sin& Beim Rinde waren quantitative Differenzen vorhanden, indem alas F6talserum nur schwach mit dem Molkenproteinantiserum reagierte, das Neugeborenenblut schon starker, das des Erwachsenen erst stark.

Aber aueh diese Differenzen waren starker als es dem Unterschied der Sera im Eiweissgehalt entspraeh. Es ist also sehr wahrscheinlich, class ge- wisse Proteinstoffe des Blutes der Sauger erst im extrauterinen Leben er- worben werden, resp. dass ein Tell der Proteine des Blutserums nicht mit dem Molkenprotein derselben Art biologiseh gleiehzustellen ist. B a u e r nimmt an, dass hier ontogenetische Differenzierungen zum Ausdruek kommen, die der phylogenetischen Differenzierung der Eiweisskarper entsprechen.

Im allgemeinen aber seheinen in biologischer Hinsicht nach B a u e r nnd B a u e r e i s e n Laktalbumin und -globulin mit Serumalbumin und -globulin identisch zu sein. Demgem£ss finder man auch keine biologischen Diffe- renzen zwischen den Molkenproteinen der Milch und den aus dem Blute stam- menden Albumingtobulinen des Kolostrums. Daffir spricht folgende Tabelle B a u e r e i s e n s , die sich auf Resultate der Pri~zipitinmethode grfindet:

Protein-

Antiserum

Kolostrmn

Molkenproteine

Kasein

n~atterl. Serum

1: naeh t[ naeh naeh

15 2 il 15 I 2 15 I 2

+ + + 4-.

L£ ÷

t o ÷ ÷

Es bedeutet -4- ~ positive Priizipitierung. X ~ Spuren einer Reaktion. 0 -~ Ausbleiben der Reaktion.

1 : 1000 nach

151 2

÷

+I o

1 : 1500 [ ~aeh

15 2 tIM in, _§td

4- ÷ 0 0 +

1:2000 1:5000 l naeh nach ~I5 ' 2 15 2 Iiin.! Std Iin.! Std

÷ + ÷ +

0 0 0

~- x ~-

1 : 10000 nach

SM.

x ÷ x ÷ o o

o o

Die Verdfinnungsgrade dieser Tabelle beziehen sieh auf Ausgangs- ]6sungen, die in jedem Falle einen Eiweissgehalt yon 1,5°/o haben.

Ganz entsprechende Resultate batten vorher B a u e r und K o l l m e y e r mit der Komplementablenkung gefunden.

Von B a u e r und E n g e l ist nun neuerdings erwiesen worden, dass Kolostrumalbumin und -globulin mit den Molkenproteinen tier Sp~tmileh biologisch fibereinstimmen, dass sich welter die Proteine des Blutserums weder yon denen der Molke aus Milch noch aus Kolostrum scheiden lassen. Albumin und Globulin alas Serum, Milch und Kolostrum dersetben Tierart sind also biologisch als identisch zu betrachten.

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110 J. B a u e r ,

B. Andere Antigene des Kolostrums.

Uber etwaige zytotoxische Eigensehaften eines Kolostrumantiserums ist nichts bekannt geworden, obgleieh man wohl vermuten darf, dass eine zellreiche Friihmilch imstande ~st, ein leukotoxinreiches Antiserum zum Beispiel zu liefern.

Durch v. D u n g e r n i s t tibrigens bekannt, dass sogar die gewOhnliche Milch Rezeptoren enthiilt, die zytolytische AutikSrper auslSsen.

Ob hierher eine Beobachtung S i l v a s gehSrt, bleibt fraglich. Dieser Autor besehreibt, dass das Serum einer Ziege, der Kolostrum injiziert wurde, in frischem Zustande die Fettki~rperehen (!) des Kolostrums agglutiniert, wiihrend normates Ziegenserum diese Fahigkeit nieht hat, ebensowenig wie alas Kolostrumantiserum der Ziege gewShnliche Milch agg|utiniert.

(~ber den Ubergang f r e m d e r A n t i g e n e in das Kolostrum ist meines Wissens wenig bekannt. Nach D e l m e r enthiilt das Kolostrum der an Vitularfieber leidenden Kiihe eine toxische Substanz.

Wir dfirfen aber erwarten, dass fremde Antigene, u. a., was yon prakti. seher Bedeutung sein kann, Toxine gerade in die Friihmilch (ibergehen. Diese Autigene kSnnten aus dem Blute iibertreten, denn wir erfuhren bereits, dass eben das Kolostrum reich an arteignen, dem Blute entstammenden Antigenen ist.

Was die t terkunit tier arteignen Kolostralantigene betrifft, so stammt ein Tell, wie gesagt, aus dem Blute, ein anderer, vorzfiglich das Kasein aus der Brustdriise. Die fremden Antigene mfissen selbstverstiindlich mit den Eiweissstoffen des Blutes iibergehen.

