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II, Teil. Die chemischen und energetischen Verh~iltnisse bei der Muskelarbeit. Von Otto Meyerhof-Kiel. Inhaltsverzeichnis. Seitc Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-08 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3~9 Kap. 1. Historische Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3~9 K~p, 2. Die chemischen Vorg~nge im Muskel . . . . . . . . . . . . . . . 331 A. In der Ruho . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 B. Die chemisehen Vorg~nge boi der T~tigkeit des Muskels . . . . . . . 332 Formuliemng der chemischen Umsetzungen . . . . . . . . . . . . 334 1. Koppelung der Oxydationsre~ktion . . . . . . . . . . . . . . 335 9. VerhMtnis der oxydierten zur verschwundenen Milchs~ure . . . . . 335 3. Intermedi~re Bildung der Hexosephosphorsaure . . . . . . . . . 335 K~p, 3, Die W~rmebildung im Zusammenhang mit den chemischen Vorg'~ngen . 336 A. Die anaerobe Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Spaltungswarme des Glykogens . . . . . . . . . . . . . . . . 336 KalorJscher Quotient der Milehsaure . . . . . . . . . . . . . . . 336 Di~sozi~tionsw~rme yon Aminosauren und Eiweiss . . . . . . . . . 337 1. Chemischo Vorgange bei der Erschl~ffang . . . . . . . . . . . . 338 2. Ermiidungsmaximum und AlkMiprotein . . . . . . . . . . . . 338 H-Ion und Kontraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 Milehs~ure und mechanische Leistung . . . . . . . . . . . . . . 340 B. Oxydative Phase . . . . . . . . . . . - . . . . . . . . . . . 342 Nutzeffekt des Erholungsvorganges . . . . . . . . . . . . . . . 342 Stellung der Phosphorsaure . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 Kap. 4. Schlussbetr~chtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 Vorbemerkung. Der Bitte von Herrn Prof. Hill, sein Referat durch eine Darstellung meiner eigenen chemischen und energetischen Untersuchungen zur Muskel- kontraktion zu erganzen, entspreche ich gerne, weil die Vergleichung unserer Resultate zu oinem in allen wesentlichen Zfigen fibereinstimmenden und ge- schlossenen Bild von den Vorg~ngen bei der Muskeltatigkeit ffihrt. Nirgends ergeben sich nach unserem Eindruck Widersprfiche zwischen den dutch ganz verschiedene Methoden erhobenen Befunden und hSchstens die Deutung mancher Einzelheiten kann noch strittig sein. Im folgenden sell nicht ein

Die chemischen und energetischen Verhältnisse bei der Muskelarbeit

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Page 1: Die chemischen und energetischen Verhältnisse bei der Muskelarbeit

II, Teil.

Die chemischen und energetischen Verh~iltnisse bei der Muskelarbeit.

Von Ot to Meyerhof-Kiel .

I n h a l t s v e r z e i c h n i s . Seitc

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-08 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3~9 Kap. 1. Historische Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3~9 K~p, 2. Die chemischen Vorg~nge im Muskel . . . . . . . . . . . . . . . 331

A. In der Ruho . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 B. Die chemisehen Vorg~nge boi der T~tigkeit des Muskels . . . . . . . 332

Formuliemng der chemischen Umsetzungen . . . . . . . . . . . . 334 1. Koppelung der Oxydationsre~ktion . . . . . . . . . . . . . . 335 9. VerhMtnis der oxydierten zur verschwundenen Milchs~ure . . . . . 335 3. Intermedi~re Bildung der Hexosephosphorsaure . . . . . . . . . 335

K~p, 3, Die W~rmebildung im Zusammenhang mit den chemischen Vorg'~ngen . 336 A. Die anaerobe Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336

Spaltungswarme des Glykogens . . . . . . . . . . . . . . . . 336 KalorJscher Quotient der Milehsaure . . . . . . . . . . . . . . . 336 Di~sozi~tionsw~rme yon Aminosauren und Eiweiss . . . . . . . . . 337 1. Chemischo Vorgange bei der Erschl~ffang . . . . . . . . . . . . 338 2. Ermiidungsmaximum und AlkMiprotein . . . . . . . . . . . . 338 H-Ion und Kontraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 Milehs~ure und mechanische Leistung . . . . . . . . . . . . . . 340

B. Oxydative Phase . . . . . . . . . . . - . . . . . . . . . . . 342 Nutzeffekt des Erholungsvorganges . . . . . . . . . . . . . . . 342 Stellung der Phosphorsaure . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343

Kap. 4. Schlussbetr~chtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343

Vorbemerkung. Der Bitte von Herrn Prof. Hi l l , sein Referat durch eine Darstellung

meiner eigenen chemischen und energetischen Untersuchungen zur Muskel- kontraktion zu erganzen, entspreche ich gerne, weil die Vergleichung unserer Resultate zu oinem in allen wesentlichen Zfigen fibereinstimmenden und ge- schlossenen Bild von den Vorg~ngen bei der Muskeltatigkeit ffihrt. Nirgends ergeben sich nach unserem Eindruck Widersprfiche zwischen den dutch ganz verschiedene Methoden erhobenen Befunden und hSchstens die Deutung mancher Einzelheiten kann noch strittig sein. Im folgenden sell nicht ein

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Historische Einleitung. 329

vollst,~ndiges Referat meiner Untersuchungen fiber die Energieumwandlunge~ im Muskel gegeben werden, und noch weniger die gesamte vorliegende Lite- ratur fiber diesen Gegenstand behandelt werden, ich beschrfinke reich viel- mehr auf diejenigen Punkte, die im umnittelbaren Zusammenhang mit dem vorliegenden Aufsatz yon Herrn Prof. H i l l stehen.

Meine eigenen Versuehe wurden alle an Muskeln von Rana esculenta ausgeffihrt (his auf wenige am Warmbliiter); entweder an ganzen Hinter- schenkeln oder Gastroknemien.

Die in diesem Abschnitt benutzte Literatur, ausser den vorstehend angefiihrten Arbeiten yon Hartree und Hi l l ist die folgende.

L i t e r a t u r . 1. C a r v a l l o und W e i s s , Journ. de physiol, et pathol, gin. 1. 990. 1899. 2. E m b d e n , G r i e s b a c h und S c h m i t z , Zeitschr. f. physioleg. Chemie. 98. 1. 1914/I5. 3. E m b d e n und L a q u e r , Zeitschr. f. physiolog. Chemie. 98. 181. 1917, 4. D i e s e l b e n , ebenda. 118. 1. 1921. 5. E m b d e n und L a v a c z e k , Bioehem. Zeitschr. 127. 181. 1922. 6. E m e r y und B e n e d i c t , Amer. Journ. Physiol. 28. 307. 1911. 7. F l e t c h e r und H o p k i n s , Joum. of physiol. 85. 247. 1907. 8. F l e t c h e r und B r o w n , ebenda. 48. 177. 1914. 9. H e l m h o l t z , Mt i l l e r s Archly. 1845.

10. H a r t h l e , P f l t i g e r s Archiv. 126. 1. 1909. 11. L e s s e r , Zeitsehr. f. BioIogie. ~6. 467. 1911. 1.2. D e r s e 1 b e, ebenda. 69. 388. 1913. 13. D e r s e l b e , Medizinisehe Klinik Nr. 11. 1912. 14. D e r s e l b e , Biochem. Zeitsehr. 65. 400. 1914. 15. M e y e r h o f , Pfltigers Archiv. 17~. 20. 1919. 16. D e r s e l b e , ebenda. 175. 88. 1919. 17. D e r s e l b e , ebenda. 182. 232. 1920. 18. D e r s e l b e , ebenda. 182. 284. 1920. 19. D e r s e l b e , ebenda. 185. 11. 1920. 20. D e r s e l b e , ebenda. 188. 114. 1921. fill. D e r s e l b e , ebenda. 191. 128. 1921. ~12. D e r s e l b e , ebenda. ]95. 22. 1922. _%. D e r s e l b e , Naturwissenschaften. 8. 696. 1920. 24. D e r s e l b e , ebenda. 9. 193. 1921. '2,'5. D e r s e l b e , Biochem. Zeitsehr. 129. 594:. 192"2. 2~6. D e r s e 1 b e, Unpublizierte Versuche. 27. O s t w a l d , Zeitsehr. f. physikal. Chem. 34. 248. 1900. ~8. P a r n a s , Zentralbl. f. Physiologie. 30. 1. 1915. 29. P a r n a s und W a g n e r , Biochem. Zeitschr. 61. 387. 1914. 30. R o t h , Dissertation yon G i n s b e r g , Braunschweig. 1923. 31. S c h w e n k e r ~ Pfliigers Archiv. 157. 371. 1914. 82. Verz~r , Journ. of physiol. 44. 243. 1912. 33. W ' e i z s a c k e r , Pfliigers Archiv. 147. 187. 1912.

