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Jägerstrasse 63 d • D - 10117 Berlin • Tel.: +49 (0)30 - 206410-21 Fax: +49 (0)30 - 206410-29 www.deutsche-orient-stiftung.de • www.deutsches-orient-institut.de • [email protected] Die Golfstaaten Das „neue Herz“ des Nahen und Mittleren Ostens? Die Außenpolitik der arabischen Golfstaaten in der Analyse Eine Studie des Deutschen Orient-Instituts Oktober 2012

Die Golfstaaten Das neue Herz des Nahen und Mittleren Ostens Die Außenpolitik der arabischen Golfstaaten in der Analyse 26.10.12

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Die Golfstaaten Das „neue Herz“ des Nahen und Mittleren Ostens?Die Außenpolitik der arabischen Golfstaaten in der Analyse

Eine Studie des Deutschen Orient-InstitutsOktober 2012

Inhaltsverzeichnis

Einleitung ..................................................................................................................................... 3

Saudi-Arabien............................................................................................................................... 7Katar ......................................................................................................................................... 37Vereinigte Arabische Emirate .................................................................................................... 49Bahrain ...................................................................................................................................... 64Kuwait ........................................................................................................................................ 75Oman ......................................................................................................................................... 87Irak......................................... .................................................................................................... 98

Vorstand und Kuratorium der Deutschen Orient-Stiftung..........................................................114Vorstand und Beirat des Nah- und Mittelost-Vereins / NUMOV................................................ 115Impressum................................................................................................................................ 117

2 Deutsches Orient-Institut

Inhalt

Einleitung

Deutsches Orient-Institut 3

Die Golfstaaten – Das neueHerz des Nahen und MittlerenOstens?

Wo schlägt das Herz der arabischenWelt? Welche Länder, Regierungenund Gesellschaften bestimmen die

politischen Geschicke in dieser Zeit des Um-bruchs, in der im Zuge des so genannten„Arabischen Frühlings“ oder der „Arabellion“die Regimes in Tunesien, Ägypten und Libyengefallen sind, Syriens Präsident Bashar al-Assad unter enormem Druck steht, währenddas Land im Bürgerkrieg versinkt, und derJemen einen schmerzhaften Transforma-tionsprozess durchläuft? Die ersten freien Wahlen in Ägypten und Tu-nesien sowie zuletzt in Libyen haben gezeigt,wie wichtig den heterogenen Gesellschaftendemokratische Lösungen sind, aber auch, wieunberechenbar und fragil die neuen politi-schen Ordnungen und Systeme erscheinen.Die Wahlsiege der Islamisten in Tunesien undÄgypten sorgen bei der internationalen Ge-meinschaft für Skepsis, dass durch eine neue,„islamische“ Politik das fragile Gleichgewichtdes Nahen und Mittleren Ostens bedroht wird.Stabilität – dies war seit Jahrzehnten das auf-recht zu erhaltende Hauptziel der Weltge-meinschaft in der Region, um befürchteteAnarchie und Chaos zu vermeiden. Immerhinschwelen in Nordafrika, der Arabischen Halb-insel und der Levante zahlreiche Konflikte, diejederzeit zu einem Flächenbrand hätten füh-ren können: Der Nahostkonflikt, der Hegemo-nialkonflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien,der Konflikt um das iranische Atomprogramm,der Einfluss der Muslimbrüder, die fragile Si-tuation im Irak sowie der Bürgerkrieg in Sy-rien sind nur die explosivsten Brandherde, dievon der internationalen Gemeinschaft nichtnur als Gefahren für die Tektonik der Staa-tengebilde im Nahen und Mittleren Osten,sondern auch als Risiken für ihre eigenenInteressen in der Region gesehen werden.Die arabische Welt ist immerhin seit Jahr-zehnten Tummelplatz internationaler Interes-sen um wirtschaftliche Marktanteile, politischeVormachtstellung und sozialen Einfluss. Allerdings haben sich spätestens mit demArabischen Frühling und den daraus resultie-renden Transformationsprozessen die Epi-zentren politischer Macht verschoben.Verfügten historisch gesehen Ägypten, Syrien

oder der Irak über enormen politischen, wirt-schaftlichen, intellektuellen und kulturellenEinfluss, befinden sich diese Länder nun ineinem zermürbenden und existenzbedrohen-den Prozess der Selbstfindung, Selbstzerstö-rung und Selbstentdeckung: Ägypten drohtnach dem Sturz Hosni Mubaraks am Konfliktzwischen Militärrat und Muslimbrüdern sowieden immensen wirtschaftlichen Problemenseine Hoffnung auf eine bessere Zukunft zuverlieren. Syrien versinkt in einem konfessio-nellen Chaos, welches auch nach dem ab-sehbaren Sturz des Diktators Basharal-Assad anhalten oder sich gar verschärfendürfte. Und der Irak dient Syriens Vielvölker-gesellschaft als Negativbeispiel einer miss-lungenen Transformation. Nach dem SturzSaddam Husseins und dem Einmarsch derUS-amerikanischen Truppen versank dasLand erst im Kampf gegen die Besatzer, dannin einem blutigen Bürgerkrieg zwischen Schi-iten und Sunniten, Arabern und Kurden, umsich nun in einer Phase der politischen Le-thargie, Korruption und wirtschaftlicher Ineffi-zienz zu befinden. Kurz: Die ehemaligenGroßmächte der arabischen Welt sind derzeitdurch ihre eigene innere Schwäche so para-lysiert oder traumatisiert, dass sie keineaußenpolitischen Führungskräfte sein kön-nen. Stattdessen haben sich die ehemals unbe-deutenden Golfstaaten Saudi-Arabien, Bah-rain, die Vereinigten Arabischen Emiraten(VAE), Katar, Oman und Kuwait zu mehr oderweniger einflussreichen außenpolitischen Ak-teuren entwickelt. Die jahrzehntelangeSchwäche der traditionellen arabischen Füh-rungskräfte wirkte sich dabei stärkend auf dieGolfstaaten aus. Je mehr der Einfluss dieserKräfte schwand, desto mehr stieg die Machtder arabischen Golfstaaten. Aufgrund ihresÖlreichtums und ihrer (zumindest teilweise)recht homogenen Bevölkerungsstruktur ver-fügten die jeweiligen Herrscherhäuser einer-seits über die finanzielle Potenz, denLebensstandard zu erhöhen und weit rei-chende Armut zu vermeiden, andererseitsblieben ethnische Konflikte eher die Aus-nahme. Innerhalb weniger Jahrzehnte trans-formierten sich die Golfstaaten vonunbedeutenden Wüstenemiraten und ehema-ligen Kolonien an der Peripherie des politi-schen Weltgeschehens zu wirtschaftlichprosperierenden Kräften, die vor allem im Ver-lauf des letzten Jahrzehnts ihren außenpoliti-schen Einfluss deutlich erhöhten.

Einleitung

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Hierbei gelten die monarchischen Erbdynas-tien, die sich im 1981 gegründeten Golfkoo-perationsrat (GKR)1 zusammengeschlossenhaben, für internationale Akteure wie die USA,die EU, China oder Russland als verlässlich,vertrauenswürdig und berechenbar. Insbe-sondere Saudi-Arabien, mit knapp 28 Millio-nen Einwohnern das größte Land derGolfstaaten, und Katar haben sich in den letzten Jahren als aktive und einflussreicheaußenpolitische Spieler bewiesen. Die Ursa-chen dafür sind mannigfaltig: Saudi-Arabien gelang es in den letzten Jahr-zehnten aufgrund der größten Erdölreservender Welt, sich von einer Beduinengesellschaftin eine hoch technologisierte Industrienationzu entwickeln und gilt als Rentierstaat par excellence. Das Königshaus Al Saud, be-stehend aus über 22.000 Mitgliedern undmehr als 8.000 Prinzen, stützt seine Machtneben den wirtschaftlichen Ressourcen, mitdenen die Bevölkerung weitgehend alimen-tiert wird, auf eine starke Allianz mit den wah-habitischen Religionsgelehrten, den ulama.Auch wenn es immer wieder zu innersaudi-schen Konflikten und Aushandlungsprozes-sen der fragilen Machtfrage kam, konnte sichdiese Allianz bis heute bewähren, wenngleichder wahhabitische Klerus eher als „Junior-partner“ agiert; die Entscheidungs- und Ge-staltungsgewalt liegt bei der Al Saud. Ihnen istes gelungen, ihren Machtanspruch zu be-wahren, indem sie mit einer geschickten Kom-bination aus Repression und TeilhabeMinderheiten und Andersdenkende unterdrü-cken, während weite Teile der Gesellschaftvom neu errungenen Reichtum profitierten.Dies sorgte in Saudi-Arabien für eine ober-flächliche Grabesruhe und eine gewisse wirt-schaftliche wie gesellschaftliche Stabilität,ohne die es der Al Saud nicht möglich gewe-

sen wäre, ihren außenpolitischen Einflussauszubauen. Als enger Verbündeter der USAund ihrer sunnitisch-wahhabitischen Ausrich-tung gelten sie seit Jahrzehnten als Brücken-kopf des Westens bei der Eindämmung desschiitischen Irans. Traditionell verbindetSaudi-Arabien und Iran eine tiefe Feindschaft,die nicht nur durch die konfessionellen Unter-schiede und die antischiitische Polemik desWahhabismus, sondern auch durch die geo-strategischen Vormachtbestrebungen beiderLänder am Golf begründet wird. Nach demSturz Saddam Husseins im Irak und derMachtübernahme der schiitisch geprägtenRegierung Nuri al-Malikis fürchteten die sau-dischen Herrscher eine Ausbreitung des schi-itischen Einflusses innerhalb der arabischenWelt. Dies würde Iran als „Schutzmacht derSchiiten“ nützen und die Machtlegitimationder Al Saud limitieren, zumal in der saudi-schen Ostprovinz die saudischen Schiiten(mit einem Bevölkerungsanteil von 10-12%)eine existenzielle Bedrohung für das sunniti-sche Königshaus werden könnten, sollten sievon Iran vereinnahmt werden, so die Be-fürchtung der Al Saud. Diese Paranoia, diesetraumatische Paralysierung vor einer schiiti-schen Druckwelle hat sich tief in das nationaleBewusstsein Saudi-Arabiens eingegrabenund bestimmt die saudische Außenpolitik. Diese beruht auf drei Pfeilern:

1. Die Eindämmung Irans;2. Die politische Nähe zum Westen und vorallem den USA, ohne ideologische Verbrü-derung zu suchen;3. Die Förderung von sunnitisch-wahhabi-tischen Denkstrukturen und Organisationenauf der ganzen Welt.

1 Der Golfkooperationsrat wurde von Bahrain, Kuwait, Oman, den VAE, Katar und Saudi-Arabien mit einerGesamtbevölkerung von etwa 40 Mio. gegründet und sollte dazu beitragen, die multilaterale Kooperationin den Bereichen Wirtschaft und Sicherheit der Mitgliedsstaaten zu verbessern, um der damaligen Dominanz des Iraks und Irans entgegenzuwirken. Weitere Ziele waren die Schaffung einer gemeinsamen Armee, die Stärkung des Privatsektors, die wirtschaftliche Liberalisierung sowie die Einrichtung einer Freihandelszone, was 1983 realisiert werden konnte. 1998 wurde ein gemeinsamesPatentbüro eröffnet, 2003 eine Zollunion und 2008 ein gemeinsamer Wirtschaftsmarkt geschaffen. Infrastrukturell sollen die Mitgliedsländer besser vernetzt werden, die gemeinsame elektrische Versorgung ebenso ausgebaut werden wie ein grenzübergreifendes Eisenbahnnetz. Ein Drittel aller GKR-Importe kommt aus der Europäischen Union (EU), was auch ein 1989 eingerichtetes Handelsabkommenerwirkte. Mittlerweile ist China einer der fünf wichtigsten Handelspartner des GKR. Zwar wurden mit demJemen Verhandlungen über einen Beitritt geführt, dieser konnte bislang allerdings nicht realisiert werden.Im Zuge des „Arabischen Frühlings“ erging an die beiden arabischen Monarchien Jordanien und Marokkodie Einladung im Mai 2011, Neumitglieder des GKR zu werden. Dies wurde als Maßnahme gewertet, denZusammenhalt zwischen den arabischen Monarchien zu stärken, um sich als geeinte „gegenrevolutionäreKraft“ gegenüber den Transformationsländern zu behaupten. Vgl. u. a. Deutsches Orient-Institut (Hrsg.):Personalities in the Countries of the Gulf Cooperation Council, Berlin 2010, S. 8ff.

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Mit dieser Drei-Pfeiler-Strategie gelingt esSaudi-Arabien seit Jahren, regionalen Ein-fluss auszubauen, eigene geostrategischeInteressen zu verfolgen und gleichzeitig alsverlässlicher Partner des Westens zu gelten.Dies erscheint vor allem deswegen in Teilenkaum verständlich, gilt doch Saudi-Arabienals repressives Regime, dessen politischeund ideologischen Ansichten nicht im Sinnedes Westens sein können: Geschlechtertren-nung, Verfolgung von Oppositionellen, Todes-strafe für angebliche Häretiker, eine offenproklamierte Ablehnung von Christen, Judenund Schiiten sowie die missionarische Unter-stützung von dubiosen islamistischen Grup-pierungen mit Infrastruktur und Finanzmittelnvon Pakistan bis in den Maghreb können kei-neswegs als positive Grundlagen einer west-lichen Nahostpolitik gelten. Dennoch gelingtes dem saudischen Königshaus geschickt,sich außenpolitisch als pragmatischer undnüchterner Konfliktlöser zu gerieren, derebenso mit Israel wie Iran verhandelt, ohnesich ideologisch borniert zu verhalten. Saudi-Arabien ist viel mehr als ein engstirniger Got-tesstaat, sondern ein Akteur mit strategischerWeitsicht, dem es gelungen ist, seine religi-öse, wirtschaftliche und demographische Po-tenz gewinnbringend für die eigenenaußenpolitischen Interessen einzusetzen. Katar versucht ähnliches, allerdings stehendem kleinen Emirat andere Ressourcen zurVerfügung. Zum einen verfügt das Land nurüber einen Bruchteil der Bevölkerung Saudi-Arabiens, befindet sich dabei in einer sensi-blen geostrategischen Situation zwischen denrivalisierenden Regionalmächten Iran undSaudi-Arabien, und muss daher seine Außen-politik den gegenwärtigen Realitäten anpas-sen. Unter Emir Hamad bin Khalifa Al Thanigelingt dies eindrucksvoll: Er konnte den wirt-schaftlichen Fortschritt verstetigen, Katar zueinem der reichsten Länder der Welt machenund gleichzeitig das außenpolitische Imageals „ehrlicher Makler“ in der Region verfesti-gen. Katar, aufgrund seiner Größe nie alsaußenpolitischer Akteur in Erscheinung ge-treten, ist innerhalb weniger Jahre zur zwei-ten Führungsmacht neben Saudi-Arabienaufgestiegen und nimmt direkten Einfluss aufdie regionalen Geschicke. Auch KatarsAußenpolitik beruht hierbei auf drei Säulen:

1. Die Strategie, Konflikte moderieren zuwollen und sich so als verlässlicher Partneraller Parteien zu gerieren;

2. Die Nutzung des katarischen Satelliten-sendersAl Jazeera, um neben einer gewis-sen Meinungsfreiheit auch außenpolitischeInteressen zu fördern;3. eine prowestliche Politik, mit der die ei-gene Sicherheit garantiert werden soll.

Katar übernahm mit dieser Strategie die Vor-reiterrolle als Mediator in mehreren regiona-len Konflikten und gerierte sich als neutralerBerater und ausgleichende Kraft. Gleichzeitignutzt das katarische Emirat den hauseigenenSatellitensender Al Jazeera, um einerseitseine neue Medienkultur in der arabischenWelt zu etablieren – Al Jazeera ist längst zumunumstrittenen Leitmedium für die arabischeÖffentlichkeit geworden – und um anderer-seits befreundete Monarchien wie in Bahrainmedial zu unterstützen und zum Teil sunni-tisch-wahhabitische Ansichten zu verbreiten.Geschickt verknüpft so das katarische Emirateine gesteuerte Liberalisierung und Presse-freiheit mit außenpolitischen Interessen undnutzt Al Jazeera als Marketinginstrument dereigenen Agenda.Neben diesen beiden „Schwergewichten“ derAußenpolitik unter den Golfstaaten fallen dieanderen Länder deutlich zurück, konnten aberauch ihren regionalen und teilweise interna-tionalen Einfluss zumeist im Diskreten deut-lich ausbauen: Die Vereinigten ArabischenEmirate, Oman oder Kuwait veranstalten zwarselten eine außenpolitische One-Man-Show,agieren jedoch im GKR als souveräne undselbstbewusste Akteure, die eigene Interes-sen vertreten und sich somit auch gegenüberden politischen Vorreitern Saudi-Arabien undKatar profilieren können, obwohl sie im Allge-meinen doch eher den Ansichten dieserTrendsetter folgen. Dagegen erscheint Bahrain in der näherenVergangenheit verstärkt als wichtiges außen-politisches Objekt, das für Anrainer und inter-nationale Akteure zwar von entscheidenderstrategischer Bedeutung ist, selbst aber zuschwach und innenpolitisch zerrüttet er-scheint, als dass es ihm möglich wäre, eineaktive Außenpolitik zu betreiben. Die Regionder Golfstaaten hat sich aus ihrer lange Zeitandauernden Unmündigkeit befreit, agiert alsunabhängiger Akteur, wobei jedes Land ei-gene Strategien, Interessen und Ambitionenverfolgt. Hierfür werden unterschiedlicheMittel eingesetzt und unterschiedliche Bezie-

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hungen aufgebaut. Partnerschaften zu denUSA, Europa, China, Iran oder Russland wer-den nach Bedarf geschlossen und parallel ge-pflegt – solange es den eigenen Interessennutzt. Auf der anderen Seite bleibt den inter-nationalen Akteuren nichts anderes übrig, alsdies zu akzeptieren und den erstarkten Golf-staaten mit Respekt gegenüber zu treten, wol-len sie in der Golfregion noch über Einflussverfügen. Längst sind die Zeiten vorbei, indenen der Westen die Golfstaaten als Ma-növriermasse gebrauchen konnte, um wirt-schaftliche und politische Ziele zu erreichen.Die derzeitigen Transformationsprozesse inÄgypten, Libyen und Tunesien zeigen ebensowie der Bürgerkrieg in Syrien, die Transitionim Jemen, die Situation im Libanon, das wei-tere Vorgehen im Konflikt um das iranischeAtomprogramm oder der festgefahrene Na-hostkonflikt, dass ohne den Einfluss der Golf-staaten nur noch schwerlich außenpolitischeErfolge in der Region zu erreichen sind. Glei-ches gilt auch für die komplizierte und teil-weise desaströse Situation in Afghanistan undPakistan, zu denen einige Golfstaaten tradi-tionell enge Beziehungen unterhalten. Dies hat der Westen, zuallererst die USA unddie EU, erkannt und bemüht sich um einestärkere Einbeziehung der Golfmonarchienauf das internationale Parkett. Ähnlich ver-halten sich Russland und China. Dass es sichhierbei gerade in Zeiten des demokratischenAufbruchs innerhalb der arabischen Welt umeinen Drahtseilakt handelt, repressive undautoritäre Monarchien mit ungenügenden de-mokratischen Partizipationsmechanismen zuengen außenpolitischen Partnern aufzuwer-ten, stößt auf Kritik. Zumal ähnliche Strick-muster auch bei der jahrzehntelangenProtektion der autokratischen Regimes in

Ägypten, Libyen und Tunesien angewandtwurden. Die vorliegende Studie des Deutschen Orient-Instituts will die außenpolitischen Entwicklun-gen in den Golfstaaten aufzeigen, analysierenund einordnen. Ziel ist es, das oftmals ambi-valente und kaum transparente Gestrüpp anstrategischen Interessen, angewandten Stra-tegien und existierenden Ambitionen zu ent-wirren. Dies soll anhand von Einzelanalysender Länder Vereinigte Arabische Emirate,Saudi-Arabien, Katar, Oman, Bahrain, Kuwaitund Irak erfolgen, in denen auf die außenpo-litische Konzeption der einzelnen Staaten voreinem aktuellen sowie historischen Kontexteingegangen wird. Ihr Verhältnis untereinan-der wird hierbei ebenso beleuchtet wie die Be-ziehungen zum Westen, China und Russland,sowie Iran und Israel und anderen wichtigenregionalen Akteuren wie z. B. die Türkei.Deutlich soll werden, wie heterogen und am-bivalent sich die außenpolitischen Interessender einzelnen Golfstaaten darstellen, überwelchen Einfluss sie verfügen, in welchemUmfang mit der EU, den USA, China undRussland kooperiert wird und wie sich in Zu-kunft die Außenpolitik der Golfstaaten dar-stellen könnte. Hierbei können nicht alleAspekte der mannigfaltigen Außenpolitik derGolfstaaten beleuchtet werden, sodass sichlandesspezifisch auf die entscheidendenPunkte beschränkt wird. Dennoch soll deut-lich werden, dass die „alte“ arabische Welt, imSinne des ehemaligen US-Verteidigungsmi-nisters Donald Rumsfeld und seiner Charak-terisierung des „Old Europe“, längstzugunsten der „neuen“ arabischen Welt anaußenpolitischem Einfluss verloren hat.Sebastian Sons

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Saudi-ArabienI. Einleitung – Pragmatische oder ideolo-gische Außenpolitik?

Saudi-Arabien hat in den letzten Jahrenund Jahrzehnten seine Stellung als be-deutender außenpolitischer Akteur

ausgebaut und gehört als bevölkerungsreich-stes Land mit knapp 28 Mio. Einwohnern zuden einflussreichsten Mitgliedern im Golfkoo-perationsrat (GKR). Nicht ohne Grund befin-det sich der Hauptsitz des GKR in dersaudi-arabischen Hauptstadt Riad. Dabei be-ruht die saudi-arabische Außenpolitik traditio-nell auf drei Pfeilern, die nicht immermiteinander korrespondieren, sondern sichoftmals auch diametral entgegenstehen:

(1) die traditionelle Konkurrenz mit Iran umdie hegemoniale Vormachtstellung;(2) die strategische Allianz mit den USA;(3) die Unterstützung und Förderung vonkonservativen islamistischen wahhabitisch-salafistischen Bewegungen und Strömun-gen in der ganzen Welt.

Saudi-Arabiens außenpolitisches Selbstver-ständnis und seine strategische Ausrichtungwird von diesen drei Pfeilern bestimmt. Dabeiagiert das saudische Königshaus jedoch nichtideologisch verbrämt oder gar sprunghaft,sondern geriert sich seit Jahrzehnten als ver-lässlicher Partner für die USA im Kampfgegen den islamistischen Terrorismus und beider Einhegung Irans. Die Al Saud, die saudi-sche Königsfamilie, stützt demnach ihre Legi-timation und Macht nicht allein auf diefinanzielle Potenz durch die größten Erdölre-serven der Welt und der starken Allianz mitden wahhabitischen Gelehrten, den ulama,sondern auch auf diese langfristig angelegteKonzeption ihrer Außenpolitik. Als starker pro-westlicher Verbündeter der USA während desKalten Krieges wurde das saudische Königs-haus ebenso als Bollwerk gegen den Kom-munismus protegiert, wie nach denTerroranschlägen vom 11. September 2001im so genannten „Kampf gegen den Terro-rismus“. Hierbei geriet das saudische Königshaus je-doch immer wieder in den Konflikt, zwischenrealpolitischem Kalkül und ideologischen Kon-zeptionen entscheiden zu müssen, beruhtdoch der saudi-arabische Staat und damit die

Autorität der Al Saud auch auf der Unterstüt-zung durch die wahhabitischen ulama. DerWahhabismus, eine reaktionär-erzkonserva-tive Lesart des sunnitischen Islams, wurdevon Muhammad ibn Abd al-Wahhab (1703-1792) ins Leben gerufen, der Mitte des 18.Jahrhunderts in der heutigen saudi-arabi-schen Provinz Najd lebte und wirkte. Soziali-siert in einem tribalen und ruralen Umfeldempfand er seine Mitmenschen als dekadent,korrumpiert und den weltlichen Genüssenverfallen. Er predigte eine Rückkehr zu denwahren Werten des Islams, die in der „golde-nen Frühzeit“ unter dem Propheten Muham-mad und seinen Gefährten geherrscht hätten,und beschuldigte die Bewohner des Najd,vom rechten, gottesfürchtigen Weg abge-kommen zu sein. Seine religiöse Auffassungorientierte sich an den „Frommen Altvorderen“(arabisch: as-salaf as-salih), die für ihn alsVorbilder für eine reine, unverdorbene undgottesfürchtige Gesellschaft dienten. Hierzugehörte für Ibn Abd al-Wahhab das Verbotvon „unreinen Genüssen“ und „verbotenenNeuerungen“ (arabisch: bida) wie Tabakkon-sum, Tanz oder die Verehrung von Heiligen-gräbern, die er als Apostasie ablehnte.Muslime, die seinen strengen Regeln nichtbedingungslos folgen wollten, wurden ex-kommuniziert (arabisch: takfir) und als Apo-staten (arabisch: kuffar) bezeichnet, womit vorallem die Schiiten gemeint sind, deren Heili-gen- und Imamverehrung Abd al-Wahhab alsunverzeihlicher Frevel galt und er sowie seineMitstreiter Gräber verbrennen und Schiitenverfolgen ließen.1 Dieser Antischiismus istseitdem integraler Bestandteil saudi-arabi-scher Staatsräson und zeigt sich vor allem imKonflikt mit dem schiitischen Rivalen Iran, wiespäter gezeigt werden wird.Ibn Abd al-Wahhabs radikale Glaubensausle-gung stieß bei seiner Umgebung zuerst aufSkepsis und offene Ablehnung. Erst, nach-dem er mit dem damaligen Herrscher über dieunbedeutende Oase Dariya, Muhammad IbnSaud (1710-1765), im Jahr 1744/45 eine stra-tegische Partnerschaft eingegangen war, ge-lang es ihm, seine Islaminterpretation regionalzu verbreiten. Muhammad Ibn Saud, der mili-tärisch-politische Stratege, unterstützte IbnSaud bei dessen Missionierungskampagnenauch mit Gewalt, sodass es mithilfe dieser mi-litärisch-politisch-religiösen Allianz gelang,den Najd zu erobern und die wahhabitischeGlaubensdoktrin schrittweise zu verbreiten.2

1 Peskes, Esther, Muhammad b. Abdalwahhab (1703-92) im Widerstreit. Untersuchungen zur Rekonstruktion der Frühgeschichte der Wahhabiya, Stuttgart 1993.

2 Steinberg, Guido: Religion und Staat in Saudi-Arabien. Die wahhabitischen Gelehrten 1902-1953, Würzburg 2002.

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Doch erst mit der Staatsgründung durch Abdal-Aziz Ibn Saud, einem Enkel von Muham-mad, im Jahr 1932 gelang es der saudischenDynastie gemeinsam mit der wahhabitischenGeistlichkeit, ihre Machtallianz zu verstetigenund in staatliche Strukturen zu überführen.Der Wahhabismus wurde zur ideologisch-re-ligiösen Staatsdoktrin im neu gegründetenSaudi-Arabien, die wahhabitischen Gelehrtenerreichten schnell den Rang eines offiziellenKlerus und die Al Saud wurden zum unum-strittenen herrschaftlichen MachtzentrumSaudi-Arabiens. Auch wenn das symbiotischeVerhältnis beider Parteien in der wechselrei-chen und konfliktträchtigen Geschichte Saudi-Arabiens immer wieder herausgefordertwurde, hat es doch bis heute Bestand. BeidenPartnern ist bewusst, dass die Existenz desStaates vor allem auf der Allianz zwischenGeistlichkeit und Politik fußt, sodass eine Auf-kündigung dieses Bündnisses auch das Endeder staatlichen Einheit mit sich führenkönnte.3Doch trotz dieser allgemeinen partnerschaft-lichen Konstanz unterliegt das wahhabitisch-saudische Verhältnis immensenSchwankungen. In den letzten Jahrzehntenist es den Al Saud gelungen, die einstige Ausgewogenheit der Partnerschaft zu ihrenGunsten zu verändern, sodass die ulamamitt-lerweile zu einem „Juniorpartner“4 degradiertwurden: Sie werden vom Staat bezahlt, agie-ren weitgehend in staatlichen Organisationenund können somit als „religiöse Beamte“ be-zeichnet werden, die in der Regel im Sinnedes Königshauses und dessen politischenInteressen entscheiden. Dennoch können essich die Al Saud nicht erlauben, die Allianz mitder wahhabitischen Geistlichkeit aufzukündi-gen, da deren gesellschaftlicher Einfluss im-mens bleibt. Die religiöse Elite bestimmtsoziale Diskurse, verfügt weiterhin über einenormes Mitspracherecht z. B. bei Fragen derGeschlechtertrennung, der Rolle der Frau,der Bildung, des Gesundheitssystems, derOrganisation der Pilgerfahrt etc. Den ulamaihre Macht und ihren Einfluss auf den öffent-lichen Diskurs zu nehmen, wäre daher für dieAl Saud schlicht undenkbar.5 Immerhin ge-hört der wahhabitische Islam zur nationalenIdentität Saudi-Arabiens und auch die Mit-glieder der Königsfamilie gerieren sich alsfromme und gute Muslime, sodass die Part-nerschaft mit den ulama aufrecht erhalten

wird, um einerseits soziale Proteste und in-neren Unfrieden zu vermeiden und anderer-seits ihre realpolitischen, oftmalspragmatischen Entscheidungen mit religiösenRechtsgutachten (arabisch: fatawa) zu legiti-mieren. Die Aufrechterhaltung dieser Allianz erscheintauch deswegen als überlebensnotwendig fürden saudischen Staat, da eine „nationaleIdentität“, ein starkes Staatsbewusstsein, bisheute nur ansatzweise existiert. Die Erobe-rungen der Al Saud schufen zwar ein geeintesTerritorium, dennoch orientieren sich indivi-duelle Loyalitätsverhältnisse weitgehend anden tribalen, regionalen und familiären tradi-tionellen Bindungen.

„The 20th century witnessed the emer-gence of a state imposed on people wi-thout a historical memory of unity ornational heritage which would justifytheir inclusion in a single entity.”6

Dies hat insbesondere für die Außenpolitikgravierende Auswirkungen, wie vor allem dasambivalente Verhältnis zu den USA beweist.Die innenpolitische Allianz zwischen Staats-klerus und politischer Elite bestimmt daherauch die strategische Ausrichtung der Außen-politik, bei der einzelfallabhängig die Bedeu-tung von ideologischen und realpolitischenInteressen abgewogen werden muss. Insbe-sondere durch den wirtschaftlichen AufstiegSaudi-Arabiens in den letzten Jahrzehntenwuchs auch der außenpolitische Einfluss. Jestärker die wirtschaftliche Bedeutung Saudi-Arabiens zunahm, desto wichtiger wurde seinaußenpolitischer Einfluss als selbsternannteFührungsmacht am Golf. Saudi-Arabien geriert sich mittlerweile als sicherheitspolitischer Ordnungshüter, alsSchutzmacht für die kleinen sunnitischenGolfstaaten gegen externe Bedrohungen wieIran. Aufgrund der religiösen Vormachtstel-lung als „Hüter der beiden Heiligen Stätten“Mekka und Medina und der Allianz mit denwahhabitischen ulama genießt das Königshaus nicht nur wirtschaftliche und poli-tische Autorität, sondern gilt bei den meistenseiner Nachbarstaaten als moralisch integerund religiös akzeptiert. Dies erlaubte esSaudi-Arabien, viele Konflikte in seinemSinne zu moderieren und zu lösen. Hierbei

3 Vgl. al-Rasheed, Madawi: A History of Saudi Arabia, Cambridge 2002.4 Vgl. Steinberg, Guido: Saudi-Arabien. Politik, Geschichte, Religion, München 2004.5 Vgl. Fandy, Mamoun: Saudi Arabia and the Politics of Dissent, London 1999; Teitelbaum, Joshua:

Holier than thou. Saudi Arabia’s Islamic Opposition, Washington 2000.6 Al-Rasheed, Madawi: A History of Saudi Arabia, Cambridge 2002, S. 3.

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kam es den Al Saud darauf an, außenpoliti-sche Entscheidungen einerseits nach kalku-lierten Eigeninteressen, andererseits nachideologischen Gesichtspunkten zu treffen.Saudi-Arabien als die sunnitische Führungs-macht in der islamischen Welt kann es sichaus Gründen der Akzeptanz kaum erlauben,reine Realpolitik zu betreiben, ohne die ideo-logisch-religiöse Dimension zu missachten.Dies hätte nicht nur innenpolitische Kritik seitens der Religionsgelehrten und weiterTeile der konservativen Bevölkerung zurFolge, sondern könnte auch im arabisch-sun-nitischen Ausland zu skeptischen Reaktionenführen. Dieser Umstand, der demnach nichtnur als strategischer Vorteil, sondern auch alsZwang verstanden werden muss, bringtSaudi-Arabiens Elite in die delikate Situation,bei jeder außenpolitischen Entscheidungneben den realpolitischen Konsequenzenauch die religiös-ideologischen Implikationenbeachten zu müssen. In der folgenden Länderanalyse sollen daherdie Implikationen, Auswirkungen und strategi-schen Ambitionen der saudi-arabischenAußenpolitik im Hinblick auf die oben ge-nannten drei Pfeiler analysiert werden, umweiterhin die Auswirkungen des so genann-ten „Arabischen Frühlings“ auf die außenpoli-tische Konzeption zu untersuchen.Insbesondere der Ausbruch des „ArabischenFrühlings“ fordert die klassische saudischeAußenpolitik heraus und verändert Vorge-hensweisen und Strategien, worauf ebenfallseingegangen wird. Es folgen die Länderbei-spiele zu Libyen, Ägypten und Jemen. Weiter-hin soll auch das Beziehungsgeflecht zuDeutschland, Russland und Pakistan be-leuchtet werden. II. Saudi-Arabien und Iran – Regionalkon-flikt um die Vormachtstellung am GolfIran und Saudi-Arabien gelten als traditionelleRivalen um die Vormachtstellung am Golf.7Als wichtigste, bevölkerungsstärkste und wirt-schaftlich einflussreichste Akteure konntenbeide Staaten ihren strategischen, politischenund ideologischen Einfluss in den letzten

Jahrzehnten deutlich vergrößern. Hierbeisieht Saudi-Arabien in Iran eine existenzielleBedrohung für die eigenen geostrategischenInteressen sowie für die gesamte arabisch-sunnitische „Gemeinschaft der Gläubigen“(arabisch: umma). Bei dieser WahrnehmungIrans als hegemonialer Konkurrent sowie alsideologisch-religiöser Widerpart zeigt sich dieVermengung saudischer Realpolitik mit demideologischen Anspruch, die Führungsmachtdes sunnitisch-arabischen Islams darzustel-len und dadurch Strahlwirkung für alle ande-ren sunnitischen Nachbarn der Region zubesitzen. Der schiitisch-persische Iran dientsomit als klassischer Antagonist, als signifi-kantes Feindbild und ärgste Bedrohung derantischiitischen wahhabitischen Lehre.8Saudi-Arabiens Doktrin, Schiiten per se alsUngläubige zu diffamieren, wirkt sich auch aufdas bilaterale Verhältnis zu Iran aus, was sichinsbesondere nach dem Sturz des Schahsund der Gründung der Islamischen Republikdurch Ayatollah Ruhollah Khomeini im Jahre1979 deutlich verschlechterte. Der Missionie-rungsanspruch Khomeinis, die schiitische Re-volution exportieren zu wollen, fasste dassaudische Königshaus als direkten Affrontauf. Es fürchtete eine schiitische InvasionSaudi-Arabiens sowie die Instrumentalisie-rung der saudischen Schiiten im Osten desLandes, die als „fünfte Kolonne“ Irans ange-sehen wurden.9 Dementsprechend begrüßteSaudi-Arabien das militärische Vorgehen desIraks gegen Iran (1980-1988), erhofften sichdie Al Saud doch eine Schwächung des schi-itischen Konkurrenten.10Die Angst vor einer schiitischen Bedrohungwuchs auch dadurch, weil es ebenfalls imJahre 1979/1980 zu den ersten großflächigenProtesten von weiten Teilen der saudischenSchiiten gekommen war, welche General-streiks einberiefen und die Arbeit auf den Öl-quellen in der Ostprovinz al-Ahsaverweigerten.11 Saudi-Arabiens Königshausreagierte mit Gewalt und ließ die Aufständeniederschlagen. Dass im selben Jahr eineGruppe von militanten Islamisten um Juhay-man al-Utaibi die Große Moschee von Mekka

7 Vgl. Fürtig, Henner: Iran's Rivalry With Saudi Arabia Between the Gulf Wars, Berkshire 2006.8 Vgl. Zeino-Mahmalat, Ellinor: Saudi-Arabiens und Irans Regionalpolitik zwischen Ideologie und

Pragmatismus, GIGA Focus Nr. 1, Hamburg 2009.9 Vgl. Ehteshami, Anoushiravan, Zweiri, Mahjoob: Iran’s Foreign Policy. From Khatami to Ahamdinejad,

Bershire 2008.10 Vgl. Karsh, Efraim: The Iran-Iraq War, Impact and Implications, London 1987.11 Vgl. Jones, Toby: Rebellion on the Saudi Periphery: Modernity, Marginalization and the Shi’a Uprising

of 1979, in: International Journal of Middle East Studies 38(Mai 2006)2, S. 213-233, Ibrahim, Fouad: The Shi’is of Saudi Arabia, London 2006.

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gewaltsam besetzten, Pilger als Geisel nah-men und die „Wiederkehr des Mahdis“, die imschiitischen Islam populäre Figur des end-zeitlichen Erlösers, forderten12 , versetzte dasKönigshaus regelrecht in Panik vor einer schi-itischen Unterwanderung.13 Zwar wurden dieBelagerer in einem blutigen Kampf im Tun-nelsystem der Moschee mithilfe von Giftgasund ausländischen Antiterroreinheiten be-siegt, die Überlebenden in der Öffentlichkeithingerichtet und die schiitischen Aufstände imOsten niedergeschlagen, dennoch sollte dasJahr 1979 als Wendepunkt der saudischenGeschichte gelten. Von nun an gaben sich dieAl Saud wieder als fromme Vertreter des wah-ren sunnitischen Glaubens, bauten das religi-öse Bildungssystem aus, stärkten diePräsenz der Religionspolizei, verschärften dieantischiitische und antiiranische Propagandaund betonten die enge Allianz zu den ulama. Weiterhin wurden unliebsame islamistischeOppositionelle, die gegen das Königshausaufbegehrt hatten, als mujahidin nach Afgha-nistan geschickt, um dort nach der Invasionder Sowjetunion gegen die „Ungläubigen“ ander Seite ihrer muslimischen „Glaubensbrü-der“ zu kämpfen. Usama bin Ladin gehörteauch zu jenen Kräften, deren Abwesenheit imsaudischen Königshaus wohlwollend bewer-tet wurde, deren Radikalisierung sich aberspäter gegen die Al Saud richten sollte.Saudi-Arabiens kritische Haltung gegenüberIran und seinen angeblichen Ambitionen, diearabische Welt zu „schiitisieren“14, gehört mitt-lerweile zur nationalen Identität des wahhabi-tischen Saudi-Arabiens. Die Abneigunggegenüber Iran hat sich mit der Wahl des der-zeitigen Präsidenten Mahmud Ahmadinejadnochmals verstärkt, nachdem sich beideStaaten unter den iranischen Präsidenten AliAkbar Hashemi Rafsanjani (1989-1997) undMuhammad Khatami (1997-2005) wieder vor-sichtig angenähert hatten. Aber Ahmadine-jads offensive Propaganda, den regionalen

Status Irans auszuweiten, der Konflikt um dasiranische Atomprogramm und die Unterstüt-zung von schiitischen Partnern in der arabi-schen Welt beunruhigen die Al Saud. Sobetonte im Juni 2011 Prinz Turki al-Faisal, von1977 bis 2001 Leiter des saudischen Ge-heimdienstes und früherer Botschafter inWashington, dass Saudi-Arabien ebenfallsAmbitionen hegen würde, die Atombombe zubesitzen, sollte Iran sein Nuklearprogrammrealisieren.15 Im Januar 2012 wiederholte al-Faisal, dass bei einer Bedrohung der saudi-schen Sicherheitsinteressen durch Iran alleOptionen zur Verteidigung in Erwägung ge-zogen würden.16 Als dann noch bekanntwurde, dass im Juni 2011 Agenten der irani-schen Revolutionären Garden einen Atten-tatsversuch auf den saudi-arabischenBotschafter Adel al-Jubair in Washington ge-plant hatten, drohte kurzzeitig die Eskala-tion17. Die offene und versteckte Parteinahmefür die schiitische Hisbollah im Libanon oderdie Unterstützung des alawitischen syrischenPräsidenten Bashar al-Assad auch währendder seit mehr als einem Jahr dauernden mili-tärischen Auseinandersetzung dienen demsaudischen Königshaus als Beweis für die ex-pansionistischen Bestrebungen des schiiti-schen Rivalen. Die pro-schiitischenKonsequenzen des Irakkrieges von 2003, dieStärkung der Hisbollah nach dem Krieg im Li-banon 2006 sowie der Hamas im Gaza-Strei-fen bewerten die Al Saud als einebesorgniserregende Einflusszunahme Iranszuungunsten Saudi-Arabiens.

„In Saudi Arabia there is not just fearthat Iran wants a greater role in the re-gion, there is alarm that Iran wants tocontrol the region.“18

Dabei ist nicht immer klar voneinander zutrennen, wann ideologisch verbrämte Diffa-mierungspropaganda endet und das Strebennach realpolitischen Zielen beginnt. So exis-tieren durchaus einige Politikfelder, in denen

12 Vgl. Halm, Heinz: Der schiitische Islam. Von der Religion zur Revolution, München 1994.13 Vgl. Peil, Florian: Aufstand in Mekka, Berlin 2006; Yaroslav Trofimov: The Siege of Mecca –

The Forgotten Uprising in Islam’s Holiest Shrine and the Birth of Al Qaeda, New York 2007.14 Vgl. Reissner, Johannes: Irans Selbstverständnis als Regionalmacht. Machtstreben im Namen

antikolonialer Modernität, Berlin 2008.15 Vgl. Burke, Jason: Riyadh will build nuclear weapons if Iran gets them, Saudi prince warns, The Guardian,

29. Juni 2011, http://www.guardian.co.uk/world/2011/jun/29/saudi-build-nuclear-weapons-iran, abgerufenam 21.08.2012.

16 Vgl. AFP: Saudi ex-spy chief says ‚all’ options open to Iran, 18. Januar 2012, http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5hmZf2d-tQzduCVQr_v3gyAh5ZEVQ?docId=CNG.071c7ffd572544aff1187d004ab66dba.1b1, abgerufen am 15.05.2012.

17 Vgl. BBC News: Iran agents ‚planned US terror attacks’, 11. Oktober 2011,http://www.bbc.co.uk/news/world-us-canada-15266992, abgerufen am 21.08.2012.

18 Boucek, Christopher, Sadjadpour, Karim: Rivals – Iran vs. Saudi Arabia. Questions and Answers, CarnegieEndowment, 20. September 2011, http://www.carnegieendowment.org/2011/09/20/rivals-iran-vs.-saudi-arabia/68jg, abgerufen am 16.03.2012.

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19 Vgl. The Daily Star: Ahmadinejad arrives in Saudi Arabia for Islamic summit, 13. August 2012,http://www.dailystar.com.lb/News/Middle-East/2012/Aug-13/184518-ahmadinejad-arrives-in-saudi-arabia-for-islamic-summit.ashx#axzz24BzEvCmb, abgerufen am 21.08.2012.

20 Vgl. Kinninmont, Jane: Why has the Saudi king invited Ahmadinejad to the Syria summit? The Guardian,7. August 2012, http://www.guardian.co.uk/commentisfree/2012/aug/07/saudi-king-ahmadinejad-syria-summit, abgerufen am 15.08.2012.

21 Vgl. Die ZEIT: Organisation islamischer Staaten schließt Syrien aus, 16. August 2012,http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-08/syrien-oic-ausschluss, abgerufen am 21.08.2012.

22 Vgl. Perthes, Volker: Iran. Eine politische Herausforderung, Frankfurt/Main 2008; Schirazi, Asghar: The Constitution of Iran. Politics and the State in the Islamic Republic, New York 1997.

23 Vgl. Buchta, Wilfried: Who Rules Iran? The Structure of Power in the Islamic Republic, Washington2001; ders.: Die iranische Schia und die islamische Einheit 1979-1996, DOI, Hamburg 1997; Meashari,David: Iran. A Decade of War and Revolution, New York, London 1990, Abrahamian, Ervand: Khomeinism.Politics and Ideology in Contemporary Iran, Princeton 1994; Bakhash, Saul: The Reign of the Ayatollahs.Iran and the Islamic Revolution, New York 1984; Naficy, Mehdy: Klerus, Basar und die iranische Revolution, Hamburg 1993.

Saudi-Arabien und Iran zusammenarbeiten(müssen), um ihre eigenen Interessen zuwahren. Immerhin lud der saudische Königden „Paria der islamischen Welt“ Mahmud Ah-madinejad zum Gipfel der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) nachMekka im August 2012 ein, um vor allem imUmgang mit dem Syrien-Konflikt an einer gemeinsamen Lösung zu arbeiten.19 DieseEinladung sowie der erste Besuch nach 2007kamen vor dem Hintergrund der gegenseiti-gen Rivalität überraschend.20 Außerdem ver-folgen beide Regierungen eine diametralePolitik in Syrien. Und so einigten sich die 57Mitglieder der OIC am Ende des Gipfels zwarauf einen Ausschluss Syriens, Iran jedochstimmte dagegen21, sodass die EinladungIrans eher als symbolischer Akt, denn als Zei-chen der gegenseitigen Annäherung gesehenwerden sollte. Interessanterweise befinden sich beide Staa-ten zwar in einem traditionellen Wettstreit umregionale Vormacht und religiöse Deutungs-hoheit, unterscheiden sich in ihren Strukturenund ihrem Staatsverständnis jedoch keines-wegs so gravierend, wie gern suggeriert wird.In Iran bildet die „Herrschaft des Rechtsge-lehrten“ (Velayet-e faqih) als schiitisch legiti-mierte klerikale Stellvertreterherrschaft inAbwesenheit des 12. Imams die Grundlageder iranischen Staatsvorstellung seit der Isla-mischen Revolution 1979 und der Macht-übernahme durch den schiitischen Klerusunter Ayatollah Khomeini. In der IslamischenRepublik Iran liegt die Souveränität allein beiGott, während dem Volk zwar einige demo-kratische Rechte zugesprochen werden, diehierarchische Autorität der Legislative, Judi-kative und Exekutive jedoch bei den klerikal-religiösen Institutionen wie dem OberstenRevolutionsführer (rahbar), dem Feststel-lungs- und dem Wächterrat liegen. Dadurchwird die Legitimität der Regierung Irans durchdie religiöse Autorität wesentlich begründet,

auch wenn es in der Vergangenheit immerwieder zu destabilisierenden Konflikten zwi-schen säkularen und religiösen Akteuren derunterschiedlichen Ebenen kam.22Experten titulieren Iran oft als Theokratie, wasjedoch einerseits durch die republikanischenStaatselemente nur unzureichend zutrifft, an-dererseits die sich überlagernden Machtzirkelder verschiedenen religiösen und weltlichen,herrschenden und oppositionellen, verfas-sungsmäßig legitimierten und semi-offiziellenEliten miteinander um Einfluss, Macht undAutorität konkurrieren, so dass eher voneinem hybriden denn einem theokratischenSystem gesprochen werden muss. Verfas-sungsgeschichtlich sieht sich das System derIslamischen Republik seit seiner Entstehungmit dem Widerspruch konfrontiert, einerseitsden Rechtsgelehrten quasi-göttliche Autoritätzuzuweisen, andererseits die republikani-schen Elemente aufrechtzuerhalten, wasimmer wieder zu Konflikten zwischen gesell-schaftlichen Kreisen und der herrschendenElite führte.23 Ein jüngstes Beispiel hierbeiwaren die anhaltenden Proteste weiter Teileder iranischen Gesellschaft nach den Präsi-dentschaftswahlen 2009. Demgegenüber ist Saudi-Arabien zwar eineErbmonarchie, allerdings beruht die Herr-schaft der Al Saud eben auf dem Bündnis mitden wahhabitischen Rechtsgelehrten. Diestarke Stellung der Religionsgelehrten in bei-den Staatsstrukturen, den ulama in Saudi-Arabien und den Mullahs in Iran,unterscheidet sich zwar im Detail, in der Ge-samtkonzeption ähnelt sie sich allerdings, so-dass die iranisch-saudische Feindschaft nichtunbedingt auf gravierend unterschiedlichenStaatskonzeptionen beruht. So finden sich inSaudi-Arabien und Iran Staatssysteme, indenen ein enger Bezug zur jeweiligen Ausle-gung des Islams hergestellt wird. Dabei pos-tuliert die Islamische Republik Iran einen

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universalen Anspruch, welcher der Religionund seinen klerikalen Vertretern zugewiesenwird, während in Saudi-Arabien die Monar-chie eine enge Verbindung zu den wahhabiti-schen ulama pflegt. Beide Systemeformulieren ihre islamisch geprägten Konzep-tionen dezidiert als modernen Ansatz, umeine vom Westen unabhängige, entkoloniali-sierte, sozial gerechte und islamisch morali-sche Gesellschaft zu schaffen. Dabei müssensie jedoch zunehmend innerer und äußererOpposition entgegentreten. Hinzu kommen inbeiden Staaten und Gesellschaften indigeneKonflikte zwischen religiös-dogmatischem An-spruch seitens der Eliten (Klerus sowie Kö-nigshaus) und real-politischen Tatsachen: Dievon weiten Teilen der Bevölkerung als unge-recht wahrgenommene Verteilung des Öl-reichtums hat in beiden Ländern in den letztenJahrzehnten in erster Linie die Eliten mitReichtum bedacht und sie so zunehmend vonder Gesellschaft entfernt. Außerdem stößt diereligiös-fundamentalistische Auslegung ange-sichts der rasanten wirtschaftlichen Entwick-lung und den Einflüssen der Globalisierungimmer öfter an Legitimationsgrenzen. Diesbeeinflusst nicht nur gesellschaftliche Ent-wicklungstendenzen, sondern auch dieStaatskonzeption im Ganzen. Beide Regime,so unterschiedlich sie auch in vielerlei Aus-prägung sind, stehen vor der Herausforde-rung, ihre religiöse Legitimationsbasis, auf derdas Staatssystem beruht, gegen systemin-terne Kritiker oder exogene Faktoren verteidi-gen zu müssen. Verlieren sie dieseAuseinandersetzung, droht den weltlichenund klerikalen Herrschereliten in Saudi-Ara-bien und Iran nicht nur ein Legitimationsdefi-zit, sondern darüber hinaus evtl. ihr eigenerUntergang. Weiterhin spielt der „westliche“ Einfluss in Iranund Saudi-Arabien historisch eine wesentli-che Rolle für die eigene Identität und die Her-ausbildung der Staatskonzeptionen.Insbesondere Iran hat Jahrhunderte lange Er-fahrungen mit westlichem Einfluss (Russland,Großbritannien, USA), aus denen sich einstark ambivalentes Verhältnis entwickelt hat.So wechselten Phasen einer westlich orien-tierten iranischen Gesellschaft mit Phaseneiner Isolation vor ausländischem Einfluss.Das Schahregime stürzte auch wegen seinerprowestlichen Politik, die Besetzung der US-amerikanischen Botschaft in Teheran oder dieVerurteilung des Autors Salman Rushdie sindweitere Beispiele für die per se antiwestliche

ideologische Konzeption der Islamischen Re-publik. Andererseits existiert in Iran eine langedemokratische Tradition, die sich u. a. in derVerfassungsrevolution von 1906-1911 zeigte.Auch hierbei spielten westliche Einflüsse einekatalysierende Rolle. Das Verhältnis von Iranzum Westen ist geprägt von Abneigung undFaszination, von Anpassung und Bewahrungeigener Identität, von dem Widerstreit zwi-schen westlichen Konzepten und islamischerAlternative. Die Herausbildung der Islami-schen Revolution ist ohne das ambivalenteVerhältnis zum Westen historisch nicht zu ver-stehen. Saudi-Arabiens Beziehungen zum Westensind vielleicht historisch weniger direkt, aberdeshalb nicht weniger ambivalent. Auch imUmgang mit dem westlichen Einfluss zeigensich die Besonderheiten der religiös legiti-mierten Herrschaft des Könighauses. In ihmspiegelt sich die widersprüchliche Sichtweisevon Religion und Staatsräson wider. Politi-sche Notwendigkeiten und religiöse Normenund Ideologien verlaufen dabei oftmals kon-trär. Vor allem das Verhältnis zu den Verein-igten Staaten zeigt diesen Widerspruchinnerhalb des religiös-politischen Bündnisses(siehe 3.). Dabei schwankt auch hier dieSichtweise auf den Westen zwischen Sympa-thie und Faszination sowie Ablehnung undIsolation. Während die wahhabitische Lehreden Umgang mit den „dekadenten Ungläubi-gen“ kritisiert, sind die USA nach wie vor derwichtigste politische und wirtschaftliche Part-ner des saudischen Könighauses. Die trans-formativen Entwicklungen in der Gesellschaftund auf das durch die Religion legitimierteSystem können dabei ebenso wie in Iran nichtohne den westlichen Einfluss analysiert undbewertet werden.III. Die strategische Allianz mit den USA:Politische Partner, ideologische Wider-parts Lange Zeit galt Saudi-Arabien als wichtigsterVerbündeter der USA im Nahen und MittlerenOsten. Dabei beruhte das Vertrauensverhält-nis zum einen auf der gegenseitigen Über-einstimmung bei der Einhegung Irans, zumanderen auf der Abhängigkeit der USA vomsaudi-arabischen Erdöl und zum dritten aufder langjährigen wirtschaftlichen und politi-schen Kooperation beider Länder. 1933 ver-gab der Staatsgründer Ibn Saud die ersteKonzession zur Förderung der Ölvorkommen

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24 Vgl. Teitelbaum, Joshua: Saudi Arabia and the New Strategic Landscape, in: Global Research in International Affairs 14(September 2010)3, http://www.gloria-center.org/2010/09/teitelbaum-2010-09-04/,abgerufen am 21.08.2012.

25 Vgl. u. a. Teicher, Howard: From Twin Pillars to Desert Storm: America’s Flawed Vision in the MiddleEast from Nixon to Bush, New York 1993.

26 Vgl. Teitelbaum, Joshua: Saudi Arabia and the New Strategic Landscape, in: MERIA Journal 14(2010)3,abzurufen unter http://www.gloria-center.org/meria/2010/09/teitelbaum.html am 23.12.2010.

27 Vgl. Steinberg, Guido: Saudi-Arabien. Politik. Geschichte. Religion, München 2004, S. 70: „Diese prowestliche Außenpolitik war nur schwer mit den xenophoben Grundlinien der Wahhabiya zu vereinbaren.“

in der Ostprovinz al-Ahsa an den US-ameri-kanischen Ölkonzern California Arabian Stan-dard Oil Company (CASOC), der 1944 inArabian-American Oil Company (ARAMCO)umbenannt wurde. Mit dieser Kooperation begann die wirtschaftliche Zusammenarbeit, während die (sicherheits-)politische Allianz mit dem historischen Treffenzwischen Ibn Saud und dem damaligen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt anBord des amerikanischen Kriegsschiffes USSQuincy im Jahr 1945 ihren Anfang nahm,nachdem US-amerikanische Truppen demHilfegesuch Ibn Sauds gefolgt waren, als ita-lienische Kampfmaschinen während desZweiten Weltkriegs Ölförderanlagen in Dhah-ran bombardiert hatten. Während des Kalten Krieges wuchs die Be-deutung der saudisch-amerikanischen Allianz,da sich Saudi-Arabien als prowestliches, anti-sowjetisches Bollwerk gegen den Kommu-nismus gerierte. So wurde 1953 das ersteAusbildungslager des US-Militärs in Saudi-Arabien eingerichtet.24 Obwohl sich das Ver-hältnis in den 1950er Jahren deutlichabkühlte, da die USA die Zusammenarbeit mitÄgypten, einer der ärgsten Rivalen Saudi-Arabiens, suchte und daraufhin die Militärba-sis in Dhahran geschlossen wurde, nähertensich beide Regierungen nach der Suez-Krisevon 1957 wieder an. König Saud hatte dieHaltung von Präsident Dwight D. Eisenhowerwohlwollend registriert, dass er sich währenddes Konflikts gegen Frankreich, Großbritan-nien und Israel gestellt hatte. 1963 unter-stützten die USA Saudi-Arabien im Konfliktmit Ägypten während der Jemenitischen Re-volution mit Kampfflugzeugen. Gleichzeitigprofitierten die USA von Saudi-Arabien bei derideologischen Auseinandersetzung mit denpan-arabischen anti-amerikanischen „Block-freien“ unter Führung des ägyptischen Präsi-denten Gamal Abd al-Nasser (1918-1970).Durch US-Präsident Richard Nixons Contain-ment-Politik stieg Saudi-Arabien, ironischer-weise neben Iran, zum Pfeiler der sogenannten „twin pillars“ auf, um den Einflussder Sowjetunion im Nahen und MittlerenOsten einzudämmen.25 Verfügten Saudi-Ara-

bien und Iran unter der Herrschaft desSchahs noch über kollegiale bis freund-schaftliche Beziehungen, änderte sich dieswie gesagt mit dem „Epochenjahr“ 1979, demSturz des prowestlichen Schahs und der Isla-mischen Revolution. Während Iran nun alsVerbündeter der USA und damit als ein „Pfei-ler“ ausfiel, intensivierte sich das bilateraleVerhältnis zu Saudi-Arabien zusehends. AufGrund des Öls und der geostrategischenLage nahm Saudi-Arabien nicht mehr alleindie Bedeutung als Brückenkopf gegen densowjetischen Kommunismus, sondern mittler-weile auch gegen den iranischen Islamismusein.26Gestaltete sich das Verhältnis zwischen bei-den Staaten dementsprechend längere Zeitals machtpolitische Konstante im Nahen undMittleren Osten, entstanden insbesonderenach dem Iran-Irak-Krieg (1980-1988), demFall der Sowjetunion und vor allem der an-schließenden Kuwait-Invasion des Iraks unterFührung von Saddam Hussein erste tief grei-fende Verwerfungen innerhalb des saudi-schen Establishments über die Intensität derKooperation mit den USA. Die Entscheidungdes saudischen Königshauses nach Rücksi-cherung bei den wahhabitischen ulama, etwa5.000 US-amerikanische Soldaten auf saudi-schem Boden zur Abwehr einer möglichenirakischen Aggression stationieren zu lassen,stieß vor allem auf Seiten islamistischer Op-positioneller auf harsche Kritik. Die Koopera-tion der „Hüter der beiden Heiligen Stätten“mit dem als korrupt, dekadent und moralischverdorben wahrgenommenen „Symbol deswestlichen Kapitalismus“ sei für die islami-sche Vorbildnation Saudi-Arabien untragbar,so der kritische Tenor. Zwar revidierte der da-malige saudische König Fahd (1982-2005)seine Entscheidung nicht, die Legitimationdes saudischen Königshauses als moralischeInstanz der muslimischen Frömmigkeit undder Unbestechlichkeit war jedoch beschädigtworden und zeigte die realpolitische Auffassung des Königshauses sowie seinepro-amerikanische Ausrichtung. Diese „Zerreißprobe“27 bedeutete weit mehr alseinen reinen Machtkampf zwischen Estab-lishment und Opposition, sondern führte zu in-

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28 Vgl. Hamzawy, Amr: The Saudi Labyrinth: Evaluating the Current Political Opening, Carnegie PapersMiddle East Series (April 2006) 68, Wurm, Iris: Im Zweifel für die Monarchie. Autokratische Modernisierung in Saudi-Arabien, in: HFSK Report 13/2007 und Steinberg, Guido: Der Nahe und der Ferne Feind.Netzwerke des islamistischen Terrorismus, München 2005: Auch die Anschläge auf die US-Botschaftenin Kenia und Tansania 1998 sowie der Anschlag auf die USS Cole im Jemen im Jahr 2000 wurden vonsaudi-arabischen Attentätern initiiert und durchgeführt und dem Terrornetzwerk al-Qaida zugeschrieben.

29 Vgl. International Crisis Group: Who are the Islamists? Middle East Report Nr. 31, Kairo, Brüssel 2004.30 Vgl. Glosemeyer, Iris: Terroristenjagd in Saudi-Arabien. Hintergründe und Folgen, in: SWP-Aktuell,

Nr. 29, August 2003.

tensiven Diskussionen in der saudischen Gesellschaft um die mögliche „Marionetten-funktion“ Saudi-Arabiens für US-amerikani-sche Interessen in der Region. Die dauerhafte Stationierung US-amerikani-scher Streitkräfte in Saudi-Arabien auch nachdem Ende des Zweiten Golfkrieges aus„Gründen der internen Sicherheit“, wie die of-fizielle Begründung lautete, ließ die Debattenum das amerikanisch-saudische Verhältnisnicht verstummen. In weiten Teilen der wah-habitischen Geistlichkeit, der konservativenElite sowie der islamistischen Opposition bliebdie Präsenz der „Ungläubigen“ auf „heiligemBoden“ ein Frevel sowie ein Symbol für dieKorrumpierbarkeit des saudischen Königs-hauses. Öffentlicher Protest blieb zwar aus,traditionell wurde die Kritik jedoch in Form vonPetitionen zum Ausdruck gebracht, die demKönig vorgelegt wurden. In dieser Phaseschien es, als habe sich zum ersten Mal brei-tenwirksamer Antiamerikanismus in Saudi-Arabien gesellschaftlich etabliert. Dieser Zustand sollte sich insbesondere nachdem 11. September 2001 noch verstärken,geriet Saudi-Arabien nun unter Generalver-dacht, Sponsor und Förderer von militantenislamistischen Gruppen zu sein. Immerhinwaren 15 der 19 Attentäter gebürtige Saudi-Araber, Usama bin Ladin ursprünglich saudi-scher Staatsbürger.28 Nun geriet dasweitgehend intransparent agierende politi-sche System der saudischen Elite immer stär-ker in den Fokus der internationalenÖffentlichkeit. Der Rechtfertigungszwang undder steigende Druck drängten den saudi-schen Thronfolger Abdullah, der bereits dieAmtsgeschäfte des schwerkranken KönigsFahd übernommen hatte, ehe er 2005 selbstinthronisiert wurde, zu Reformmaßnahmenund einer deutlichen Positionierung gegenden islamistischen Terrorismus. Dies geschahauch vor dem Hintergrund, dass ab 2003immer mehr militante Gruppierungen inSaudi-Arabien agierten, die die dekadenteund verwestlichte Politik der Al Saud kritisier-ten und es stürzen wollten – ein Plan, den ur-sprünglich auch Usama bin Ladin verfolgt

hatte, ehe er 1994 aus Saudi-Arabien ausge-wiesen worden war.29Allein zwischen 2003 und 2005 wurden beiAnschlägen 221 Menschen getötet. 2003wurde ein Gesetz erlassen, das erlaubte, Fi-nanztransaktionen zu kontrollieren und Bank-konten von Terrorverdächtigen einzufrieren.30Das Königshaus ging vehement gegen diemilitanten Islamisten vor, verstärkte die Si-cherheitskräfte, sodass es gelang, innerhalbweniger Jahre die terroristische Bedrohungeinzudämmen. Gleichzeitig reagierte KönigAbdullah auf die innergesellschaftliche undUS-amerikanische Kritik und forcierte schritt-weise Reformen. Die Einrichtung eines „Na-tionalen Dialogs“, der unterschiedlichstegesellschaftliche Gruppen zum offenen Dis-kurs zusammenbringt und sogar den benach-teiligten Schiiten und Frauen die Möglichkeitgibt, sich an der Debatte zu gesellschaftlichenThemen zu engagieren, gilt als eine der deut-lichsten Indikatoren für ein gewisses Reform-bemühen Abdullahs. Dennoch bleiben solcheLiberalisierungsmaßnahmen eindeutig vonoben kontrolliert und steuern vielmehr eine„genormte Pseudo-Zivilgesellschaft“, anstattunabhängige gesellschaftliche Strömungenzu fördern. Saudische Reformpolitik ist somitin der Regel realpolitischen Erwägungen ge-schuldet und tariert zwischen außenpoliti-schem und innergesellschaftlichem Druck aufder einen Seite und dem machterhaltendenKalkül des Königshauses auf der anderenSeite. Reformen sind gut, wenn sie das Imageverbessern und die überragende Bedeutungder Al Saud nicht bedrohen. Droht jedochAutoritätsverlust oder ein nachhaltiges Auf-brechen der konservativen religiösen Deu-tungshoheit der Wahhabiya, greift der Königdurch, dreht Reformen zurück und schränktneue Öffnungen zunehmend ein. So scheintes, als müsse der König bei jeder Reform-maßnahme eruieren, welchen Einfluss neh-menden Akteur er zufrieden stellen möchte.Hierbei ist er einerseits auf das Wohlwollender amerikanischen Partner, auf der anderenSeite auf die Unterstützung des konservativenwahhabitischen Establishments angewiesen,was grundsätzlich zu Konflikten führen kann

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31 Vgl. Fox News: Report: Saudis Warned Obama Not to 'Humiliate' Mubarak, 10. Februar 2011,h t t p : / /www. foxnews .com/po l i t i c s /2011 /02 /09 / sou rce -saud i s - t e l l - obama-humi l i a te -mubarak/#ixzz24BeEHLe9, abgerufen am 21.08.2012.

32 Vgl. BBC News: Egypt allows Iranian warships 'can use Suez Canal', 18. Februar 2011,http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-12493614, abgerufen am 21.08.2012.

33 Vgl. BBC News: Egypt President Mursi 'to visit Iran', 18. August 2012, http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-19307659, abgerufen am 21.08.2012.