III. Die Antikiirper des Kolostrums. Vorwiegend Btutabk(immlinge sind

A. Die Antikiirper des Kolostrums.

Wir wollen zuerst die n o r m a l e n A n t i s t o f f e und spiiter die Immun- kSrper tier Frfihmileh behandeln. Nach L a n g e r kommen in dem Frauen- kolostrum NormaIagglutinine gegen Menschenblut vor. Diese agglutinierende Fiihigkeit des Frauenkolostrums beruht aber wahrscheinlich auf der Tiitigkeit der Leukocyten. Es ist nicht anzunehmen, dass Isoagglutinine im Kolostrum vorhanden sind.

S e h e n k hat ebenfaUs agglutinierende Eigenschaften des Frauen- kolostrums gegeniiber Menschenblut beobachtet. Kolostrum soll nach B ub auch Normalagglutinine gegen verschiedene Bakterien besitzen.

B a u e r und K o p f haben im Kuhkolostrum natfirliche Hamolysine naehgewiesen. Der Nachweis gelang nur in den ersten Tagen der Kolostralzeit.

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Die Biologie des Kolostrums. l l I

~aeh K o n i n g wirkt Biestmilch auf Bakterien toxisch. Aueh in ge- w0hnlicher frischer Kuhmilch verringert sich der Bakteriengehalt in der ersten Zeit naeh dem Melken, abet in Biestmilch besonders stark. Die stark bakterizide Wirkung der Kolostralmilch wird yon S a s s e n h a g e n auf normale Bakterio- lysine zudickgeftihrt. Er kounte den Baweis erbringen, dass auf 56 o C er- hitzte, also des bakteriolytischen Korapleraents beraubte Milch nicht mehr bakterienvernichtend wirkt. Bub, der ebenfalls konstatiert, dass die Bak- terienzahI in der frisch gewonnenen Kolostralrailch in der ersten Zeit nach dem Melken abnimrat, ffihrt diese Tatsache nieht auf eine bakterizide Wirkung des Kolostruras zuriiek. Er ist der Ansicht, dass Normalagglutinine in tier Biestmileh sind, die die Bakterien zusammenballen und ihr Wachstum und ihre Verraehrung einige Zeit hintanhalten. Er begrtindet seine Ansicht damit, dass geschtitteltes Kolostrum keine bakterienverniehtende Kraft besitzt. Dutch das Schtitteln wfirde die Zusaramenballung der Bakterien verhindert und damit k0nnten sie sich ungehindert vermehren. Man muss meines Er- aehtens abet auch daran denken, dass dutch das Schiitteln das Komplement vernichtet wird, ebenso wie durch das Erhitzen in S a s s e u h a g e n s Versuehen, so class also eine bakteriolytische Wirkung infolge Komplementmangels in geschtitteltem Kolostrum nicht mehr zustande komrat.

S c h e r n hat in der Milch euterkranker Tiere antitryptische und lab- hemmende Stoffe gefunden. Es ist wahrseheinlich, dass diese Stoffe, die aus dem Blutserum stamraen, aueh in der Biestmileh vorkommen.

Aueh die I-Iemmungsk0rper, die sich im Btute syphilitischer Mensehe~ finden, die sogenannten AntikOrper der W a s s e r r a a n n s e h e n Reaktion, land B a u e r und spater O. T h o m s e n ira Kolostrum syphilitischer Frauen.

Die AntikSrper fallen bekannttieh mit den Globulinsubstanzen aus orgauischen Fi(issigkeiten aus. Entsprechend dem vermehrten Globulin- gehalt der Frtihraileh finden wit auch eine Vermehrung der Antik0rper im Kolostrum. Beide staramen wohl aus dem Blute.

Was wir hier for die Normalantik(irper feststellten, gilt in gleicher Weise auch ffir die I m m u n k 0 r p e r .

B. Die Immunkiirper des Kolostrums. R(~raer hat den A n t i t o x i n g e h a l t der Milch ira Laufe tier Lakta-

tion bestiramt. Er land in dem Frfihstadium tier Milchproduktion die Milch bedeutend reicher als spater an Antitoxinen. In den ersten Tagen nach der Geburt findet sich ein j~her Absturz ira Antitoxingehalte, der dera langsamen Abnehmen desselben ira Blute, aus dem diese Antistoffe stammen, keineswegs entspricht (s. Abbildung 1).

Auch die I m m u n a g g l u t i n i n e finden sich zahlreicher im Kolostrura als in der Milch. So sah S t a u b l i bei Meersehweinchen, die mit Typhus vorbehandelt waren, in der ersten Kolostralzeit einen st~.rkeren Agglutinin-

Page 9: Die Biologie des Kolostrums (einschliesslich Fermente)

112 J. B a u e r ,

gehalt der Milch als des Blutes. Erst nach einigen Tagen kehrte sich dieses Verhifltnis urn. St~tubl i meint, dass die Brustdrfise bei der Antik6rper- produktion mitwirke, indem er die Annahme einer gonzentration der Anti- stoffe des Blutes in dem Kolostrum zurfickweist. Er nimmt also an, dass nicht alle Immunk6rper der Milch resp. Frfihmilch aus dem Blute stammen, sondern dass die Brustdrtise die Fahigkeit der Antik6rperbildung besitze. S t a u b l i hatte auch Gelegenheit, beim Mcnschen den Gehalt des Kolostrums und der Milch an Agglutininen zu vergleichen. Der Agglutinationstiter yon Blur, Kolostrum und Milch einer W6chnerin, die sieben Monate vor der Geburt Typhus fiberstanden hatte, verhielt sich wie folgt:

Mii~ierliehes Blur Kolostrum resp. Milch

1 Tag nach der Geburt 1 : 200 (1 : 400)

5 . . . . . . . . 1 : 400

4 Wochen . . . . . . 1 : 200

1 : 6400

1 : 400

1 : 400

Einen ganz ~hnlichen Fall haben B a m b e r g und B r u g s c h beschrieben.

