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Mitteilungen der medizinischen Abteilung C des Bispebjerg-Hospitals jn Ropenhagen. (Chefarzt: Dr. med. Knud Secher.) Die GriiNse des Herzens bei Patienten mit AdipoNit 8s. Von KNUD SECHER. Durch seine aus dem Jahre 1897 stammenden Untersuch- ungen von Sliilaufern hat S. E. Henschen' den Grund zu der besonders in den letzten Jahren so bedeutend gewordenen >>Sportsmedizin,> gelegt. Als Erster zeigte Henschen, dass der Umfang den Herzens in einem gewissen Verhaltnis zur muscu- laren Leistungsfahigkeit des Individuums steht, sodass ein vergrossertes Herz nicht gleichbedeutend mit cinem kranken Herzen ist. Durch zahlreiche spaterc Untersuchungen klinischen Charak- ters sind die Beobachtungen Henschens bestatigt worden. Auch das Experiment wurde zu Hilfe genommen, urn die Frage zu beleuchten. Durch die bekannten Versuche, die Kulbs' mit 4 Hunden an- gestellt hat, wurde eine vie1 grossere Hypertrophie gefunden, als Henschen sie in der Klinik festgestellt hatte; aber die Er- gebnisse des letzteren sind spater durch Grober und Bruns be- statigt worden. Durch Versuche, die Ve~-f.~ mit 25 Versuchs- tieren (Ratten) vornahm, wurden die Resultate Henschens aber- mals bestatigt ; es wurde eine Hypertrophie gefunden, die der von Henschen gezeigten entsprach, wie auch gezeigt wurde, dass diese Hypertrophie nach Beendigung des Trainings schnell verschwindet. Om skidlopning och skidta$ilzg ur medicinsk synpunkt. Upsala Arch. f. exp. Path. nnd Pharm., Bd. 55, 1906, €3. 288. Z. f. d. ges. exper. Med., Bd. 14, S. 113; Bd. 22, S. 296; Bd. 47, S. 125. u?biv.'s Hrsskrzjt 1897, Medicin.

Die Grösse des Herzens bei Patienten mit Adipositas

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Page 1: Die Grösse des Herzens bei Patienten mit Adipositas

Mitteilungen der medizinischen Abteilung C des Bispebjerg-Hospitals jn Ropenhagen. (Chefarzt: Dr. med. Knud Secher.)

Die GriiNse des Herzens bei Patienten mit AdipoNit 8s.

Von

KNUD SECHER.

Durch seine aus dem Jahre 1897 stammenden Untersuch- ungen von Sliilaufern hat S. E. Henschen' den Grund zu der besonders in den letzten Jahren so bedeutend gewordenen >>Sportsmedizin,> gelegt. Als Erster zeigte Henschen, dass der Umfang den Herzens in einem gewissen Verhaltnis zur muscu- laren Leistungsfahigkeit des Individuums steht, sodass ein vergrossertes Herz nicht gleichbedeutend mit cinem kranken Herzen ist.

Durch zahlreiche spaterc Untersuchungen klinischen Charak- ters sind die Beobachtungen Henschens bestatigt worden. Auch das Experiment wurde zu Hilfe genommen, urn die Frage zu beleuchten.

Durch die bekannten Versuche, die Kulbs' mit 4 Hunden an- gestellt hat, wurde eine vie1 grossere Hypertrophie gefunden, als Henschen sie in der Klinik festgestellt hatte; aber die Er - gebnisse des letzteren sind spater durch Grober und Bruns be- statigt worden. Durch Versuche, die V e ~ - f . ~ mit 25 Versuchs- tieren (Ratten) vornahm, wurden die Resultate Henschens aber- mals bestatigt ; es wurde eine Hypertrophie gefunden, die der von Henschen gezeigten entsprach, wie auch gezeigt wurde, dass diese Hypertrophie nach Beendigung des Trainings schnell verschwindet.

Om skidlopning och skidta$ilzg ur medicinsk synpunkt. Upsala

Arch. f. exp. Path. nnd Pharm., Bd. 55, 1906, €3. 288. Z. f. d. ges. exper. Med., Bd. 14, S. 113; Bd. 22, S. 296; Bd. 47, S. 125.

u?biv.'s Hrsskrzjt 1897, Medicin.

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478 KNUD SICHER.

Die Anpassung an das Ertragen grosser Anstrengungen, die wahrend einer Trainingsperiode erfolgt, beruht demnach u. a. auf einer Erhohung des Gewichtes des Herzens; das Propor- tionalgewicht des letzteren wird vermehrt.