34 Vgl. Spiegel online: Ägyptens Präsident plant historische Iran-Reise, 19. August 2012, http://www.spiegel.de/politik/ausland/aegypten-praesident-mursi-will-blockfreien-gipfel-in-iran-besuchen-a-850836.html,abgerufen am 21.08.2012.

und den Handlungsspielraum des saudischenKönigs bisweilen deutlich einschränkt. Das Verhältnis zu den USA bleibt also be-stimmt von diametral entgegenlaufenden Ten-denzen und ambivalenten Strömungenzwischen realpolitischem Kalkül und ideolo-gisch-religiöser Skepsis. Hier spiegelt sich diewidersprüchliche Sichtweise von Religion undStaatsräson wider. Politische Notwendigkei-ten, religiöse Normen und Ideologien verlau-fen dabei oftmals konträr. Trotz derumstrittenen und zwielichtigen Rolle Saudi-Arabiens im Hinblick auf die ideologische, lo-gistische und finanzielle Unterstützung vonweltweit operierenden militanten Islamistenbleibt das Königshaus also ein wichtiger Part-ner für die USA. Dies hat sich auch währendder Umsturzprozesse in der arabischen Weltseit Frühjahr 2011 und dem Sturz des Regi-mes von Zine el-Din Ben Ali in Tunesien nichtgrundlegend geändert, wenngleich die unter-stützende Haltung des saudischen Königs-hauses gegenüber dem ägyptischenPräsidenten Hosni Mubarak vor dessen Sturzsehr kritisch gesehen wurde und es zwischenKönig Abdullah und US-Präsident BarackObama am 29. Januar 2011 zu einer heftigenUnterredung gekommen sein soll, in der Ab-dullah Obama aufgefordert haben soll, seinenengen Freund Mubarak nicht zu „demüti-gen“.31Während die USA die Opposition unterstützte,stand Abdullah weiterhin auf Seiten Muba-raks. Er befürchtete, ein Sturz des Despotenkönnte zum einen weitere regionale Instabi-lität sowie die Machtübernahme der Muslim-brüder zur Folge haben, was das saudischeKönigshaus als Bedrohung ihrer eigenenMachtlegitimation ansieht (siehe auch 5.).Obama hingegen versuchte, sich als Freundder Demokratiebewegung und des politischenWandels darzustellen, wenngleich die USA inden Jahren zuvor vor allem militärisch und si-cherheitspolitisch eng mit dem Mubarak-Re-gime zusammengearbeitet und jährlich 1,5Mrd. USD an Militärhilfe überwiesen hatten.Außerdem fürchtet Abdullah eine Intensivie-rung der ägyptisch-iranischen Beziehungen,

was sich mit der Erlaubnis der ägyptischen In-terimsregierung im Februar 2011, zwei irani-sche Kriegsschiffe den Suez-Kanal passierenzu lassen, ansatzweise bewahrheiten sollte.32Weiterhin äußerte sich der neu gewählteägyptische Präsident Muhammad Mursi wohl-wollend gegenüber der iranischen Regierungund zeigte Interesse daran, die seit dem Frie-densschluss Ägyptens mit Israel im Jahr 1979unterkühlten Beziehungen zu Iran verbessernzu wollen. So fand die erste Reise einesägyptischen Staatsoberhauptes nach Iran seitmehr als drei Jahrzehnten Ende August 2012statt, was einerseits die USA und Israel, an-dererseits aber auch Saudi-Arabien beunru-higte.33 Immerhin schlug Mursi auf einemTreffen der OIC in Mekka Iran als Mitgliedeiner möglichen Kontaktgruppe bei der Ver-handlung im Syrien-Konflikt vor.34 ÄhnlicheInteressenskonflikte offenbarten sich im Um-gang mit anderen Transformationsländern. Während Saudi-Arabien daran Interessezeigt, die fragile Lage in der Region nicht wei-ter zu destabilisieren, forcieren die USA ihreUnterstützung für oppositionelle Gruppierun-gen, fordern mehr Pluralismus und Demokra-tisierung und unterminieren damit denStabilitätsanspruch des saudischen Königs-hauses. Dies belastet auch deswegen das bi-laterale Verhältnis, da die USA in denvergangenen Jahrzehnten aus Gründen derSicherheitswahrung und der Einhegung Iransrepressive Präsidialdiktaturen finanziell undpolitisch unterstützte, um damit proamerikani-sche, sunnitische Herrscher an der Macht zuhalten und den autoritäts- und einflussbe-wahrenden Status quo zu bewahren. Die„Arabellion“ in Tunesien, Ägypten, Libyen, Sy-rien, Jemen oder Bahrain hat nun allerdingsdie geopolitischen Gegebenheiten grundle-gend geändert. Darauf reagiert die USA miteiner mehr oder weniger glaubhaft artikulier-ten Politik zur Förderung von Demokratie undMenschenrechten. Dies schadet jedoch demEinfluss Saudi-Arabiens, sodass zwar nachwie vor beide Partner aufeinander angewie-sen sind und sein werden, ihre betonierteInteressenskongruenz jedoch einzelfallab-hängig neu ausgehandelt werden muss.

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IV. „Export des Wahhabismus“ als außen-politisches InstrumentWährend sich Saudi-Arabien auf der einenSeite als verlässlicher und langjähriger Part-ner des Westens und vor allem der USA be-währt hat, drängt der „Hüter der beidenHeiligen Stätten“ Mekka und Medina gleich-zeitig auf eine Führungsrolle innerhalb der is-lamischen Welt. Seit Jahrzehnten forciertSaudi-Arabien so die Unterstützung konser-vativ-sunnitischen Gedankengutes im In- undAusland, finanziert sunnitische Bewegungenmit ideologischer Nähe zum Wahhabismusund gilt als einer der wichtigsten Förderer ra-dikaler islamistischer Akteure weltweit. Hier-bei sieht sich Saudi-Arabien als „Leuchtturm“der muslimischen umma und als Vorbild dessunnitisch-orthodoxen Islams. So sind Mis-sionierungsbestrebungen des saudischenWahhabismus längst (inoffizieller) Teil derAußenpolitik geworden. Dabei liegen die Hintergründe und das Aus-maß der „wahhabitischen Bekehrungsma-schinerie“ weitgehend im Dunkeln, tauchendie finanziellen Aufwendungen in keinen Sta-tistiken auf und verweist das Könighaus dochimmer wieder auf die autonomen Aktivitätenreligiöser Stiftungen, wahhabitischer Predigerund Privatinitiativen. In der Tat stellt sich diereligiöse geprägte Außenpolitik Saudi-Ara-biens keineswegs als zentralisiertes Instru-ment dar, sondern gestaltet sich äußertheterogen und verfolgt unterschiedlichsteZiele. So eröffnen Ministerien offiziell Reli-gionsschulen (arabisch: madaris) in arabi-schen und asiatischen Ländern wie Pakistan,finanzieren die infrastrukturellen Vorhaben,bilden Lehrer und Gelehrte aus, entsendensaudische Ausbilder und prägen so das Bil-dungssystem vieler Entwicklungsstaaten.Neben diesem oberflächlich altruistischenPrinzip der Entwicklungshilfe dienen diese Bil-dungsinstitutionen jedoch auch dem Zweck,wahhabitische Ideen zu verbreiten. Antischii-tische, antisemitische und antiwestliche Cur-ricula sind ebenso integraler Bestandteil desSchulalltags wie die Koranexegese. Halboffizielle oder private religiöse Stiftungen(arabisch: wuquf) agieren ähnlich indoktrinär,sind aber in ihren Aktivitäten kaum zu durch-schauen. Es ist weder bekannt, in welchemUmfang diese Art der Missionierung vonstat-ten geht, wer sie durchführt noch wer davonkonkret profitiert. Gerade deswegen bleibt der

„Export des Wahhabismus“ für Saudi-Arabienein wesentliches außenpolitisches, religiösverbrämtes Instrument und fungiert gleichzei-tig als größtes Indiz für die „Janusartigkeit“der saudischen Außenpolitik, dem Westen dieHand zu reichen, um ihn hinter dem Rückenzu bekämpfen. Denn vielfach dienen die Mis-sionierungsmaßnahmen, für die vermutlichmehrere Milliarden US-Dollar jährlich in dieverschiedenen islamischen Länder fließen,nicht allein als religiöse Schulung, sondernauch als Radikalisierungszentren. Pakistansumstrittene dini madaris werden zu großenTeilen von saudischen Geldern finanziert unddienen oftmals als Rekrutierungs- und Milita-risierungslager für junge muslimische Männer. Interessanterweise verfolgte Saudi-Arabienauch in den 1980er Jahren eine ähnlicheStrategie, indem die saudischen mujahidin inAfghanistan gegen die Sowjets kämpften,sich dort radikalisierten und sich vor allemnach dem Zusammenbruch der Sowjetunionund ihrer Rückkehr nach Saudi-Arabien mehrund mehr gegen das eigene Königshauswandten. Saudi-Arabien hatte gehofft, die ide-ologische Gesinnung der zumeist jungen,desillusionierten und orientierungslosen Mus-lime kontrollieren zu können, wurden aberbald eines Besseren gelehrt. Dennoch: Der Schritt von der wahhabitischenIndoktrination zur militanten Radikalisierungist beabsichtigt, da diese Muslime dem ZielSaudi-Arabiens dienen, das Image der isla-mischen Führungsmacht zu stabilisieren undsich als antiwestlicher Akteur darzustellen. Sowird vermutet, dass Saudi-Arabien salafisti-sche Gruppierungen in den Krisenländern desNahen und Mittleren Ostens mit Ausrüstung,Waffen, Finanzen und Logistik unterstützt, umdie wahhabitische Phalanx auszubauen unddamit den eigenen Machtbereich zu erwei-tern. Angeblich soll die salafistische An-Nur-Partei in Ägypten während des WahlkampfesMillionensummen von saudischen Partnernerhalten haben. Ebenso werden militanteGruppierungen in Pakistan und Afghanistanunterstützt. Saudi-Arabien gelingt es somit nicht nur, dieeigene Vormachtstellung als Protektor dessunnitischen Islams zu sichern, es stellt sichauch als unkorrumpierbares Gegengewichtzum Westen dar. Gleichzeitig dienen auchdiese Aktivitäten der Eindämmung Irans unddessen schiitischer Ideologie.

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35 Vgl. Dinkelaker, Christoph: Im Osten nichts Neues? – Zur Situation der Schia in Saudi-Arabien, in:Ulrike Freitag (Hrsg.): Saudi-Arabien – Ein Königreich im Wandel? Paderborn 2010, S. 189-220.

V. Der „Arabische Frühling“ und Saudi-Arabien: Bedrohung oder Chance?Insbesondere die Umbrüche in der arabi-schen Welt aufgrund des so genannten „Ara-bischen Frühlings“ wirken sich dadurch auchauf die außenpolitische Strategie Saudi-Ara-biens aus und werden die zukünftige Außen-politik des Königreichs massiv beeinflussen.Saudi-Arabiens Könighaus bewertet dieTransformationsprozesse in der arabischenWelt, die mit dem Sturz von Zine el-Din BenAli in Tunesien im Februar 2011 begonnenhatten und sich in Ägypten, Libyen, Bahrain,Jemen und Syrien fortsetzten, nicht als Posi-tiventwicklung zu mehr Liberalisierung, De-mokratie und wirtschaftlicher Öffnung,sondern vielmehr als Bedrohung des eigenenMachtanspruchs. Das Königreich fürchtet ins-besondere die Auswirkungen des „ArabischenFrühlings“ auf

(1) die sicherheitspolitische Konzeption inder MENA-Region(2) die innenpolitische Stabilität(3) die Vormachtstellung des konservativ-orthodoxen Wahhabismus saudischer Prä-gung.

In diesen Bereichen drohen dem Königreichmassive Konsequenzen, die den eigenen Ein-fluss und die Machtbalance in der Region zu-ungunsten Saudi-Arabiens beeinflussenkönnten. Hierbei muss diskutiert werden, in-wieweit Saudi-Arabien als potenzieller Ge-winner oder Verlierer des „ArabischenFrühlings“ bewertet werden kann. V.1 Die sicherheitspolitische Konzeption inder MENA-RegionDer Sturz der autokratischen Regimes in Tu-nesien, Ägypten und Libyen sowie die Unru-hen in Bahrain, der militärische Konflikt inSyrien und der Transformationsprozess imJemen haben die fragile sicherheitspolitischeKonstruktion im Nahen und Mittleren Ostennachhaltig verändert. Saudi-Arabien, auf-grund seines Hegemonialkonfliktes mit Iranund seiner eigenen regionalen Ambitionen alsFührungsmacht der sunnitischen Muslime,bewertet diese Umbrüche skeptisch: Zumeinen hofft die saudische Elite, außenpolitischdas Vakuum zu füllen, das einstmals einfluss-reiche Akteure wie Ägypten ausgefüllt hatten,zum anderen besteht die fast paranoideFurcht vor einem Erstarken Irans. Gleichzeitig

beeinträchtigen die mannigfaltigen Unruhenin der Region, insbesondere in Syrien, die Be-strebungen der saudischen Außenpolitik nachdem Erhalt des Status quo. Eine zunehmendeRadikalisierung und Militarisierung der ge-sellschaftlichen Entwicklungen in den Trans-formationsstaaten könnte demnachsicherheitspolitisch der auf Stabilität ausge-richteten Politik des Königshauses schaden:Fehlende staatliche Kontrolle in den Staatendes Übergangs, der Anstieg lokaler Gewaltund die Schwächung staatlicher Machtstruk-turen könnten die Region dauerhaft destabili-sieren und somit die Sicherheitskonstruktiondes Königshauses unterhöhlen. Während die mittlerweile gestürzten Despo-ten in der Regel berechenbare Risikofaktorendarstellten, mit denen sich das saudische Kö-nigshaus arrangiert hatte, steigt nun die Un-kalkulierbarkeit der dortigen politischenAkteure. Dies könnte sich Saudi-Arabien zwarzunutze machen, wie später noch bei denLänderbeispielen gezeigt werden soll, dochdas Streben nach Kontinuität, schrittweise po-litische Prozesse zu initiieren, ohne an Ein-fluss zu verlieren, ist durch die rasanteTransitionsentwicklung kaum mehr zu reali-sieren. Die saudische Außenpolitik wird nunkonfrontiert mit unbekannten Variablen, dienicht mehr ohne weiteres zu kontrollieren undzu berechnen sind. Dies drängt das saudi-sche Königshaus in die passive Defensive.Sollten sich für Saudi-Arabien diese Variablenungünstig entwickeln, hätte dies den Verlustregionaler Vormachtstellung zur Folge undkönnte unter Umständen gleichzeitig den Erz-feind Iran stärken.V.2 Die innenpolitische StabilitätBisher gilt Saudi-Arabien als innenpolitischruhig, als „Insel der Stabilität“ in einem Meerder Umbrüche. Dass diese Sichtweise mehrals eindimensional ist, da insbesondere seitFebruar 2011 immer wieder Demonstrationengegen das saudische Königshaus stattfinden,zeigt deutlich die wachsende Unzufriedenheitbreiter gesellschaftlicher Gruppen. Vor allemdie marginalisierten und wirtschaftlich be-nachteiligten saudischen Schiiten in der Ost-provinz begehren gegen die jahrzehntelangeVernachlässigung auf und fordern mehr wirt-schaftlichen Fortschritt, bessere Bildungsbe-dingungen, politisches Mitspracherecht undreligiöse Anerkennung.35 Im wahhabitischenGlauben als Ungläubige denunziert, zeigten

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36 Im Rahmen dieser Studie können nicht alle Gruppierungen detailliert vorgestellt werden. Verwiesen werden kann in diesem Zusammenhang unter anderem auf Sons, Sebastian: Saudi-Arabien, in: Deutsches Orient-Institut (Hrsg.): Der Arabische Frühling: Auslöser, Verlauf, Ausblick, September 2011,S.126-140, Preuschaft, Menno: The Arab Uprisings in Saudi Discourse – Intellectual and Religious Perspectives from the Kingdom, in: Orient IV/2012, S. 22-26, Fandy, Mamoun: Saudi Arabia and the Politics of Dissent, New York 1999.

37 Vgl. http://www.internetworldstats.com/middle.htm, abgerufen am 24.09.2012.38 Vgl. Atwood, Ed: Twitter usage rockets in conservative Saudi Arabia, Arabian Business, 5. Januar 2011,

http://www.arabianbusiness.com/twitter-usage-rockets-in-conservative-saudi-arabia-371485.html, abgerufen am 24.09.2012.

39 Vgl. World Bank, Population Growth Rate, Middle East and North Africa, http://www.worldbank.org/depweb/english/modules/social/pgr/datamide.html, abgerufen am 24.09.2012.

40 Vgl. Population Reference Bureau, http://www.prb.org/DataFinder/Geography/Data.aspx?loc=249, abgerufen am 12.05.2012.

41 Vgl. Thomson, Mark C: Saudi Youth: Challenges for the Future, in: Orient IV/2012, S. 35f.

sich viele Schiiten vom politischen Wider-stand ihrer konfessionellen Brüder in Bahrainbeeindruckt. Bereits seit Jahrzehnten existierteine aktive schiitische Opposition, die sichdurch die Ereignisse in Bahrain zunehmendprofessionalisiert und vernetzt hat. In derHauptstadt der Ostprovinz Qatif verfügt dieschiitische Opposition über enormen gesell-schaftlichen Rückhalt, ist breit aufgestellt undkonnte Organisationsstrukturen aufbauen, dieschnell und flexibel Demonstrationen realisie-ren können. Insbesondere im Internet hat derEinfluss schiitischer Aktivisten deutlich zuge-nommen. In eigenen Blogs sowie über sozi-ale Netzwerke wie Facebook oder Twitter wirdzu Demonstrationen aufgerufen, sich mitSchiiten im Ausland vernetzt, und einflussrei-che Prediger politisieren zunehmend ihre An-hänger. Doch neben den Schiiten formierensich seit Jahren auch andere oppositionelleGruppierungen, die das statische Gesell-schaftssystem der Al Saud herausfordern unddurch den „Arabischen Frühling“ neuen Auf-trieb erhalten haben. Zu ihnen gehören tradi-tionelle Gruppen wie die Al-Sahwa-Bewegungdes einflussreichen sunnitischen PredigersSahwa al-Awdah, liberale Reformer, die nacheiner konstitutionellen Monarchie streben undIslamisten, die den Regierungsstil des Kö-nigshauses kritisieren und mehr Gottesfürch-tigkeit einfordern, aber auch Frauenaktivistenoder jugendliche Blogger.36Diese Aktivisten profitieren auch von einer zu-nehmenden Öffnung der saudischen Gesell-schaft. Durch regelmäßige Aufenthalte imAusland zu Arbeits- oder Studiumszwecken,einer hohen Anzahl von Internetnutzern undder Verbreitung des Satellitenfernsehens ver-fügt vor allem die junge saudische Generationüber gewachsene Diskursmöglichkeiten, waszu einer deutlichen Politisierung der saudi-schen Öffentlichkeit beigetragen hat. Bereits2009 überstieg die Anzahl der Mobiltelefonedie Bevölkerung um mehr als das Doppelte,

im Dezember 2011 betrug die Zahl der Inter-netanschlüsse 13 Millionen und 4,5 Millionennutzten Facebook .37 2010 stieg die Zahl derTwitter-User um 440%, während der weltweiteDurchschnitt bei einem 95%-igen Wachstumlag.38 Hinzu kommt eine deutliche Ver-schlechterung der soziökonomischen Fakto-ren, die das saudische Königshaus vor dieHerausforderung stellt, Arbeitsplätze und dieRahmenbedingungen für privatwirtschaftli-ches Engagement zu schaffen. Konnten bis-lang die meisten saudischen Staatsbürger imöffentlichen Dienst beschäftigt werden unddurch staatliche Alimentierung Sozialleistun-gen erhalten, stößt dieses System des klassi-schen Rentierstaates zunehmend anGrenzen: Die Bevölkerung soll von derzeitetwa 28 Millionen auf 43,7 Millionen im Jahr2050 steigen39, das Durchschnittsalter liegtbei 25,3 Jahren und knapp ein Drittel der Be-völkerung sind unter 15 Jahren.40 Gelingt esSaudi-Arabien in naher Zukunft nicht, den Ar-beitsmarkt für saudische Staatsbürger deut-lich zu erweitern, die Anzahl derausländischen Gastarbeiter zu verringern undauch Frauen am Wirtschaftsleben partizipie-ren zu lassen, droht die Arbeitslosigkeit unddamit die soziale Frustration zu steigen. Be-reits jetzt liegt die Jugendarbeitslosigkeit beietwa 30%. Da der Staat nicht mehr in derLage ist, alle Arbeitslosen zu alimentieren,sind diese weitgehend auf familiären Rückhaltangewiesen. Hinzu kommt die soziale Stig-matisierung, als arbeitsloser Mann keine Ehe-frau zu finden.41 Mit der zunehmendenMobilisierung vieler saudischer Frauen undder wirtschaftlichen Unfähigkeit vieler Männer,den Frauen ihren Unterhalt zu finanzieren,wächst der Druck auf das Königshaus, zu-nehmend Frauen am Arbeitsleben teilnehmenlassen zu müssen. Hierbei besteht eine gra-vierende Differenz zwischen dem exzellentenBildungsniveau vieler Frauen, die oftmalsüber ein vom Königreich gefördertes, abge-schlossenes Studium verfügen, und den man-

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42 Vgl. Thomson, Mark C: Saudi Youth: Challenges for the Future, in: Orient IV/2012, S. 35.

gelnden Möglichkeiten, in ihrem hoch qualifi-zierten Bereich eine Arbeitsstelle anzuneh-men, da sie weiterhin weitgehend vomMänner dominierten Arbeitsleben exkludiertwerden. Die Folgen könnten sich wirtschaftlich wie so-zial dramatisch auf die innere Stabilität dersaudischen Gesellschaft auswirken: Traditio-nelle Geschlechterbilder verändern sich, jemehr Frauen ins Berufsleben drängen und jemehr Männer unter finanziellen Problemenleiden. Gleichzeitig wächst das soziale Frust-potenzial, sollte es dem Staat nicht gelingen,ausreichend Arbeit für die jüngeren Genera-tionen anzubieten, die ihrem Bildungsstan-dard entsprechen. Schätzungen gehen davonaus, dass jährlich mindestens 200.000 Ar-beitsplätze geschaffen werden müssten, umalle nachdrängenden Absolventen auf demArbeitsmarkt zu absorbieren. Hierbei müsstenallerdings die Frauen noch addiert werden,sodass vermutlich 400.000 neue Jobs entste-hen müssten, was auch für das ressourcen-reiche Saudi-Arabien nur schwer zurealisieren sein wird.42 Dies wäre zumal nurmit einer vollständigen „Saudisierung“ zu er-reichen, was die Verdrängung der Arbeitsmi-granten aus dem Service- undInfrastruktursektor als Voraussetzung hätte.Stattdessen müssten saudische Arbeitnehmerverpönte Arbeiten im Billiglohnsektor verrich-ten, was bereits in der Vergangenheit verein-zelt zu Protesten führte. So scheiterte derVersuch, nur noch saudische Taxifahrer zubeschäftigen, am fehlenden Interesse. Ge-wöhnt an das Privileg, keine Arbeiten für an-dere Saudis ausführen zu müssen und derAnnahme, der Staat sei verantwortlich für diefinanzielle Existenzsicherung des Einzelnen,hat sich eine Kultur der Behaglichkeit undeine Mentalität der Trägheit entwickelt, dieden sozioökonomischen Herausforderungenentgegensteht und dem saudischen Königs-haus Reformen am Arbeitsmarkt doppelt er-schweren. So könnten sich soziökonomische Notwen-digkeiten und gesellschaftliches Anspruch-denken zu einer explosiven Mélange für dasKönigshaus entwickeln, welche nicht alleindurch Alimentierungsmaßnahmen in Formvon Gehaltserhöhungen oder der Ausweitungder Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor abge-federt werden könnten. Auch wenn Saudi-Arabien bislang noch über die Ressourcenverfügt, soziale Unzufriedenheit zu verhin-

dern, und Abdallah in den letzten Jahren vor-sichtige Reformen implementiert hat, könnteSaudi-Arabien mittelfristig in eine ähnliche so-zioökonomische Situation geraten wie andereTransformationsländer. V.3 Die Vormachtstellung des konservativ-orthodoxen Wahhabismus saudischerPrägungSaudi-Arabiens herausragende Stellung als„Hüter der beiden Heiligen Stätten“ Mekkaund Medina dient dem Königreich als Legiti-mationsbasis missionarischer Außenpolitikund zur Repression nach innen. Der Wahha-bismus übernimmt daher nicht nur eine iden-titätsstiftende Funktion, um die Loyalität zumKönigshaus aufrechtzuerhalten, sondernauch, um die Al Saud als Vorbilder des sunni-tischen Glaubens zu überhöhen. So sugge-riert das saudische Königshaus, dass diemonarchisch-absolute Staatsform dynasti-scher Prägung automatisch mit der Dominanzdes Wahhabismus verknüpft sei. Diese Sym-biose legitimiert die Herrschaft der saudi-schen Königsfamilie seit 1932. Der Sturzrelativ säkularer Regimes in der arabischenWelt und die Wahlsiege der Muslimbrüder inÄgypten und der Al-Nahda-Partei in Tunesienkönnten langfristig diese religiös-politischeAutorität der Al Saud schwächen. Sollten is-lamistische Parteien in Zukunft beweisen,sich einerseits demokratisch legitimieren las-sen zu können und andererseits eine isla-misch basierte Politik zu betreiben, könntedies zu einem neuen Vorbild innerhalb derarabischen Welt werden. Der Ruf nach Frei-heit, Bürgerrechten, Demokratie und Partizi-pation könnte sich so zu einer neuenSymbiose mit islamisch fundierten Wertenverbinden und als Modellsystem regionaleStrahlkraft entfalten. Die Muslimbrüder, Sym-bol für die unkorrumpierbare Oppositiongegen die autokratischen Herrscher, könntenzur Konkurrenz für den saudischen Alleinstel-lungsanspruch als religiöse Autorität werden.Sollte sich eine solche „islamische Demokra-tie“ als wirtschaftlich, politisch und sozial sta-bil erweisen und gleichzeitig islamischePrinzipien achten sowie Realpolitik mit religi-öser Legitimation betreiben, erwüchse den AlSaud und dem saudischen Wahhabismus einbedrohlicher Widerpart. Auch deshalb zeigtesich das saudische Königshaus gegenüberdem Wahlsieg der Muslimbrüder und ihremPräsidenten Mursi in Ägypten eher nüchterndistanziert.

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43 McDowall, Angus: Rise of Muslim Brotherhood frays Saudi-Egypt ties, Reuters, 1. Mai 2012,http://www.reuters.com/article/2012/05/01/us-saudi-egypt-brotherhood-idUSBRE8400ZM20120501, abgerufen am 06.08.2012.

44 Vgl. Gause III, F.G.: Saudi Arabia in the New Middle East, Council Special Report, Dezember 2011, S. 20f.

“The Brotherhood and Saudi Arabiashare Sunni Muslim values, but Riyadhregards the movement as an ideologi-cal competitor with an aggressively ac-tivist political doctrine that mightdestabilize allies and foment discord in-side the kingdom. (Q) The Brothersoffer a religious political discoursethat's in competition with the Wahhabione.”43

So setzten sich die Muslimbrüder in ihrer Ge-schichte immer wieder für einen aktiven, re-volutionären Islamismus ein, während derWahhabismus als unflexibler und reformun-williger „Bewahrer der alten Werte“ geltenkann. Dieser „Albtraum“ einer funktionieren-den „islamischen Volksherrschaft“ könnte sichdesaströs auf den Herrschaftsanspruch der AlSaud auswirken, da die eigene Bevölkerungam ägyptischen Beispiel sehen könnte, dasspolitische Freiheit, wirtschaftlicher Fortschrittund Religiosität zu vereinbaren wären, was zuRufen nach einer konstitutionellen Monarchieund einer gleichzeitigen Schwächung der Kö-nigsfamilie führen könnte.44VI. Saudi-Arabiens Regionalpolitik an aus-gewählten Fallbeispielen: RealpolitischerPragmatismus zur Bewahrung des Statusquo?V.1 Libyen:Saudi-Arabiens Königshaus unterhielt einsehr gestörtes Verhältnis zu Libyens ehema-ligen Machthaber Muammar al-Gaddafi, derals Bedrohung für die Stabilität innerhalb derarabischen Welt gesehen und aus vielerleiGründen verachtet wurde: Der seit 2005 am-tierende saudische König Abdullah und der2011 getötete al-Gaddafi konnten gar als In-timfeinde bezeichnet werden, immerhin hatteal-Gaddafi 2004 auf den damaligen Thron-prinz Abdullah ein Attentat geplant. Abdullahselbst vermied es in der Regel, mit Gaddafizusammenzutreffen, bezeichnete ihn als Ex-zentriker, paranoiden Wahnsinnigen und ge-ächteten Außenseiter. Al-Gaddafis Habitus,sich als Vertreter einer panarabischen Unionund eines missionarischen Panafrikanismuszu gerieren, wurde ihm nicht nur vom saudi-schen Königshaus als vermessener Größen-wahn ausgelegt.

So wurde der Aufstand in Libyen gegen denAutokraten al-Gaddafi von offizieller saudi-scher Seite begrüßt. Neben den persönlichenAnimositäten standen hinter der Sympathiefür die Aufständischen jedoch auch handfestewirtschaftliche und ideologische InteressenSaudi-Arabiens: Immerhin fiel mit dem Öl ex-portierenden Libyen zumindest kurzfristig einKonkurrent für die saudische Ölindustrie weg,außerdem hoffte man, dass eine neue liby-sche Regierung berechenbarer agierenwürde und damit leichter zu kontrollieren sei,wenn es um die Ausgestaltung des Ölpreisesan den internationalen Märkten gehen sollte.Weiterhin galt das Zentrum des Aufstands, dieöstliche Cyrenaika mit Benghasi als opposi-tionelles Herz, als Hochburg des libyschen Is-lams. Der tief in der libyschenStammesgesellschaft verwurzelte Senussi-Orden, aus dessen Kreisen auch der letzteKönig gestammt hatte, verfügt auch heutenoch über erhebliche Autorität im rural und tri-bal geprägten Osten des Landes. Al-Gaddafihatte mit seinen obskuren ideologischen Vor-stellungen versucht, die Rolle der Religion inLibyen zu beschneiden, sich selbst als religi-öser Quasi-Führer, als Übervater der liby-schen Gesellschaft und seine skurrilenVorstellungen von einem idealen Staat undGesellschaft als Einheitsideologie prokla-miert. Niedergeschrieben in seinem berühm-ten „Grünen Buch“ forderte er die Schaffungeines idealtypischen Menschen, förderte dieGleichberechtigung zwischen Mann und Frau,gerierte sich als polyglotter Vorzeigestaats-herr, dessen Phantasieuniformen und bigot-tes Verhalten im arabischen Ausland fürKopfschütteln sorgten. Die religiösen Vorstellungen des konservati-ven Ostens passten nicht in das soziale Sys-tem al-Gaddafis, sodass er die Anhänger desSenussi-Ordens unterdrückte, die Cyrenaikavernachlässigte, notwendige Infrastruktur-maßnahmen nicht umsetzen ließ und die tra-ditionelle Identität negierte. Saudi-Arabienbegrüßte demnach die Aufstandsbewegungaus dem tief islamischen Osten des Landes,sah das Königshaus darin keine säkulare,verwestlichte Marionette der USA, sonderneine indigene, konservative Strömung einessunnitischen Islams, die sich anschickte, ineinem „neuen Libyen“ den Islam wieder zueinem bestimmenden Wert in der Politik zuverhelfen.

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45 Vgl. Gunpolicy.org: Libya – Gun Facts, Figures and the Law, 13. Juli 2012, http://www.gunpolicy.org/firearms/region/libya, abgerufen am 25.09.2012.

46 Vgl. Hope, Bradley: Egypt’s Morsi to visit Saudi Arabia in bid for aid, The National, 10. Juli 2012,http://www.thenational.ae/news/world/egypts-morsi-to-visit-saudi-arabia-in-bid-for-aid, abgerufen am12.08.2012.

47 Vgl. Ragab, Emam: Moussa, Abul-Fotouh and Egyptian expats, Al-Ahram Weekly, 16. Mai 2012,http://www.weekly.ahram.org.eg/2012/1097/op162.htm, abgerufen am 26.09.2012.

48 Vgl. Business Today: Egypt-Saudi trade touch $2 billion mark in the first half of the year, http://www.businesstoday-eg.com/banking-finance/middle-east/egypt-saudi-trade-touch-2-billion-mark-in-the-first-half-of-the-year.html, abgerufen am 03.08.2012.

In der nahen Zukunft wird Saudi-Arabien je-doch keine engen Beziehungen zu Libyenunterhalten, gilt das Land doch als geostrate-gisch unwichtig und wirtschaftlich für Saudi-Arabien nicht sonderlich interessant. Es bleibtauch abzuwarten, wie sich die Beziehungenzwischen der neu gewählten libyschen Re-gierung und dem saudischen Königshaus ge-stalten werden. Im Gegensatz zu denNachbarländern Tunesien und Ägypten konn-ten bei den Wahlen im Juli 2012 die säkularenKräfte die Mehrheit erzielen, sodass eine is-lamistische Regierung der Muslimbrüder nichtzustande kam. Trotzdem spielt der Islam auchim politischen Leben vieler Libyer eine we-sentliche Rolle, zumal nach al-Gaddafis Sturzsämtliche Institutionen neu aufgebaut werdenmüssen, nationale Symbole der Einheit feh-len und die Gefahr besteht, dass tribale oderregionale Rivalitäten auftreten können. Bis-lang ist es dem Staat nicht gelungen, die Si-cherheit zu garantieren. Eine nationale Polizeiexistiert bisher nur in Ansätzen, sodass di-verse Milizen in den Städten, Gemeinden undRegionen Sicherheitsaufgaben übernehmen.Diese müssen in Zukunft in das staatlicheSystem integriert werden, um sie einerseitskontrollieren und andererseits kooptieren zukönnen, sonst könnte es immer wieder zu Ge-waltausbrüchen in einer Situation der fragilenStaatlichkeit kommen. Angeblich sollen sichmehr als 900.000 Waffen im Privatbesitz be-finden. Das entspricht etwa 15,5 Waffen auf100 Einwohner.45 Vermutlich könnten dieseZahlen aber noch deutlich höher liegen. DieAnschläge auf das US-amerikanische Konsu-lat und der daraus resultierende Tod des US-Botschafters Chris Stevens und drei weiterenMitarbeitern der Botschaft am 11. September2012, die offenbar von al-Qaida nahe stehen-den nicht-staatlichen Gewaltakteuren durch-geführt wurden, zeigt, dass Libyen droht,dauerhaft zum Rückzugsgebiet für militanteIslamisten zu werden. Inwieweit auch saudi-sche Islamisten in Libyen agieren oder zu-künftig operieren könnten und obSaudi-Arabien islamistische Gruppierungen inLibyen über dubiose Kanäle unterstützt, bleibtmomentan reine Spekulation, kann aber nichtausgeschlossen werden.

VI.2 Ägypten:Die Umstürze in Tunesien und vor allem inÄgypten überraschten und beängstigten dassaudische Königshaus. Immerhin gehörtender tunesische Präsident Zine el-Din Ben Aliund sein ägyptischer Amtskollege Hosni Mu-barak zu engen Partnern der Al Saud, obwohlbeide mit ihrer säkularen Politik keine idealenVerbündeten des wahhabitischen Königrei-ches darstellten. Doch aus pragmatischenGesichtspunkten kooperierte Saudi-Arabienmit beiden Ländern, was auch daran lag, dassinsbesondere Mubarak die islamistische Mus-limbruderschaft unterdrückte und vom politi-schen Leben ausschloss, was demideologischen Alleinvertretungsanspruch dersaudisch-wahhabitischen Missionierung ent-gegen kam. Ben Ali flüchtete sich gar nachseinem Sturz ins saudische Exil in Jidda. Wie bereits angesprochen, hielt der saudi-sche König Abdullah bis zuletzt zu Amtsinha-ber Hosni Mubarak, was zu Verwerfungen imsaudisch-US-amerikanischen Verhältnisführte. Immerhin galt Saudi-Arabien als einerder wichtigsten Geldgeber für das sich wirt-schaftlich in der Dauerkrise befindliche Ägyp-ten. 2011 erhielt der marode ägyptische Staatvom Königreich einen Kredit in Höhe von 4Mrd. USD, es folgten 1 Mrd. USD an dieägyptische Zentralbank nach den Wahlen undweitere 500 Mio. USD für wirtschaftlichenWiederaufbau.46 Im privatwirtschaftlichen Be-reich gilt Saudi-Arabien seit Jahren als wich-tigster innerarabischer Partner für ÄgyptensWirtschaft. Immerhin leben mehr als 1 Mio.ägyptische Gastarbeiter47 im Königreich, dieneben einem wachsenden Markt bei saudi-schen Konsumenten ein wichtiges Klientel fürägyptische Exportprodukte darstellen. Außer-dem senden sie jedes Jahr mehr als dieHälfte aller weltweiten Rücküberweisungennach Ägypten.Im Jahr 2010 investierten saudische Unter-nehmer diverser Branchen in insgesamt2.268 Projekte mit einem Wert von 15,6 Mrd.USD.48 Dieser Trend hielt auch in den Folge-jahren an und ließ das Investitionsvolumen

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49 Vgl. Abdel-Razek, Sherine: Economic ruptures, Al-Ahram Weekly, 9. Mai 2012,http://www.weekly.ahram.org.eg/2012/1096/ec1.htm, abgerufen am 08.08.2012.

50 Vgl. The Guardian: Saudi Arabia recalls Egypt ambassador and closes consulates, 28. April 2012,http://www.guardian.co.uk/world/2012/apr/28/saudi-arabia-recalls-egypt-ambassador, abgerufen am13.07.2012.

51 Vgl. Paraszczuk, Joanna: Mursi hails 'fruitful' talks with Saudi king, Jerusalem Post, 12. Juli 2012,http://www.jpost.com/MiddleEast/Article.aspx?id=277300, abgerufen am 25.09.2012.

52 McDowall, Angus: Rise of Muslim Brotherhood frays Saudi-Egypt ties, Reuters, 1. Mai 2012,http://www.reuters.com/article/2012/05/01/us-saudi-egypt-brotherhood-idUSBRE8400ZM20120501,abgerufen am 06.08.2012.

53 Vgl. Al-Arabiya News: Conflicting reports as Egypt denies barring Iran ships, 17. Februar 2011,http://www.alarabiya.net/articles/2011/02/17/138015.html, abgerufen am 15.03.2012.

54 Vgl. Abu al-Khair, Waleed: Egypt, Saudi power grid study proceeds to final stages, Al-Shorfa, 23. Juni2012, http://www.al-shorfa.com/en_GB/articles/meii/features/main/2012/06/23/feature-01, abgerufen am06.08.2012.

55 Vgl. Bikyamasr: Egypt-Saudi Arabian bridge back on drawing board, 2. März 2012, http://www.bikyamasr.com/60105/egypt-saudi-arabian-bridge-back-on-drawing-board/, abgerufen am 06.08.2012.

auf 45 Mrd. USD steigen, während sich dasHandelsvolumen auf 10 Mrd. USD erhöhte.49Trotz der massiven finanziellen Unterstützungfür die neue ägyptische Regierung kann dasVerhältnis jedoch keineswegs als span-nungsfrei bezeichnet werden. Nach der Re-volution wurden einige saudisch finanzierteProjekte konfisziert oder verstaatlicht, was diesaudi-arabischen Investoren verärgerte.Hinzu verschlechterte sich das politische Ver-hältnis zeitweise deutlich: Im April 2012 kames in Kairo zu Protesten vor der saudischenBotschaft gegen die Verhaftung des ägypti-schen Rechtsanwaltes Ahmed el-Gezawidurch saudische Sicherheitskräfte. Angeblichsolle er versucht haben, Drogen bei seinerEinreise nach Saudi-Arabien über die Grenzegeschmuggelt zu haben, während Men-schenrechtler den wahren Grund für el-Geza-wis Verhaftung in dessen Kritik an derInhaftierung von ägyptischen Aktivistensahen.50 El-Gezawi habe sich während sei-ner Verhaftung auf dem Weg nach Mekka be-funden, um die Pilgerfahrt zu unternehmen.Saudi-Arabien zog daraufhin seinen Bot-schafter Ahmed Qattan aus Kairo ab und ließdie Botschaft sowie die Konsulate schließen,was den ägyptisch-saudischen Konflikt weiterverschärfte, ehe es dem damaligen Vorsit-zenden des Obersten Militärrates, Feldmar-schall Muhammad Hussein Tantawi, gelang,die Situation in Telefonaten mit König Abdul-lah zu entschärfen. Als Ägyptens neu gewählter Präsident Muhammad Mursi ankündigte, seine ersteAuslandsreise nach Saudi-Arabien zu unter-nehmen, konnten diese Verwerfungen erst-mals überwunden werden. So bezeichneteder ägyptische Industrieminister Mahmud Issadie Reise Mursis als „wichtigen Meilenstein inder Geschichte des besonderen Verhältnis-ses“ beider Länder.51 Auch in Zukunft wirddas Verhältnis beider Länder jedoch von

einem gewissen Misstrauen und einer gleich-zeitigen Abhängigkeit geprägt sein.

“Even if the diplomatic quarrel is smoo-thed over, it reflects the new fragility ofa once-solid alliance between the mostpopulous Arab nation and the richest.”52

Während Ägypten die finanzielle Unterstüt-zung und das wirtschaftliche EngagementSaudi-Arabiens benötigt, kann Saudi-Arabiendauerhaft nicht an einer pragmatischen Politikder ausgewogenen Kooperation mit den Mus-limbrüdern gelegen sein, um die regionaleStabilität nicht langfristig zu gefährden. Außer-dem wird Saudi-Arabien versuchen, Ägyptensneue Regierung an den arabischen Anti-Iran-Block zu binden, zumal im Februar 2011Ägypten Iran zum ersten Mal seit 1979 ge-stattete, zwei Kriegsschiffe durch den Suez-kanal zu entsenden.53 Dies vergrößerte inSaudi-Arabien die Sorgen, die neue ägypti-sche Führung könne sich nun Iran annähern.Trotz dieser politischen Verstimmungen sollinsbesondere die wirtschaftliche Zusammen-arbeit intensiviert werden: So soll ein Strom-verteilungsnetz zwischen Ägypten undSaudi-Arabien entstehen, was insgesamt3.000 MW Elektrizität transportieren könnte.54Der Bau einer 32-Kilometer-langen Brückeam Golf von Aqaba soll Saudi-Arabien undÄgypten verbinden, da pro Jahr immerhin 1,5Mio. ägyptische Besucher nach Saudi-Ara-bien im Jahr und 750.000 Saudis nach Ägyp-ten kommen.55 VI.3 JemenDie Republik Jemen und das KönigreichSaudi-Arabien unterhalten traditionell enge,aber oftmals ambivalente Beziehungen.Dabei spielte der Jemen für Saudi-Arabien inder Vergangenheit wie auch in der Gegenwartdie Rolle eines strategischen Partners, der je-

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56 Vgl. Philips, Sarah: Eveluating Political Reform in Yemen, Carnegie Papers,http://www.carnegieendowment.org/files/cp_80_phillips_yemen_final.pdf, abgerufen am 28.08.2011.

57 Vgl. International Crisis Group: Popular Protest in North Africa and the Middle East (II): Yemenbetween Reform and Revolution, 10. Mai 2011.

58 Hill, G., Nonneman, G: Yemen, Saudi Arabia and the Gulf States: Elite Politics, Street Protests and Regional Diplomacy, Mai 2011, S. 9.

59 Vgl. Hill, G., Nonneman, G: Yemen, Saudi Arabia and the Gulf States: Elite Politics, Street Protests andRegional Diplomacy, Mai 2011, S. 2ff.

doch oftmals aus realpolitischen Erwägungeninstrumentalisiert wurde. Dies zeigte sich ins-besondere im Verlauf des „JemenitischenFrühlings“, der sich seit Beginn des Jahres2011 in Massendemonstrationen für politischeReformen und Partizipation, wirtschaftlichenFortschritt sowie gegen Korruption, Zensur,Patronage- und Klientelnetzwerke zeigte.Hierbei präsentierte sich die jemenitische Pro-testbewegung als breit aufgestellte Bewe-gung aus den unterschiedlichsten sozialenSchichten. Junge Akademiker demonstriertenebenso gegen die verkrustete und intranspa-rente Herrschaft des damaligen Präsident AliAbdallah Salihs wie Stammesführer, Militärsund feministische Aktivistinnen.56 Hatten dieDemonstranten zu Beginn der Proteste alleinpolitische Reformen angemahnt, wandte sichder Wut der Straße schnell gegen Salih, derseit 1978 den Nordjemen und nach derWiedervereinigung die Republik Jemen alsPräsident regierte. Seine Entscheidung, fürdie kommenden Präsidentschaftswahlen sei-nen Sohn Ahmad Ali als Präsidentschafts-kandidat vorzuschlagen, um so einefamiliendynastische Herrschaft zu garantie-ren, ließ die Unzufriedenheit ansteigen. Trotzkosmetischer Korrekturen seiner autoritativenPolitik gelang es Salih jedoch nicht, seine Po-sition zu stabilisieren. Immer mehr Unterstüt-zer und ehemals loyal ergebene Getreuewandten sich von ihm ab, Teile des Militärsund einflussreiche Stammesführer opponier-ten und erhöhten den Druck auf Salih.57Nachdem Salih am 3. Juni 2011 bei einemRaketenangriff auf den Präsidentenpalast inder Hauptstadt Sana’a schwer verletzt wurde,begab er sich ins saudi-arabische Riad zurmedizinischen Behandlung, um sich dort achtOperationen zu unterziehen. In seiner Abwe-senheit übernahm der damalige Vizepräsi-dent Abed Rabbo Mansur Hadi dieAmtsgeschäfte. Saudi-Arabien als Führungsmacht im GKRbeobachtete diese Entwicklung äußerst skep-tisch, fürchtete es doch eine zunehmendeDestabilisierung und Fragmentierung des Je-mens. Ali Abdallah Salih war für das saudi-sche Königshaus ein ebenso wichtiger wierelativ berechenbarer Partner gewesen, dernun drohte, auszufallen. Der Jemen besitzt für

die saudi-arabische Sicherheitskonzeptionfundamentale Bedeutung, sodass eine ähnli-che Entwicklung wie in den Transformations-ländern Ägypten und Tunesien fürSaudi-Arabien nicht akzeptabel gewesenwären.

“Yemen is not about foreign policy, it’sabout national security – it’s about in-telligence, security, tribalism and infor-mal contact.”58

Als direkter Nachbar verfügt Saudi-Arabienseit Jahrzehnten über enormen wirtschaft-lichen, politischen, militärischen und religiö-sen Einfluss im Jemen und behandelt denarmen südlichen Nachbarn eher als „Objekt“denn als gleichberechtigten Partner. Demzu-folge besaß eine pro-saudische, auf Stabilitätorientierte jemenitische Regierung für dassaudische Königshaus oberste Priorität. Alsabzusehen war, dass dies mit Salih nichtmehr realisiert werden konnte, ergriff der GKRunter Führung von Saudi-Arabien die Initia-tive, einen friedlichen Transitionsprozess imJemen einzuleiten und zu forcieren.59 Diesermündete darin, dass auf saudische Initiativeein politischer Kompromiss gefunden wurde,welcher einerseits Salihs Rückzug aus der ak-tiven Politik und andererseits einen „sanftenÜbergang“ ohne Chaos garantieren sollte.Aufgrund der engen Kontakte zwischen sau-dischen und jemenitischen Akteuren gelanges, Salih zum Rücktritt zu bewegen, seinenVizepräsidenten als Übergangspräsidenteneinzusetzen, ehe am 21. Februar 2012 Wah-len abgehalten wurden, bei denen allerdingsnur Hadi als einziger Präsidentschaftsanwär-ter kandidierte. Salih wurde bis zu diesemZeitpunkt der Titel des „Ehrenpräsidenten“verliehen. Erst beim vierten Versuch erklärtesich Salih bereit, der so genannten „Golfiniti-ative“ zuzustimmen und in Saudi-Arabien sei-nen Rücktritt zu unterschreiben. Realisiert werden konnte dieser Transforma-tionsprozess hauptsächlich durch das saudi-sche Vermittlungsengagement und stellt sichdemnach auch als eine den saudischen Inter-essen dienende Lösung dar. Es gelang zwar,den Anschein einer Demokratisierung zu er-wecken und Salih aus seinen Ämtern zu ent-

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60 Vgl. auch Glosemeyer, Iris: Politische Akteure in der Republik Jemen. Wahlen, Parteien und Parlamente,Hamburg 2001.

61 Vgl. Schmitz, Peter: Jemen, in: Deutsches Orient-Institut (Hrsg.): Der Arabische Frühling: Auslöser, Verlauf, Ausblick, Berlin 2011, S. 141-150.

fernen, womit die Kernforderungen der De-monstranten erfüllt wurden. Doch eine grund-legende Änderung des politischen Systemsließ Saudi-Arabien keineswegs zu. Die„Scheinwahl“ mit einem Kandidaten der altenElite, Salih von Strafverfolgung zu befreiensowie den Transformationsprozesses in dieHände traditionell etablierter jemenitischer Ak-teure zu übergeben, bedeutete für die ambi-tionierte Protestbewegung eine herbeEnttäuschung. Statt Demokratie, Transparenzund politischem Pluralismus scheint andert-halb Jahre seit Beginn des „JemenitischenFrühlings“ das alte System zwar geschwächtzu sein, genießt aber weiterhin über enormenEinfluss und konkurriert mit neuen Kräften,die jedoch weder als Reformer noch Moder-nisierer, sondern vielmehr als Vertreter alt-hergebrachter Nepotismuspolitik in neuemGewand gelten können. Anstatt Akteure der„Straßenopposition“ am neuen politischenGestaltungsprozess partizipieren zu lassen,wird die Transformation durch die Regie-rungspartei Salihs, dem Allgemeinen Volks-kongress, dessen Vorsitzender er nach wievor ist, und dem traditionellen Bündnis derOppositionsparteien bestimmt.60Hadi versucht zwar, eigene Vorstellungen undZiele durchzusetzen, wird aber von Vertreternder alten Machtclique immer wieder beein-trächtigt. Den Plänen der Golfinitiative, dieArmee und Sicherheitseinheiten neu zu struk-turieren, versucht Hadi zwar nachzukommen,stößt aber auf massiven Widerstand. So kon-trollieren Salihs Sohn Ahmad Ali und dessenNeffen noch immer militärische Einheiten undauch ihr Vater hat längst nicht all seine politi-schen Ambitionen aufgegeben. Dies äußertsich in blutigen Machtkämpfen: NachdemHadi im April 2012 den Luftwaffenchef Mu-hammad Salih Al-Ahmer, einen Halbbruderdes ehemaligen Präsidenten, sowie Tariq Mu-hammad Salih, den Neffen Salihs und Kom-mandierender der Präsidentengarde,abgesetzt hatte, widersetzten sich beide demBefehl. Ebenso unpopulär wenn auch mutigwar die Entscheidung Hadis im August 2012,Ali Ahmar und dem einflussreichen GeneralAli Mohsen das Kommando über einige Divi-sionen zu entziehen, um diese zu einer neuenPräsidentengarde zu fusionieren. Die Folgewaren blutige Auseinandersetzungen inner-halb des Militärapparates und die weitereDestabilisierung der Staatsmacht. So griffen

Truppen der Republikanischen Garde unterFührung von Ali Ahmar das Verteidigungsmi-nisterium an, um die Entscheidung mit Gewaltzu verhindern. Neben dem fragilen Übergangsprozess, dender Jemen derzeit durchläuft, fordern weitereKonflikte die innere Stabilität heraus. Mittler-weile gilt das Land als „Armenhaus“ der Ara-bischen Halbinsel, mehr als 70% derBevölkerung leben von weniger als 2 USD amTag, die Einnahmen aus der Erdölproduktionsinken dramatisch, die Bevölkerung wächst,während gleichzeitig die Arbeitslosigkeitsteigt. In den großen Städten wie Sana’aherrscht akuter Wassermangel, das Land lei-det unter einer jahrelangen Wirtschaftskrise,erodiert von innen und litt Jahrzehnte unterder korrupten und intransparenten „Selbstbe-dienungspolitik“ Ali Abdallah Salihs. DasDurchschnittsalter beträgt 18,1 Jahre, weni-ger als die Hälfte der Bevölkerung kann lesenund schreiben, beim Korruptionsindex vonTransparency International liegt der Jemenauf einem desaströsen 146. Rang (von 176). Neben dieser soziökonomischen Dauerkrise,den fehlenden Perspektiven für die Jugendund dem akuten Mangel in fast allen Lebens-bereichen leidet das Land unter dem rapidenAnstieg des militanten Islamismus. DerJemen ist zu einem „sicheren Hafen“ für mili-tante Islamisten von Al-Qaida auf der Arabi-schen Halbinsel (AQAP) geworden.US-amerikanische Drohneneinsätze versu-chen, die militante Bedrohung zu bekämpfen,töten aber immer wieder Zivilisten und sorgenfür einen breiten Anti-Amerikanismus in derjemenitischen Bevölkerung. Weiterhin tobt imSüden ein jahrelanger Unabhängigkeitskampfder Hirak-Bewegung, die die Sezession vomNorden anstrebe. In der nördlichen RegionSa’ada ringt die schiitisch-zaidistische Huthi-Bewegung ebenfalls um stärkeren Einfluss,lieferte sich blutige Auseinandersetzungen mitder Zentralregierung und gewann währenddes „Arabischen Frühlings“ weitgehende re-gionale Autonomie. Während der ehemaligejemenitische Präsident Ali Abdullah Salih dasVorgehen gegen die „Rebellen“ als Kampfgegen den islamistischen Terrorismus legiti-mierte und die Huthis als „Agenten Irans“ de-nunzierte, forderten diese mehr politischePartizipation und wirtschaftliche Unterstüt-zung. 61

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62 Vgl. Sons, Sebastian: Die Beziehungen Saudi-Arabien – Jemen. Ein kompliziertes Verhältnis, Berlin2010 (unveröffentlichtes Arbeitspapier).

63 Vgl. Hill, G., Nonneman, G: Yemen, Saudi Arabia and the Gulf States: Elite Politics, Street Protests and Regional Diplomacy, Mai 2011, S. 7.

64 Vgl. Al-Harithi, Zuhair: Understanding Yemen’s Troubles: A Saudi Perspective, http://www.arabinsight.org/aiarticles/228.pdf, abgerufen am 26.06.2012.

Diese innenpolitischen Entwicklungen beob-achtet Saudi-Arabien mit aufmerksamemInteresse und großer Sorge, die lokalen Kon-flikte könnten sich nach Saudi-Arabien aus-weiten. So unterstützte das Königreich seitHerbst 2009 die jemenitische Regierung imKampf gegen die Aufständischen im Norden,weiterhin kooperierte es mit der Salih-Regie-rung im Anti-Terror-Kampf sowie in entwick-lungspolitischen Bereichen. Mittlerweileverfügt Saudi-Arabien über eigenes Inform-antennetz im Jemen, um terroristische Akti-vitäten bekämpfen zu können. EineVerschärfung der Konflikte im Norden könntesich zu einem massiven Flüchtlingsproblemfür Saudi-Arabien ausweiten. Bereits jetzt be-finden sich etwa 150.000 Jemeniten auf derFlucht. Außerdem bedrohten die Huthis in derVergangenheit zunehmend auch saudischesTerritorium. Es gab bereits Übergriffe von Auf-ständischen auf saudische Dörfer, sodassSaudi-Arabien seit Herbst 2009 aktiv in dieKämpfe eingegriffen hatte und die jemeniti-sche Armee unterstützt. Luftschläge und Of-fensiven sollten dazu führen, den Widerstandder Huthis zu brechen und die umkämpftenGebiete zu befrieden. Dass hierbei zivileOpfer und Kämpfer nur noch selten unter-schieden werden können und das gebirgigeHochland des Nordjemens für gezielte Luft-schläge ungeeignet ist, erschwerte das kon-zertierte Vorgehen gegen die Huthis.62 Bereits in den 1960er Jahren, während desjahrelangen Bürgerkriegs im Jemen, hattesich Saudi-Arabien auf die Seite der gestürz-ten Royalisten geschlagen, während Ägyptendie republikanische Bewegung unterstützte.Zu dieser Zeit befürchtete Saudi-Arabien einegeostrategische Vormachtstellung des regio-nalen Konkurrenten Ägypten, sodass das En-gagement beider Länder im Jemen eher derDurchsetzung eigener Interessen als der Sta-bilisierung des Jemens galt.63Im Jemen spielt auch der traditionelle Konfliktder beiden „Erzfeinde“ Iran und Saudi-Ara-bien eine wesentliche Rolle: Der Vorwurf, Iranunterstütze die schiitischen Huthis gegen diejemenitische Regierung, richtet sich demnachauch gegen das saudische Hegemonialstre-ben in der Golfregion. So wird der Konflikt imNordjemen bereits als „Stellvertreterkrieg“

zwischen Iran und Saudi-Arabien umschrie-ben, obwohl ein direktes Eingreifen der Isla-mischen Republik auf Seiten der Huthisbisher nicht nachgewiesen werden konnte.64Erneut agiert Saudi-Arabien in diesem Kon-flikt aus sicherheitspolitischem und ideologi-schem Kalkül: Einerseits soll Irans Einflussminimiert werden, andererseits werden dieschiitisch-zaiditischen Huthis aufgrund derwahhabitischen Ideologie als „Häretiker“ ab-gelehnt. Insgesamt ist der Einfluss des Wah-habismus im Jemen in den letztenJahrzehnten deutlich gestiegen. JemenitischeGastarbeiter wurden in Saudi-Arabien durchwahhabitische Geistliche mit der Lehre kon-frontiert und teilweise indoktriniert. Nach ihrerRückkehr verbreiteten viele dieser ehemali-gen Gastarbeiter wahhabitisches Gedanken-gut im Jemen, gründeten oder besuchtenReligionsschulen (arabisch: Pl. madaris) undnahmen so Einfluss auf Teile der jemeniti-schen Gesellschaft. In der Vergangenheit wurde seitens des sau-dischen Königshauses immer wieder auchpolitischer Druck auf die jemenitische Regie-rung ausgeübt, um eigene politische Ziele zuerreichen. Nachdem sich der Jemen währendder Kuwait-Invasion des Iraks Anfang der1990er Jahre unter Saddam Hussein auf dieSeite des Diktators gestellt hatte, wurden imZuge der internationalen Sanktionen gegenden Jemen auch etwa eine Million jemeniti-sche Gastarbeiter aus Saudi-Arabien ausge-wiesen. Dies hatte gravierende wirtschaftlicheAuswirkungen: Durch den Wegfall der Rück-zahlungen der Gastarbeiter in ihre Heimatwurde die wirtschaftliche Rezession im Zugeder Sanktionen verstärkt; der Jemen befindetsich seitdem in einer schweren wirtschaft-lichen Krise.Die besorgniserregenden Entwicklungen imJemen und der Anstieg der terroristischen Ge-fahr durch militante Islamisten aus demJemen bedeuten auch für Saudi-Arabien einemassive innen- wie außenpolitische Gefahr:Saudi-Arabien fürchtet Anschläge im Inlandvon jemenitischen Militanten. Dass diese Be-fürchtung konkrete Anlässe hat, zeigt vorallem der Selbstmordanschlag auf den saudi-schen Vize-Innenminister Prinz Muhammadbin Naif im Jahr 2009. Der Attentäter soll in je-

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65 Vgl. Wagner, Christian: Brennpunkt Pakistan. Islamische Atommacht im 21. Jahrhundert, Bonn 2012.66 Vgl. Hardy, Roger: Ambivalent Ally: Saudi Arabia and the ‘war on terror’, in: al-Rasheed, Madawi (Hrsg.):

Kingdom without Borders. Saudi political, religious and media frontiers, London 2008, S. 99-112.

menitischen Lagern ausgebildet worden sein.Hinzu kommen in der Vergangenheit An-schläge auf saudische Ölraffinerien. Um sol-che Risiken zu reduzieren, bauteSaudi-Arabien seit 2003 die Sicherungsanla-gen an der 1.800 Kilometer langen gemein-samen Grenze aus. Schmuggel,Waffenhandel und die verhältnismäßig pro-blemlose grenzübergreifende Bewegungs-freiheit militanter Islamisten sollen dadurchverhindert werden. Auch kommt es immerwieder zu Kinderhandel nach Saudi-Arabien.Jemen wird auch zukünftig ein wesentlichesFeld der saudischen Außenpolitik bleiben.Aus historischen, religiösen und regionalpoli-tischen Erwägungen spielt der arme südlicheNachbar für die Sicherheitskonzeption desKönigshauses eine entscheidende Rolle.Dementsprechend engagiert zeigte sichSaudi-Arabien auch beim Transformations-prozess von Salih zu Hadi, initiierte die Golf-initiative und wird auch zukünftig einindigenes Interesse daran haben, die Transi-tion nach eigenen Vorstellungen voranzutrei-ben. Oberste Prämisse der saudischenJemen-Politik bleibt die dauerhafte Stabilisie-rung des Landes. Neben der terroristischenund der separatistischen Bedrohung mussdies aus saudischer Sicht vor allem gelingen,um den Erzrivalen Iran einzudämmen unddessen Einfluss auf die jemenitischen Zaidi-ten auf ein Minimum zu reduzieren. Dass dieses Kalkül eher einer grundlegendenantischiitischen Paranoia und nicht der Rea-lität geschuldet ist, verwundert nicht, sondernzeigt erneut die antiiranische Ausrichtung dersaudischen Außenpolitik als grundlegendenPfeiler. Demokratisierungsbestrebungen wer-den nicht unterstützt, da ein echter System-wechsel im Jemen auch antisaudische Kräftean die Macht bringen könnte. Immerhin regtsich schon seit vielen Jahren Widerstandgegen den saudischen Einfluss im Jemen,der insbesondere von der jüngeren Genera-tion und liberal-säkularen Aktivisten sowieFrauen geäußert wird. Saudi-Arabien wird deswegen daran gelegensein, eine oberflächliche Machttransformationzu unterstützen, die „Opposition der Straße“jedoch von der Machtelite zu exkludieren, umweder antisaudische Strömungen noch un-vorhersehbare politische Entwicklungen im

Jemen sich entwickeln zu lassen. VI.5 PakistanPakistan und Saudi-Arabien unterhalten seitvielen Jahrzehnten ein enges, aber auch nichtimmer spannungsfreies Verhältnis. Hierbeiübernimmt Saudi-Arabien seit mehreren Jahr-zehnten gegenüber Pakistan eine Rolle als„Beschützer“, als „geistiger und moralischerMentor“ und versucht, aufgrund seiner Aus-nahmestellung innerhalb des sunnitischen Is-lams eine Vorbildfunktion bei densunnitischen Muslimen Pakistans einzuneh-men. Dabei verfolgt Saudi-Arabien wie in derarabischen Welt auch hier eine eindeutiginteressens- und sicherheitsorientierteAußenpolitik. Nach der Islamischen Revolution 1979drängte das saudische Königshaus auf mehrEinfluss in Pakistan, um das Hegemonialstre-ben Irans einzudämmen. Immerhin lebt mit20% die größte schiitische Gemeinschaft indem multikonfessionellen südasiatischenStaat nach Iran. Die Islamisierungspolitik Ziaul-Haqqs (1977-1988) in Pakistan bot Saudi-Arabien hierbei eine optimale Gelegenheit,ihre religionspolitische Präsenz in Südasienauszubauen. Demzufolge begann mit demEinmarsch der Sowjetunion in Afghanistannicht nur die Unterstützung der afghanischenmujahidin durch Saudi-Arabien, sondern auchder Ausbau „strategischer Tiefe“ in Pakistan.65In Kooperation mir den USA sowie in engerAbsprache mit dem pakistanischen Geheim-dienst ISI und dem pakistanischen Militär wur-den sukzessive sunnitische, antischiitischeStrömungen wie die radikale Deobandi-Schule gefördert, das System der islamischenReligionsschulen (dini madaris) ausgebautund über intransparente Netzwerke militanteGruppierungen mit Finanzmitteln, Logistik undauch Waffen unterstützt.66 Während Saudi-Arabien so den Einfluss Irans eindämmenwollte, instrumentalisierte Pakistan dieseGruppen als „nichtstaatliche Agenten“ gegenden Erzfeind Indien und im Kaschmirkonflikt.Während des sowjetisch-afghanischen Krie-ges in den 1980er Jahren gingen etwa 30.000saudische mujahidin nach Afghanistan, vielevon ihnen ließen sich in Pakistan ausbilden. Hierbei bleiben die Drahtzieher dieser „Sau-disierung“ der pakistanischen Religionsland-schaft weitgehend dubios. Es ist weder

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67 Vgl. u.a. al-Rasheed, Madawi: Circles of Power: Royals and Society in Saudi Arabia, in: Aarts, Paul,Nonneman, Gerd (Hrsg.): Saudi Arabia in the Balance. Political Economy, Society, Foreign Affairs, London 2005, S. 185-213.

68 Vgl. Burr, J. Millard, Collins, Robert O.: Alms for Jihad. Charity and Terrorism in the Islamic World, Cambridge 2006.