IV. Die Komplemente des Kolostrums. Nach B e r t a r e l l i und P f a u n d l e r und M o r o finder sich auch

Komplement, z. B. hi~molytisches, in der Milch. W~ihrend aber in der gew6hnlichen Milch Komplementstoffe nur in geringer Menge vorhanden sind, fiuden sich dieselben nach B a u e r und K o p f in der Kolostralmilch dcr Kuh Tegelmassig und in ausgiebiger Menge. Der fiir das Kolostrmn charakteristi- :sche Komp'Iementgehalt nimmt yon der Geburt an taglich ab und verschwindct etwa in der dritten bis vierten Woche.

Hierfiber orientiert fo]gende Tabelle:

Hiimolvse yon 0,2 ccm 5proz. Meerschweinchen-Erythrozyten durch Menge des 0,~2 ecru inaktives Rinderserum A- l Kolostrum einer Kuh C.

Kolostrums Tag der Untersuchung nach der Geburt in ccm

4 8 12 16

1,0

0,75

0,5

0,25

0,1

0

komplett

s tark

Spur

0

0

komplett komplet~

s tark Spur

massig 0

0 0

0 0

0 0

komplett ~ komplette t tamolyse s tark ~ starke ,, m~ssig =: massige ,, Spur ~ Spur ,, 0 ~ k e i n e ,,

Spur

0

0

0

0

0

Page 10: Die Biologie des Kolostrums (einschliesslich Fermente)

Die Biologie des Kolostrums. 113

D a nun d ie h i i m o l y t i s e h e Fi~higkei t de r K o l o s t r a h n i l c h g e e i g n e t ist,

z u m N a c h w e i s d e s K o l o s t r a l e h a r a k t e r s e i n e r M i l c h zu d ienen ,

e b e n s o wie J. B a u e r u n d S a s s e n h a g e n d ie h i m o l y t i s e h e P r o b e zur E r k e n n u n g

d e r M a s t i t i s m i l e h b e n u t z t h a b e n , sei im f o l g e n d e n die M e t h o d s des N a c h -

weises sk i zz i e r t : Wir ftillen in 6 Reagenzgliser 1 , 0 -

0,75 - - 0,5 - - 0,25 - - 0,15 - - 0 ccm der zu unter suchenden Milch, nachdem wir den Rahm derselben durch Zentrifugieren entfernt haben. Darauf wird jedes R6hrchen auf die Htihe des ersten, also 1 cam, mit phys. Kochsal~- 15sung aufgef~iltt. Jetzt komm~ in jedes Glas 0,2 ccm Rinderserum, das vorher im Wasser- bad 1/~ Stunde lang auf 55 o erhitzt worden ist. Zum Schluss setz~ man jedem Gtiischen 1 ecru einer lt)roz. Aufschwemmung yon Meer- schweinchen- oder Kaninehenerytrozyten zu. Nan stelit die Rshrchenreihe in den Brut- schrank yon 37 °. Nach 2 Stunden entfernt man sie and bringt sie ffir einige Stunden oder tiber Naeht an einen kiihlen Oft resp. in einen Eisschrank. ttandelt es sich um Kolostrum oder kranke Milch, so sind die BiutkSrperchen tier ersten fiinf RShrchen gelSst, d. h. die Milch is~ rot. Ist der KomplementgehaIt der Milch nur gering, so sind ev. nut das oder die ersbn RShrehen ger6tet. Das letzte RShrchen zeig~, dass ohne Milch keine BlutlSsung eintritt.

Zweckm~ssig stell~ man noeh 2 KontrolI- reihen an. Die erste unterscheidet sich im Inhal~

t9ol MaY J ~ Juh

so ~ . . . . .

\

\ \

20

Abb. 1 nach RSmsr .

Die linierte Kurve demonsiriert den Antibxin- gehalt des Blutes einer immunisierten Stute sofort nach einer Geburt, die gestrichelte Kurve den Antitoxingehalt der Stutenmilch

zu gleicher Zeit.

yon der geschilderten nur insofern, als die Untersuchungsmilch vorher ~/~ Stunde im Wasserbad auf 55 o erhitzt worden ist. Auch die zweite Kontrollreihe wird wie die geschilderte angeleg~, doch nimmt man normale Milch statt tier zu untersuchenden. Die erste Kontrollreihe beweist, class es sich um Komplemen~h~molyse handelg, die zweib zeigt, class wir ein brauchbares Rinderserum und die rich~ige Versuehsanordnung haben, so dass nieht etwa die geringen Kom- plementmengen, die in Normalmitch sich befinden, zur Rotfirbung fiihren. Beide Kontrollreihen mfissen natiirlich ,,weiss" bleiben.