TVlihrend so der Umfang des Herzens im Anschluss an kor- perliche Anstrengungen grundlich untersucht worden ist, war dasselbe nicht mit Individuen der Fall, deren Gewicht auf Grund von Adipositas erhoht wurde. Bekanntlich leiden solche Individuen haufig an Dyspnoe; dieses Symptom dominiert bei ihrem Zustande in besonderem Grade und gibt Anlass zur Be- handlung.

Man hat verschiedene Erklarungen fur das Auftreten von Dyspnoe versucht: hochstehende Diaphragma, Fettbelag auf dem Herzen, Fettinfiltration in Myocardium u. a.

Minkowski' weist auf die Bedeutung der schnellen Umbildung der Kohlehydrate in Fett hin, wobei das Herz nicht in genugen- dem Grade mit ))energiespendenden Kohlehydraten)> versehen werden soll.

Die Bedeutung der hochstehenden Diaphragma wird ver- schiedentlich diskutiert. Deupmann' hebt hervor, dass breite, tiefe Brustkasten bei Frauen haufiger mit Adipositas verbunden sind als bei Mannern, und die dadurch hervorgerufene Hoch- drangung des Zwerchfells spielt eine betrachtliche Rolle fu r die Dyspnoe.

Die Einwirkung einer hochstehenden Diaphra gma auf das Herz wird in einer Drehung des Herzens bestehen, dem Anschein nach unter Vergrosserung seines Unifangs. Zezschitz3 betont, dass durch die dabei hergestellte grossere Beriihrungsfliiche mit der Diaphragma eine Schwierigkeit fur die diastolische Fullung herbeigef iihrt und dadurch ein geringeres Schlagvolu- men, plotzlicher Schwindel infolge Blutmangels hervorgerufen wird. Die Blutmenge selbst ist bei Adipositas nicht vergros- sert, sie ist im Gegenteil geringer als bei anderen (Brown a. Keith4).

Die Fettmenge des Herzens wird bei Adipositas vermehrt. Marie Wortberg' hat bei der Untersuchung von 3200 Herzen vor, wahrend und nach der Kriegszeit gezeigt, dass die Kurve

Wien. med. Wochenschr. 1923, S. 325. Dentsch. med. Wochenschr. 1923, S. 118.

* Hunch. med. Wochenschr. 1922, S. 1214. * Arch. of int. med., Bd. 33, S. 217, 1924.

Zentralbl. f. allg. Path. u. path. Anat., Bd. 35, S. 276,

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DIE G R ~ E S E DES HERZENS BEI PATIENTEN MIT ADIPOSITAS. 479

fur fetthaltige Herzen gleichzeitig mit der Kurve fur Fetter- nahrung steigt und fallt. Diese Fettvermehrung am Herzen bei Adipositas ist es, die fur die meisten Autoren eine gewisse Rolle zu spielen scheint; und man inisst ihr grcusse Bedeutung als Erklarung fur eine vorhandene Herzensinsufficienz bei. Fett in den Muskelfaden selbist ist ein ausserordentlich haufiger Befund (Eyselin findet es in 25 % aller F&lIe'), aber es spielt sicherlich nur eine Rolle in den extremsten Graden. Schieffer' hat fruher durch Versuche an Huiiden eine Veranderung des Areals des H,erzschattens vor, wghrend unil nach der Hunger- periode festgestellt. Die Untersuchungen haben sich nicht auf das Gewicht erstreckt.

Ueber die Grosse des Herzens selbst bei Adipositas finden sich in der Literatur nur wenige Angaben.

Hirsch3, cler das Verhaltnis der Herzmuskulatur zur Korper- muskulatur bei einer Reihe von verschiedenen Bedingungen untersuchte, hat gczeigt, wie die Entwicklung der Korper- mnskulatur bestinimend fur die Grosse des Herzens ist. Unter muskelschwachcn Individuen werden 6 Falle von Adipositas angefuhrt, wo das Herz trotz seines betriichtlichen Gewichts abnorni klein war. (Tabelle I. Die Zahlen in Klammern geben Mullers Normalzahl an.)

Tabelle I. kg. Gewicht d. Herzens H. ohne Fett Proportionalgewicht

55 Jahre Frau 92 382 273 0,00296 (376.3) (0.00401)

74 - - 93 352 266 0.00286 (376.3) (0.00401)

58 -- Mann 92 337 256 0.00267 (389) (0,00428)

24 - - 84 395 346 0.00411 (359) fO.00428)

83 - Frau 52 282

58 - - 64 311

'21 7' '0.00417' (264.3) (0.00481) 235 0.00361

(297.2) (0.00446)

Diese Untersuchungen an Menschen enhsprechen den Unter- suchungen andrer Autoren uber die Verhaltnisse bei Tieren (Robinson, Bellinger, Bergmann, Parrot u. a.) .

