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DIE INNERVATION DES DARMKANALS DER GASTROPODEN. Von AMBROSIUS ~BttAH,~M (Szeged). Mit 14 Textabbfldungen. (Eingegangen am 16. November 1939.) Es haben bereits mehrere Forscher die Innervation des Darmkanals bzw. der Schlundmuskulatur der Gastropoden mit der GoLoIschen Methode untersucht. Wir wisseN sogar yon in neuerer Zeit gepflegten Untersuchungen, die mit vitalem Methylenblau durchgefiihrt wurden. Nach derzeitiger Auffassung sind aber alle diese Untersuchungen un- richtig. Die durch die GOLGIsche Methode erzielten Resultate sind nicht richtig, weil sie bloB philosophierende Auslegungen eines mit mangel- halter Technik erlangten Bildes sind. Die mit Methylenblauf~rbung erlangten Ergebnisse fiihrten infolge unvollendeter Fs und infolge histologischer Falschdeutungen zu Vorstellungen, die auch in der all- gemeinen Morphologie und Physiologie zu vielen MiSverst~ndnissen ge- ffihrt haben. Die Widerlegung dieser Untersuchungen und Beschreibung der auf Grund moderner nervenhistologischer Technik erkannten Ver. h~ltnisse soll der Gegenstand dieser Mitteilung sein. I)iese Untersuchungen umfassen die Innervationsverh~ltnisse des Darmes der Gastropoden; ich habe sie im Sommer des Jahres 1937 in Tihany, im Ungarischen Biologischen Forschungsinstitut begonnen und in Szeged, im Zoologischen Institut der Hochschule ffir Biirger- schullehrerbildung abgeschlossen. Die befolgte Untersuchungsmethode war auch diesmal das B~Lsc~owsxYsche Verfahren und die EHRLm~sche F~rbung mit Methylenblau. ])as F~rben geschah mit vitalem Metbylenblau nach der gebr~uchlichen Methode, an Wassermaterial besonders auch so, daft ich zum Reduzieren Rongalitweifl angewendet babe. Von beiden Methylenblaumethoden ist die letztere erfolgreicher. Ich muB jedoch be- tonen, dal3 zum Nachweis feiner neurologischer Verh~iltnisse die BI~LSCKOWSKYSChe Methode sich unvergleichlich besser bew~hrte als die E~RL~CHsche. lV[it dem Br~LscHowsx'zschen Verfahren konnte ich nach vielen lokalen Ab~nderungen nicht nur die in der :Darmwand vorhandenen Ganglienzellen, sondern auch die Nervengeflechte der Darmschichten am klarsten veranschaulichen. Ein Tefl meiner Pr~parate sind total fixierte und in toto impr~gnierte Magen bzw. Darmw~nde, der zweite Teil ein Pr~parat, der dritte aber eine liickenlose Schnittserie. Auflerdem habe ich zum Studinm der Innervationsverh~ltnisse des Schlundes auch Schnitte impragniert. Der grSBte Tefl der Schnittserie besteht aus Schnitten yon 15 bis 20 Mikronen. Zur Untersuchung der ganz feinen Verh~ltnisse habe ich voile Serien yon 5---6 Mikronen verfertigt. Der iiberwiegende Tefl der Pr~parate wurde aus der Wand des Darmkanals yon Helix/~,nat/a L., der kleinere Tefl aus jener yon Agrolimax agrestis L. und Limnaea stagnalis L. verfertigt. Der Darmkanal yon Agrolimax und Limnaea ist viel weniger geeignet zum Veranschatflichen der Nerven-

Die Innervation des Darmkanals der Gastropoden

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Page 1: Die Innervation des Darmkanals der Gastropoden

DIE INNERVATION DES DARMKANALS DER GASTROPODEN.

Von

AMBROSIUS ~BttAH,~M (Szeged).

Mit 14 Textabbfldungen.

(Eingegangen am 16. November 1939.)