Kapitel 1. Historische Einlei tung. Dass don mechanischen und thermischen Vorgiingen im Muskel chemische

Prozesse als Quelle der Energie zugrunde liegen mfissen, ist bereits eine yon

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330 0 tto Meyerhof, Die chemischen u, energetischen Verh~Itnisse bei der Muskelarbeit.

den Entdeckern des Gesetzes der Erhaltung der Energie gezogene Schluss- folgerung. R o b e r t M a y e r hat den Zusammenhang des Sauerstoffverbrauchs mit der Arbeit ausfiihrlich erSrtert. Besonders merkwfirdig abet ist, dass H e l m h o I t z (9) in einer bisher nur yore biographischen Standpunkt gewfirdigten Arbeit a|s 24j~ihriger Forscher, noch eheer das Euergieprinzip aufgesteltt und die Wi~rme im Muskel gemessen hatte, land, dass nach ermiidender Reizung des ausgeschnittenen Frosehsehenkels die alkohollSslichen Bestandteile auf ~ Kosten der alkoholunliislichen, aber wasserlSslichen, zunehmen. Diese Be- obachtung stand damals zu isoliert um der Forschung ntitzlich zu sein. Sie ist aber vollsttindig zutreffend. Die abnehmende alkoholun]Ssliche Substanz ist n~mlich Glykogen, die entsprechend dafiir auftretende Menge alkohollSslieher Substanz ist Mitehs~ure.

Da die Arbeitsleistung des Muskels letzten Endes auf Kosteu der Oxy- dationsenergie geschieht, andererseits aber auch in Abwesenheit yon Sauer- stoff nnd naeh Blaus~,urevergiftung m6glieh ist, musste der Zusammenhang zwisehen der Oxydationsenergie und der Kontraktion ein indirekter sein. Ein erstes Lieht hierauf fiel dureh die Untersuehungen yon F l e t c h e r und Hop- k ins , die auf anaerobe Reizung des Muskels ein konstantes Auftreten von Milchsfiure beobachteten, die in Sauerstoff langsam versehwand (7). Wiihrend der anaerob gereizte Musket allmfihlieh ermfidet, wird er in Sauerstoff wieder erregbar. In der Erholungszeit nimmt der Muskel, wie P a r n a s (28) und Verz~ar (32) zuerst fanden, eine erhShte Menge Sauerstoff auf. Der Sauer- s t o f f d i e n t a l so u n m i t t e l b a r n i c h t de r A r b e i t s l e i s t u n g se lbs t , s o n d e r n der E r h o l u n g .

Dureh die Untersuehungen yon F l e t c h e r und H o p k i n s waren der Forsehung vor allem zwei Fragen aufgegeben, ni~mlieh naeh dem Ursprung der Milehsfiure in der Anaerobiose und nach ihrem Schieksal in der oxyda- riven Erholung. Beide wurden lange Zeit versehieden beantwortet. Die englisehen Forseher hatten die Tatsaehe festgestellt, dass sieh stets dasselbe Milehs~uremaximum bei der Wiirmestarre ergibt, ob der Muskel friseh in Starre versetzt wird oder naeh anaerober Ermtidung und Milehsiiurean- hi~ufung und jedesmal anschliessender Erholung. Sie schlossen daraus, dass eine begrenzte Menge einer Milehsiiurevorstufe existiert, in die sich bei Sauerstoffzufuhr die Milehs~ure wieder zuriiekverwandelt. Die Oxydation sotlte nieht in einem ehemisehen, sondern nur in einem energetisehen Zu- sammenhang mit dem Milchsiiuresehwund stehen. H i l l , der sieh dieser Auffassung ansehloss, bewies schon zutreffend in seinem vorigen Referat in den ~,Ergebnissen", dass naeh den vorliegenden thermischen Daten die Milch- siiure in der Erholung keineswegs vollstiindig verbrennen kOnnte. Anderer- seits abet glaubte er, aus der ,eerhiiltnism~issig grossen Wiirme, yon der die anaerobe Bildung der Milchsiiure begleitet ist, schliessen zu mtissen, dass die Milehsiiurevorstufe kein Kohlenhydrat ware, sondern ein KOrper yon erheblieh

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Die chomischen Vorgi~nge im MuskeL 331

hSherer Verbrennungswarme. P a r n a s (28, 29) sehliesslich folgerte aus seinen

Messungen der Kohlenhydratbilanz in Vergleich mit Milchs~ureschwund und Sauerstoffverbrauch, dass die Milchsiiure zwar aus Kohlenhydrat stammt, aber fiber ein sich anhaufendes Zwischenprodukt, der eigentlichen Milchsi~urevor- st.ufe, welche se]bst kein Kohlenhydrat sei; und zweitens, dass die anaerob gebildete Milchsaure in tier Erholung restlos verbrennen sollte. E m b d e n (2, 3, 4) endlich land im Muskel eine Hexosediphosphorsi~ure, die er als Milchsiiurevorstufe (Lactacidogen) ansprach. Diese sollte mit der yon F l e t c h e r und H o p k i n s geforderten Vorratssubstanz ftir die anaerobe Milch- sAure identisch sein. Die Rfickverwandlung der im Muskel gebildeten Milch- saure in Zucker sotlte vor allem in der Leber stattfinden.

Kapitel 2. Die chemischen Vorgi inge im MuskeI.

A. In der Ruhe.

Gegentiber diesen widersprechenden und in chemischer und energetischer Beziehung unbefriedigenden Annahmen kann das in Rede stehende Problem jetzt als gel0st angesehen werden. Die in der Anaerobiose gebildete Milch- s~ure stammt vollsti~ndig aus dem Glykogen, auf dem Wege fiber niedere Zuckerverbindungen, vermutlich Hexosediphosphorsiiure. tn der oxydativen Erhohng verbrennt ein TeiL dieser Milehs~ure, oder, was auf dasselbe heraus- kommt, ein Kohlenhydrataquivalent von ihr, wahrend sich der fiberwiegende Tell tier Milehsiiure, nach kompletter Ermtidung etwa 3/~, in Glykogen zuriick- verwandelt. Sowoh] bei der Ermfidung wie Erholung ~ndert sich der Gehalt des Muskels an niederen Kohlenhydraten nur ganz unwesentlich (18, 19).

Ein niiheres Verst~ndnis ffir diese Vorgih~ge gewinnen wir bei Unter- suchung des Stoffwechsels des ruhenden Muskels. Vergleiehen wir Oxyda- tionsgr0sse, Kohlensi~ureproduktion undKohlenhydratschwund ausgeschnittener ruhender Frosehmuskeln bei tiefer Ternperatur in Sauerstoff, so sind sie an- nahernd iiquivalent. Der ausgeschnittene Muskel verbrennt also mindestens vorwiegei~d Kohlenhydrat. Halten wir den Muskel bei gleicher Temperatur unter anaeroben Bedingungen, hi~uft sich Milchsaure an, wiihrend eine ent- sprechende Menge Glykogen schwindet. Die Menge dieser Milchsi~ure i s t stets das Vielfaehe, meist etwa das Dreifache derjenigen, die sich aus dem Sauerstoffverbrauch berechnen wfirde unter der Annahme, dass die Milch- saure ein direktes Zwischenprodukt des Zuckerzerfalls ware. Diese Annahme ist also unzutreffend. Vielmehr verhindert der Sauerstoff die mehrfache Menge am Entstehen v o n d e r , die durch ihn verbrannt werden k0nnte. Bringen wir den Muskel nach la.ngerer Ruheanaerobiose in Sauerstoff zur~ick, so ist jetzt der Sauerstoffverbrauch lange Zeit gesteigert, wi~hrend die Milch- s~ure schwindet. Dabei betragt die Menge des Erholungsauerstoffs nur etwa ~/3 bis 1/a derjenigen, die zur Verbrennung der Milchsi~ure erforderlich ist.

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In der Tat verwandelt sich die nicht verbrannte Milchsiiure in Kohlenhydrat~ vorwiegend in Glykogen zurfick~).