69 Vgl. Hegghammer, Thomas: Jihad in Saudi Arabia. Violence and Pan-Islamism since 1979, Cambridge 2010.

eindeutig bekannt noch belegt, ob diese Mis-sionierungstätigkeiten vom saudischen Kö-nighaus direkt gefördert und unterstütztwurden, noch welche saudischen Institutio-nen und Personen involviert waren. Allerdingsexistieren Hinweise, die auf eine direkte Be-teiligung einiger einflussreicher saudischerPrinzen hindeuten, darunter der ehemaligeGeheimdienstchef Turki al-Faisal, der jahre-lange enge Kontakte zu Usama bin Ladinunterhalten haben soll.67Wichtigste Akteure in diesem undurchsichti-gen Netzwerk waren und sind die religiösenStiftungen und karitativen Einrichtungen, diein Saudi-Arabien über enorme Popularität undimmensen Einfluss verfügen. Viele von ihnenwerden direkt vom Königshaus mit „Spenden“oder „Almosen“ (arabisch: zakat) mitunter-stützt, der König sowie viele andere Mitglie-der des saudischen Königshausesübernehmen in der Regel Führungspositioneninnerhalb dieser Stiftungen. Insbesondere dieAl Saud zeigt sich in der Öffentlichkeit gernals besonders gottesfürchtige und frommeMuslime, um ihren Ruf als „Hüter der BeidenHeiligen Stätten“ und Vorbild der sunnitischenumma zu manifestieren. Ihr Engagement inkaritativen Einrichtungen zur Unterstützungarmer Muslime in aller Welt dient daher derImagepflege und ist eine gesellschaftlich ge-forderte Notwendigkeit. Viele dieser Stiftungen wurden bereits vorJahrzehnten gegründet und dienen nebenihren wohltätigen Aktivitäten auch als außen-politisches Engagement: Durch die Gründungvon Religionsschulen in der ganzen Welt undbesonders in Südasien, die Produktion religi-öser Erziehungsliteratur, Korandruck, dieEntsendung von Missionaren und die infra-strukturelle Unterstützung benachteiligter is-lamischer Länder sind viele dieser Stiftungenmittlerweile ein indigener Bestandteil musli-mischer Gesellschaften.68 Dies gilt insbeson-dere für Pakistan. Seit den 1980er Jahren hatsich die Zahl der dini madaris vor allem in denstrukturschwachen Regionen wie KhyberPakhtunwa (früher Federal Administered Tri-bal Areas, FATA) oder Balutschistan mehr alsvervierfacht. Existierten im GründungsjahrPakistans in Gesamtpakistan nur 250 mada-ris, soll die Zahl heute zwischen 10.000 und

45.000 mit 1-1,7 Mio. Schülern liegen. Für viele auf dem Land lebende Familien bie-tet eine saudisch finanzierte Madrasa die ein-zige Möglichkeit, ihren Kindern eineSchulbildung zu ermöglichen, da das staatli-che Erziehungssystem nicht nur unzurei-chend ausgestattet, sondern auch in denruralen Gebieten häufig nicht präsent ist. Mansollte sich daher zurückhalten, die Religions-schulen grundsätzlich als Kaderschmiede fürmilitante Islamisten zu beurteilen, da sie häu-fig die einzige Option für eine gewisse Schul-bildung darstellen. Dennoch bleibt ihre Rolle umstritten. Vorallem nach dem 11. September 2001 wurdendie tief greifenden Verflechtungen zwischenmilitanten islamistischen Gruppen, Religions-schulen und saudischen Akteuren als Förde-rer thematisiert und kritisiert. Das saudischeKönigshaus geriet verstärkt unter Druck vonden USA, die forderten, die Unterstützung fürdubiose Bildungs- und Erziehungseinrichtun-gen einzustellen. Erfolgten die ersten Maß-nahmen nur widerwillig, änderte sich dies,nachdem 2003 die ersten Rückkehrer aus Af-ghanistan und Pakistan Anschläge in Saudi-Arabien verübten und die innere Stabilitätbedroht wurde. Das saudische Königshausreagierte kompromisslos, indem HunderteTerrorverdächtige festgenommen, Reformenim Bildungssystem implementiert und regi-mekritische Geistliche von ihren Aufgabenentbunden wurden.69 Mittlerweile distanziertsich die saudische Regierung offiziell von densunnitischen Religionsschulen und Stiftun-gen, die unter Terrorverdacht stehen. Dochauch hier gerät die Al Saud immer wieder inein Dilemma: Da die Zakat-Gabe zu den „fünfSäulen“ des Islams gehört und damit obliga-torisch ist, kann die finanzielle Unterstützungfür religiöse Einrichtungen nicht unterbundenwerden, ohne dafür in der Öffentlichkeitharsch kritisiert zu werden. Da die meistenStiftungen und karitativen Einrichtungen ihrenAufgaben nachkommen und die dubiosen Ak-tivitäten nicht von den legalen Projekten diffe-renziert werden können, bleibt der Einflussdieser Institutionen auch heute noch massiv.Nach wie vor erfolgt die Förderung von dinimadaris in Pakistan über intransparente Ka-näle, werden die Religionsschulen von Prin-zen, Geistlichen, Stiftungen und Privatleuten

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70 Zit. nach Burr, J. Millard, Collins, Robert O.: Alms for Jihad. Charity and Terrorism in the Islamic World,Cambridge 2006, S. 26.

71 Vgl. al-Obeid, Faisal: Saudi Arabia asks Pakistan to increase security for its diplomats, Al-Shorfa, 18.Mai 2011, http://www.al-shorfa.com/en_GB/articles/meii/features/main/2011/05/18/feature-02, abgerufenam 22.10.2012.

unterstützt. Hierbei kann die Aussage desneuen Thronprinzen Salman aus dem Jahr2002 als exemplarisch dienen, wies er dochdarauf hin, dass Spenden an karitative Ein-richtungen für jeden „guten Muslim“ obligato-risch seien, die Verwendung dieser Mittel abernicht mehr in der Verantwortung des Geberslägen.70Doch die Nähe zwischen Pakistan und Saudi-Arabien beschränkt sich nicht allein auf diemissionarische Tätigkeit über Religionsschu-len. Seit den 1960er Jahren unterstützt Paki-stan die saudische Armee bei Ausbildung undin Kampfeinsätzen. Gleichzeitig soll Saudi-Arabien Pakistan bei der Entwicklung ihrerNuklearwaffen unterstützt haben. So wird ver-mutet, dass im Falle einer iranischen Aggres-sion Pakistan als „atomarer Schutzschirm“ fürSaudi-Arabien dienen könne. EntsprechendeGeheimabsprachen sollen seit Jahren exis-tieren. Dass hierbei diese Absprachen aufpersönlichen Netzwerken und nicht auf insti-tutionalisierten Kooperationen beruhen, wirdvon externen Akteuren wie den USA immerwieder kritisiert, ist aber eine der Grundkon-stanten der pakistanisch-saudischen Bezie-hungen.Dennoch drohen Spannungen, die sich in Zu-kunft verschärfen könnten. Zum einen hat dassaudische Königshaus seine einstmals sym-pathisierende Haltung zu militanten Islamis-ten weitgehend beendet, nachdem die eigeneStabilität von al-Qaida-nahen Rückkehrernzwischen 2003 und 2005 gefährdet wordenwar. Diese Einsicht existiert bei den verant-wortlichen Akteuren Pakistans nur in Teilen. Zwar existiert mittlerweile eine öffentlicheRhetorik, die sich gegen die militante Bedro-hung von al-Qaida und anderer Gruppen imeigenen Land richtet. Auch kann nicht voneiner generellen Radikalisierung der pakista-nischen Bevölkerung gesprochen werden.Doch die zivile Regierung unter dem ange-schlagenen und hart kritisierten PräsidentenAli Asif Zardari verfügt nur über einge-schränkte Machtbefugnisse, handelt es sichbei Pakistan doch eher um eine „Kasernen-demokratie“, da die Obrigkeit über die Si-cherheitspolitik beim Geheimdienst und demMilitär liegt. So wird die pakistanische Armee,mit mehr als einer Million Soldaten eine der

größten der Welt, auch als „Staat im Staate“beschrieben. Sie kontrolliert die Atomwaffen, sie sieht sichals einziger Akteur, der den fragilen Staat zu-sammenhalten kann und setzt die Traditionender britischen Kolonialherrschaft weitgehendfort. Insgesamt vier Militärputsche seit derGründung Pakistans 1947 verdeutlichen dieOmnipräsenz der Militärs in der politischenGeschichte des Landes. Dabei grassiert dieAngst vor Indien mittlerweile als paranoidesTrauma in den Reihen des Militärs. Nochimmer sehen sie in ihrem Nachbarn eine na-türliche Bedrohung für die staatliche Einheit,worüber die innere Bedrohung durch militanteIslamisten weithin vernachlässigt wird. Ge-lang es ISI und Militär, in den 1980er Jahrendiese Gruppen noch als Instrumente pakista-nischer Außenpolitik einzusetzen, richten sichdie ehemals loyalen Verbündeten gegen deneinstmaligen Förderer. Während sich dieseRealität nur schrittweise im strategischenDenken des Militärs durchsetzt und viele be-reits von einer schleichenden Islamisierungder Armee gesprochen haben, beobachtetSaudi-Arabien diese halbseidene Haltunggegenüber den militanten Islamisten mitSorge. Auf der anderen Seite hat Saudi-Arabien inden letzten Jahren die wirtschaftliche und po-litische Zusammenarbeit mit Pakistans Erz-feind Indien ausgebaut. Die Ölexporte sollensich verdoppeln, der Besuch Abdullahs 2005in Indien war der erste eines saudischen Kö-nigs seit 60 Jahren. Im Sicherheitsbereichund in der Kriminalitätsbekämpfung wurde dieKooperation ausgebaut. Dies betrachtet Pa-kistan aufmerksam. Die Ermordung des sau-dischen Diplomaten Hassan al-Qahtani imMai 2011 in Karachi belastete kurzzeitig dasbilaterale Verhältnis.71Denn neben der politischen und militärischenNähe ist die pakistanische Wirtschaft existen-ziell von den Beziehungen zu Saudi-Arabienabhängig. Etwa 1,5 Mio. pakistanische Gast-arbeiter leben und arbeiten im Königreich. Sostiegen die Rücküberweisungen von 510 Mio.USD im Jahr 2004/05 auf 1,6 Mrd. USD imJahr 2008/09, was einem Gesamtanteil vonetwa 4,8% am pakistanischen BIP entspricht.Dieser Wert stieg in den letzten Jahren noch-mals deutlich an: Allein zwischen Juli und Au-

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gust 2012 wurden insgesamt 657,78 Mio.USD nach Pakistan überwiesen.72 Sollte sichaus wirtschaftlichen oder politischen Gründendas Volumen der Rücküberweisungen in Zu-kunft reduzieren, droht dem krisengeschüttel-ten Pakistan der wirtschaftliche Kollaps.Dementsprechend werden die Maßnahmender saudischen Regierung, durch unter-schiedliche „Saudisierungskampagnen“ denAnteil einheimischer Arbeitskräfte am Arbeits-markt auf Kosten der asiatischen Migrantenzu erhöhen, in Pakistan mit Sorge betrachtet. Trotz dieser Spannungsfelder wird die Allianzzwischen Saudi-Arabien und Pakistan auchzukünftig für beide Länder von fundamentalerBedeutung bleiben. Dies lässt sich auch dar-auf zurückführen, dass beide Länder überähnliche Probleme bei der Findung einer na-tionalen Identität verfügen. Saudi-Arabien de-finiert sich über die Omnipräsenz der Al Saudund ihres Bündnisses mit den ulama, wäh-rend Pakistan als Nation der asiatischen Mus-lime gegründet wurde, es aber seitdem nichtgelungen ist, diese Vision mit Leben zu erfül-len. Ähnlich wie in Pakistan geben auch inSaudi-Arabien die regionalen Unterschiede,der Umgang mit konfessionellen ethnischenMinderheiten sowie die Überideologisierungder Alltagspolitik Anlass zu steigendem sozi-alem Protest. Auch wenn beide Länder auf-grund ihrer unterschiedlichen wirtschaftlichenSituation nicht gleichgesetzt werden dürfen,bilden diese strukturellen Hemmnisse docheine Parallele, die die bilaterale Partnerschaftauf einer staatskonzeptionellen Ebene eben-falls erklären könnte. VII. Beziehungen zu internationalen Part-nern – Quo Vadis?VII.1 DeutschlandSaudi-Arabiens gewachsener Einfluss alsaußenpolitischer Akteur in der Region fordertauch die Bundesrepublik Deutschland her-aus, ihre Beziehungen zum Königreich zu intensivieren. Generell wird Saudi-Arabien alspro-westlicher, eng mit den USA assoziierterund verlässlicher Partner gesehen, der aufgrund seines regionalen Einflusses auchfür Deutschland und die EU aus mehreren Aspekten von besonderem Interesse ist.73Hierbei befindet sich die bundesrepublikani-sche Nahostpolitik in der Situation, einerseits

die „historische Verantwortung“ gegenüber Is-rael aufrecht zu erhalten, andererseits dengeänderten Rahmenbedingungen im Nahenund Mittleren Osten aufgrund des „Arabischen Frühlings“ Rechnung zu tragen.Die Unterstützung der arabischen Transfor-mationsländer versucht die Bundesrepublikmithilfe der so genannten „Transformations-partnerschaften“ und im Rahmen der bereitsbestehenden EU-Instrumente voran zu trei-ben und hat dafür mehrere Millionen Euro zurVerfügung gestellt. Hierbei sollen der Aufbaueiner Zivilgesellschaft, demokratisch-pluralis-tischer Strukturen, eines nachhaltigenRechtssystems und die Förderung von staat-lichen Institutionen sowie der Kampf gegendie Korruption gefördert werden. Deutschlandbemüht sich somit, die einstige Unterstützungfür autoritäre Regime in eine weitgehendwertorientierte Nahostpolitik zu modifizieren,ohne die anderen Pfeiler deutscher Außen-politik in der Region zu vernachlässigen:

(1) Wahrung der Interessen Israels undUnterstützung des Nahost-Friedenprozes-ses; (2) Sicherheit und Stabilität; (3) Förderung von wirtschaftspolitischenKooperationen.

Dass sich dadurch in der realpolitischen Pra-xis häufig Widersprüche in der Wahrung prag-matischer Interessen und der öffentlichenWahrnehmung ergeben, zeigt vor allem diedeutsche Saudi-Arabien-Politik. Unter derPrämisse einer werteorientierten Nahostpoli-tik und auch im Hinblick auf die Wahrung derisraelischen Sicherheit müsste Saudi-Arabiendeutlich kritischer bewertet werden. Doch derFokus liegt derzeit auf der wirtschaftspoliti-schen Zusammenarbeit und der Allianz beider Eindämmung Irans. Wirtschaftlich hatSaudi-Arabien in den letzten Jahren für deut-sche Unternehmen einen enormen Bedeu-tungsanstieg erfahren. Mittlerweile beginnenauch deutsche KMU, in unterschiedlichenSektoren im Königreich tätig zu werden.Dabei wird nicht mehr ausschließlich aus denbenachbarten Vereinigten Arabischen Emira-ten operiert, sondern auch eigene Niederlas-sungen in den saudischen Zentren Riad oderJidda eröffnet. Deutsche Produkte genießenin Saudi-Arabien über immense Wertschät-zung. Auch wenn viele saudische Unterneh-mer vom verhältnismäßig hohen Preisniveau

72 Vgl. Raza, Anaam: Saudi Arabia becomes largest remittance provider to Pakistan, The News, 15. September 2012, http://www.thenews.com.pk/Todays-News-3-131948-Saudi-Arabia-becomes-largest-remittance-provider-to-Pakistan, abgerufen am 13.10.2012.

73 Vgl. Steinberg, Guido: Saudi-Arabien als Partner deutscher Nahostpolitik, SWP-Studie, Dezember 2008.

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deutscher Waren abgeschreckt reagieren undsich nicht selten günstigeren Anbietern ausChina oder der Türkei zuwenden, führen ne-gative Erfahrungen mit dem Qualitätsstan-dard häufig später zum Erwerb deutscherProdukte. Deutschland ist mit 7,7% Saudi-Arabiens dritt-wichtigster Wirtschaftspartner nach den USA(13,2%) und China (11,7%). Dabei stieg dasdeutsche Exportvolumen von 4,89 Mrd. EURim Jahr 2009 auf 6,87 Mrd. EUR im Jahr2011. Wichtigste Exportgüter sind Maschinen(21,1%), Kraftfahrzeuge und KfZ-Teile(14,9%) sowie chemische Erzeugnisse mit14,1%.74 Die steigende Präsenz von deut-schen Unternehmen auf regionalen Fach-messen wie der Baumesse Saudi Build ist einweiteres Merkmal für den Bedeutungsgewinndes saudischen Marktes. Dies wird durch diepolitische Flankierung unterstützt. Hochran-gige deutsche Politiker wie Wirtschaftsminis-ter Dr. Philipp Rösler im Juni 2012 in Riadbetonen die Attraktivität des saudischenMarktes, die erfolgreich implementierten Re-form- und Liberalisierungsmaßnahmen sowiedie engen historischen Beziehungen beiderLänder. Gleichzeitig wird Saudi-Arabien alsverlässlicher politischer Partner in einer Re-gion des Umbruchs wahrgenommen. DieWahlerfolge von islamistischen Parteien inÄgypten und Tunesien, die fragile politischeSituation in Libyen sowie der blutige Konfliktin Syrien beunruhigen deutsche Außenpoliti-ker, sodass die Suche nach Stabilität wiederhöhere Priorität besitzt. Saudi-Arabien gilt inder deutschen Analyse als weitgehend stabilund gleichzeitig als einflussreicher Akteur inden Transformationsstaaten. Dennoch muss Deutschland zukünftig abwä-gen, ob und inwieweit eine intensive Koope-ration mit dem repressiv gegen Minderheitenagierenden Königshaus gewollt ist und argu-mentativ vertreten werden kann. Mit Sicher-heit sollte Saudi-Arabien in der deutschenNahostpolitik eine bedeutendere Rolle ein-nehmen als in der Vergangenheit, allerdingssollte dieses Verhältnis nicht allein nach demrealpolitischen Nutzen, sondern auch auf derBasis einer „werteorientierten Außenpolitik“bewertet werden. Hierbei dienen die Speku-lationen um die Lieferung von deutschen Pan-zern an das saudische Königshaus alsaussagekräftiges Beispiel. Immerhin gilt

Saudi-Arabien als gegenrevolutionäre Regio-nal-macht, die brutal gegen ethnische und religiöse Minderheiten vorgeht, die bahraini-sche Herrscherfamilie gegen die Aufständi-schen unterstützte, Geschlechtertrennungund religiöse Intoleranz proklamiert und nurrudimentäre Ansätze von demokratischenStrukturen zulässt. Diese innersaudische Re-alität muss die deutsche Saudi-Arabien-Politik berücksichtigen, um für die durchausselbstbewusste Al Saud nicht zu einer will-fährigen Marionette saudischer (Wirt-schafts)Interessen zu werden, sonderneigenständig, kritisch und möglichst unvor-eingenommen mit Saudi-Arabien umzuge-hen. Gelingt dies, kann Deutschlandeinerseits seinen strategischen Einfluss in derRegion ausbauen und andererseits mittelfris-tig den Reformwillen Saudi-Arabiens unter-stützen.VII.2 RusslandDas Verhältnis Saudi-Arabiens zu Russlandist seit vielen Jahrzehnten durch immerwiederkehrende Phasen der Spannungenund der Annäherung bestimmt. Momentan be-finden sich die bilateralen Beziehungen aufeinem historischen Tiefststand, was sich vorallem an der unterschiedlichen Perzeption derSyrien-Krise festmachen lässt.75 WährendSaudi-Arabien dem alawitischen Regime vonBashar al-Assad bereits aus ideologischenFaktoren stets kritisch gegenüberstand unddessen Nähe zu Iran als Bedrohung der ei-genen Sicherheitsinteressen wahrnahm,unterstützen Akteure in Saudi-Arabien seitMonaten die sunnitischen Oppositionsgrup-pen mit Geld und Waffen. In welchem Umfangsich das saudische Königshaus bei dieserUnterstützung engagiert, bleibt zwar umstrit-ten, doch wird in saudischen Medien und inMoscheen offen dazu aufgerufen, für die sun-nitischen „Brüder“ in Syrien zu spenden. Esist auch nicht ausgeschlossen, dass saudi-sche Jihadisten mittlerweile gegen das syri-sche Regime kämpfen. Ob dies vomKönigshaus nur geduldet oder gar initiiert ist,kann nicht beurteilt werden. Russland hingegen gilt nach wie vor als ve-hementer Befürworter des Assad-Regimes.Gemeinsam mit China verhinderte Russlandimmer wieder Syrien-Resolutionen im UN-Si-cherheitsrat, die ein energisches Einschreiten

74 Vgl. Germany Trade and Invest: Saudi-Arabien – Wirtschaftsdaten kompakt, Mai 2012,http://www.gtai.de/GTAI/Content/DE/Trade/Fachdaten/PUB/2012/05/pub201205298035_159740.pdf, abgerufen am 22.10.2012.

75 Vgl. Al Tamamy, Saud Mousaed: Hegemonic or Defensive? Patterns of Saudi Foreign Policy in the Era of the Arab Spring, in: Orient IV/2012, S. 14-21.

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der internationalen Gemeinschaft in Syrien le-gitimiert hätten. Russlands strategischesInteresse gilt nicht allein dem eigenen Militär-hafen in Tartus, sondern auch der generellenPrämisse, dass ein Sturz des antiamerikani-schen Regimes von Bashar al-Assad auchdie Stellung Russlands in der Region zugun-sten der USA schwächen würde. Der diametrale Gegensatz zwischen Saudi-Arabien und Russland in der außenpoliti-schen Konzeption beschränkt sich jedochnicht allein auf die Syrien-Frage, sondern er-langt regionale Bedeutung, da RusslandsNähe zu Assad auch gleichzeitig als Nähe zuIran bewertet wird, welches neben Russlandals engster Verbündeter des syrischen Präsi-denten gilt. So verfolgt Russland in Syriennicht nur seine eigenen Interessen, sondernbeeinflusst auch den iranisch-saudischen He-gemonialkonflikt, der mittlerweile in Syrien alsStellvertreterkrieg ausgefochten wird. Wäh-rend Saudi-Arabien den Sturz des alawitisch-schiitischen Regimes forciert, um Iran zuschwächen und seine sunnitisch-wahhabiti-sche Missionierungsagenda durchzusetzen,richtet sich Russland gegen diese Ambitio-nen, was das Verhältnis nochmals ver-schlechtert hat. Historisch befand sich Saudi-Arabien auchwährend des Kalten Krieges im antisowjeti-schen Block, versuchte als enger Verbündeterder USA, die Sowjetunion zu schwächen undunterstützte die mujahidin in ihrem Kampfgegen die Sowjets in Afghanistan. Weil sichdie Sowjetunion gleichzeitig weigerte, in dieOPEC einzutreten und die Ölexporte erhöhte,wurden sie auch zu einem wirtschaftlichenKonkurrenten Saudi-Arabiens. Während der1990er Jahre blieben diese Spannungen weit-gehend bestehen, zumal sich Russland nunmehr und mehr Iran und Syrien annäherte.Gleichzeitig wurde Saudi-Arabien beschul-digt, im tschetschenischen Bürgerkrieg aufSeiten der Rebellen eingegriffen zu haben. Auch wenn sich das Verhältnis aufgrund derhohen Ölpreise nach der Jahrtausendwendeverbesserte, blieb es doch immer fragil, ehedie Krise in Syrien wieder zu verhärtetenFronten führte. Russland wirft Saudi-Arabien(nicht zu Unrecht) vor, weltweit sunnitisch-wahhabitische Gruppierungen zu unterstüt-zen, was sich auch auf die innerrussischeStabilität auswirken könnte, wenn die saudi-sche Hilfe auch Muslime im Nordkaukasus er-

reichen würde. Saudi-Arabien hingegen kanndie russische Haltung in Syrien aus Eigenin-teressen weder akzeptieren noch respektie-ren, sodass eine schnelle Entspannung desVerhältnisses nicht zu erwarten sein dürfte.Sollte sich Russland jedoch mit der neuen sy-rischen Regierung arrangieren und Iran mit-isolieren, würden sich auch dierussisch-saudischen Verhältnisse rapide ver-bessern.76VIII. PerspektivenSaudi-Arabiens Außenpolitik in Zeiten des„Arabischen Frühlings“ als ausschließlich„konterrevolutionär“ zu bewerten, wäre zu ein-seitig. Ohne Zweifel verfolgt das Königreicheine Bewahrung des Status quo, zeigt aberim Umgang mit Syrien und Bahrain, dass esgewillt ist, die Ereignisse nach eigenem Willenvoranzutreiben. Hierbei werden Demokrati-sierungsbestrebungen dann unterstützt, wennsie den eigenen Interessen entsprechen (Li-byen), während sicherheitsgefährdende Ent-wicklungen unterdrückt werden (Bahrain,Jemen). Dabei wird die saudische Außenpolitik durchden Konflikt mit Iran bestimmt: Alles, was denKonkurrenten schwächt, nutzt der innersaudi-schen Stabilität, so das Credo. Vor diesemHintergrund muss insbesondere die Syrien-,Jemen- und Bahrain-Politik bewertet werden.Dabei ist momentan noch nicht abzusehen,ob Saudi-Arabien als monarchischer Gewin-ner oder Verlierer des „Arabischen Frühlings“gesehen werden kann. Derzeit wirkt das Königshaus zwar stabil, doch innere Heraus-forderungen wie die angespannte sozioöko-nomische Lage, die wachsende Armut sowiedie ungeregelte Nachfolgefrage und die fort-schrittshemmende Überalterung der Al Saudsind nur einige Faktoren, die sich auch kontra-produktiv auf die Außenpolitik auswirken. Grundsätzlich basiert diese neben dem Kon-flikt mit Iran auf der Partnerschaft mit den USAsowie der Unterstützung wahhabitisch-sunni-tischer Strömungen in der ganzen Welt. BeideGrundpfeiler sehen sich durch die Entwick-lungen seit 9/11 zunehmenden Herausforde-rungen gegenübergestellt. Mittlerweile ist dassaudisch-US-amerikanische Verhältnis kei-neswegs mehr symbiotisch, sondern muss inEinzelfragen immer wieder neu ausgehandeltwerden. Der „Kampf gegen den Terrorismus“und die unrühmliche Rolle Saudi-Arabiens im

76 Vgl. Katz, Mark N.: The Impact of the Arab Spring on Saudi-Russian Relations, in: Orient IV/2012, S. 27-31.

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Vorfeld der Attentate vom 11. September2001 seit der Unterstützung der mujahidin inAfghanistan haben zu tief greifenden Verwer-fungen zwischen Riad und Washington ge-führt, die nur langsam ausgeräumt werdenkonnten. Sollte Saudi-Arabien in Zukunftweiterhin Demokratisierungsbestrebungen inder direkten Umgebung unterdrücken und imeigenen Land keine fundamentalen Reformenimplementieren, könnte dies zu US-amerika-nischer Kritik führen. Gleichzeitig könnte eindrohender Krieg gegen Iran jedoch beidePartner wieder enger zusammenführen. Saudi-Arabien bleibt aufgrund seiner religiö-sen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichenBedeutung in Zukunft einer der wichtigstenaußenpolitischen Akteure im Nahen und Mitt-leren Osten. Längst hat das Königreich zu-sammen mit Katar den einstmalseinflussreichen arabischen FührungsmächtenÄgypten oder Syrien den Rang abgelaufenund sieht sich an der Spitze der sunnitischenumma. Hierbei gelang es den diversenaußenpolitischen Akteuren in Saudi-Arabienin der Vergangenheit geschickt, realpoliti-sches und ideologisches Interesse zu kombi-nieren, um die Bewahrung der eigenenMachtposition zu erreichen. Dabei übernahmauch der aktuelle König Abdullah eine ent-scheidende Funktion: Als Reformer gefeiert,als Versöhner gerühmt, als Hardliner gegeninnere Feinde akzeptiert wird er von der gro-ßen Mehrheit in der arabisch-sunnitischen

Welt geachtet und verleiht damit der autoritä-ren Herrschaft mehr Legitimation als den ge-stürzten Führern der Präsidialsysteme inTunesien oder Ägypten. Dennoch: Abdullah,mittlerweile 87 Jahre alt, verliert aufgrund sei-nes hohen Alters und seiner Krankheitenimmer mehr an Tatkraft. Zwar wurde nachdem Tod der beiden eigentlichen ThronfolgerSultan und Naif innerhalb eines Jahres derlangjährige Gouverneur von Riad Salmanzum neuen Prätendenten ernannt, doch aucher ist gesundheitlich angeschlagen und mit 78Jahren keineswegs ein Vertreter der jüngerenGeneration. Sollte die Nachfolgeregelungnicht grundsätzlich neu gelöst werden, indemauch Enkel des Staatsgründers Ibn Saud denThron besteigen dürfen, droht dem Königreichein Machtkampf um die immer kürzer wer-denden Herrschaftsperioden.77 Dies hätte unweigerlich Auswirkungen auf dieAußenpolitik, die stark personalisiert und vonder Entscheidungskraft des Königs abhängigist. Durch ein sich abzeichnendes Machtva-kuum an der Spitze der Al Saud könnte sichdie Konzentration der Prinzenelite auf dieInnenpolitik fokussieren, was zu einer Ver-nachlässigung außenpolitischer Themen füh-ren könnte. Dies zu verhindern, muss das Zielder Al Saud sein, um einerseits die innereMachtposition zu bewahren und andererseitsdie neu gewonnene außenpolitische Autoritätauszubauen.

77 Vgl. Sons, Sebastian: Nachfolgeregelung in Saudi-Arabien: Überalterung als Reformdruck? DOI-Kurz-analyse, Berlin, Juli 2012.

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KatarI. Einleitung

Am 2. Dezember 2010 rückte Katar erst-mals spürbar in den Fokus der Weltöf-fentlichkeit. Mit dem Zuspruch für die

FIFA Weltmeisterschaft 2022 begann für daskleine Emirat am Golf in vielerlei Hinsicht eineneue Ära. Heute, knappe zwei Jahre später,wirkt die Begeisterung über die Ausrichtungsolch eines internationalen Events besonderswirtschaftlich immer noch stark nach. In die-ser Zeit veränderte sich aber auch auf deraußenpolitischen Bühne einiges für Katar. Dieüber lange Jahre von der internationalen Ge-meinschaft stets geschätzte Rolle als Media-tor des Zwergstaates, besonders zwischensunnitischen und schiitisch geprägten Ländern, schwenkte im Zuge des Syrien-Kon-fliktes in eine klare Parteinahme der opposi-tionellen Position, nachdem man schon imLibyen-Krieg klar Stellung für die Rebellenund die UN-Resolution bezogen hatte. DieAuswirkungen für den Staat selbst und dieRegion in Zukunft sind kaum abzuschätzen,gleichwohl diese Haltung die ohnehin schwie-rige politische Situation in der Region desNahen und Mittleren Ostens sicher nicht ein-facher gestalten wird. Das Machtgefüge imNahen und Mittleren Osten könnte sich mitder Umorientierung von Katar zu einer offen-siveren außenpolitischen Strategie ändern.Der Mikro-Staat1, mit einer Fläche von 11.437km² etwa 7-mal kleiner als die VereinigtenArabischen Emirate (VAE), ist in den vergan-genen Jahren sukzessive zum „global player“geworden. Wirtschaftlich war dies durch diegroßen Öl-, aber vor allem Gasvorkommennördlich des Landes schon lange der Fall. Mitdem Reichtum des Landes, das nunmehr fastzwei Millionen Einwohner zählt, wobei die ein-heimische Bevölkerung mit ca. 250.000 einensehr geringen Teil ausmacht, kam auch einneuer eigener außenpolitischer Anspruch auf,der vor allem durch den Emir von Katar,Hamad bin Khalifa Al Thani, vorangetriebenwurde und wird. Katar hat wie auch die Ver-einigten Arabischen Emirate schnell bemerkt,dass nur durch die endlichen Ressourcen wieGas oder Öl auf Dauer keine zukunftsfähigeWirtschaft bestehen kann und man diesemöglichst exklusiv diversifizieren muss. Ex-klusiv bedeutet in diesem Zusammenhang eine bestimmte wirtschaftli-che Nische zu finden. Die VAE setzen bei-spielsweise auf den Immobiliensektor, Katarhingegen konzentriert sich auf Konferenz-

und Eventaustragung, auf den Finanz- undkommerziellen, sowie auf den Bildungssektor.Die außenpolitische Profilierung des Staatesgelang zudem besonders durch die Mitwir-kung in internationalen Organisationen, Ver-bänden, Gremien und Staaten- bzw.Wirtschaftsbündnissen. So ist Katar Mitgliedder UN, Gründungsmitglied der ArabischenLiga, als auch Mitglied der OAPEC, OPECund des Golf-Kooperationsrates (GKR). Diebereits erwähnte Rolle Katars als Mediatorführte in der Vergangenheit zu mehreren Er-folgen. Zu nennen wären die Vermittlung zwi-schen den Konfliktparteien im Libanon 2008,mehrere zumindest kurzzeitig erfolgreicheWaffenstillstandsverhandlungen zwischen derRegierung des Jemen und den Huthi-Rebel-len, zuletzt im August 2010, aber vor allem dieVermittlerrolle zwischen Iran, den sunniti-schen Staaten, wie beispielsweise Saudi-Ara-bien, dem großen Nachbarn Katars, und dem„Westen“. Diese Rolle als Vermittler und „Wo-genglätter“ änderte sich jedoch auch schonwährend des „Arabischen Frühlings“, alsKatar beispielsweise im Libyen-Konflikt 2011die Rebellen mit Geldmitteln unterstützte oderihnen half, gelagertes Erdöl zu verkaufen. Esscheint derzeit so, als sei das Emirat davonabgekommen, den Balanceakt eines Vermitt-lers weiter zu verfolgen. Dies wird mit hoherWahrscheinlichkeit direkte Auswirkungen aufdie Beziehungen zwischen den beiden gro-ßen Nachbarn Saudi-Arabien und Iran zuKatar haben. Dieses Kapitel soll versuchen, die aktuellenEntwicklungen in der Außenpolitik Katars zuanalysieren; dies besonders vor dem Hinter-grund der großen politischen und gesell-schaftlichen Umbrüche in der Region im Zugedes „Arabischen Frühlings“. Damit verbundensoll die Rolle des Landes in der Region in dernahen Vergangenheit und der Gegenwart um-rissen werden. Dazu gehören auch eine Ana-lyse der Beziehungen ausgewählter Staatender Region mit Katar. Abschließend sollenunter Berücksichtigung dieser Analysen Per-spektiven für die Außenpolitik des Landes ge-geben werden.II. Die Rolle Katars in der RegionII.1 Historische und geopolitische Vorausset-zungen Um die gegenwärtige außenpolitische Strate-gie Katars und damit die Rolle des Landes in

1 Vgl. Auswärtiges Amt: Länderinfos Katar, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01Laender/Katar.html, abgerufen am 02.08.2012.

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und für die Region vertiefend analysieren zukönnen, sollte man einen kurzen Exkurs in dieGeschichte Katars wagen. Viele Beziehungs-geflechte, die auch heute noch relevant sind, begründen sich auf historische,geographische und teils auch religiöse Gege-benheiten, die hier kurz umrissen werden sol-len. Katar besitzt traditionell eine geotrategischwichtige Position. Die kleine Halbinsel ragtvon Saudi-Arabien aus nördlich in den Golf,was sie zu einem wichtigen maritimen, kom-merziellen und auch militärischen Stützpunktmacht. Die Geschichte Katars bis zur Entde-ckung des Erdöls und später des Erdgasesverlief wellenartig und wurde von diversenkulturellen und traditionellen Eigenheiten be-stimmt. Immer wieder geriet die Halbinselunter den Einfluss ausländischer Mächte wieden Abbasiden, Portugiesen, Osmanen oderGroßbritannien2. Nachdem die Osmanen1913 die Kontrolle über Katar verloren hatten,geriet es schnell unter den Einfluss des Ver-einigten Königreichs und war damit in das bri-tische System eingebunden. Drei Jahre später übernahm die Familie AlThani die Herrschaft, welche das Land auchheute noch regiert. Im Jahre 1939 wurden dieersten Ölvorkommen entdeckt, was wenigspäter zu ersten territorialen Streitigkeiten mitdem Nachbarn Bahrain führte. Ähnliche Kon-flikte entflammten traditionell auch stets mitdem südlichen Nachbarn Saudi-Arabien, dieweniger aufgrund von Streitigkeiten umRessourcen als aufgrund von Herrschaftsan-sprüchen des saudischen Königreichs geführtwurden. Lange Zeit betrachtete die saudischeHerrscherfamilie Al Saud die Halbinsel alsihren Einflussbereich, was bei den katari-schen Machthabern zur Sorge vor einer sau-dischen Annexion führte3.Mit der Entdeckung des Erdöls machte Katarab Mitte der 1960er Jahre bis Mitte der1980er Jahre, nachdem sich die Briten 1971aus der Region zurückzogen, eine Transfor-mation von einem armen britischen Protekto-rat zu einem unabhängigen, modernen undwohlhabenden Staat durch. Die Infrastruktur,Industrie und der Dienstleistungssektor

wurden finanziert mit Gewinnen aus derErdölproduktion, jedoch vor allem von aus-ländischen Arbeitskräften und Know-how ge-tragen - eine Praxis, die sich in Katar bisheute bewährt hat. Bis in die 1990er Jahrewar Katar sehr abhängig vom internationalenÖlmarkt, bis man enorme Gasvorkommennördlich der Halbinsel im Golf im so genann-ten „North Field“ fand. Sogleich begann man,die Industrie von Öl- zu Gasförderung umzu-strukturieren. Der Fund des drittgrößten bis-her entdeckten Gasvorkommens der Weltbrachte aber auch politisch einen Einschnitt.Denn der Iran erhob Anspruch auf den nörd-lichen Teil des Feldes, was in erster Linie zu-nächst zur Notwendigkeit engererBeziehungen und Kommunikation zwischenbeiden Staaten führte. Diese Eckpunkte der geschichtlichen Ent-wicklung Katars im 20. Jahrhundert verdeut-lichen, dass Katars Stellung in der Region undin der Welt von einigen Zwängen und Pro-blemen geprägt ist, denen üblicherweise vieleso genannte „Mikro-Staaten“ unterworfensind. Die mit fast zwei Millionen Einwohnern (davonnur 250.000 mit katarischer Staatsbürger-schaft) geringe, wenn auch deutlich gestie-gene Bevölkerungszahl4, zwingt das Landdazu, Bündnisse mit potenteren Partnern ein-zugehen, um Sicherheitsgarantien und wirt-schaftliche Handlungsfreiheit zu erreichen.Dadurch zeigt sich das Land bei externemDruck in der Regel viel verletzlicher als beispielsweise der bevölkerungsstärkere Nachbar Saudi-Arabien. Der große Ressour-cenreichtum birgt die Gefahr, dass bevölke-rungsreichere aber ressourcenarme Ländermit Missgunst auf Katar blicken könnten, wasbeispielsweise beim fragilen bilateralen Ver-hältnis zwischen Katar und Kuwait deutlichwird. Zudem kämpft das bevölkerungsarmeKatar mit Korruption, Klientelismus und Patronagenetzwerken5, wenngleich in den letzten Jahren vermehrt Anstrengungenunternommen wurden, insbesondere die Kor-ruption in staatlichen Institutionen zu senken,sodass Katar im Korruptionsindex des Jahres2011 von Transparency International aufRang 22 von 178 gelistet wurde6.

2 Zur Geschichte Katars: Fromherz, Allen J.: Qatar. A Modern History, London 2012, S. 44 ff.3 Vgl.: Toth, Anthony: Qatar. Historical Background, in LOC (1993).4 So betrug das jährliche Bevölkerungswachstum im Jahr 2000 noch 3,3%, ehe es bis 2007 auf 2,4% sank.

Im Jahr 2011 lag es nur noch bei 0,8%. 5 Vgl.: Peterson, J. E. : Qatar and the World. Branding for a Micro-State, in: MEJ, Bd. 60, Nr. 4 (2006),

S. 748.6 Vgl. Transparency International: Corruption Perception Index 2011,

http://www.cpi.transparency.org/cpi2011/results/, abgerufen am 25.07.2012.

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II.2 Innenpolitische Reformen und Reaktio-nen Katars auf internationale Herausforde-rungenAuf die oben genannten Voraussetzungenmusste das Emirat auch innenpolitisch rea-gieren. Die heutige Stellung Katars als wich-tiger prowestlicher außenpolitischer Partnerund wirtschaftliche Macht in der Regionkonnte nur durch eine spezielle innenpoliti-sche Strategie erreicht werden. Diese führteletztlich zu einer dezidierten Außenwirkungauf die internationale Gemeinschaft, die diejeweilige Beziehung Katars zu den unter-schiedlichen Ländern der Region oder auchdem Westen determiniert.Das Ende des Ölbooms verlangte im Grundevon jedem GKR-Staat, so auch von Katar, dieschrittweise Integration in die globalisierteWirtschaft. Dies und starke demographischeVeränderungen brachten gewisse innenpoliti-sche Zwänge mit sich, sodass das bisherfunktionierende System eines Rentierstaatesunter dem Motto „representation without taxation“ (keine Repräsentation ohne Besteuerung) mittlerweile an seine Grenzenstößt. Daraus resultierte die Entstehung einerVielzahl von „Pseudo-Demokratien“ in der Re-gion. Die Vermutung liegt nahe, dass es eineVerbindung zwischen sozio-ökonomischenVeränderungen und einem graduellen Über-gang zu einer breiteren (scheinbaren) politi-schen Mitbestimmung in den autokratischenHerrschaftssystemen der Golfstaaten gebenkönnte. Katar stellt hier einen Sonderfall dar,weil die innenpolitischen Veränderungen imLand nicht aufgrund von wirtschaftlichen unddemographischen Zwängen oder sozialenDruck seitens der Bevölkerung ausgingen.Vielmehr waren es Zugeständnisse desEmirs, die unaufgefordert und bewusst in dieWege geleitet wurden. Nach der Transforma-tion Katars hin zu einer modernen Marktwirt-schaft und wegen der wenigengesellschaftlichen Spannungen, lagen dieinternationalen Herausforderungen für denEmir besonders in der internationalen öffent-lichen Kenntnisnahme des Landes.Die innenpolitischen Reformen, die in denletzten Jahren und Jahrzehnten angestoßenund realisiert wurden, waren also sicherlicheine wirtschaftliche, aber nur in Teilen einepolitische Notwendigkeit. Katar blieb bisheraufgrund des existierenden Gesellschaftsver-trages zwischen Königshaus und Bevölke-

rung von breiter politischer Opposition ver-schont: Solange das Könighaus wirtschaftli-che und politische Stabilität garantiert, erhältes im Gegenzug politische Loyalität. Das Emi-rat ist aufgrund seiner geringen Bevölke-rungszahl, der Sicherung von Arbeitsplätzenin einem großen bürokratischen Apparat undseinm kostenlosem Bildungs- und Gesund-heitssystem ein untypisches Umfeld für innen-politische Veränderungen. Bei den Reformenist erkennbar, dass diese nicht zuletzt derMehrzahl der Bevölkerung, also den auslän-dischen Arbeitern, sowie den jungen Einhei-mischen das Bild eines liberalen undgroßzügigen Staates vermitteln sollen.Die Reformen in Katar bedeuten eine limi-tierte Liberalisierung unter dem Eindruck einergewissen Pluralisierung der Macht- und Ein-flusszentren. Sie beinhalten vor allem dieStärkung des Privatsektors und eine formelleDemokratisierung, wie beispielsweise die Ein-richtung von Kommunalwahlen. Die wirt-schaftliche Liberalisierung stärkte in denletzten Jahren den Einfluss und die Autono-mie der Handelskammern oder anderen Han-delsorganisationen, während die Gründungdes Satellitensenders Al Jazeera und der Be-schluss, ab 1999 kommunale Vertreter wäh-len zu dürfen, als Zeichen für eine gewisseDemokratisierung gesehen werden können.Ab 2011 dürfen auch Frauen ihre Stimme ab-geben. Bei den Kommunalwahlen werdeninsgesamt 29 Ratsmitglieder aus zehn Ver-waltungsbezirken gewählt. Daneben existiertdie Ratsversammlung Majlis al-Shura7 , derenErweiterung 2005 mit der neuen Verfassungbeschlossen wurde. Der Rat soll aus 45 Mitgliedern bestehen, vondenen 30 direkt gewählt werden könnten. Bis-her wurden jedoch alle Mitglieder persönlichvom Emir ernannt. In diesem Jahre kündigtenun der Emir Wahlen für 2013 an. Die wirt-schaftliche Liberalisierung und die Stärkungdes Privatsektors hat aber auch eine klareGrenze: die Nichtunterscheidung zwischenöffentlichen und privaten Geldern des Staa-tes. So ist als ein Bedingungsfaktor vonMachtbeteiligung die finanzpolitische Kon-trolle und nicht realdemokratische Strukturenanzusehen. Alle Entscheidungen zu Groß-projekten oder politischen Personalfragen lau-fen über den Emir. Die autokratischeHerrschaft ist durch die Reformen nicht an-getastet worden. Katar ist also im klassischenSinne noch ein Rentier-Staat, hat aber seinen

7 Bundeszentrale für Politische Bildung: Innerstaatliche Konflikte. Jemen, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54611/jemen, abgerufen am 08.08.2012.

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Markt der Privatwirtschaft geöffnet, die bis-lang nur zur Unterstützung der Großprojektedient. Zusammenfassend ergeben sich aus deninnenpolitischen Reformen folgendeSchlüsse: Die politische Elite hat einebewusste politische Entscheidung für Refor-men getroffen, besonders um Unterstützungaus der jungen Generation der Kataris, denausländischen Arbeitern im Land und demWesten zu erhalten. Außerdem, und das istder wichtigste Punkt, erfolgte eine Demokra-tisierung des Landes nicht, um die politischenPartizipationsmechanismen zu erweitern,sondern um Katar eine exponierte Position inder Region als Reformer zukommen zu lassen.8 Das Machtgefüge zwischen Herr-scherfamilie und Gesellschaft hat sich durchdie Reformen nicht grundlegend geändert.9II. 3 Al Jazeera – Politisches Instrument odermedialer Revolutionär?Die arabische Medienlandschaft, bis dahinvor allem von Saudi-Arabien getragen, än-derte sich grundlegend mit der Gründung vonAl Jazeera im Jahr 1996 in Katars HauptstadtDoha. Finanziert wird der Satellitensendervon Scheich Hamad bin Khalifa Al Thani, waszuerst einmal dafür sprach, dass ein weitererstaatlich getragener Nachrichtensendergegen das bis dahin vorherrschende saudi-sche Presse- und Informationsmonopol angehen wollte, ohne jedoch freie unzensierteBerichterstattung zuzulassen. Doch die Eta-blierung von Al Jazeera kann stattdessen alswesentlicher Teil der innenpolitischen Refor-men bewertet werden und sollte nach außenein Zeichen für die Liberalisierung des Lan-des setzen. Die rasante Entwicklung zumwichtigsten Leitmedium der arabischen Welt,die Al Jazeera innerhalb kürzester Zeit durch-lief, war dennoch sicherlich nicht vom katari-schen Herrscherhaus vorherzusehengewesen. Zwar wurde die Gründung des Senders maßgeblich durch das Herrscherhaus initiiert,die Berichterstattung erfolgt jedoch bei vielenThemenschwerpunkten unabhängig und kritisch. Dies mag zum einen daran liegen,dass einige der Journalisten von dem kurz vorder Gründung geschlossenen BBC-Nachrich-tenstudio in Doha zu Al Jazeera wechselten. Dadurch orientierte sich der Sender bei

journalistischen Methoden, Aufmachung,Themenfindung und Recherche am anglo-amerikanischen Nachrichtenformat. Ob diesaus rein pragmatischen Gründen, da alleRessourcen noch vor Ort waren, geschah,oder bewusst entschieden wurde, ist kaum zubeantworten. Ein Novum war aber sicherlichzunächst der Standort in Katar, denn die vonSaudi-Arabien getragenen arabischen Nach-richtensender hatten ihre Hauptsitze zunächstin Europa.Al Jazeera war und ist jedoch in erster Linieein arabischer Sender, vertritt die oftmals sehrdiffizile und heterogene Auffassung einer me-diatisierten arabischen Öffentlichkeit und hatsich durch die Wucht der Bilder, die Offenheitder Berichterstattung und die pro-oppositio-nelle Positionierung während der Aufständein Tunesien, Ägypten und Libyen längst zudem wichtigsten Leitmedium im Nahen undMittleren Osten entwickelt. Allerdings verfolgtman inhaltlich keine klare politische Linie. DiePositionierung scheint immer themenspezi-fisch, mal liberal, mal mit eher konservativerStoßrichtung, die sich auch gegenüber denUSA kritisch äußert. Der offene Umgang mitkritischen, oftmals tabuisierten Themen sowieder bis dahin wenig praktizierte investigativeJournalismus, brachte schnellen Erfolg inForm von Einschaltquoten besonders bei denjüngeren Generationen. Tabus, die der Sen-der brach, sind vor allem politischer Natur. Zum einen gab man verhassten politischenFiguren und Extremisten, auch Mitgliedernvon Al Qaida wie Usama bin Ladin, Sende-zeit. Zum anderen war Al Jazeera das erstearabische Programm, welches Israelis er-laubte, ihre Ansichten in eigenen Worten imFernsehen darzustellen. Themen, die Israelbetreffen, werden nicht stigmatisiert, sondernoftmals journalistisch objektiv angegangen –auch das ein Novum in der vielfach anti-is-raelischen, zensierten und propaganda-lasti-gen Medienlandschaft des Nahen undMittleren Ostens. Daneben werden arabischeRegierungen ebenso hart kritisiert wie inter-nationale Politik im Nahen und MittlerenOsten und sogar der Financier und GründerKatar wird in Einzelfragen skeptisch analy-siert, wenngleich aber die Kritik am Herr-scherhaus Al Thani als weitgehendes Tabugilt, was den Mythos der „Oase der Presse-freiheit“ im Nahen und Mittleren Osten deut-lich trübt.10

8 Ebd., S. 60.9 Ebd.10 Vgl.: Miles, Hugh: Al Jazeera, in: Foreign Policy, Nr. 155 (2006), S. 20-24.

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So konnte auch durch Al Jazeera in den letz-ten Jahren ein panarabischer, transnationaleröffentlicher Raum entstehen. Umso erstaun-licher scheint es, dass solch eine weitgehendliberale Berichterstattung neben autoritärenpolitischen Regimes existieren kann.11Zwangsläufig stellt sich die Frage, ob auch diedurch Al Jazeera ausgelöste „mediale Revo-lution“ die politisch-sozialen Umwälzungendes „Arabischen Frühlings“ mit ausgelösthaben. Harsche Kritik am Sender wird indes auchmannigfaltig geäußert, ob inner- oder außer-halb der arabischen Welt. Umstritten ist vorallem die Haltung gegenüber Israel und dieteilweise Nähe zu islamistischen Positionen.Besonders misstrauisch zeigen sich die Kriti-ker jedoch gegenüber der Berichterstattungüber die Herrscherfamilie Katars, die alsHauptinvestor des Nachrichtennetzwerkesselten als Gegenstand von kritischer Berich-terstattung dient. Viele Skeptiker behaupten,die Berichterstattung des Senders folge aus-schließlich den diplomatischen Vorgaben undgeostrategischen Interessen Katars, sodassdie liberale Ausrichtung nur als Fassade dieneund in Wahrheit als politisches Instrument ein-gesetzt wird. Zwar kann eine direkte Beein-flussung der Programmgestaltung desSenders durch die politische Elite Katars nichtattestiert werden, allerdings spielt Al Jazeerader gewünschten Außenwirkung des Landeszu.II.4 Katars Rolle als MediatorZunächst bietet es sich an, die diplomatischenBeziehungen, die Katar als so genannter „Me-diator“ pflegt, genauer zu untersuchen. Dabeiist es wichtig, genau zu unterscheiden, wel-che Akteure in der jeweiligen Situation eineRolle spielten und welche Beziehung Katar zudiesen hatte. Auch die Frage, warum sich dasEmirat in einen bestimmten Konflikt einschal-tete und sich aus anderen heraushielt, solldiskutiert werden. Hierbei soll im Folgendenauf einige exemplarische Konflikte eingegan-gen werden, in denen sich Katar bemühte, alsVermittler oder „ehrlicher Makler“ aufzutreten,um gleichzeitig de-eskalierend und imageför-dernd Einfluss zu nehmen. Im weitestenSinne bedeutet der Begriff „Mediator“ Vermitt-ler in bestimmten Kommunikationsprozessen.Das setzt voraus, dass Katar nicht aktiv Vor-schläge unterbreitet, sondern versucht, dieVerhandlungsparteien auf eine gleiche Ge-

sprächsbasis zu bringen und diese Gesprä-che möglichst neutral zu moderieren. Insbe-sondere die Neutralität Katars muss jedoch invielen Fällen in Frage gestellt werden, da esdem Herrscherhaus vielmehr auch darumging, die angebliche Neutralität für eigeneInteressen zu nutzen. Mit dem wirtschaftlichen Boom in Katar, derden Kleinstaat zunächst finanziell und späterauch infrastrukturell auf eine Ebene mit an-deren erdölproduzierenden Ländern der Region brachte oder diese gar überholte, erhöhte sich zum einen die internationale Auf-merksamkeit des bis dahin weitgehend unbe-achteten Landes, zum anderen erstarkteseitens des Regimes der Anspruch, auchaußenpolitisch eine größere Rolle zu spielen.So suchte Katar bereits vor einigen Jahr-zehnten die engere Kooperation mit arabi-schen Nachbarn. Vor diesem Hintergrund tratKatar 1971 in die Arabische Liga ein, die diewirtschaftliche, kulturelle und politische Zu-sammenarbeit der einzelnen Mitgliedsstaatenfördern, sowie die Souveränität ihrer Mitglie-der garantieren will und dafür im Streitfallschlichtende Funktionen übernehmen soll. Sonutzte Katar seitdem die Arabische Liga oft,um seiner Vermittlerrolle den nötigen Nachdruck zu verleihen und um sich in derenGemeinschaft hervorzuheben.Exemplarisch kann man Katars Rolle als Mediator an seinen Beziehungen in der Ver-gangenheit zu den Ländern Libanon, Jemen,Iran und Israel festmachen. Die Beziehung zuIsrael stellt eine fragile Besonderheit für allearabischen Staaten dar. Kurz nach der Macht-übernahme des heutigen Emirs 1996 richteteman gegenseitige Vertretungen ein, die zwaroffiziell als Handelsvertretungen gelten, aberpraktisch als Botschaften fungieren und seit-dem mit Unterbrechungen, wie z.B. im Gaza-Krieg 2008/2009, den Austausch in Kultur,Wissenschaft und Wirtschaft zwischen beidenLändern vorantreiben. Hierbei basiert dasVerhältnis Katars zu Israel weniger auf ideologischen, denn vielmehr pragmatischenGrundlagen, womit sich Katar von anderenarabischen Staaten und deren anti-israeli-scher Haltung deutlich abhebt. Katar will sichso als außenpolitische Größe profilieren, diein der Lage ist, dem komplexen und verfahre-nen Prozess des Nahostkonflikts neutral entgegentreten zu können, um als neuer politischer Akteur Kanäle auf beiden Seitennutzen zu können. Offizielle religiös-ideologi-

11 El Oifi, Mohammed: Der Al-Dschasira-Effekt. Globale politische Plattform und öffentlicher Raum für diearabische Welt, in: Le Monde diplomatique „Arabische Welt. Ölscheichs, Blogger, Muslimbrüder“, Nr. 4(2012), S. 60.

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sche Stellungnahmen zu Israel werden vonSeiten Katars nicht proklamiert, was wiederum am guten katarischen Verhältnis zuden USA liegt, mit denen 1992 ein bilateralerVerteidigungspakt geschlossen wurde und dieseit 1998 ihren zentralen militärischen Stand-ort im Nahen und Mittleren Osten nach Katarverlegten. Die im Allgemeinen kollegialen Be-ziehungen zu Israel sollte man aber keines-wegs als Selbstverständlichkeit abtun. Soäußerte sich der katarische Emir immer wie-der kritisch zu Israels Vorgehen, wie beispiel-weise nach den israelischen Angriffen auf denLibanon 2006. Trotzdem versuchte Katar,nach dem Krieg zwischen beiden Parteien zuvermitteln. Hierbei versuchte Katar stets, einegewisse Neutralität zu bewahren und stelltesich im Libanon-Krieg 2006 weder auf die is-raelische, noch auf die Seite der Hizbullah.Auch 2008 versuchte Katar, zwischen Hamasund Israel zu vermitteln, was aber nur unzu-reichend gelang.Die Beziehungen zu den Palästinensern sindvon dem Wunsch Katars nach einem souve-ränen Staat Palästina geprägt. Katar unter-stützt die Hamas finanziell, beispielsweisewurden 2006 50 Mio. USD für die Regierungder Palästinenserbehörde bereit gestellt.Weiterhin wurden mehrere Gespräche inDoha mit Hamas-Funktionären geführt. DerEmir von Katar hat mehrmals versucht,Hamas und Israel zu direkten Gesprächen zuüberreden, was bisher aber fehlschlug. Bisheute ist Katar bemüht, die Gespräche amLaufen zu lassen, um den Dialog zwischenFatah und Hamas zu stärken. Es ist unklar, obKatar heute Hamas-Mitgliedern, im Angesichtdes Syrien-Konflikts, Unterschlupf bietenwürde. Mit Israel pflegt Katar demnach eineneutrale, auf wirtschaftliche Zusammenarbeitbasierende Beziehung. Daneben unterstütztder Emir von Katar aber eine Zwei-Staaten-Lösung und bietet den Palästinensern finan-zielle Hilfe an.12Auch mit Iran bemüht sich Katar um eine eherausgleichende Position, obwohl beide Ländereine konfliktträchtige und ambivalente Ge-schichte verbindet. Auf der einen Seite teiltsich Katar das Gasfeld „North Field“ mit Iranund bemühte sich deshalb auch immer umgute Beziehungen. Andererseits fürchtet

Katar verständlicherweise auch den Konfliktzwischen Israel und Iran, da das Land beieiner militärischen Eskalation unweigerlichvon dem Konflikt betroffen wäre. Auch vor die-sem Hintergrund ist die militärische Präsenzder USA in Katar durchaus willkommen. Fürdas Land war deswegen klar, dass Katar inseinen Beziehungen zu Iran einen anderenWeg einschlagen müsse. Neben einem mari-timen Abkommen zur Sicherung des „NorthFields“ gab es bisher einen regen Besuchs-austausch von hochrangigen politischen undwirtschaftlichen Akteuren beider Länder. Auchfür Iran sind gute Beziehungen zu Katar vonwesentlicher Bedeutung. Zum einen fungiertdas Emirat als Ansprechpartner zu den ande-ren GKR-Ländern, zum anderen aber auchals eine indirekte kommunikative sowie han-delspolitische Verbindung zum Westen. Den-noch erscheint es erstaunlich, dass Katar sichbis jetzt – vielleicht sollte man vorwegnehmenbis vor kurzem – direkt aus dem interkonfes-sionellen schiitisch-sunnitischen Konflikt her-aushalten konnte und eher als Vermittler dennals „Spalter” auftrat. Dennoch stieß Katars Mediatorenfunktion anseine Grenzen, wie die katarischen Bemü-hungen für eine dauerhafte Stabilisierung desJemens zeigen. Zwar gelang es der katari-schen Regierung zuletzt ím Sommer 2010,einen Waffenstillstand zwischen der Regie-rung des Jemen und den im Norden agieren-den schiitisch-zaiditischen Huthi-Rebellen zuvermitteln. Schon 2008 wurde ein ähnlichesResultat erzielt. Trotzdem hielten die innen-politischen Spannungen im Land an und weit-eten sich im Verlauf des Jahres 2011 aus.Ähnlich wie in Tunesien und Ägypten führtenkatastrophale sozioökonomische Faktoren zueinem gesellschaftlich breit verankerten Auf-stand gegen die korrupte und repressive Re-gierung um Präsident Ali Abdallah Salih, der43 Jahre über das Land herrschte. Gründe fürdie Aufstände 2011 waren neben wirtschaft-lichen – Jemen ist mit einem für 2012 pro-gnostizierten Pro-Kopf-Einkommen von 1.517USD das ärmste Land auf der ArabischenHalbinsel13 – vor allem demographische Fak-toren: laut UN World Population Prospectswird sich die Bevölkerung bis 2050 bis auf 80Millionen Menschen14 mehr als verdoppeln.Salih schaffte es nicht, effizient auf diese Her-

12 Blanchard, Christopher M: Qatar: Background and U.S. Relations, in: CRS Report for Congress, Mai 2011, S. 3-4.

13 Vgl. GTAI: Wirtschaftsdaten kompakt: Jemen, http://www.gtai.de/GTAI/Content/DE/Trade/Fachdaten/PUB/2011/11/pub201111248004_16510.pdf, abgerufen am 07.08.2012.

14 Vgl. UN World Population Prospects 2002 Revision, http://www.pdwb.de/kurz_jem.htm#2002,abgerufen am 08.08.2012.

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ausforderungen politisch zu reagieren. Einweiterer Konfliktherd ist die noch immer nichtüberwundene Teilung des Landes. Neben deranhaltenden Feindschaft zwischen Nord- undSüdjemen gibt es einen anhaltenden Konfliktzwischen der Regierung und den Huthi-Re-bellen im Nordjemen, die ihrerseits schiitischeZaiditen sind, wobei die Mehrzahl der Jeme-niten dem sunnitischen Islam angehören.Nachdem im Januar 2011 mehr als 16.000Menschen auf den Straßen der HauptstadtSanaa protestierten, kündigte Salih an sichnicht erneut zur Wahl zu stellen, seinen Sohnnicht als Nachfolger einzusetzen und mehr Ar-beit schaffen zu wollen. Im Juni 2011 traf eineRakete die Moschee des Präsidentenpalas-tes. Salih wurde bei diesem Angriff schwerverletzt und der bisherige Vizepräsident Abdal-Rab Hadi übernahm sein Amt.15Der GKR hatte zuvor einen Transformations-plan erstellt, der die Ablösung Salihs undWahlen im Frühjahr 2012 vorsah. Der GKRhatte bereits 2006 beschlossen, Jemenschrittweise in den Rat aufzunehmen. Die si-cherheitspolitische Lage im Land sorgt aberbis heute für Skepsis unter den Ratsmitglie-dern und der Arabischen Liga. Katar war vonBeginn an aktiv darum bemüht, Jemens Probleme zu lösen. Zwischen 2007 und 2008konnten katarische Diplomaten einen Waf-fenstillstand zwischen der Regierung Jemensund den Rebellen im Norden durchsetzen.Dieser wurde im Juli 2009 wieder gebrochen.Auch aufgrund dessen wollte Katar bei denSpannungen 2011 bilateral nicht eingreifen.Trotzdem unterstützte Katar im GKR den PlanSalih abzusetzen.16 In den Reihen katari-scher Politiker fürchtet man zu Recht die des-tabilisierende Wirkung Jemens auf dieSicherheitslage am Golf. Letztlich zog sich Katar 2011 als Mediator imJemen zurück – indirekt ein Eingeständnis dereigenen Machtgrenzen. Denn soviel Einflussman als Vermittler in außenpolitischen Belan-gen seither erreicht hatte, so wenig konnteKatar bei konkreten innenpolitischen Konflik-ten, wie im Jemen, allein erreichen.17Katars bisherige außenpolitische Strategieder Mediation lässt sich folgendermaßen zu-

sammenfassen: Das Emirat musste aufgrundvon eigenen geostrategischen defizitären Vor-aussetzungen bei gleichzeitiger wirtschaft-licher und finanzieller Potenz ein politischesAlleinstellungsmerkmal finden, um sich inter-national als nicht zu vernachlässigender Fak-tor in der Region zu profilieren. Dies gelangdurch den Aufbau von Kommunikationskanä-len zu den jeweiligen Konfliktparteien unddurch eine gewisse Neutralität. Dadurch schufman eine bilaterale Vertrauensbildung derverschiedenen regionalen Parteien zum eige-nen Land. Gleichzeitig muss man aber fest-halten, dass Katar weder die nötigen Mittelnoch das politische Durchsetzungsvermögenbesitzt, um auch bei innenpolitischen Konflik-ten, die nach außen wirken, grundlegendintervenierend und vermittelnd einzugreifen.Das Image als neutraler regionaler Vermittlerführte zur außenpolitischen Wahrnehmungals vertrauenswürdiger und ernst zunehmen-der Akteur. Fraglich bleibt jedoch, inwieweitdiese Rolle weiter ausgebaut werden kann,wenn Konflikte geographisch und politischeinmal näher an das Land rücken als bisher.Der Ausbruch des „Arabischen Frühlings“ invielen arabischen Ländern und die direktenund indirekten Auswirkungen auf die Golfre-gion und damit auch auf Katar sollten in denvergangenen Monaten die limitierten Mittelder katarischen Außenpolitik aufzeigen.II.5 Katars Außenpolitik im und nach dem„Arabischen Frühling“ – Vom Vermittler zumInteressenvertreter?Im Frühling 2011 fanden Massendemonstra-tionen in vielen arabischen Ländern, anfangsin Nordafrika, später auch auf der ArabischenHalbinsel, vor allem in Bahrain und Jemen,statt. Gründe für die Proteste, die besondersvon der Jugend getragen wurden, waren so-ziale und wirtschaftliche Missstände, wie Ar-beitslosigkeit und Korruption, aber auch derWille nach politischer Partizipation. KatarsGesellschaft zeigte sich jedoch weitgehendoberflächlich immun gegen die regionalenUmwälzungen, politischer Protest und De-monstrationen blieben aus, Kritik an der Re-gierung und am bestehenden politischenSystem wurde kaum geäußert. Ursachendafür lagen zum einen an den seit Jahren an-dauernden innenpolitischen Reformanstren-

15 Bundeszentrale für Politische Bildung: Innerstaatliche Konflikte. Jemen, http://www.bpb.de/internationa-les/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54611/jemen, abgerufen am 08.08.2012.

16 Vgl. Burke, Edward, ‚One blood and one destiny’? Yemen’s relations with the Gulf Cooperation Council,in: Kuwait Programme on Development, Governance and Globalisation in the Gulf States, Bd. 23, Juni2012, S.1; S. 16-17.

17 Niethammer, Katja: Katar als arabischer Konfliktmediator. Neuer Hoffnungsträger oder Gernegroß?, in: GIGA Focus, Nr. 8 (2010). S. 4ff.