Es haben bereits mehrere Forscher die Innervation des Darmkanals bzw. der Schlundmuskulatur der Gastropoden mit der GoLoIschen Methode untersucht. Wir wisseN sogar yon in neuerer Zeit gepflegten Untersuchungen, die mit vitalem Methylenblau durchgefiihrt wurden. Nach derzeitiger Auffassung sind aber alle diese Untersuchungen un- richtig. Die durch die GOLGIsche Methode erzielten Resultate sind nicht richtig, weil sie bloB philosophierende Auslegungen eines mit mangel- halter Technik erlangten Bildes sind. Die mit Methylenblauf~rbung erlangten Ergebnisse fiihrten infolge unvollendeter Fs und infolge histologischer Falschdeutungen zu Vorstellungen, die auch in der all- gemeinen Morphologie und Physiologie zu vielen MiSverst~ndnissen ge- ffihrt haben. Die Widerlegung dieser Untersuchungen und Beschreibung der auf Grund moderner nervenhistologischer Technik erkannten Ver. h~ltnisse soll der Gegenstand dieser Mitteilung sein.

I)iese Untersuchungen umfassen die Innervationsverh~ltnisse des Darmes der Gastropoden; ich habe sie im Sommer des Jahres 1937 in Tihany, im Ungarischen Biologischen Forschungsinstitut begonnen und in Szeged, im Zoologischen Institut der Hochschule ffir Biirger- schullehrerbildung abgeschlossen.

Die befolgte Untersuchungsmethode war auch diesmal das B~Lsc~owsxYsche Verfahren und die EHRLm~sche F~rbung mit Methylenblau. ])as F~rben geschah mit vitalem Metbylenblau nach der gebr~uchlichen Methode, an Wassermaterial besonders auch so, daft ich zum Reduzieren Rongalitweifl angewendet babe. Von beiden Methylenblaumethoden ist die letztere erfolgreicher. Ich muB jedoch be- tonen, dal3 zum Nachweis feiner neurologischer Verh~iltnisse die BI~LSCKOWSKYSChe Methode sich unvergleichlich besser bew~hrte als die E~RL~CHsche. lV[it dem Br~LscHowsx'zschen Verfahren konnte ich nach vielen lokalen Ab~nderungen nicht nur die in der :Darmwand vorhandenen Ganglienzellen, sondern auch die Nervengeflechte der Darmschichten am klarsten veranschaulichen. Ein Tefl meiner Pr~parate sind total fixierte und in toto impr~gnierte Magen bzw. Darmw~nde, der zweite Teil ein Pr~parat, der dritte aber eine liickenlose Schnittserie. Auflerdem habe ich zum Studinm der Innervationsverh~ltnisse des Schlundes auch Schnitte impragniert. Der grSBte Tefl der Schnittserie besteht aus Schnitten yon 15 bis 20 Mikronen. Zur Untersuchung der ganz feinen Verh~ltnisse habe ich voile Serien yon 5---6 Mikronen verfertigt. Der iiberwiegende Tefl der Pr~parate wurde a u s

der Wand des Darmkanals yon Helix/~,nat/a L., der kleinere Tefl aus jener yon Agrolimax agrestis L. und Limnaea stagnalis L. verfertigt. Der Darmkanal yon Agrolimax und Limnaea ist viel weniger geeignet zum Veranschatflichen der Nerven-

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elemente, als jener yon Helix. Das ist auch der Grund, warum sich die naehfolgenden Darlegungen iiberwiegend auf den Darmkanal yon Helix beziehen.

Intramurale Ganglienzellen. Unter Ganglienzellen verstehen wir nach der in der Neurologie ge-

br~uehlichen Benennungslehre Nervenzellen, unbeachtet, ob dieselben sich im zentralen Nervensystem oder in peripherisehen Ganglien be- linden, oder aber in irgend anderen Geweben einzeln oder in Mehrzahl sich dem Nervensysteme anschlieBen. Von den Ganglienzellen werden intramurale Ganglienzellen jene Nervenzellen sympathischer Typen genannt, die in der Wand des Darmkanals, des Herzens und der Blut- gefgBe in den Nervengeflechten eingelagert sind. Diese Benennungen entnehme ieh, und zwar mit Recht, der Vertebratenanatomie, da hier die histologischen Verh~ltnisse nicht nur ghnlich, sondern meist ganz gleich sind.

Die Beschaffenheit der Ganglienzellen ist so bezeichnend, dab zu ihrem Erkennen auch ihre Teile geniigen; die vollkommene Sicherheit ihrer neurologischen Natur erlangt man jedoch nur, wenn jene Fortsgtze, mit denen die Zellen in die lgervenstgmme hineinragen und zu formativen und funktionalen Elementen des Nervensystems werden, gef~rbt sind.