B. Die chemischen Vorg~inge bei der Ti~tigkeit des Muskels.

Die chemischen Vorg~nge bei der Tiitigkeit des Muskets sind mit dene~ in der Ruhe identisch, aber yon stark gesteigerter Intensitat. Arbeitet der 5~uskel in Sauerstoff, so ergibt die chemische Analyse nur eine Steigerung des Sauerstoffverbrauchs, der Kohlensiiureproduktion und des Glykogen- schwundes, wobei hauptsach]ieh die absolute GrSsse und die Geschwindigkeit des Prozesses interessieren. Arbeitet der Muskel anaerob und erholt sich nachtraglich in Sauerstoff, so finden wir die gleiche Zerlegung dieses ge- steigerten Prozesses in zwei Phasen wie bei der Ruheatmung. In der ersteu Phase entsteht Milchs~ture, wiihrend eine entsprechende Menge Glykogen schwindet. In der zweiten Phase, der Restitutions- oder Erholungsphase ver- sehwindet die Milchsi~ure, wobei ein Tell verbrennt, wahrend der gr0ssere Tell, bei totaler Ermfidung etwa 3/~ der ganzen, sich in Glykogen zuriick- verwandelt.

Ehe wir diese Vorgi~nge genauer formulieren und mit der Wi~rme- bildung im Muskei vergleichen, sei auf die folgenden Punkte hingewiesen.

Will man den ersten Fall, Arbeit in Sauerstoff, verwirklichen, so geiingt dies am ausgeschnitteneu Muskel vollsti~ndig, d. h. unter Einhaltung der dem chemischen Prozesse selbst zukommenden Reaktionsgeschwindigkeit nur, wenn der Sauerstoffverbrauch der Kontraktion kein gr5sserer ist als dem Sauerstoff- gehalt der Muskulatur entspricht. Dies ist nur ftir die Reizung mit Einzel-

i) Bei dieser Gelegenheit sei darauf hlngewiesen, dass schon vor Jahren E. J. L e s s e r am ganzen lebenden Frosch ein Schwinden von Glykogen w~hrend der Anaerobiose in der Ruhe~ und eine Synthese desselben w~ihrend der ansehliessenden Erholung in Luft, jedoeh nur in den Sommermonaten, beobaehtet hat (11, 1% Was aus dem Glykogen wird, ist nicht festgestellt. Man kann aber annehmen, dass diese Vorg~nge, mindestens soweit sie yon der Jahreszeit abhangig sind, haupts'~ehlich auf eine Hydrolyse yon Glykogen zu Zucker in der Anaerobiose und anschliessende Kondensation zurtickzufiihren sind~ was der Autor selbst friiher vermutet hat. Auch spielt sieh dieser Prozess wohl in verschiedenen glykogenhaltigen Organen (MuskeI, Leber, Ovarien) ab. Es muss natiirlich ausserdem die Umwandlung Glykogen ~ Milch- s~ure im Muskel des lebenden Tieres ebenso eintreten, wie im isolierten Organ, doch ist aus den Angaben E. J. L e s s e r s nieht zu entnehmen, ob dies einen merklichen Bruchteil der yon ihm beobacbteten Glykogenumwandlung ausmachen kann. Ferner hat L e s s e r such am ganzen Tier eine Steigerung des Sauerstoffverbrauchs nach der Anaerobiose beobachtet~ aber ausser Zusammenhang mit der Synthese des Glykogens (13, 14). Da er wi~hrend des Sauer- stoffabschlusses eine dauernde Abgabe von Kohlenslture beobachtete, so deutete er sie als Produktion von G'~rungskohlens~ture und bezog den gesteigerten Sauerstoffverbraueh in der Erholung auf die Verbrennung gleichzeitig mit der Kohlensaurebildung angeh~tufter Zerfa]ls- produkte. Wir miissen jedoch, wie es zuerst you F l e t c her fiir den ausgeschnittenen Muskel angenommen (7), und yon mir endg'gtltig sieher gestellt wurde (22), zweifellos aueh am ganzen Tier die Kohlens~ureabgabe auf blosse Austreibung dutch Milchsaure zuriickfiihren. Das anaerobe Zerfallprodukt, das sich in gr~sseren Mengen anhi~uft, ist danach a uch im lebenden Tier offenbar ausschliesslich Milchs~ure.

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Die chemischen Vorg~nge im Muskel. 333

schl~gen oder ganz kurzen Tetani, die in langen IntervalIen aufeinanderfolgen, mSglich. In den Versuchen yon Hi l l und H a r t r e e ist diese Bedingung

erffillt und Abbildung 6 stellt z. B. den Gang der chemischen Reaktion, er- kennbar an dem Verlauf der W~irmebildung, unter diesen natflrlichen Be- dingungen dar. Man sieht z. B. aus dieser Abbildung, dass es nach einem Tetanus yon 0,06 his 0,5 Sekunden 1/~ bis 1 Minute dauert, bis alas Maximum erreicht, fiber 6 Minuten bis die Reaktion abgeklungen ist. Also auch bei ausreichender Sauerstoffversorgung zeigt die thermisehe Analyse die Zer]egung des Prozesses in zwei Phasen, die anaerobe und oxydative (initials und ver- zSgerte W~irmebildung). Diese Spaltung ist dem Prozess selbst eigentfimlich und wird nicht erst durch die Versuchsanordnung, insbesondere fehlende oder unzureichende Sauerstoffversorgung, hervorgerufen.

Wahrend die Milchsaurebildung bei der Kontraktion explosionsartig von statten geht, erfordert demnach die Oxydationsreaktion auch bei ausreichendem Sauerstoff sine gewisse Zeit. Die Reizung darf daher auch in diesem Falls nur in bestimmten Intervallen wiederholt werden, wenn die Bedingungen station~tr bleiben sotien u n d e s nicht zu allm~hlicher Anh~ufung yon Milch- saure kommen sell. Aus alteren Messungen yon Ca rva l Io und Weis s (1) ergibt sich, dass der durehblutete Gastroknemius im lebenden Tier bei 20 o alle 6 Sekunden eine annahernd maximale isotonische Einzelzuckung (ohne Belastung) machen kann ohne zu ermtiden; indirekt l~tsst sieh daraus sine mittlere stCindliche Oxydationsgeschwindigkeit yon etwa 500 cram 02 bei 200 berechnen. Aueh aus der vorstehenden Abbildung 6 yon Hi l l und der beigedruckten Tabelle kann man die mittlere Oxydationsgeschwindigkeit in den Versuehen bereehnen, wenn man berfieksichtigt, dass dabei 2,5 g-Kalorien 1 ccm 02 entsprechen. Man finder dann z. B. ffir die Kurve D sine mittlere sttindliche Oxydationsgeschwindigkeit yon 400 cram O, bei 20 °. Diese Be- reehnungen ffihren also zur selben Gr0ssenordnung: W~thrend der Ss, uer- stoffverbraueh des ruhenden Froschmuskels pro 1 Stunde und 1 g bei 20° etwa 80 cram Os betragt, steigt er im Durchschnitt in einem maximal gereizten Muskel auf etwa das 15fache. Es ist bemerkenswert, dass man fast die- selbe Oxydationsgeschwindigkeit erhMt, wenn man den fein zerschnittenen Muskel in einem gfinstigen Milieu (Muskelkoehsaft) aufsehwemmt (15, 20). Der z srschnittene Muskel bildet dauernd Milchsaure im 0bersehuss und die AtmungsgrSsse entspricht dann also unter dem Einfluss der gebildeten Milch- s~iure der des intakten ermtideten Muske]s. Allerdings ist dies noch nieht die hSehste Oxydationsgr~sse, die der Muskel bei gegebener Temperatur er- reichen kann. Aus der angeffihrten Abbildung 6 sieht man, dass vorfiber- gehend die Geschwindigkeit noeh erheblich hSher ist und auch im zer- sehnittenen Muskel kann man die mittlere Oxydationsgeschwindigkeit noch durch gewisse Zus~ttze erheblich steigern, z. B. dureh Arseniat verdoppeln.

Auf der anderen Seite ist die oxydafive Erholung eines ausgesehnittenen

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Muskels in Sauerstoffatmosphare immer stark verzOgert, infolge Diffusions- erschwerung des Sauerstoffs. Es erfordert z. B. 12 bis 20 Stunden, his in einem zu kompletter Ermtidung mit Einzelinduktionssch]agen gereizten Gastroknemius yon etwa 1 g Gewicht die Milchs~iure vollstandig geschwunden und die Sauerstoffzehrung auf das Niveau der Ruheoxydation abgefallen ist. Da in dieser Zeit die Ruheatmung des Muskels natfirlich welter gehen wird, so mfissen wir diese bei Berechnung des Sauerstofftiberschusses in Abzug bringen. Dies ist besonders notwendig, wenn man das Ergebnis mit i t i 11 s und H a r t r e e s myothermischen Bestimmungen der gestitutionsperiode vergleieht. Wenn auch hier infolge ausreichender Sauerstoffversorgung und entsprechend kurzer Zeit- dauer die Ruheatmung an Umfang gegentiber meinen Versuchen zurfiektritt, so ist doeh zu beachten, dass sie schon infolge der Messmethode eliminiert

~F I I - ' % - . _ /

Abb. 8. Kurve der Atmungssteigerung naeh ersch~pfender Reizung mit Metro- nora. Abszisse : Zeit in Stunden. Ordi- nate: cram O~ pro I t~ (Oxydationsge- schwindigkeit). Die gestrichelte Gerade zeigt den Ruheumsatz an. R: Reizende.

wird, da sie auch in der Vorperiode der Ab- lesung auftritt und in den Gang des Gal- vanometers eingerechnet wird.