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gungen des Emirs, zum anderen an der posi-tiven Finanz- und Wirtschaftslage sowie anKatars liberalen Medien. Wegen seiner im-mensen finanziellen Gewinne konnte undkann es sich Katar leisten, seinen Reichtuman die Bevölkerung weiterzugeben. KatarsPro-Kopf-Einkommen beträgt etwa 98.300USD, was einen Anstieg von 14,25% im Ver-gleich zum Vorjahr bedeutet. Damit rangiertKatar weltweit auf Platz 2 nach Luxemburgmit 113.000 USD (2011). Hinzu wuchs dieWirtschaft im vergangenen Jahr um 18,7%,zwischen 1974 und 2011 stieg das BIP vonetwa 4 Mrd. USD auf etwa 178 Mrd. USD.Kurz: Die katarische Wirtschaft gehört zu denam stärksten prosperierenden im weltweitenVergleich, während der Lebensstandard fürdie katarische Bevölkerung in den letztenJahrzehnten rapide angestiegen ist. Dennochdrohen Katar aufgrund der unproportionalenReichtumsverteilung mittelfristig soziale Pro-bleme: Während der kleinen einheimischenBevölkerung die Privilegien der Modernisie-rung und des wirtschaftlichen Wohlstands zu-gute kommen, profitiert der deutlich höhereAnteil an ausländischen Arbeitskräften nurteilweise von den gestiegenen Einnahmen.Immerhin kommen auf einen katarischenStaatsbürger drei Ausländer. Die angestrebte „Katarisierung“, die der Emirin den nächsten Jahren durchsetzen möchte,wird dabei vermutlich an dieser Situationkaum etwas ändern, denn die meisten Füh-rungsposten sind jetzt schon von Einheimi-schen besetzt, die zwar über eine exzellenteAusbildung verfügen, aber allein aufgrundihrer geringen Anzahl dauerhaft auf qualifi-zierte oder geringer qualifizierte ausländischeArbeiter angewiesen sein werden. Trotz die-ser weit reichenden Stabilität aufgrund der so-ziökonomischen Situation, beeinflusste der„Arabische Frühling“ das Land auf andereWeise. Manche sprechen sogar davon, dassKatar Profit im Sinne eines Ausbaus seinerLegitimation, seines Einflusses und Machtbe-reichs aus den Aufständen ziehen konnte18.Neben diesem indirekten Einfluss, der nochzu erörtern sein wird, reagierte man in Katarauch als Mitglied des Golfkooperationsrats

auf die Ereignisse und Auswirkungen der“Arabellion“ im Jahr 2011. Zwar agierte dieRegierung vor allem zu Beginn noch in derbekannten Funktion als Mediator, zeigte aberbereits deutlicher seine strategischen außen-politischen Absichten. So sprach sich Katar imGolfkooperationsrat eindeutig für die von denVereinten Nationen verhandelte Flugverbots-zone in Libyen aus. In diesem Konflikt betei-ligte man sich nunmehr auch aktiv durch dieBereitstellung von katarischen Flugzeugen.Daneben erkannte Katar als eines der erstenLänder den Nationalen Übergangsrat der Re-bellen in Benghazi an und boten diesem an,Öl zu vermarkten. Hintergrund der doch ein-deutigen Parteinahme für die Rebellen wardie anti-monarchische Einstellung Muammaral-Gaddafis, die unter den Golfstaaten fürMisstrauen sorgte19. Al-Gaddafi galt bereitsseit Jahren als unliebsamer Außenseiter, dermit einem von ihm initiierten Attentatsversuchim Jahr 2003 auf den jetzigen saudischenKönig und damaligen Kronprinzen Abdullahdie Abneigung der Golfstaaten noch gestei-gert hatte20. Er galt als irrer, verrückter undparanoider Exzentriker, der sich als Bewahrerdes Panarabismus und Panafrikanismus ge-rierte, ohne bei den arabischen „Brüdern“über Respekt und Vertrauen zu verfügen. Durch diesen für Katar bis dahin eher untypi-schen außenpolitischen Schritt der Partei-nahme erzeugte man zum einen eineAnnährung an den Westen, zum anderenaber gelang es, den Golfkooperationsrat mehrin den Fokus der internationalen Außenpolitikzu drängen und ihn damit als ernstzuneh-mende, einflussreiche Institution auf deminternationalen Parkett zu etablieren, nach-dem er zuvor als zerstrittener, eher „zahnlo-ser Papiertiger“ ohne Wirkmachtwahrgenommen worden war. Die Interventionin Bahrain im März 2011 zeigte jedoch deut-lich, dass der GKR nicht grundsätzlich dieUnterstützung von oppositionellen Bewegun-gen gegen repressive Bewegungen, sondernvielmehr geostrategische Eigeninteressenverfolgt21. Gesichert werden sollen die mon-archischen Systeme, um das fragile Mächte-verhältnis am Golf im Status quo zu erhalten.Katar sieht sich hier gemeinsam mit Saudi-

18 Mambrey, Alina: Katar, in: Deutsches Orient-Institut (Hrsg.): Der Arabische Frühling. Auslöser, Verlauf, Ausblick, September 2011, S. 161.

19 Steinberg, Guido: Qatar and the Arab Spring. Support for Islamists and New Anti-Syrian Policy, in: SWPComments, Nr. 7 (2012), S. 4f.

20 Vgl. Tyler, Patrick E.: Two Said to Tell Of Libyan Plot Against Saudi, New York Times, 10. Juni 2004,http://www.nytimes.com/2004/06/10/world/two-said-to-tell-of-libyan-plot-against-saudi.html, abgerufen am30.07.2012.

21 In Bahrain jedoch waren es neben den wirtschaftlichen und sozialen Missständen auch die Forderungnach mehr Mitsprache, besonders für die Schiiten im Land, die zwar zahlenmäßig in der Mehrheit sind,jedoch von der sunnitischen Herrscherfamilie Al-Khalifa regiert werden.

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Arabien in der Verantwortung, eine Füh-rungsrolle bei der reaktionären Politik als„Gegenrevolutionär“ einzunehmen. Eines derZiele ist es, die sunnitische Vormachtstellungzu sichern. Aufgrund der Ereignisse in Bah-rain befürchtete auch die katarische Regie-rung einen möglichen „Spill-Over-Effekt“, derzu sozialen und konfessionellen Unruhen imeigenen Land führen könnte und unterstütztedaher die militärische Aktion des GKR, Trup-pen aus Saudi-Arabien und den VereinigtenArabischen Emiraten nach Bahrain senden.Auch Katar beteiligte sich mit einer militärischzu vernachlässigenden, aber symbolischenTruppeneinheit an dem Einmarsch. Der Bah-rain-Konflikt kann auch im Hinblick auf dasambivalente Verhältnis zu Saudi-Arabien alsKehrtwende für Katar bezeichnet werden,indem beide Länder die Bereitschaft zeigten,eng zusammenzuarbeiten, um eine möglicheBedrohung der eigenen Herrschaft abzuwen-den. Katar verfolgte hiermit nicht nur eineaußenpolitische Stabilisierungsstrategie, son-dern setzte auch ein innenpolitisches Signal,bereits präventiv zu verdeutlichen, innere Un-ruhen nicht zu dulden. Dies stärkte KatarsRolle als Stabilisator, zeigte aber auch, dassdie angesprochenen Reform- und Liberalisie-rungsmaßnahmen nur in bestimmten Gren-zen realisiert werden und dieMachtlegitimation des Herrscherhauses nichtbeeinträchtigen dürfen. Die immanenten Pro-bleme in Bahrain wurden dadurch jedochnicht gelöst22.Dieser Umgang mit den konfliktreichen Trans-formationsprozessen verdeutlicht, inwieweitsich die katarische Außenpolitik verändert hat.Möglicherweise ergab sich für die Herrscher-familie aus der Notwendigkeit des Machter-halts auch das Erfordernis, sichaußenpolitisch klarer zu positionieren. Deraußenpolitische Fokus verschob sich nun-mehr in Richtung sicherheitspolitischer Fra-gen, besonders in Zusammenarbeit mit demGolfkooperationsrat. Für den Westen rückteKatar nun in die Position eines verlässlichenPartners. Andererseits bleibt abzuwarten, wieman sich von schiitischer Seite zum Emiratverhalten wird.Kritik gab es indes auch an der neuen außen-politischen Strategie Katars. Besonders dieklare Unterstützung von islamistischen Grup-pierungen für die möglichen zukünftigen poli-tischen Systeme in Tunesien oder Libyenerzeugte gespaltene Meinungen innerhalb

der internationalen Gemeinschaft. Beispiels-weise unterstützte Katar im prärevolutionärenLibyen hochrangige islamistische Akteure.Dieser politischen Unterstützung folgten so-gleich wirtschaftliche Investitionen, wie derAnkauf von 49% der Anteile an der libyschenHandels- und Entwicklungsbank. Gerade die-ser Eingriff in die Wirtschafts- und Finanzsek-toren schürte die Angst in Libyen und anderenarabischen nordafrikanischen Staaten, Katarkönnte seinen Einflussbereich in zu starkemMaße nach Nordafrika ausweiten. Auch in Tu-nesien knüpfte man Verbindung zur islamisti-schen Ennahda-Partei, die dort als Sieger ausden Wahlen zur Verfassungsgebenden Ver-sammlung im Oktober 2011 hervorging. AlsKonsequenz unterzeichnete man im Februar2012 gegenseitige Absichtserklärungen fürgemeinsame Investitionen und Zusammenar-beit in Tunesiens Mineralsektor. Fraglichbleibt, wie stark Katars Einfluss in Nordafrikabesonders bei politischen Fragen zukünftigsein wird23. Nach dem Libyenkonflikt deutete sich schonan, dass Katar verstärkt die Nähe zumWesten und den anderen Golfkooperations-rats-Staaten, vor allem zu Saudi-Arabien,suchte. Was dieser Schwenk in der Außen-politik allerdings für die Beziehung zu Iran be-deutet, lässt sich bislang noch kaum absehen.Katar versuchte bisher, sich nicht zu eindeu-tig gegen Iran zu positionieren. Allerdingsscheint es, als könne Katar weder im Bahrain-noch im Syrien-Konflikt diese Neutralität auf-rechterhalten. Die deutliche Verschärfung der Situation inSyrien zwingt auch Katar, sich eindeutig zupositionieren. Blieb zu Beginn der Aufstände,als eine Eskalation der Gewalt noch nichtdrohte, die katarische Haltung eher moderat,indem im Rahmen des GKR Reformen vomsyrischen Präsidenten Bashar al-Assad ge-fordert wurden, proklamierte Katar gemein-sam mit Saudi-Arabien schnell den Sturz desRegimes, nachdem sich die Gewalt verschärfthatte. Katar hatte auch in Syrien mehrereMilliarden insbesondere in den Immobilien-sektor investiert, sodass zumindest die wirt-schaftlichen Beziehungen als verhältnismäßigkooperativ bewertet werden konnten. Syrienwiederum hatte es vor allem Katar zu ver-danken, dass sich die arabische Welt wiederdem Land zuwendete, als man im Libanon-Konflikt mitvermittelte. Im Juli 2011 aberschloss Katar, als erster Golfstaat, seine Bot-

22 Vgl. Mambrey, Alina: Katar, in: Deutsches-Orient-Institut (Hrsg.): Der Arabische Frühling. Auslöser, Verlauf, Ausblick, September 2011, S. 165.

23 Gavin, James: Mediation strategy under scrutiny, in: MEED, Bd. 56, Nr. 20 (2012). S.32-33.

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schaft in Damaskus. Zum einen setzte mandadurch ein Zeichen gegen die Gewalt, zumanderen gab es wohl Unstimmigkeiten zwi-schen der katarischen Herrscherfamilie unddem Assad-Regime aufgrund der negativenmedialen Berichterstattung.24Weiterhin fürch-tete Katar ein Erstarken der schiitischen Be-wegung in der Region, was neben Bahrainauch Katar selbst destabilisieren könnte. Im November 2011 suspendierte man Syriendann schließlich, hauptsächlich aufgrund sau-disch-katarischer Forderungen, aus der Ara-bischen Liga. Spätestens seit diesemZeitpunkt trat Katar als entschiedener Gegneral-Assads auf und bildet eine der wichtigstenKräfte der Anti-Syrien-Allianz innerhalb derArabischen Liga. Die Tragweite diesesaußenpolitischen Schrittes kann derzeit nochnicht abgesehen werden. Zwar unterstützteKatar schon die Protestbewegungen in diver-sen Transformationsländern, im Syrienkonfliktaber tritt die Regierung als entschiedenerGegner des Regimes und als Unterstützer derOpposition auf. Im Gegensatz zum Vorgehenin Libyen erfolgt dies nicht mehr über diskreteKanäle oder indirekte Unterstützung, sondernoffiziell, medienwirksam und sehr konkret, wiedie Forderung des Emirs von Katar bereits imJanuar 2012 nach einem militärischen Eingriffin Syrien deutlich machte25.Auch die zukünftigen Beziehungen zu Irankönnten sich durch diese Entwicklungen dau-erhaft verändern, da dieser als engster Ver-bündeter des Assad-Regimes gilt. Dasharsche rhetorische Vorgehen Katars gegenBashar al-Assad sowie unbestätigte Vermu-tungen, Katar könne Waffen an syrische Op-positionelle liefern, verstärkt den Eindruck,dass sich das einst kühle aber zumindest kol-legiale Verhältnis zu Iran deutlich verschlech-tern wird. Dies könnte insbesondere im Falleeiner drohenden Eskalation um das iranischeAtomprogramm und der verhärteten Frontenin der Syrienpolitik Katar gefährden. Gerietedie gesamte Region in einen militärischenKonflikt, würde das kleine, geostrategischwichtige Katar zum ersten Frontstaat gegenIran. Zumindest zeigen die regionale Dimen-sion des Syrienkonflikts und die Reaktion

Katars, unter welchen Druck das Emirat ge-raten ist. Besonders die Forderung nacheinem militärischen Eingreifen in Syrien ver-ändert die Position des kleinen Emirats grund-legend von einem relativ neutralen Vermittlerzum Interessenvertreter, der sich eindeutigpositioniert und seine Mediatorenfunktion(auch gezwungenermaßen) aufgibt. Die be-wusste Entscheidung, sich auf die anti-irani-sche Seite zu stellen, schafft zwar einegewisse Einheit unter den Golfstaaten undschützt möglicherweise die monarchischenHerrschaftssysteme, im Umkehrschluss könn-ten daraus jedoch neue Probleme im großenKonflikt zwischen Sunniten und Schiiten ent-stehen, die sich bereits im konfessionellenBürgerkrieg in Syrien abzeichnen.II.6 Beziehungen zu Deutschland und der EUMit der EU und gerade mit Deutschland pflegtKatar sehr gute auf gegenseitiger wirtschaft-licher Zusammenarbeit beruhende Beziehun-gen. Politische und ideologische Fragentreten zumeist in den Hintergrund. Die Bezie-hungen gestalten sich größtenteils als Besu-che deutscher Politiker und hochrangigerUnternehmer in Doha. Deutsche Produktesind in Katar sehr beliebt. Deutschland istneben den USA zweitgrößter Exporteur nachKatar mit 9,2% der Gesamteinfuhren 2010.Ein Investitionsförderungsvertrag zwischenDeutschland und Katar ist 1999 in Kraft ge-treten. Über ein Doppelbesteuerungsabkom-men wird noch verhandelt.26 Geschätzt wirdseitens Katar besonders die Qualität deut-scher Produkte, was zu mehreren Investitio-nen in deutsche Firmen führte. So hält derEmir beispielsweise große Anteile an VW undPorsche.27 Mittlerweile leben und arbeitenviele Deutsche in Katar, meist in der Haupt-stadt Doha. Seit 2008 gibt es eine deutschePrivatschule in Doha.28 Besonders starke Zusammenarbeit gibt es in den Sektoren Maschinenbau, medizinische Gerätschaftenund Infrastruktur. Angesichts der großen infrastrukturellen Herausforderungen, die dieAustragung der WM 2022 mit sich bringenwird, setzt Katar vermehrt auf das Know-howdeutscher Firmen, darunter Siemens, DBInternational und HOCHTIEF.

24 Vgl.: Steinberg, Guido: Katars neue Syrien-Politik. Ein wichtiger, jedoch kein einfacher Partner für Deutschland, in: In Führung gehen. Welche Rolle soll Deutschland in der Welt spielen? (=InternationalePolitik Bd. 67, Nr. 3 (2012)), S.82-88.

25 Siehe Al Jazeera: Qatar's emir suggests sending troops to Syria, 14. Januar 2012, http://www.alja-zeera.com/news/middleeast/2012/01/20121146422954697.html, abgerufen am 30.07.2012.

26 GTAI: Wirtschaftsdaten kompakt: Katar, Mai 2012, http://www.gtai.de/GTAI/Content/DE/Trade/Fach-daten/MKT/2007/10/mkt20071022100317_12895.pdf, abgerufen am 08.08.2012.

27 Siehe Spiegel Online: Einstieg von Katar bei VW ist perfekt, 14. August 2009, http://www.spiegel.de/wirtschaft/investionen-einstieg-von-katar-bei-vw-ist-perfekt-a-642533.html, abgerufen am 08.08.2012.

28 Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Doha, Vorstellung der Deutschen Internationalen Schule Doha,http://www.doha.diplo.de/Vertretung/doha/de/DISD-Steckbrief-dt.html, abgerufen am 08.08.2012.

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III. Katars neue Rolle in der internationa-len Gemeinschaft – Chancen und Pro-blemeGerade durch die wirtschaftliche Stärke derGolfstaaten und dem starken Bevölkerungs-zuwachs der letzten Jahre kristallisiert sicheine im Vergleich zur Vergangenheit sehrunterschiedliche Machtkonstellation im Nahenund Mittleren Osten heraus. Die Golfstaatengerieren sich zwar in ihrer politischen Aus-richtung zumeist prowestlich und pflegen guteaußenpolitische Beziehungen zu den USA,sind aber keineswegs als „prowestlicherBlock“ gegen Russland und China zu begrei-fen. So erlangen die Wirtschaftsbeziehungenzu beiden Globalmächten immer wichtigereBedeutung und setzen sich über ideologischeund religiöse Grenzen oder Animositäten hin-weg, ohne die inneren arabischen Heteroge-nitäten aufzuheben, was viele bereits etwasmartialisch als neuen „Kalten Krieg“ bezeich-nen.29Am Beispiel von Katar sieht man, dass einedirekte Parteinahme erst dann erfolgte, wenndie Herrscherfamilie ihre Machtbasis ernsthaftbedroht sieht. Oberstes Ziel wird es auch inZukunft für das Land sein, durch wirtschaftli-che Stabilität auch politische Stabilität zuschaffen. Falls jungen Demokratien wie in Tu-nesien oder Ägypten der Weg aus der fragilenTransitionsphase in einen stabilen, wirt-schaftlichen Aufschwung gelingt, sich die is-lamistischen Wahlsieger von ihrensunnitisch-wahhabitischen Gönnern aus derGolfregion emanzipieren und sich eine stär-kere Zivilgesellschaft herausbildet, könntedies weit reichende soziale Probleme für die dynastischen Herrschaften der Golfstaatenund ihre Legitimation mit sich führen. Katar könnte hier in Zukunft eine Transmitter-rolle innerhalb der arabischen Welt überneh-men und als „ehrlicher Makler“ zwischen„neuen Demokratien“ und reaktionären Monarchien verhandeln, wenn es dazu bereitist. Katar könnte so möglicherweise auch

Saudi-Arabien von punktuellen Reformenüberzeugen. Auch aufgrund wirtschaftlicherZwänge muss dem Emirat daran gelegensein, zukünftige Konflikte innerhalb der Region zu entschärfen. Eine engere Zusammenarbeit zwischen Katar und Europakönnte auch zu einem steigenden Einfluss aufdie saudische Außenpolitik führen, was vorallem die iranisch-saudischen Spannungenentschärfen könnte. Die rasante Entwicklung Katars in den letztenJahren kann man für das Land selbst als eineErfolgsgeschichte bezeichnen. Ihm ist es ge-lungen, als eigenständiger außenpolitischerAkteur aufzutreten und somit ein weiteres Al-leinstellungsmerkmal in der Golfregion zu ent-wickeln. Das Land hat sich im Zuge des„Arabischen Frühlings“ als wichtiger politi-scher Faktor der Region herauskristallisiert.Aber gerade die Parteinahme für einen mili-tärischen Einsatz in Syrien und damit die Ab-wendung von ihrer „Neutralität“ und ihrerZurückhaltung muss dazu führen, die geo-strategischen Interessen Katars differenzier-ter zu analysieren und zu hinterfragen. Katar agiert keineswegs als selbstloser Akteurzugunsten einer ausgleichenden Stabilitäts-politik, sondern verfolgt mit gewachsenemSelbstbewusstsein eigene Interessen, umeinerseits den außenpolitischen Einfluss aus-zubauen und andererseits die innenpolitischeSituation zu stabilisieren. Diese geänderteSelbstwahrnehmung müssen auch internatio-nale Akteure wie Europa oder Deutschlandberücksichtigen, wenn sie in Zukunft Einflussauf die geopolitische Gestaltung des Nahenund Mittleren Ostens nehmen wollen. Hierfürbleibt Katar ein wichtiger, aber zusehendsschwieriger Partner.30 Durch immer größerenwirtschaftlichen und politischen Einflusskommt auf das Land auch größere Verant-wortung zu. Wie man damit umgeht, werdenauch die kommenden Ereignisse um den Sy-rienkonflikt zeigen.Edgar Zedler

29 Dazu, u. a.: Bank, Andre / Mohns, Erik: The New Arab Cold War: rediscovering the Arab dimension ofMiddle East regional politics, in: Review of International Studies, Bd. 38, Nr. 1, S. 3-24., 2011.

30 Steinberg, Guido: Katars neue Syrien-Politik. Ein wichtiger, jedoch kein einfacher Partner für Deutschland,in: In Führung gehen. Welche Rolle soll Deutschland in der Welt spielen? (=Internationale Politik Bd. 67,Nr. 3 (2012)), S. 88.

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IV. QuellenangabenFROMHERZ, ALLEN J.: Qatar. A Modern History, London 2012.PETERSON, J. E. : Qatar and the World. Branding for a Micro-State, in: MEJ,, Bd. 60, Nr. 4 (2006).RATHMELL, ANDREW / SCHULZE, KIRSTEN: Political Reform in the Gulf. The Case of Qatar, in: MES,

Bd. 36, Nr. 4 (2000), S. 47-62.MILES, HUGH: Al Jazeera, in: Foreign Policy, Nr. 155 (2006), S. 20-24.EL OIFI, MOHAMMED: Der Al-Dschasira-Effekt. Globale politische Plattform und öffentlicher Raum

für die arabische Welt, in: Le Monde diplomatique „Arabische Welt. Ölscheichs, Blogger, Muslimbrüder“, Nr. 4 (2012).

BLANCHARD, CHRISTOPHERM: Qatar: Background and U.S. Relations, in: CRS Report for Congress, Mai 2011.

BURKE, EDWARD: ‚One blood and one destiny’? Yemen’s relations with the Gulf Cooperation Coun-cil, in Kuwait Programme on Development, Governance and Globalisation in the Gulf States, Bd. 23, Juni 2012.

NIETHAMMER, KATJA: Katar als arabischer Konfliktmediator. Neuer Hoffnungsträger oder Gernegroß?, in: GIGA Focus, Nr. 8 (2010).

MAMBREY, ALINA: Katar, in: Deutsches Orient-Institut (Hrsg.:): Der Arabische Frühling. Auslöser, Verlauf, Ausblick, September 2011.

STEINBERG, GUIDO: Qatar and the Arab Spring. Support for Islamists and New Anti-Syrian Policy,in: SWP Comments, Nr. 7 (2012)

GAVIN, JAMES: Mediation strategy under scrutiny, in: MEED, Bd. 56, Nr. 20 (2012). S.32-33.STEINBERG, GUIDO: Katars neue Syrien-Politik. Ein wichtiger, jedoch kein einfacher Partner für

Deutschland, in: In Führung gehen. Welche Rolle soll Deutschland in der Welt spielen?(=Internationale Politik Bd. 67, Nr. 3 (2012)), S.82-88.

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Vereinigte Arabische Emirate I. Außenpolitische Prioritäten

Artikel 10 der Verfassung erläutert dasoberste Ziel der Vereinigten ArabischenEmirate (VAE), die Sicherheit, Unab-

hängigkeit und Souveränität der Föderationzu schützen und gegen jegliche Vereinnah-mung von außen zu bewahren:

“The aims of the Union shall be themaintenance of its independence andsovereignty. The safeguard of its secu-rity and stability. The defence againstany aggression upon its existence orthe existence of its member states. Theprotection of the rights and liabilities ofthe people of the Union. The achieve-ment of close co-operation between theEmirates for their common benefit in re-alising these aims and in promotingtheir prosperity and progress in allfields. The provision of a better life forall citizens together with respect byeach Emirate for the independence andsovereignty of the other Emirates intheir internal affairs within the frame-work of this Constitution.”1

Die Außenpolitik der VAE wird von drei Fak-toren beeinflusst:I.1 BevölkerungsstrukturDie Staatsangehörigen der VAE selbst bildeneine verschwindend geringe Minderheit inihrem eigenen Land. Derzeitige Schätzungengeben den Anteil emiratischer Staatsan-gehöriger an der Gesamtbevölkerung mit 10-15% an, Tendenz sinkend2. Die großeMehrheit der Bevölkerung bilden Arbeitsmi-granten aus über 100 Nationen, die Mehrzahlvon ihnen stammt aus Indien und Pakistan.Aufgrund dessen haben die VAE einenaußenpolitischen Kurs eingenommen, derdarauf ausgelegt ist, sich mit den „großenNachbarn“ friedlich zu arrangieren. Seit derUnabhängigkeit sind die VAE in ihrer Außen-politik neben wirtschaftlichen vor allem auf si-cherheitspolitische Interessen fokussiert. DieGründung der Föderation war nicht ohneSpannungen vonstatten gegangen: Saudi-Arabien weigerte sich, die neue Föderationanzuerkennen, da es ungeklärte Grenzstrei-

tigkeiten mit Abu Dhabi über die Al-Buraymi-Oase gab. Auch Iran und Oman machten denVAE einige Territorien streitig. Da die VAE einrelativ kleiner, aber wirtschaftlich einflussrei-cher Staat sind, haben sie früh erkannt, dasssie ihre diplomatischen Beziehungen vorallem mit den großen, einflussreichen Staa-ten friedlich ausrichten müssen. Daher warendie VAE in regionalen Krisen immer daraufbedacht, einen Übergriff des Konfliktes aufdas eigene Territorium zu verhindern3.

I.2 Geographische LageIm Südosten der Arabischen Halbinsel, liegendie VAE an der strategisch wichtigen Straßevon Hormuz, dem Hauptlieferweg der welt-weiten Öllieferungen. Diese geostrategischeSchlüssellage macht die VAE zu einemHaupttransitpunkt für den Import und Re-Ex-port von Gütern und zu einem Knotenpunktder Weltwirtschaft zwischen der arabischenHalbinsel, Asien und Afrika. Diese Lage hatden VAE, neben dem Ressourcenreichtum,erheblichen wirtschaftlichen Einfluss ver-schafft. Doch die geostrategische Lage hatauch dazu geführt, dass besonders Dubai zurZielscheibe krimineller Geschäfte, darunterDrogenschmuggel, Menschenhandel undGeldwäsche, geworden ist. I.3 RessourcenreichtumDie VAE belegen weltweit den dritten Platzder größten Ölvorkommen. Mit 97 MillionenBarrel entspricht dies etwa 10% der weltwei-ten Ölreserven. Das Bruttoinlandsprodukt proKopf betrug im Jahr 2010 56.485 USD4. Damitsind sie nach Saudi-Arabien die größte Volks-wirtschaft in der arabischen Welt. Öl- und Ga-seinnahmen tragen aber nur zu 30-35% zumBIP bei. Die restlichen Einnahmen stammenaus dem Industrie- und Dienstleistungssektorund dem Re-Export. Innerhalb der Emirategibt es jedoch gravierende Verteilungsunter-schiede: Abu Dhabi nimmt nicht nur 85% derGesamtfläche der VAE ein, das Emirat besitztauch knapp 90% der Ölreserven des Staates.Dubai besitzt kaum Öl- und Gasvorkommenund hat daher früh seine geostrategischeLage als Wirtschaftsstandort klug ausgespielt.Seit der Finanzkrise 2008/2009 lässt sich einegenerelle Machtverschiebung zugunsten AbuDhabis beobachten5. Diese Verschiebung

1 http://www.unhcr.org/refworld/category,LEGAL,,,ARE,48eca8132,0.html, abgerufen am 13.08.2012.2 BelkaÏd, Akram: Die importierte Mehrheit. In den Emiraten fürchten die Scheichs eine Überfremdung durch

Gastarbeiter, in: Edition Le Monde diplomatique, N° 11/2012, S. 71. 3 http://countrystudies.us/persian-gulf-states/91.htm, abgerufen am 10.08.2012. 4 http://hdrstats.undp.org/en/indicators/62006.html.5 Dubai war damals auf Milliardenkredite aus Abu Dhabi angewiesen.

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hatte beispielsweise direkten Einfluss auf dieHaltung der VAE zum Handelsgeschäft mitIran, worauf im späteren Verlauf noch nähereingegangen wird. Neben sicherheitspolitischen und wirtschaftli-chen Interessen ist die Außenpolitik der VAEzudem von einem hohen humanitären Enga-gement geprägt. Mit Artikel 12 der Verfassungverschreiben sich die VAE der Unterstützungarabischer und islamischer Interessen. Wei-terhin erklären sie sich allen Nationen derWelt als freundschaftlich zugetan und denPrinzipien der UN-Charta verpflichtet:

“The foreign policy of the Union shall bedirected towards support for Arab andIslamic causes and interests and to-wards the consolidation of the bonds offriendship and cooperation with all na-tions and peoples on the basis of theprinciples of the charter of the UnitedNations and ideal international stan-dards.”6

Die VAE investieren hohe Summen aus denEinnahmen des Öl- und Gasgeschäfts in Ent-wicklungshilfe und Katastrophenschutz fürarabische und/oder muslimische Völker, teilsaus Solidaritätsbekundung, teils aus wirt-schaftlichen Interessen, um neue Partner-schaften aufzubauen. Ihr humanitäresEngagement hat den VAE in vielen Ländernein hohes Ansehen verschafft. Außenpolitisch pflegen die VAE die engstenBeziehungen zu den anderen Golfstaaten.Die VAE sind Mitglied des Golfkooperations-rates (GKR)7 und sind den anderen Mit-gliedsstaaten aufgrund ihrer kulturellen,sprachlichen, religiösen und politischen Ge-meinsamkeiten freundlich zugetan. Dennochhaben sich die VAE bei politischen Entschei-dungen wiederholt vom allgemeinen Kurs desGKR abgewandt, was teilweise zu Spannun-gen mit den anderen Mitgliedern führte. EinBeispiel hierfür war die Kritik der VAE an denSanktionen gegen den Irak in den 1990erJahren, was bei Kuwait für Unverständnis

sorgte. 1994 weigerten sich die VAE, aus So-lidarität für die Palästinenser, den Boykott aufdas Handelsgeschäft mit Israel aufzuhebenund traten damit Katar und Bahrain entgegen.Der außenpolitische Kurs der VAE, der in derLiteratur auch als “constructive engagement“bezeichnet wird8, ist stark beeinflusst vom Re-gierungsstil des “Gründungsvaters der Na-tion”, Sheikh Zayed bin Sultan Al Nahyan. Beider Gründung der Föderation hatten sich dieeinzelnen Herrscher darauf geeinigt, dassSheikh Zayed die Verantwortung für die ge-meinsame Außenpolitik tragen sollte, was erbis zu seinem Tod im Jahre 2004 auch tat.Dadurch wies die außenpolitische Strategieüber einen langen Zeitraum eine bemerkens-werte Kontinuität auf9. Das Bemühen SheikhZayeds um kontinuierlichen Austausch undKonsensfindung lässt sich dabei auch auf dieDebattenkultur der Beduinen zurückführen10. Die VAE genossen in der Vergangenheit international Anerkennung aufgrund ihrer umAusgleich bemühten Politik und ihrem hohenhumanitären Engagement. Ihr zweischneidi-ges Verhalten während des „Arabischen Früh-lings” brachte ihnen jedoch international Kritikein: Die VAE hatten 500 eigene Polizeikräftezur Unterstützung der 1.000-Mann-starkensaudi-arabischen Truppen nach Bahrain gesandt, um die Aufstände gegen die sunniti-sche bahrainische Regierung niederzuschla-gen und das Regime an der Macht zu halten.In Libyen beteiligten sie sich jedoch nebenKatar als einziger arabischer Staat aktiv amSturz Muammar al-Gaddafis und leistetenumfangreiche humanitäre Hilfe. Hier ließensich die VAE von ihrer sicherheitspolitischenPrämisse leiten: Hätten die Aufständischen inBahrain einen Systemwechsel hervorgerufen,wären die anderen Golfstaaten mit hoherWahrscheinlichkeit mit ähnlichen Aufständenkonfrontiert worden. Das Potential dazu ist in den VAE durchausvorhanden: Die Gastarbeiter werden allenfallsgeduldet und arbeiten unter teils unmenschli-chen Bedingungen11. Emiratische Bürger

6 http://www.unhcr.org/refworld/category,LEGAL,,,ARE,48eca8132,0.html, abgerufen am 13.08.2012.7 Der Golfkooperationsrat (GKR) wurde 1981 in Abu Dhabi durch Kuwait, Bahrain, Saudi-Arabien, Katar,

Vereinigte Arabische Emirate und Oman gegründet. Die Schaffung des GKR war eine direkte Folge der Islamischen Revolution in Iran 1979 und dem Ausbruch des Iran-Irak-Krieges 1980-1988. Die arabischen Golfmonarchien sollten ein Gegengewicht zum schiitischen Iran bilden.

8 Al-Mashat, Abdul Monem: Politics of Constructive Engagement: The Foreign Policy of the United Arab Emirates, in: Korany, Bahgat, Ali E. Hillal Dessouki: The Foreign Policies of Arab States: The Challengeof Globalisation, Kairo 2008/New York 2010, S. 457.

9 Ebd., S. 458. 10 Hermann, Rainer: Die Golfstaaten. Wohin geht das neue Arabien?, Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH

& Co. KG, München 2011, S. 39. 11 Penquitt, Denise: Vereinigte Arabische Emirate, in: Deutsches Orient-Institut (Hrsg.): Der Arabische Früh-

ling. Auslöser, Verlauf, Ausblick, Berlin 2011, S. 154.

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beklagen die fehlenden Partizipationsmög-lichkeiten. Inspiriert von den Aufständen in Tu-nesien und Ägypten und dem damit einhergehenden hohen Mobilisierungsgradversuchten auch in den VAE Bürger ihreRechte einzufordern: 133 Unterzeichner einerOnlinepetition forderten im März 2011, denBundesnationalrat aus freien und direktenWahlen hervorgehen zu lassen und seinenEinfluss zu stärken. Die Zahl von 133 Men-schen wurde anfänglich zwar etwas belächelt,aber diese Petition war die wahrscheinlicherste politische Bewegung in der Geschichtedes Landes – und das in Abu Dhabi, demreichsten Emirat. Vielleicht sollte man deswe-gen auch von immerhin 133 Menschen spre-chen. Bei den Unterzeichnern handelte essich um emiratische Intellektuelle und Men-schenrechtsaktivisten, die, trotz oder geradewegen ihres hohen Lebensstandards, auchpolitische Mitbestimmung forderten. Weil aberviele emiratische Staatsbürger Konsequen-zen in Form von repressiven Maßnahmenfürchteten, verweigerten sie ihre Unterschrift.Insgesamt gesehen kann aber von keiner Be-wegung oder gar Revolution gesprochen wer-den. Es gibt weder einen konkreten Auslöser,der zu einer Revolution geführt hätte, nocheine Führungspersönlichkeit, die sich in die-ser besonders hervorgetan hätte. Wenn über-haupt, so muss von einer marginalenProtestbewegung gesprochen werden, dievielmehr durch Einzelaktionen als durch or-ganisierte und zielgerichtete Massenprotestegeprägt war. Nicht unterschätzt werden sollteauch das Konfliktpotenzial durch die schiiti-sche Minderheit, deren Anteil etwa 19% be-trägt12. II. Die Beziehungen zum IrakSeit der Gründung der Föderation im Jahr1971 hat sich die Irakpolitik der VAE ent-schieden gewandelt. Zunächst waren siedarum bemüht, freundschaftliche Beziehun-gen mit dem Irak aufzubauen. Der Irak, eben-falls ein Mitglied der OPEC-Staaten und eineinflussreicher arabischer Staat am Golf,stellte ein wichtiges Gegengewicht zum wach-senden Einfluss der iranisch-schiitischen Ein-flusssphäre am Golf dar. Die bilateralen

Beziehungen wurden jedoch nie so eng wiemit den anderen Golfstaaten, vornehmlichaufgrund des grundlegend verschiedenen po-litischen Systems des Iraks. Bei Ausbruch desIran-Irak-Krieges 1980 blieben die VAEzunächst formell neutral, als Mitglied desGKR schlugen sie sich jedoch auf die SeiteIraks, da sie eine Erstarkung der schiitischenMacht in der Golfregion fürchteten. SheikhZayed versuchte sogar, zwischen den beidenParteien zu vermitteln, um eine schnelle Be-friedung und damit die Stabilität der Golfre-gion insgesamt wieder herzustellen. ImVerlauf des Iran-Irak-Krieges kam es zuSpannungen innerhalb der VAE, da Dubai zu-nehmend seine Sympathie für Iran bekun-dete13. Nach dem Ende des Krieges 1988blieben die Beziehungen zum Irak zunächstfreundschaftlich, wenngleich die Anschuldi-gungen Saddam Husseins, die VAE würdendie von der OPEC festgelegten Förderquotenfür Rohöl überschreiten und damit den Welt-marktpreis drücken, mit Besorgnis aufgenom-men wurden. Hintergrund für diese Vorwürfewar die hohe Verschuldung des Iraks bei sei-nen arabischen Nachbarstaaten während desErsten Golfkrieges. Die irakische Wirtschaftwar auf den Verkauf von Erdöl zu hohen Prei-sen angewiesen, da der Staat nicht in derLage war, die Fördermenge kurzfristig zu stei-gern14. Die freundschaftlichen Beziehungen der VAEzum Irak änderten sich schlagartig mit demAusbruch des Zweiten Golfkrieges 1990. Dieirakische Invasion Kuwaits nahmen die VAEals Angriff auf die regionale Sicherheit undStabilität und damit als Bedrohung ihrer ober-sten Prämisse. Zudem befürchteten sie auf-grund der vorherigen Anschuldigungen, dassder Irak auch versuchen würde, die VAE zubesetzen. Dieses Bedrohungsszenario hat zueiner generellen Umorientierung der Außen-politik geführt. Bis zu diesem Zeitpunkt hattensich die VAE immer ausdrücklich gegen eineausländische Militärpräsenz in der Golfregionausgesprochen. Bei der Zerschlagung der ira-kischen Truppen waren sie nun jedoch auf in-ternationale Unterstützung angewiesen, dasie über keine starke nationale Armee verfüg-ten15. Die VAE gehörten infolgedessen zu den

12 Al-Mashat, Abdul Monem: Politics of Constructive Engagement: The Foreign Policy of the United ArabEmirates, in: Korany, Bahgat, Ali E. Hillal Dessouki: The Foreign Policies of Arab States: The Challengeof Globalisation, Kairo 2008/New York 2010, S. 460.

13 http://countrystudies.us/persian-gulf-states/91.htm, abgerufen am 10.08.2012. 14 Trautner, Bernhard J.: Der Konflikt um Kuwait, in: Pfetsch, Frank R. (Hrsg.): Konflikte seit 1945.

Daten – Fakten – Hintergründe. Die Arabisch – Islamische Welt, Freiburg – Würzburg 1991, S. 90 ff. 15 Die Armee besteht lediglich aus etwa 60.000 Personen und setzt sich größtenteils aus Nicht-Einheimi

schen zusammen, eine Vielzahl von ihnen stammt aus dem Oman. Siehe hierzu Davidson, ChristopherM.: The United Arab Emirates, in: Ders. (Hrsg.) Power and Politics in the Persian Gulf Monarchies, Lon-don 2011, S. 23 ff.

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ersten Staaten, die sich für eine militärischeAktion gegen den Irak einsetzten und betei-ligten sich an der UN-gestützten Mission. Mitdem Zweiten Golfkrieg begann aber auch dieAbhängigkeit der VAE von ausländischer Mi-litärpräsenz, insbesondere der USA.Nach der Zerschlagung der irakischen Trup-pen befürworteten die VAE die regionale Inte-grität Iraks. Die Sanktionen, die dem Irak inden 1990er Jahren auferlegt wurde, kritisier-ten die VAE als ineffektiv. Die VAE waren sichder zukünftig wichtigen Rolle des Iraks in derRegion sicher und befürchteten dessen zu-nehmende Isolierung. In den 1990er Jahrenwichen die VAE weiter von dem Irakkurs desGKR ab und handelten sich dafür zuneh-mende Kritik von Kuwait ein. Davon über-zeugt, dass vor allem die irakischeBevölkerung unter den Sanktionen zu leidenhabe, stellten die VAE durch die GesellschaftRoter Halbmond Hilfsgelder für den Irak be-reit. Auch die diplomatischen Beziehungenbeider Länder wurden mit der Eröffnung vonBotschaften in Bagdad und Abu Dhabi Anfang2000 wieder aufgenommen. Die VAE setzten sich auch in den Folgejahrenfür die Integration des Iraks in die arabischeund internationale Gemeinschaft ein. Im März2003, kurz vor der US-amerikanischen Inva-sion des Irak, versuchten die VAE auf demIrak-Gipfel der Arabischen Liga im ägypti-schen Sharm el-Sheikh vergebens, eine mi-litärische Intervention abzuwenden. Siehatten Saddam Hussein das Exil und der ira-kischen Führung Straffreiheit angeboten,wenn diese innerhalb von zwei Wochen dasLand verlassen und den Weg für die Bildungeiner Übergangsregierung unter Aufsicht derUN und der Arabischen Liga frei machen wür-den. Der Vorschlag wurde jedoch von der ira-kischen Delegation und der Mehrzahl deranwesenden arabischen Regierungsführerabgelehnt16. Der Sturz Saddam Husseinsdurch die Amerikaner im Mai 2003 wurde vonden VAE ambivalent beurteilt. Zum einen be-fürchteten die VAE eine erneute Destabilisie-rung der gesamten Region, zum anderenerhoffte sich die Regierung der VAE nun dieEtablierung eines „kooperativeren“ politischenSystems im Irak und eine Verbesserung derbilateralen Beziehungen unter der zukünftigenirakischen Führung.

Die VAE haben die USA finanziell erheblichbei der Stabilisierung des Irak in den Folge-jahren unterstützt: So stellten sie allein für dieAusbildung von Polizeikräften 215 Mio. USDbereit. 2008 erklärten die VAE anlässlicheines Besuches des irakischen Premiermini-sters Nuri al-Malki, dass dem Irak sämtlicheSchulden in Höhe von 4 Mrd. USD erlassenwerden17, um den politischen Prozess zu stüt-zen und den Wiederaufbau des Landes zu er-leichtern. Im selben Jahr erklärte dieRegierung der VAE, dass die Botschaft inBagdad wieder eröffnet werden soll. Die VAEwollen in Zukunft ihre Handelsbeziehungenvor allem im Nordirak weiter intensivieren.Irak ist mittlerweile der achtgrößte Han-delspartner Dubais18. Das HandelsgeschäftDubais mit dem Irak außerhalb des Ölsektorsstieg zwischen 2008 und 2010 um 32,6% an. III. Die Beziehungen zu IranDie meisten GKR-Staaten sind der Meinung,dass die militärische Kooperation mit westli-chen Staaten für die regionale Stabilität derGolfregion erforderlich ist. Die ausländischeMilitärpräsenz und damit Einflussnahme derwestlichen Staaten wird aber von der irani-schen Führung angeprangert und hat zum Teilzu einer wachsenden Ausbreitung pro-irani-scher Ideologien im Mittleren Osten geführt.Nichtsdestotrotz sind die bilateralen Bezie-hungen weiterhin gut, was vor allem daranliegt, dass die VAE bewusst zwischen wirt-schaftlichen und politischen Interessen unter-scheiden. In Bezug auf Iran stoßen in denVAE oft die Positionen Abu Dhabis (sicher-heitsorientiert) und Dubais (handelsorientiert)aufeinander. Die sicherheitspolitische StimmeAbu Dhabis setzte sich in den letzten Jahrendurch.Die politischen und wirtschaftlichen Bezie-hungen der VAE zu Iran reichen mehrereJahrtausende zurück. Beide Völker betriebenin der Geschichte einen regen Austausch undHandel. Dubai ist die Heimat der zweitgröß-ten iranischen Diasporagemeinde weltweit,welche das wirtschaftliche und kulturelleLeben Dubais entscheidend mitprägt. DubaisVerbindung zu Iran geht zurück auf den An-fang des 19. Jahrhunderts, als iranischeHändler aus Frust über die Zentralisierung inTeheran und die politische Verfolgung von

16 http://www.spiegel.de/politik/ausland/arabische-liga-saddams-exil-und-der-gaddafi-eklat-a-238404.html,abgerufen am 07.08.2012.

17 http://www.mofa.gov.ae/mofa_english/portal/b074766a-5507-43c7-9beb-3155a52e25b5.aspx, abgerufen am 07.08.2012.

18 http://www.khaleejtimes.com/DisplayArticle.asp?xfile=data/business/2011/November/business_Novem-ber587.xml&section=business&col=, abgerufen am 25.09.2012.

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Sunniten nach Dubai emigrierten. Sie bildenheute das Rückgrat von Dubais Handels- undpolitischer Klasse. Die VAE verfolgen insgesamt keine stringentePolitik gegenüber Iran, die bilateralen Bezie-hungen können als eine Mischung aus Enga-gement und versuchter Eingrenzungbezeichnet werden19. So stehen die VAE vordem Konflikt, den Handel mit Iran weiter aus-bauen zu wollen und sich gleichzeitig an denUN-Sanktionen gegen Iran beteiligen zu müs-sen. Trotz ihrer engen bilateralen Beziehun-gen zu den USA ließen sich die VAE langeZeit nicht in die Sanktionspolitik gegen Iran in-tegrieren. Aufgrund steigenden Drucks durchdie Amerikaner und einer Machtverschiebunginnerhalb der VAE zugunsten Abu Dhabis20hat die Einhaltung der Sanktionen in den letz-ten Jahren jedoch stärker an Gewicht gewon-nen. Die Unterscheidung zwischen legalenund illegalen Geschäften bereitet in der all-täglichen Umsetzung jedoch oftmals Schwie-rigkeiten21. Die VAE vertreten allgemein dieAuffassung, dass Sanktionen allein es nichtvermögen, Iran zum Einlenken im Streit umdas Atomprogramm zu bewegen.22Unter den einzelnen Emiraten herrscht kei-neswegs Einigkeit über die Umsetzung derdem Irangeschäft auferlegten Sanktionen.Gerade Dubai ist sehr kritisch gegenüber denSanktionen. Die iranische Gemeinschaft inDubai ist von immenser wirtschaftlicher Be-deutung: 2006 investierten ansässige Iranerdort etwa 200 Mrd. USD. Die Umsetzung derSanktionen hat vor allem die Finanztransak-tionen im Emirat Dubai erheblich erschwert.Das Emirat Dubai ist zudem Angelpunkt füriranische Importe und ein zentraler Transit-punkt für legale und illegale Waren, die nach

Iran geliefert werden. Abu Dhabi äußerte sichin der Vergangenheit weitaus kritischer ge-genüber Iran und fühlte sich durch das teilsprovokante Verhalten Irans bedroht. In AbuDhabi wurden seit längerem Stimmen laut, diedie große iranische Gemeinde in Dubai als si-cherheitspolitische Bedrohung wahrneh-men.23 Als Reaktion auf die zunehmendaggressive Haltung Irans bauten die VAE ihrestrategische Allianz mit den USA weiter aus.Die Sicherheitsausgaben der VAE stiegenzwischen 2001 und 2009 von 1,4 Mrd. EURauf 11,7 Mrd. EUR an. Die VAE sind mittler-weile einer der größten Abnehmer von US-amerikanischen Waffen. Zwischen 2007 und2010 erwarben die VAE US-amerikanischeWaffen im Gesamtwert von 10,4 Mrd. USD,einzig Saudi-Arabien konnte dies noch über-trumpfen24. Größter Streitpunkt mit Iran sindneben den nuklearen Ambitionen Irans einigekleinere Inseln im Golf. Die Besetzung derdrei Inseln Kleine Tunb, Große Tunb und AbuMusa durch Iran 1971 trübt die bilateralen Be-ziehungen bis heute. Mit dem Rückzug derBriten aus der Golfregion 1971 ergaben sichFragen hinsichtlich der Souveränität mehre-rer Territorien. Die drei umstrittenen Inseln lie-gen an strategisch wichtiger Stelle vor derMeerenge, der Straße von Hormuz im Golf.Zwei Tage vor Inkrafttreten des Föderations-vertrages besetzten iranische Truppen dieseInseln. Der Schah kündigte an, jegliche Be-sitzansprüche der VAE an den Inseln wennnötig mit Gewalt zu verteidigen. Iran beriefsich bei seinen Besitzansprüchen darauf,dass die Inseln vor der Zeit der Briten zu Irangehört hatten.25 Der Streit um die drei Inselneskalierte ein weiteres Mal 1992, als Iranägyptischen Lehrern die Einreise auf AbuMusa verweigerte, da sie kein iranisches Visavorweisen konnten. Die VAE bestanden wei-

19 Hesseling, Bart: The Prospects of Security Cooperation in the Gulf, siehe: http://www.iss.europa.eu/uploads/media/SecurityCooperationPersianGulf.pdf, abgerufen am 13.08.2012.

20 Die Machtverschiebung innerhalb der Föderation zugunsten Abu Dhabis ist ein generelles Phänomenund mit dem wirtschaftlichen Einbruch Dubais durch die internationale Finanzkrise 2008/2009 zu erklären.

21 Sadjadpour, Karim: The Battle of Dubai: The United Arab Emirates and the US-Iran Cold War, CarnegiePaper, July 2011, siehe: http://www.carnegieendowment.org/2011/07/27/battle-of-dubai-united-arab-emirates-and-us-iran-cold-war/8kiw, abgerufen am 13.08.2012.

22 Die VAE sind seit 1995 Mitglied des Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons (NPT) und haben aus sicherheitspolitischen Erwägungen ihre Besorgnis über das iranische Atomprogramm geäußert. Die VAE setzen zukünftig vermehrt auf Atomstrom, um ihren steigenden Energiebedarf zu decken: Bis 2020 sollen 25% des Stroms mit Atomenergie hergestellt werden. Das Außenministeriumsprach sich offiziell für eine transparente Aromenergiepolitik aller Staaten aus und forderte die Abschaf-fung sämtlicher Atomwaffen in der Region des Mittleren Ostens. Vgl. http://www.mofa.gov.ae/mofa_english/portal/cd1c53f8-0310-44a6-bea7-6f680723a0de.aspx, abgerufen am 07.08.2012.

23 Katzman, Kenneth: The United Arab Emirates (UAE): Issues for U.S. Policy, Washington 2011, S. 11. 24 Katzman, Kenneth: The United Arab Emirates (UAE): Issues for U.S. Policy, S. 13,

siehe: http://www.fas.org/sgp/crs/mideast/RS21852.pdf, abgerufen am 25.09.2012. 25 Trautner, Bernhard J.: Die Auseinandersetzungen zwischen Iran und den Vereinigten Arabischen

Emiraten um die Souveränität über Inseln im Persischen Golf, in: Pfetsch, Frank R. (Hrsg.): Konflikteseit 1945. Daten – Fakten – Hintergründe. Die Arabisch – Islamische Welt, Freiburg – Würzburg 1991, S. 124 ff.

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terhin auf ihren Ansprüchen und erklärten sichbereit, mit der iranischen Führung zu verhan-deln. Dabei erhielten sie international Rück-halt vom GKR, der Arabischen Liga undanderen internationalen Organisationen. DerInselstreit ist nach wie vor ungelöst, beideStaaten bekräftigen ihre Besitzansprüche.Unlängst besuchte der iranische PräsidentMahmud Ahmadinejad im April 2012 AbuMusa, die einzig bewohnte Insel unter dendreien.26Mit den revolutionären Umbrüchen im Zugedes „Arabischen Frühlings“ Anfang des Jah-res 2011 entstanden neue Spannungen, daIran für die Schiiten unter den Aufständischenin Bahrain offen Partei ergriff. Der GKR hatte,unter Beteiligung der VAE, Truppen entsandt,um die Aufstände niederzuschlagen, einenMachtwechsel in Bahrain zu unterbinden undeinen „Spill-over-Effekt“ der Aufstände in dieanderen Golfstaaten zu verhindern. Iran ver-urteilte das Vorgehen der Sicherheitskräfte alsunrechtmäßiges Vorgehen gegen eine „fried-liche Erhebung“27. IV. Beziehungen zu arabischen und/oderislamischen StaatenWie anfangs bereits erwähnt, erklären sichdie VAE in ihrer Verfassung solidarisch mitallen arabischen und/oder islamischen Völ-kern und unterstützen diese Gemeinschaftendabei, sich politisch und wirtschaftlich weiterzu entwickeln. Dabei geht es vornehmlich umden Wunsch nach einer generellen Befrie-dung des gesamten arabisch-islamischenKulturraumes als auch um eine verstärkte Zu-sammenarbeit der islamischen Gemeinschaft(arabisch: umma). Nach dem Zerfall der Sowjetunion begannendie VAE, intensive Beziehungen zu den mus-limischen Gemeinschaften in Zentralasienvornehmlich durch Handelsbeziehungen undInvestitionen aufzubauen. Aufgrund ihrerhohen Abhängigkeit von Nahrungsmittelim-porten überlegen die VAE derzeit, verstärkt inAgrarland in Zentralasien zu investieren28. An-

fang der 1990er Jahre ergriffen die VAE imTschetschenienkrieg offen Partei für die Un-abhängigkeit des vorwiegend muslimischenTschetscheniens. In den letzten Jahren habensich die Beziehungen mit der islamischenFührung Tschetscheniens freundschaftlichentwickelt. 2011 haben die VAE mit dertschetschenischen Führung Gespräche übermögliche Investitionen im Infrastrukturbereichgeführt. Im Mai 2012 sorgte eine islamischeModenschau der First Lady Tschetscheniensin Dubai für Aufsehen29. Das wachsende En-gagement der VAE in Tschetschenien undzentralasiatischen Republiken wird vonRussland – vor dem Hintergrund des Anstiegsislamistischer Strömungen in den Staaten derehemaligen Sowjetunion – mit Misstrauen be-obachtet30. IV.1 Der NahostkonfliktIn den VAE lebt eine große palästinensischeMinderheit. Allein in Dubai zählte man im Jahr2009 etwa 100.000 Personen palästinensi-scher Abstammung. Der überwiegende Teilvon ihnen ist bereits seit mehreren Jahrzehn-ten dort ansässig. Gut ausgebildet, arbeitensie in den Emiraten überwiegend als Ingeni-eure und in anderen technischen Bereichen.Die regelmäßigen Geldüberweisungen an Fa-milienmitglieder in den Palästinensischen Au-tonomiegebieten bilden für letztere einewichtige Einnahmequelle. Im Zuge der inter-nationalen Finanzkrise verloren viele Palästi-nenser in Dubai ihre Arbeit, einige wandertendaraufhin nach Katar aus31.Auch deshalb sehen die VAE die Lösung desNahostkonfliktes als essentiell für die Stabili-sierung des gesamten Nahen und MittlerenOstens. Die Regierung zeigt sich solidarischmit den Palästinensern und als direkt von denAuswirkungen des Konfliktes betroffen32.Die VAE unterhalten keine formalen Bezie-hungen mit Israel und weigern sich, den Staatanzuerkennen. Auf internationaler Bühnehaben die VAE wiederholt betont, dass dieVertreibung der Palästinenser völkerrechts-widrig und ein Fall von unrechtmäßiger Be-

26 http://www.english.alarabiya.net/articles/2012/04/17/208389.html, abgerufen am 07.08.2012.27 Sadjadpour, Karim: The Battle of Dubai: The United Arab Emirates and the US-Iran Cold War, Carnegie

Paper, July 2011, S. 13. 28 Die zentralasiatischen Staaten hätten den Vorteil, dass sie politisch stabiler sind als afrikanische Staaten,

in denen die VAE derzeit Agrarland pachten, wie beispielsweise Sudan und Ägypten. Siehe http://www.thenational.ae/news/uae-news/arab-states-must-invest-in-central-asian-farmland, abgerufen am 09.08.2012.

29 http://www.alarabiya.net/articles/2012/03/25/203115.html, abgerufen am 09.08.2012. 30 Tertertov, Marat: Russian Relations to the Gulf Region, siehe: http://www.gpf-

europe.com/upload/iblock/906/russian_relations_to_the_gulf_region.pdf, Zugriff 13.08.2012. 31 http://www.haaretz.com/print-edition/news/thousands-of-palestinians-may-lose-jobs-in-dubai-crash-

1.3219, abgerufen am 09.08.2012.32 Hellyer, Peter: The Evolution of UAE Foreign Policy, in: Ghareeb, E., I. Al Abed. (Hrsg.): Perspectives

on the United Arab Emirates, London 1997, S. 172.

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setzung sei33 und fordern den Rückzug Israelsaus allen 1967 besetzten Gebieten. Nicht direkt am Arabisch-Israelischen Krieg1973 beteiligt, übten die VAE jedoch mittelseines Ölembargos erheblichen Druck auf dieStaaten aus, die sich auf die Seite Israelsstellten. Sheikh Zayed erklärte die Solida-ritätsbekundungen der VAE wie folgt:

„(..) Arab oil is not dearer than Arabblood. (Q) A loss of oil revenues was asmall price to pay when other Arabcountries were suffering heavy humanlosses.“34

Neben den arabischen Staaten Ägypten, Sy-rien und Jordanien waren die Palästinenser inden letzten Jahrzehnten die Hauptempfängervon Hilfsgeldern aus den VAE. Insgesamtstellten die VAE zwischen 1971 und 2001etwa 20 Mrd. USD bereit. Diese wurden teilsdurch den Abu Dhabi Fund für Development(ADFD) und teils durch bilaterale Regie-rungsabkommen bereitgestellt. Die Unter-zeichnung des ägyptisch-israelischenFriedensvertrages 1979 unter PräsidentAnwar as-Sadat führte dazu, dass die VAEihre diplomatischen Beziehungen zu Ägyptenfür beinahe ein Jahrzehnt einfroren. Die Re-gierung der VAE war davon überzeugt, dassbilaterale Friedensabkommen mit Israel kei-nen dauerhaften Frieden herbeiführen wür-den und kritisierte die einseitigepro-israelische Perspektive der US-amerika-nischen Nahostpolitik. Ebenso beklagten siedie Ignoranz der israelischen Regierung undforderten den UN-Sicherheitsrat dazu auf,mehr Druck auf Israel auszuüben. Die VAEbeteiligten sich an jeglichen Friedensver-handlungen auf arabischer und internationalerInitiative, so geschehen bei der Madridkonfe-renz 1991, der Damaskusdeklaration 1991,dem Oslo-Abkommen 1993 und dem Planvon König Abdullah von Saudi-Arabien 2003.Dabei verharrten sie auf der Schaffung einespalästinensischen Staates. Bei der Klärungdes rechtlichen Status’ der Stadt Jerusalem ineinem zukünftigen Zweistaatengebilde hobensich die VAE von den anderen arabischenStaaten ab und betonten die religiöse Bedeu-tung der Stadt für alle Weltreligionen. Die VAEwaren Teil einer Kampagne im Jahre 1994,

die den Boykott von israelischen Produktendurch die Arabische Liga eingrenzen wollten.Die VAE verweigerten jedoch die Aufhebungdes Boykotts von direkten Geschäften mit Is-rael und stellten sich damit Katar und Omanentgegen.35IV.2 Beteiligung an FriedensmissionenDie als Angriff auf die eigene Sicherheit emp-fundene irakische Invasion Kuwaits führtenicht nur dazu, dass die VAE fortan auf aus-ländische Militärpräsenz setzten. Die Födera-tion begann ebenfalls, sich mit kleinerenTruppenstärken an internationalen Friedens-missionen in Konfliktregionen der Welt zu be-teiligen, beispielsweise während desBürgerkrieges in Somalia 1993 und zur Mi-nenräumung im Südlibanon 2007. Im Koso-vokonflikt unterstützten die VAE die Albanerund beteiligten sich 1999 als erster und einzi-ger muslimischer Staat an der NATO-Mission.2008 erkannten die VAE den Kosovo als un-abhängigen Staat an. IV.3. Bereitstellung von EntwicklungshilfeDie VAE haben seit Gründung der Föderationbereits mehr als 70 Mrd. USD an Entwick-lungshilfe weltweit bereitgestellt. Offiziell wirddieses Engagement begründet mit der reli-giösen Überzeugung, Bedürftigen zu helfenund den eigenen Reichtum zu teilen. Dane-ben spielen aber auch ideologische Gründeeine zentrale Rolle: so sind die Empfänger derEntwicklungshilfe fast ausschließlich arabi-sche und muslimische Gesellschaften inAsien und Afrika, mit denen sich die Regie-rung der VAE solidarisch gibt. Umstritten ist,inwieweit die VAE den Taliban und anderenradikal-islamischen Gruppierungen weltweitGelder zur Verfügung stellen, Statistiken zuden Geldleistungen bleiben oftmals lücken-haft36. Die finanzielle und humanitäre Hilfe umfasstdie Beteiligung der VAE an Entwicklungshilfe-projekten – oftmals in Kooperation mit inter-nationalen Organisationen und Initiativen37 –und Infrastrukturprojekten. Des Weiterenleisten die VAE finanzielle Unterstützung beimilitärischen Auseinandersetzungen oder Na-turkatastrophen, auch hier in überwiegendem

33 Al-Mashat, Abdul Monem: Politics of Constructive Engagement: The Foreign Policy of the United ArabEmirates, in: Korany, Bahgat, Ali E. Hillal Dessouki: The Foreign Policies of Arab States: The Challengeof Globalisation, Kairo 2008/New York 2010, S. 471 ff.

34 Hellyer, Peter: The Evolution of UAE Foreign Policy, in: Ghareeb, E., I. Al Abed. (Hrsg.): Perspectiveson the United Arab Emirates, London 1997, S. 173.

35 Ebd. 36 http://www.thebeaveronline.co.uk/2012/01/30/aid-ineffective-in-the-arab-world/, abgerufen am 25.09.2012.37 Siehe hierzu: Deutsches Orient-Institut: Opportunities for increased German – Gulf Cooperation in

Support of Security and Stability in Pakistan, Berlin 2009.

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Maße für arabisch-muslimische Völker. DieseKatastrophenhilfe wird entweder direkt zwi-schen den jeweiligen Landesregierungenoder indirekt über die Beteiligung der VAE anUN-Programmen geleistet. Die VAE habenals einer der Hauptbeitragsleistenden rund 27Mrd. USD durch den InternationalenWährungsfonds und die Weltbank bereitge-stellt. Zur Koordinierung des weltweiten huma-nitären Engagements hat die Regierung derVAE das UAE Foreign Aid Coordination Office(FACO) in Zusammenarbeit mit dem UN Of-fice for the Coordination of Humanitarian Af-fairs gegründet. Von dieser Zusammenarbeiterhofft sich die Regierung einen zukünftigstärkeren Fokus auf Beteiligung an multilate-ralen Hilfsleistungen. Die VAE haben zudemeine Vielzahl an Stiftungen gegründet, diesich in verschiedenen humanitären Bereichenengagieren. Dazu zählen vor allem der AbuDhabi Development Fund, die Khalifa CharityFoundation, die Rotkreuz-Gesellschaft, dieMohammad bin Rashid Al Maktoum Charityand Humanitarian Foundation und die NoorDubai Initiative38.V. Die Beziehungen zu Pakistan und Af-ghanistanDie VAE unterhalten mit der Region Südasienseit Jahrtausenden historische Handelsbe-ziehungen. Indien und Pakistan kommt auf-grund ihres hohen Bevölkerungsanteils in denEmiraten (insgesamt 3 Mio. Menschen) be-sondere Bedeutung zu. Vor der Entdeckungdes Öls waren Indien und Pakistan gar dieHaupthandelspartner der VAE. Die LänderPakistan, Afghanistan und VAE verbindenweiterhin gemeinsame religiöse und kulturelleWerte. Die bilateralen Beziehungen werden jedochzunehmend durch kriminelle Geschäfte mitDrogen und Menschenhandel belastet. Inner-halb der VAE ist besonders Dubai, alsgeopolitisch günstig gelegener Knotenpunktdes Welthandels, Zielscheibe von Drogen-schmuggel. Die Drogen werden von

Afghanistan über Pakistan und Iran in die VAEtransportiert. Die emiratischen Behördengehen sehr hart gegen jeglichen Drogenbe-sitz vor: Schon der Besitz von winzigen Men-gen Drogen wird mit einer Haftstrafe vonmindestens vier Jahren bestraft39. Im Kampfgegen illegale Drogengeschäfte haben Pak-istan und die VAE 1995 ein Memorandum ofUnderstanding (MoU) und 2004 ein Ausliefer-ungsabkommen unterzeichnet.V.1 PakistanPakistan war das erste Land, welches dieVAE nach ihrer Unabhängigkeit 1971 offiziellanerkannte. Die Regierungen beider Ländersind eng miteinander verbunden und sichfreundschaftlich zugetan. So hatte SheikhZayed den Flughafen in Rahim Yar Khan inder Provinz Punjab, der auch nach ihm be-nannt wurde, der pakistanischen Regierunggespendet. Die Herrscherfamilien der VAEbesitzen mehrere Häuser in Balutschistanund im Punjab und reisen regelmäßig nachPakistan, um Jagden zu veranstalten oderihren Urlaub zu verbringen40. Pakistan und die VAE verbinden auch engewirtschaftliche Beziehungen. Die VAE sindnach den USA der zweitgrößte Abnehmer vonpakistanischen Exporten. Von Juli 2011 bisMai 2012 wurden insgesamt Waren im Wertvon 1,8 Mrd. USD in die VAE exportiert. Imselben Zeitraum belief sich das Importge-schäft auf 6,3 Mrd. USD41. Die bilateralenWirtschaftsbeziehungen haben sich seit 2006noch einmal erheblich gesteigert: Mittlerweileexistieren 27 Joint Ventures mit einem Ge-samtvolumen von 21 Mrd. USD. Die Investi-tionen der VAE sind in fast allen Bereichenanzutreffen, darunter Telekommunikation, IT,Luftfahrt, im Banken- und im Energiesektor42.In den VAE wiederum sind mehr als 6.000 pa-kistanische Firmen registriert. Die VAE sindeiner der Hauptgeber von Entwicklungshilfenin Pakistan. 2009 gab es insgesamt 58 Schul-und Hochschulprojekte, die von den VAE mit-finanziert wurden43. Auch im Katastrophen-schutz leisteten die VAE großen Anteil: 2005stellten sie 100 Mio. USD für die Erdbeben-

38 Letztere hat sich zum Ziel gesetzt, eine Million Menschen mit Augenleiden in Afrika und Asien zu behandeln.

39 http://gulfnews.com/news/gulf/uae/crime/man-gets-4-years-in-dubai-jail-for-testing-positive-for-drugs-1.812016, abgerufen am 13.08.2012.