DaB das Erkennen der Beschaffenheit des Nervensystems so schwer vorwgrts schreitet, hat seinen Grund darin, dab die friiheren Forscher mit ihren unvollkommenen Methoden die Verhgltnisse der Nervenzellen und Nervenfasern bzw. Nerven nieht erkannt haben und solehe Elemente, deren genetische und trophische Einheit nicht angezweifelt werden kann, in zwei verschiedenen Systemen untergebracht haben. So entstanden jene Faserelemente, die nach einigen Forschern yon der Nervenzelle unabhgngig leben, das Plasma der Nervenzelle durehdringen und in den Zellen, in den Zentren und den Erfolgsorganen miteinander innigst verbunden, versehiedene Gitter bilden. All dies bezieht sich in erster Linie auf das Nervensystem der Wirbellosen, wo die elektive Auswahl der Elemente des Nervensystems durch das geringe Ausmal~ der Organe und dureh die Diffusitgt der Gewebe sehr erschwert wird. Infolge dieser Umstgnde entstanden die grSBtenteils fehlerhaften Abbildungen, die in den heutigen Hand- und Lehrbiichern das Nervensystem der wirbellosen Tiere veransehauliehen.

Die wirklichen Verhgltnisse werden auch yon jenen Nervenbfldern nicht ent- hiillt, die H. SMIDT in seiner Arbeit fiber die Ganglienzellen des Schlundes der Lungenschnecke bringt. Unter diesen Abbfldungen, die Ganglienzellen darzustellen w~.hnen, gibt es kelne einzige, auf die das geringste Kriterium einer Nervenzelle stimmen wtirde. Unter den vielen Abbildungen gibt es keine einzige, an der man den Zellkern, sein Chromatin oder auch nur einen einzigen Fortsatz sehen k6nnte. Der Veffasser spricht dennoch mit gr6Bter Gelassenbeit tiber mono-, bi- und multi- poIare Ganglienzellen der Sehlundwand yon Helix. SMZD~S Vorgehen ist zweifels- ohne fehlerhaft; wir nehmen aber dennoch keinen Anstand daran, denn jene Unter- suehungen fallen in ein Zeitalter, in welehem die Neurologen fiberall mit der Suche

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der APl~Yschen endo- und pericellularen Gitter und der AP~tr-BETH~schen selbstgndigen Neurofibrfllen beschgftigt waren und dabei Nervenzellen, Nerven- fasern und hauptsgchlich den engen Zusammenhang zwischen beiden ggnzlich vergal3en. DaB SmDT solche Zusammenhgnge nicht nur nich~ zur Abbfldung brachte, sondern gar nicht gesehen hatte und dabei den Zussmmenhang yon Zelle und dem sie umgebenden pericellularen Netz vollkommen iibersah, erleuchtet aus seinen Worten: ,,Je besser das Nervennetz differenziert ist, desto weniger ist der Zellleib erkennbar." Aber wenn ,,start der Nervenfasem nur einige schwarze K6rn- chen bemerkbar sind, so markirt sich Zellkern und Zellleib etwa wie in osmium- fixierten Zellen". Wenn ,,sind nut die Hauptziige des Netzes gefgrbt, so ist der Zemeib mehr oder weniger braun gefgrbt und schaff umgrenzt". Im Fa]le der groBartigen Differenziertheit der l~ervenelemente um die Zelle ist die Zelle ,,kaum erkennbar".

Aus dieser Darstellung geht klar hervor, was natiirlich auch durch ~mtliche modemen mikroskopischen Bflder bewiesen werden kann, da6 die l~ervenzelle, die in den SMIDTschen Prgparaten nie vollkommen zum Vorschein kam und die yon ibm als pericel]ulares Netz aufgefaBte Faserverflechtung voneinander ganz unabhgngig sind; deren Unabhgngigkeit kann eben durch die oben angefiihrte Erklgrung S~DTS am bes~en gerechtfertigt werden.

Eine gr66ere Bedeutung kommt auch den Untersuchungen nicht zu, die PARA- VICINI und V~.RATTI vor S~tIDT ebenfalls mit der GoLoIschen Methode fiber die Ganglienzellen der Scblundwand yon Heli~ und L i ~ x . unternommen haben. Die P~RAWO~rI und V~,RAT~schen Zellen ngmlich werden als Ganglienzellen auch yon SMIDT bezweifelt, denn wie er erklgrt, sind ,,die wichtigsten Bestandtefle" der Zellen ,,ihre nerv6se Netze in beiden Arbeiten weder beschrieben noch dar- gestellt".