Zu~r Veranschaulichung des Verlaufs der Oxydationssteigerung dient Abbildung 8. Der gesamte Mehrverbrauch an Sauerstoff w~ihrend der 24sttindigen Erholungsperiode gegentiber dem Ruheumsatz (am ungereizten symmetrischen Gastroknemius gemessen) be- tragt hier 446 cram Os bei einem Muskel-

gewicht yon 0,7 g, oder 0,91 mg pro 1 g Muskel. In gleieher Zeit verschwanden 2,57 mg Milchs~ture pro 1 g Schenkelmuskulatur, yon denen durch 0,91 mg

Verschwundene Milchsaure 3,0. O~:0,85 mg verbrannt werden k~nnen. Verbrannte Milchsaure - -

hn lebenden Frosch l~tsst sich nun auch nach mOglichst vollstandiger Ermtidung ein sehr viel schnelleres Sehwinden der Milchsaure beobachten. Werden z. B. beide Sehenkel bis zu ann~hernder Unerregbarkeit gereizt, dann der eine raseh abgebunden, der andere welter durchblutet; so ergibt der Vergleich der Gastroknemien beider Seiten nach einer Stunde, dass in dem durchbluteten Muskel bei t50 schon etwa 0,1% der Milchsaure ge- schwunden ist, etwa 8mal soviel als im gleichen Zeitraum im ausgeschnittenen Muskel (26).

Beziiglieh der Formulierung tier beiden Pbasen der Muskelatmung sei schIiesslich das foIgende bemerkt: 1. Ob in der Oxydationsreaktion die Milch- s~ure selbst oder eiu Kohlenhydrat~iquivalent verbrennt (und zwar auf einem andereu Weg als tiber Milchsaure), lasst sich direkt nicht entscheiden, weit der respiratorische Quotient in beiden Fallen genau eins ist und die Bilanz beidemal gleich ist. Immerhin ist eine direkte Verbrennung der Milchs~ure nahe gelegt, einmal aus Beobaehtungen am zerschnittenen Muskel und zweitens aus theoretisehenGrfinden. Denn wir haben es mit einer gekoppelten Reaktion

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Die chemischen Vorg~nge im Muskel. 335

zu tun, bei der die Energie der Oxydation zur Resynthese der Milchs~ure ver- wandt wird (ausser zur Dissoziation der Proteine, siehe Kap. III). Bedingung einer solchen gekoppelten Reaktion ist naeh O s t w a l d (27), dass in beiden Prozessen ein gemeinsames Molekfit reagiert. Es liegt am nachsten, als solches die N[ilchsaure selbst anzunehmen.

2. Auf der anderen Sei~e ist allerdings die zweite Bedingung einer echten gekoppelten Reaktion im homogenen System nicht unmittelbar erffillt, nam- lJ[ch dass die Reaktion streng stSchiometrisch verl~iuft; denn die Messungen yon H a r t r e e und H i l l und meine eigenen ergeben, dass die Zahl der resyn- t]hetisierten Molekfite, die auf ein oxydiertes entfalten, schwankt (siehe oben H i l l S. 322). Bei sich gut erholenden Muskeln findet man nach weitgehender

. . . . verschwundene Mol. Milchs~ure Ermfidung ziemlieh genau das reran| t ins ~ - - ==..-- . . . . . . 4/1.

verbranute Mol. Mtlchs~ure Bei schlechter sich erholenden Muskeln ist das VerhMtnis stets kleiner und ebenso bei der Berechnung aus der MilchsAurebildung und dem Sauerstoff- verbrauch in der Ruhe. Auf der anderen Seite finden wir die gleiche Koppe- hmg auch im zerschnittenen Muskel, we sich zwar auch in Gegenwart yon Sauerstoff Milchsaure anhauft, aber ausserordentlich viel langsamer als in Wasserstoff. Vergleiehen wit bier die in Wegfall gekommene Milchsauremenge mit d em Sauerstoffverbrauch, so erhalten wir ein VerhMtnis der verschwun- denen zu den oxydierten Molekfilen Milchs~ure gleieh 5/1. H i l l s und H a r t r e e s Messungen nach kurzer Reizung ergeben ein VerhMtnis zwischen 5/1 und 6/1. Man kann nun entweder annehmen, dass im heterogenen System eine Koppelung auch ohne stSchiometrische Konstanz mSglich ist, oder aber, dass zwar die Milchs~iure, die im Kontraktionsakt entsteht, mit einem ganz bestimmten Sauerstoffaufwand schwindet, dass aber bei jeder Alteration des Muskels, insbesondere im Gefolge ermfidender Reizung eine Mehrbildung yon Ruhemilehsaure erfolgt, die nun ihrerseits einen bestimmten Sauerstoffkonsum zur Folge hat. Es entstfinde dann also die wechselnde Pro- portion durch die verschiedene St~rke der in der Erholungsperiode ausge- ]Ssten ,~potentielten Milchsaurebildung'q In der Tat lasst sich nachweisen, dass bei fortbestehender Anaerobiose die Ruhemilehs~urebildung im An- schluss an stark ermfidende Reizung velmehrt, haufig verdoppelt ist (26).

3. Die E m b d e n s c h e Hypothese, dass die unmittelbare Vorstufe der Milchsaure Hexosephosphorsaure ist, ist abgesehen yon den Beobachtungen dieses Forschers, dass im Muskelpresssaft nur Hexosephosphors~ure abet nJ, eht Glukose in Milchsaure gespalten werden kann, dutch meine Fest- stellung nahe gelegt, dass allein in Gegenwart yon Phosphat der zer- schnittene Muskel sein praformiertes Glykogen restlos ia Milchsaure ver- wandeln kann, und darfiber hinaus zugesetztes G]ykogen oder Hexosen (20). Dieses, neben anderen Analogien zur G~rung, veranlasst uns, die

Page 9: Die chemischen und energetischen Verhältnisse bei der Muskelarbeit

336 Otto Meyerhof, Dle chemischen u. energetischen Verh~ltnisse bei der l~Iuskelarbeit.

Hexosephosphorsaure als Zwischenprodukt in unsere Gleiehungen aufzu- nehmen, die wie folgt lauten:

A. A n a e r o b e P h a s e 5/n (C6H~0Q). ~) ~-- 5 H20 + 8 H~P04 -> 4 C6HxoO 4 (H~PO,),~ q-- C6I~I~0 ~ if- 8 H20 --> 8 C3H60 ~ -Jr 8 H3PO 4 ~- C6H1.~ 0~.

B. O x y d a t i v e P h a s e • 8 GH~O~ + 8 n~PO~ + GH~0~ + 6 0~ -> 4 C6 H~oO4 (H~PO~)~ q- 6 CO~ q- 1.4 H~O -> 4/n (C~H~o05),~--}- 8 HaPO, + 6 C0~ -+- 10 H~O.

Kapitel 3. Die W ~ t r m e b i l d u n g im Z u s a m m e n h a n g mi t d e n c h e m i s c h e n V o r g a n g e n .

Die Bedeutung der formulierten Prozesse wird erst durch Beziehung auf die energetisehen Verh~tltnisse in das rechte Lieht gerfickt. Wir haben daffir zu unterscheiden: A. Die anaerobe Phase, B. Die Phase der oxydativen Er- holung. Diese beiden sind nicht genau identisch mit den H i l rschen der initialen und verzOgerten Warmebildung, insofern als die verz0gerte anaerobe W~rme bei der kalorimetrischen Messung in die anaerobe Phase mit hinein-

fi~llt~ wahrend sie bei den Messungen H a r t r e e s und H i l l s als Teil der oxydativen verz0gerten Warme erscheint.