40 Deutsches Orient-Institut: Opportunities for increased German – Gulf Cooperation in Support of Securityand Stability in Pakistan, Berlin 2009, S. 37.

41 http://www.pakistanembassyuae.org/view/bilateral-trade--investment-relations.aspx, Zugriff 09.08.2012. 42 http://www.khaleejtimes.com/DisplayArticle08.asp?xfile=data/business/2012/January/business_

January465.xml&section=business, abgerufen am 09.08.2012. 43 Deutsches Orient-Institut: Opportunities for increased German – Gulf Cooperation in Support of Security

and Stability in Pakistan, Berlin 2009, S. 41.

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opfer bereit. Die VAE investieren weltweitzunehmend in landwirtschaftliche Projekte,um die inländische Versorgung mit Lebens-mitteln zu gewährleisten. Die stetig steigendeBevölkerung mit einem jährlichen Bevölke-rungswachstum von über 3% und der Was-sermangel im eigenen Land zwingen die VAE,wie auch Saudi-Arabien und Katar, in land-wirtschaftliche Flächen in Partnerländern wiePakistan zu investieren. 2009 gab es Pläneder Regierung, insgesamt zwischen 40.000und 80.000 ha Farmland in den ProvinzenSindh und Punjab zu pachten44. In den VAE leben heute etwa 1,25 Mio. Men-schen pakistanischer Herkunft. Damit bildendie Pakistanis die zweitgrößte ethnische Min-derheit hinter den Indern (1,75 Mio.). Die pa-kistanischen Gastarbeiter üben in den VAE oftdie körperlich schwersten Arbeiten im Bau-und Infrastruktursektor aus. Mehrmals wurdendie Lebens- und Arbeitsbedingungen derGastarbeiter von internationalen Menschen-rechtsorganisationen kritisiert45. Die Pakistanis waren von der Entlassungs-welle während der Finanzkrise 2008/2009massiv betroffen: Damals wurden täglich biszu 1.500 Arbeiter entlassen. Sie mussten dar-aufhin in ihr Heimatland zurückkehren undverloren die Existenzgrundlage für ihre Fami-lien in der Heimat.46V.2 AfghanistanDie VAE waren mit Pakistan und Saudi-Ara-bien der einzige Staat, welcher die Herrschaftder Taliban offiziell anerkannte. Nach den Ter-roranschlägen vom 11. September 2001 bra-chen die VAE ihre diplomatischenBeziehungen zur Taliban-Regierung ab.47 Alseinziges arabisches Land beteiligten sich dieVAE an dem ISAF-Einsatz. 2011 waren 250

Soldaten in Südafghanistan stationiert. AuchAfghanistan ist Empfänger umfangreicher fi-nanzieller Aufbauhilfen der VAE: Die Rot-kreuzgesellschaft stellte seit 2003 19 Mio.USD für lokale Projekte bereit, weitere 30 Mio.USD investierte die Regierung, 22 Mio. USDwurden von privaten Investoren aus den VAEbereit gestellt. Mit diesen Geldern wurde derBau von elf Schulen, sechs Kliniken, einer öf-fentlichen Bibliothek und mehreren Moscheenfinanziert48. Ebenso beteiligten sich die VAEan einem islamischen Fonds gemeinsam mitSaudi-Arabien, Katar und Oman. Die VAE sind aufgrund ihrer geostrategischenSchlüssellage zunehmend zur Zielscheibe krimineller Geschäfte geworden. Über Dubaiwird in großem Maße Geldwäsche betrieben.Afghanistan, eines der korruptesten Länderweltweit49, soll in den letzten Jahren mehr als3 Mrd. USD außer Landes gebracht haben.Das Geld stammt teils aus westlichen Hilfs-und Wiederaufbauprojekten, teils aus demDrogengeschäft und wird in Kisten mit Flug-zeugen nach Dubai gebracht, wo wohlha-bende Afghanen Immobilien besitzen.50Auch islamistischen Gruppierungen wird vor-geworfen, von Dubai aus Gelder an ihre Netz-werke in Asien und Afrika zu transferieren.Offiziell hat die Regierung jegliche Form vonTerrorismus verurteilt und sich davon distan-ziert.51 Der derzeitige Außenminister SheikhAbdullah erklärte bei seiner Rede vor der UN-Generalversammlung im Jahr 2008:

“(Q) the UAE is effectively cooperatingwith all efforts aiming at eradicating ter-rorism in all its forms, including moneylaundering (Q) the UAE will continueits efforts in this regard to eliminate ter-rorism in all its forms and diminish allits resources, reiterating our commit-

44 Ebd., S. 9.45 http://www.spiegel.de/wirtschaft/gastarbeiter-in-dubai-luxuswelt-aus-sklavenhand-a-447509.html,

abgerufen am 09.08.2012. 46 Penquitt, Denise: Vereinigte Arabische Emirate, in: Deutsches Orient-Institut (Hrsg.) Der Arabische Früh-

ling. Auslöser, Verlauf, Ausblick, Berlin 2011, S. 155. 47 http://www.faz.net/aktuell/politik/diplomatie-pakistan-ja-emirate-nein-131327.html, abgerufen am

09.08.2012. 48 http://www.thenational.ae/news/uae-news/uae-to-send-250m-for-afghanistan-development-projects,

abgerufen am 13.08.2012. 49 Transparency International erteilte Afghanistan 2011 einen Korruptionsindex von 1,5 (0 = höchste Rate,

10 = niedrigste Rate). Damit liegt das Land auf Rang 180 von 182 Ländern weltweit.50 http://www.spiegel.de/politik/ausland/korruption-afghanen-verschieben-hilfsmilliarden-ins-ausland-

a-703233.html, abgerufen am 09.08.2012. 51 Die Terroranschläge vom 11. September 2001 hatten die VAE in den Fokus des internationalen Anti-

Terror-Kampfes gebracht, nachdem enthüllt wurde, dass unter den Al-Kaida-Terroristen zwei emiratischeStaatsbürger waren. Auch eine Verbindung zu Dubais Banken wurde nachgewiesen.

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ment towards supporting all effortsmade to enhance dialogue and toler-ance among religions.” 52

VI. Die Beziehungen zu China / Indien /OstasienIm Jahr 2010 und 2011 haben die VAE erst-mals mehr Waren aus Indien (9,6%) undChina (9,9%) importiert als aus den USA(7%). Insgesamt betragen die Importe ausAsien mittlerweile 48%, gefolgt von Europa(25,3%). Dies zeigt, dass sich die VAE wirt-schaftlich zunehmend Richtung Asien orien-tieren. Asien ist mittlerweile auchHauptabnehmer des Öls: Japan erhält über50%, große Mengen gehen nach Korea, Thai-land, Indien, Singapur und China.53 Seit derinternationalen Finanzkrise hatten sich dieGolfstaaten mit ihrem Ölexport vermehrt anChina gewandt. Bis 2014, so Schätzungen54,wird die Hälfte des weltweiten Ölbedarfs nachAsien gehen. China verfolgt in den VAE fast ausschließlichwirtschaftliche Interessen. Das Land hateinen immensen Bedarf an Energie für diestetig wachsende Volkswirtschaft, und dieVAE sind willens, diesen Bedarf im Austauschgegen Dienstleistungen vor allem im Bauge-werbe zu quittieren.55 Zurzeit wird ein Frei-handelsabkommen zwischen dem GKR undChina erarbeitet. Politisch tritt China in denVAE jedoch nicht in Erscheinung. China haterhebliches Interesse daran, die politischeLage der Region stabil zu halten, um unge-hinderten Zugang zu den Rohstoffen zu er-möglichen. Ein Vorteil Chinas und andererasiatischer Staaten mag sein, dass sie, ähn-lich den VAE selbst, eine Strategie der Nicht-einmischung in die inneren Angelegenheitenanderer Staaten verfolgen. Der EinflussChinas und Indiens in der Golfregion wirddemzufolge in den nächsten zehn Jahren wei-ter massiv steigen56. Auch die VAE werdenihr Interesse zukünftig stärker als Ausdruckeiner vielseitig ausgerichteten Außenpolitikauf China richten. Die wirtschaftlich enge Verflechtung der VAE

mit China und Indien zeigt sich auch an dengroßen Bevölkerungsanteilen beider Länderin den Emiraten. In Dubai sind fast 200.000Chinesen beheimatet, dies stellt die größtechinesische Gemeinschaft außerhalb Chinasdar. In der „Jebel Ali Free Zone“ in Dubai sindmehr als 500 chinesische Firmen ansässig, inder „Dragon Mart“ im Stadtteil Dubai Interna-tional City finden sich über 3.000 chinesischeGeschäfte. In den VAE leben auch mehr als1,75 Mio. indischstämmige Migranten, diedamit die größte ethnische Gruppe in denEmiraten bilden, gefolgt von den Pakistanismit ca. 1,25 Mio. Menschen. VII. Die Beziehungen zu westlichen Staa-tenDie außenpolitischen Beziehungen zu denwestlichen Staaten sind für die VAE insge-samt weniger bedeutend als die Beziehungenzu den anderen Golfstaaten, haben sich je-doch seit den 1990er Jahren stetig weiter ent-wickelt. Die Beteiligung am US-geführtenBefreiungskrieg Kuwaits war der Beginn einersicherheitspolitisch engen Zusammenarbeitmit den USA. Ein weiterer enger Kooperati-onspartner im Sicherheitsbereich ist Frank-reich. Auch Großbritannien kommt aufgrundder historischen Verbindung als ehemaligeSchutzmacht eine besondere Rolle zu. SeinEinfluss sank jedoch in den 1990er Jahrenzunehmend, als die großen IndustriemächteUSA, Frankreich und Japan an Einfluss in derRegion gewannen57. Mit Frankreich wurde2008 ein Abkommen unterzeichnet, das einemilitärische Präsenz der Franzosen in denVAE vorsieht. VII.1 USADie Beziehungen der VAE zu den USA sindvor allem sicherheitspolitisch geleitet undgehen zurück auf den Zweiten Golfkrieg. Mitder Beteiligung an dem US-geführten Befrei-ungskrieg Kuwaits wurden die VAE de factoTeil des strategischen Schirms der USA in derGolfregion. Das Unvermögen der arabischenStaaten, die Sicherheit der Region in dieserKrise allein wieder herzustellen, kann als

52 http://www.mofa.gov.ae/mofa_english/portal/b074766a-5507-43c7-9beb-3155a52e25b5.aspx, abgerufen am 09.08.2012

53 Von Schoepff, Nikolai: United Arab Emirates, in: Near and Middle East Economic Handbook 2012, Berlin 2012, S. 205.

54 The Nixon Center and the Gulf Research Center: China’s Growing Role in the Middle East: Implicationsfor the Region and Beyond, Washington 2010, S. 3.

55 Müller, Nora: Handel ja, Wandel nein. Auch in Arabien ist Chinas Politik von wirtschaftlichen Interessenbestimmt, in: Internationale Politik, Ausgabe November/Dezember 2011, S. 89 ff.

56 Hesseling, Bart: The Prospects of Security Cooperation in the Gulf, siehe: http://www.iss.europa.eu/uploads/media/SecurityCooperationPersianGulf.pdf, abgerufen am 13.08.2012.

57 Hellyer, Peter: The Evolution of UAE Foreign Policy, in: Ghareeb, E., I. Al Abed. (Hrsg.): Perspectiveson the United Arab Emirates, London 1997, S. 175 ff.

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Trauma für die VAE bezeichnet werden, dieals kleiner ressourcenreicher Staat eine Ein-verleibung durch die größeren Nachbarstaa-ten fürchteten. Hatten sie zuvor noch jeglicheausländische Militärpräsenz auf eigenemBoden abgelehnt, unterzeichneten die VAE1996 ein Verteidigungsabkommen mit denUSA. Die USA sind, neben Frankreich, heuteauch einer der Hauptwaffenlieferanten. TrotzBemühungen um Ausbau und „Emiratisie-rung“ der nationalen Armee58 werden die VAEdemnach auch in naher Zukunft abhängig vonder ausländischen Militärpräsenz bleiben. Die Regierung der VAE war sich durchaus be-wusst, dass die USA in dieser neuen Allianzihre eigenen Interessen in der Region ver-folgten.59 Trotz der sicherheitspolitisch engenZusammenarbeit sind die VAE daher nicht un-kritisch gegenüber den USA: So kritisiertensie mehrmals die Einseitigkeit der amerikani-schen Nahostpolitik. Auch dem Irakkrieg 2003stellten sie sich vehement entgegen und ver-suchten bis zuletzt, ein militärisches Vorge-hen abzuwenden. Dennoch erlaubten siedamals einer kleinen Zahl an US-Streitkräf-ten, von deren Militärstützpunkt Al Dhafra undJebel Ali aus zu operieren. Die VAE unterzeichneten mit den USA ein Nu-klearabkommen, um selber Nukleartechnolo-gie entwickeln zu können, erklärten sichjedoch ausdrücklich zur friedlichen Anreiche-rung von Atomenergie. Stimmen aus den USAäußerten Befürchtungen, dass sich Iran überKanäle in Dubai dieses Wissen aneignen undfür eigene Zwecke missbrauchen könnte60. Die wirtschaftlichen Beziehungen zu den USAsind eng, die VAE sind der größte Abnehmervon US-amerikanischen Exporten im Nahenund Mittleren Osten. Die intensive ökonomi-sche Zusammenarbeit wird dadurch getrübt,dass immer wieder über Arbeitsmarktspan-nungen zwischen den beiden Staaten berich-tet wird. Die USA übten bereits mehrmalsöffentlich Kritik an der teils menschenrechts-widrigen Behandlung der Gastarbeiter in denVAE.61

Auch im Kultur- und Bildungsbereich existie-ren zahlreiche gemeinsame Initiativen; aufder Insel Saadiyat entsteht derzeit ein Gug-genheim-Museum, die American Universityunterhält mehrere Standorte in den VAE. Die VAE gerieten nach den Terroranschlägendes 11. September 2001 in den Blickpunkt derinternationalen Ermittlungen gegen den Ter-rorismus. Neben der direkten Verwicklungzweier emiratischer Staatsbürger in die An-schläge gab es immer wieder Vorwürfe, dassdie VAE Al-Kaida-Mitgliedern Unterschlupf ge-währen würde. In den letzten Monaten wur-den mehr als 50 Personen mit islamistischemHintergrund in den VAE festgenommen, die inVerdacht standen, Terroranschläge in denEmiraten geplant zu haben. Die USA zeigtensich davon jedoch kaum berührt: Durch diezunehmenden Spannungen um das iranischeAtomprogramm sind die USA auf ihren si-cherheitspolitischen Partner in der Golfregionangewiesen.62VII.2 Großbritannien1819 und 1820 schlossen die Briten mit denScheichtümern an der Golfküste Verträge zurgemeinsamen Bekämpfung der Piraterie imGolf. Die Briten erkannten auch die kleinerenEmirate wie Ajman, Umm al-Qaiwan und Fu-jairah an.63 Es entstand eine Art britischesProtektorat (trucial states). Der Vertrag führtezur Befriedung des Seehandels, 1853 wurdeein „unbefristeter Friedensvertrag“ mit Groß-britannien unterzeichnet. Mit dem Abkommenvon 1892 überließen die Emirate Großbritan-nien die volle Souveränität in außenpoliti-schen Fragen als Gegenleistung fürSicherheitsgarantien seitens der Schutz-macht. 1922 verpflichteten sich die Emirate,Ölkonzessionen nur an Firmen zu vergeben,die von der britischen Krone unterstützt wur-den.64 Auch der britische Rechtskorpus ver-breitete sich in den Emiraten, außerdeminitiierte Großbritannien eine Vielzahl an In-frastrukturprojekten. Der angekündigte Rückzug der Briten aus derRegion führte Ende der 1960er Jahre zur Be-

58 Mittlerweile sollen 40.000 Emiratis in der nationalen Armee dienen (Stand: Mai 2011). Siehe:http://www.khaleejtimes.com/DisplayArticleNew.asp?xfile=/data/theuae/2011/May/theuae_May480.xml&section=theuae, abgerufen am 13.08.2012.

59 Hellyer, Peter: The Evolution of UAE Foreign Policy, in: Ghareeb, E., I. Al Abed. (Hrsg.): Perspectiveson the United Arab Emirates, London 1997, S. 176.

60 Katzman, Kenneth: The United Arab Emirates (UAE): Issues for U.S. Policy, Washington 2011, S. 9. 61 Moore, Michael: The US-UAE Trade Investment Relationship, Washington 2008, S. 8. 62 Henderson, Simon: UAE Arrests Highlight Challenges to U.S. Middle East Policy, in: The Washington

Institute for Near East Policy, 9. August 2012. 63 Hermann, Rainer: Die Golfstaaten. Wohin geht das neue Arabien?, Deutscher Taschenbuch Verlag

GmbH& Co. KG, München 2011, S. 40.64 Ebd., S. 41.

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endigung aller Schutzverträge Großbritanni-ens mit Staaten im Golf, wozu neben denEmiraten auch Bahrain und Katar zählten.1971 in die Unabhängigkeit entlassen, unter-stützte Großbritannien die einzelnenScheichtümer dabei, eine gemeinsameUnion zu gründen. Die VAE verbinden mit Großbritannien bisheute wirtschaftliche und sicherheitspolitischeInteressen. Beide Staaten sind Seehandels-nationen und auf einen freien Zugang zu Han-delswegen angewiesen. Sie kooperierenweiterhin eng in der Bekämpfung der Seepi-raterie. Die VAE und Großbritannien unter-halten darüber hinaus eine enge militärischeZusammenarbeit und unterzeichneten 1996ein gemeinsames Verteidigungsabkommen.Die Royal Navy ist seit den 1980er Jahren amGolf präsent.65 Viele ranghohe Mitglieder dernationalen Armee wurden an britischen Mi-litärakademien ausgebildet.66 Auch im schuli-schen und universitären Bereich findet einreger Austausch statt. Heute leben 100.000Briten in den VAE, etwa 4.000 britische Un-ternehmen sind in den VAE ansässig. Fasteine Million Touristen aus Großbritannien rei-sen jährlich in die Emirate.67VII.3 DeutschlandDeutschland unterhält seit 1972 diplomati-sche Beziehungen mit den Emiraten, undbeide Staaten einigten sich 2004 auf einestrategische Partnerschaft. Ziel ist die Inten-sivierung der bilateralen Beziehungen auchim politischen, kulturellen und im Bildungsbe-reich. Beide Staaten unterzeichneten 2010ein neues Doppelbesteuerungsabkommen,daneben besteht ein Investitionsförderungs-und Investitionsschutzabkommen. Für Deutschland sind die VAE der wichtigsteHandelspartner in der arabischen Welt. 2010stiegen die deutschen Exporte in die VAE um23% auf 7,58 Mrd. EUR68. Die deutschen Im-porte betrugen 2010 insgesamt 519 Mio.EUR. Deutschland und die VAE haben in denvergangenen Jahren bei der Ausbildung vonirakischen Polizisten und Soldaten zusam-men gearbeitet. Deutsche Firmen sind an vie-len großen Projekten im Infrastruktur- und

Energiebereich in den VAE aktiv. Was die po-litische Situation in den VAE belangt, so istDeutschland wenig daran interessiert, Refor-men anzustoßen, vielmehr sollen die wirt-schaftlichen Beziehungen ungetrübt weiterfortgesetzt werden. Der Deutsche Akademische Austauschdienst(DAAD) und das Goethe-Institut (GI) unter-halten seit Mai 2006 ein regionales Gemein-schaftsbüro für die Golfstaaten in Abu Dhabi.Darüber hinaus wurde im Dezember 2007 inDubai ein GI-Sprachlernzentrum errichtet.Zudem bestehen Kooperationsprojekte zwi-schen deutschen und emiratischen Hoch-schul- und Bildungseinrichtungen. Ende 2011nahm in Abu Dhabi eine deutsch-emiratischeLogistikfachhochschule den Lehrbetrieb auf.Anerkannte deutsche Auslandsschulen exi-stieren in Abu Dhabi, Sharjah und Dubai. An der Deutschen Internationalen Schule AbuDhabi haben Schüler im Mai 2011 das ersteMal das „Deutsche Internationale Abitur“ ab-legen können; in Dubai findet dies erstmalsim Schuljahr 2012 statt69.VIII. FazitDie außenpolitischen Prioritäten der VAE –die Sicherung der eigenen Integrität, Ausbauder wirtschaftlichen Beziehungen und ara-bisch-islamische Solidarität – sind seit derGründung der Föderation 1971 bis heute dieselben geblieben. Innerhalb der letzten 40Jahre gelang es der Regierung, trotz zahlrei-cher regionaler Krisen und Konflikte relativunbeschadet und unabhängig zu bleiben.Dies ist zum großen Teil des auf Befriedungund Verständigung beruhenden außenpoliti-schen Kurs’ von Sheikh Zayed, der dieAußenpolitik der VAE bis zu seinem Tod 2004steuerte, zu verdanken. Auf globale Verände-rungen wie das neue Kräfteverhältnis nachdem Zerfall der Sowjetunion haben die VAEreagiert und sich neu orientiert. Ein Wende-punkt in der Außenpolitik stellte die irakischeInvasion Kuwaits dar, die die sicherheitspoliti-sche Allianz der VAE mit westlichen Staatenzur Folge hatte. Außenpolitisch haben sich dieVAE seit den 1990er Jahren zunehmend of-fener und regional flexibler gezeigt. Ihr Fokus

65 http://www.gulfnews.com/news/gulf/uae/government/uae-uk-seek-to-boost-defence-cooperation-1.993565, abgerufen am 10.08.2012.

66 http://www.thenational.ae/thenationalconversation/comment/uk-uae-relations-based-on-shared-security-interests#page1, abgerufen am 10.08.2012.

67 Ebd. 68 Von Schoepff, Nikolai: United Arab Emirates, in: Near and Middle East Economic Handbook 2012,

Berlin 2012, S. 205. 69 Informationen des Auswärtigen Amtes, siehe: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laen-

der/Laenderinfos/VereinigteArabischeEmirate/Bilateral_node.html#doc337452bodyText3, abgerufen am 25.09.2012.

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lag dabei auf der Unterstützung arabischerund/oder muslimischer Gesellschaften inAsien, Afrika und Europa. Die VAE sind international anerkannt für ihrestabilisierende Rolle in der Region und ihreFriedensbemühungen in internationalen undarabischen Organisationen. Als kleiner res-sourcenreicher Staat sind die VAE immerdarum bemüht, sich mit allen Nachbarstaatenfriedlich zu arrangieren. Das außenpolitischehumanitäre Engagement der VAE steht je-doch in zunehmendem Kontrast zum vielmals

kritisierten Umgang mit den Gastarbeitern in-nerhalb des Landes. Seit der Jahrtausendwende haben die asiati-schen Staaten in der Golfregion rasant anEinfluss gewonnen. Die EU-Staaten solltensich daher darum bemühen, möglichst schnelldie seit 1990 andauernden Verhandlungenzur Schaffung einer Freihandelszone voran-zutreiben, um wirtschaftlich nicht den An-schluss zu verlieren.Samira Akrach

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BahrainI. Politische Entwicklungen in den letztenMonaten / soziale Brennpunkte

Mit 1.336.000 Einwohnern1 ist Bahrainkleinster Staat in der Golfregion.Seine geographische Lage inmitten

einer der ressourcenreichsten Regionen derErde macht Bahrain zu einem strategischwichtigen Staat – insbesondere in sicher-heitspolitischen Fragen. Dieser Status birgt aber auch viele Gefahren,so ist Bahrain von untereinander um Machtund Einfluss konkurrierenden regionalenGroßmächten wie Saudi-Arabien und Iranumgeben und dadurch immer wieder exter-nen Konflikten und Interessensdivergenzenausgesetzt. Wirtschaftliche, aber auch demographischeZwänge machen den so genannten „Zwerg-staat“ Bahrain darüber hinaus für äußere Ein-flüsse besonders verletzlich. Dies hat sowohlinnenpolitische als auch sicherheitspolitischeAuswirkungen für das Königreich. So verfügtBahrain im Vergleich zu seinen Nachbarstaa-ten nur über geringe natürliche Ressourcenund war daher, bzw. auch allein schon wegenseiner geringer Größe (760 km2)2 im Laufeseiner Geschichte wirtschaftlich sowie sicher-heitspolitisch von verschiedenen externenAkteuren und Einflüssen abhängig. Das Ver-hältnis zu den USA, Iran und zu Saudi-Ara-bien prägt seit Jahrzehnten die bahrainischeAußenpolitik maßgeblich. Die konfessionelleZusammensetzung der Bevölkerung Bahrainsmit seiner schiitischen Mehrheit bietet fernereine Angriffsfläche für eine Einflussnahmevon außen – wie sich auch insbesondere ander Konfessionalisierung der Debatte um si-cherheitspolitische Fragen beobachten lässt.3Ziel des Kapitels ist es, anhand historischerwie auch aktueller Beispiele das komplexeBeziehungsgeflecht, in das Bahrain globaleingebettet ist, aufzuzeigen und somit ein tie-feres mehrdimensionales Verständnis dergegenwärtigen politischen Entwicklungen zuermöglichen.Bis zum Frühjahr 2011 galt die Golfregion –im Gegensatz zu den nordafrikanischen Staa-ten, die seit längerem schon mit enormen wirt-schaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen

hatten – als politisch relativ stabil. Die Volks-wirtschaften der Golfstaaten verzeichnetenein stetiges Wachstum und auch die Bevöl-kerung konnte weitestgehend mit einer großzügigen Subventions- und Alimentie-rungspolitik aus den Öl- und Gasexporten zu-frieden gestellt werden.Dies änderte sich jedoch mit dem 14. Februar2011, als es in Bahrain zu ersten Massenpro-testen kam. Tausende von Menschen ström-ten auf die Straßen Manamas, der HauptstadtBahrains, um gegen die politischen und wirt-schaftlichen Missstände im Land aufzube-gehren und politische Partizipationeinzufordern. Um der Situation, die immermehr zu eskalieren drohte, Herr zu werden,rief die Regierung Bahrains noch im Februarden Ausnahmezustand aus, um im März 2011schließlich mit der Unterstützung der Schutz-schild-Truppe der Golfstaaten massiv gegendie Protestler vorzugehen und die Bewegungniederzuschlagen. Die Intervention forderteeinige Tote, zahlreiche Menschen wurden ver-haftet und/oder verloren ihre Arbeitsplätze.Diese Reaktion löste nicht nur eine innenpo-litische Krise aus, sie hatte ferner drastischeaußenpolitische Auswirkungen für das strate-gisch so wichtige Bahrain. Die Proteste rückten die innenpolitische Situ-ation Bahrains ins internationale Rampenlicht.Insbesondere im Rahmen des diesjährigenFormel 1-Rennens, das im März 2012, kurznachdem sich die Proteste ein erstes Maljährten, stattfand, zeigte sich die Regierungbemüht, den internationalen Gästen ein Bildder relativen Normalität und Stabilität zu ver-mitteln. Dazu hob sie vor allem den einendennationalen Charakter des Rennsports hervor.Dies sorgte vor allem auf der Seite der Oppo-sitionellen für Unmut. Die Regierung hatte imJuni des Jahres 2011 den Ausnahmezustandzwar wieder aufgehoben, einen Großteil derInhaftierten freigelassen, wie auch einigezuvor entlassene Arbeitnehmer wiedereinge-stellt, diese Ansätze gingen der Opposition je-doch nicht weit genug. Nach wie vor sitzenzahlreiche Aktivisten im Gefängnis, ist dieMeinungsfreiheit stark eingeschränkt undauch auf die friedliche Demonstration am 14.Februar 2012 reagierte die Regierung erneutmit brutaler Gewalt. Darüber hinaus finden dieForderungen der Opposition nach einem ge-wählten Parlament, einer gewählten Regie-

1 Encyclopedia Iranica: Bahrain, http://www.iranicaonline.org/articles/bahrain-all, abgerufen am 05.06.2012.2 https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ba.html, abgerufen am 02.07.20123 Zeino-Mahmalat, Ellinor: Saudi- Arabiens und Irans Regionalpolitik zwischen Ideologie und Pragmatismus,

Hamburg 2009, Faath, Sigrid (Hrsg.): Rivalitäten und Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten in Nahost.Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e. V., Berlin 2010.

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rung sowie einem gewählten Ministerpräsi-denten in dem von der Regierung im Juni er-öffneten Nationalen Dialog kaum Gehör. Einemit der Überprüfung der Ereignisse des ver-gangen Jahres betraute unabhängige Unter-suchungskommission hat unterdessen einenBericht vorgelegt, der der bahrainschen Re-gierung massive Menschenrechtsverletzun-gen nachweist, sowie Empfehlungen für eineLösung der innenpolitischen Krise formuliert.Diese Empfehlungen werden nach Auffas-sung der Opposition bisher jedoch kaum um-gesetzt und auch ein Großteil der Anklagengegen das brutale Vorgehen der Sicherheits-kräfte wurde bislang gerichtlich nicht weiterverfolgt.Die anhaltende innenpolitische Krise beein-flusst direkt Bahrains Wirtschaft, was auf-grund der politischen Instabilität negativeAuswirkungen auf die wirtschaftliche Entwick-lung zeigte. Zwischen 2010 und 2011 sankdas BIP-Wachstum von 4,8% auf 1,8%. Indiesem Jahr soll es auf 2,0% steigen4, da seitBeginn des Jahres 2012 erste Positivent-wicklungen zu verzeichnen sind. So stieg dieAuslastungsrate der Hotels in Manama um112% im Vergleich zum Vorjahr auf immerhin45% Gesamtauslastung und die Hotelpreiseerhöhten sich im selben Zeitraum um 14,6%5. II. Bahrains Rolle in der RegionUm das komplexe Beziehungsgeflecht Bah-rains gegenwärtiger außenpolitischer Bezie-hungen in der Region, aber auch zu Staatenaußerhalb seiner unmittelbaren Nachbar-schaft, zu verstehen bzw. zu analysieren, istein kurzer Abriss der historischen, wie auchder aktuellen Entwicklungen unumgänglich. II.1 Historische und geopolitische Vorraus-setzungenNachdem seit 1502 die Insel Bahrain von denPortugiesen besetzt gehalten worden war,wurde sie im Jahr 1622 von den Persern er-obert. Seither geriet Bahrain immer wiederabwechselnd unter die Kontrolle arabischerbzw. persischer Stämme, bis der Al-Khalifa-Stamm 1797 die Insel schließlich eroberte.Die Al-Khalifa-Familie ist die heute in Bahrainherrschende Königsfamilie. Bei ihr handelt essich um eine sunnitische Händlerfamilie, dieursprünglich aus Kuwait stammte und Ende

des 18. Jahrhunderts nach Bahrain übersie-delte.Im Verlauf des 19. Jahrhunderts gelang esden Briten, die aufgrund Bahrains Lage ent-lang einer der wichtigsten Handelsroutennach Indien zunehmend ein strategischesInteresse in der Region verfolgten, mehrereAbkommen mit der Al-Khalifa-Familie zu ver-einbaren und auf diese Weise auf der InselFuß zu fassen. So wurde Bahrain 1867 briti-sches Protektorat. Ein gutes Jahrhundert spä-ter erlangte Bahrain 1971 unter Scheikh IsaIbn Salman Al-Khalifa die Unabhängigkeit.Gemäß der Verfassung von 2002 ist Bahraineine konstitutionelle Monarchie mit dem König(Hamad Ibn Isa Al-Khalifa) als Staatsober-haupt. Dieser ernennt und erlässt die Regie-rung und hat ferner die Befugnis, dasAbgeordnetenhaus aufzulösen und Neuwah-len zu veranlassen. Das Parlament bestehtaus dem Abgeordnetenhaus, das direkt vomVolk gewählt wird und dem vom König er-nannten Konsultativrat, dem Majlis ash-Shura. Die politische Entscheidungsmachtliegt also im Grunde beim König. Diese Tat-sache sorgte nicht erst seit dem vergangenenJahr für Aufruhr bei Teilen der bahrainischenBevölkerung. Proteste und Forderungen nachpolitischer Mitbestimmung und wirtschaft-licher Teilhabe lassen sich in Bahrain bis indie 1930er Jahre zurückverfolgen. In diesemKontext ist es wichtig, auf diein Bahrain seitseiner Eroberung durch die heute regierendeHerrscherfamilie bestimmende konfessionelleDynamik zwischen sunnitischen und schiiti-schen Muslimen einzugehen. Wie bereits erwähnt, erlebte Bahrain mehrerehistorische Perioden unter persischer Kon-trolle, die Gesellschaft ist seitdem vor allemschiitisch geprägt. Wenn auch die Schiiten mit70% die deutliche Bevölkerungsmehrheit bil-den, zentriert sich die Macht bis heute um diesunnitische Herrscherfamilie Al-Khalifa. Schi-iten werden nach wie vor größtenteils aus politischen Entscheidungsprozessen ausge-schlossen und zudem ökonomisch ungenü-gend in das bahrainische Wirtschaftslebenund den Arbeitsmarkt integriert. Die Forde-rungen der schiitischen Mehrheit nach politi-scher Beteiligung haben in der Vergangenheitdaher immer wieder zu Konflikten geführt. Tat-sächlich hat die Regierung jedoch wenigunternommen, die Schiiten stärker einzubin-

4 Vgl. Internationaler Währungsfonds: World Economic Outlook April 2012, S. 196, http://www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2012/01/pdf/text.pdf, abgerufen am 17.07.2012.

5 Vgl. Sambidge, Andy: Bahrain's tourism industry rebounds after unrest, 24. April 2012, http://www.arab-ianbusiness.com/bahrain-s-tourism-industry-rebounds-after-unrest-455177.html, abgerufen am 17.07.2012.

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den. Die systematische Einbürgerung Hun-derter sunnitischer Muslime aus anderen ara-bischen Staaten, um das demographischeGleichgewicht zu Gunsten der Sunniten zuverändern, hat darüber hinaus eher zu einerVerhärtung der Fronten geführt.Diese Politik der Ausgrenzung hat sicherlichwesentlich dazu beigetragen, dass vor allemTeile der schiitischen Bevölkerung im Februardes vergangen Jahres aufbegehrten, sie kanndiese jedoch nicht ausschließlich erklären. Sowäre es verkürzt, die Krise allein auf die kon-fessionelle Problematik zu reduzieren. DieUnzufriedenheit mit der autoritären Herr-schaft, der grassierenden Korruption und derwirtschaftlichen Stagnation zeigt sich vielmehrbei weiten Teilen der Gesellschaft und verläuftnicht ausschließlich entlang konfessionellerTrennlinien. So können neben dem konfes-sionellen Konflikt auch sozioökonomischeund politische Unzufriedenheit als Auslöserder Proteste gesehen werden, die bereits seitmehreren Jahrzehnten in der bahrainischenGesellschaft gären. Gingen die Bewohner des Inselstaates in den1950er Jahren im Zuge der Erdölförderungnoch in erster Linie auf die Straße, um höhereLöhne zu fordern, wurden seit den 1970erJahren mit der Unabhängigkeit von Großbri-tannien zunehmend Stimmen nach politischerTeilhabe laut. Die Auflösung des Parlaments1973, nur zwei Jahre nach seiner Einführungmit der Unabhängigkeit, führte zu zahlreichenDemonstrationen innerhalb der nächsten 25Jahre, in denen die Opposition ihr Recht aufpolitische Mitbestimmung, die Etablierungeines Parlaments sowie die Einführung einerkonstitutionellen Monarchie einforderte. Denauch mit „Intifada der 1990er Jahre“ bezeich-neten Aufständen begegnete die Regierungauch damals schon mit dem Einsatz von Ge-walt. Um die Kontrolle über die zunehmendeskalierende Situation wieder zu erlangen,versprach die Regierung, umfangreiche Re-formen durchzuführen. Doch die Forderungender Opposition wurden nur unzureichend er-füllt. Stattdessen konzentrierte sich die Machtnoch stärker auf die Herrscherfamilie, wo-durch die konfessionelle Ausgrenzung und diesozioökonomische Isolation der Schiiten nochverstärkt wurden.

Die zwei wichtigsten oppositionellen Gruppie-rungen, der größte schiitische Block Wifaqund die linkssäkulare Waad, fühlten sich mar-ginalisiert und um ihren politischen Einflussbetrogen und beschlossen daraufhin denBoykott der Wahlen von 2002, beendetenaber zu den Wahlen vier Jahre später ihrenwenig erfolgreichen Boykott und folgten nunder Strategie, durch politische Partizipationdas Regierungssystem „von innen“ zu refor-mieren6. Die angedeuteten politischen Ent-wicklungen machen demnach deutlich, dassdie Proteste von 2011 verschiedene Ursa-chen haben, deren Wurzeln zum Teil sehr weitin der Geschichte zurückliegen und es sichbei den jüngsten Protesten keineswegs umein eindimensionales Ursache-Wirkungsge-flecht handelt, das sich ausschließlich aufkonfessionelle Unterschiede innerhalb derbahrainischen Bevölkerung zurückführenlässt. Dieser in erster Linie sozialpolitischeCharakter der Protestbewegung spiegelt sichauch in ihrem Slogan "Wir sind alle Bahrainis– keine Sunna, keine Schia!"7 wider, der dieEinheit aller bahrainischen Staatsbürger her-vorhebt, auch wenn die Regierung systema-tisch versuchte, die Gesellschaft zu spalten,um die Proteste somit als iranischen Plot dar-zustellen. II.2 Wirtschaftliche EntwicklungenIn dem traditionell vom Fischfang und der Per-lenfischerei geprägten Bahrain löste die Ent-deckung des Erdöls im Jahre 1932 einenrasanten wirtschaftlichen und sozialen Trans-formationsprozess aus. Ähnlich wie in ande-ren Golfstaaten auch äußerte sich dies inBahrain, trotz bestehenden traditionell-sozia-len Strukturen, in drastischen Veränderungen.Durch die Erlöse aus dem Ölgeschäft entwickelte sich Bahrain innerhalb kurzer Zeitzu einem wichtigen wirtschaftlichen Akteur inder Region. Mit dem Wohlstand einher gingenein rasches Bevölkerungswachstum8, zuneh-mende Urbanisierung und ein steigendes Bil-dungsniveau der einheimischen Bevölkerung. Das Verhältnis zu den anderen Herrscherfa-milien innerhalb der Region des Golfes ist zu-nehmend ein von Konkurrenz geprägtes,auch die internationalen Ölkonzerne versu-chen ihren Einfluss immer mehr auszubauen,um ihre nationalstaatlichen Interessen in der

6 Vgl. auch Deutsches Orient-Institut (Hrsg.): Der Arabische Frühling. Auslöser, Verlauf, Ausblick, Berlin 2011, http://www.deutsches-orient-institut.de/content/view/32/36/lang,de.

7 Damir-Geilsdorf, Sabine: „Wir sind alle Bahrainis – keine Sunna, keine Schia“, 23. Februar 2011http://www.de.qantara.de/Wir-sind-alle-Bahrainis-keine-Sunna-keine-Schia/2988c3082i1p83/index.html,abgerufen am 03.06.2012.

8 Beispielhaft dafür ist der Vergleich der Population von 1941 (90.000) mit der von 2012 (1.336.000).

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Region zu sichern. Bahrain gerät dabei zuse-hends zwischen die Fronten miteinander di-vergierender Interessen.Mit etwa 125 Mio. Barrel Erdöl- und 92 Mrd.Kubikmeter Erdgasressourcen sind die Erdöl-und Erdgasvorkommen in Bahrain im Ver-gleich mit anderen Staaten des Golfkoopera-tionsrates (GKR) jedoch eher gering; bis 2025könnten sie erschöpft sein. Dies hat zurFolge, dass Bahrain mit als erster Golfstaatfrüh damit begann, seine Wirtschaft zu diver-sifizieren und zu modernisieren, um nicht al-lein auf die Einnahmen aus dem Öl- undGasgeschäft angewiesen sein zu müssen. Sostellt Bahrains internationaler Flughafen bei-spielsweise einen wichtigen Verkehrsknoten-punkt für den Transitverkehr von Europa in dieNahostregion bzw. nach Asien dar. Mit derEntwicklung eines ausgebauten Finanz- undBankwesens hat Bahrain ferner das libanesi-sche Beirut mit über 400 Finanzinstituten alsregional wichtiges Finanzdienstleitungszen-trum abgelöst. Weitere bedeutende Zweigeder bahrainischen Wirtschaft bilden die Alu-miniumherstellung, der Schiffbau, die Textilin-dustrie, die Landwirtschaft und der Tourismus.So gilt Bahrain heute als attraktiver Wirt-schaftsstandort mit gut ausgebauter Infra-struktur und Telekommunikation sowieausgezeichneten Gesundheits- und Bil-dungssystemen.III. Internationale PerspektiveAuf internationaler Ebene ist Bahrain in eineReihe von internationalen Organisationen,wie dem Internationalen Währungsfonds(IWF), der Weltgesundheitsorganisation(WHO), der Internationalen Atomenergiebe-hörde (IAEA), sowie der Internationalen Or-ganisation für Erneuerbare Energieneingebunden. Darüber hinaus pflegt BahrainBeziehungen zu einzelnen Staaten, die imFolgenden nun näher beleuchtet werden sol-len.III.1 Beziehung zu Iran und Irans Rolle an-lässlich der aktuellen KriseBis die kleine Insel im Golf Ende des 18. Jahr-hunderts endgültig unter die Kontrolle der Al-Khalifa-Dynastie geriet, erlebte sie immerwieder Perioden unter persischer Herrschaft.Diese historische Tatsache hat Iran wieder-holt dazu veranlasst, Ansprüche auf das Ar-

chipel zu stellen und Bahrain als zur Islami-schen Republik dazugehörige 14. Provinz zubezeichnen – selbst nachdem Bahrain 1971offiziell unabhängig geworden war. Das Ver-hältnis zu Iran des sonst auf eine neutrale Be-ziehung zu seinen Nachbarstaaten bedachtenBahrains ist daher von einer gewissen Ambi-valenz geprägt. Mit der Islamischen Revolu-tion in Iran von 1979 erfuhr der Export derschiitischen Religion einen außenpolitischenBedeutungszuwachs. So war bis 1989 derRevolutionsexport in die arabischen Staaten,darunter Saudi-Arabien, Bahrain, Irak und Li-banon, eine der wesentlichen Grundlagen deriranischen Regionalpolitik9. Mit der damit ver-bundenen Intensivierung schiitischer Netz-werke über die eigenen nationalstaatlichenGrenzen hinaus kam ein weiteres außenpoli-tisches Politikinstrument hinzu, welches seit-her dem sunnitischen HerrscherhausBahrains Sorgen bereitet.In den 1990er Jahren, als viele Mitglieder derschiitisch orientierten Wefaq-Partei im irani-schen Exil waren, wurden besonders unterden schiitischen Klerikern enge Beziehungengeknüpft, die auch nach der Rückkehr derParteianhänger nach Bahrain 2001 über dieLandesgrenzen hinweg bestehen. So übtIran auch auf gesellschaftlicher Ebene einengewissen Einfluss auf Bahrains Bevölkerungaus. So war die Furcht der bahrainischen Re-gierung vor einer – aufgrund des regional-konfessionellen Führungsanspruchs des1979 neu etablierten iranischen Regimes –politischen Mobilisierung der Schiiten in Bah-rain nicht unbegründet. Ende der 1980erJahre wurde die Außenpolitik Irans mit demEnde des Irak-Iran-Kriegs und dem Tod Aya-tollah Khomeinis 1989 zusehends pragmati-scher. Dies führte zu einer maßgeblichenVerbesserung der außenpolitischen Bezie-hung Irans allgemein und insbesondere zuseinen arabischen Nachbarn wie Bahrain.Mit den verbesserten politischen Beziehun-gen erholte sich auch der bilaterale Austauschzwischen Iran und Bahrain. So haben sich dieHandelsbeziehungen zwischen den beidenStaaten bis ins Jahr 2011 stark intensiviert.Das Handelsvolumen beträgt jährlich etwa 5Mrd. USD10. Insbesondere im Energiesektorwurden zahlreiche gemeinsame Projekte mitIran geplant und teilweise auch umgesetzt. Sobezieht Bahrain einen Großteil seiner Gasimporte aus Iran und bemüht sich daher –

9 Faath, Sigrid (Hrsg.): Rivalitäten und Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten in Nahost. Forschungsin-stitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e. V., Berlin 2010.

10 Vgl. Singh Grewal, Sandeep: Boycott Iranian products, Gulf Daily News, 1. Mai 2011, http://www.gulf-daily-news.com/NewsDetails.aspx?storyid=305087, abgerufen am 18.07.2012.

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insbesondere auch im Kontext der gegen Iranverhängten internationalen Sanktionspolitik –um eine neutrale Haltung. So teilte der irani-sche Botschafter in Bahrain im August 2010mit, dass die UN-Sanktionen gegen Iran kei-nerlei Auswirkungen auf das Gasgeschäft mitBahrain hätten und auch der bahrainischeAußenminister Sheikh Khalid bin Ahmed binMohamed Al-Khalifa äußerte sich im Dezem-ber 2010 auf dem regionalen Sicherheitsgip-fel in Manama noch sehr positiv zu demiranischen Atomprogramm und sprach sich fürdas Recht Irans auf eine friedliche Nutzungder Kernenergie aus11. Auch im privaten Sektor entwickelt sich derHandel zwischen den beiden Staaten positiv,wie zahlreiche iranische Investitionen in Bah-rains Wirtschaft – insbesondere in den Fi-nanzsektor – zeigen. Die vorwiegend schiitisch geprägten Protesteim Königreich Bahrain im Frühjahr 2011 ver-stärkten jedoch die Sorge des sunnitischenKönigshauses hinsichtlich einer zunehmen-den schiitischen Einflussnahme durch Iranwieder. So hat sich das Verhältnis zwischenden beiden Staaten seit der innenpolitischenKrise in Bahrain stark abgekühlt. Während diebahrainische Königsfamilie Iran vorwirft, mas-siven Einfluss auf die protestierende Opposi-tion genommen zu haben, stellte sich Iranoffiziell auf die Seite der Demonstranten undkritisierte vor allem die militärische Interven-tion der Golfstaaten im Rahmen des Sicher-heitspakts des Golfkooperationsrats scharf.So warnte der iranische Präsident MahmudAhmadinejad vor einer „Besatzung Bahrainsdurch Saudi-Arabien“, der iranische Parla-mentssprecher Mostafa Kavakebian sprachgar von einem „Massaker an den Schiiten“12.Die gegenseitigen Anschuldigungen löstenzusätzliche Spannungen aus, die am 23. Mai2011 dazu führten, dass Bahrain verkündete,seine Erdgasimporte aus Iran vorerst einzu-stellen. Dem Aufkündigen wirtschaftlicher Beziehungen folgten diplomatische Konse-quenzen, die letztendlich in der Ausweisungeiniger Diplomaten gipfelten. Die politischen

und wirtschaftlichen Beziehungen zwischenBahrain und Iran sind somit bis heute auf of-fizieller Ebene erkaltet.III. 2 Beziehung zu Saudi-ArabienBahrain pflegt traditionell sehr enge Bezie-hungen zu Saudi-Arabien. Diese Beziehun-gen gewannen nach der IslamischenRevolution 1979 in Iran eine neue Bedeutung,als mit dem Sturz des Schahs Saudi-Arabienzum wichtigsten Verbündeten der USA in derRegion wurde und zu einer regionalen Machtaufstieg. Das sehr enge Verhältnis zwischendem Inselstaat Bahrain und seinem großenNachbarn lässt sich in erster Linie durch die,für kleine Staaten wie Bahrain charakteristi-sche, wirtschaftliche und politische Abhängig-keit von wirtschaftlich potenterenNachbarstaaten erklären. So ist Bahrain, wiedie meisten der anderen Golfstaaten auch,auf den freien Handels-, Kapital- und Perso-nenverkehr und somit stark auf eine stabileSicherheitslage im Golf angewiesen.Seit 1986 verbindet die beiden Länder jedochnicht nur der 26 Kilometer lange König-Fahd-Damm. Beide Staaten sind Mitglieder im Golf-kooperationsrat und arbeiten wirtschaftlichsehr intensiv zusammen. Saudi-Arabien istBahrains wichtigster Handelspartner undneben Indien einer der wichtigsten Importeurebahrainischer Exportwaren, während sich daswirtschaftlich sehr liberale Bahrain ideal fürsaudische Investitionen anbietet. Das bilate-rale Handelsvolumen stieg zwischen 1999und 2008 von 1,8 Mrd. USD auf 10,5 Mrd.USD, Saudi-Arabien liefert jeden Tag 220.000Barrel Öl an seinen Nachbarn. Darüber hin-aus gilt das recht offene Bahrain als beliebtesReiseziel für viele Saudis. So kommen mehrals 4 Millionen Saudis jährlich auf die kleineInsel, allein 3.500 saudische Staatsangehö-rige verfügten 2010 über Immobilien in Bah-rain13. Auch die beiden Königsfamilien AlSaud und Al Khalifa stehen sich sehr nah. Sieverbinden vor allem gemeinsame sicherheits-politische Interessen sowie die Tatsache, sichals sunnitische Monarchien in Ländern miteinem bedeutenden Schiiten-Anteil behaup-

11 Fulton, Will, Farrar-Wellmann, Ariel: Bahrain-Iran Foreign Relations, 14. Juli 2011,http://www.irantracker.org/foreign-relations/bahrain-iran-foreign-relations, abgerufen am 18.07.2012.

12 Fulton, Will, Farrar-Wellmann, Ariel: Bahrain-Iran Foreign Relations, 14. Juli 2011, http://www.irantracker.org/foreign-relations/bahrain-iran-foreign-relations, abgerufen am 18.07.2012.

13 Vgl. Toumi, Habib: Saudi King Abdullah given rapturous welcome in Bahrain, 18. April 2010, http://www.habibtoumi.com/2010/04/18/saudi-king-abdullah-given-rapturous-welcome-in-bahrain/, abgerufen am 18.07.2012.

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ten zu müssen. Ebenso wie das bahrainischeKönigshaus fürchtet auch die Al Saud die ira-nische Einflussnahme in der Region, die ihreeigene Macht und Legitimation untergrabenkönnte.14 Saudi-Arabiens prägender Einfluss auf seinenkleinen, geopolitisch dennoch sehr wichtigenNachbarn Bahrain wird unterdessen insbe-sondere auch im Kontext der jüngsten Ent-wicklungen deutlich. So fand die Interventionder Peninsula Shield Forces, der gemeinsa-men Militärtruppe aller GKR-Mitglieder, inBahrain am 15. März 2011 unter saudischerFührung statt, um die ausgebrochenen Auf-stände niederzuschlagen und dem sunniti-schen Partner der Al Khalifa in derstabilitätsgefährdenden Krise beizustehen.15Das harte Durchgreifen der Truppe wurde mitanti-schiitischer Propaganda untermauert, diein erster Linie Iran für die Unruhen verant-wortlich machte.Das militärische Eingreifen Saudi-Arabienshat sicherlich sicherheitspolitische und damitMacht erhaltende Gründe, die Interventionlässt sich ferner jedoch auch als Machtde-monstration Saudi-Arabiens gegenüber denhegemonialen Ambitionen Irans werten. So-wohl Saudi-Arabien, als auch Iran betrachtenden Golf traditionell als ihr Einflussgebiet16und befinden sich darüber hinaus seit den1980er Jahren in einer Art kaltem Religions-krieg zwischen saudisch-wahhabitischenSunniten auf der einen und iranischer Schiaauf der anderen Seite. Bahrain wird im Kon-text dieser bestehenden Rivalitäten zumSpielball machtpolitischer, aber auch religiös-ideologischer Interessen.III.3 Beziehung zu den restlichen GKR-StaatenBahrain unterhält intensive Beziehungen zuall seinen Nachbarstaaten und stimmt sich inaußenpolitischen Fragen die Region betref-fend weitgehend mit ihnen ab. Seit 1982 exis-tiert ein Freihandelsabkommen unter denLändern des GKR, auch eine Einheitswäh-rung ist geplant, konnte bislang aber nicht re-

alisiert werden. Im Juli 2009 beschlossenSaudi-Arabien, Kuwait, Bahrain und Katar dieEinrichtung eines gemeinsamen Stromnetzeszur Förderung des Energiehandels. Als klein-ster Mitgliedstaat im GKR spielt Bahrain soeine konstruktive Rolle. Seit April 2011 stelltes beispielsweise mit Abdul Latif Raschid Al-Zayani den Generalsekretär des GKR. Anlässlich der Proteste im Frühjahr 2011unterstützten die einzelnen Staaten desBündnisses weitgehend die Regierung Bah-rains. Nur Kuwait versuchte anfangs noch,zwischen dem Königshaus der Al Khalifa aufder einen und der demonstrierenden Bevöl-kerung auf der anderen Seite zu vermitteln,gab diesen Versuch jedoch recht bald wiederauf, um sich der Position der anderen Golf-staaten anzuschließen, die zu Gunsten derbahrainischen Regierung für eine Interventionstimmten. Bevor es jedoch zu einer militäri-schen Intervention der GKR-Truppe kam, ver-einbarten die Golfstaaten am 5. März 2011gemeinsam den so genannten „GCC-Mars-hall-Plan“. Mit diesem mehrere Milliarden um-fassenden Hilfspaket sollte in den beidenMitgliedsstaaten Oman und Bahrain die Si-cherheitslage im Sinne der anderen GKR-Mit-glieder wieder stabilisiert werden. Ohne aufdie politischen Forderungen der Demonstran-ten weiter einzugehen, zielte der Plan daraufab, mittels finanzieller Mittel und Versprechenden Protesten ihren Druck zu nehmen undsomit für Stabilität zu sorgen. Mittlerweile hat sich das in der Vergangenheitdoch eher hinsichtlich bestimmter Sicher-heitsinteressen bestehende Zwecksbündnisder Golfstaaten insbesondere im Kontext derbahrainischen Proteste als eine Partnerschaftmit ähnlichen außenpolitischen Interessen er-wiesen und zeigte eine Einigkeit, die vor eini-gen Jahren auch aufgrund der familiärenRivalitäten der einzelnen Herrscherhäusereher als unwahrscheinlich bezeichnet wordenwäre. Gleichzeitig beweist der GKR so aucheine gewisse Unabhängigkeit gegenüber dermächtigsten internationalen Macht am Golf,den Vereinigten Staaten. So wird bereits von

14 Dieses im Prinzip allen Golfstaaten gemeinsame Interesse nach regionaler Stabilität gilt als einer derHauptgründe, den Golfkooperationsrat im Jahr 1981 zu gründen. Dieses Bündnis verfolgt neben sicher-heitspolitischen auch wirtschaftliche Ziele nach mehr Kooperation, engerer politischer Unterstützung underleichterten Handelsregularien. So zahlen die erdölreicheren Staaten beispielsweise den weniger wohl-habenden Nachbarn Transferleistungen aus ihren Öleinnahmen. Dieser Ansatz der Stabilitätssicherungdurch großzügige Subventionen an die Bevölkerung gerät mit den Protesten in Bahrain im Februar 2011zunehmend in Bedrängnis. Selbst das am 5. März 2012 geschnürte, 20 Milliarden umfassende Hilfspa-ket an Bahrain und den Oman konnte so die Unzufriedenheit in der Bevölkerung nur bedingt eindämmen.

15 Vgl. BBC News: Gulf states send forces to Bahrain following protests, 14. März 2011,http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-12729786, abgerufen am 18.07.2012.

16 Beispielhaft dafür sind schon die unterschiedlichen Termini für die Meerenge, die von Saudi-Arabien als„Arabischer Golf“ bezeichnet wird, während der Iran auf der Bezeichnung „Persischer Gold“ besteht.

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einer „Regionalisierung der Sicherheitspolitik“gesprochen, d.h. einer Außenpolitik, dieimmer selbständigere Züge aufweist und voneigenen Interessen gelenkt ist17 und sichdamit zunehmend von den USA als einzigemSicherheitsgaranten im Golf ablöst. Hierbeiübernimmt Bahrain aufgrund seiner geostra-tegischen Lage, seiner konfessionellen Struk-tur, des ambivalenten Verhältnisses zu Iranund den engen Bindungen an Saudi-Arabieneine Schlüsselfunktion, ohne sich jedoch alshandelnder Akteur präsentieren zu können.III.4 Beziehungen zu den USAAls sich die Briten nach dem Zweiten Welt-krieg immer mehr aus Bahrain zurückzogen,übernahmen die USA verstärkt die Rolle desSicherheitsgaranten im Golf. Mittlerweilehaben die USA seit Jahrzehnten die 5. Flotteihrer Marine in Bahrain stationiert. Dieser Mi-litärstützpunkt im Golf bringt die strategischwichtige Stellung Bahrains im Zusammen-hang mit der US-amerikanischen Außenpolitikim Nahen und Mittleren Osten zum Ausdruck.Den US-Amerikanern ist es dadurch nicht nurmöglich, unmittelbare Einblicke in die Erdöl-verschiffungen im Golf zu erhalten, ebensokönnen sie so dem iranischen Einfluss in derRegion besser entgegen wirken. Seit 1991verbindet Bahrain und die USA ein zunächstauf zehn Jahre angelegter Verteidigungspakt,der dem kleinen Inselstaat eine Sicherheit inAnbetracht des übermächtigen Nachbarn Irakbot, der mit der Invasion in Kuwait die Angstvor einem Angriff geschürt hatte. Auch ausdiesem Grund war Bahrain während des Er-sten Golfkrieges Teil der anti-irakischen Koa-lition und unterstützte die USA beiLuftangriffen auf irakisches Gebiet. Der Ver-teidigungspakt wurde im Jahr 2001 um zehnweitere Jahre und 2011 in einem geheimenAbkommen um fünf Jahre verlängert. Alseiner ihrer wichtigsten Verbündeten außer-halb der NATO unterhalten die USA eine um-fangreiche militärische Kooperation mitBahrain, die nach der Entmachtung des ira-kischen Regimes vor allem der Abwehr gegenden Iran dient. So wurden nach Angaben der„Defense Security Cooperation Agency“ alleinin den Jahren von 2007 bis 2010 Rüstungs-geschäfte im Wert von 600 Millionen USDumgesetzt. Neben dem Handel mit Rüs-tungsgütern verdeutlicht das 2004 unter-zeichnete und seit 2006 geltendeFreihandelsabkommen mit den USA ebenfalls

die engen wirtschaftlichen Beziehungen zwi-schen den beiden Ländern.Aufgrund ihrer regierungsfreundlichen Hal-tung im Zuge der Proteste in Bahrain gerietendie USA weltweit in die Kritik. Schuld daranwar in erster Linie ihre verhaltene und zöger-liche Reaktion bezüglich des Eingreifens derGKR-Truppe in Bahrain. So verurteilten siezwar offiziell die Anwendung von Gewalt undforderten die Regierung auf, in einen Dialogmit den Oppositionellen zu treten und um-fangreiche Reformen durchzuführen, hieltensich mit weiteren Maßnahmen jedoch weitge-hend zurück, was vor allem auf die Interes-senspolitik der USA in der Regionzurückzuführen ist, die aufgrund des Konfliktsmit Iran auf Stabilitätssicherung der arabi-schen Golfmonarchien ausgerichtet bleibenwird. III.5 Die Beziehungen zur EuropäischenUnion und zu DeutschlandDie bilateralen Beziehungen Bahrains zur Eu-ropäischen Union werden über die multilate-rale Kooperation im Rahmen des GKRrealisiert. Seit 1989 existiert ein Koopera-tionsabkommen zwischen der EU und demGKR, dessen Ziel es ist, die Handelsbezie-hungen zwischen den beiden Regionen wei-ter auszubauen. Seither wird über einFreihandelsabkommen verhandelt, wobei besonders politische Divergenzen einem erfolgreichen Abschluss entgegen stehen. Sosteht Bahrain für sein Demokratiedefizit unddie Nichtbeachtung von Menschenrechten beiden europäischen Wirtschaftsmächten in derKritik. Dies scheint auch ein Indiz für die Tat-sache zu sein, dass sich die GKR-Staatenimmer mehr in Richtung Asien wenden. FürBahrain ist deshalb besonders Japan nebenseinen arabischen Nachbarstaaten zu einemwichtigen Außenhandelspartner geworden. Nichtsdestotrotz sind die GKR-Staatensechstgrößter Exportmarkt der EU. So betru-gen die Exporte in die GKR-Staaten im Jahr2011 72,2 Mrd. EUR und stiegen damit imVergleich zum Vorjahr um 11,1%, währendsich die Importe von 35 Mrd. EUR im Jahr2010 auf 56,4 Mrd. EUR im letzten Jahr er-höhten. Mittlerweile beträgt der Exportanteilaller EU-Staaten in die Mitgliedsländer desGKR 4,7%, der Importanteil liegt bei 3,3%18.Während die Staaten des GKR vorwiegend

17 Vgl. Zeino-Mahmalat, Ellinor: Saudi- Arabiens und Irans Regionalpolitik zwischen Ideologie und Pragma-tismus, Hamburg 2009.

18 Vgl. European Commission: Gulf Cooperration Council (GCC) – Trade Statistics, 27. März 2012,http://www.trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2006/september/tradoc_113482.pdf, abgerufen am 18.07.2012.

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Maschinen, wie Anlagen zur Energieerzeu-gung, Eisenbahnen, Flugzeuge und diversetechnische Geräte aus den Ländern der EUimportieren, macht das Erdöl zwei Drittel derImporte aus den GKR-Staaten in die EU aus. Seit 2008 hat Bahrain eine Vertretung bei derEU. Trotz dieser wirtschaftlich guten Bezie-hungen kritisierte die EU immer wiederMenschrechtsverletzungen in Bahrain, soauch im April 201119. Bahrain bemüht sichseitdem, seine Beziehungen zu den europäi-schen Staaten auszubauen, auch zuDeutschland. Das Verhältnis zwischen denbeiden Staaten kann als weitgehend freund-schaftlich und unbelastet bezeichnet werden.So besuchte der bahrainische Kronprinz Sal-man bin Hamad bin Isa Al Khalifa im Novem-ber 2011 Berlin, um sowohl mit demdeutschen Außenminister Guido Wester-welle20, als auch mit dem deutschen Wirt-schaftsminister und Vizekanzler PhilippRösler zusammen zu treffen und den Ausbaubilateraler Beziehungen zwischen den beidenLändern zu diskutieren. Hierbei betonte vorallem Rösler die Bedeutung eines nationalenAussöhnungsprozesses in Bahrain und for-derte den Kronprinzen auf, sich für eine Sta-bilisierung der Situation einzusetzen21.Konsequenzen in Form von diplomatischenMaßnahmen blieben jedoch aus; Deutschlandzeigte sich ebenso wie die meisten EU-Ver-treter beim Umgang mit den bahrainischenUnruhen eher regimefreundlich und moderat.Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkelstattete Bahrain im Jahr 2010, anlässlich des40-jährigen Jubiläums der bilateralen Bezie-hungen zwischen den beiden Ländern, einenBesuch ab. Während Deutschland insbeson-dere als bedeutender Wirtschaftspartner ge-schätzt wird, ist Deutschland an einemAusbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeitinsbesondere im Energiebereich sowie einerlangfristigen Stabilisierung der Sicherheits-lage am Golf interessiert. IV. Fazit und PerspektiveBahrains Außenpolitik wird vor allem durchdas sensible Verhältnis zu den stärksten Re-gionalmächten Saudi-Arabien und Iran be-

stimmt. Beide Staaten verfolgen bestimmteEigeninteressen in Bahrain und sind interes-siert daran, ihren Einfluss auszuweiten, umden anderen damit schwächen zu können.Wie vielleicht kein anderes Land am Golfkann Bahrain demnach als Spielball Saudi-Arabiens und Irans im „Kalten Krieg am Golf“um Vormachtstellung, Einflusssphären undkonfessionelle Dominanz gesehen werden,wenngleich der historische Konflikt zwischensaudischen Sunniten und iranischen Schiitenneben den Hegemonialinteressen nicht über-schätzt werden sollte und der direkte irani-sche Einfluss auf bahrainische Schiitenbislang nicht belegt werden konnte. Doch dasdiffuse Bedrohungsszenario eines missiona-rischen „Feindbildes“ Iran bestimmt zumeinen die Außenpolitik der Al Khalifa, zum an-deren auch den öffentlichen Diskurs in Bah-rain. Bahrain als kleiner Inselstaat mit schwacheraußenpolitischer Reputation war, ist und bleibtauf ausländische „Schutzmächte“ angewie-sen. Als enger Verbündeter der USA undSaudi-Arabiens geriert sich das sunnitischeKönigshaus der Al Khalifa als vertrauenswür-diger Alliierter der prowestlichen Mächte inder Golfregion. Im Zuge des „ArabischenFrühlings“ versucht jedoch der GKR, sich ver-stärkt als eigenmächtiger regionaler außen-politischer Akteur zu etablieren, um dieAbhängigkeit von den strategischen Zielender USA zu reduzieren und eine zunehmendeigene Agenda zu verfolgen. Bahrain spielthierbei als „Frontstaat“ bei der versuchtenEindämmung des Rivalen Iran eine bedeu-tende Rolle, so dass auch von einer „Regio-nalisierung der Sicherheitspolitik“ gesprochenwerden kann. Hierbei strebt das bahrainische Königshausnach der Bewahrung des Status quo undsieht neben der konfessionellen Affinität auchin der Deckungsgleichheit der Stabilitätsinter-essen im saudischen Königshaus einen idea-len Partner und Schutzpatron, wie die aufsaudische Initiative betriebene Invasion Bah-rains zum Schutz der Al Khalifa im März 2011bewies. Demnach zeigen sich die Al Khalifaweitgehend als reformresistente „Gegenrevo-

19 So kritisierte der Sprecher der Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik der EU Németh die Anwen-dung von Gewalt von Seiten der bahrainischen Regierung als Reaktion auf friedliche Demonstrationen undsprach sich für den friedlichen Dialog zur Lösung der Probleme aus.

20 Vgl. Auswärtiges Amt: Pressemitteilung - Bundesminister Westerwelle trifft Kronprinz von Bahrain, 28. November 2011, Bundesminister Westerwelle trifft Kronprinz von Bahrain, abgerufen am 18.07.2012.

21 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Rösler: Erfolgreicher Versöhnungsprozess inBahrain ist Basis für vertiefte Wirtschaftsbeziehungen, 29. November 2011,http://www.bmwi.de/DE/Presse/tagesnachrichten,did=459060.html#458974, abgerufen am 18.07.2012.