Da sich s/~mtliche oben erwghnten Untersuchungen haupts/~chlich auf die Muskelschlundwand beziehen und sie fiber die wirkliche Be- schaffenheit der Ganglienzellen nichts aussagen, muB ich die eingehende Beschreibung der mikroskopischen Innervation des Schneckendarm- kanals, in erster Linie der intramuralen Ganglienzelle, geben.

Die intramura]en Ganglienzellen belegen die Wand der Ged/~rme der Weinbergschnecke fiberall in groBer Anzahl. Besonders viele land ieh im Nachmagen und im Dfinndarm. I m Naehmagen, besonders dort, wo er in den Dfinndarm iibergeht, ist an einigen Orten die Zahl der Nervenzellen so groB, dab sic wah~Chaftig aufgeloekerte Ganglien bilden, in denen an gut imprggnierten Prglaaraten ein scharfer UmriB yon 12 bis 15 Zellen aus dem sieh iiberquerenden Faserbfindel eines auBerordentlich verwickelten und iiberaus reichen Nervengeflechtes hervortri t t (Abb. 1). Desgleichen ist die Anzahl der Nervenzellen in der Speiser6hre und im Dfinndarm sehr groB, wo aber die ganglienartige Gruppierung nieht so auffallend ist, denn die Entfernung zwischen den Zellen ist gr6Ber. Unter den Nervenzellen gibt es multipolare, bipolare und unipolare Typen. Unter ihnen sind die multipolaren Typen am seltensten, lgaeh sorg-

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fgltlger Priifung weler Prgparate habe ich nur wenig Nervenzellen gefunden, die in jeder Hinsieht die charakteristischen Merkmale einer Multipolaritgt bekunden.

Die multipolare Nervenzelle sitzt im allgemeinen an der Muskulatur des Darmes, ist gew6hnlich auffallend groB und ihr Kern ist mehr gestreckt

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Abb. 1, H e l i x ~omalia L. Nervengef lech t aus der W a n d des H in t e rmagens . S l lbermethode nach BIELSCHOWSKY. Vergr61~erung 120.

:kbb. 2, H e l i x ~omatia L . Multipolare und unipolare Nervenzel len aus der W a n d des H i n t e r m a g e n s . S i lbermethode nach BI~LSCHOWSKY.

als rund. Ihr Plasma ist getiipfelt. Von Faserigkeit ist keine Spur vor- handen. Der Zellleib ist in zwei Richtungen gestreckt und je ein Fortsatz entspringt aus den gestreckten Teilen (Abb. 2). Der diinnere

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unter ihnen wird unterwegs zugespitzt und teilt sich bald dichotomiseh in zwei J(ste. Der eine dieser ~ste t r i t t in einen Nervenstamm, wo er sich verdiinnt, varicos weiter vordringt und endlieh zwischen den Fasern verschwindet. Der rechte Ast biegt sich etwas rechts, t r i t t dann nicht weit vom Nervenstamm in den Muskel ein, geht dann auch in den Nerven- stamm fiber und l~uft darin mit dem vorigen Ast in derselben Richtung. Der gegenfiberliegende dicke Fortsatz verdiinnt sich ein wenig yon der Zelle ausgehend; nach l~ngerem Verlauf aber wird er wieder breiter und verzweigt. Der eine Ast biegt sich zuriick, verdiinnt sich allm~hlich und geht in der Form einer ~ul3erst feinen Faser sehr weir vorw~rts. Der andere Ast l~uft ein Stfick Weges gerade, verdiinnt sich dann be- tr~chtlich und schlieBt sich abermals verbreitet den Muskelfasern an . Aus der Zelle entspringen aul3er den beschr4ebenen groBen Forts~tzen noch zwei kleinere. Beide beginnen auf schmaler Basis und verdfinnen sich, sobald sie die Zelle verlassen haben. Einer der beiden Forts~tze, den wir auf der Abb. 2 gut wahrnehmen kSnnen, t r i t t in den Nervenstamm ein, der andere aber verbreitet sich und endet in der N~he des Nerven- stammes. Auf dem diinneren der beiden letzten Forts~tzen sind alle morphologischen l~Ierkmale vorhanden, die sie als Neuriten kennzeiehnen.