A. Die anaerobe Phase.

Wenn in der Anaerobiose des Muskels Milchs~ure auftritt, schwindet eine gleiche Menge Glykogen. Die chemische Reaktionswi~rme muss hierbei gleich der Differenz der Verbrennungswarme yon 0,9 g Glykogen und 1 g Milchsaure sein, da (C~H~0Q)~ [162] -[- n H~O [18] ~ 2 n C3H~Q [2 X 90]. S t o h - m a n n fand als Verbrennungswarme des Glykogens in sorgf~tltigen Bestim- mungen 4191 Ka]. also ffir 0,9 g 3772, E m e r y und B e n e d i c t (6), in weniger zuverl~ssig erscheinenden Messungen im Durehschnitt yon zwei ver- schiedenen Glykogenproben 4227 Kal. pro g. Eine Nachprfifung von G i n s b e r g im Institut yon W. R o t h (30) ergab 4188 Kal., so dass wir ohne Fehler mit dem S t o h m a n n s e h e n Wert rechnen kSnnen2). Die Verbrennungswi~rme der Milchsiiure war yon L u g i n i n zu 3661 Kal. berechnet. E m e r y und B e n e d i c t dagegen bestimmten sie auf dem Wege fiber wasserhattige konzentrierte Siiure zu 3615 Kal. Auf dem Wege fiber .Zink]aetat fand ich ffir dieselbe konzen- trierte Saure ( K a h l b a u m 1,21) ohne dass mir die Best immung der ameri- kanischen Autoren bekannt war, genau denselben Wert 3615 Kal., ffir ver- dfinnte Saure 3601 Ka]. (25). G i n s b e r g [unt~r R o t h (30)] bestatigte dies

1) (C6H~oO~)~ bedeutet Glykogen. ~) Siehe abet bei Hil l , S. 3-°1, Amn.

Page 10: Die chemischen und energetischen Verhältnisse bei der Muskelarbeit

Die W~trmebildung im Zusammenhang mit den chemischen Vorg~ngen. 337

Resul~at auf demselben Weg. (3603 Kal. ftir verdfinnte Saure. Im Mittel aus Zinklactat und Milchsaureester ergab sich 3607 Kal.) Wir haben danach etwa 170 Kal. ffir die Spaltungsw~rme des Glykogens und die Verdiinnungs- warme der Milchs~ure zu erwarten.

:Ira Durchschnitt zahlreicher Versuche fand ich im Muskel fiir das Auf- treten yon 1 g Milehsaure 370 his 375 Kal. (kalorischer Quotient der Milch- saure) (17, 22). Dieses Resultat ist gleich ftir den ruhenden und arbeitenden Muskel, sofern die Milchsaure im Muskel zurfiekbleibt. Auch ist es, soweit die nicht unbetraehtliche Fehlerbreite zu beurteilen gestattet, yon der Tempe- ratur und Art der Reizung unabhangig. Der Uberschuss yon 200 Kal. fiber die thermochemisch berechnete Warme tritt nur, wie sieh zeigen lasst, dann auf, wenn die Milchsaure nieht in die umgebende L6sung fibertritt. Ver- folgt man dagegen gleichzeitig Warme- und Milchs~turebitdung in der zer- schnittenen, in Phosphatlt~sung suspendierten Muskulatur, so erh~lt man im Durchsehnitt einen kalorisehen Quotienten yon etwa 200 Kal., und zwar innerhalb der Fehlergenauigkeit gleichviel, ob die Milchsaure aus dem praformiertea Glykogen stammt oder nach Erseh6pfung desselben aus von aussen zuge- setztem. Dabei setzt sich nachweislich die Milchsaure mit dem Biphosphat der L~sung naeh der Gleiehung um: HL ~ I~Ta~HPO~ ~I~at-I~PO4-~-NaL (L:Milehs~ureanion), eine Reaktion, die 19 Kal. pro 1 g ergibt. Theoretiseh ist also zu erwarten 170-Jr 19 Kal. ~ 190 Kal. und wir finden 200 Kal., was innerhalb der Fehlergenauigkeit fibereinstimmt. Man kann aber auch aus dem unversehrten Muskel die Milchs~iure zu einem erhebliehen Teil in die umgebende L6stmg herausziehen, wenn man dio abgehauteten Froschscbenkel unter anaeroben Bedingungen in carbonatreiehe alkalische RingerlSsung ffir l~ngere Zeiten suspendiert. Innerhalb 15 bis 24 Stunden treten bei 220 fiber 50°/o der Milchsaure in die alkalische LSsung fiber und setzen sich mit Car- bonat ran. Unter diesen Umstanden fallt die Warmebitdung von 370 Kal. pr o g im Anfang im Laufe der Zeit bis auf 220 Kal. und betragt im Durch- schnitt 270 Kal.

Die warmeliefernde Reaktion der Milchs~iure mit der Muskulatur wird durch das H-Ion bedingt; man kann namlich eine WarmetOnung yon ~thn- licher Gr6ssenordnung ohne gleichzeitig Milehs~turebildung beim Zusatz permeirender Saure, z. B. Vaterians~ure zum Muskel beobachten. Woher stammt diese Warme? Sie ist mindestens zu einem erheblichen Tell durch die Gegenwart des Eiweisses bedingt und stellt nichts anderes dar als eine umgekehrte Dissoziationswarme desselben. W~hrend bei der Neutralisierung yon 1 g Milchsaure mit NaHCO3 oder Na~HPQ etwa 20 Kal. auftreten, er- gibt die Neutralisierung mit puffernden Aminosauren etwa 130 Kal., ent- sprechend z. B. der Gleichung ftir Glykokoll (G = Glykokollanion) Na'G'-~-H'L' =Na'L'÷[HG].

Hierbei treten also H'. und G'-Ionen zu undissoziierten Molekfilen [HG] Aah~r-Spiro, Ergebnisse der Physiologie. XXII. $ahrgang. 22

Page 11: Die chemischen und energetischen Verhältnisse bei der Muskelarbeit

338 0 tto Meyerhof, Die chemischen u. energetischen Verhllltnlsse bei der Muskelarbeit.

zusammen. (Da wir uns auf der alkalischen Seite des isoelektrischen Punktes befinden, so kommt yon dem Ampholyten Glykokoll nur die Saurendissoziation in Betracht, Glykokoll verhi~lt sich hier einfach wie eine schwache S~iure.) Es berechnet sieh so eine Dissoziationswi~rme yon Gtykokoll und ebenso yon Alanin und Leucin von etwa - - 11000 Kah ; eine gauz ungewOhnlich grosse Disso- ziationsw~trme,, die wir am besten deuten als bedingt durch die Aufsprengung

¥ I I [

CH,~--NH3 CH~ --NH~ des Ringes ] f l bzw. t i bei der Salzbildung. Tatsitehl]eh

COO CO0- -H versehwindet die negative Dissoziationswarme restlos, wenn die Aminogruppe dureh Zusatz yon Formalin in N---~CH, verwandelt ist (26).

Ganz Entspreehendes zeigt sich bei Zugabe von Mitchsiiure (oder HCI) zu Protein, das mit NaOH auf etwa pr~ 8 gepuffert ist. Die so entstehende W~rme ist sogar noeh grOsser und betr~igt ffir Muskeleiweiss, frei yon basischen Salzen, pro Gramm Milchsiiure 140 Kal. entsprechend einer Dissozia- tionsw~,trme des Eiweisses yon - -12650 Kal., der gr0ssten bekannten Dissozia- tionsw~trme. Da nun bei der anaeroben Ermtidung des Muskels das p~ des. selben sieh nur sehr wenig iindert, nach P e c h s t e i n z. B. yon 7,5 auf 6,85, und da die basischen Salze des Muskels, wie man leicht bereehnen kann, ffir die Pufferung der bier gebildeten Milehsaure bei weitem nicht hinreichen, so muss mindestens der fiberwiegende Teil der Si~ure im Sinne der Gleichung reagieren : K'P'@H'L'~--~ K ' L ' + [HP] (P: Proteinanion) und eine Entionisie- rungswarme yon Protein hierbei auftreten. Auf diese Weise kOnnen von den unbekannten 200 Kah his zu 140 Kal. erk]firt werden. Worauf der noch bestehende Untersehied zurfickzufiihren ist, ist bis jetzt nicht aufgekli~rt. Da jedoch keiue anaerobe Kohlensiiure gebiidet wird und aueh sonst keine ehemischen oder physikalisch-ehemisehen Prozesse yon gr~Ssserem Umfang nachweisbar sind, die diese Wfirme hervorrufen kOnnten, so tiegt die Annahme nahe, dass die Dissoziationswarme des Eiweisses im Muskel erheblieh h0her ist als in wassriger LSsung, vielleicht weil es sich in einer nichtwfisserigen Phase befindet oder unter der Wirkung you Oberfl~ehenkraften steht. In der Tat zeigt sich eine gewisse Abh~tngigkeit der Dissoziationswarme vom LSsungs- zustand des Eiweisses; sie wird z. B. durch Zusatz mancher Salze in hoher Konzentration etwas vergr6ssert. Allerdings ist es bisher nieht gelungen, die Dissoziationswarme deutlich fiber die des Wassers, d. h. die reziproke Neu- tralisationswfirme zu erhOhen, entspreehend 153 Kal. pro 1 g Milet~s~iure (26).