N i e h t a l l e in h~tmolyt isehes , s o n d e r n a u e h b a k t e r i o l y t i s e h e s K o m p l e m e n t

s c h e i n t n a e h S a s s e n h a g e n in d e r F r i i h m i t e h v o r z u k o m m e n . A u e h K o n i n g

s p r i c h t de r B ie s tmi t ch e ine s t a rk ,~toxisehe" W i r k u n g auf d ie K o l i b a k t e r i e n zu,

d i e a u f b a k t e r i z i d e r W i r k u n g , a lso d e r A n w e s e n h e i t y o n A m b o z e p t o r u n d

K o m p l e m e n t , b e r u h e n soil. K o l f f u n d N o e g g e r a t h h a b e n i m F r a u e n -

m i l c h k o l o s t r u m w e d e r h~imotyt isehes noch b a k t e r i o t y t i s c h e s K o m p l e m e n t in

b e t r a e h t l i c h e r M e n g e g e f u n d e n .

V. Die Fermente des Kolostrums. F e r m e n t ~ k o m m e n i m K o l o s t r u m ebenso wie in de r S p ~ t m i l c h vor,

z u m Te i l s o g a r in r e i c h e r e r M e n g e im K o l o s t r u m . Al le Ze l l en e n t h a l t e n

A s h e r - S p i r o . grgebnisse tier Physioh)gie. XI. Jahrg~ng. 8

Page 11: Die Biologie des Kolostrums (einschliesslich Fermente)

114 J. B a u e r ,

Ferments. Da nun die Friihmilch besonders zellreich ist, so erkl~rt sich schon hieraus ihr Fermentreichtum ohne weiteres. Andererseits miissen wir aber beachten, dass Ktirperfifissigkeiten, insbesondere das Blutserum, auch Stoffe enthi~lt, die der Fermentwirkung hinder]ich sind. Man nennt diese Stoffe geradezu Antifermente. Wir haben nun sehon festgeste]lt, dass in die Kolostralmilch Eiweissstoffe des Blutserums (ibergehen. Da nun die Anti- fermente an die Eiweissstoffe des Serums gebunden sind, so kommen also auch antifermentative Substanzen in der Friihmilch vor. Tatsaehlich nimmt man auch an, class diese Stoffe die Wirkung mancher Ferments aufheben und dadureh deren Nachweis im Kolostrum ersehweren oder gar unm(~glich machen.

Ein weiterer Umstand, tier das Stadium der Kolostralfermente ebenso wie das der Milchfermente erschwert, ist der, dass man nur schwer ganz sterile :Milch gewinnen kann. Wendet man zur Sterilisierung Antiseptika oder Hitze an, so zerst(ir~ man auch die Ferments. Die Gewinnung einer keimfreien Milch durch Entleerung der Milch ist deshalb sehr schwierig, weft schon in den Milchgangen Bakterien vorhanden sin& Es werden daher leieht Ferment- wirkungen der Milch vorget'~useht, die gar nicht origin~r der Milch, sondern den Bakteriea derselben zukommen.

Das eifrige Studium der Milchenzyme knfipft an die Zeit an, da man glaubte, die Ferments der arteigcnen Milch seien zum Wohle des gesaugten Individuums besonders wertvoll. AuffalIigerweise hat man nicht die Konse- quenz gezogen und mit demselben Eifer die Ferments des Kolostrums er- forscht, obgleich dieses doch die natfir]iehe Nahrung ftir das Junge im un- fertigsten Stadium, nach der Geburt, ist. Trotzdem wissen wir sine Reihe yon Tatsaehen fiber das Vorkommen yon Enzymen in der Frfihmilch.

A. K o h l e h y d r a t - , e iwe i s s - und f e t t a n g r e i f e n d e Enzyme .

Das am li~ngsten bekannte Milchfcrment ist die 1. D i a s t a s e, der die Aufgabe zukommt, Sti~rke in Zucker umzuwandeln.

Dieses Ferment kommt in allen mSglichen tierischen Fifissigkciten vor und wurde auch in der Milch gefunden. Im Ko]ostrum kommt nun die Diastase besonders reichlich vor. Dieser Befund wurde yon K o n i n g erhoben, der mit einer Methode arbeitete, die sine quantitative Bestimmung erlaubte. Die

Methods sei daher angeffihrt:

In einige ReagierrShrchen werden je 10 ccm Milch gebracht. In das erste RShrchen wird nun mittelst einer Pipette 1 Tropfen einer lproz. LSsung yon 15slichem Amylum gebracht, in das zweite RCihrchen 2 Tropfen, in das dritte RShrchen 3 Tropfen usw. Dann werden die RShrchen geschiittelt. Nach Verlauf yon 30 Minuten ftigt man jedem RShrchen 1 ccm einer JodlSsung (Jod 1, Jodkalium 2, Wasser 300) zu; sodann schfittelt man urn, worauf man un- mittelbar die F~rbnng wahrnimmt. Ist diese zitronengelb, so ist alles Sti~rkemehl umgesetzt; ist sic gelbgrau, so entbalt die Mischung noch sine Spur Stiirkemehl. Wenn 3 Tropfen der AmylumlSsung durch Jod noch enbfi~rbt werden, dann zersetzen 100 ecru Milch innerhalb b2 Stunde 0.015 g 15sliches Amyhm. Bei normaler Kuhmilch ist das der Fall. K o n i n g sagt dann: D (diastat:ische Intensitat) ~--- 0,015. B e i B i e s t m i l c h l i e g t n u n D s t e t s h S h e r .