Die Zahl der bipolaren Zellen ist bedeutend grSBer als die der multi- polaren. Form, Ursprung und Verlauf der Forts~tze, wie auch ihr Ver- h~ltnis zu den Nervenst~mmen und der Muskulatur ist so versehieden, daB ich die Beschreibung der wichtigeren Typen nieht unterlassen kann.

Es gibt bipolare Zellen, deren KSrper ganz rund, ihr Kern im Ver- hi~ltnis zum Plasma auffallend grog und mehr eifSrmig ist. Die Kanten der Zellen sind scharf umrissen, ihr Plasma ganz homogen und ohne aller Spur von Faserigkeit. In der Zelle gibt es keine intrazellulare und in deren Umgebung keine extrazellulare Neurofibrillen. Solche gibt STEFA~ V. APXTHr aus dem Darm von Pontobdella als primitive Fibrillen an. Es gibt nur eine einzige Verbindung, die die Zelle mit dem Nervensystem verbindet, n~mlich die zwei yon ihrem KSrper ausgehenden Forts~tze. Einer der beiden ist dicker, der andere aber auffallend dfinn (Abb. 3). Der Ausgangspunkt beider Forts~tze ist ein mit seiner Basis unmittelbar an die Kernmembran anschlieBender stark impr~gnierter Kegel, dessen Spitze, bis zur Dicke der normalen Nervenfa~er verdiinnt, in den dickeren Fortsatz iibergeht. Dieser Fortsatz l~uft in sehwachen Wellen, ohne mit anderen Elementen in Verbindung zu sein. Er t r i t t dann in einen, viel diekere und diinnere Fasern enthaltenden Nerven- stamm, wo er, seine originale Dicke beibehaltend, sehr weir verfolgt werden kann.

Aus der Spitze des Kegels, nahe der Oberfl~ehe der Zelle, entspringt ein anderer sehr diinner Fortsatz der Zelle, der bei 1200facher VergrSfle- rung an der Grenze der Sichtbarkeit steht. Einstweilen li~uft dieser Fortsatz selbst~ndig an der Muskulatur, bald aber t r i t t er in den Nerven-

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s tamm ein, in welchem er aber in entgegengesetzter Richtung welter zieht. Hieraus ergibt sich nun, dab - - wenn die Morphologie iiberhaupt eine geniigende Grundlage zu Folgerungen auf die Funktion bieten k a n n - - dieser Fortsatz eine andere Funktion zu bet~tigen hat als der dicke Fortsatz. Die Forts~tze sind homogen, eine Streifung kann weder in dem einen noch in dem anderen bemerkt werden. Ihre Kanten sind ganz glatt. Das gilt aber auch hinsichtlich der Zellen. Die Zelle hat zu den

Abb. 3. H e l i x i~omatia L . Bipolare Nervenzelle aus der Wand des Hintermagens. Silbermethode nach BIEI~CHOWSKY.

umgebenden Geweben auBer den erw~hnten Forts/itzen keine Ver- bindung.

Es gibt bipolare Zellen, deren Kern auffallend rund ist und deren Protoplasma eine schaumartige Beschaffenheit besitzt und gegen die Umgebung nicht scharf umrissen ist; neurofibrill/ixe Verbindungen mit der Umgebung kSnnen auch hier nicht gefunden werden (Abb. 4). Einer der Forts~tze ist auffallend dick und das Zellplasma ist am Ursprung desselben stark zugespitzt. Dieser Fortsatz 1/iuft nebst vollkommener Beibehaltung ihrer Dicke sehr weit vorwgrts, ohne eine Abzweigung zu bilden. Er t r i t t nachher in einen Nervenstamm ein, wo er, seine Selb- stiindigkeit beibehaltend, weiter l~uft. Der andere Fortsatz entspringt einem entfernter liegenden Tefle d e r Zelle. Dieser Fortsatz, der viel diinner ist als der vorherige, l~uft eine Zeitlang ungeteilt an der Musku- latur, um sich dann zu veriisteln. Der eine dieser •ste biegt sich zuriick

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und tritt auch bei groBer VergrSBerung kaum bemerkbar in denselben Nervenstamm wie der diekere Fortsatz und l~uft dann in derselben Richtung weiter. ])as andere Xstchen verdfinnt sich allm~hlich, in ent- gegengesetzter Richtung fortlaufend und verschwindet, sich einer ein- zelnen Fascr anschlieBend, in der Muskulatur.