Dies Ergebnis wirft ein Lieht auf das Verhalten des Muskels in der Anaerobiose, insbesondere 1. die Ersehlaffung des Muskels trotz Anwesenheit der Mitehs~ure, 2. das Ermfidungsmaximum des Muskels.

1. Zahlreiche Indizien spreehen daffir, dass die Milehs~iure bei der Vero kfirzung entsteht und dass das H'-Ion den Kontraktionsprozess hervorruft. Der Temperaturkoeffizient der Milehs~turebitdung im zersehnitenen Muskel

Page 12: Die chemischen und energetischen Verhältnisse bei der Muskelarbeit

Die W~rmebildung im Zusammenhang mit den ehemischen Vorg~ngen. 339

ist ebenso gross wie der yon H a r t r e e und H i l l g e f u n d e n e der Spannungs -

z u n a h m e , niimlieh 3 - - 3 pro 10°; au f der ande ren Seite ist der T e m p e r a t u r -

koeffizient im in tak ten Muske], we ausser der A b s p a l t u n g der Sau te noeh die

beschr iebene Neu t r a l i s i e rung mit Eiweiss s tat t f indet , gegen 4, wie der der

E r sch ]a f fung nach H a r t r e e u n d H i l l . Die Ve rg rSs se rung der T e m p e r a t u r -

koeffizienten gegenf iber de m der zersehni t tenen Musku la tu r ist also of fenbar

au f die beschr iebene Reak t ion der Milchsaure mi t Pro te in zurf ickzuff ihren

und die J J b e r e i n s t i m m u n g dieser beiden Koeffizienten mi t denen tier An-

s p a n n u n g u n d der E r sch l a f fung spr ieh t dare r , das E n t s t e h e n der Milchsaure

der ersteren, den N e u t r a l i s i e r u n g s v o r g a n g der le tzteren zuzuordnen .

2. Das E r m t i d u n g s m a x i m u m ist n ieh t , wie fr(iher a n g e n o m m e n wurde,

yon einer im besehr~tnkten U m f a n g v o r h a n d e n e n Mi lehsaurevors tufe abh~ingig,

sondern allein y o n der Anh~tufung der Milehs~iure im Muskel selbst (21). Es

Iiegt dahe r nahe , die t t S h e des e r re iehbaren M a x i m u m s auf den Vorra t des

aus ionis ier ten Pro te inen abspa l tba ren Alkalis zu beziehen.

Gegen die hier zugrunde gelegte Arbeitshypothese, da.~s das Entstehen von H-Ion an bestimmten Stellen, ,,Verktirzungsorten", die Ursacbe der Kontraktion sei, wird des ~fteren eingewa.ndt, dass eine elek~rometrisch oder dureh Indikatoren messbare S~tuerung des Mus- kels wahrend bzw. naeh der Kontraktion nicht zu beobachten sei und zweitens~ dass die durch S~urezusatz herbeigefilhrte Kontraktur des Muskels sigh nieht wesenflieh yon der dutch AlkMien oder Nichtleiter (Chloroform, Coffein) hervorgerufenen unterscheidet. Beide Einw~,nde beruhen auf einem ganzlichen Missverst~ndnis der hier vertretenen Anschauung. "Was den ersteren anlang¢, so scMiesst gerade der Umstand, dass nach unserer Annahme die Milchs~ure unmittelbar bei der Ersehls, ffung mit pufferndem AlkMiprotein reagiert, die MSgliehkeit aus, dass es zu einer erkennbaren Verschiebung der Was~erstoffzahl ira Gefolge einzelner Kontraktlonen kommen kann. Aber auch auf der HShe der Verktirzung ist die Erkennung einer sole.hen Verschiebung wenigstens mit den bisher daffir verwandten Mittel~a nicht zu erwarten. Bei einem l'Xngeren Tetanus kommt als verkfirzungswirksam nattirlich nicht die ganze, wahrend desselben gebildete Milchs~ure in Betracht, sondern nut der Bruch- teil derselben~ der sieh jeweils an den Verkfirzungsorten befindet~ w~.hrend der gr~ssere Tell sieh bereits mit Eiweiss in der angegebenen Weise umgesetzt hat.

Da, wie sich zeigt ('21), eine weitgehende Proportionalit~tt zwischen der gemessenen isometrischen Spannung eines 1 g schweren Gastroknemius yon bestimmter L'Xnge (80 ram) und der gleichzeitig dabei gebildeten Milchs~ture besteht, so ]~sst sich aus der maximalen Spannung eines solehen teianisch kontrahierten Muske]s die ihr entsprechende an den Ver- ktirzungsorten anwesende Milchs~uremenge berechnen. Sie betr~igt fiir den angegebenen Fall 0,046 mg Milchs~ure. W~re diese Menge in homogener L~sung ohne Puffer im Muskel vertei},t~ so entspr~che das allerdings 5.10 -4 tt und w~re durch Indikatoren oder mit der Gaskette feststeltba.r. Nun nehmen abet die Verkfirzungsorte ja zwelfellos nut einen ge- ringen Raum des ganzen Muskels ein, de das Velumen tier gesamten sieh verkfirzenden Fibrillenabsehnitte nur etws, ein Viertel der NIuskelmasse ausmaeht (10). Entsteht die Saute z.B. in ~/~o Volumen des ganzen Muskels, so wtirde selbst unter tier hypothetischen Annahme, class der Indikator alle Teile des Muskels gleiehm~ssig stark durchf~rbt, und class die ein- zelnen sauren Bezirke jeder ftir sich gross genug sind, um mehrere Indikatormolekiile um- zufarben~ nur ~/'~o der Volumeinhalt die Indikatorfarbe ftir 1.10 -~ H annehmen, ~'~'~¢ die urspr~mgliehe, etwa ffir ~. 10 -~ H behalten. Eine solche geringftiglge Umf~.rbung~ bei der z. B. ~/~o des Muskelvolums durch Neutralrot violettrot, ~/-~o orange gef~rbt sein wtirden, wfirde bei der sehwachen dlffusen Durchfarbung des NIuskels yon der Orangef~rbung yon ~°/~0 des Muskels nicht zu unterscheiden sein. Elektrometrisehe Messungen aber lassen s':ch

22*

Page 13: Die chemischen und energetischen Verhältnisse bei der Muskelarbeit

340 0 t t o M e y e r h o f, Die chemischen u. energetisehen Verh~iltnisse bei der Muskelarbeit.

noeh viel weniger zum Nachweis soleher Si~uerung in mikroskopischen oder submikroskopi- schen Bezirken ausftihren. Die Wasserstoffelektrode misst nut das p~ der die Elektrode umspfilenden wi~sserigen LClsung. Damit die in der Muskelfaser~ bzw. in den sich kontra- hierenden Fibrillenabschnitten entstehenden H-Ionen yon ihr angezeigt werden k0nnten, mfissten also entweder die Musketfasern zerst~rt oder die Wasserstoffionen herausdiffundiert sein; in beiden Fallen wfirde es zu einem Umsatz der Saute mit den Puffersubstanzen des Muskels kommen.

Ebenso geht auch der zweite Einwand v~i]tig fehl. Der Zusatz yon Slture, die den Mt~skel gleichm~ssig durchtrankt, kann natfirlich nie die streng lok~lisierto Saurebildung nachahmen, die der Reiz hervorruft. In der Tat ist das Bild der Siturekontraktur ein vSllig anderes wie das der normalen Kontraktion; die Spannung dabei geringftigig (31). ])as Bild der Sauredurchtranl~ung ahnelt vielmohr dem der weitgehenden Ermfidung, wo bekanntllch ein Verkiirzungsrfickstand des Muskels auftritt~ der offenbar niehts anderes wie eine sehwache Kontraktur infolge der ganz schwachen Durchsauerung ist. Es scheinen indes auch alle echten Kontrakturen des Muskels mit gesteigerter Milehsaurebildung einher zu gehen (mit Anhi~ufung bis zum Starremaximum, 0,5--0,65°/0 Milchsaure), was ich bisher ausser ftir W'~rme- und Totenstarre, ftir Chloroform-, Alkohol-, Coffein-, Natronlaugestarre festgestellt babe. Es liegt nahe, die mechanische Zustandsitnderung auch bier auf die Milchsanre zu beziehen~ and das zugesetzte Agens nut als den chemischen Reiz zu betraehten, der die Milehst~urebildung ausl~ist. Nut in dem besonderen Fall der Totenstarre ist dies Agens die anaerob angeh~ufte, im Muskel verteilte Milchsiiure selbst, die nun ihrerseits eine mit s t a r k g e s t e i g e r t e r Milebsaurebildung einhergehende Kontraktur hervorruft; bei anderen Starreformen sind es andero die Struktur des Muskets alterierende Agenzien. Aber selbst ffir den Fall, dass man eine Form yon Starre entdecken sotlte, ohne die charakteristische Entfesselung der Milehsi~ureproduktion, wfirde dies gar nicht gegen die Rolle des H-Ion bei der Kontraktion sprechen, well es eben nicht erlaubt ist, die Kontrakturen dem Arbeits- prozess des Muskels gleichznsetzen, dessen Hauptcharakteristikum, die reversible Spannungs- entwicklung, fehlt.