Abgesehen von Hirschs Arbeit scheinen keine Mitteilungen

Virchows Arch., Bd. 218, S. 30. a Dentsch. Arch. f. klin. Med., Bd. 92, S. 64. a Dentsch. Arch. f. klin. Med., Bd. 64, S. 397; Bd. 68, S. 55.

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480 KNUD SEGHER.

uber die Herzvergros#serungen bei Adipositaspatienten vorzulie- gen, mit Ausnahme, einzelner kasuistisch beschriebner Falle. Maranon und Bonilla besprechen so >)geringe konzentrische Hypertrophi'en der linken Ventrikel bei einem achtzehnjahrigen Madchen von 157 kg Gewicht, das plotzlich starb.

Eine erganzende Untersuchung der Verhkltnisse des Herzens bei Individuen mit Adipositas wird nicht zuletzt aus rein prak- tischen Griinden Ifiteresse haben, weil Adipositas bei der Beurteilgng fur Versicherungen eine betrachtliche Rolle spielt.

Das Material fur die vorliegende Untersuchung umfasst 100 Individuen, so gut wie ausschliesslich Frauen, die wegw Adipo- sitas und der Folgezustande, besonders Gelenkleiden, in der Abteilung waren. Darunter findet sich kein Fal l mit Sympto- men von organischen Verhderungen des Herzens, Hypertension 0. a. So gut wie alle haben Funktionsdyspnoe gehabt.

Die Messung des Herzens erfolgt auf Rontgen-Platten, die in einer Entfernung von 2 m aufgenommen waren. Auf Grund des Korpervolumens ist anzunehmen, dass man Maximalwerte erhalt. Die Aufnahme eines besonders beleibten Individuums dorsoventral und umgekehrt zieigte, dass man auf diese Weise 2 ganz identische Bilder erhielt.

Bei der hier abgeschlossenen Untersuchung ist bei der M a - sung des Herzens nur der Querdiameter angewandt, und der Rauminhalt des Herzens ist als Kugel berechnet, deren Radius der halbe Transversaldiameter ist (siehe Brugsch : Allg. Pro- gnostik 1922 s. 126). Diese Messung bietet nach Nicolai und Zuntz den Vorteil, dass der Einfluss der Stellung der Diaphrag- ma auf den Herzschatten, dem j a bei Adipositas eine gewisse Bedeutung beizumessen ist, in hohem Grade eliminiert wird ; die mittlere Aenderung des Langen- und Querdiameters kann als die Veranderung des Querdiameters gleich aufgefasst wer- den. Wahrend die anderen Diameter oft schwer zu messen sind, wird die Messung des Querdiameters keine Schwierigkeit bieten.

Der Rauminhalt des Herzens ist in Relation gestellt zum Rauminhalt des Korpers, berechnet nach der Formel:

Lhnge des Ktirpers x (Brustumfang)* 4 IC

Man erhalt dadurch das Resultat, das aus Tabelle I1 er- sichtlich ist (Fig.).

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DIE QROSSE DES HERZENS BEI PATIENTEN MIT ADIPOSITAS. 481 Tabelle 11.

11 . . . . . . . . . . U21-1/30 15 - 111. . . . . . . . . . . 1/31-1/40 36 -

I. . . . . . . . . . . l/l0-1/20 0 FPlle

IIIa . . . . . . . . . . 1/31-1133 5 - 1 IV. . . . . . . . . . . 1/41-1150 34 - V . . . . . . . . . . 11’51-1160 12 - VI. . . . . . . . . . . 1/61-1170 1 -

VII . . . . . . . . . . . 1/71-1180 2 -

1 I I I b . . . . . . . . . . 1/34-1140 31 -

Das heisst also, class sich unter 1/34-1/80 80 % der Falle finden, zwischen 1/41-1180 49 % der Falle.

Die Grenzen fur die normalen Werte liegen Brugsch zufolge zwischen 1/33 und 1!40. Die Werte 1140-1/50 reprasentieren Falle, die den Uebergang zu den nkleinen HerZen,, bilden, wahrend die noch niedrigeren Werte sich bei ausgepragten hypoplastischen Herzen finden.

Um ein eignes Kontrollmaterial fur diese Werte zu haben, habe irh 100 normale Individuen auf dieselbe Weise a i e die Adipositaspatienten untersucht. Ich finde fur dieselben Grup- pen wie oben die folgenden Zahlen (Tabelle 111).