Abb . 4. Helix ~aomatia L. Bipo la re u n d u n t p o l a r e Nervenze l l en arts de r W a n d des H i n t e r - m a g e n s . S i l b e r m e t h o d e n a c h BIELBCHOWSKY. VergrSl3erung 800.

In der Umgebung der eben besehriebenen bipolaren Zelle finden wir eine Menge, auf der Muskulatur parallel laufende, auBerordentlich dfinne und gleichm~Bige Fasern, die aber nur dann scharf hervortreten, wenn im mikroskopischen Bride nur die Konturen der Zelle sichtbar shad. Bei einer Einstellung, wo der Kern und der KSrper der Zelle deutlieh sichtbar ist, kann man yon den erw~hnten Fasern nichts bemerken. Dieser Umstand beweist, dab die genannten Fasern nicht im Plasma der Zelle selbst, sondern unter oder fiber demselben dahinziehen.

Ich mul3 noch auf eine interessante und betreffs der Plasmastruktur seltene Form der bipolaren Zellen hinweisen, die nicht zu den gewShn- lichen Nervenelementen gehSrt (Abb. 5). Diese ZeUe ist verh/iltnism/i•ig grSBer als die bisher behandelten. Ihr Plasma ist homogen, die Kanten

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oval eingekerbt, was auf eine Vakuolisierung hinweist. Es ist nicht wahrscheinlich, dab diese Vakuolen bzw. ovalen Kerben, die in Abb. 5 sichtbar sind, Bestandteile der normalen Ganglienzellen w~ren. Meiner Ansicht nach mu[3 hier an einen pathologischen Zustand gedacht werden, dessen Grund mit dem Alter zusammenh~ngen kann, aber auch eine

Abb. 5. H e l i x pomal /a L. Bipolare und unipolare Nervenzel leu aus der W a n d des Hin te r - magens . S i lbe rmethode nach BIELSCHOWSKY.

Entwieklungsanomalie sein kann. Meines Wissens hat man im Nerven- system der wirbellosen Tiere solehe Erseheinungen noch nicht angetroffen. GIVS~.PPE L~vI weist in den Spinalganglien yon Orthagoriscus mola und in dem Riiekenmark yon Malapterurus electricus solche ,,Fensterzellen" naeh. Aus der Zelle entspringt ein sehr breiter und starker plasmatischer Fortsatz, der sich aber bald in zwei ~ste teilt. Einer der ~ste ist sehr kurz, sein Endpunkt abgehaekt und gitterf6rmig. Deshalb kann man daran denken, dab dieser Ast vielleieht beim Pr~parieren abgerissen wurde. Es ist aber auch m6glich, dab dieser Ast auch urspriinglich kurz ist und sich mit seinem gitterfSrmigen Ende bei den h6heren Tieren vorhandenen Dendritlamellen gleieh an die Muskelfaser anschlieBt. Der andere Ast der Verzweigung ist ungew6hnlich dick, stellenweise aber

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etwas verdfinnt; er l~uft dann eine auBerordentlich lange Streeke an der Muskulatur ohne mit derselben in eine wahrnehmbare Verbindung zu treten. Nachher kehrt er betr~chtlich verdiinnt in einen aus sehr vielen diinnen und dicken Fasern bestehenden Nervenstamm ein, we er,

Abb . 6. Helix ponyatia L. B ipo la re Nervenze l le a u s de r W a n d des H i n t e r m a g e n s . S i l b e r m e t h o d e n a c h BIEI~CHOWSKY.

seine Selbst~ndigkeit beibehaltend, zwischen den Fasern gleicher Ab. stammung und Dicke verfolgt werden kann.

Der andere Ast der Zelle entspringt unmittelbar neben dem vorher beschriebenen plasmatischen Fortsatz; er wird beim Austritt aus der Zelle bald sehr breit und bricht ab; es ist aber auch mSglich, dab er ebenso ist wie der kurze Ast des dicken Fortsatzes.