Ebenso falsch ist es natfirlich auf der anderen Seite, wenn von den Verfechtern der ,,Sauretheorie" der Kontraktion Beobachtungen fiber die Quellung des Maskels in Si~ure, fiber die Wasseraufnahme des ermfideten oder starren Muskels u. dgl., als Beweise ins Feld geffihrt werden. ])iese beobachtburen Volumenanderungen, m(igen sie nun osmotisch oder dutch Quellung bedingt sein, kommen jedenfalls erst dutch die im ganzen Muskel verteilte Saute zustande. Dariiber, wie die Saure an den Verkfirzungsorten selbst wirkt, sagen diese Beobachtungen niehts aus und daher ist es auch ffir die Theorie der Kontraktion nicht wichtig, wie sie selbst gedeutet werden mfissen. Es ware verfrfiht, bei dem Fehlen atler genauen Kenntnisse dartiber zu spekulieren, welche Art yon Kraften die Kontraktion her- vorrufen, wenn es anch naheliegt, dafttr kapillare Affinit~Lten der Milchsaure in Anspruch zu nehmen. Gegen blosse QuelIung sprieht der Umstand, dass das Volumen der sich kontra- hierenden Abschnitte des Muskels nieht deatlieh zanimmt (10, .03).

Z u m Sch luss d ieses A b s e h n i t t e s sei n o c h a u f den fes ten Z u s a m m e n h a n g

zwisehen de r auf d e n Reiz h in g e b i l d e t e n Milchsi~ure u u d de r A r b e i t s l e i s t u n g

des Muske l s a u f m e r k s a m g e m a c h t . D a d ie a n a e r o b e B i l d u n g d e r M i l c h s a u r e

m i t e ine r g e n a u b e s t i m m t e n W ~ r m e m e n g e v e r k n t i p f t ist, so i s t k lar , das s d ie

M e s s u n g de r i n i t i a l e n W • r m e in a b s o l u t e n E i n h e i t e n in d e n V e r s u c h e n y o n

H a r t r e o u n d H i l l u n d de ren Scb f i l e rn uns g l e i chze i t i g A u s k u n f t g i b t f iber

d ie g e b i l d e t e Mi lchs i~uremenge u n d das s d ie so g e f u n d e n e n Z u s a m m e n h i ~ n g e

zwischen d e m c h e m i s c h e n P rozes s u n d de r m e c h a n i s c h e n L e i s t u n g d u r e h

d i r e k t e n V e r g l e i c h von Mi lchs~ tureb i ldung u n d m e c h a n i s e h e r A r b e i t bes t i i t ig t

u n d u n t e r U m s t i i n d e n e l w e i t e r t w e r d e n k i i n n e n (15, 21).

Page 14: Die chemischen und energetischen Verhältnisse bei der Muskelarbeit

Die W~,rmebildung im Zusammenhang mit den chemlschen ¥org~ngen. 341

Au[ diese Weise ergab sich:

1. Die bei maximaler Reizung mit Einzelinduktionsschlagen und i so- m e t r i s c h e r Kontraktion bis zu kompletter Ermtidung angehaufte Milch- sauremenge ]st gr0sser, als wenn bei gleicher Reizung der Muskel sich ohne Belastung is o t o n is e h kontrahiert.

2. Bei isometrischen Einzelzuckungen besteht ein bestimmtes VerhMtnis zwisehen der Summe der Spannunghtibe in Kilogramm, bezogen auf die Langen- einheit des Muskels (cm) und der gleichzeitig gebildeten MiIchsaure, das ich als ,,isometrischen Koeffizienten" der Milchs~ure bezeichne. Bei unermfideten Muskeln ist d~eser stets ann~hernd derselbe, dagegen sinkt de.r Koeffizient in der zweiten H~lfte der kompletten anaoroben Ermtidung eines Gastrokne- mius um 1[~ gegen•ber der ersten Hatfte, entspreehend dem Befunde H i l l s , dass der ermfidete Muskel bei gleicher anaerober W~rme weniger Spannung liefert. Ganz bedeutend sinkt dies Verh~Itnis aber unter dem Einfluss starker Narkotikadosen und betr~tgt hier unter Umstanden nur ~/8 des normalen, im Einklang mit den entsprechenden Versuchen W e i z s a c k e r s (siehe oben bei Hi l l S. 315).

3. Bei isometrischem Tetanus rufen die zur Aufrecilterhaltung der Spannung erforderlichen Reize eino geringere Milehs~turebildung hervor als die zur Spannungsentwicklung dienenden, entsprechend der Verkleinerung der Warmeproduktion in der Phase 2 yon H a r t r e e und H i l l gegentiber der Phase 1.

4. Schliess]ich ]~sst sieh direkt die meehanische Arbeit an geeigneten Instrumenten (Winkelhebel und Tragheitshebel naeh Fiek) mit der Milch- sauremenge vergleiehen. Rechnet man bier die Mi]chs~urebildung unter Be- nutzung des kalorischen Quotienten yon 370 in Kalorien um, ebenso die mechanische Arbeit, so erhalten wir ein Mass ftir die realisierbare Arbeit ~n der anaeroben Phase. Die hSchsten auf diese Weise ge[undenen Werte bei tiefer Temperatur (2~8 °) ffir den nur sehwaeh ermfideten Gastroknemius betragen 4¢--48o/0, was ffir den ganzen oxydativen Arbeitszyklus unter Benutzung der obigen Tabe]le S. 321 yon H i l t einen Wirkungsgrad von 24% ergfibe. Jedoch betragt im Durchschnitt auch bei schwach ermtideten Muskeln der anaerobe Wirkungsgrad nut 38°/o und bei stark ermfideten noch erheblieh weniger. Dabei maeht es keinen erkennbaren Unterschied, ob der Muskel Einzel- zuckungen oder kurze Tetani ausftihrt. Diese letzteren bedeuten also auch unter solehen einfachen Bedingungen keine verschwenderische Form yon effektiver Arbeitsleistung aIs Einzetzuckungen, wie haufig angenommen wird.

5. Ein Vergleich der realisierbaren Arbeit bei Einzelzuckungen und Tetani mit der aus dem Spannungslangendiagramm bereehneten zeigt, dass das letztere einen zu grossen und auch theoretisch unrichtigen Weft ftir die maximale Arbeit ergibt, well die bei einer Einze]zuekung entwicke]te Span-

Page 15: Die chemischen und energetischen Verhältnisse bei der Muskelarbeit

342 0 tto Meyerhof, Die organischen u. energetischen Verhaltnisse bei der Muskelarbeit.

nung nieht Iange genug anhNt, um dem Muskel zu gestatten, der Spannungs- l~tngenkurve bei der Verkfirzung wirklich zu folgen. (Vgl. aueh oben bei Hil l , S. 302 und S. 305.)

B. Oxydative Phase.

Die Wtirmebildung der oxydativen Phase wurde nach einer Anordnung yon P a r n a s gemessen und ergab tier Gr6ssenordnung nach das zufrieden- stellende Resultat, dass die W~rme entspricht der aus dem Sauerstoffverbraueh berechneten Verbrennung yon Zucker minus der in der anaeroben Phase auf getretenen W~trme ftir die gleiche Menge zersetzteu Kohlenhydrats. Anderer- seits ist die ifi der Erholung gemessene W~rme (nach Abrechnung der auf den Ruheumsatz zu beziehenden) ungefiihr gleich der Wfirme der auaeroben Phase, ganz entsprechend den Befuuden yon H a r t r e e und Hill .

Zur Veranschautichung sei eine solche W~rmebilanz angefiihrt, die nicht einem bestimmten Versuch entnommen ist, sondern aus dem Mittel mehrerer Versuehe kombiniert wurde.