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lutionäre“, um ihre eigene Machtbasis nicht zuschwächen und der diffusen EinflussnahmeIrans entgegen zu treten. Hierbei bleibt um-stritten, über welchen tatsächlichen EinflussIran bei den Schiiten Bahrains verfügt. Zwarwerden sie zumeist als „fünfte Kolonne“ desIrans dargestellt, verfolgen allerdings auch ei-gene Agenden und können nicht als von Irankontrollierter Agent einer neuen „IslamischenRevolution“ bezeichnet werden. Stattdessenvermischt sich die konfessionelle Dimensionder innerbahrainischen Proteste mit einer so-zialen Unzufriedenheit, die nicht ausschließ-lich Schiiten, sondern genauso arbeits- undperspektivlose Sunniten umfasst. In Zukunft wird die außenpolitische SituationBahrains zum einen von der Lösung der inneren Probleme, zum anderen von der Entwicklung des saudisch-iranisch-US-amerikanischen Konflikts abhängen. Solltesich das Verhältnis der drei Mächte drama-tisch verschärfen und es vielleicht zu militäri-schen Auseinandersetzungen kommen,befände sich Bahrain im „Auge des Sturms“:Als Stützpunkt für US-amerikanische Marine-einheiten sowie als „Brückenkopf“ für die sau-dischen Hegemonialbestrebungen könnteBahrain schnell zum passiven Objekt werden,ohne über eine starke internationale Lobbyund eine gewisse innenpolitische Einheit zuverfügen. Das Land scheint gespalten, inner-lich an wirtschaftlichen und konfessionellenLinien zerrissen, sodass bei einer militäri-schen Auseinandersetzung mit Iran die end-gültige Destabilisierung und vielleicht derSturz der Al Khalifa droht. Bislang scheint essich hierbei um ein unrealistisches Szenariozu handeln, doch die verstärkten US-ameri-kanischen Initiativen in der Straße von Hor-muz und die verschärfte Rhetorik gegenüberIran lassen einen von Saudi-Arabien und Is-rael unterstützten Militärschlag gegen Irannicht mehr als ausgeschlossen erscheinen. Dem bahrainischen Königshaus wird alsoauch in Zukunft daran gelegen sein, die Pro-teste der Schiiten abzumildern, ohne ihnenweitgehende Freiheiten zuzugestehen. Hierfür wird es auch zukünftig auf eine „Zu-ckerbrot-und-Peitsche“-Politik setzen, die Ali-

mentierung, Kooption und Repression um-fasst, um einerseits die eigene Machtbasis zustabilisieren und andererseits die Oppositionzu schwächen. Im Gegensatz zu anderenarabischen Staaten, in denen diese Strategiescheiterte, kann sich das bahrainische Kö-nigshaus der internationalen Unterstützungweitgehend sicher sein. Zwar rückten innen-politische Querelen aufgrund der abgesagtenFormel-Eins-Grand-Prix’s kurzzeitig in denMittelpunkt des Medieninteresses, konkreteForderungen, Ultimaten oder gar die Andro-hung von Sanktionen seitens der internatio-nalen Gemeinschaft blieben allerdings aus. Akteure wie die EU oder die USA benötigenein stabiles Bahrain als sicheren Anker gegeneinen erstarkenden Iran. Die Unterstützungdes bahrainischen Königshauses trotz eineraus menschenrechtlicher Perspektive be-sorgniserregenden Situation stößt bei vielenBeobachtern in der arabischen Welt bereitsauf Kritik. Diese pragmatische, wertedistan-zierte Interessenspolitik wird weitgehend alsheuchlerische Doppelmoral kritisiert undschadet dem Ansehen der internationalen Ge-meinschaft in weiten Teilen der Region. Den-noch bleiben die Einflussmöglichkeitenexterner, nicht-arabischer Akteure auf einenmöglichen Reformprozess in Bahrain gering.Zwar ist sich das bahrainische Königshausbewusst, dass eine weitere Eskalation der Si-tuation für die eigene Machtbasis kontrapro-duktiv wäre und wird daher die wirtschaftlicheVerteilungspolitik weiterführen, dennoch wer-den grundlegende politische Reformen zumehr Liberalisierung und Demokratisierungweder im Sinne der Al Khalifa noch im Inter-esse der Al Saud liegen. Außenpolitisch wirdes Bahrain daher in Zukunft nicht gelingen,sich als eigenständiger Akteur zu profilieren,wie das teilweise Katar in der Vergangenheitgelungen ist. Die fragile innenpolitische Lage,die sensible geostrategische Lage, sowie derMachtkampf Irans und Saudi-Arabiens wirdBahrain nur geringfügig befähigen, außerhalbder GKR-Interessen eine unabhängige natio-nale Außenpolitik zu betreiben, und Bahrainzeigt daran auch nur wenig Interesse.Marie Pfister

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I. Einleitung

Das Emirat Kuwait ist mit 17.818 km2und ca. 3,44 Millionen Einwohnern(davon sind nur 1,09 Millionen kuwaiti-

sche Staatsbürger) das klassische Beispieleines ölreichen, aber sicherheitspolitischschwachen Staates. Seine enormen Erdöl-vorräte1 von rund 104 Mrd. Barrel (7% derweltweiten bekannten Erölreserven) weckenBegehrlichkeiten, insbesondere beim um-mittelbaren Nachbarn Irak, dessen Invasion1990 das einschneidendste Erlebnis in derGeschichte Kuwaits seit der Unabhängigkeit1961 war.Die Außenpolitik Kuwaits beruht auf dreiGrundpfeilern:

1. Bemühung um gute nachbarschaftlicheBeziehungen zu den drei großen NachbarnSaudi-Arabien, Iran und Irak; 2. Einbindung in die regionalen Organisa-tionen des Golfkooperationsrats (GKR) undder Arabischen Liga; 3. Aufrechterhaltung der engen Sicher-heitspartnerschaft mit den USA zur Wah-rung der eigenen Souveränität.

Die Existenz als Kleinstaat definiert somit Ku-waits außenpolitische Ziele. Die unmittelbareNachbarschaft zu drei konkurrierenden Re-gionalmächten in der geostrategisch wichti-gen Region des Golfs verlangt einenbeständigen politischen Balanceakt vom klei-nen Kuwait. Gute nachbarschaftliche Bezie-hungen sollen möglichen Zerwürfnissenzuvorkommen. Die Zusammenarbeit in regio-nalen Organisationen sorgt ebenso für gutenachbarschaftliche Beziehungen und gibt Ku-wait die Möglichkeit, seiner Politik größeresGewicht zu verleihen. Die Notwendigkeit desdritten Pfeilers wurde insbesondere nach derirakischen Invasion 1990 deutlich.Während das außenpolitische Beziehungs-geflecht Kuwaits nach dem Kalten Krieg langevom Trauma der irakischen Invasion geprägtwar, ist zurzeit Iran das zentrale außenpoliti-

sche Thema im Land. Die Proteste des „Ara-bischen Frühlings“ 2011 waren in Kuwait hin-gegen nur bedingt zu spüren. Im liberalstender Golfstaaten bieten die Nationalversamm-lung und die relativ freie Presse einen aner-kannten öffentlichen Rahmen zur politischenDiskussion. Dieses Kapitel beabsichtigt das außenpoliti-sche Beziehungsgeflecht Kuwaits unter be-sonderer Berücksichtigung der jüngerenVergangenheit darzustellen. Im zweiten Teilwerden zunächst die historischen und innen-politischen Rahmenbedingungen in Bezugauf die Entstehung des unabhängigen EmiratKuwaits und seines politischen Systems an-hand der Nationalversammlung beleuchtet.Anschließend wendet sich die Arbeit der re-gionalen Perspektive des außenpolitischenBeziehungsgeflecht Kuwaits zu. Hierbei wer-den die Beziehungen zu den anderen Golf-staaten im Rahmen des GKR, insbesonderezu Saudi-Arabien, zum Irak und zu Iran ana-lysiert. Auf internationaler Ebene werden dieBeziehungen zur Europäischen Union (EU)und Deutschland sowie zu China und denUSA beleuchtet. Dabei zeigt sich die heraus-ragende Rolle der USA als Schutzmacht Ku-waits im Golf. Im abschließenden Fazit wirdprognostiziert, dass die kuwaitische Politikkurz- und mittelfristig weiterhin auf die innen-politische Entwicklungen und die unmittelbareNachbarschaft Iraks und Irans gerichtet seinwird. II. Historische und innenpolitische Vor-aussetzungen Um das außenpolitische BeziehungsgeflechtKuwaits analysieren zu können, wird zu-nächst ein Blick auf die Entstehung und dieinnenpolitischen Zwänge des Landes gewor-fen. Vor diesem Hintergrund werden in dennächsten beiden Teilen die Außenbeziehun-gen Kuwaits auf regionaler und internationalerEbene analysiert.II.1 Entstehung des Staates KuwaitDie Geschichte Kuwaits wird seit Jahrhunder-ten von der Familie Al Sabah bestimmt. Seit1752 stellt sie die herrschende Familie2. DieAl Sabah schlossen einen „traditional rulingbargain“3 mit den führenden Kaufleuten der

1 Vgl. Auswärtiges Amt: Wirtschaftspolitik Kuwait, Juni 2012, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_60F99ED966AF7C99C0DE462698AD165B/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Kuwait/Wirtschaft_node.html, abgerufen am 27.07.2012.

2 Vgl. Roberts, David: Kuwait, in: Christopher Davidson (Hrsg.): Power and Politics in the Persian Gulf Monarchies, London 2011, S. 89.

3 Roberts, David: Kuwait, in: Christopher Davidson (Hrsg.): Power and Politics in the Persian Gulf Monar-chies, London 2011, S. 92.

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Region, worin sie in beratender Funktion zwi-schen den Kaufleuten vermittelte. Wegen sei-ner Randlage wurde das Gebiet des heutigenKuwait lange Zeit wenig von den wechseln-den Großmächten der Region (Kalifate derUmayyaden und Abbasiden, Mongolen undOsmanisches Reich) beachtet.Die Al Sabah-Familie sicherte sich 1899 mitdem Abschluss eines exklusiven Vertrags mitden Briten eine relative Unabhängigkeit vomOsmanischen Reich und von der lokalenKaufmannselite, indem sie sich in den Schutz-bereich der Briten stellten. Die vielfältigen Ver-suche der Kaufleute, politischen Einfluss zugewinnen, mündeten in den 1950er Jahren imVersprechen wirtschaftlicher Privilegien. ImGegenzug wurden politische Entscheidungenallein den Al Sabah überlassen.Die wirtschaftliche Entwicklung Kuwaits än-derte sich mit dem Beginn der Erdölförderung1946 entscheidend. Mit den Einnahmen ausder Erdölförderung bauten die Al Sabah einenRentierstaat auf, wie es für die erdölfördern-den Staaten der Arabischen Halbinsel typischist. Die Einwohner Kuwaits kamen in den Ge-nuss eines umfangreichen Leistungskatalogs,der ein kostenloses Gesundheitswesen, kos-tenlose Bildungsangebote und eine Reihe vonSubventionen und Jobgarantien vor allem imöffentlichen Sektor umfasste. Im Gegenzugwurde von den Staatsangehörigen die politi-sche Passivität verlangt („no taxation withoutrepresentation“). Dieses System, dieser „Ge-sellschaftsvertrag“, kann als ein Grund für diemangelnde politische Partizipation und de-mokratische Tradition in den ressourcenrei-chen Golfstaaten gesehen werden. Kuwaithingegen besitzt eine lange Tradition der po-litischen Partizipation, die sich von der tradi-tionellen diwaniya4 zur Nationalversammlungentwickelte, weshalb Sean L. Yom KuwaitsVariante des politischen Systems als „popularrentierism“5 bezeichnet. Am 19. Juni 1961 wurde Kuwait als erstesLand der kleinen Golfstaaten von Großbritan-nien unabhängig. Der Irak erkannte die Un-abhängigkeit Kuwaits jedoch nie an und erhob

Gebietsansprüche auf kuwaitisches Territo-rium. Als Reaktion darauf schloss Kuwait einMilitärabkommen mit Großbritannien ab undführte 1963 eine Nationalversammlung (ara-bisch: majlis al-umma) ein, um die Legitimitätder eigenen Herrschaft zu betonen. Das Mili-tärabkommen war notwendig, da Kuwait alsKleinstaat seine Sicherheit nach außen nichtgewährleisten konnte und somit vom Schutzgrößerer Staaten abhängig blieb. In Kuwait lebt mit 30% der einheimischen Be-völkerung ein großer Anteil an Schiiten. Diesesind aber, im Gegensatz zu Bahrain, politischund wirtschaftlich gut integriert. Die Ausbür-gerung eines schiitischen Klerikers 20106bleibt ein Einzelfall. Konfessionelle Streitig-keiten „wurden nie stark politisiert.“7 Schiitenund Sunniten profitieren beide gleichermaßenvon der großzügigen Subventionspolitik desRentierstaats. Ganz anderes als die „Bidoon“,die „ohne“ (arab. bidun) Nationalität und ohnedie gleichen Rechte im Land leben. II.2 Politisches System und gesellschaftlicheEntwicklungenDas politische System Kuwaits ist eine kon-stitutionelle Erbmonarchie. Der Staat Kuwaitwird vom Emir aus der Familie Al Sabah re-giert. Er ernennt unter Mitwirkung des Parla-ments den Thronfolger. Normalerweise wirdhierbei zwischen den Nachkommen derSöhne Mubaraks (reg. 1896-1915), Jaber undSalem, abgewechselt. Allerdings kamen dieletzten beiden Emire aus dem Zweig derJaber. 1963 wurde die Nationalversammlungeingeführt. Sie besteht auf 50 Mitgliedern, diealle vier Jahre gewählt werden. Da in Kuwaitdie Bildung politischer Parteien verboten ist,sind die Wahlen personalisiert, sodass sichdie Parlamentsabgeordneten zu Adhoc-Koali-tionen zusammenschließen. Obwohl einekünstliche Einordnung immer mit Gefahrenverbunden ist, wird häufig zwischen liberalenund islamistischen Gruppierungen unter-schieden. Daneben bilden die Stämme einebedeutende Gruppe. Seit Mai 2005 besitzenkuwaitische Frauen das aktive und passiveWahlrecht.

4 Diwanija ist im Treffen in Privathäusern zur politischen Diskussion und zum Ideenaustausch. In anderen arabischen Staaten existiert ein ähnliches Konzept, des so genannte majlis. Vgl. http://www.e.gov.kw/sites/kgoenglish/portal/Pages/Visitors/AboutKuwait/CultureAndHeritage_CustomsAndTraditions.aspx.

5 Vgl. Yom, Sean L.: Oil, Coalitions, and Regime Durability: the Origins and Persistence of Popular Rentierism in Kuwait, in: Studies in Comparative International Studies, 46 (2011), S. 217-241.

6 Vgl. Imam aus Kuwait ausgebürgert, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.September 2010, Politik, S. 6.7 Stephenson, Lindsey: Ahistorial Kuwaiti sectarianism, in: Foreign Policy, 29.April 2012, www.mideast.

foreignpolicy.com/posts/2011/04/29/ahistorical_kuwaiti_sectarianism, abgerufen am 16.07.2012.

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Ein tiefer Einschnitt in das politische SystemKuwaits geschah mit dem Tod des langjähri-gen Emirs Jabir Ahmad al-Jabir Al Sabah imJanuar 2006 (reg. 1977-2006). Die ange-schlagene Gesundheit des Thronfolgers ver-anlasste jedoch die Nationalversammlung,seine Absetzung mitzuforcieren, was als einNovum in der Geschichte der ArabischenGolfstaaten gilt. Außerdem wurde 2006 nachheftigen Protesten der Jugend die Anzahl derWahlkreise von 25 auf fünf gesenkt. Ebensozwang die Nationalversammlung in der Ver-gangenheit Minister zum Rücktritt und erklärteErlässe des Emirs für ungültig.8 Seitdem wur-den mehrmals Neuwahlen vom jetzigen EmirSabah Al-Ahmad Al-Jaber Al Sabah (geb.1929) ausgerufen und das Kabinett umgebil-det, um die Regierungsfähigkeit zu erhalten.Dies blieb allerdings ohne Erfolg, sodass sichKuwait seit Jahren in einer fundamentalenKrise der politischen Handlungsunfähigkeitaufgrund des Konfliktes zwischen Emir undParlament befindet. Kurz:

“Kuwait has lurched from one political crisisto the next”.9

Dies ist der Tatsache geschuldet, dass die Abgeordneten kaum Gestaltungsmacht besit-zen und somit umso mehr von ihrer Blocka-demacht Gebrauch machen, um ihrerUnzufriedenheit und ihrer politischen Macht-losigkeit zumindest im Protest Ausdruck zuverleihen.Die mehrmaligen Neuwahlen zeigen den Ver-such des Emirs, sowohl Regierbarkeit alsauch die Regierungshoheit zu erhalten. DerNationalversammlung gelang es, anders alsvom Emir antizipiert, das Befragungsrecht zuihrem mächtigsten Instrument auszubauenund so ihre eingeschränkte legislative Gewalt

(der Emir hat das Initiativ- und suspensive Ve-torecht) zu kompensieren. So gelang es derNationalversammlung, sich zu einer dynamischen Diskussionsplattform zu entwi-ckeln, die in der relativ freien Medienland-schaft10 des Landes ihre Fortsetzung findet. Innenpolitisch kam es auch während des Ara-bischen Frühlings 2011 zu Protesten von zweiunterschiedlichen Seiten. Die „Bidoon“, staa-tenlose Einwohner Kuwaits, protestiertengegen ihre Rechtlosigkeit. Die sicherlich vom„Arabischen Frühling“ inspirierten Proteste imFebruar und März 2011 blieben jedoch ausSicht der Bidoons erfolglos. Weiterhin protes-tierten kuwaitische Staatsbürger gegen denPremierminister und die korrupte kuwaitischeVerwaltung.11 Die Protestler waren meistjunge Leute, die schon 2006 für die Verringe-rung der Wahlbezirke demonstriert hatten.Daran – und an der dynamischen Entwicklungder Nationalversammlung – kann man erken-nen, dass Proteste gegen die Regierung inKuwait nicht erst seit dem Ausbruch des „Arabischen Frühlings“ zu beobachten sind,eine indirekte Inspiration konkreter Demon-strationen durch den „Arabischen Frühling“kann aber nicht verneint werden. Insgesamtblieben die Auswirkungen der Transforma-tionsprozesse in anderen arabischen Staatenauf Kuwait selbst jedoch gering.12 III. Regionale PerspektiveKuwaits regionale Perspektive ist entschei-dend durch die einflussreichen Nachbarn Irak,Iran und Saudi-Arabien bestimmt. Als Klein-staat strebt Kuwait danach, den Status Quozu erhalten, um zwischen den Regional-mächten nicht zerrieben zu werden und versucht jedwede Instabilität in der Region zuvermeiden.

8 Vgl. Niethammer, Katja: Chancen und Grenzen politischer Reformen in den GKR-Staaten, in: GerhardWahlers (Hrsg.): Im Fadenkreuz der Großmächte. Die Geopolitik der Golfregion, Im Plenum (Konrad-Adenauer-Stiftung), Berlin, Juni 2008, http://www.kas.de/wf/doc/kas_13928-544-1-30.pdf, abgerufen am01.08.2012, S. 12.

9 Kathman, Kenneth: Kuwait: Post-Saddam Issues and U.S. Policy, in: CRS Report for Congress,29.Juni 2005, http://www.fpc.state.gov/documents/organization/50259.pdf, abgerufen am 01.08.2012, S. 1.

10 Verboten sind Kritik an der Person des Emirs und der herrschenden Familie, die Beleidigung der Grundwerte monotheistischer Religionen sowie die Verletzung der öffentlichen Moral. Ebenso bleibt die Kritikan der saudischen Herrscherfamilie untersagt. „Reporter ohne Grenzen“ bezeichnen die kuwaitischenMedien als „zweifelsohne die freiesten in der Region“. Im Press Freedom Index rangiert Kuwait auf Rang78 von 179. Damit liegt Kuwait vor allen anderen arabischen Staaten. Als nächster Golfstaat folgen dieVereinigten Arabischen Emirate erst auf Platz 112, Katar auf Platz 114. Saudi-Arabien liegt auf Platz 158.Vgl. Reporters Without Borders: Press Freedom Index 2011-2012, 25. Januar 2012,http://www.en.rsf.org/IMG/CLASSEMENT_2012/ C_GENERAL_ANG.pdf, abgerufen am 07.08.2012.

11 Im Corruption Perception Index von Transpareny International 2011 rangiert Kuwait auf Platz 54 von 184und ist damit der Golfstaat mit der zweithöchsten Korruption nach Saudi-Arabien auf Rang 57. Vgl. ArabTimes: Kuwait ‘54th’ on corruption index, 6. August 2012, http://www.arabtimesonline.com/NewsDetails/tabid/96/smid/414/ArticleID/176778/reftab/36/Default.aspx, abgerufen am 07.08.2012.

12 Vgl. für weitere Informationen: Mambrey, Alina: Kuwait, in: Deutschen Orient-Instituts (Hrsg.): Der Arabische Frühling. Auslöser, Verlauf, Ausblick , September 2011, S. 187-193.

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III.1. Saudi-Arabien, die anderen Golfstaatenund der GolfkooperationsratInnerhalb der Golfstaaten orientiert sich Ku-wait stark am Königreich Saudi-Arabien, demmit knapp 28 Millionen Einwohnern größtenStaat auf der Arabischen Halbinsel. Die ge-meinsame Erfahrung der irakischen Invasion1990 (auch in saudisches Territorium mar-schierten irakische Truppen ein) schweißtedie beiden Staaten noch enger zusammen,sodass sich die traditionell vertrauenswürdi-gen Beziehungen noch intensivierten. Auchsicherheitspolitisch besitzt Kuwait ein Inter-esse an guten nachbarschaftlichen Bezie-hungen zu Saudi-Arabien, ebenso wie zu denanderen beiden Regionalmächten Irak undIran, was als diplomatische Gratwanderungbezeichnet werden kann, stehen doch diesedrei Länder mehr oder weniger in regionalerKonkurrenz miteinander oder pflegen offen ar-tikulierte Abneigung wie das sunnitischeSaudi-Arabien und der schiitische Iran. Ebenfalls überlebensnotwendig für einenKleinstaat wie Kuwait ist die Einbindung in re-gionale Organisationen. Zum Schutz vor derexpansiven Propaganda Irans nach der Isla-mischen Revolution wurde am 25. Mai 1981der Golfkooperationsrat (GKR) von Kuwait,Bahrain, Katar, den Vereinigten ArabischenEmiraten, Oman und Saudi-Arabien gegrün-det. Als stärkste Macht dominiert Saudi-Ara-bien die offizielle Linie des GKR, an die sichdie meisten anderen Golfstaaten bis heutestark anlehnen. In einem weiteren Schritt zur Verbesserungder sicherheitspolitischen Zusammenarbeitwurde im Rahmen des GKR „die weitgehendsymbolischen ‚Peninsula Shield’ Koalitions-truppen“13 von den sechs Mitgliedsstaaten ge-gründet. Zwar blieben diese Truppen langeZeit rein symbolisch, erlangten aber im März2011 im Zusammenhang mit den zivilen Pro-testen in Bahrain weltweite Bekanntheit. Offi-ziell wurden sie zur Unterstützung derbahrainischen Sicherheitskräfte eingesetzt,dessen Kräfte durch die Demonstrationen ge-bunden waren. Kuwait schickte keine

Bodentruppen, sondern unterstützte die Ope-ration durch die Marine.14 Diese zurückhal-tende Kooperation ist ein Pfeiler derkuwaitischen Politik: Weder mochte man denmächtigen Partner Saudi-Arabien (der Bah-rain als sein Einflussgebiet ansieht) durchPassivität verärgern, noch wollte man nega-tive Reaktionen unter der eigenen schiiti-schen Bevölkerung riskieren. DieserBalanceakt wurde durch die Marine gelöst.Obwohl die Schiiten in Kuwait generell gut indas politische und wirtschaftliche Leben inte-griert sind, haben konfessionelle Spannungenin der Region für zusätzlichen Zündstoff ge-sorgt15. In gleicher Weise streben die Staaten desGKR eine gemeinsame Strategie gegenüberdem iranischen Nuklearprogramm an. Statteiner gemeinsamen Linie, argumentierenCronin und Masalha hingegen, dass die Golf-staaten bilaterale Beziehungen zu Iran auf-rechterhalten, die ihren jeweils eigenenInteressen und Besonderheiten gerecht wer-den. Ihnen ist hierbei jedoch allen gemein,dass sie weitere Unruhen in der Region ver-hindern wollen.16 Die kuwaitische Politik zumiranischen Nuklearprogramm wird im Kapitel„Iran“ näher beleuchtet.III.2 Das Trauma der irakischen Invasion unddessen NachwirkungenDie Beziehungen zum großen Nachbarn Irakwaren seit der Unabhängigkeit Kuwaits 1961angespannt. Mit der irakischen Invasion Ku-waits am 1. August 1990 brachen sich dieSpannungen dann in der Kuwait-Invasiondurch Irak, dem so genannten „Zweiten Golf-krieg“, bahn. Bis zum Sturz des Regimes vonSaddam Hussein durch die Amerikaner 2003wurde Kuwaits regionale Außenpolitik durchdie potentielle irakische Bedrohung bestimmt.Jedoch sind die Beziehungen zum Irak nachdem Sturz Husseins ebenfalls nicht ohneSpannungen.Die Ursachen dieser fragilen bilateralen Be-ziehung lassen sich zu großen Teilen auf dievom Irak erhobenen Gebietsansprüche in Ku-

13 Roberts, David: Kuwait, in: Christopher Davidson (Hrsg.): Power and Politics in the Persian Gulf Monarchies, London 2011, S. 91.

14 Vgl. Kuwait naval units join Bahrain mission ... ‘Plot foiled’, in: Arab Times, 21.März 2011, http://www.arab-timesonline.com/NewsDetails/tabid/96/smid/414/ArticleID/167038/reftab/73/Default.aspx, abgerufen am01.08.2012.

15 Stephenson, Lindsey: Ahistorial Kuwaiti sectarianism, in: Foreign Policy, 29.04.2012, http:// www.mideast.foreignpolicy.com/posts/2011/04/29/ahistorical_kuwaiti_sectarianism, abgerufen am 16.07.2012.

16 Vgl. Cronin, Stephanie; Masalha, Nur: The Islamic Republic of Iran and the GCC states: Revolution to realpolitik?, in: Kuwait Programme on Development, Governance and Globalisation in the Gulf States(London School of Economics), August 2011, http://www2.lse.ac.uk/government/research/resgroups/kuwait/documents/Cronin%20and%20Masalha.pdf, abgerufen am 01.08.2012, S. 5.

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wait zurückführen. Der Irak hat bis heute dieUnabhängigkeit Kuwaits nie anerkannt. Daskleine Kuwait sah sich somit seit seiner Un-abhängigkeit Drohgebärden seines unmittel-baren Nachbarn ausgesetzt, weshalb es aufmilitärischen Schutz von außen, erst von denBriten, dann von den US-Amerikanern, ange-wiesen war.Am 1. August 1990 marschierte die irakischeArmee in Kuwait ein und annektierte das Landvölkerrechtswidrig. Die Regierung und die Fa-milie der Al Sabah flohen nach Saudi-Arabien.Die darauf folgende Befreiung durch eine „Ko-alition der Willigen“ geschah unter Führungder USA, die seit dem Ende des Kalten Krie-ges und der Auflösung der Sowjetunion eineunumstrittene Führungsrolle innerhalb einerunilateralen Weltordnung eingenommen hat-ten. Es wurde weiterhin befürchtet, dass der Irakversuchen würde, die erdölreiche östlicheProvinz Saudi-Arabiens zu erobern. Dieshätte eine Bedrohung der nationalen Sicher-heit der USA bedeutet, die von saudi-arabi-schem Erdöl abhängig waren. Daneben galtes, weitere Eroberungen des Iraks wegen sei-ner Völkerrechtswidrigkeit abzuwehren. Inner-halb von nur fünf Tagen startete die Operation„Desert Shield“ zum Schutz Saudi-Arabiens.In den nächsten Monaten verhandelte dieinternationale Staatengemeinschaft im UN-Si-cherheitsrat unter Federführung der USA mitdem Irak über die Bedingungen eines Rück-zugs. Kuwait selbst war nicht direkt in die Ver-handlungen eingebunden. Mit derUN-Resolution 678 stellte der UN-Sicher-heitsrat dem Irak ein Rückzugsultimatum, beideren Nichteinhaltung „alle notwendigenMittel“, also auch militärische Gewalt, völker-rechtlich legitimiert wurden. Anfang 1991 be-gann die Operation „Desert Storm“ zurRückeroberung Kuwaits unter UN-Mandatnach Kapitel VII der UN-Charta. Mit dem Ende des Zweiten Golfkriegs (als Er-ster Golfkrieg gilt der Iran-Irak-Krieg zwischen1980 und 1988) etablierten sich die USA alsSchutzmacht Kuwaits.17 Die Invasion wirkteals traumatischer Schock für die kuwaitische

Regierung und Bevölkerung. Ihre Beziehun-gen zum Irak sind bis heute durch diese ne-gative Erfahrung geprägt und in den Jahrendanach prägte das Freund-Feind-Denkenauch die Beziehungen zu anderen Staaten.So verschlechterte sich das Verhältnis zurPLO in den Palästinensischen Gebieten dra-matisch, da sich deren Präsident Jassir Arafatwährend des Krieges auf die Seite des Iraksgestellt hatte. Erst nach dessen Tod 2004 soll-ten sich die Beziehungen wieder verbessern.Ähnliches galt für das Verhältnis zu Jorda-nien, dem Sudan, Jemen und Kuba. Die Be-ziehungen zu Jordanien normalisierten sichmit dem Besuch König Abdullahs in Kuwait imSeptember 1999.Der Sturz des irakischen Präsidenten Sad-dam Hussein 2003 durch die Amerikanerwurde demnach von der kuwaitischen Regie-rung begrüßt. Trotz seiner Schwächung durchdie internationalen Sanktionen stellte Hus-seins Irak nach dem Ende der Invasion 1991weiterhin eine Gefahr für die äußere Sicher-heit Kuwaits dar. Während des Irak-Kriegs2003 unterstützte Kuwait die US-amerikani-schen Truppen bei ihrer Invasion in den Irakintensiv. Während in Saudi-Arabien die meis-ten Truppenverbände aufgrund gesellschaft-licher Proteste nach dem 11. September 2001abgezogen worden waren, wurde die Trup-penpräsenz in den kleinen Golfstaaten imZuge des Irak-Kriegs 2003 und der iranischenBedrohung massiv aufgestockt. Der direkteNachbar Kuwait stellte den Amerikanern „biszu 60% seines Territoriums“18 zur logistischenund infrastrukturellen Verfügung.Die Beziehungen zum Irak sind auch nachdem Sturz von Saddam Hussein von Misstrauen auf beiden Seiten gekennzeich-net. Offiziell werden jedoch die verbessertenBeziehungen betont und die mittlerweile kol-legiale Kooperation gelobt, was vor allemauch am außenpolitischen Druck der USA,sowie der Erkenntnis der Golfstaaten liegenkönnte, sich nicht isolieren zu dürfen, sondernmit dem bevölkerungs- und ölreichen Nach-barn Ebenen der Zusammenarbeit suchen zumüssen.192008 wurde wieder ein kuwaitischer Bot-

17 Zu den US-kuwaitischen Beziehungen siehe Kapitel IV.4.18 Roberts, David: Kuwait, in: Christopher Davidson (Hrsg.): Power and Politics in the Persian Gulf

Monarchies, London 2011, S. 92.19 Vgl. Cronin, Stephanie; Masalha, Nur: The Islamic Republic of Iran and the GCC states: Revolution to

realpolitik?, in: Kuwait Programme on Development, Governance and Globalisation in the Gulf States(London School of Economics), August 2011,http://www2.lse.ac.uk/government/research/resgroups/kuwait/documents/Cronin%20and%20Masalha.pdf, abgerufen am 01.08.2012, S. 10.

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schafter nach Bagdad entsandt20 und 2011erklärte der Sprecher der kuwaitischen Natio-nalversammlung, dass „wir [Kuwait und Irak,LB] hervorragende Beziehungen anstreben,die auf gegenseitigem Respekt der jeweiligenterritorialen Souveränität beruhen.“21Jedoch zeigt sich an den Taten und der Stim-mung in Gesellschaft und Medien, wie großdas gegenseitige Misstrauen noch verankertist. So wird die Frage der Reparationen für dieInvasionsschäden nach wie vor intensiv in derÖffentlichkeit diskutiert. Weder die National-versammlung noch die Bürger in Kuwait sindgewillt, auf die ausstehenden Reparationen inHöhe von 14,7 Milliarden USD22 zu verzich-ten, obwohl Kuwait heute zu einem der reich-sten Länder der Welt gehört, während der Irakvon den Jahren der Wirtschaftssanktionenund des Bürgerkriegs geprägt ist und nachwie vor unter Instabilität, regionalen Diskre-panzen, Arbeitslosigkeit und politischer Insta-bilität leidet. Dies zeigt, wie stark dieErfahrung der Invasion die kuwaitische Men-talität und Identität bis heute prägt. Außerdemstehen aus dem Golfkrieg 1990/1991 nochdie Fragen nach Kriegsgefangenen und derRückkehr gestohlener Kunstgegenstände,darunter ein 234-karätiger Smaragd, offen.Solange diese Themen nicht vollständig ge-klärt sind, wird sich auf beiden Seiten das Misstrauen nicht maßgeblich reduzieren.In der jüngeren Vergangenheit symbolisiertedas ambitionierte Infrastrukturprojekt um denkuwaitischen Hafen Mubarak das weiterhinangespannte Verhältnis zwischen beidenLändern. So wurde von Seiten des Iraks imAugust 2011 Kritik laut, der Großhafen würdeden Seehandel des Iraks und dessen Pla-nungen für den eigenen Großhafen GrandFaw mit einem Kostenvolumen von etwa 6,1Mrd. USD und einer geschätzten Kapazitätvon 99 Mio. Tonnen im Jahr erheblich beein-trächtigen.23 Eine einvernehmliche Lösungwurde durch die Parlamente beider Länder er-

schwert, da „Fragen des Nationalstolzes undder Geschichtserfahrung sich als unwider-stehlich für ambitionierte Politiker herausstell-ten.“24 Ein Jahr später legten die beidenLänder den Streit bei und einigten sich auf diegemeinsame Nutzung der Wasserwege undeine gemeinsame Verwaltung zur Überwa-chung der Vereinbarung.25 Trotz dieses Er-folgs und weiterer Vereinbarungen zurNutzung von grenznahen Ölfeldern, müssendiese Einigungen immer hart erkämpft wer-den, sodass bereits von einer entstehenden„Pathologie des Hasses“ gesprochen wird.26III.3 IranHistorisch wurden die Beziehungen beiderLänder von der Islamischen Revolution 1979geprägt. Unter Ayatollah Chomeini betriebIran eine konfrontative Außenpolitik mit demZiel des Revolutionsexportes. Als Reaktionauf diese Bedrohung der inneren Sicherheitder Golfmonarchien, die für Chomeini eine„ungerechte Herrschaft“ darstellten, gründe-ten diese 1981 den GKR.Mit Beginn des Iran-Irak-Kriegs 1980 ver-schlechterten sich die Beziehungen weiter, daKuwait den Irak mit großzügigen finanziellenHilfen unterstützte und die USA kuwaitischeÖltanker im so genannten „Tankerkrieg“ neubeflaggte. Die USA wollten die Erdöllieferun-gen sichern und zeigten zum ersten Mal mili-tärische Präsenz am Golf.27 Erst nach 1991verbesserten sich die Beziehungen zu Iran alsregionalen Gegenpol zum Irak. Die Bedro-hung durch den Irak wurde akuter als diedurch Iran angesehen, der unter dem Nach-folger Chomeinis, Ayatollah Chamenei, denRevolutionsexport aufgab.Mit dem Ende der irakischen Bedrohungdurch Saddam Hussein rückte die Bedrohungdurch Iran erneut ins Augenmerk der kuwaiti-schen Führung. Hierbei sind zwei Aspektevon Bedeutung: Erstens der nach dem Sturz

20 Vgl. Roberts, David: Kuwait, in: Christopher Davidson (Hrsg.): Power and Politics in the Persian Gulf Monarchies, London 2011, S. 108.

21 Kuwait keen on good neighborliness with Iraq: Al-Kharafi, in: Kuwait News Agency, 01.August 2011,http://www.kuna.net.kw/ArticleDetails.aspx?language=en&id=2183173, abgerufen am 16.07.2012.

22 Vgl. http://www.uncc.ch/status.htm.23 Vgl. Iraq Business News: Basra Forms Group to Invest in Faw Port, 23. Mai 2012, http://www.iraq-

businessnews.com/tag/al-faw-grand-port/, abgerufen am 07.08.2012.24 Roberts, David: Kuwait’s war of words with Iraq: Foreign Policy, 20. Juli 2011, http://www.mideast.

foreignpolicy.com/posts/2011/07/20/kuwatis_war_of_words_with_iraq, abgerufen am 16.07.2012.25 Vgl. Iraq committed to resolving problems with Kuwait – roundup, in: BBC Monitoring Middle East,

01.Mai 201226 Roberts, David: Kuwait’s war of words with Iraq, in: Foreign Policy, 20.Juli 2011, http://www.mideast.

foreign-policy.com/posts/2011/07/20/kuwatis_war_of_words_with_iraq, abgerufen am 16.07.2012.27 Vgl. Wachenfeld, Margaret G.: Reflagging Kuwaiti Tankers: A U.S. Response in the Persian Gulf, in: Duke

Law Journal, 174 (1988), S. 174-202.

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von Hussein stark gewachsene iranische Ein-fluss im Irak und zweitens das iranische Nu-klearprogramm. Während der Ära SaddamHusseins versuchte Kuwait, sich stärker anIran zu binden, um die regionale Heteroge-nität beider Länder zu seinen Gunsten zu nut-zen und den Irak zu schwächen. So wurdenoch 2002 im Rahmen eines Besuchs des ira-nischen Verteidigungsministers Ali Sham-khani in Kuwait eine engere Zusammenarbeitim Bereich Sicherheit und Militär angestrebt.28Mit der ersten unabhängigen Regierung nachdem Sturz Saddam Husseins wuchsen dasSelbstbewusstsein und der Einfluss der iraki-schen Schiiten, die von Iran unterstützt wer-den. Dies läuft dem kuwaitischen Wunschnach einer internationalen Eindämmungspo-litik sowohl gegenüber dem Irak als auch Iranzuwider. Diese Komponente belastet die an-gespannten Beziehungen zum neuen Iraknoch weiter.Des Weiteren zeigt sich Kuwait, allein auf-grund seiner geographischen Nähe Iran, nichtan einer Eskalation der Situation um das ira-nische Atomprogramm interessiert. Kuwaitsieht die umstrittenen Ambitionen der Islami-schen Republik überaus kritisch, befürchtetes doch, ein nuklear aufgerüsteter Iran könntedie innere Sicherheit Kuwaits bedrohen. Sokönnte ein atomarer Unfall in dem direkt aufder anderen Seite des Golfs gelegenen Re-aktor Buschehr mindestens 90% der kuwaiti-schen Bevölkerung betreffen.29 Mit seinenBemühungen um Entspannung folgt Kuwaitder offiziellen Linie des GKR. Der GKR betontzwar das Recht Irans auf friedliche Nutzungder Kernenergie, wie sie im Vertrag zur Nicht-verbreitung von Atomwaffen (Treaty on theNon-Proliferation of Nuclear Weapons, NPT)garantiert ist, bemängelt aber die mangelndeiranische Transparenz hinsichtlich seines Nu-klearprogramms. Kuwait unterstützt im Rah-men des GKRs die wirtschaftlichenSanktionen der Vereinten Nationen, da die ei-genen Handlungskapazitäten eingeschränktsind. Offiziell lehnt der GKR eine militärischeAktion ab, da gute nachbarschaftliche Bezie-hungen von Vorrang seien. Durch jedwedemilitärische Operation im Golf wäre die Si-

cherheit aller Golfstaaten, einschließlich Ku-wait, gefährdet. Dennoch hat sich in den letz-ten Jahren und Monaten die antiiranischeHaltung einiger Golfstaaten deutlich verstärkt. IV. Internationale PerspektiveAuf internationaler Ebene sind die Beziehun-gen zur Schutzmacht USA bestimmend. MitAusnahme der Beziehungen zu den USA fin-den die meisten politischen Beziehungen aufinternationaler Ebene über den GKR statt.Daneben engagiert sich Kuwait in einer Reihevon Internationalen Organisationen (UN,WTO, Organisation der islamischen Zu-sammenarbeit, Arabische Liga, OPEC). So-lange es nicht den eigenen Interessenschadet, versucht Kuwait multilaterale politi-sche Beziehungen zu wahren, da die Ressourcenbündelung in multilateralen Orga-nisationen für kleine Staaten wie Kuwait sehrgroße Vorteile mit sich bringt. Da es in multi-lateraler Beziehung jedoch keine selbststän-dige Politik betreibt, sondern sich an dergemeinsamen Linie des GKR orientiert, wirddiese Komponente bei der Analyse außerAcht gelassen. IV.1 Deutschland und die EULaut offizieller Auskunft des Auswärtigen Amtssind die Beziehungen „freundschaftlich undgut.“30 Die politischen sind gegenüber denwirtschaftlichen Beziehungen zweitrangig.Deutschland ist nach den USA und China derdrittgrößte Exporteur nach Kuwait. Hierbeiwerden vor allem hochwertige Kraftfahr-zeuge, Maschinen, Anlagen (insbesondereKraftwerke), elektronische und chemische Er-zeugnisse, Eisenwaren und Lebensmittel vonDeutschland nach Kuwait importiert. Mit 1,05 Milliarden EUR im Jahr 2011 sankenzwar die deutschen Exporte nach Kuwait um11,7% im Vergleich zum Vorjahr, die Importeaus Kuwait nach Deutschland stiegen jedochim gleichen Zeitraum um 69,23% auf 101,35Millionen EUR im Jahr 2011. Kuwait engagiertsich vor allem in Form von ausländischen Di-rektinvestitionen in Deutschland. Seit 1987

28 Vgl. Xinhua News Agency: Kuwaiti, Iranian Defense Ministers Meet Over Military Cooperation, 21. Mai2002, http://www.news.xinhuanet.com/english/2002-05/21/content_401527.htm, abgerufen am07.08.2012, Alsis, Peter, Allison, Marissa, Cordesman, Anthony H.: U.S. and Iranian Strategic Competition in the Gulf States and Yemen, Center for Strategic & International Studies, März 2012.S. 26.

29 Vgl. Bushehr plant damage risks 90% radiation in Kuwait, in: Kuwait Times,http://www.news.kuwaittimes.net/2012/01/10/bushehr-plant-damage-risks-90-radiation-in-kuwait/, abgerufen am 01.08.2012.

30 Auswärtiges Amt: Beziehungen zu Deutschland, Kuwait, Juni 2012, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_52C3BC891E11F83B577347A133B51FA3/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ku-wait/Bilateral_node.html, abgerufen am 01.08.2012.

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existiert ein Abkommen zur Vermeidung derDoppelbesteuerung zwischen beiden Län-dern.

„Deutschland genießt [insgesamt] gro-ßes Ansehen.“ 31

Auch die Beziehungen des GKR und somitKuwaits zur Europäischen Union werden vonintensiven wirtschaftlichen Beziehungen do-miniert. Gespräche bezüglich eines Freihan-delsabkommens zwischen der EU und demGKR ziehen sich jedoch seit Jahren hin. DieGolfstaaten werfen der EU vor, dass sie Menschenrechtsfragen benutze, um die Handelsbedingungen zu beeinflussen.32 ImGegensatz dazu zeigen die Gespräche umein Freihandelsabkommen mit China großeFortschritte. Die Mitgliedsstaaten der Europä-ischen Union, insbesondere Deutschland,versuchen die Verbesserung der Wirtschafts-beziehungen mit Forderungen nach einer Liberalisierung der Region zu verknüpfen. Mitdem aufstrebenden China bekam die EUjedoch auf wirtschaftlicher Ebene große Kon-kurrenz. Dennoch sind beide Seiten an gutenpolitischen und wirtschaftlichen Beziehungeninteressiert, da ähnliche politische Interessenim Nahen Osten bestehen.Auf politischer Ebene werden die ähnlichenInteressen in Bezug auf die Wahrung der Sta-bilität in der unruhigen Golfregion hervorge-hoben. Beide regionale Organisationenwollen eine schnelle und friedliche Lösungdes Israelisch-Palästinensischen Konflikts aufBasis der Zwei-Staaten-Lösung und eine di-plomatische Lösung des iranischen Nuklear-programms. Aktuell wünschen sich beide eineFortführung des friedlichen Wechsels in Tu-nesien und Ägypten.33IV.2 ChinaDie politischen und wirtschaftlichen Bezie-hungen zu China haben erst in den letztenJahren an Bedeutung gewonnen. Zwar pflegen beide Staaten seit Kuwaits Unabhän-

gigkeit 1961 generell freundschaftliche Beziehungen, diese bewegten sich aber aufeinem niedrigen politischen und diplomati-schen Level. Die Wirtschaft spielte ebenfallskaum eine Rolle.Der Grund für die schwachen Beziehungenlag in der Isolierungspolitik der chinesischenFührung aufgrund der rigiden maoistischenIdeologie im frühen 20. Jahrhundert. Erst inden 1970er und 1980er Jahren wurde die Iso-lierung aufgeweicht. Die chinesische Führungerklärte nun die wirtschaftliche Modernisie-rung und die politische Stabilität zu neuen na-tionalen Zielen. Die Supermacht China richtet ihre Außenpoli-tik im Golf nicht nach den Bedürfnissen deskleinen Kuwaits aus. Jedoch ist ChinasAußenpolitik nicht konfrontativ ausgelegt.China verurteilte die irakische Invasion 1990„on principle“34, da einer der wichtigsten Eck-pfeiler seiner Außenpolitik das Prinzip derNichteinmischung und somit die Wahrung dernationalen Souveränität und der territorialenUnversehrtheit eines Landes ist, was sich der-zeit auch wieder in der Syrienpolitik Chinaszeigt. Aufgrund der gleichen Prinzipien unter-stützt Kuwait China im Streit um Taiwan.35Nach der Rückeroberung Kuwaits schlossdas Emirat Verteidigungs- und Sicherheits-pakte mit allen fünf Mitgliedern des UN-Si-cherheitsrats, einschließlich Chinas, was vorallem auf britischer und amerikanischer Seitefür Irritationen sorgte. Für Kuwait war jedochdie Garantie der eigenen Sicherheit wichtiger,außerdem blieben die USA die wichtigsteSchutzmacht. Im Bezug auf den Irak-Krieg 2003 und denUmgang mit dem iranischen Nuklearpro-gramm setzen die Chinesen andere Akzente.So lehnten die Chinesen, im Gegensatz zuKuwait, einen Krieg 2003 ab, allerdings warihre Ablehnung moderater als Frankreichsoder Russlands. Im Streit um das iranischeAtomprogramm spricht sich China gegen eineVerschärfung der UN-Wirtschaftssanktionen

31 Auswärtiges Amt: Beziehungen zu Deutschland, Kuwait, Juni 2012, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_52C3BC891E11F83B577347A133B51FA3/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ku-wait/Bilateral_node.html, abgerufen am 01.08.2012.

32 Niazi, Khizar: Kuwait Looks Towards the East: Relations with China, in: Eurasia Review, 19. Dezember2009, http://www.eurasiareview.com/19122009-kuwait-looks-towards-the-east-relations-with-china/, ab-gerufen am16.07.2012.

33 Vgl. EU High Representative Catherine Ashton visits the Gulf, 17-20 April, in: Press Release A 156/11(European Union), 17. April 2012, http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/EN/foraff/121571.pdf, abgerufen am 01.08.2012.

34 Chinese Embassy Kuwait: China and Kuwait, http://www.kw.chineseembassy.org/eng/sbgx/t580302.htm, abgerufen am 16.07.2012.

35 Vgl. Niazi, Khizar: Kuwait Looks Towards the East: Relations with China, in: Eurasia Review, 19. Dezember.2009, http://www.eurasiareview.com/19122009-kuwait-looks-towards-the-east-relations-with-china/, abgerufen am 16.07.2012.

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aus, da dies seine Wirtschafsbeziehungen zuIran negativ beeinflussen würde. Um seinerwachsenden Bevölkerung Wohlstand garan-tieren zu können, ist China auf den Außen-handel angewiesen. Immerhin stieg dieBevölkerung von 630 Millionen im Jahr 1960auf 1,35 Milliarden im letzten Jahr. Seit 1993kann China seinen Bedarf an Erdöl nicht mehrselbst decken und ist auf Importe angewie-sen. Mit 5,5 Millionen Barrel pro Tag im Jahr2011 ist China nach den USA mit 8,7 Millio-nen Barrel pro Tag der größte Importeur vonErdöl.36 Das Interesse an der Golfregion alsmöglicher Erdöllieferant war geweckt. Mittler-weile ist Kuwait unter den wichtigsten zehnExporteuren von Öl an China. Mit 191.000 Barrel pro Tag liegt Kuwait jedochhinter den GKR-Mitgliedsstaaten Saudi-Ara-bien mit 1 Million Barrel pro Tag und Oman mit363.000 Barrel pro Tag.37 Im Gegenzug in-vestiert der kuwaitische Staatsfonds, der eineeigene Repräsentanz im Land hat, zum Bei-spiel in die Agriculture Bank of China. Chinaswirtschaftliches Engagement knüpft sich kei-neswegs an politische Forderungen nach Li-beralisierung oder einer Verbesserung derMenschenrechtssituation, sondern wird alleinaus realpragmatischen, ökonomischen Inter-essen verfolgt. Im Gegensatz zu den USA hatChina kein Interesse an einer militärischenPräsenz in der Region. Sein Fokus liegt aufder Diplomatie, auf Handel (insbesondereWaffen) und Auslandsdirektinvestitionen. Mitder wachsenden Abhängigkeit Chinas vomErdöl aus der Region wird Chinas Rolle in derRegion zunehmen und als Konsequenz dar-aus können „gravierende und gefährlicheSpannungen“38 zwischen den SupermächtenChina und USA entstehen. Dies könnte zurFolge haben, dass sich Kuwait dann für einenSicherheits- und Wirtschaftspartner entschei-den müsste. In der nahen Zukunft wird sichChina jedoch auf seine Innenpolitik und somitauf die Wirtschafts- und Energiepolitik im Aus-land konzentrieren. Die chinesisch-kuwaiti-schen Beziehungen werden davon nochweiter profitieren. IV.3 USANeben den Golfstaaten sind die USA derwichtigste Verbündete Kuwaits. Auf interna-tionaler Ebene sind die bilateralen Beziehun-

gen zwischen Kuwait und den USA von her-ausragender Bedeutung für Kuwait. Mit demBedeutungsverlust der Briten in der Regionübernahmen die USA die Rolle der Schutz-macht für Kuwait in einer geopolitisch hoch-sensiblen Region. Diese engen Beziehungen sind eher neuerenDatums. Während der 1960er und 1970erJahre pflegte Kuwait im Sinne der blockfreienStaaten gute Beziehungen zur UdSSR undlehnte die amerikanische Unterstützung Israels weitgehend ab. Enge Beziehungenentwickelten sich erst aus der dominantenamerikanischen Rolle bei der Befreiung Kuwaits nach der irakischen Invasion 1990. Während der militärischen Operationen zurBefreiung Kuwaits 1990/91 war Kuwait selbstnicht direkt eingebunden. Die Entscheidun-gen fielen vor allem im UN-Sicherheitsrat aufInitiative der USA, die sich freien Zugang zumarabischen Öl sichern wollten. Kuwaits Re-gierung war in dieser Zeit praktisch hand-lungsunfähig und konnte sich aufgrund seinerbegrenzten militärischen Mittel nur geringe direkte Unterstützung bei den Militäroperatio-nen leisten. Finanzielle Hilfe leistete Kuwait(und Saudi-Arabien) stattdessen bei den Mili-täroperationen und der späteren UN-MissionUNIKOM zur Überwachung der entmilitari-sierten Zone an der Grenze von Irak und Kuwait.Der Irak-Krieg der USA 2003 zeigte, wie sehrdas Trauma der irakischen Invasion und dieFurcht vor einer möglichen Wiederholung diekuwaitische Gesellschaft prägt. Entgegen deroffiziellen Linie der Golfstaaten, einschließlichSaudi-Arabiens, die ebenfalls eine enge sicherheitsstrategische Partnerschaft mit denUSA unterhalten, gewährte Kuwait dem US-Militär großzügige Nutzungsrechte seinesTerritoriums. Die Stärke der amerikanisch-kuwaitischen Beziehungen lässt sich ebensodaran erkennen, dass die Regierung unterGeorge W. Bush 2004 Kuwait, neben Bahrain, zum einzigen „major non-NATO ally“der Golfregion bestimmte39. Die USA planenauch nach dem Rückzug aus dem Irak, einehohe Zahl von US-Soldaten in Kuwait zustationieren, vor allem um für alle Eventualitäten Iran betreffend vorbereitet zusein. Als weitere Maßnahme zum Schutz sei-

36 Vgl. U.S. Energy Information Administration: China, http://www.eia.gov/countries/cab.cfm?fips=CH, abgerufen am 16.07.2012.

37 Ebd.38 Yetiv, Steve A., Lu, Chunlong: China, Global Energy, and the Middle East, in: Middle East Journal, 61:2

(Spring, 2007), S. 216.39 Kathman, Kenneth: Kuwait: Post-Saddam Issues and U.S. Policy, in: CRS Report for Congress,

29. Juni 2005, http://www.fpc.state.gov/documents/organization/50259.pdf, abgerufen am 01.08.2012, S. 2.

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nes Territoriums ist Kuwait als erstes Mitglieddes GKR der Istanbul-Initiative der NATO bei-getreten,40 die engere bilaterale Beziehungenzwischen Kuwait und der NATO vor allem inden sicherheitspolitischen Bereichen Terroris-musbekämpfung und zur Verhinderung derVerbreitung von Massenvernichtungswaffenermöglicht.41Neben den militärischen und strategischenBeziehungen, die von herausragender Be-deutung für Kuwait sind, bestehen gute wirt-schaftliche Kontakte zu den USA. Mit seinerNeuorientierung zu den USA und der Ver-schlechterung der Beziehungen zur PLOnach dem Golfkrieg 1991 gab Kuwait denBoykott aller Güter auf, die nicht direkt in Is-rael hergestellt wurden. Davon profitiertenamerikanische Firmen im besonderen Maße.So sind die USA heute Kuwaits größtes Lie-ferland mit einem Volumen von 2,7 MilliardenUSD im Jahr 2011.42 Daneben ist Kuwait einwichtiger Abnehmer amerikanischer Rüs-tungsgüter, wie dem PATRIOT Abwehrsys-tem, wobei im März 2012 Rüstungsgeschäftemit einem Volumen von 9,8 Milliarden USDnoch nicht abgeschlossen waren.43V. Fazit und AusblickDie Außenpolitik Kuwaits wird von seinen gro-ßen Nachbarn Saudi-Arabien, Irak und Iranbestimmt. Dieses Schicksal teilt es sich mitden meisten anderen kleinen Staaten amGolf. Jedoch ist Kuwait das einzige Land, wel-ches in seiner Geschichte von einem seinergroßen Nachbarn, dem Irak, angegriffenwurde. Diese Erfahrung der eigenen Ver-wundbarkeit prägt bis heute seine Außenpoli-tik entscheidend.Als kleiner und außenpolitisch schwacherStaat kann Kuwait, wie es am eigenen Leiberfahren musste, nicht für seine eigene Si-cherheit und territoriale Unversehrtheit sor-

gen. Es ist daher auf den Schutz mächtigerexterner Akteure angewiesen. In diesemSinne orientiert sich Kuwait an Saudi-Arabienund hat sich unter den Schutz der VereinigtenStaaten gestellt. Mehr noch als Saudi-Arabienund Katar, die teilweise offiziell von der US-Linie abweichen, orientiert sich Kuwait hinge-gen deutlich an den USA. Die starkeOrientierung an den USA kann auf die Erfah-rung der irakischen Invasion zurückgeführtwerden. Momentan bestehen enge militäri-sche und sicherheitspolitische Bindungen mitden Vereinigten Staaten. Die amerikanischeArmee hat einen Großteil ihrer Streitkräfte imkleinen Emirat stationiert. Auch die Nähe zumMilitärbündnis der NATO sucht Kuwait aktiv. Die Beziehungen zum Irak verbessern sichlangsam aber stetig. War die kuwaitische Re-gierung, wie auch die anderen Golfstaaten,zunächst kaum an einer Normalisierung derBeziehungen zum Irak nach dem Sturz vonSaddam Hussein interessiert, vollzieht sichmomentan eine vorsichtige Annäherung. Kuwait musste erkennen, dass es seinen ei-genen Interessen schadete, die schiitischeRegierung im Irak zu marginalisieren. Druckder USA, die eine nachbarschaftliche Anbin-dung des Iraks wünschten, spielte sicherlichebenfalls eine Rolle. Doch die Beziehungensind noch immer angespannt. Kuwait erfährt bei anderen internationalen Ak-teuren vor allem aufgrund seiner Erdölres-sourcen gestiegene Aufmerksamkeit.Insbesondere die Beziehungen zu China be-ruhen auf kuwaitischen Öllieferungen nachChina und dem Export chinesischer Konsum-güter nach Kuwait. Mittelfristig scheint Chinakein Interesse an einer größeren politischenoder gar militärischen Rolle in der Region zuhaben.Linda Berger

40 Vgl. Auswärtiges Amt: Außenpolitik, Kuwait, Mai 2012, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpoli-tik/Laender/Laenderinfos/Kuwait/Aussenpolitik_node.html, abgerufen am 01.08.2012.

41 Vgl. The White House: Fact Sheet: The Istanbul Cooperation Initiative, 28.Juni 2004, www.georgewbushwhitehouse.archives.gov/news/releases/2004/06/20040628-2.html, abgerufen am 01.08.2012.

42 Vgl. United States Census Bureau: Trade in Goods with Kuwait, http://www.census.gov/foreign-trade/balance/c5130.html, abgerufen am 01.08.2012.

43 Vgl. U.S. Department of State: BackgroundNote: Kuwait,13.03.2012, http://www.state.gov/r/pa/ei/bgn/35876.htm, abgerufen am 01.08.2012.

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OmanI. Einleitung

Das Sultanat Oman gilt als Sonderfallauf der Arabischen Halbinsel. Fürdiese These gibt es diverse Argu-

mente, wie beispielsweise den nur im Omanpraktizierten ibaditischen Islam oder das, imVergleich zu anderen Golfstaaten wie denVereinigte Arabische Emirate (VAE) oderKatar, relativ große Land1, was nur über ge-ringe Öl- und Gasvorkommen verfügt2 und imVergleich zu den anderen Ländern des Golf-kooperationsrats (GKR) arm ist.3 Auch diegeografische Lage am nord-westlichen Randder Arabischen Halbinsel beeinflusste dieomanische Sonderrolle. So ist das Sultanatfür Jeffrey A. Lefebvre „much more of an In-dian Ocean state than a Persian Gulf state.“4Die Palastrevolution des Sohnes Qabusgegen seinen Vater 1970 war das einschnei-dendste Ereignis der jüngeren omanischenGeschichte. Während dieser Zeit drohte eineRebellion in der südlichen Dhofar-Region sichnach Norden auszudehnen, weshalb die Bri-ten, die eine historische Vorrangstellung inder Golfregion hatten, die Abdankung desalten Sultans zugunsten seines SohnesQabus erzwangen. Der neue Sultan leitete die„omanische Renaissance“ ein. Die Isolationunter dem alten Sultan wurde beendet unddas Sultanat schloss sich einer Reihe vonmultilateralen Organisationen wie den Ver-einten Nationen und der Arabischen Liga an.5Sultan Qabus legitimierte seine „paternalisticauthority“6 durch den Prozess der Nationen-bildung und einer umfangreichen Modernisie-rung des Landes.Diese gesellschaftlichen und innenpolitischenUnterschiede bilden – neben den Sachzwän-gen einer instabilen Region – wichtige Fakto-ren, welche die Rolle Omans in der Region

konstituieren. Laut omanischem Außenminis-terium beruht die Außenpolitik auf vier Prinzi-pien:

1. gute nachbarschaftliche Beziehungen2. nach außen gerichtete, internationalisti-sche Anschauung3. Pragmatismus4. Kooperation und Frieden zur Gewähr-leistung von Sicherheit und Stabilität.7

Als Konsequenz aus diesen Prinzipien undder relativen militärischen Schwäche in einerunruhigen Region betreibt Oman eine zu-rückhaltende Außenpolitik, die durch multila-terale Zusammenarbeit zur Mäßigung undEntspannung zwischen Konfliktparteien bei-tragen möchte. Im Zentrum dieses Kapitelssollen die auf der Arabischen Halbinsel ein-zigartige außenpolitische Strategie des Sult-anats und sein außenpolitischesBeziehungsgeflecht auf regionaler und inter-nationaler Ebene stehen. Zum tieferen Ver-ständnis wird der Analyse desBeziehungsgeflechts im nächsten Kapiteleine Übersicht über die historischen undinnenpolitischen Voraussetzungen vorange-stellt.II. Historische und innenpolitische Vor-aussetzungenDie Gesellschaft des Omans weist große kul-turelle und soziale Unterschiede zu den an-deren Staaten des Golfkooperationsrats(GKR) auf. Diese lassen sich auf zwei Fakto-ren zurückführen, die sich gegenseitig bedin-gen. Durch seine geografische Lage amnord-östlichen Rand der arabischen Halbinselwar Oman historisch vom Rest der Arabi-schen Welt getrennt und orientierte sich Rich-tung Indien und Ostafrika, womit es regenSeehandel betrieb und in letzterem im 19.Jahrhundert eine Vormachtstellung inne hatte.Omanische Gebiete im heutigen Pakistan und

1 Oman ist mit 309.500 km2 fast so groß wie Deutschland, während die VAE 83.600 km2, Katar 11.400 km2und Kuwait 17.800 km2 groß sind.

2 Oman verfügt über Erdöl- und Gasreserven von 5.500 Millionen Barrels, die VAE über 97.800 MillionenBarrel, Kuwait über 101.500 Millionen Barrels und Saudi-Arabien über 264.063 Millionen Barrels (Zahlensind dem Survey of Energy Resources 2010 entnommen).

3 Das kaufkraftbereinigte BIP von 2011 beträgt für Oman 26.519 und für Saudi-Arabien 24.237, während die anderen kleinen Golfstaaten eine hohe Kaufkraft aufweisen können: Kuwait mit 41.690, die VAE mit48.157 und Katar mit 102.943 (die Angaben des Internationalen Währungsfonds beziehen sich auf Inter-nationale Dollar).

4 Lefebvre, Jeffrey A.: Oman’s Foreign Policy in the Twenty-First Century, in: Middle East Policy, Bd. 17, Nr. 1 (2010), S. 106.

5 Vgl. ebd., S. 99. 6 Valeri, Marc: Oman, in: Christopher Davidson (Hrsg.): Power and Politics in the Persian Gulf Monarchies,

London 2011, S. 140. 7 Vgl. Sultanate of Oman, Ministry of Foreign Affairs: Foreign Policy,

http://www.mofa.gov.om/mofanew/index.asp?id=1, abgerufen am 29.08.2012.

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auf Sansibar führten zu großen Migrationsbe-wegungen.8 Daraus entwickelten die OmanisPragmatismus und Toleranz gegenüber frem-den Kulturen, der sich auch im zweiten Faktor,dem ibaditischen Islam widerspiegelt. Nur imOman stellen die Ibaditen mit 75% die Mehr-heit. Im achten Jahrhundert entstanden, wer-den sie weder den Sunniten noch denSchiiten zugerechnet. Konsens (arab. ijma)und die Gemeinschaft (arab. umma) sind vonzentraler Bedeutung. Politische Gewalt wirdebenso abgelehnt wie extreme Meinungen.Ibaditen weisen sich durch ihren Konserva-tismus und ihre Toleranz aus.9 Diese beidenFaktoren bestimmen die innen- und außen-politische Sonderrolle Omans in der Arabi-schen Welt. Obwohl das Sultanat Oman – wie die ande-ren Golfstaaten – eine Monarchie ist, so zeigtsich auch hier seine Sonderrolle. Oman wirdnicht von einem Stamm oder einer Familie re-giert, sondern von einem Sultan, der sich mitder Kaufmannselite des Landes verbündete.Der Sultan bündelt alle Macht in seiner Per-son. Gesetze werden in Form von „royal de-crees“ (dt. königliche Erlässe) erlassen.Allerdings kennt auch die omanische Monar-chie die Tradition der majlis, so reist der Sul-tan jeden Herbst selbst durch das Land, umvor Ort diese Versammlungen abzuhalten, beidenen sich die Bürger direkt an den Sultan mitWünschen und Beschwerden wenden kön-nen.10Seit 1996 gibt es eine vom Sultan erlassendeverfassungsmäßige Ordnung (engl. BasicLaw of the State), die die Vorrangstellung desSultans bestätigt und gleichzeitig Bürger- undFreiheitsrechte stärkt. Eine Beratende Ver-sammlung (arab. Majlis al-Shura) existiert seit1991, besitzt allerdings keine gesetzgebende

Gewalt. Alle Omanis, Männer und Frauen, be-sitzen das aktive und passive Wahlrecht. AlsGegengewicht zur Beratenden Versammlungwurde 1997 der Staatsrat (arab. Majlis al-Daula) geschaffen, deren Mitglieder vom Sul-tan ernannt werden.11In den letzten Jahren gab es auch im Omanaufgrund von Korruption und anderen sozia-len Missständen Unzufriedenheit in der Be-völkerung. So kam es zur Zeit des„Arabischen Frühlings“ zu vergleichsweisekleineren Protestmärschen, vor allem getra-gen durch junge Omanis, die eine Anhebungder Löhne und Senkung der Lebenshaltungs-kosten forderten. Neben den oben genanntenForderungen, waren staatliche Jobbeschaf-fung und die Bekämpfung von Korruptionwichtige Themen. Ein Regimewechsel warallerdings nicht Ziel der Proteste. Im Gegen-teil: Der Großteil der Bevölkerung stand loyalhinter Sultan Qabus. Auf einige Forderungender Demonstranten ging der Sultan ein. Unteranderem erweiterte er die Befugnisse der Be-ratenden Versammlung erheblich.12 Oman versucht sowohl die Wirtschaft zu diversifizieren als auch die Erdölfördermenge,die in den letzten Jahren zurückging, durch Investitionen zu erhöhen.13 Wie auch in denanderen Golfstaaten wurden die Erdölein-nahmen zur Finanzierung eines umfangrei-chen Leistungs- und Subventionskatalogsgenutzt. Die Erfolge des Sultanats seit 1970sind weitreichend. So stieg die Lebenserwar-tung aufgrund der generellen Verbesserungder Lebensbedingungen von 40 Jahren in den1960er Jahren auf 72 Jahre im Jahr 2008.Ebenso sind 96% der Omanis heute ans Elektrizitäts- und/oder Gasnetzwerk angeschlossen.14

8 Genau Zahlen zur ethnischen Verteilung der Omanis liegen nicht vor. Dennoch kann man sagen, dass dieBaluchis von der Makran-Küste im heutigen Iran und Pakistan die größte Gruppierung bilden. Schät-zungen gehen von einem Anteil von ca. 12% an der Gesamtbevölkerung aus. Weitere kleinere Gruppierungen indischer Herkunft lassen sich auf die historischen Handelsbeziehungen zurückführen. Die Khojas aus dem Irak und Iran sind vor allem Schiiten. Ebenfalls auf historische Handelsbeziehungen lässtsich die Vielzahl von ostafrikanischen Omanis erklären, die Ex-Sklaven sind oder aus Sansibar, einemehemaligen Gebiet Omans, in das Sultanat eingewandert sind.