Page 12: Die Biologie des Kolostrums (einschliesslich Fermente)

Die Biologie des Kolostrums. 115

2. Ausser Kohlehydrat zersetzenden Fermenten sind auch Fett- und Ei- weisstoffe angreifende Enzyme in der Milch beschrieben worden. Von dem speziellen Verhalten lipolytiseher Fermente in dem Kolostrum ist nichts be- kannt. Nut G i l l e t gibt an, dass die Monobutyrinase, d. i. ein Monobutyrin zerlegendes Enzym, im Frauenkolostrum in geringerem Grade als in der Frauenmilch vorhanden sei.

3. Wiihrend wir fiber die Herkunft der meisten Milchfermente im Zweifel sind, ob sit aus verunreinigenden Bakterien stammen oder ob es sieh um originare Fermente der Milch, dem Blute oder der Milchdr~ise entstammend, handelt, sehen wir in bezug auf ein Ferment klar. Das proteolytische Leuko- zytenferment kommt speziell in dem K o l o s t r u m vor. Merkwiirdigerweise wurde es nur im Frauen-, nicht im Kuhkolostrum gefunden.

Nach J o c h m a n n und Ed. Mfi 11 e r ist es in den KolostrumkSrperchen enthalten. Diese Autoren halten das Vorkommen des proteolytischen Leuko- zytenferments Eir einen Beweis tier Ansicht, class d ie K o l o s t r u m k S r p e r - c h e n A b k ( i m m ] i n g e w e i s s e r B l u t z e l l e n sind. Dieses Ferment zeigt sich aueh sehon irn ]etzten 5[onat der Schwangerschaft und ebenso nach dem Abstillen in der Frauenmilch, also immer dann, wenn die Frauenmilch Kolostral- charakter besitzt. I~ach J o e h m a n n und Mfi l le r ist seine Aufgabe, die Ei- weissstoffe der stagnierenden Milch abzubauen, um sie der Resorption zu- g~nglich zu maehen.

Auch V a n d e v e l d e hat auf das proteolytische Euzym hingewiesen.

B. 0xydierende und reduzierende Fermente.

1. Richtige O x y d a s e n , d. h. Fermente, die den Sauerstoff der Luft auf oxydable K0rper fibertragen, kommen wohI in der Milch nicht vor. Wenigstens sind die Resultate in diesel' Beziehung sehr widersprechend. Anders die Enzyme, welehe bei Gegenwart yon H~O~ Oxydationen verursachen. Die sogenannten i n d i r e k t e n O x y d a s e n (Peroxydasen). Sie geben z. B. mit Guajakharz und H20 u eine B]auf~rbung. Die indirekte Oxydase finder sich in einigen Milchsorten, in anderen nicht. Folgt man den Beobachtungen yon R a u d n i t z und Dup ouy , so sind die K_aseinmilchen im Besitze dieser Oxy- dase, die Albuminmilehen night. Auch in Frauenmileh fehlt nach M a rf a n die Peroxydase. Sie ist aberim Kolostrum der Frauenmileh von ihm gefunden worden. Ch. G i l l e t hat sie in Kuhmilch regelm~ssig gefunden, in Frauenmileh nur manchmal. Es stellte sich heraus, dass die oxydierende Wirkung der Frauen- milch an den Gehalt yon polynukIearen Leukozyten gebunden ist. Gi l l e t fand daher die Oxydase stets bei Anwesenheit yon Kolostrumk0rperchen in der Frauenmilch. War die Oxydasereaktion der Frauenmileh positiv, ohne dass Kolostrumk0rper gefnnden wurden, so konnte Gille~ das als untrfig- liches Zeichen da~fir nehmen, class die Milch zum Kolostralzustand zurfick-

8*

Page 13: Die Biologie des Kolostrums (einschliesslich Fermente)

116 g. B a u e r ,

kehrt, und dass nach einiger Zeit Kolostrumzellen in dieser Milch auftreten werden. Diese Reaktion ist also yon ausserordentlicher Feinheit. Beim Auf- hSren des Stillens fand sich also in der Frauenmilch Oxydase-Reaktion. In diesem Stadium erh~tt die Milch wieder Kolostraleharakter. M a r f a n glaubt die oxydierende T~tigkeit ebenfa]Is an die Leukozyten des Frauenkotostrums gebunden, Schon vor den Franzosen land I £ a u d n i t z die indirekte Oxydase (Globutinoxydase) in Kuh-, Ziegen- and Schafmilch, nicht aber in der Milch Yon Mensch, Pferd, EseI, Huud und Kaninchen. Hingegen war sic reichlich im Kolostrmn von Mensch and Hand vorhanden. O. J e n s e n s und R u l l - m a n n s Befunde decken sich mit diesen.