Es sell noch ein Typ der bipolaren Zellen erw~hnt werden, bei dem aus der Zelle zwei gleich starke ~ste hervortreten (Abb. 6). Beide ~ste entspringen auf breiter Basis und beide treten in einen Nervenstamm ein. Der ZellkSrper ist veto umgebenden Muskelgewebe scharf abgesondert und dem Kern ~hnlich elliptisch. Sein Plasma ist homogen; weder in demselben noch in seiner Umgebung sind Fasern bemerkbar, die man zum Nervensystem gehSrig betrachten kSnnte. Die Jf.ste sind scharf umrissen und in ihrem ganzen Verlaufe homogen. Man kann in ihnen

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282 Ambrosius Abrahgm:

kein besonderes Neuroplasma und anders geartete Neurofibrillen unter- scheiden.

Nach den bipolaren Zellen wollen wit die unipolaren Zell/ormen betrachten. Diese am h~ufigsten vorkommenden Nervenzellen der Darm- wand der Gastropoden sind yon gleicher Beschaffenheit. Die Struktur ihres Plasmas ist allgemein schaumartig, aber ohne Fibrillen und gegen

.kbb. 7. Helix ~omatia L. Unipolare Nervenzel len aus tier W a n d des I-Iintermagens. S i lbermethode nach BIEI~CHOWSKY. a, b, c, d, e verschiedene F o r m e n der unipolaren

Nervenzel len.

die Umgebung scharf abgegrenzt. Der Kern ist rund, der Fortsatz ent- springt mit breiter Basis und verdiinnt sieh im weiteren Verlauf augen- f~llig, ohne aber faserig zu werden. Die Zellen sitzen gewShnlieh ver- einzelt entlang der l~Iervenst~mme, aber in betriichtlieher Entfernung von denselben; mit ihrem Fortsatz in jedem Falle in irgendeinen Nerven- stamm hineinragend. Diese Verh~ltnisse sind in Abb. 1, 2, 4 und 5 wiedergegeben. Die unipolaren Zellen kommen manchmal, zumeist im Nachmagen in grSi]eren Gruppen vor, in welchem Fall dieselben von einer fiberaus grol~en Menge der unter und fiber ihnen dahinziehenden Nervenfasern (Abb. 7) umgeben werden. 3 der in Abb. 7, a, b und c

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Die Innervation des Darmkanals der .Gastropoden. 283

dargestellten 5 Zellen sind ganz typisch. Die Zellen sind rund, ihr Kern grol3 und ebenfalls rund. Ihrem Plasma entspringt ein breiter, kegelartiger Fortsatz, der seine Selbst/indigkeit auch in der reichen Anh~ufung der Nervenfasern beibehitlt und auch nach der Vereinigung mit dem Nerven- stamm weir verfolgbar ist. Der dicke Fortsatz der Zelle d teilt sich gleich nach dem Austreten aus der Zelle in einen dickeren und in einen dfinneren Ast, die in entgegengesetzterRichtung dahin- ziehen. Der dickere Ast schliel]t sich nach einer liingeren Strecke einem Nervenstamm an, der an- dere aber geht in der Form yon iiberaus feinen varicosen Fasern gegen die Nachbarzelle.

Eine ganz andere Form hat die letzte Zelle e der in Abb. 7 abgebil- deten Gruppe. Ihr fiberaus grol3er Fortsatz, konischen Ursprungs, zerf~llt kurz nach dem Verlassen der Zelle in zwei fast gleich dicke ~ste. Einer der beiden ti.ste ge- sell t sich in einer kaum wahrnehm- baren Kriimmung zu dem Fort- satze der Nachbarzelle a und mit diesem Fortsatze tr i t t er gemein- sam in den Nervenstamm, der andere aber tr i t t in entgegen- gesetzter Richtung laufend an ei- nen au~erordentlich faserreiehen Abb. 8. Helix pomatia L. Unipolare Nerven- Nervenstamm u n d e r bildet mit zelle aus tier W a n d des Magens. S i lbermethode

nach BIELSCHOWSKY. a Muskelfaser, b Ner- a u s verschiedenen nichtungen venfaser , c K e r n der Muskelfaser , d Nerven- kommenden verschieden dicken zelle, e Fo r t s a t z der Nervenzel le . Vergr6•erung