9 Vgl. Lefebvre, Jeffrey A.: Oman’s Foreign Policy in the Twenty-First Century, in: Middle East Policy, Bd.17, Nr. 1 (2010), S. 110.

10 Vgl. Hermann, Rainer: Die Golfstaaten, Wohin geht das neue Arabien?, München 2011, S. 308. 11 Vgl. Valeri, Marc: Oman, in: Christopher Davidson (Hrsg.): Power and Politics in the Persian Gulf

Monarchies, London 2011, S. 144.12 Vgl. Auswärtiges Amt: Innenpolitik Oman, März 2012, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/

Laender/Laenderinfos/Oman/Innenpolitik_node.html, abgerufen am 29.08.2012.13 Vgl. Valeri, Marc: Oman, in: Christopher Davidson (Hrsg.): Power and Politics in the Persian Gulf Monar-

chies, London 2011, S. 146. Im Oman ist die Ölförderung aufgrund der vielen kleinen Felder vergleichsweise aufwendig.

14 Für weitere Zahlen siehe Valeri, Marc: Oman, in: Christopher Davidson (Hrsg.): Power and Politics in thePersian Gulf Monarchies, London 2011, S. 145.

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III. Rolle in der Region Das Sultanat misst seiner unmittelbarenNachbarschaft im Golf eine große Bedeutungzu. In einer unstabilen Region mit konkurrie-renden Regionalmächten und vielfältigen gesellschaftlichen und konfessionellen Span-nungen gelingt es Oman, seine Sicherheitund Stabilität zu erhalten, indem es seineAußenpolitik nach dem Prinzip des Pragma-tismus und der Mäßigung ausrichtet. Sowohlzu den Staaten des GKR, Jemen, der VAE,Irak und Iran lässt sich dies beobachten.III.1 GKR und Saudi-ArabienObwohl die Beziehungen Omans zu den an-deren Staaten des GKR als eng gelten15, soliegt dies nicht so sehr an den gleichen Inter-essen der Länder, sondern an den Grund-pfeilern der omanischen Außenpolitik. Sonennt das omanische Außenministerium gutenachbarschaftliche Beziehungen und Prag-matismus als zwei der vier Prinzipien deromanischen Außenpolitik.16 Meistens werdendie Beschlüsse des GKR mitgetragen bezie-hungsweise nicht abgelehnt. Oman drängtsich generell in multilateralen Organisationennicht in den Vordergrund. Die Rolle des Wort-führers wird anderen Staaten wie Saudi-Ara-bien und Katar überlassen. Oman unterscheidet sich in einer Reihe vonThemen von den anderen Mitgliedern desGKR. So sieht Oman seine schiitische Min-derheit nicht als ein „Iranian Trojan House“17an. Außerdem wünscht sich Oman eine Mit-gliedschaft Irans und des Iraks neben Jemen,um im Sinne von Kooperation in einer multi-lateralen Organisation für Sicherheit und Sta-bilität zu sorgen. Dies widerspricht densaudischen Ambitionen, die den GKR alsGegengewicht zu Iran aufbauen wollen unddie schiitische Regierung im Irak mit großemMisstrauen beobachten. Laut Valeri erklärtOmans Sorge vor externer Einmischung inseine inneren Angelegenheiten, warum Omansich teilweise gegen seinen mächtigen Nach-barn Saudi-Arabien stellt.18 Dazu gehört auch

die Sorge um eine Radikalisierung der Sunni-ten durch den wahhabitischen Islam, der inSaudi-Arabien Staatsreligion ist. Die Nicht-mitgliedschaft in der OPEC und der Beginndes Ramadan im Oman einen Tag später alsin Saudi-Arabien sind weitere Beispiele. Je-doch scheint Saudi-Arabien diese eigenstän-dige Politik Omans zu tolerieren – und Omanim Sinne des Pragmatismus bedacht daraufzu sein, Saudi-Arabien nicht unnötig zu pro-vozieren – da es bis heute keine größerenUnstimmigkeiten zwischen beiden Staatengab.19 Die Einigung über die gemeinsameGrenze 1999 und die großzügigen finanziel-len Hilfen von Saudi-Arabien zeugen von denguten Beziehungen. Zu diesen finanziellenHilfen gehören die 20 Milliarden USD, dieOman zusammen mit Bahrain erhielt, um dieMonarchen bei sozialen Konzessionen an dieProtestler zu unterstützen. Obwohl offiziellvom GKR, war Saudi-Arabien der größte Bei-tragszahler. Im Zuge der Umbruchprozesse in einigen ara-bischen Ländern erhielt Oman vom GKR einHilfspaket von über 20 Milliarden USD. Sultan Qabus reagierte jedoch auch mit Zugeständnissen an die Demonstranten inForm einer Ausweitung der Kompetenzen der Beratenden Versammlung. Wie in den ande-ren arabischen Golfstaaten gingen diese Zugeständnisse jedoch nicht so weit, die Ge-setzgebungsgewalt des Herrschers einzu-schränken. Im Gegensatz zu anderen Golfstaaten spielteOman keine aktive Rolle bei der Unterstüt-zung der Rebellen in Lybien. Weder wurdenWaffen oder Informationen an die Rebellengeliefert, noch erkannte man den neuen Na-tionalen Übergangsrat vor dem Fall von Tri-polis am 21. August 2011 als legitimeRegierung Libyens an.20 Im Vergleich zu denanderen Golfstaaten wie Katar oder den VAEverhielt sich Oman außerordentlich vorsichtigund abwartend. Auch sandte man keine Trup-pen, um die Aufstände in Bahrain zu beruhi-gen.21 Im Syrienkonflikt teilt Oman dieMeinung und Pläne der Arabischen Liga und

15 Vgl. Auswärtiges Amt: Außenpolitik Oman, März 2012, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Oman/Aussenpolitik_node.html, abgerufen am 29.08.2012.

16 Vgl. Sultanate of Oman, Ministry of Foreign Affairs: Foreign Policy, http://www.mofa.gov.om/mofanew/index.asp?id=1, abgerufen am 29.08.2012.Die anderen beiden Prinzipien sind eine internationalistische Einstellung und die Erreichung von Sicherheit und Stabilität durch Kooperation und Frieden anstatt durch Konflikte.

17 Valeri, Marc: Oman, in: Christopher Davidson (Hrsg.): Power and Politics in the Persian Gulf Monarchies,London 2011, S. 152.

18 Vgl. ebd., S. 151. 19 Vgl. ebd.20 Vgl. Katzman, Kenneth: Oman: Reform, Security, and U.S. Policy, in: CRS Report for Congress,

13.Januar 2012, S. 15.21 Vgl. ebd., S. 15.

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tritt nicht als eigenständiger Wortführer her-vor. Die Außenpolitik des Omans verändertesich nicht grundlegend im Zuge des „Arabi-schen Frühlings“. Im Allgemeinen haben die Umbruchprozessezu einem Schulterschluss unter den Staatendes Golfkooperationsrats geführt, was durch-aus im Sinne Omans ist. Jedoch werden nachomanischer Meinung wichtige Akteure inner-halb der Region ausgeschlossen, deren Ein-bindung aber essential für Frieden undSicherheit in der Region sind. Nur gegensei-tiges Vertrauen und ein Machtausgleich zwi-schen den Golfstaaten auf der einen und denregionalen Mächte auf der anderen Seite22können langfristig zur Sicherheit in der Regionbeitragen. III.2 Jemen Die Beziehungen zum Jemen waren und sindvon Pragmatismus gekennzeichnet, obwohldas Verhältnis in der Vergangenheit schwie-rig war. Bis 1990 war der Jemen in einen mar-xistisch-prosowjetischen Südjemen und einenNordjemen, der von Saudi-Arabien und west-lichen Staaten unterstützt wurde, geteilt. DerSüdjemen unterstützte die Rebellen der Dho-far Liberation Front in ihrer Rebellion gegendas Sultanat Oman von 1962 bis 1976. In den1980er Jahren führten Gespräche zwischendem Südjemen und Oman unter Vermittlungvon Kuwait zu einer diplomatischen und wirt-schaftlichen Annäherung der beiden früherenKonfliktparteien. Mit der Vereinigung zur Re-publik Jemen 1990 verbesserten sich die Be-ziehungen entscheidend. Im September 2008wurden Diskussionen über den Aufbau einesgemeinsamen Zentrums zur Pirateriebe-kämpfung begonnen, da beide Länder unterÜberfallen von Piraten leiden.23Die Aufstände 2011 im Jemen betrachteteOman mit Sorge, da man destabilisierendeAuswirkungen seines südlichen Nachbarn aufdie Region befürchtete. Eine Destabilisierung

des Jemens, wo sunnitische Extremisten re-lativ frei operieren können,24 läuft der omani-schen Außenpolitik, die auf Stabilität undSicherheit in der Region ruht, zuwider. Jedochverfolgte Oman weder eine eigene Linie, nochexponierte es sich in den Verhandlungen füreinen friedlichen politischen Wechsel. Erste-res war nicht nötig, da sich Omans außenpo-litische Ziele mit denen der anderen Staatendes GKR deckte. Letzteres hätte dem zu-rückhaltenden Auftreten Omans widerspro-chen. III.3 VAEObwohl sich Oman mit den Emiraten (undSaudi-Arabien) in den 1950er Jahren einenerbitterten Kampf um die Buraimi-Oase gelie-fert hatte,25 sind die Beziehungen heute rela-tiv gut. Die guten Beziehungen beruhen vorallem auf der besseren persönlichen Bezie-hung zwischen Sultan Qabus und SheikhZayed bin Sultan Al-Nahyan, dem Präsiden-ten der Föderation und Emir von Abu Dhabi,in den 1980er Jahren.26 Diese führten auchim Mai 1999 zur endgültigen Festlegung dergemeinsamen Grenze und einem Ende derdrei Jahrzehnte schwelenden Grenzdispute.Nach Abschluss des Vertrags verbessertensich die wirtschaftlichen Beziehungen zwi-schen dem Oman und der VAE exponentiell.So wuchs das Handelsvolumen zwischen bei-den Ländern allein zwischen 2007 und 2008um 120% auf 2,4 Milliarden USD. Im Jahr2004 betrug es nur 286 Millionen USD.27Der Tod des Präsidenten der VAE 2004 je-doch führte zu wachsenden politischen Span-nungen. Die Konflikte um die Buraimi-Oasemit der Stadt Al-Ain, die zu den Emiraten ge-hört, flammten wieder auf. Außerdem kritisie-ren die VAE die nachlässigen omanischenGrenzkontrollen, wodurch viele Immigrantenaus Südostasien illegal aus Oman in die Emi-rate einwandern. Die engen Beziehungen derEinwohner im Nord-Westen Omans zur VAEnähren omanische Befürchtungen vor einer

22 Sultanate of Oman, Ministry of Foreign Affairs: Oman’s Regional and Global Priorities, http://www.mofa.gov.om/mofanew/index.asp?id=2, abgerufen am 29.08.2012.

23 Vgl. Katzman, Kenneth: Oman: Reform, Security, and U.S. Policy, in: CRS Report for Congress,13. Januar 2012, S. 15.

24 Die größte und bekannteste Gruppierung sind al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel und Ansar al-Sharia, die bis Mai 2012 große Teile der Provinz Abyan im Südjemen kontrollierten.

25 Vgl. Al-Sayegh, Fatma: The UAE and Oman: Opportunities and Challenges in the Twenty-First Century,in: Middle East Policy, Bd. 9, Nr. 3 (2002), S. 124.

26 Vgl. Valeri, Marc: Oman, in: Christopher Davidson (Hrsg.): Power and Politics in the Persian Gulf Monar-chies, London 2011, S. 154.

27 Vgl. United Arab Emirates, Ministry of Foreign Trade: Features of UAE Foreign Trade with Gulf Coopera-tion Council States, Juni 2009, S. 6.

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Abspaltung dieser Regionen. Viele Omanisarbeiten in den VAE28 und viele der lokalenomanischen Eliten sind mit Familien in Shar-jah und Dubai durch Heirat und Geschäftsbe-ziehungen verbunden. Wie besorgt der Sultandarüber ist, zeigen die jährlichen Reisen desSultans durch sein Land, welche sich 2005und 2007 auf den Nord-Westen konzentrier-ten.29 Allerdings sind auch hier keine großenund offenen Konflikte zu erwarten, da dieomanische Außenpolitik nicht offensiv, son-dern defensiv ausgerichtet ist. III.4 IrakAuch die Beziehungen zum Irak zeigen dengleichen Pragmatismus und Zurückhaltungwie zu den anderen Staaten. Zwar schlosssich der Oman der internationalen Verurtei-lung des irakischen Einmarschs in Kuwait1990 als einen Bruch des Völkerrechts an,brach aber nicht seine Beziehungen zum Irakab.30 Im Sinne einer multilateralen Zu-sammenarbeit unterstützte Oman ebenso dieUS-Militäroffensive gegen den Irak und dasspätere Sanktionsregime gegen den Irak,gleichzeitig verbesserte das Sultanat aberseine Beziehungen zum internationalenAußenseiter Irak.31 Dieser vermeintlicheWiderspruch liegt im Glauben begründet,dass nur bi- und multilaterale Zusammenar-beit langfristig zu Sicherheit und Stabilität füh-ren werden. Diese Linie verfolgt Omankonsequent, unabhängig davon, ob wichtigePartner eine andere Politik betreiben. Die glei-che Strategie war auch im Irak-Krieg 2003 zubeobachten. Obwohl sich Oman der offiziel-len Linie der arabischen Staaten anschlossund den US-Einmarsch ablehnte, leisteteOman stillschweigend logistische Unterstüt-zung des US-Militärs.32 Die gleiche Strategieverfolgte auch der große Nachbar Saudi-Ara-bien.

In der Einschätzung der aktuellen politischenLage im Irak schließt sich Oman der offiziellenLinie des Golfkooperationsrats an. Man zeigtsich bestürzt über die schiitisch-islamistischeVorherrschaft im neuen Irak.33 Ebenso wer-den die engen irakischen Beziehungen zumIran mit Sorge betrachtet. Im Vergleich zu an-deren Golfstaaten stellte das Sultanat mit 3Mio. USD eine relativ kleine Summe zum ira-kischen Wiederaufbau bereit.34 Allerdings istder Oman auch das ärmste Land der Golf-staaten und fürchtet eine iranische Unter-wanderung der eigenen Bevölkerung amWenigsten. Generell steht Oman dem Iraknicht so nahe wie die anderen Staaten desGKR, was allein schon in der geografischenDistanz begründet liegt. III.5. IranIm Vergleich zu den anderen Golfstaaten wirddem Oman nachgesagt, Iran politisch amnächsten zu stehen.35 Die traditionell engeBindung resultiert vor allem auf dem regenHandel zwischen beiden Staaten. Bis heute,insbesondere in Zeiten der Sanktionen gegenIran, stellt die Route Oman-Iran eine wichtigeSchmuggelroute dar.36 Jedoch fußen die guten Beziehungen nichtnur auf der Wirtschaft, sondern auch aufgegenseitiger Unterstützung. Der iranischeSchah unterstützte Oman 1975 militärisch beider Niederschlagung der Dhofar-Rebellion,die vom marxistischen Südjemen unterstütztwurde.37 Vor dem Hintergrund dieser wichti-gen militärischen Unterstützung Irans brachOman höchstwahrscheinlich seine Beziehun-gen zu Iran nach der Islamischen Revolution1979 und während des Irak-Iran-Kriegs in den1980er Jahren nicht ab.Die Sorgen der anderen Golfstaaten und derwestlichen Staaten hinsichtlich des iranischen

28 So stellen Omanis die Mehrzahl der Polizeikräfte in den VAE (vgl. Peterson, J.E.: The Future of Federa-lism in the United Arab Emirates, http://www.jepeterson.net/sitebuildercontent/sitebuilderfiles/ Future_of_Federalism_in_UAE.pdf, abgerufen am 29.08.2012.

29 Vgl. Valeri, Marc: Oman, in: Christopher Davidson (Hrsg.): Power and Politics in the Persian Gulf Monar-chies, London 2011, S. 155.

30 Vgl. ebd., S. 152. 31 Vgl. Lefebvre, Jeffrey A.: Oman’s Foreign Policy in the Twenty-First Century, in: Middle East Policy,

Bd. 17, Nr. 1 (2010), S. 101.32 Vgl. ebd.33 Katzman, Kenneth: Oman: Reform, Security, and U.S. Policy, in: CRS Report for Congress, 13. Januar

2012, S. 13. 34 Vgl. ebd., S. 14. 35 Vgl. ebd., S. 12.36 Vgl. Lefebvre, Jeffrey A.: Oman’s Foreign Policy in the Twenty-First Century, in: Middle East Policy,

Bd. 17, Nr. 1 (2010), S. 101. 37 Vgl. Katzman, Kenneth: Oman: Reform, Security, and U.S. Policy, in: CRS Report for Congress,

13. Januar 2012, S. 13.

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Atomprogramms und einer neuen schiitischenDominanz in der Region teilt Oman nicht un-eingeschränkt. Zwar würden ein Iran mitAtomwaffen und ein arabisches Wettrüstenden Grundsätzen der omanischen Außenpo-litik zur Gewährung von Sicherheit und Stabi-lität zuwiderlaufen, jedoch betont Omangleichzeitig das Recht eines jeden Staates auffriedliche Nutzung der Kernenergie. In diesemSinne lehnt Oman es ab, sich dem Druck deranderen Golfstaaten zu beugen und sich öf-fentlich von Iran zu distanzieren. Erneut zeigtder Oman seine Unabhängigkeit in derAußenpolitik. Diese zeigte sich ebenfalls, alsSultan Qabus Iran im August 2009 zum erstenMal nach der Islamischen Revolution be-suchte. Dieser Besuch wurde von Beobach-tern als Signal verstanden, dass dieWiederwahl von Mahmud Ahmadinedschaddie omanisch-iranischen Beziehungen nichtnegativ beeinflusste.38 Ein Jahr später folgteein Sicherheitsabkommen zwischen beidenStaaten.Die Gründe für die guten Beziehungen zu Iran– während die anderen arabischen StaatenIran mit großem Misstrauen begegnen – sindvielfältig. Zunächst lebt im Oman keine nen-nenswerte schiitische Gemeinde, sodassOman keine Unterwanderung durch Iran be-fürchtet, wie es zum Beispiel Bahrain undSaudi-Arabien tun. Weiterhin gehen einigeBeobachter davon aus, dass eine möglicheAusbreitung des wahhabitischen Islam ausSaudi-Arabien im Oman dem Sultan größereSorgen bereitet, weshalb Oman Iran als re-gionales Gegengewicht zu Saudi-Arabiensieht. Obwohl dies sicher auch eine Rollespielt, so ist doch davon auszugehen, dassOmans “more accommodating approach“39ein Resultat seiner defensiven Außenpolitikist. Insbesondere, da Oman sich die Straßevon Hormuz mit Iran teilt.40 Pragmatismusund Zuvorkommenheit bedingen für Omanhier Sicherheit nach außen. Aufgrund seinerguten Beziehungen zu Iran stellt sich Omanden USA immer wieder als Vermittler zwi-schen Iran und den USA zur Verfügung. Mitomanischer Hilfe wurden so Freilassungenvon Gefangenen aus Iran veranlasst.IV. Internationale PerspektiveAuf internationaler Ebene bestimmen wirt-schaftliche und sicherheitspolitische Überle-

gungen das außenpolitische Handeln Omans.Ersteres ist bei den Beziehungen zu China,letzteres bei denen zu den USA in Reinformzu beobachten. Deutschland spielt insoferneine Sonderrolle, als dass die Beziehungen,neben wirtschaftlichen, ebenfalls auf wissen-schaftlich-technischer Ebene sehr intensivsind. IV.1 Deutschland und die EUAuf bilateraler Ebene sind die Beziehungenzwischen Deutschland und Oman sehr gut.Insbesondere auf wissenschaftlich-techni-scher Ebene besteht eine enge Zusammen-arbeit, die weiter ausgebaut wird. Deutsche Firmen sind seit den 1960er Jahrenim Land aktiv. Dieses lange Engagementsorgte für ein beachtliches Vertrauen. FürOman ist Deutschland einer der wichtigstenHandelspartner. 2011 beliefen sich die deut-schen Exporte auf 83,12 Mio. EUR, obwohlanzunehmen ist, dass der tatsächliche Werthöher ist, da ein Teil der deutschen Exporteüber die VAE abgewickelt wird. Die deutschenImporte aus dem Oman waren 2011 mit 36,7Mio. EUR geringer. Dies liegt auch daran,dass Deutschland bisher kein omanisches Ölund Gas direkt importiert. Seit 1978 existierteine gemeinsame deutsch-omanische Wirt-schaftskommission und am 4. April 2010 tratein bilaterales Investitionsförderungs- und -schutzabkommen in Kraft. Sowohl als Mes-seplatz als auch für medizinischeBehandlungen wird Deutschland immer be-liebter und wichtiger für Omanis. Obwohl noch kein Kulturabkommen zwischenDeutschland und Oman besteht, ist die wis-senschaftlich-technische Zusammenarbeitvon großer Bedeutung. Deutschland unter-stützt Oman in vielfältiger Hinsicht bei derWeiterentwicklung des Bildungssektors, demvom Sultan eine Schlüsselfunktion für die wei-tere Entwicklung des Landes zugeschriebenwird. So eröffnete im Oktober 2007 die Ger-man University of Technology mit dem deut-schen Partner RWTH Aachen. Die DeutscheGesellschaft für Internationale Zusammenar-beit (GIZ) GmbH beriet das omanische Ar-beitsministerium beim Ausbau desBerufsbildungssektors. Des Weiteren soll inder Sekundarstufe ab 2012 Deutsch alsFremdsprache im Rahmen eines Pilotprojekts

38 Vgl. Katzman, Kenneth: Oman: Reform, Security, and U.S. Policy, in: CRS Report for Congress,13. Januar 2012, S. 13.

39 Alsis, Peter, Allison, Marissa, Cordesman, Anthony H.: U.S. and Iranian Strategic Competition in the GulfStates and Yemen, Center for Strategic & International Studies, März 2012, S. 39.

40 40% der weltweiten Erdölproduktion gelangen durch die Straße von Hormuz, deren Fahrrouten haupt-sächlich in omanischen Gewässern liegen.

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eingeführt werden. Ein Ende der engen wis-senschaftlichen und technischen Zusammen-arbeit ist nicht in Sicht.41 Die Beziehungen zurEU bestehen vor allem auf multilateralerEbene zwischen dem GKR und der EU. Siesind generell freundlich und bestehen vorallem aus gemeinsamen wirtschaftlichenInteressen. Seit 1990 ist ein Kooperationsab-kommen zwischen beiden Parteien in Kraft.Die Bedeutung der wirtschaftlichen Bezie-hungen und der baldige Abschluss eines Frei-handelsabkommens zeigen sich ebenfallsdarin, dass das omanische Außenministeriumnur diese Themen auf seiner Homepage an-spricht.42 Ebenso wie Oman befürwortet dieEU eine stabilisierende Politik in der Region,wobei jedoch die EU Iran gegenüber einendeutlich kritischeren Ton anschlägt. Durch dieVerschärfung der EU-Sanktionen gegen Iranblüht der Schmuggel zwischen Iran undOman, der von omanischer Seite nicht ge-ahndet wird. IV.2 USADas Sultanat Oman ist Langzeitverbündeterder USA am Golf. Seit 1980 ein Militärabkom-men abgeschlossen wurde, gestattete Omanden USA für bislang jeden militärischen Ein-satz am Golf Zugang zu omanischen militäri-schen Einrichtungen.43 Formal begannen dieBeziehungen schon 1833 mit dem Abschlusseines Freundschaftsvertrags zwischen Omanund den USA.44 Nach der ThronbesteigungSultan Qabus’ im Jahr 1970 und dem Endeder isolationistischen Außenpolitik, eröffnetendie USA 1972 eine Botschaft in Muskat, derHauptstadt des Omans, ein Jahr später folgtedie Eröffnung der omanischen Botschaft inWashington D.C. Die Beziehungen beider Länder beruhen vorallem auf dem großen Sicherheitsbedürfnisdes Omans in einer unstabilen Region undden amerikanischen geo-strategischen Inter-essen am Golf. Obwohl Oman eine der ambesten ausgebildeten Soldaten des GKR

hat,45 ist auch Oman, neben den anderenkleinen Golfstaaten, auf Schutz durch einenmächtigen Partner angewiesen. In diesemSinne schloss Oman nach der IslamischenRevolution im Iran 1979 sehr schnell ein Ver-teidigungsabkommen mit den USA. Die an-deren Staaten des Golfkooperationsratsmieden zu enge offizielle Kontakte zu denUSA so kurz nach dem, durch die USA ver-mittelten, Ägyptisch-Israelischen Friedens-vertrag von 1979.46 Ein weiteres Indiz für dieunabhängige Außenpolitik Omans, die oft-mals pragmatische Entscheidungen vor ideo-logische stellte. Während des Irak-Iran-Kriegs lehnte Omanden „Tankerkrieg“, in dem US-Militärschiffekuwaitischen Öltankern Geleit gaben, ab, dadas Sultanat einen möglicherweise daraus re-sultierenden Krieg zwischen den USA undIran befürchtete. Dennoch wurden die Bezie-hungen zu keinem der Konfliktparteien abge-brochen. Oman unterstützte einerseits dieUSA logistisch und vermittelte andererseitsdie Freilassung von Iranern, die von der US-Marine gefangengenommen wurden.47 Auchhier zeigt sich die auf Pragmatismus und Zu-rückhaltung beruhende omanische Außenpo-litik. Die US-Militärpräsenz verringerte sich nachdem Ende des Kalten Krieges proportional mitdem Rückgang des Bedrohungspotenzials inder Region. Nach dem 11. September 2001schloss sich Oman „schnell und öffentlich“48dem amerikanischen „Kampf gegen den Ter-ror“ an und gewährte den Amerikanern dieNutzung omanischer Luftwaffenstützpunktefür militärische Operationen in Afghanistan.Ebenso wie die USA, befürchtet der Sultanden destabilisierenden Faktor islamistischerExtremisten im In- und Ausland. Während dieOperation in Afghanistan vorbehaltlos vomSultanat unterstützt wurde, warnte Oman dieUSA vor den destabilisierenden Folgen einesKrieges gegen den Irak in der Region. Mit dieser Warnung war Oman in der Region

41 So weit nicht anders angegeben beziehen sich die Angaben auf: Auswärtiges Amt: Beziehungen zwischen dem Sultanat Oman und Deutschland, März 2012, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussen-politik/Laender/Laenderinfos/Oman/Bilateral_node.html, abgerufen am 29.08.2012.

42 Vgl. Sultanate of Oman, Ministry of Foreign Affairs: Gulf & Europe Forum, http://www.mofa.gov.om/mof-anew/index.asp?id=3, abgerufen am 29.08.2012.

43 Vgl. Alsis, Peter; Allison, Marissa; Cordesman, Anthony H.: U.S. and Iranian Strategic Competition in theGulf States and Yemen, Center for Strategic & International Studies, März 2012, S. 40.

44 Vgl. ebd., S. 39. 45 Vgl. Katzman, Kenneth: Oman: Reform, Security, and U.S. Policy, in: CRS Report for Congress,

13. Januar 2012, S. 9. 46 Vgl. Lefebvre, Jeffrey A.: Oman’s Foreign Policy in the Twenty-First Century, in: Middle East Policy, Bd.

17, Nr. 1 (2010), S. 101. 47 Vgl. ebd., S. 100. 48 Ebd., S. 104.

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nicht alleine. Nach einhelliger Meinung vonBeobachtern ist die Militärpräsenz der Ameri-kaner im Oman in den letzten Jahren erneutgesunken, da Oman eine zu einseitige Aus-richtung seiner Politik auf die USA und eineVerärgerung von Islamisten und Iran befürchtet.49 Laut Jeffrey A. Lefebvre sind dieBeziehungen dadurch und durch die geringe-ren Finanzhilfen der USA „gesünder“50 ge-worden, da keine einseitige AbhängigkeitOmans gegenüber den USA festzustellen sei. Ein möglicher Militärschlag der USA gegenIran wird vom Oman abgelehnt. Es würdeeiner defensiven, auf guten nachbarschaft-lichen Beziehungen beruhenden Außenpolitikzuwiderlaufen. Die USA kritisieren die gutenBeziehungen des Omans zu Iran bisherkaum, auch weil sie von den daraus resultie-renden Freilassungen von Gefangenen, wiezuletzt im September 2010,51 profitieren.Auf die Unruhen 2011 im Oman reagierte dieUS-Regierung verhalten, da die Unruhen alsrelativ unbedeutend erachtet wurden. Trotzdes Einsatzes von Sicherheitskräften gingSultan Qabus schnell auf einige der Forde-rungen der Protestler ein, was die USA mitveranlasste, keine Kritik am Vorgehen deromanischen Regierung zu äußern. Nicht nur auf militärisch-politischer Ebene be-stehen enge Beziehungen, sondern auch imwirtschaftlicher Bereich. Zwischen beidenLändern besteht ein bilaterales Freihandels-abkommen, welches im September 2009 vonden USA ratifiziert wurde.52 Die USA sind fürOman der viertgrößte Handelspartner.53Oman exportierte 2010 und 2011 jeweilsWaren im Wert von 773 Mio. und 2,2 Mrd.USD und importierte im gleichen ZeitraumWaren im Wert von 1,1 Mrd. und 1,4 Mrd.USD.54 Oman importiert aus den USA haupt-sächlich Maschinen, Fluggeräte, landwirt-schaftliche Produkte und optische undmedizinische Instrumente und exportiert

Erdöl, Plastik und Eisen- und Stahl-Pro-dukte.55IV.3 China und der asiatische RaumDie Beziehungen zwischen Oman und demasiatischen Raum gehen auf historische wirt-schaftliche Bindungen zwischen den Anrai-nern des Indischen Ozeans zurück. Auch dieErneuerung der historischen Beziehungenseit 1970 ist wirtschaftlich begründet. Für denFernen Osten war Oman aufgrund seinergeografischen Lage das Tor zur ArabischenHalbinsel. Daran angeknüpft kam Oman einestrategische Bedeutung bei der Sicherung derStraße von Hormuz zu. Nach der Machtübernahme Maos betriebChina eine isolationistische Außenpolitik unddistanzierte sich auch ideologisch von denkonservativen Golfmonarchien. Während derDhofar-Rebellion, die vom marxistischen Süd-jemen unterstützt wurde, unterstützte Chinadie Rebellen verbal und materiell mit Waffen.Die Unterstützung der Rebellen endete aberschon 197256, vier Jahre bevor die Rebellionvon omanischen und iranischen Truppenniedergeschlagen wurde, da China eine wei-tere Unterstützung für nicht mehr opportunhielt. Nur drei Jahre nach dem Ende der Dhofar-Rebellion nahm Oman wieder diplomatischeBeziehungen zu China auf. Dies liegt in demEnde der isolationistischen Außenpolitik unterdem neuen Sultan Qabus begründet, der sichaktiv um gute Beziehungen zu anderen Staa-ten bemühte. Auf erste vertrauensbildendeKontakte folgten dann bald engere wirtschaft-liche und politische Kontakte. Zu dieser Zeithatten die anderen Golfstaaten Bahrain,Katar, die VAE und Saudi-Arabien noch kei-nerlei diplomatische Kontakte mit China.57Mit dem Ende der chinesischen Autarkie inder Erdölproduktion erlangten nicht nur die

49 Vgl. Katzman, Kenneth: Oman: Reform, Security, and U.S. Policy, in: CRS Report for Congress,13. Januar 2012, S. 9.

50 Lefebvre, Jeffrey A.: Oman’s Foreign Policy in the Twenty-First Century, in: Middle East Policy, Bd. 17, Nr. 1 (2010), S. 104.

51 Vgl. Katzman, Kenneth: Oman: Reform, Security, and U.S. Policy, in: CRS Report for Congress, 13. Januar 2012, S. 12.

52 Vgl. ebd., S. 16. 53 Vgl. ebd.54 Vgl. United States Census Bureau: Trade in Goods with Oman, http://www.census.gov/foreign-trade/

balance/c5230.html, abgerufen am 29.08.2012. 55 Vgl. U.S. Department of State: U.S. Relations with Oman, 17. August 2012,

http://www.state.gov/r/pa/ei/bgn/35834.htm, abgerufen am 29.08.2012.56 Vgl. Kechichian, Joseph A.: Oman and the World, The Emergence of an Independent Foreign Policy,

Santa Monica 1995, S. 190. 57 Vgl. ebd., S. 190f. Eine Ausnahme stellt Kuwait dar.

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erdölreichen Länder der Golfstaaten chinesi-sche Aufmerksamkeit, sondern auch Oman.Bis heute liefert Oman Erdöl und -gas anChina, was den größten Teil des bilateralenHandels ausmacht.58 Insgesamt exportierteOman 2011 Waren im Wert von 14,2 Mrd.USD nach China und importierte Waren imWert von 1,1 Mrd. USD.59 Ebenso kam es zueiner Kooperation von klein- und mittelständi-schen Unternehmen aus China und demOman.60Auf politischer Ebene werden von chinesi-scher Seite vor allem die enge AnbindungOmans an die USA kritisiert. Obwohl die an-deren Golfstaaten regelmäßig sowohl ameri-kanische als auch chinesische Waffen undMilitärausrüstung kaufen, lehnt Oman eineÄnderung seiner Waffenpolitik ab und beziehtseine militärische Ausrüstung weiterhin nuraus westlichen Ländern. Doch die militäri-schen Kontakte, die zwischen beiden Ländernbestanden, nutzte Oman geschickt, um sichvor allem während des Iran-Irak-Kriegs alsVermittler zur Entspannung der Situation zubewähren. Auch im restlichen asiatischenRaum sind die omanischen Beziehungen vorallem wirtschaftlicher Art. Neben China istauch Indien ein wichtiger Handelspartner fürOman. Insbesondere als aktives Gründungs-mitglied der Indian Ocean Rim Association forRegional Cooperation 1997 tat sich Oman inder Förderung der wirtschaftlichen Zu-sammenarbeit der Anrainerstaaten des Indi-schen Ozeans hervor. WeitereGründungsmitglieder waren Mauritius, Indien,Südafrika, Australien, Singapur und Kenia.61Auch in anderen asiatischen Wirtschaftsorga-nisationen wie ASEAN und dem Asia Coope-ration Dialogue62 engagiert sich Oman, da esglaubt, nur durch multilaterale Kooperationund Frieden die Sicherheit und Stabilität imGolf und weltweit erreichen zu können.V. FazitTrotz seiner Mitgliedschaft im GKR unter-scheidet sich die omanische Außenpolitik sig-nifikant von der der anderen Mitgliedsstaaten.

Eine defensive Haltung, die sich in Pragma-tismus und Mäßigung ausdrückt, ist dasGrundprinzip der omanischen Außenpolitik,die konsequent auf bi- und multilateralerEbene durchgezogen wird. Diese Sonderrolleist vor allem historisch und geografisch be-dingt. Durch seine geografische Lage amnord-westlichen Rand der Arabischen Halbin-sel und durch die große Sandwüste Rub al-Khali von den anderen Staaten der Halbinselabgeschnitten, orientierte sich die Fernhan-delsmacht Oman insbesondere RichtungAsien und Ostafrika, wo bedeutende Besit-zungen lagen. Der ibaditische Islam gab denOmanis ein anderes Selbstverständnis, wel-ches auf Toleranz und Konservativismus be-ruhte. In der heutigen Zeit bedeutet die Lage amGolf jedoch auch ein permanentes Sicher-heitsrisiko, welches durch die Straße von Hor-muz und deren Bedeutung für den weltweitenÖlhandel noch verstärkt wird. Diese beson-dere Stellung Omans wird in der engen Si-cherheitspartnerschaft mit den USA deutlich.Jedoch ist Oman bestrebt, eine Machtbalancein der Region zu erhalten, um somit Konflikt-potenzialen entgegenwirken zu können. In diesem Sinne sind die Nähe zu Iran und dieFerne zu Saudi-Arabien zu verstehen. DieseRolle ermöglicht es, Oman ebenfalls als Ver-mittler für Entspannung in einer unruhigenRegion einen Beitrag zu leisten. Im Gegen-satz zu den anderen Golfstaaten und denUSA fühlt sich Oman nicht direkt von Iran be-droht. Die Beziehungen außerhalb der nähe-ren Umgebung konzentrieren sich vor allemauf den asiatischen Raum, wo sich Oman imRahmen von multilateralen Organisationenwie der Ocean Rim States Association for Re-gional Cooperation für einen stärkeren wirt-schaftlicheren Austausch in der Regionengagiert. Vor diesem Hintergrund sind dieengen wirtschaftlichen Beziehungen zu Chinazu verstehen, die vor allem auf dem Erdölex-port des Omans nach China beruhen. MitDeutschland verbindet Oman eine besondereBeziehung, die auf deutscher Hilfe beim Auf-

58 Vgl. Chinese Embassy in the Sultanate of Oman: Bilateral Relations, 28. November 2004, http://www.0m2.mofcom.gov.cn/aarticle/bilateralcooperation/inbrief/200411/20041100004112.html, abgerufen am 29.08.2012.

59 Vgl. Sultanate of Oman, Ministry of National Economy: Trade Exchange between the Sultanate of Omanand China, http://www.moneoman.gov.om/PublicationAttachment/Sultanate%20of%20Oman&%20china.pdf,abgerufen am 29.08.2012.

60 Vgl. Kechichian, Joseph A.: Oman and the World, The Emergence of an Independent Foreign Policy,Santa Monica 1995, S. 197f.

61 Vgl. Sultanate of Oman, Ministry of Foreign Affairs: Indian Ocean Rim Association for Regional Cooperation, www.mofa.gov.om/mofanew/index.asp?id=4, abgerufen am 29.08.2012.

62 Vgl. Sultanate of Oman, Ministry of Information: Foreign Affairs, http://www.omanet.om/english/government/foreign.asp?cat=gov, abgerufen am 29.08.2012.

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VI. QuellenangabenAL-SAYEGH, FATMA: The UAE and Oman: Opportunities and Challenges in the Twenty-First Century,

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http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Oman/Bilateral_node.html, abgerufen am 29.08.2012.

AUSWÄRTIGES AMT: Innenpolitik Oman, März 2012, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Oman/Innenpolitik_node.html, abgerufen am29.08.2012.

AUSWÄRTIGESAMT: Oman, März 2012, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Oman_node.html, aufgerufen am 29.08.2012.

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bau des Bildungssektors und langjährigemwirtschaftlichem Engagement deutscher Fir-men im Oman beruht. Die Eröffnung einerDeutschen Universität und die deutsche

Unterstützung beim Aufbau des Berufsbil-dungssektors zeugen davon. Linda Berger

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Irak I. Einleitung

Der Irak ist geprägt von einer langenGeschichte voller Krisen, Konflikte undKriege. Auch nach dem Sturz des Ba-

’ath-Regimes sind die Beziehungen des Irakszu seinen Nachbarn und anderen Ländernbestimmt von den geschichtlichen Ereignis-sen. Die moderne Geschichte des Iraks istgrundlegend für die aktuelle Situation desLandes und wird deshalb im Folgenden zu-sammenfassend dargestellt. Die moderne Geschichte des Iraks ist geprägtdurch die repressive Herrschaft von SaddamHussein. Von 1968 bis 2003 beherrschte dieArabische Sozialistische Ba’ath-Partei, seit1979 unter der Führung von Saddam Hus-sein, das Land. Das Regime Husseinsbrachte der irakischen Bevölkerung zwei Golf-kriege, jahrelange UN-Sanktionen und einejahrzehntelange Verletzung der Menschen-rechte. Nach einer Invasion, geleitet von ame-rikanischen und britischen Streitkräften, kamder Irak unter militärische Besatzung durcheine multinationale Koalition.Im Juni 2004 wurde der irakischen Über-gangsregierung die Souveränität übertragenund einer Übergangsverfassung wurde perReferendum zugestimmt. Aufgrund von Auf-ständen, die sich kurz nach der Invasion ent-wickelten, blieben die ausländischen Truppenauch nach der Errichtung einer neuen Regie-rung im Irak. Diverse militante Akteure erklär-ten den offensiven Widerstand gegen dieBesatzungsmächte. Insbesondere al-Qaidamachte sich einen vollständigen Zusammen-bruch des Staates zum Ziel. Im Jahr 2005 rie-fen sie zum Krieg gegen die Schiiten desLandes auf. Die gewaltsamen Aktivitäten derExtremisten führten zu bürgerkriegsähnlichenZuständen im Land.Nachdem die Sicherheitstruppen das Gewalt-monopol wieder herstellen konnte, wurden dieTruppen der verschiedenen Koalitionsmitglie-der nach und nach abgezogen, bis dann diezuletzt übrig gebliebenen US-Truppen am 31.Dezember 2011 das Land verließen. Dennochbleiben die USA mit 17.000 Mitarbeitern, dar-unter vor allem Militärpersonal und private Si-cherheitskräfte, die das diplomatischePersonal beschützen und irakische Streit-

kräfte ausbilden sollen, im Irak präsent. Geo-politisch betrachtet hat der Irak eine wichtigePosition in der Region. Das Territorium derRepublik Irak umfasst eine Fläche von437.072 km2 mit einer strategisch wichtigen58 Kilometer langen Küstenlinie am Golf. DerIrak grenzt an sechs Staaten: Jordanien imWesten (Grenze 181 km), Syrien im Nord-westen (605 km), Türkei im Norden (352 km),Iran im Osten (1,458 km), Kuwait (222 km)und Saudi-Arabien (814 km) im Süden. Diebeiden großen Flüsse, Euphrat und Tigris,fließen vom Nordwesten in den Südosten desLandes und versorgen den Irak mit landwirt-schaftlich fruchtbarem Boden, im Kontrast zuder Wüsten- und Berglandschaft. Irak ist auchdeshalb als Mesopotamien, das Land zwi-schen den zwei Flüssen, bekannt. Mesopota-mien wird oft als Wiege der Zivilisation undGeburtsort der Schrift, des Rechts und desRads bezeichnet. Der heutige moderne StaatIrak war die Heimat vieler Zivilisationen unddas Zentrum der indigenen akkadischen, as-syrischen, abbasiden, babylonischen und su-merischen Reiche.Im Juli 2011 wurden 30,4 Millionen Bürger imIrak gezählt. Die ethnischen Gruppierungenteilen sich auf in 75-80% Araber, 15-20% Kur-den und 5% Turkomanen, Assyrer/Aramäerund andere. Offiziell ist der Irak ein islami-scher Staat, mit 60-65% Schiiten und 32-27%Sunniten, Christen und andere religiöse Grup-pen repräsentieren 3%1. Seit dem Fall vonSaddam Hussein im Jahr 2003 sollen 50%der Christen nach Syrien, Jordanien und Li-banon geflohen sein.2Die natürlichen Ressourcen des Iraks beste-hen hauptsächlich aus Erdöl, Erdgas, Phos-phat und Schwefel. In der Menge derErdölreserven liegt der Irak weltweit auf Platz2 nach Saudi-Arabien (der Irak hat 143,1 Milli-arden Barrel an Erdölreserven), allerdingssind bis zu 90% des Landes noch uner-forscht.3 Der natürliche Reichtum des Landesist ein Grund für die Bedeutsamkeit des Iraks,nicht nur für die Region, sondern für die ge-samte Welt. Im Jahr 2005 fanden zum ersten Mal freieWahlen im Irak statt. Im selben Jahr wurdevon der neuen irakischen Regierung die neueVerfassung verkündet. Diese steht seitdemals Grundstein für den „neuen Irak“. Die letz-ten Wahlen fanden am 7. März 2010 statt. Für

1 Vgl. CIA World Factbook: Iraq: People and Society. 20. Dezember 2011, abgerufen am 30.08.2012.2 Vgl. Radio Vatikan: Irak: Ringen um Religionsfreiheit, 1. Januar 2007, abgerufen am 30.08.2012.3 Vgl. OPEC: Annual Statistical Bulletin 2010/2011, http://www.opec.org/opec_web/static_files_

project/media/downloads/publications/ASB2010_2011.pdf, abgerufen am 30.08.2012.

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die Wahlen schloss sich eine Reihe von klei-nen Parteien in großen Koalitionen zusam-men. Der Gewinner der Wahl war dieIrakische Nationalbewegung, ein national-säkulares Bündnis unter der Führung Iyad Allawis, mit 91 Sitzen im Parlament, allerdingskonnte aufgrund von Streitigkeiten zunächstkeine Regierungskoalition gebildet werden.Erst nach zehn Monaten war das Parlament regierungsfähig. Die Irakische Nationalbewe-gung benannte Jalal Talabani, Vorsitzenderder Patriotischen Union Kurdistans (PuK), alsirakischen Präsidenten. Zum Premierminis-ter wurde Nuri al-Maliki von der IslamischenDawa Partei ernannt.4Trotz der Missstände während der Besatzungdes Iraks entwickelte sich das Autonomiege-biet Kurdistan mit einer stabilen Wirtschafts-und Sicherheitslage verhältnismäßig positiv.Die seit 1991 autonome kurdische Regierungimplementierte nach dem Sturz Husseins re-lativ schnell rechtliche Rahmenbedingungenzum Investitions- und Handelsschutz, wo-durch viele ausländische Unternehmen moti-viert wurden, in der Region zu investieren.Auch die Aussöhnung der beiden dominie-renden kurdischen Parteien Kurdistan Demo-cratic Party (KDP) und Patriotic Union ofKurdistan (PUK), förderte die Stabilisierung inder Region. Seitdem im Mai 2006 eine ge-meinsame kurdische Regierung gebildetwurde, entwickelte sich vor allem um die kur-dische Hauptstadt Erbil/Hawler ein stetigwachsender Wirtschaftsboom. Allerdingssteht die Autonome Region Kurdistan mit derZentralregierung in Bagdad in einem Konflikt,über Machtansprüche über umstrittene Terri-torien, wie Kirkuk, und Ressourcen, wie Ölund Gas. Unter dem Regime von Saddam Husseinwurde der Irak, aufgrund seiner eklatantenMissachtung der Menschenrechte und desVölkerrechts und die Nichteinhaltung von UN-Resolutionen, vor allem in westlichen Welt als„Schurkenstaat" betrachtet. Durch die Inva-sion des Iraks im Jahr 2003 und die anschlie-ßende Neugestaltung des politischenSystems wurde eine neue Ära in der iraki-schen Außenpolitik eingeleitet. Der irakischen

Konstitution zufolge stellen jetzt die Prinzipiender guten Nachbarschaft und der Nichteinmi-schung in die inneren Angelegenheiten ande-rer Staaten die Prioritäten für die irakischeAußenpolitik dar. Der „neue Irak“ erkennt dieBedeutung der bilateralen und multilateralenZusammenarbeit zu weiteren globalen Nor-men und Werten an und verpflichtet sich zurEinhaltung der Menschenrechte und derNichtverbreitung der Atomwaffen, so die ira-kische Verfassung.5Historisch betrachtet hatte der Irak sehr viel-fältige Beziehungen zu den arabischen Län-dern, welche von Krieg (mit Iran und Kuwait)bis zu engen Beziehungen mit Ländern wiedem Libanon reichten. Seit 2003 verpflichtetsich der Irak, ein aktives Mitglied in der Arabi-schen Liga zu sein und setzt sich für die Ver-besserung ihrer Beziehungen zu den Staatenin dieser Region ein.Zu der Zeit der US-Invasion im Jahr 2003 lagdie irakische Wirtschaft in Trümmern. Jahr-zehntelange Misswirtschaft, gekoppelt mitlähmenden ökonomischen Sanktionen, dievon dem UN-Sicherheitsrat beschlossen wur-den, hatten die wirtschaftliche Aktivität dra-matisch reduziert. Im Jahr 2000 erreichte imIrak das BIP einen Tiefstand von 12 MilliardenUSD. In den letzten Jahren erlebte die iraki-sche Wirtschaft drastische Verbesserungen.Iraks BIP erhöhte sich auf 108,6 MilliardenUSD im Jahr 2011, eine geschätzte Verzehn-fachung in nur etwas mehr als zehn Jahren.6Im Wealth Report 2012 wird der Irak auf Platz3 der Länder mit dem höchsten wirtschaflich-ten Wachstum von 2010-2050 gelistet(7,7%).7Die Zukunft des Iraks nach dem Abzug derletzten Besatzungstruppen ist stark abhängigvon der Lockerung der Spannungen zwischenpolitischen, religiösen, sozialen und wirt-schaftlichen Fraktionen. Zurzeit ist das Landnoch geplagt von einem konfessionsgebun-denem Konflikt zwischen Schiiten und Sunni-ten, der große Probleme in der innerenSicherheit mit sich bringt. Zudem entstehenimmer größere Spannungen zwischen derZentralregierung in Bagdad und der Autono-

4 Vgl. Spiegel Online: Opposition gewinnt knapp Parlamentswahl im Irak, 26. März 2010http://www.spiegel.de/politik/ausland/vorlaeufiges-endergebnis-opposition-gewinnt-knapp-parlamentswahl-im-irak-a-685931.html, abgerufen am 30.08.2012.

5 Vgl. Iraqi Constitution, http://www.iraqinationality.gov.iq/attach/iraqi_constitution.pdf, abgerufen am30.08.2012.

6 Vgl. IMF: World Economic Outlook Database 2011, http://www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2011/01/weodata/index.aspx, abgerufen am 16.10.2012.

7 Vgl. Knight Frank Research: The Wealth Report 2012, http://www.thewealthreport.net/The-Wealth-Report-2012.pdf, abgerufen am 16.10.2012.

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men Region Kurdistan im Norden, ausgelöstvor allem durch den Streit um die Stadt Kir-kuk, die von beiden Seiten beansprucht wird.Zeitgleich wird der irakische Premierministerimmer mehr von innenpolitischen Akteurenkritisiert und der Korruption und Intransparenzbeschuldigt. Trotz der immensen wirtschaft-lichen Erfolge fehlt es in der Infrastruktur anvielem, wie zum Beispiel bei der Wasser- undStromversorgung. II. Rolle in der Region Mit dem Irakkrieg im Jahr 2003 und der darauffolgenden Besetzung des Landes durch vor-rangig US-amerikanische Truppen und derenVerbündeten bis Ende 2011 wurde zum er-sten Mal seit dem Ende der Kolonial- undMandatszeit in der ersten Hälfte des 20. Jahr-hunderts „ein arabischer Staat durch eine ex-terne Macht erobert und besetzt, wobei dieumliegenden Staaten hierbei keine nennens-werte Rolle spielten“8. Der Abzug der letztenUS-amerikanischen Truppen aus dem Irak imDezember 2011 markierte nicht nur das offi-zielle Ende der Besatzung, sondern leiteteauch eine neue politische Ära für den „neuenStaat“ ein. Die Prioritäten der zum ersten Malgewählten irakischen Regierung (2005 unddarauf folgend 2010) beruhten während derBesatzungszeit auf innenpolitischen Aspektenwie Rekonstruktion, Sicherheit und politischeStabilisierung. Dabei wurde die Etablierungzu einer neuen Außenpolitik nach dem Sad-dam-Regime in der Agenda weitgehend aus-gelassen. Zu Anfang der Besatzung war derIrak von seinen Nachbarstaaten zum größtenTeil politisch isoliert. Auch die Nachbarstaatendes Iraks selbst, vor allem Iran und Syrien,betrachteten die US-amerikanische Präsenzals Besatzungsmacht mit großer Sorge undso blieb der Einfluss dieser Staaten auf dieirakische Politik zunächst sehr gering. Durch das Ende der Besatzung, eingeleitetdurch den US-amerikanischen PräsidentenBarack Obama und dem irakischen Premier-minister Nouri al-Maliki im Dezember 2011, istdie irakische Regierung nun weitestgehendpolitisch aktionsfähig und steht vor der Auf-gabe, sich als souveräner politischer Akteurwieder in der Region zu integrieren. Die Be-mühungen und gleichzeitig auch die Befürch-

tung der Nachbarstaaten des Iraks, auf die imFolgenden näher eingegangen wird, lauten,dass der „neue Irak“ sich zu einem wichtigenund maßgebenden Staaten in der Region ent-wickeln wird. Nach zwei Jahrzehnten der Iso-lation geprägt von Konflikten und Kriegen,beginnt der Irak eine neue Außenpolitik zuetablieren. Deshalb ist es für die ganze Re-gion von großer Bedeutung, wie sich die ira-kische Außenpolitik entwickelt und was füreine Rolle sie übernehmen wird. Nach dem Sturz von Saddam Hussein imJahr 2003 hat sich die regionale Ordnung imMittleren Osten gewandelt. Grund dafür istdas entstandene politische Vakuum und nichtder von der Bush-Regierung erhoffte demo-kratische Dominoeffekt auf die Nachbarstaa-ten9. Dieses Vakuum gilt es, jetzt von derneuen irakischen Regierung auszufüllen. DieWahl jener Regierung hat die Machtverhält-nisse innenpolitisch wesentlich verändert.Nach jahrzehntelanger politischer Unterdrü-ckung durch das Hussein-Regime, dominiertdie schiitische Mehrheit des Landes dieInnen- und Außenpolitik. Dieser Machtwandelist besonders für die sunnitisch-dominiertenGCC-Staaten, allen voran Saudi-Arabien, be-sorgniserregend. Dies begründet sich in dem konfessionsge-bundenen Konflikt zwischen Schiiten undSunniten. Unter der Ba'ath-Regierung prä-sentierte sich der Irak trotz schiitischen Mehr-heit als ein säkularer Staat mit Tendenz zueiner sunnitisch geprägten pan-arabischenAußenpolitik und stellte somit ein Gegenpolzur der von schiitischen Geistlichen geführtenIslamischen Republik Iran dar. Nach demIrakkrieg 2003 nahmen die Konfrontationenzwischen dem schiitischen Iran und dem sun-nitischen Saudi-Arabien ein neues Ausmaßan. In den Augen der Golfstaaten besteht dieGefahr, dass sich der Irak mit Iran verbündetund sich ein schiitisch-dominiertes Dreiecks-gespann (Iran, Irak, Syrien) herausbildet10. Der jordanische König Abdullah verlieh derAngst vor einer iranischen Vorherrschaft inder Region Ausdruck, indem er vor einer Ent-stehung eines „schiitischen Halbmonds“warnte11. Abgesehen vom Irak und Iran selbstteilen alle Golfstaaten diese Sorge. Grund

8 Vgl. Volker Perthes, Bewegung im Mittleren Osten. Internationale Politik und regionale Dynamiken nach dem Irak-Krieg, SWP-Studie ,Berlin, 2004, S.7

9 Vgl. Reynolds, Paul: The ‚Democratic Domino’ Theory, in: BBC News, 10. April 2003,http://www.news.bbc.co.uk/2/hi/middle_east/2935969.stm, abgerufen am 16.10.2012

10 Vgl. Husain, Ed: Iran Versus Saudi Arabia: Cold War In The Middle East, in: CFR, 20.04.2012, http://www.blogs.cfr.org/husain/2012/04/20/iran-versus-saudi-arabia-cold-war-in-the-middle-east/, abgerufen am 16.10.2012.

11 Vgl. Black, Ian: Fear of a Shia full moon, in: The Guardian, 26.02.2007, http://www.guardian.co.uk/world/2007/jan/26/worlddispatch.ianblack, abgerufen am 16.10.12.

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dafür ist die enge Verbindung zwischen Nourial-Maliki und der iranischen Regierung. Aller-dings standen die beiden Nachbarstaatenstets in einer engen Verbindung zueinander,die allerdings geprägt ist von Konflikten undeinem desaströsen Krieg (1980-1988). II.1 IranIm Bezug auf Kultur und Sprache sind sichder Irak und sein Nachbarland, mit dem sieeine 1.500 Kilometer lange Grenze teilen, sehr verschieden. Dennoch bestehtdurch die schiitische Mehrheit in beiden Län-dern eine konfessionsgebundene Verbin-dung. Der Südirak ist das religiöse Zentrumder schiitischen Welt mit den SchreinstädtenNadjaf und Kerbala. Seit Jahrhunderten istdiese Region das Zentrum der schiitischenGelehrsamkeit und theologischer Ausbildung.Viele Führer aus der aktuellen religiösen undpolitischen Elite Irans haben in diesen histo-risch-religiös bedeutsamen Städten in theolo-gischen Seminaren studiert. Zudem werdendie heiligen Schreine im Südirak jährlich vontausenden iranischen Pilgern besucht. Allerdings war die Beziehung der Nachbar-länder auf politischer Ebene jahrzehntelanggeprägt von Spannungen. Die Islamische Re-volution in Iran (1979) und der Aufstieg Sad-dam Husseins in der Ba'ath-Partei im Irak imgleichen Jahr änderten die Region maßgeb-lich. Das säkulare Ba'ath-Regime und dieneue islamische Führung in Iran standen imKonflikt zueinander, wobei die Ba'athisteneinen „spill-over“-Effekt der Islamischen Re-volution auf den Irak befürchteten. Dies wareiner der vielen Gründe für den Iran-Irak-Krieg, auch bekannt als Erster Golfkrieg, dervom 22. September 1980 bis zum 20. August1988 andauerte. Dieser Krieg, initiiert durchSaddam Hussein, forderte auf beiden Seiteninsgesamt eine Million Todesopfer und wareine humanitäre und wirtschaftliche Katastro-phe für beide Parteien. Die Auseinanderset-zungen wurden mit Hilfe der UN Resolution59812 (verabschiedet durch den Sicherheits-rat am 20. Juli 1987) mit einem Waffenstill-stand beendet, allerdings wurde nie einFriedensvertrag geschlossen. Die Beziehun-gen der beiden Staaten ab diesem Momentbis zum Sturz Saddam Husseins im Jahr

2003 können als „kalter Frieden“ bezeichnetwerden, denn bis dato galt der Irak weiterhinals die größte Bedrohung der nationalen Si-cherheit Irans. Die US-Invasion im März 2003 in den Irakwurde von iranischer Seite mit großer Ambi-valenz betrachtet. Einerseits war die iranischeRegierung zufrieden mit dem Ende der Herr-schaft von Saddam Hussein, andererseitswurde die militärische Präsenz der USA ander eigenen Grenze mit großer Sorge be-trachtet. Offiziell wurde die Invasion von deriranischen Seite aus stark kritisiert. Gleichzei-tig aber ünterstützte Teheran US-amerikani-sche Operationen gegen die Al-Qaida imIrak.13Über die Absichten des Irans im Irak herrschtbei den meisten europäischen und US-ameri-kanischen Forschungsinstituten ein gewisserKonsens: die Sicherstellung einer Iran-freund-lichen Nachbarschaftspolitik.14 Bei der politi-schen Zusammensetzung der irakischenRegierung wird von iranischer Seite dement-sprechend eine von Schiiten dominierendeRegierung bevorzugt. Wie alle Nachbarstaa-ten des Iraks möchte Iran einen möglichenZerfall des Landes, in Folge von Aufständenund/oder Sezessionen, um jeden Preis ver-hindern. Die Sorge vor territorialer Instabilitätist zum einen in der Angst vor einer grenz-überschreitenden kurdischen Allianz gegendie iranische Regierung sowie der Beeinflus-sung der iranischen Kurden durch die Auto-nomie ihrer Nachbarn verwurzelt. Zum anderen befürchtet Iran Auswirkungen auf dieeigene Sicherheitslage im Falle eines mög-lichen irakischen Bürgerkrieges. Das iranische Interesse an der Neuordnungihres Nachbarstaates nach der Invasion durchdie Streitkräfte der Vereinigten Staaten, desVereinigten Königreiches und der „Koalitionder Willigen“ zeigte sich relativ früh. Am 1. De-zember 2004 fand ein Treffen der Innenmi-nister der Nachbarstaaten des zu dieser Zeitbesetzten Iraks in Teheran statt15. Dabeistimmten alle Beteiligten, paradoxerweiseauch die iranischen und US-amerikanischenVertreter, darin überein, dass freie Wahlen diechaotische Situation des Politik-Vakuums imIrak lösen könnten. Allerdings schien Iran vor

12 Vgl. http://www.unhcr.org/refworld/docid/3b00f20e64.html13 Vgl. International Crisis Group: Iran in Iraq: How much influence?, ,Middle East Report N°38 – 21. März 2005; 14 The Washington Institute for Near East Policy: “Iran’s Influence in Iraq”,Michael Eisenstadt, Michael Knights, and

Ahmed Ali, Policy Focus #111 | April 201115 Vgl. Payvan Iran News: Conference of Interior Ministers of Iraq Neighbors wraps up in Tehran, 2. Dezember 2004,

http://www.payvand.com/news/04/dec/1021.html, abgerufen am 16.10.2012

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den ersten freien Wahlen im Jahr 2005 einePolitik des „gelenkten Chaos“ im Irak durch-geführt zu haben, um eigene Interessendurchzusetzen. Die von der iranischen Regierung befürwor-teten freien Wahlen sollen allerdings von ihrmit verschiedenen Methoden beeinflusst wor-den sein. Bei den Parlamentswahlen im Jahr2005 und 2010 sowie den Wahlen in den ein-zelnen Provinzen im Jahr 2009 sollen bevor-zugte Kandidaten von der iranischenRegierung beraten und finanziert wordensein. So sollen sie auch versucht haben, ihretraditionell guten Beziehungen zu den zweigrößten und wichtigsten kurdischen ParteienPUK und DPK aufrechtzuerhalten, um denEinfluss im nördlichen Teil des Landes zu sichern.16 Zu Teherans engen Verbündeten imIrak zählen der Islamic Supreme Council ofIraq (ISCI), die Badr Organisation, die islami-sche Dawa-Partei von Nouri al-Maliki und seitneuestem auch die Sadristen. Diese schiiti-schen Parteien versucht der Iran zu einer ge-meinsamen Politik zu motivieren, um sichvereinigt an der Politik des Landes zu beteili-gen und diese mit zu gestalten. Der Einflussauf diese Parteien soll durch die Botschaft inBagdad und die Konsulate in Basra, Karbala,Erbil und Sulaymaniah ausgeübt werden.17Die iranisch-irakischen Handels- und Wirt-schaftsbeziehungen haben sich in den letztenfünf Jahren intensiviert. Somit übt Iran aucheinen großen finanziellen Einfluss auf seinenNachbarn aus. Das Handelsvolumen zwi-schen beiden Staaten belief sich im Jahr 2011auf 11 Mrd. USD18. Unter anderem hilft Iranseinem Nachbarn bei der Bekämpfung derStromknappheit und liefert 10% des Bedarfs.Die iranische Regierung hat auch angebotendem Irak eine Summe von über 1 Mrd. USDfür Kredite zur Verfügung zu stellen, die fürProjekte im Irak mit Beteiligung von irani-schen Arbeitnehmern und iranischer Wareausgestellt werden sollen. Iranische Firmensind vor allem im Bereich des Wohnungs- undHäuserbaus im Süden des Iraks stark prä-sent. Dieser Markt soll im kommenden Jahr-zehnt alleine in der Provinz Basra einen Wert

von 16 Mrd. USD und ein Investitionsvolumenvon 150 Mrd. USD landesweit umfassen.19Einige politische Ereignisse in jüngster Zeitlassen die irakische Position im Bezug auf dieBeziehung zu Iran erahnen. Eine wichtige po-litische Problematik in der irakisch-iranischenBeziehung ist das Camp Ashraf. Das CampAshraf ist eine Ansiedlung oppositioneller Ira-ner, die seit 1986 im Irak im GouvernementDiyala besteht. Das Camp wird von ca. 3.400„Volksmudschahedin“ bewohnt.20 Vor der Irak-Invasion 2003 wurde den iranischen militan-ten Oppositionellen ein exterritorialer Statuserteilt. Im Zuge der Besatzung wurde dasCamp Ashraf von US-Truppen entwaffnet.Seit dem 1. Januar 2009 steht das Lagerunter Kontrolle des irakischen Militärs, aus-drücklich veranlasst durch den Report desUN-Sicherheitsrates zur Resolution 1883 (14.Mai 2010)21. Anders als das Ba'ath-Regime,welches die „Volksmudschahedin“ als einPartner gegen die iranische Regierung will-kommen hieß, stellen diese für die von Schii-ten dominierte Maliki-Regierung ein Hindernisfür die Verbesserung der Beziehungen zwi-schen dem Irak und Iran dar. Der irakische Mi-nisterpräsident Nouri al-Maliki veranlasste dieUmsiedlung der iranischen Oppositionellen,um das Camp Ashraf zu schließen22. Allerdings verweigert ein großer Teil der„Volksmudschahedin“ die Verlegung in an-dere Camps und fordert eine humanitäre Be-handlung. Die Situation ist derzeit sehrkompliziert, da die irakische Regierung zumeinen von den Vereinten Nationen und zumanderen von der iranischen Regierung unterDruck gesetzt wird, korrekt zu handeln. Aller-dings zeigt der feste Entschluss Malikis dasCamp Ashraf zu schließen, dass der derzeiti-gen irakischen Regierung viel daran gelegenist, alle Hindernisse, die zwischen den Nach-barländern noch bestehen, zu beseitigen, umeine politische Annäherung zu erleichtern. Des Weiteren fanden die Verhandlungen derP5+1, die Gruppe der ständigen Mitgliederdes UN-Sicherheitsrats und Deutschland, diesich zusammengeschlossen haben um mit

16 Vgl. http://www.washingtoninstitute.org/uploads/Documents/pubs/PolicyFocus111.pdf.17 Vgl. http://www.crisisgroup.org/~/media/Files/Middle%20East%20North%20Africa/Iran%20Gulf/Iran /Iran%20in

%20Iraq%20How%20Much%20Influence.18 Vgl. PressTV: Iran-Iraq trade transactions stood at over $11bn last year: Envoy, 23. März 2012. . http:/www./presstv.com/detail/2012/05/23/242636/iraniraq-trade-volume-at-over-11bn/, abgerufen am 16.10.201219 Vgl. The Washington Institute for Near East Policy: “Iran’s Influence in Iraq”,Michael Eisenstadt, Michael Knights, and

Ahmed Ali, Policy Focus #11, April 2011, S. 26.20 Siehe Informationen zum Camp Ashraf: http:/www./campashraf.org/camp-ashraf/.21 Vgl. UN Security Council Resolution SC/9725, 7. August 2009,

http://www.un.org/News/Press/docs/2009/sc9725.doc.htm, abgerufen am 16.10.2012.22 Vgl. Al-Jazeera English: Iran exiles moved to 'transit site' in Iraq, 18. Februar 2012

http://www.aljazeera.com/news/middleeast/2012/02/201221864347708593.html, abgerufen am 16.10.2012.