Die bekannteste Peroxydase-Reaktion ist die S to r ch sche Reaktion. Sic beruht darauf, dass Kuhmilch sich beim Zusatz yon Paraphenylendiamin und etwas H202 blau farbt. Da nun Kuhmilch, die einmal auf 80 o C oder hSher erhitzt war, diese Blauf~rbung nicht zeigt, so wird diese Reaktion zum Nach- weise, oh Milch gekocht war, benutzt. K o n i n g will die Paraphenylendiamin- Reaktion nicht mit der Guajakharzreaktion gleicbgestellt wissen, weft einige Biestmilchproben die Para-Reaktion geben, abet bei der Guajakreaktion versagen.

2. Auch ein Ferment, das t-I~O a in Wasser und Sauerstofi zerlegt, nach L o e w K a t a l a s e , nach R a u d n i t z Superoxydase genannt, l~ommt in der Milch vor. Katalase finder rich nun besonders reichlich im golostrum. Natur- gem~iss lasst sich das reichlichere Vorkommen eines Fermenter nur durch quantitative Methoden erweisen. Wir k0nnen uns daher auch auf die Arbeiten, die quantitative Methoden zur GrundIage haben, beschranken.

C. J. K o n i n g wandte 2 Methoden zur gata lasebest immung der Milch an. Die erste davon ist die , jodometrische". Sie beruht auf der quanti tat iven Bestimmung her Menge H~0,2, die durch das Enzym zersetzt w~rh.

Die Methode wird nach K o n i n g folgendermassen ausgefahr t : In eine Flasche mit flachem Boden, welche 250--300 ccm fasst, br ingt man 5 ccm Milch, ffigt 5 ccm H202 (1%) and 3 Tropfen starkes HC1 zu, l~sst 2 Stunden lang einwirken, fiigt 10 ccm ttCI (starkes) and 10 ccm KJ (10%) zu, l~sst das Ganze 15 Minuten stehen and setzt sodann 100 csm tt20 and e?~was l~isliches Amylum als ]ndikator zu. Hernach tRriert man mi~ 1/~oN.-Thiosuitat. Die Anzahl der ccm ThiosulfatlSsuag ~ A.

In eine zweite Flasche bring~ man ebe~falis 5 ccm Milch and 5 ccm H~O~, Iasst hies 2 Standen einwirken and fiigt dann 10 ccm HCI-~ 10 ccm K:[ zu, lasst auch dieses 15 Min. s tehen and behandel~ dasselbe dann welter wie oben augegeben. Die Anzahl der ccm Thiosutfa~- ]Ssung ---- B.

Unter der Katalasezahl (K) vers teht K o n i n g nun die Quan~iti~ H~O2, die darch I00 g Milch inaerhalb 2 Stunden zersetz~ wird. Diese Zahl wird in folgender Vv~eise gefunden:

K ~ (A--B) . 0,0017.20 K = (A-- B). 0,034.

Die z w e i ~ e Methode K o n i n g s is~ die gasomeirische. Hierbei wird die Menge O be- stimmt, die sich bei der katalyt ischen Zersetzung aus HsOs bildet. Sie is~ schneller and be- queraer Ms die erste. Man braucht zu ihrer Ausftihrung ein GarrShrchen, wie es zur Zucker- best immung im Urin benutzt wird. Man bringt in das Riihrchen eine Misehung yon 5 ecru l°/oiger H~Os-L(isung und 15 ccm Milch. Nach ¥e r l au f yon 2- -24 Stunden liest man das Gas- Yolumen ab, und zwar in mm an dem gesehlcssenen Schenkel des RShrchens. So land er in der BiesLperiode einer Kuh folgende Zahlem

Page 14: Die Biologie des Kolostrums (einschliesslich Fermente)

Die Biolo~e des Kolostrums. 117

Tage nach dem Partus

0 1 2

3 4

5 6

7

8 9

10 11

12 13 14 15 16 17

18 19 20

21

Kalalasezahl in der Biestperiode ei~er Kuh 2

nach 2 Stunden

68 20 22 11 14 2'2

t3 43

20 31 18

2t 16 '~3 33 21

8 8

14 15 14

10

nach 24~ Stunden

75 50 41 22 32 33

46 49 39 36 27 32

34 47 65

29 13 16 28 19 30 2O

Es ist bier za bemerken, dass auch durch den Bakteriengehalt der Milch

die Katalasezahl erhSht wird. Ich bin auf die Technik dieser Fermentreakt ion

genauer eingegangen, weil K o n i n g auf sie gerad~zu eine , E u z y m m e t h o d e '~

aufgebaut hat, die dazu dient, Biestmilch und pathologische Milch zu erkennen.