Pro 1 g Muskel bei tetanischer Ermiidung (14°):

a) Ermiidungsphase, gebildet 1,8 rag Milchs~ture und 0,72 Kal. (pro 1 g Milchsi~ure 400 Kal).

b) Erholungsphase, verschwunden 1,8 mg Milchsiture und 0,35 ccm = 0,50 mg Erholungssauerstoff. Fiir Kohlenhydrat berechnet bei 0,35 ccm Sauerstoff 1,75 Kal. Gefundene Erholungswiirme 1,0 Kal. ; es fehlen 0,75 Kal. Wiirmebildung der Kontraktionsphase 0,72 Kal., der oxydativen Erholuugs-

phase 1,0 Kal.

Da die direkte Kalorimetrie jedoeh nur ein ziemlieh ungenaues Resultat liefern kann, ist es zweekmassiger mittels der ehemisehen Daten die in der Erhotungsperiode zu erwartende W~trme zu bereehnen und mit H i l l s myo- thermisehen Bestimmungen zu vergleiehen. Wir finden dann, dass bei dem

Verhiiltnis versehwundene Milchsi~ure 4/1 40o/0 der W~trme in der anaeroben verbrannte Miichsi~ure

Phase und 60% in der Erholungsphase auftreten m~ssen, was also einen Nutzeffekt des Oxydationsvorgangs der Restitution von 4 0 ° bedeutet; bei

dem Verhiiltnis versehwundene Milehsaure 5/1 wtirden je 50°/o der Wttrme verbrannte iVIilehsaure

in beiden Phasen auftreten, Wtihrend naeh den Hillsehen Daten (S. 321) wo 48% der W~irme in die anaerobe, 520/0 in die oxydative Phase fallen, das

versehwundene Milchs~ture VerhNtnis verbrannte Milehsiiure 5,2/1 sein w(irde.

Die Bedeutung der gekoppelten Reaktion, die in der Erholuugsperiode des Muskels ablttuft, ist darin zu suehen, dass vermittels der Oxydations- energie einmal die Milehsiture endotherm zu Glykogen resynthetisiert wird

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Schlussbetrachtung. 343

und dadureh zu erneuter explosiver Freisetzung verffigbar wird und dass zweitens mit der Entfernung der Milchsiture das MuskeIeiweiss wieder ioni- siert und dadurch zu rascher Beseitigung des bei der Kontraktion entstan- denen H.Ionen-Ubersehusses beftihigt wird. I)urch die oxydative Erholung wird also der Musket wieder genau in seinen friiheren Zustand zurtickver- setzt, mit Ausnahme des Umstandes, dass der G]ykogenvorrat durch Ver- brennung eines geringen Teils abgenommen hat.

W~hrend die Milchsaure naeh der Kontraktion nur durch Oxydation beseitigt werden kann, seheint nach E m b d e n und L a w a c z e k {5) die aus der Hexosephosphorsiiure abgespaltene anorganische Phosphorsi~ure schon anaerob wieder in organisehe Bindung tiberftihrt zu werden. Die obige Gleichung 2 wtirde demnach, soweit die Beziehung der Milchsi~ure zur Phosphorsiiure in Frage kommt, nur eine Bilanz ausdrtieken, die Phosphor- s~iure in Wirklichkeit aber nicht mit der resynthetisierten Milchsaure, sondern schon anaerob mit neugespaltenem Glykogen wieder verestert werden. Ffir unsere Rechnung ist dies gleichgfiltig. Einmal f~tllt die Phosphor~iiure aus der energetischen Bilanz vollstandig heraus und dann dfirfte die Veresterung mit Zucker nach Analogie zu anderen Esterbildungen mit einer iiusserst minimalen W~irmetSnung verlaufen, so dass sie auch ffir die Analyse des Zeitverlaufs der Wfirme nieht in Betracht kommt.

Kapitel 4. Sch lus sbe t r ach tung . Die letzten Bemerkungen ffihren uns auf die Frage, ob sich durch die

chemischen und physikaliseh-chemisehen Vorg~inge, die, wie wir finden, der Arbeitsleistung des Muskels zugrunde liegen, der yon H a r t r e e und H i l l beobachtete eigentfimliche Verlauf der Wiirmebildung erkl~iren ]~isst (s. oben Abb. 3, 6, 7). Das ist jedenfalls nut in groben Umrissen, und in hypotheti- scher Weise mSglich. Die chemischen und die kalorimetrischen Messungen geben nur den Anfangs- und den Endzustand des Systems, tiber den Weg auf dem die Energietransi'ormation vor sich geht, sagen sie nichts aus uncl dementsprechend auch nicht fiber den Zeitverlauf dersetben. In der Tat ist ja die Wiirmebildung der Ruheanaerobiose bei gleichem Anfangs- und Endzustand des Muskels genau gleich der bei anaerober Arbeitsleistung, ob- wohl hier die Zwischenglieder, die die Verktirzung und Erschtaffung des Muskels bewirken, in Wegfall kommen und die W~irmebildung daher stationiir sein muss.

Im fibrigen wird es nahe liegen, die ehemisehe BiIdung dei: Mitchsam'e aus Glykogen dem Moment der Spannungszunahme bei der isometrisehen Kon- traktion zuzuordneu und ffir die Aufrechterhaltung der Spannung wahrend des Tetanus eine entsprechende Neubildung yon Milehsaure in Ansprueh zu nehmen, die die yon den Verkfirzungsorten entwiehene Milehsgure kompensiert. Die Ersehlaffung wird man dann andererseits-auf den Umsatz der Milehs~ure mit

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344 Otto Meyerhof, Dio chemischen u. energetischen Verh~ltnisse bei der Muskelarbeit.

ionisiertem Eiweiss, also auf die Beseitigung des freien H'.Ions zurfiekffihren. Diese letztere Reaktion erscheint yon prinzipieller Bedeutung deshalb, weil sie uns zeigt, in welcher Weise die Kohlenhydrate, die ja das Brennmaterial der Maschine darstellen, in den Mechanismus der aus Eiweiss aufgebauten Maschine selbst eingreifen. Die Ubertragung der Oxydationsenergie auf die Maschine in der Erholungsperiode des Muskels wtirde zu einem erhebliehen Tell in der durch die Entfernung der Milchsaure ermSglichten (unfreiwilligen) Ionisierung des Muskelprot6ins zu suchen sein, wodurch dieses zu neuer Beseitigung des in dor Kontraktion gebildeton H'-Ions bef~higt wird.

Es wtirde jedoch fehlerhaft sein, don Umfang der yon H a r t r e e und H i l l gesonderten Phasen, insbesondere den der Spannungszunahme und Erschlaffung etwa den Energiebetragen der Spaltungswarme des Glykogens und der Entionisierung des Eiweisses direkt vergleichen zu wolten (24). Wir mfissen zun~chst das Vorhandensein yon Zwischengtiedern der Reaktion postulieren: a) die Anreicherung tier Milchsaure (oder H-Ion) an gewissen Often oder Fl~chen, durch die die J~nderung der e]astischen Ruhelange der Fi- brillen verursacht wird; b) die Beseitigung der Milchs~ure yon diesen Often mit g]eichzeitiger Rtickkehr der Fibrillen ill ihren frfiheren Zustand. Da die erstere Reaktion einen grossen Betrag freier Energie besitzt, muss die zweite Reaktion, die die genaue Umkehr der ersten ist, einen gleich grossen Auf- wand an Arbeit erfordern. Diese Arbeit muss durch eine dritte Reaktion geliefert werden, und das k~nnte die Entionisierung der Muskelprotoine sein. Diese im einzelnen uns unbekannten Zwischenglieder des Prozesses werden aber noch yon den rein physikalischen EnergiegrSssen tiberlagert, z. B. J~nde- rung der elastischen Energie oder Oberflachenenergie u. dgl., und so ent- steht der Warmeverlauf in den Kurven yon H a r t r e e und Hil l . Dass z. B. bier his zu etwa 35% der initialen Warme in der Erschlaffung auftreten kSnnen, sagt nur aus, dass dieser Bruchteil der Gesamtenergie, der ganz oder teiiweise in die mechauische Form der elastischen Spannung verwandelt wurde, nach Au[hSren derselben als W~rme zerstreut worden ist. W~re die Gesamt- energie der Kontraktion ohne Verlust in elastische Spannung fiberftihrbar, so wtirde die ganze initiale W~rme erst bei der Erschlaffung erscheinen, die Spannungszunahme also warmefrei vor sich gehen (wenn wir von dem un- wahrscheinlichen Fall einer mechanischen Energiespeieherung im ruhenden Muskel absehen). Dies wfirde aber an den zugrundeliegenden chemischen Prozessen und ihrer zeitlichen Verknfipfung mit dem physikalischen Geschehen nichts andern.