Diese Zahlen zeigen also, dass 76 % aller Falle zwischen 1/34-1160 fallen; 87 % entsprechen Brugschs normalen oder kleinen Werten fur das Herz.

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482 KNUD SECHER.

Tsbelle Ill. I . . . . . . . . . . . . . 0

1 1 . . . . . . . . . . . . 8 111 . . . . . . . . . . . . . . 32 111 a

IV . . . . . . . . . . . . . 29 v . . . . . . . . . . . . . 20

VI . . . . . . . . . . . . . 9 VII . . . . . . . . . . . . . 2

. . . . . . . . . . . . 29 { ILlb . . . . . . . . . . . .

Wendet man nun diese Grenzwerte auf das vorliegende Mate- rial an, so heisst das, dass in 80 % der Falle Werte fur die Grosse des Herzens gefunden sind, die normalen oder zu kleinen Werten entsprechen, darunter 77 % mit Werten, die der grossten Gruppe fur die normalen Werte entsprechen. Diese Werte wurden bei Individuen gefunden, deren Gewicht betrachtlich erhoht worden ist.

Vergleieht man das Gewicht mit dem Normalgewicht inner- halb der einzelnen Grnppen nach Grosoe und Alter, so erhalt man folgende Zahlen fur Uebergewicht (Tabelle I V ) :

Tabelle IV. I1 . . . . . . . . . . . + 25 kg. ITI st . . . . . . . . . . + 36 -- I11 b . . . . . . . . . . + 23 - IV . . . . . . . . . . . + 32 - v . . . . . . . . . . . + 3 3 - VI . . . . . . . . . . . + 1 4 -

VII . . . . . . . . . . . + 16 -

Das heisst also, dass as sehr beleibte Individuen waren, wie sie sich unter der hiesigen Bevolkerung so haufig finden.

Wir lernen hieraus, dass, selbst wenn bei Adipositas eine Vergrosserung des absoluten Umf angs des Hermns f estzustellen ist, diese nicht so betrachtlich ist, dass die relativen Werte geniigend wachsen; man muss mit relativ kleineren Herzen als der Norm rechnen. Die Untensuchung zeigt namlich betrachtliche Werte fur den absoluten durchschnittlichen Rauminhalt der Herzen (Tabelle V) :

Tabelle Y.

T I . . . . . . . . . . . 1532 386 ITIa . . . . . . . . . 1238 728

Adipositas Normale Individuen

IIIb . . . . . . . . . . 1125 IT. . . . . , . . . . . . 955 V . . . . . . . . . . . 864

631

578 6ai

VI . . . . . . . . . . . ,641 496 VII . . . . . . . . . . . 493 369

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DIE GRSFBE DEB BERZENS BEI PATIENTEN MIX ADIPOSITAP. 483

Die Zahlen in Tabelle V zeigen gleichmassig fallende Werte von Gruppe I1 zu VII, was den fallendeii Werten fur das Ver- hiiltnis zwischen Herzvolumen und Korpervo1ume.n entspricht. Der Durchschnittswert der 3 grossten Gruppen ist 981, wahrend er fur die entsprechenden Kontrollgruppen 610 betragt, d. h. 62 % vom Werte bei Adipositaspatienten.

Bei den hier vorgenommenen Messungen wurde mit dem Volumen des Herzens gerechnet. Man wird dabei nicht uber das relative Gewicht dcs Herzens selbst im Verhaltnis zwn Indi- viduum unterrichtet; Das betrachtliche Volumen wid, wie Sektionen es zeigen, oft auf einer Kombination von Hyper- trophie und Dilatation beruhen, was wieder bedeutet, dass das relative Gewicht dieser Individuen geringer sein wird als nor- mal, wie es auch aus Hirschs zitierter Arbeit hervorgeht.

Wenn wir bei Individuen mit Adipositas Dyspnoe und andre Symptome von Herzinsufficienz finden, so wird das demnach u. a. darauf beruherl, dass das Herz bei der erhohten Belastung nicht Schritt halten kann. Die Verhaltnisse sind also wesentlich verschieden von den Fdlen , wo eine Belastung des Herzens durch korperliche Anstrengungen, Training, erfolgt. Hier wird die Entwicklang einer passenden Hypertrophie die Kompensa- tion bewirken, wie Flenschen es zuerst gezeigt hat, und wie es spBter experimentell und in der Klinik bestatigt worden ist, letzteres nicht am wenigsten in den letzten Jahren durch die aahlreichen Untersuchungen, die jetzt ringsum auf den Sports- platzen vorgenommen werden.

32-263387. Actn nred. Scandinaw. Vol. LXV.