Ebenfalls auf der Messung des bei der Katalyse entwickelten Sauerstoffs

liegt die Bes t immung des Katatasemittels des W a t t o n schen Schfittelapparates

(siehe v. d. V e l d e n ) . Um den Unterschied zwischen dem Katalasegehalt

der Kolostralmilch und der spi~teren Milch der F rau zu charakterisieren, sei

folgende Tabetle v. d. V e 1 d e n s angeffihrt :

WSchnerin 1 ~. Tag nach der G e b u r t Katalasezahll)

lII. 32,0 IV. 36,0 V. 13,0

VI. 1,0 VII. !,2

VIII. 3,8 IX. 1,7

1) Die Zahlen bedeuten die in l0 l~Iinuten entwickelten ccm O~ aus 5 ccm Milch und 0,5 ccm H202 (30 °/o) bei 370 C.

Page 15: Die Biologie des Kolostrums (einschliesslich Fermente)

118 J. B a u e r ,

Der Katalasegehalt der Milch wird sehr durch die Bakterienmenge in der Milch beeinflusst. Naeh S e l i g m a n n ist es noeh nicht entschieden, ob nicht die Bakterien allein das katalysierende Prinzip der Milch sind. Nach K o n i n g und v. d. V e l d e n finder sich sicher ein Ferment in der katalytischen bakterienfreien Milch.

3. Ebenso tobt noch der Streit, ob die r e d u z i e r e n d e F~higkeit der Milch auf die Tiitigkeit originarer Mflchfermente oder auf Bakterientiitigkeit beruht. S e l i g m a n n ver~ritt den letzteren Standpunkt. Die meisten Forscher aber ( N e i s s e r , S m i d t , B r a n d , T r o m m s d o r f f , K o n i n g e t c . ) nehmen an, dass die sogenannte S c h a r d in ge r sche Reaktion auf der Tatigkeit eines Milch- ferments beruht, die durch Bakterienwirkung in alter Milch allerdings ver- st~trkt wird. Die S c h a rd i n g e r sehe Reaktion beruht darauf, dass F o r m a li n- M e t h y l e n b l a u yon Milch entf~irbt wird. Sie wurde yon S c h a r d i n g e r ur- sprfinglich angegeben, um Rohmilch von gekochter zu unterscheiden. AlIe Autoren sind darfiber einig, dass die Reduktion des M e t h y l e n b l a u s in seine Leukobasen durch Bakterien allein bewirkt wird. Wir wollen die Formalin- Methylenblau-Reaktion (S c h a r d i n g e r sehe Reaktion) kurz FM-Reaktion, die Methylenblau-Reaktion einfach M-Reaktion nennen. Letztere ist eine Bakterien- reaktion und ist yon der Keimzahl der Milch abh~ngig. Sie l~sst sich am besten nach einer yon P. Th. M t t l l e r angegebenen Weise quantitativ be- werkstelligen und sagt dann fiber den Keimgehalt der Milch aus.

Die Methode ist die folgende: Man stell~ sich das N e i s s e r - W e c h s b e r g s c h e Reagens her ."

1,0 Methylenblau, 20,0 Alcohol. abs., 29,0 Aqu. dest. Von dieser StammlSsung wird vor jedem Versueh eine Verdtinnung yon 1"100 mi~

dest. Wasser hergestellt. Denn fiigt man zu 2 ccm der zu entersuchenden Milch 0~2 ccm dieser Yerdiinnung. Die Mischung wird schnell geschfittelt und mit Paraffinum liquidum tiber- schichtet. Das Reagenzglas kommt dann in den Brutschrank yon 37 o C. Beobachtet man nun, wann eine ~¥eissfiirbang der blaugef/irbten Milch eintritt, so ergibt sich, dass frische normale Kuhmilch 18 Stunden z)ar Entf/irbung brauch~.

Keimreiche Milch entf/~rbt schneller. Auch keimreiehes Kolostrum wird eine stiirkere M-Reaktion geben als keimarmes. Immerhin hat S a s s e n- h a g e n gefunden, dass h i i u f i g Kuhkolostrum der allerersten Tage eine be- schleunigte M-Reaktion gibt. Das liegt manchmal am Sahnegehalt des Kolo- strums. Da die Bakterien gr~sstenteils in tier Sahneschieht sitzen, so kann bei tiberm~ssig fettreichem Kolostrum eine gewisse Menge desselben eine hShere M-Zahl geben Ms die gleiche Menge fettarmen Kolostrums. Aber selbst bei gleichem Fettgehatt land S a s s e n h a g en eine verstiirkte M-Reaktion in den ersten Tagen tier Kolostralzeit. Diese beruht sehr wahrscheinlich auf dem Zellreiehtum des Kolostrums. So land auch Tr o m m s d o r f f M nicht bei keimfrei gewonnener Milch, wohl aber im Stagnationskolostrum. H e c h t land, dass Frauenkolostrum besser als Frauenmilch reduzierte.