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der iranischen Regierung über deren Atom-programm zu verhandeln, am 24. März 2012in Bagdad statt. Die Bereitschaft, diese Kon-ferenz in Bagdad durchzuführen, wurde vonden P5+1 und Iran als positiv bewertet 23. Die-ser Schritt signalisiert die Bestrebung desIraks, eine Rolle als Mediator zwischen denwestlichen Staaten und dem Iran überneh-men zu wollen, auch wenn die iranische Re-gierung auf eine zusätzliche Unterstützungvon einem Verbündeten für das Atompro-gramm gehofft hatte. Zusammenfassend kann man sagen, dassein stabiler Irak, frei von ethnischen Konflik-ten, im Einklang mit den nationalen Interes-sen Irans stehen sollte. Ein zerfallenerNachbarstaat mit einer Welle von ethnischenund religiösen Auseinandersetzungen undeiner Verwüstung des Landes, welche die ter-ritoriale Integrität des Iraks gefährden undeinen Flüchtlingsstrom erzeugen würde, ist inkeiner Hinsicht im Interesse der iranischenRegierung. Der iranische Einfluss auf den Irakist allein aufgrund der historischen, ethni-schen und geographischen Bedingungensehr stark. Obwohl ein schiitisch dominiertesBagdad, wie unter Malikis islamischer Dawa-Partei, strategisch sehr günstig ist für Tehe-ran, muss die iranische Regierung auchAkteure entgegen der religiösen Spaltung er-reichen, um die Beziehungen in den Berei-chen Wirtschaft, Politik, Kultur und Sicherheitvertiefen zu können. II.2 Saudi-ArabienDie aktuelle irakische Außenpolitik ist zusätz-lich geprägt von dem Konflikt zwischen Iranund Saudi-Arabien. Die Beziehung des vomWahabbismus geprägten Königreiches unddem bis dato einzigen Gottesstaat mit schiiti-scher Staatsreligion wird von einigen Politik-wissenschaftlern mittlerweile schon als „KalterKrieg“ zwischen Sunniten und Schiiten bezeichnet. Inmitten dieses Konfliktes stehtder „neue Irak“. Allerdings ist die irakische Beziehung zu Saudi-Arabien mindestens ge-nauso von Konflikten übersät, wie die ebengeschilderte Beziehung zu Iran. WenngleichSaudi-Arabien am Anfang des Iran-Irak-Krieges 1980 seine Neutralität erklärte, unter-stützte es die Regierung in Bagdad aufnicht-militärischem Wege mit finanziellen Mit-

teln. Das gemeinsame Interesse den Aufstiegdes islamischen Regimes in Iran zu verhin-dern, führte zwischen den beiden Staateneher zu einer Zweckbeziehung denn einr tie-fen politischen Partnerschaft. Dies zeigte sichbei Ausbruch des Zweiten Golfkrieges1990/1991, bei dem Saudi-Arabien direkt inder Koalition gegen den Irak involviert war.Trotz der jahrelangen Feindschaft zwischenden beiden Nachbarstaaten hatte sich dersaudische König gegen die Pläne der USA, inden Irak einzufallen, ausgesprochen undlehnte sogar eine Stationierung der US-Trup-pen in Saudi-Arabien kategorisch ab, wenndiese für einen Angriff im Irak vorhergesehenwerden sollten. Im Jahr 2009 ernannte dasirakische Außenministerium den ersten Bot-schafter seit dem Zweiten Golfkrieg für die ira-kische Vertretung in Saudi-Arabien. Im Januar2012 erklärte der irakische AußenministerHoshyar Zebari, dass Saudi-Arabien den er-sten Botschafter seit 1990 ernannt habe:Fahd Abdul Mohsen Al-Zaid, der saudischeBotschafter in Jordanien, werde als nicht an-sässiger Botschafter regelmäßig zwischenAmman und Irak verkehren24. Diese Ernen-nungen seien erste Schritte für die Wiederbe-lebung der diplomatischen Beziehungen.Allerdings stehen auf dem Weg zu einer Nor-malisierung noch einige Hürden bevor. In den Augen Saudi-Arabiens bleibt die irakische Regierung ein enger Alliierter Irans.Katar und Saudi-Arabien haben ihre Sorgeum die sunnitischen Interessen im Irak unterder Regierung von al-Maliki ausgesprochen25. Das Ausmaß dieser Sorge bleibt groß: Saudi-Arabien weigert sich, unter dem Premiermi-nister Nouri al-Maliki eine Botschaft in Bagdadzu eröffnen. Allerdings sollte es nicht im Inter-esse des Königreiches sein einen konfes-sionsgebundenen Konflikt zu fördern, da einethnischer Aufstand im Irak als eine gefährli-che Bedrohung für die nationale Sicherheitgesehen wird. Die landesweite schiitischeMinderheit bildet eine Mehrheit in der östlichen ölreichen Ostprovinz – ein Grundvon großer Besorgnis für Riad. II.3 KuwaitBis zum Jahr 2004 waren die irakisch-kuwai-tischen Beziehungen geprägt vom Wider-willen der irakischen Regierung, Kuwait als

23 Vgl. http://www.presstv.ir/detail/2012/05/22/242555/baghdad-talks-coop-iran24 Vgl. Healy, Jack: Saudis Pick First Envoy to Baghdad in 20 Years, New York Times, 21. Februar 2012,

http://www.nytimes.com/2012/02/22/world/middleeast/saudi-arabia-names-ambassador-to-iraq.html, abgerufen am 16.10.2012

25 Vgl. Shoamanesh, Sam: Neighbours eye Iraq elections, Al-Jazeera English, 8. März 2010, http://www.aljazeera.com/FOCUS/IRAQELECTION2010/2010/03/201037123914357815.html, abgerufen am16.10.2012

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einen eigenen Staaten anzuerkennen. DieseHaltung begründet sich in der Aufteilung Iraksdurch die Briten im Jahr 1922, wobei Kuwait,das zu dem Zeitpunkt noch zu der irakischenRegion Basra gehörte, getrennt wurde. DieBriten haben durch diese Teilung den iraki-schen Zugang zum Persische Golf und zuden natürlichen Bodenschätzen der Region,vor allem Erdöl, blockiert. Diese Teilung wurdevon keinem irakischen Führer, von König Fai-sal bis Saddam Hussein, akzeptiert und somitgab es lange Zeit keine diplomatischen Be-ziehungen zwischen den beiden Nachbarlän-dern.26Nach der Machtübernahme Saddam Hus-seins erhöhten sich die Spannungen zwi-schen den beiden Golfstaaten immer mehrund erreichten ihren negativen Höhepunkt am2. August 1990 mit der Invasion des iraki-schen Militärs auf Kuwait. Die für den Irak mi-litärisch erfolgreiche Operation führte zu derAnnexion Kuwaits und Saddam Hussein riefdie Region als die 19. Provinz des Iraks aus. Während des Zweiten Golfkrieges wurde Ku-wait schnell von den Koalitionstruppen unterUS-amerikanischer Führung befreit. Die Folgeder aggressiven Expansionspolitik Husseinswar eine Verhängung von Sanktionen durchdie Vereinten Nationen, die in vollem Maßebis zur US-Invasion 2003 galten und erstEnde 2010 fast vollständig, bis auf die Repa-rationszahlungen an Kuwait aufgehoben wur-den27. Die Sanktionen, die seit dem 6. August1990 galten, hatten eine zerstörerische Aus-wirkung auf die irakische Bevölkerung. DerIrak war ökonomisch vollständig isoliert, undes herrschten strikte Regeln für den Importvon Lebensmitteln, Medikamenten und vielenweiteren lebensnotwendigen Gütern. Die Zahlvon Todesfällen, bedingt durch Krankheitenals direkte Auswirkung von Unterernährungund dem Mangel von sauberem Wasser, stie-gen in dieser Zeit rapide. Die Konsequenzendieser Sanktionen waren so fatal, dass dasSanktionierungssystem der Vereinten Natio-nen überarbeitet wurde und die sogenannten„Smart Sanctions“ eingeführt wurden.28 Trotzder ungewissen Situation im Irak ist der Nach-

barstaat weniger eine Bedrohung für die in-nere Sicherheit Kuwaits als zu Zeiten SaddamHusseins. Nach Jahrzehnten ohne diplomati-sche Beziehungen entwickelt sich seit 2007die größte Annäherung in der modernen Geschichte zwischen den beiden Ländern. Allerdings werden auch von kuwaitischerSeite einige destabilisierende Szenarien imIrak befürchtet. Eine Teilung des Landes wirdvon Kuwait, wie von den anderen Nachbar-staaten, nicht befürwortet und das Interesseliegt an einem vereinigten und souveränenIrak. Ein möglicher Bürgerkrieg oder gewalt-same Ausschreitungen zwischen den Mitglie-dern verschiedener Konfessionen werdenauch in Kuwait mit großer Sorge betrachtet. Bei diesen möglichen Szenarienbefürchtet die kuwaitische Regierung grenz-übergreifende Konflikte, womit durch die Inter-vention anderer Nachbarstaaten in den Irakeine neue Machtkonstellation in der Regionentstünde. Aus diesen Gründen ist ein stabi-ler Irak für Kuwait von großem Interesse29. Die 222-kilometer-lange Grenze mit dem Irakist derzeit die einzige große Grenze, die ef-fektiv kontrolliert wird. Deshalb stellt das Ein-dringen von Extremisten über die kuwaitischeGrenze, im Gegensatz zur syrischen Grenze,kein Problem dar. Auf der anderen Seite be-finden sich nur wenige irakische Flüchtlingein Kuwait. Von großen Flüchtlingswellen wienach Syrien und Jordanien, die jeweils 1 Mil-lion Flüchtlinge aufnahmen, blieb Kuwait ver-schont. Auch bei Einreisen vonEinzelpersonen aus der irakischen Regierungnach Kuwait gibt es strikte Sicherheitsbestim-mungen für die Visavergabe. Am 22. Oktober2008 erreichten die irakisch-kuwaitischen Be-ziehungen einen neuen Höhepunkt: nach 19Jahren wurde die kuwaitische Botschaft inBagdad wiedereröffnet. Bereits im Jahr 2005hatte das irakische Außenministerium einenBotschafter nach Kuwait gesandt und zum er-sten Mal seit der Invasion 1990 ihre Botschaftin Kuwait eröffnet.30 Den bisher größtenSchritt in der Wiederaufnahme der diplomati-schen Beziehungen war der erste Besuch seit21 Jahren des kuwaitischen Premierministers

26 Vgl. Klein, David: Mechanisms of Western Domination: A Short History of Iraq and Kuwait, 2003, http://www.csun.edu/~vcmth00m/iraqkuwait.html, abgerufen am 16.10.2012

27 Vgl. UN Security Council Resolution SC/1483, 22. Mai 2003, http://www.cfr.org/un/un-security-council-resolution-1483-iraq/p8471, abgerufen am 16.10.2012.

28 Vgl. UNICEF: 2003 IRQ: Iraq Watching Briefs — Overview Report, July 2003, http://www.unicef.org/evaldatabase/index_29697.html, abgerufen am 16.10.2012

29 Vgl. The Washington Institute for Near East Policy: “With Neighbors Like These – Iraq And The Arab States on IstBorders, David Pollock, Policy Focus #70, June 2007, S. 14ff.

30 Vgl. Al Arabiya News: Kuwait to open an embassy in Baghdad, 20. April 2008 http://www.alarabiya.net/articles/2008/04/20/48623.html, abgerufen am 16.10.12.

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im Irak am 14. Juni 2011. Nach dem Treffen bestätigten beide Staaten, dass sie einenAusschuss bilden würden, um die Beziehun-gen zu verbessern und die Probleme aus derVergangenheit zu lösen31. Der United Nations Compensation Commis-sion (UNCC) zu Folge, schuldet Irak der kuwaitischen Regierung etwa 2,7 Mrd. USDKriegsreparationen32. Die UNCC beaufsichtigteinen Fond, in den 5% der irakischen Ölein-nahmen eingezahlt werden, die an die kuwai-tische Regierung als Reparationenausgezahlt werden. Der Irak steht eigentlich mit weiteren Milliar-den Dollar, die an Saddam Hussein für denIrak-Iran-Krieg gezahlt wurden, in der SchuldKuwaits, allerdings erließ Sheikh Mohammeddiese und forderte im Gegenzug Sicherheitund gute Beziehungen33. Die Zahlung dieser Reparationen ist die letzteBedingung, die der Irak erfüllen muss, umsich den verbleibenden Sanktionen, die nachKapitel 7 der UN-Charta verhängt wurden, zuentledigen. Weitere Bedingungen sind die Kooperation bei der Suche nach kuwaitischenStaatsbürgern, die seit der irakischen Invasion in Kuwait verschollen sind, und dieRückgabe gestohlener kuwaitischer Artefakte. In den jüngsten Treffen zwischen irakischenund kuwaitischen Entscheidungsträgernhaben die Nachbarstaaten beschlossen, gemeinsame Projekte in Landwirtschaft undIndustrie aufzubauen, wobei kuwaitisches Geld investiert werden soll, ummehr Arbeitsplätze im Irak zu schaffen34. II.4 SyrienObwohl zu Zeiten Saddam Husseins Syrienund Irak von einem Ba'ath-Regime regiertwurden, war die Beziehung der beiden Nach-

barstaaten zueinander sehr problematisch.Als Saddam Hussein 1979 an die Macht kam,wurde die syrische Botschaft in Bagdad ausProtest geschlossen. Die syrische Regierungunter Hafez al-Assad beteiligte sich auch ander Anti-Saddam-Koalition im Zweiten Golf-krieg 1991. Auch Syrien sprach sich gegeneine Invasion in den Irak aus. Die Folgen desDritten Golfkrieges waren vor allem in Syrienstark zu spüren: mit einer Flüchtlingswellekamen ca. 1,5 Millionen irakische Flüchtlingeim Zeitraum von 2003 bis 201135. In den letzten Jahren erlebten die syrisch-ira-kischen Beziehungen positive Entwicklungen.Die gegenseitigen Besuche von Entschei-dungsträgern zwischen den beiden Staatenhaben zu einer Reihe von Vereinbarungen zurwirtschaftlichen Kooperation geführt, ein-schließlich einer Vereinbarung zur Wieder-aufnahme der Ölförderung durch das syrischeTerritorium, welche im Jahr 1982 eingestelltwurde. Mit dem Besuch des syrischen Außen-ministers Walid Muallem in Bagdad im Jahr2006 wurde die Entfremdung zwischen Syrienund Irak nach 20 Jahren offiziell beendet.Beide Regierungen verpflichteten sich gegen-seitig in allen Bereichen mit gemeinsamemInteresse - Sicherheit, Politik und Wirtschaft -zusammenzuarbeiten.36Allerdings stellte sich schnell heraus, dass dieversprochenen Verpflichtungen nicht einge-halten wurden und sich immer mehr Sicher-heitsprobleme herausstellten. Im Februar2007 erklärte ein irakischer Regierungsspre-cher, dass die irakische Regierung davonausgehe, dass 50% der Morde und Bomben-anschläge im Irak von Extremisten ausgeführtwürden, die über die syrische Grenze in dasirakische Gebiet eingedrungen seien. Der da-malige Koordinator der Irak-Mission, US-Botschafter David Satter-field, bestätigte, dass 80% der Selbstmordat-tentäter im Irak über die syrische Grenze

31 Vgl. BBC News: Kuwaiti PM in first visit to Iraq since Gulf War, 12. Januar 2011,http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-12173206, abgerufen am 16.10.2012.

32 Vgl. www.un.org/.../p3%20mojtaba%20kazazi.ppt.33 Vgl. McClenaghan, Gregor: Iraq's $7bn debt written off, in: The National, 6. Juli 2008,

http://www.thenational.ae/news/uae-news/iraqs-7bn-debt-written-off, abgerufen am 16.10.2012.34 Calderwood, James: Kuwait and Iraq work to repair relations, in: The National, 14. Januar 2011,

http://www.thenational.ae/news/world/middle-east/kuwait-and-iraq-work-to-repair-relations, abgerufen am16.10.2011.

35 Vgl. Spiegel Online: Irakische Flüchtlinge in Syrien,02.10.2007 http://www.spiegel.de/politik/ausland/irakische-fluechtlinge-in-syrien-der-druck-uebersteigt-unsere-kraefte-a-508973.html, abgerufen am16.10.12.

36 Vgl. AG Friedensforschung: http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Irak/syrien.html, abgerufen am16.10.2012.

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gekommen seien.37 Die syrische Regierungunter Bashar al-Assad hatte die Kontrolle derirakischen Grenze zunächst stark vernach-lässigt. Da das Versagen der Grenzkontrollefraglos nicht durch mangelnde Kapazitätendes syrischen Militärs verursacht wurde, gibtdieses Verhalten Hinweise darauf, dass dieStabilisierung des Iraks zu Beginn nicht imInteresse der syrischen Regierung lag. Aller-dings ging die syrische Regierung zu Anfangder Besatzung im Irak davon aus, dass einstabiler, demokratischer und US-orientierterIrak eine größere Bedrohung darstellt als eininstabiler Irak geprägt von konfessionsge-bundenen Konflikten. Mit dem ersten Wahl-sieg der Maliki-Regierung hat sich SyriensPosition allerdings geändert. Der neue schiiti-sche Partner wird in Syrien gerne gesehenund so wurden die wirtschaftlichen Vereinba-rungen vertieft und versucht, die Kooperationder schiitischen Achse (Syrien-Irak-Iran) aus-zubauen. Ein Beispiel für dieses Vorhaben istein 10-Mrd.-USD-Deal für eine Gas-Pipeline,der zwischen den drei Staaten im Juli 2011beschlossen wurde.38Die seit dem Frühling 2011 andauernden Auf-stände in Syrien und das mögliche Ende desAssad-Regimes stellen demnach eine großeZerreißprobe für die irakische Regierung dar.Bei der Abstimmung der Arabischen Liga am12. November 2011 über den Ausschluss Sy-riens aus der Organisation enthielt sich derIrak.39 Zuvor hatte der irakische Premiermi-nister Nouri al-Maliki dem syrischen Präsi-denten die Unterstützung gegen dieangeblichen Verschwörungen gegen die syri-sche Regierung zugesagt. Als die Gewalt wei-ter anhielt, hatte der irakische Rat derRepräsentanten am 9. August 2011 in einerStellungnahme zu der Gewalt in Syrien Re-formen und ein sofortiges Ende der Gewaltgefordert. Noch in derselben Woche sagteNouri al-Maliki entgegen dieser Aussageseine weitere Unterstützung des Assad-Regi-mes zu und beschuldigte die Demonstrantender Sabotage und forderte diese auf, ihre Un-zufriedenheit in dem demokratischen Prozessnicht durch Proteste auszudrücken. Am 25.August erklärte der irakische Botschafter in

Syrien Samir Sumaida’ie, dass Assads Re-gime kontinuierlich an Macht, Verbündetenund Glaubwürdigkeit verliere und eventuellzusammenbrechen werde, was das Gleich-gewicht in der Region verschieben und even-tuell Iran schwächen würde. Sumaida’ieerklärte, dass Bagdad sich vor einer poten-tiellen Instabilität nach Assad nicht sorgenwerde. Die unterschiedlichen Meinungen undÄußerungen der irakischen Vertreter zeigenunverkennbar die Unstimmigkeit in der iraki-schen Außenpolitik unter den verschiedenenAkteuren.40Lang hielt die irakische Regierung in diesemKonflikt an der Hoffnung fest, das syrischeRegime würde die Krise mit Hilfe von internenReformen lösen. Doch seit der Veröffentli-chung des Friedensplanes von Kofi Annan,dem ehemaligen Sondergesandten der Ver-einten Nationen und der Arabischen Liga,schwenkte die Regierung um und sicherteihre Unterstützung zu, den Plan zu unterstüt-zen.Im Zuge dieser Krise verhielt sich die Maliki-Regierung widersprüchlich. Die Maliki-Regie-rung befürwortete zuvor die Proteste inÄgypten, Libyen, Tunesien und Bahrain,wobei sie sich immer wieder auf die Erfahrungder jahrzehntelangen Unterdrückung durchSaddam Hussein berief und zu Demokratieaufrief. Die Haltung zu Syrien allerdings zeigtdie Bemühungen der Maliki-Regierung, dieschiitische Partnerschaft und Solidarität zwi-schen Syrien, Irak und Iran aufrechtzuerhal-ten. Allerdings hat sich auch durch dieEreignisse im „Arabischen Frühling“ eineneue Art des Pan-Arabismus und der arabi-schen Solidarität etabliert. Diese wird auchvon der irakischen Bevölkerung wahrgenom-men und zeigte sich durch Solidaritätspro-teste im Frühling 2011 mit den tunesischenund ägyptischen Demonstranten. Ein andererAusdruck dieses Prozesses ist der Bedeu-tungsgewinn der Arabischen Liga. Um demIrak wieder eine wichtigere Rolle in der arabi-schen Staatengemeinschaft zu geben, be-stand die Maliki-Regierung darauf, eineKonferenz der Arabischen Liga zum Thema

37 Vgl. U.S. News: Most Suicide Bombers in Iraq Come Through Syria, State Department Says, 27. März2012, http://www.usnews.com/news/blogs/news-desk/2007/03/27/most-suicide-bombers-in-iraq-come-through-syria, abgerufen am 16.10.2012.

38 Vgl. Iraq-Business News: Iraq, Iran, Syria Sign $10 billion Gas Deal, 25. Juli 2011, http://www.iraq-businessnews.com/2011/07/25/iraq-iran-syria-sign-10-billion-gas-deal/, abgerufen am 16.10.2012.

39 Vgl. BBC News: Arab League Sanctions for Syria, 12. November 2011, http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-15706851, abgerufen am 16.10.2012.

40 Vgl. Markey, Patrick: Analysis: Iraq juggles interests over Syria crisis, in: Reuters, 18. August 2011,http://www.reuters.com/article/2011/08/18/us-iraq-syria-diplomacy-idUSTRE77H3DG20110818, abgerufen am 16.10.2012.

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Syrien in Bagdad durchzuführen. Sie war dieerste Konferenz der Arabischen Liga im Irakseit zwei Jahrzehnten. Nach jahrelangemKriegszustand hatte die irakische Regierunggehofft, dass die Konferenz die Stabilität unddie neue Rolle des Iraks als Mediator zwi-schen dem schiitischen Iran und den arabi-schen Staaten, vor allem den sunnitischenGolfstaaten, hervorheben könnte. Doch dieHoffnung erfüllte sich nicht: Trotz dieser Be-mühungen bleiben die Golfstaaten misstrau-isch gegenüber der irakischen Verbindung zuIran. Als ranghohe Persönlichkeiten aus denGolfstaaten kam nur der Emir Kuwaits, wasden ersten Besuch eines ranghohen Vertre-ters eines GCC-Staates im Irak seit 1990markierte. Die katarische Regierung ent-sandte eine Delegation auf „niedriger Ebene“,um ihre Unzufriedenheit über den Umgangder Maliki-Regierung mit der sunnitischenMinderheit zum Ausdruck zu bringen. Im Vor-feld wurde die Konferenz zweimal wegenAuseinandersetzungen zwischen dem Irakund den GCC-Staaten verlegt. Grund war derUnmut der irakischen Regierung über dieUnterdrückung der schiitischen Demonstran-ten in Bahrain.II.5 TürkeiNach 2003 orientieren sich die irakisch-türki-schen Beziehungen neu. Dabei sind die Inte-grität des Iraks und die Auseinandersetzungmit der PKK zentrale Aspekte der türkisch-ira-kischen Beziehungen. Der Status von Kirkukund die Rechte der turkmenischen Bevölke-rung im Irak sind weitere wichtige Punkte. Vorder US-Invasion wurde die türkische Regie-rung von den USA dazu aufgerufen, sich ander Koalition zu beteiligen, doch das türkischeParlament stimmte gegen eine aktive Beteili-gung an der Irak-Invasion. Die Beziehungen der Türkei zur irakischenZentralregierung und zu den beiden großenParteien der Autonomen Kurdischen Regie-rung waren vor dem Irak-Krieg 2003 sehrkühl, und so hatte die Türkei kaum Einflussauf ihr südliches Nachbarland. Seit 2008 setztdie Türkei Kommunikation mit allen Akteurenim Irak als neue Strategie an. Für Sunnitensowie auch für Schiiten, die einen vereinigtenIrak beibehalten wollen, ist die Türkei ein es-senzieller Partner.

Der türkische Premierminister Recep TayyipErdogan war der erste türkische Regierende,der Bagdad 2008 nach fast 20 Jahren be-suchte. Durch diesen Besuch versuchte Er-dogan, die durch die Angriffe der Türkei aufPKK-Rebellen im Nordirak angespannte Be-ziehung wieder zu verbessern. Die ange-spannte Situation zwischen der kurdischenRegionalregierung und der Türkei hat sichdurch den Konflikt zwischen der Türkei undder PKK weiter intensiviert. Ein weitererGrund für diese prekäre Situation ist auch dieHaltung der türkischen Regierung zu den Be-strebungen der kurdischen Parteien im Irak,einen souveränen kurdischen Staat zu errich-ten. Zu der Beziehung zum Irak äußerte sichErdogan am 3. April 2009 wie folgt:

“We defend establishment of an Iraqistate on the basis of Iraq nationality.Common ground is being an Iraqi na-tional. If you set up a Kurdish state,then others will try to set up a Shiastate and others an Arab state. There,you divide Iraq into three. This can leadIraq into a civil war."41

Die Errichtung eines kurdischen National-staates steht nicht im Interesse der türkischenRegierung, da solch ein Aufstreben die türki-schen Kurden motivieren würde, ebenfallseinen kurdischen Großstaat zu etablieren.Der Wunsch nach mehr Selbstbestimmungund Autonomie wird schon seit Jahrzehntenvon der kurdischen Minderheit gegenüber dertürkischen Regierung geäußert; ohne Erfolg.Aus diesen Gründen unterstützt die Regie-rung Erdogan alle Bewegungen im Irak, diedas Ziel haben, einen einheitlichen irakischenNationalstaat zu wahren. Im Mai 2009 erklärte das irakische Ölministe-rium, dass die kurdische Regierung befähigtsei, Öl aus der kurdischen Region in die Tür-kei zu exportieren42. Diese und weitere wirt-schaftliche Entwicklungen waren ein großerSchritt, die Beziehungen zwischen der Türkeiund den irakischen Kurden zu stärken. Diewirtschaftlichen Aspekte machen die Türkeifür den Irak zu einem wichtigen Partner mitgroßem Zukunftspotential. Der türkische Han-delsminister schätzte, dass das Handelsvolu-men zwischen der Türkei und dem Irak im

41 Vgl. http://www.thefreelibrary.com/%28DIP%29+PREMIER+ERDOGAN+SAYS+TURKEY+DEFENDS+FORMATION+OF+AN+IRAQI+STATE...-a0197068466, abgerufen am 16.10.12.

42 Vgl. CNN: Iraqi Kurds begin exporting oi“, 1. Juli 2009, http://www.articles.cnn.com/2009-06-01/world/iraq.kurds.oil_1_iraqi-kurds-kurdish-foreign-oil-companies?_s=PM:WORLD, abgerufen am16.10.2012.

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Jahr 2010 6 Mrd. USD erreichte, im Jahr 2003waren es nur 940 Mio. USD43. Durch diesenZuwachs hat sich der Irak vom zehntgrößtenHandelspartner zum fünftgrößten Handels-partner für die Türkei entwickelt. Mit über 100Unternehmen in den Bereichen Energie,Landwirtschaft und Industrie ist die Türkeinach China unter den Top-Playern in der ira-kischen Wirtschaft. Die Türkei dominiert vorallem die Autonome Region Kurdistan (KRG),wo geschätzte 80% der verkauften Ware ausder Türkei importiert werden. 55% der regis-trierten ausländischen Unternehmen in derKRG Region stammen aus der Türkei. Neu-ere Zahlen aus dem Jahr 2011 zeigen einenweiteren Anstieg: Der Irak ist nach Deutsch-land der zweitgrößte Handelspartner der Tür-kei mit einem Handelsvolumen von bis zu 12Mio. USD, von denen mehr als die Hälfte ausdem Handel mit der KRG stammen44. Trotz dieser positiven wirtschaftlichen Entwicklung entstanden in den letzten Monaten große Spannungen zwischen demtürkischen Premierminister Erdogan und seinem irakischen Kollegen al-Maliki. Zumeinen kritisierte die Türkei die irakische Haltung zu der Krise in Syrien und zum anderen befürchtet Erdogan eine Verschlim-merung der innenpolitischen Konflikte im Iraknach dem Truppenabzug der USA und warntvor der immer größer werdenden Gefahreines Bürgerkrieges. Des Weiteren beschul-digt Erdogan Nouri al-Maliki, dass er gegendiese Situation keine Maßnahmen ergreifeund somit zu dem Konflikt zwischen Schiitenund Sunniten maßgeblich beitrage. Solangedie starke Verbindung zu Iran bestehen bleibt,kann der Irak in der Region keine neue Rolleals eigene politische Macht übernehmen, dadie arabischen Nachbarstaaten, abgesehenvon Syrien45, den Irak weiterhin als einen schi-itischen Satellitenstaaten Irans betrachtenwerden. Bleibt dies der Fall, sind politischeKooperationen zwischen dem Irak und denGolfstaaten geprägt von dem bereits erwähn-ten „Kalten Krieg“ zwischen Saudi-Arabienund Iran. Eine vollständige Hinwendung desIraks in Richtung Iran ist aus mehreren Grün-den jedoch kaum vorstellbar:

1. Die sunnitische Minderheit von ca. 32-37% ist relativ groß und politisch gut orga-nisiert. 2. Die nicht nur wirtschaftlich, sondern auchpolitisch immer einflussreichere autonomeRegion Kurdistan steht einer politischenVerbrüderung mit Iran trotz guter wirt-schaftlicher Beziehungen entgegen.3. Der Konflikt zwischen Sunniten und Schi-iten spiegelt keineswegs vollständig dieVerhältnisse innerhalb der irakischen Ge-sellschaft wider. So stehen Schiiten im Irakprimär zu ihrer irakischen und arabischenIdentität. Ein weiterer Indikator sind die stei-genden Zahlen in den Eheschließungenzwischen Paaren verschiedener Religio-nen, Konfessionen und Ethnien.46

4. Der Irak verfügt über eine sehr reicheGeschichte, Tradition und Kultur. Trotz allerKomplikationen berufen sich Schiiten, Sun-niten und andere religiöse Gruppen wiezum Beispiel Christen auf dieselben Wur-zeln und dieselbe Historie, was entgegenaller Feindschaften eine starke irakischeIdentität schafft. 5. Nicht zuletzt ist der sogenannte „neueIrak“ eine Demokratie. Auch wenn dieseDemokratie viele Mängel aufweist und Kor-ruption und Intransparenz immer noch ander politischen Tagesordnung stehen, ist esNouri al-Maliki nicht möglich, einen Allein-gang zu wagen.

III. Internationale Perspektive III.1 Deutschland Nach 22 Jahren war Frank-Walter Steinmeierder erste deutsche Außenminister, der denIrak im Jahr 2009 besucht hat. Nach demIrak-Krieg im Jahr 2003 hat Deutschland re-lativ schnell enge bilaterale Beziehungen auf-gebaut. Seit 2003 belief sich die deutscheUnterstützung für den Irak auf 400 Mio. EUR,eingeschlossen EU-Hilfen und Beitragszah-lungen über die Weltbank oder den Interna-tionalen Währungsfonds. Auch erließ

43 Vgl. Turnuc, Hasan: Turkey and Iraq, 7. Juli 2011, http://www2.lse.ac.uk/IDEAS/publications/reports/pdf/SR007/iraq.pdf, abgerufen am 16.10.2012.

44 Ebd.45 Allerdings weitet sich der Konflikt in Syrien immer weiter aus und Assad hat jede politische Legitimation

verspielt. 46 In diesem Jahr haben irakische Behörden 14.000 Eheschließungen zwischen Paaren verschiedener

Religionen, Konfessionen und Ethnien registriert. Das sind mehr als vier Mal so viel wie noch im Jahr 2010.

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Deutschland dem Irak Schulden in Höhe von4,8 Mrd. EUR im Rahmen des Pariser Ab-kommens. Für die deutsche Regierung ist einzentraler Baustein für die Festigung demo-kratischer Strukturen die Konsolidierung derrechtstaatlichen Rahmenbedingungen. Ausdiesem Grund konzentriert sich die deutscheUnterstützung auf die Rechtsstaatförderung,im Sinne von Aus- und Fortbildung von Rich-tern, Staatsanwälten und Mitarbeitern der ira-kischen Menschenrechtsinstitutionen sowieBeratungsleistungen zu verfassungsrecht-lichen Fragen und den Aufbau juristischerAusbildungseinrichtungen. Um die wirtschaftliche Zusammenarbeit undBeschäftigungsförderung zu vertiefen, wurdeim Februar 2009 in Bagdad ein deutschesWirtschaftsbüro mit Außenstellen in Erbil undin Basra eröffnet. Deutsche Ausfuhren in denIrak sind im Jahr 2010 um 54,2% auf ca.925,9 Mio. EUR gestiegen. Deutsche Waren-exporte umfassen vor allem Maschinen undFahrzeuge. Irakische Exporte nach Deutsch-land stiegen im Jahr 2010 um 89,7% (159,7Mio. EUR) und umfassen fast ausschließlichRohöl. In diesem Zusammenhang hat GuidoWesterwelle, der erste europäische Außen-minister, der den Irak nach den Parlaments-wahlen am 7. März 2010 besuchte, am 4.Dezember 2010 ein Investittionsschutzab-kommen mit dem Irak unterzeichnet. Das Ab-kommen soll eine geeignete Basis fürzukünftige Kooperationen und Investitionendeutscher Unternehmen im Irak sein. Im sel-ben Jahr haben deutsche Unternehmen erst-mals nach vielen Jahren an der Messe„Baghdad International Fair“ teilgenommen.Ein weiterer wichtiger Aufschwung für diedeutsch-irakischen Wirtschaftsbeziehungenwar der Besuch des Vize-Kanzlers und Wirt-schaftsministers Philipp Rösler im November2011 im Irak. Rösler eröffnete dort den „Ger-man Day“ auf der „Baghdad International Fair“und leitete eine Wirtschaftskommission, dieArbeitsgruppen für eine engere Zusammen-arbeit in den folgenden Bereichen etablierthat: Infrastruktur, Gesundheit, Elektrizität undTransport. Deutschland unterstützt den Wiederaufbau imIrak vor allem mit Hilfe der EuropäischenUnion. In einer engen Zusammenarbeit mitder Bundesregierung, Italien und Schwedenhat die EU ein erstes Strategiepapier für dieZusammenarbeit mit dem Irak für 2011-2013

ausgearbeitet. Mit Hilfe dieses Programmssoll die Zusammenarbeit in den Bereichenverantwortungsvolle Regierungsführung, so-ziökonomische Erholung durch Bildung undAusbau der institutionellen Kapazitäten, Was-serbewirtschaftung und Landwirtschaft statt-finden. Die EU-Kommission ist seit Mitte 2006mit einer Delegation in Bagdad vertreten. DerHauptarbeitsbereich hierbei ist die Unterstüt-zung der irakischen Wahlkommission, derAufbau des Rechtsstaates und Hilfe für iraki-sche Flüchtlinge. Die deutsch-irakischen Be-ziehungen beruhen somit weitgehend aufwirtschaftlicher Kooperation und Unterstüt-zung im Wiederaufbau der Infrastruktur. Die direkte Entwicklungszusammenarbeit mitdem Irak wird über das Bundesministerium fürwirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-lung durch die Gesellschaft für InternationaleZusammenarbeit (GIZ) GmbH ausgeführt. Diedeutschen Projekte im Irak fördern zum Bei-spiel die Ausbildung von technischen Fachar-beitern und Führungskräften47. Eine weitereKooperation zwischen den beiden Staatenbesteht im Bereich der Bildung. Der DeutscheAkademische Austauschdienst (DAAD) hat,gefördert vom Auswärtigen Amt, ein Pro-gramm des akademischen Austausches (Ta-badul) zwischen dem Irak und Deutschlandaufgebaut48. Des Weiteren unterstützt dieBundesregierung die Förderung der deut-schen Sprache durch das Goethe-Institut undder Deutschen Schule in Erbil. Die Kooperation im Gesundheitswesen ist einweiteres Ziel der deutschen Regierung imIrak. Im März 2012 haben der Gesundheits-minister der Bundesrepublik Dieter Bahr undder irakische Minister für Gesundheit MajeedMohamed Amin eine „Gemeinsame Erklärungzur Zusammenarbeit im Gesundheitswesen“unterzeichnet. Die Zusammenarbeit soll unteranderem die Ausbildung von medizinischemPersonal im Irak beinhalten 49. III.2 Europäische Union Am 11. Mai 2012 haben Catherine Ashton, dieHohe Vertreterin für Außen- und Sicherheits-politik und Vizepräsidentin der EuropäischenKommission und Hoshyar Zebari, Außenmi-nister der Republik Irak, das EU-Irak-Partnerschafts- und Kooperationsabkommen(PKA) in Brüssel unterzeichnet. Die Verein-barung soll eine weitere Ebene zur Erleichte-

47 Vgl. Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, http://www.giz.de/themen/de/22795.htm,abgerufen am 10.10.12.

48 Vgl. http://www.tabadul.de/.49 Vgl. Bundesministerium für Gesundheit, 6. März 2012, http://www.bmg.bund.de/ministerium/presse/

pressemitteilungen/2012-01/deutsch-irakische-zusammenarbeit.html, aberufen am 10.10.12.

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50 Vgl. MENAFN, 11. Juli 2011, http://www.menafn.com/menafn/1093427637/Iraq-wants-to-expand-relations-with-EU--Maliki, abgerufen am 10.10.12.

rung der Beziehungen und der Zusammenar-beit bieten.Das Abkommen ist ein Ausdruck der EU, zueinem wichtigen Partner für den Irak gewor-den zu sein. Ziele der Vereinbarung sind es,wichtige Investitionen zwischen dem Irak undder EU zu fördern und den Irak in die interna-tionale Wirtschaft zu integrieren. Auch wird indem Vertrag der Rahmen für die aktuelle Zu-sammenarbeit in diversen Bereichen wie Ge-sundheit, Bildung, Umwelt und Energie,festgelegt. Die EU ist ein wichtiger Handelspartner fürden Irak. Die Unterstützung der EuropäischenKommission zu grundlegenden Dienstleistun-gen wie Bildung, Gesundheit, Infrastrukturund Wasser beläuft sich seit 2004 auf einenBetrag in einer Höhe von 372 Mio. EUR. ImJahr 2011 erreichte der gesamte bilateraleHandel zwischen der EU und dem Irak ein Vo-lumen von über 13 Mrd. EUR. Die EU-Importeaus dem Irak bestehen zu 99,7% aus Ölliefe-rungen. EU-Exporte in den Irak bestehen vorallem aus Maschinen und Fahrzeugen (60%),Chemikalien (9,5%), Nahrungsmitteln und le-benden Tieren (4,5%).In den Jahren 2008-2010 gab es eine erhöhteAnzahl von bilateralen Treffen zwischen derEU und Irak, was zu einer Reihe von langfris-tigen Entwicklungsplänen führte. Im Jahr2008 wurde ein Hilfsprogramm mit einer Ka-pazität von 72,6 Mio. EUR ins Leben gerufen.Mit dem Programm sollen irakische Institutio-nen gestärkt und die Lebensqualität der Be-völkerung durch die Bereitstellung vongrundlegenden Dienstleistungen verbessertwerden. Ein Jahr später wurde das erste bila-terale Projekt zwischen der EuropäischenKommission und der irakischen Regierungeingeleitet. Das Projekt beinhaltet einen Be-trag von 10,6 Mio. EUR, vorgesehen für tech-nische Hilfe für bestimmte irakischeInstitutionen und angedacht als Ergänzung zudem Hilfspaket von 2008.Ein „Memorandum of Understanding (MoU)“wurde 2010 von der Europäischen Union undder Republik Irak unterzeichnet. Das MoU sollpolitische Rahmenbedingungen für die Stär-kung der energiepolitischen Beziehungenschaffen. Unter den langfristigen Entwick-lungsplänen der EU für den Irak ist der „Na-tional Development Plan“ (NDP) für2010-2014. Der NDP soll mit einem Budget

von 200 Mrd. USD dem Irak dazu verhelfen,die Millenniums-Entwicklungsziele der Ver-einten Nationen zu erreichen. Somit ist derNDP einer der wichtigsten Referenzen für dieirakische Zusammenarbeit mit der internatio-nalen Gemeinschaft.Ein weiteres Projekt der EU im Irak ist die EU-JUST Lex, die erste „integrierte“ Rechts-staatsmission der EU. Sie konzentriert sichauf das Justizsystem, Strafverfolgungsbehör-den und Strafvollzug und hat eine beratendeFunktion. Diese Mission ist die erste gehalt-volle Maßnahme in der Irakfrage nach der In-vasion, die aus einer gemeinsamenEU-Außenpolitik entstanden ist. Das Mandatwurde im Ratsbeschluss vom 7. März 2005festgelegt und begann am 1. Juli 2005. Bisdato hat die EU im Rahmen dieser Missionüber 3.000 irakische Polizisten, Richter undStrafvollzugsbeamte ausgebildet.Seit dem Abzug der US-Truppen aus dem IrakEnde 2011 wurden die politischen Beziehun-gen zwischen der EU und dem Irak nicht um-fangreich ausgebaut. Die Staatsschuldenkriseim Euroraum und die internationale Krise inSyrien lassen zurzeit kaum Freiraum für poli-tische Kooperation. Premierminister al-Malikihat allerdings den Wunsch geäußert, die Be-ziehungen zu der EU auszubauen und vonder europäischen Expertise, vor allem in demBereich Bildung und Wiederaufbau, zu profi-tieren50. III.3 RusslandAm 12. April 2009 besuchte al-Maliki Russ-land, was den ersten staatshohen Besuchaus dem Irak seit 1981 darstellte. Der Besuchwurde in den internationalen Medien alsneuer Weg des Iraks dargestellt, um die Ab-hängigkeit von den USA zu relativieren undneue Partner zu gewinnen. Während diesesTreffens sprach sich die russische Führungstrikt gegen die kurdischen separatistischenAmbitionen aus und versprach eine Unter-stützung der territorialen Integrität des Iraks. Am 1. August 2012 besuchte der stellvertre-tende russische Außenminister und Sonder-gesandte für den Nahen Osten, MikhailBogdanov, Bagdad. Bei den Treffen zwischenirakischen und russischen Entscheidungsträ-gern wurden sowohl die Zusammenarbeit derbeiden Länder sowie die aktuelle Situation inSyrien besprochen. Die irakischen Vertreter

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lobten die Beziehungen zwischen dem Irakund Russland in allen Bereichen, vor allemaber wurde die Kooperation im Gas- und Öl-Sektor als sehr positiv bewertet. Zudemwurde betont, dass weitere Investitionen vonrussischen Unternehmen im Irak sehr wün-schenswert seien. Beide Seiten waren sicheinig, dass eine intensive Zusammenarbeitbei der Stromerzeugung, dem Ausbau der Mi-litärs und im Bildungsbereich notwendig ist.Die russischen Vertreter haben auch ihre Be-reitschaft angekündigt, mit der AutonomenRegion Kurdistan zusammenzuarbeiten unddieses als ein wichtiges Element der russisch-irakischen Beziehungen bezeichnet. In der Syrien-Frage sind sich beide Staateneinig: eine mögliche Intervention von Außenwird stark abgelehnt. Abgesehen davon gibtes kaum Kooperationen im politischen Be-reich. Die Zusammenarbeit beläuft sich bis-her auf die Förderung von Öl durch dierussischen Firmen Lukoil und Gazprom, diedie Lizenzen zu Ölfeldern im Irak besitzen. III.4 ChinaDer Besuch al-Malikis in Peking im Juli 2011sollte die chinesisch-irakischen Beziehungenvorantreiben. Nouri al-Maliki ist nach 50 Jah-ren der erste irakische Premierminister, derChina besuchte. Die chinesische Regierungist daran interessiert, Unternehmen im Irakdazu zu verhelfen, eine langfristige und sta-bile Beziehung in den Bereichen Erdöl undErdgas aufzubauen. Das Ziel der chinesi-schen Politik im Irak ist es, das Erdöl für denkünftigen Verbrauch zu sichern. Maliki hofft auf mehr Investitionen im Irak vonchinesischen Unternehmen und rief beideSeiten dazu auf, die Kooperation auf die Be-reiche Elektrizität Transport, Wohnbau, Tele-kommunikation und Landwirtschaftauszuweiten. Um dieses Vorhaben zu errei-chen, hat Nouri al-Maliki angekündigt weitereMaßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheitder chinesischen Staatsbürger im Irak zuschützen. Im Jahr 2012 hat China die ersten Ölförde-rungen im Irak begonnen. Chinas NationalPetroleum Corporation (CNPC) startete am19. Juli 2012 die Arbeit in einem Ölfeld in dersüdirakischen Provinz Maysan. Auf diesem

Ölfeld werden 70.000 Barrel Öl an einem Taggefördert, was einer Summe von 5 MillionenTonnen im Jahr entspricht. Irak wird somit zueiner der Haupthandelspartner der Auslands-kooperation der CNPC im Zeitraum 2011-2015 werden. Die Volksrepublik China hat sich vom größtenKritiker der US-geführten Invasion des Iraksim Jahr 2003, zum größten wirtschaftlichenGewinner des Krieges entwickelt. Währenddas Interesse der westlichen Unternehmen anden irakischen Öl-Aktionen durch die prekäreSicherheitslage und Streitigkeiten zwischender Zentralregierung al-Malikis und der Auto-nomen Region Kurdistan zunehmend sinkt,bleibt China der größte Kooperationspartnerbei den irakischen Öl-Auktionen51. III.5 USA Die Geschichte der amerikanisch-irakischenBeziehungen ist sehr umfangreich und des-halb werden in diesem Rahmen nur die Ent-wicklungen seit der Amtseinführung desUS-Präsidenten Barack Obama im Januar2009 betrachtet. Ein nicht unerheblicher Fak-tor für den Wahlsieg Obamas in den USA wardie Irak-Frage. Im Gegensatz zu seinem Vor-gänger George W. Bush, der die Initiative zurInvasion des Iraks im Jahr 2003 ergriff, sprachsich Obama für einen schnellen Abzug derUS-Truppen im Irak aus. Dieser erfolgte in mehreren Etappen, bis am31. Dezember 2011 die letzten US-Truppenden Irak verließen. Der Abzug aus dem Irakfand unter den Rahmenbedingungen des US-Iraq Security Agreements statt. Das US-Mili-tär hat den Irak zwar verlassen, aber es istklar, dass sich die USA nicht in absehbarerZeit aus dem Irak gänzlich zurück ziehen kön-nen. Die USA wird weiterhin mit großem En-gagement um die Normalisierung derbilateralen Beziehungen bemüht sein. DasUS State Department übernimmt seit demTruppenabzug am 31. Dezember 2011 dieVerantwortung für die amerikanisch-iraki-schen Beziehungen und stellt ein Personalvon 16.000 Beamten, davon 5.000 aus Si-cherheitsfirmen, die im Irak agieren. Das Bud-get beträgt 6 Mrd. USD und die USA ist mitdrei Hauptvertretungen präsent. Der Irak be-fürwortet die Bereitstellung von mehrerenTausend US-amerikanischen Ausbildern für

51 Vgl. Salaheddin, Sinan: China reaps benefits of Iraq war, in: NBC News, 08. Juni 2010,http://www.msnbc.msn.com/id/37577656/ns/business-oil_and_energy/t/china-reaps-benefits-iraq-war/#.UHVBKq5m7s0, abgerufen am 10.10.2012.

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das irakische Militär, welches in diesem Be-reich noch stark von der amerikanischen Hilfeabhängig ist. In Fragen der Sicherheit ist der Irak weiterhindarauf angewiesen, dass die USA dabei hel-fen, irakische Sicherheitskräfte aufzubauen.Das State Department hatte bereits für dasTrainingsprogramm der irakischen Polizei dieVerantwortung übernommen. Somit bedeutetder Abzug des US-Militärs aus dem Irak nichtdas Ende der irakisch-amerikanischen Mili-tärbeziehungen. Die Beziehungen zwischenden amerikanischen und irakischen Streit-kräften werden sich tendenziell vergleichbarmit den Beziehungen der Amerikaner zu denGolfstaaten entwickeln. Die USA spielt eine komplizierte Rolle in derirakischen Politik. Washington hat eindeutigal-Maliki bei dem langwierigen Regierungsbil-dungsprozess im Jahr 2010 unterstützt. Inden Streitigkeiten zwischen der Zentralregie-rung in Bagdad und der kurdischen Regional-regierung im Norden des Landes setzt dieUS-Regierung ihre Rolle als Vermittler fort.Ein Ziel der Obama-Administration ist es, denIrak an seine Nachbarn, die Golfstaaten, an-zunähern. In diesem Zusammenhang moti-vierte die US-Regierung den Militär-Stabschefder VAE, in den Irak zu reisen und Gesprä-che im Rahmen einer Militär-Kooperation zuführen. Aktuell arbeiten die Amerikaner aneinem Plan, die irakischen Streitkräfte in dieregionalen Militärübungen einzubeziehen.Nach dem endgültigen Truppenabzug bleibtauch eine große Beratermission der Amerika-ner im Irak. Im Jahr 2008 wurde unter Obamaund al-Maliki das „Strategic FrameworkAgreement“ (SFA) von beiden Staaten unter-zeichnet. Das Abkommen deckt den Bereichder bilateralen Fragen, einschließlich Diplo-matie, Sicherheit, Wirtschaft, Energie, Justizund Strafverfolgung, Dienstleistungen, Wis-senschaft, Kultur, Bildung und Umwelt ab undbietet die Grundlage für die bilateralen Bezie-hungen. Die USA müssen sicherstellen, dass der Irakkeine Ursache für Instabilität am Golf bildet,die den Ölfluss aus der Region behindernkönnte. Der Irak muss aus der US-amerikani-schen Sicht stabilisiert werden, um ein Über-schwappen bürgerkriegsänhlicher Zustände

auf die Nachbarstaaten zu verhindern und dieGefahr eines Staates mit aggressiver Expan-sionspolitik zu verhindern. Dies sind die mini-malen Anforderungen der USA an den Irak.Ein starker, wohlhabender und pluralistischerStaat, der sich mit den USA verbündet, wäredie Maxime der amerikanischen Hoffnungenfür die Zukunft. Der Schlüssel zum Erfolg die-ser Ziele ist die irakische Innenpolitik. Deshalbkonzentrieren sich die USA auf die Beratungder irakischen Regierung im Bereich der in-neren Angelegenheiten. Ein Bürgerkrieg wäreeine starke Zerreißprobe für die irakischeInnenpolitik. Dennoch bleibt der Einfluss derUSA auf die irakische Innenpolitik marginal.Ein Beispiel dafür ist die Haltung der iraki-schen Regierung zu der Krise in Syrien,wobei al-Maliki trotz Gesprächen mit ameri-kanischen Offiziellen von seiner pro-AssadHaltung nicht abrückt.52IV. FazitDie irakische Außenpolitik steht noch in ihrerAnfangsphase. Aufgrund großer innenpoliti-scher Probleme ist es der irakischen Regie-rung noch nicht gelungen, eine klareaußenpolitische Konzeption zu entwickeln.Allerdings lässt sich schon feststellen, dassder Irak wirtschaftliche Kooperation mit allenPartnern sucht und diese in der Außenpolitikals Priorität gilt. Es lässt sich auch beobach-ten, dass Premierminister Nouri al-Maliki undAußenminister Hoshyar Zebari mit großenBemühungen versuchen, die Beziehungen zuihren Nachbarstaaten auszubauen. Dabeiwollen sie jedoch nicht von ihrer Nähe zu Iranabrücken, durch das die irakischen Bezie-hungen zu den arabischen Golfstaatenweiterhin behindert werden. Die Annäherung des Iraks an seine Nachbar-staaten lässt sich nach Jahrzehnten der Iso-lation als positiv bewerten. Die irakischeRegierung will in der Region als ein wichtigerKooperationspartner im Bereich der Wirt-schaft gelten. Durch das steigende Wirt-schaftswachstum und den Erfolgen imÖlsektor könnte sich der Irak zu einem wich-tigen wirtschaftlichen Planer in der Region ka-tapultieren. Ein großes Hindernis für eine florierende ira-kische Wirtschaft mit großem Investmentpo-tential für externe Unternehmen und Staaten

52 Vgl Juul, Peter: U.S.-Iraq Relations Enter a New Era, in: Center for American Progress, 13. Dezember 2011,.http://www.americanprogress.org/issues/military/news/2011/12/13/10834/u-s-iraq-relations-enter-a-new-era/, abgerufen am 10.10.12.

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ist nicht nur die anhaltende prekäre Sicher-heitslage, die viele Investoren abschreckt,sondern auch die anhaltenden Spannungenzwischen der Zentralregierung al-Malikis inBagdad und der Autonomen Region Kurdi-stan. Sollte nicht bald ein nachhaltiges Ab-kommen geschlossen werden, könnte diesesinnenpolitische Problem die Beziehungen desIraks zu anderen Staaten beeinträchtigen. Solange keine Lösungen für die innenpoliti-schen Probleme gefunden werden, wird sichder Irak weiterhin in seiner außenpolitischen

Starre befinden. Für eine starke politische undwirtschaftliche Rolle im Nahen und MittlerenOsten, vor allem in der Golfregion, ist der Iraknicht zuletzt durch seine geographische Lage,dem Reichtum an Rohstoffen, sowie histo-risch und kulturell prädestiniert. Die außen-politischen Beziehungen des Iraks werdenzukünftig davon abhängen, wie sich die iraki-sche Regierung innnerhalb der heutigen kom-plexen Welt der arabischen Regionorientieren wird. Reem Al-Abali

V. Ausgewählte Quellenangaben JUUL, PETER: U.S.-Iraq Relations Enter a New Era, in: Center for American Progress,

13. Dezember 2011, http://www.americanprogress.org/issues/military/news/2011/12/13/10834/u-s-iraq-relations-enter-a-new-era/, abgerufen am 10.10.12.

INTERNATIONAL CRISIS GROUP: Iran in Iraq: How much influence?, Middle East Report N°38, 21. März 2005.

THEWASHINGTON INSTITUTE FOR NEAR EAST POLICY: Iran’s Influence in Iraq, Policy Focus #111,April 2011.

THE WASHINGTON INSTITUTE FOR NEAR EAST POLICY: With Neighbors Like These – Iraq And TheArab States on Ist Borders, Policy Focus #70, Juni 2007.

PERTHES, VOLKER: Bewerbung im Mittleren Osten. Internationale Politik und regionale Dynamikennach dem Irak-Krieg, SWP-Studie,Berlin 2004.

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Vorstand und Kuratorium der Deutschen Orient-Stiftung

Vorstand Deutsche Orient-Stiftung/Deutsches Orient-Institut

Dr. Gerald BumharterGeneral Manager and Representativeof ABC International Bank plcdesignierter VorsitzenderStellvertretende Vorsitzende des VorstandesHenry Hasselbarth Vice President North & Central Europe(a. D.) Emirates AirlinesDr. Michael LüdersIslamwissenschaftlerMitglied des Beirates im NUMOVMichael Lüders NahostberatungHelene Rang Geschäftsführender Vorstand desNUMOVHelene Rang & PartnerWeitere Mitglieder des VorstandesHis Excellency Ali Bin Harmal Al Dhaheri Chairman of the Executive Board ofGovernors, Abu Dhabi University Martin BayDeutsche Bahn International (ret.)Vice Chairman Qatar RailwaysDevelopment Co.Prof. Dr. Christina von Braun Vorsitzende des Lehrstuhls für Kultur-geschichte und Gender StudiesHumboldt Universität zu BerlinKulturwissenschaftliches SeminarElke Hoff, MdBMitglied des Deutschen BundestagsPhilipp Lührs Vice President Middle Eastdeugro GmbH KatarSaffet Molvali Eren Holding A.S.Dr. Gunter Mulack Direktor und Mitglied des VorstandesProf. Dr. Dr. h.c. mult. HermannParzinger, Präsident der StiftungPreußischer KulturbesitzBernd Romanski Stellvertretender Vorsitzender des Vor-standes im NUMOV, Mitglied des Vor-stands HOCHTIEF Solutions AG

Dr. Gerhard SchäferLeiter Wirtschaft und Politik (a. D.)Dr. Ing. h.c. F. Porsche AGProf. Dr. Susanne Schröter Institut für Anthropologie / Exzellenz-Cluster„Herausbildung normativer Ordnungen“Goethe-Universität Frankfurt Prof. Dr. Rainer SchwarzSprecher der Geschäftsführung Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH

Kuratorium Deutsche Orient-Stiftung/Deutsches Orient-Institut

Präsident Günter Gloser, MdBMitglied des Deutschen Bundestags Stellvertretender Präsident Prof. Dr. Mathias Rohe Friedrich-Alexander-Universität Erlan-gen-NürnbergJuristische Fakultätweitere Mitglieder des Kuratoriums

Prof. Dr. Abdul Ghaffar Yousef Präsident der Kingdom University inBahrainSheikha Abdulla Al Misnad, Ph.D. Präsident der Qatar University

Oliver Berben GeschäftsführerMOOVIE - the art of entertainmentGmbHDr. Ralf BrauksiepeParlamentarischer StaatssekretärMitglied des Deutschen BundestagesPeter Brinkmann JournalistJürgen Chrobog Staatsssekretär a.D. Vorsitzender des VorstandesBMW Stiftung Herbert QuandtMitglied im Vorstand NUMOV

Thomas Ellerbeck Mitglied des Beirates im NUMOVDirektor Unternehmenskommunikationund PolitikProf. Dr. Friedhelm GehrmannSteinbeis Universität BerlinInstitut “Global Consulting and Government”Stephan Hallmann ZDF Zweites Deutsches FernsehenHR Politik und ZeitgeschehenAussenpolitikBurkhardt Müller-Sönksen, MdB Mitglied des Deutschen BundestagsProf. Detlef PrinzInhaberPrinzMedienDr. Nicolas Christian Raabe Vorstand NUMOV JuniorenkreisGerold Reichle Leiter der Abteilung Luft- und Raumfahrt im Bundesministerium fürVerkehr, Bau und Stadtentwicklung Dr. Gerhard Sabathil Director East Asia, Australia, Pacific,European External ServiceMember of the Advisory Board ofNUMOVProf. Dr. jur. Dr. phil. Peter ScholzVizepräsident Amtsgericht TiergartenHonorarprofessor der Freien UniversitätBerlinOltmann Siemens Repräsentant der Weltbank a.D.Dr. Max Stadler, MdB Parlamentarischer StaatssekretärWilhelm StaudacherStaatssekretär a.D.Dr. Willi Steul Intendant des DeutschlandradioJuergen Stotz Deutsches Nationales Komitee desWeltenergierates (DNK)RA Rainer Wietstock PricewaterhouseCoopers AktiengesellschaftWirtschaftsprüfungsgesellschaft

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Vorstand des Nah- und Mittelost-VereinsNUMOVEhrenvorsitzender

Dr. Gerhard SchröderBundeskanzler a.D.Geschäftsführender VorstandHelene RangInhaberinHelene Rang & PartnerVorsitzender Bernd RomanskiMember of the Board Hochtief Solutions AGStellvertretende VorsitzendeMartin Bay Deutsche Bahn AG ret.Burkhard DahmenChairman of the Board SMS Siemag AG Dr. Martin HerrenknechtVorsitzender des VorstandesHerrenknecht AGDr. Norbert KloppenburgMitglied des VorstandesKfW BankengruppeJens-Ove R. Stier GeschäftsführerWinterstein-Kontor GmbHMitglieder des VorstandesRalf to Baben Mitglied des Vorstandes RWE DEA AGMartin BachmannMitglied des VorstandsWintershall Holding AGDr. Christoph Beier Stv. Vorsitzender der Geschäfts-führungGIZ GmbH, Deutsche Gesellschaftfür Internationale ZusammenarbeitHubert Bock Managing DirectorMisr Bank Europe GmbH

Jürgen ChrobogStaatssekretär a. D.Vorsitzender des VorstandesBMW Stiftung Herbert QuandtKlaus EberhardtVorsitzender des VorstandesRheinmetall AGJoachim EnenkelMitglied des VorstandesBilfinger Berger SEDieter ErnstIStaatssekretär a.D.IWC Innovation and Water ConsultJürgen FitschenCo-Vorsitzender des VorstandesDeutsche Bank AGHans-Peter FlorenMitglied des VorstandesOMV AG Michael Glos, MdBBundesminister für Wirtschaft und Technologie a.D.Mitglied des Deutschen BundestagsGareth GriffithsMitglied des VorstandesE-ON Ruhrgas AGMarc HallMitglied des VorstandesWiener Stadtwerke Holding AGJoachim Hörster, MdBMitglied des Deutschen BundestagesElke Hoff, MdBMitglied des Deutschen BundestagsWalter LamparterCEO SH+E GroupMichael LudwigMitglied des Vorstandes Verbundnetz Gas AGMartin MarsmannHead of International BusinessUniCredit Bank AG

Hartmut MehdornVorsitzender des VorstandesAir Berlin PLC & Co. LuftverkehrsKGMatthias MüllerVorsitzender des Vorstandes Porsche AG Günther Mull ProprietorDermalog Identification SystemsMarc NeumannManaging DirectorFerrostaal Industrieanlagen GmbHDr. Thomas Rupprich Managing Director Bayerngas GmbH Jürgen SanderGeschäftsführerVEM Motors GmbHMaria-Elisabeth SchaefflerGesellschafterinIna-Holding Schaeffler KGPaul Schockemöhle PferdehaltungGmbHPaul SchockemöhleInhaberWerner SchoeltzkeENTRACON AGProf. Dr. Rainer SchwarzSprecher der GeschäftsführungBerliner Flughäfen Erich StaakeVorsitzender des VorstandesDuisport AGNiko WarbanoffVorsitzender der GeschäftsführungDeutsche Bahn International GmbH

Ehrenvorstandsmitglied, 1998 -2005Hans-Jürgen Wischnewski †Bundesminister / Staatsminister a.D.

Vorstand und Beirat des Nah- und Mittelost-Vereins / NUMOV

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Beirat des Nah- und Mittelost-Vereins / NUMOVPeter DingensBotschafter a.D.Rudolf DreßlerBotschafter a.D.Thomas EllerbeckDirektor Unternehmenskommunika-tion und PolitikVodafone D2 GmbHDr. Henryk FrystackiSiemens AG, a.D.Wilfried H. GrafArab Bank AG, a.D.Dr. Gabriela Guellil, BotschafterinIslamwissenschaftlerinDr. Jürgen HellnerBotschafter a.D.Near and Middle East ConsultantHerbert Honsowitz Botschafter a.D.Wolfgang KenntemichChefredakteur MDRDr. Hubert LangBotschafter a.D.Dr. Michael Lüders,IslamwissechaftlerMichael Lüders NahostberatungDr. Gunter MulackBotschafter a.D.Direktor Deutsches Orient-Institut

Bernd MützelburgBotschafter a.D.AAIN – Ambassadors AssociatesInterntional Networking GmbHDr. Jürgen K. NehlsGiesecke & Devrient a.D.Dietmar OssenbergAuslandschef der ZDF RedaktionZweites Deutsches FernsehenBernhard von der PlanitzChef des Protokolls a.D.Auswärtiges AmtKlaus RollenhagenHauptgeschäftsführerVerband Beratender IngenieureDr. Gerhard SabathilDirector East Asia Australia, Pacific,Eruopean Extgernal Service Andreas von StechowBotschafter a.D.Arbeitsstab Außen-wirtschaftsberatungDr. Rainald SteckBotschafter a.D.Folkmar StöckerBotschafter a.D. Knut WitschelManaging Director & Head Near &Middle East/Africa a.D.Deutsche Bank AGKarl Heinz WittekBotschaftsrat a.D.

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Impressum

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IMPRESSUMStudie des Deutschen Orient-Instituts

Die GolfstaatenDas „neue Herz“ des Nahen und Mittleren Ostens?Die Außenpolitik der arabischen Golfstaaten in der Analyse

Herausgeber:Deutsches Orient-Institut

Gesamtverantwortlicher Projektleiterund Chefredakteur: Sebastian Sons

Redaktionelle Unterstützung:Samira Akrach

Autoren der AnalysenEinleitung: Sebastian Sons

Saudi-Arabien: Sebastian SonsKatar: Edgar Zedler

Vereinigte Arabische Emirate: Samira AkrachBahrain: Marie Pfister Kuwait: Linda BergerOman: Linda BergerIrak: Reem Al-Abali

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Jägerstraße 63 D - 10117 BerlinTel.: +49 (0)30-20 64 10 21 - Fax: +49 (0)30-30 64 10 29

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Erscheinungsdatum: Oktober 2012Layout und Graphiken:

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