Anders die FM-Reaktion. Sie beruht wohl bei frischer keimarmer Milch auf origin~irer Fermentt~ftigkeit. Diese R e d u k t a s e reaktion finder sich nun

Page 16: Die Biologie des Kolostrums (einschliesslich Fermente)

Die Biologic des Kolostrums. 119

im Kuhkolostrum im Gegensatz zur Kuhmilch tiberhaupt nieht oder nur sehr schwach. DieserBefund K o n i n g s w u r d e v o n S c h e r n u n d S a s s e n h a g e n best~tigt. S a s s e n h a g e n konnte jedoch zeigen, dass die obere fettreiche Sehicht des Kuhkolostrums wohl eine FM-Reaktion gibt. Wir miissen es daher ffir wahrscheinlich halten, dass auch in tier Kolostralmilch Reduktase vorhanden ist, dass aber ihre Wirksamkeit durch hemmende Stoffe verdeckt wird. Als soIche kommen vielleicht die ,,10slichen ~ Eiweissstoffe des Kolo- strums in Betracht. In ~ihulicher Weise aussert sieh Seh e r n fiber die FM- Reduktion der Kolostralmilch der Kuh. W~ihrend der Drueklegung dieses Bandes erschien eine Arbeit von R e i n h a r d t u n d S e i b o 1 d : ,,Das Verhalten der Sc h a r d in ge r schen Reaktion gegenfiber Kolostralmilch von Kfihen" (Biochem. Zeitsehr. 31, 294). Diese Autoren best~itigen im wesentlichen die Befunde S a s s e n h a g e n s .

Man ffihr~ die FM-Reaktion mittelst des S c h a r d i n g e r s c h e n Reagens aus. Dasselbe besteht aus:

5 ccm gesai~t, alkohol. MethylenblaulSsung, 5 ccm Formaldehyd, 190 ccm Aqu. dest. Man gibt zu 2 ecru Milch 0,1 ecru dieses Reagens, iiberschichtet das Gemisch mit

Parafilnum liquidum und stellt es ins Wasserbad. S c h a r d i n g e r gibt an, dass frische Milch, der man 1/20 dieses Reagens zusetzt, im-

stande ist, dasselbe bei 40 ° i m Lauf yon 10 Minuten zu entflirben. B r a n d zeigte, dass das Optimum dieser Reduktion bei 70 0 liegt. Hier entf~lrbt frische Milch schon in 2--3 Min. Kolostrum gibL meistens eine negative oder verz6ger~e Reaktion.

Wir sehen also, dass die Kolostralmilch eine Anzahl Fermente in reich- licherer, andere in geringerer Menge enthalt als die Milch. Wir erw~ihnten schon, dass K o n i n g seine Enzymmethode f~lr geeignet hNt, die Biestperiode der K~ihe zu erkennen, indem in dieser Periode die Werte ft~r den Katalase- den Diastase- und Reduktasegehalt der Milch yon der Norm abweichen. Katalase- und Diastasezahl sind erhSht, die Reduktase (FM) ist im allge- meinen vermindert oder nieht nachweisbar.

Wit haben also bereits zwei auf den biologischen Eigenschaften des Kolostrums beruhende Methoden kennen gelernt, um den Kolostralcharakter einer Kuhmilch festzustellen, K o n i n g s Enzymmethode und die h~imolytische Probe nach B a u e r und S a s s e n h a g e n .

Das Feststellen des Kolostralzustandes einer Kuhmilch ist in der tier~irzt- lichen f o r e n s i s c h e n Praxis yon Bedeutung. Hier handelt es sich h~iufig darum, nachzuweisen, ob eine Kuh ,frischmilchend ~ ist. Liefert die Kuh Kolostrum, so ist sie wit grosser Wahrscheinlichkeit eine frischmilehende Kuh.

Wenn wir auch fiber den p h y s i o l o g i s c h e n Weft der biologischen Eigen- t(imlichkeiten des Kolostrums noch nicht durchaus klar sehen, so liegt zum mindesten die Annahme nahe, dass die Einverleibung tier Immunk0rper, tier Schutzstoffe und Fermente mit der Kolostrummilch dem neugeborenen Indi- viduum zugute kommt.

Page 17: Die Biologie des Kolostrums (einschliesslich Fermente)

120 J. B a u e r , Die Biologie des Kolostrums.

Es kommt hinzu, dass uns yon dem neugeborenen Menschen wenigstens bekannt ist, dass sein Gedeihen auch yon kurzdauernder Ern~hrung an der mfitterlichen Brus~ gfinstig beeinflusst wird. Man hat daraus geschlossen, dass gerade die Zufuhr des Kolostrunqs in den ersten Tagen nach der Ge- burt yon wesentlieher Bedeutung ffir den Neugeborenen ist. R 5 m e r ins- besondere weist noch darauf hin, dass in den ersten Tagen nach der Geburt der Darm des Neugeborenen f(ir Immunstoffe durchgangig sei. Wahrend also beim Erwachsenen die Eiweissstoffe im Darmtraktus abgebaut und da- mit die Schutzstoffe zerstSrt werden, gehen sie beim Neugeborenen durch die Darmwand hindurch. Sie gehen also damit wahrscheinlich in genuinem Zu- stande in den Saftestrom des Neugeborenen fiber.

Ffir die Physiologie der Laktation k/3nnen hSchstens die F e rm e n t e yon Bedeutung sein. Wir finden immer dann Ko]ostrumcharakter der Milch, wenn eine Stauung de r Milchproduktion stattfindet. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Fermente des Kolostrums am A b b a u d e r M i l c h b e s t a n d t e i l e beteiligt sind, um diese der Resorption zuzuffihren.