800. Fasern einen kleineren Nerven- stamm, wie das am mikroskopischen Bride deutlich zu sehen ist.

Unipotare Ganglienzellen gibt es, wie in der SpeiserShre, so auch vereinzelt im Magen und in den Ged~rmen. Unter denen gibt es solche, deren grol3er vereinzelter Fortsatz iihnlich den Spinalgangtienzellen der Siiugetiere sieh in zwei' in entgegerIgesetzte Richtung laufende Zweige teilt, denen sich sp/i, ter ffemde, dtinne Fasern anschlieflen. Es Sind weiter auch solche unipolare Zellen nicht selten, die wie in einem auf- gelockerten Nervenstamm eingebettet sind (Abb. 8). Diese Zellen sind rund, ihr Kern ist etwas oval; dem Zellleib entspringt ein auBer-

Z. f. Zellforsehung, Abt . A. 30. Bd. 19

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ordentlich dicker, stark varicoser Fortsatz, der zwischen den verschiedenen dicken und den vielen wellenf6rmigen kleinen Nervenfasern sehr welt verfolgt werden kann. Plasma und Fortsatz der Zelle sind ganz eindeutig. Um die Zelle sind verschieden dieke Nervenfasern. Auf einigen yon diesen sind die Varices ganz auffallender Form und auBerordentlich groB. Die Zelle hat trotz der groBen Anzahl der sie umgebenden Fasern mit ihrer Umgebung auBer ihrem Fortsatze keine Verbindung. HSchst inter- essant ist der dicke Fortsatz der unipolaren Zelle, da er nach einem l~ngeren, in dem Nervenstamm zurfickgelegten Wege ausweicht und an der Muskulatur groBe Umwege macht, wo er stellenweise yon sehr vielen und ganz feinen, wellenf6rmig verlaufenden Fasern begleitet ist; er kehrt schlieBlich in den ursprfingliehen Stamm zurfick.

Die intramuralen Ganglienzellen und die Neurofibrillen. Das Protoplasma der Nervenzellen des Gastropodendarmes ist, wie

wir schon friiher bemerkten, schaumartig. Solche Fasern wie sie SCHULZE, HALLER, APATHY, BETHE, RAMOI~ Y CAJAL und andere in den mikro- techniseh behandelten Nervenzellen so verschiedenartig gefunden haben und wie sie in neuester Zeit G. LEvi und P. WEISS aus Gewebeziiehtung, KEDROVSKY aber aus der Schere yon Apus in ]ebendigem Zustande an- gibt, befinden sich im Protoplasma keine. In einem einzigen Falle kann man mit besonders gutem Willen und mit einer in der Histologie nicht erwiinschten Phantasie im Randplasma einiger unipolarer Zellen irgend- eine Faserigkeit wahrnehmen, die aber so verschwommen ist, dab man sie beim besten Willen nicht ffir Neurofibrillen halten kann. Auch in den Forts~tzen gibt es keine Neurofibrillen. Die Forts~tze sind, wie die Zellen selbst, ganz homogen. BIoB in den grSBeren Varices gibt es eine Spur yon fibrillenartigen Gebilden. Zur Entscheidung der Frage babe ich die st~rksten (18(D---2400) Vergr6Berungen in Ansprueh genommen, aber eb~e Faserigkeit fehlte ebenso wie bei schw~cheren Vergr6Berungen. Ich muff aber bemerken, dab ich bei der Prfifung vieler sehr gut ge- lungener Pr~parate nicht selten auf solche mikroskopische Bildcr stieB, die darauf hinzuweisen schienen, dab durch die Nervenzellen ~uBerst feine Fasern dringen, die aus verschiedenen Riehtungen zu der Zelle laufen. Diese Bilder sind ganz ~hnlich den Abbildungen, die ST~.FA~ V. APXTHY fiber die Ged~rme yon Pontobdella lieferte. APATHY deutete diese Bilder folgendermaBen: einzelne aus kleineren oder grSBeren Nervenst~mmen hervortretende Fasern, nach seiner Terminologie die Primitivfibrillen, biegen in die in der N~he vorhandene Ganglienzelle ein, ,,veriisteln sich dort und nehmen an der Bildung des NeurofibriUengitters teil. Anderseits gehen aus dem Neurofibrillengitter entspringende Primitivfibrillen" in einen Nervenstamm ,,und von dort in das Neuro- fibrillengitter" einer anderen Ganglienzelle. Ich bin in der Deutung derselben Bilder ganz entgegengesetzter Ansicht.

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Die feinen Fasern - - die bei besonders dicken Pr~iparaten den An- schein erwecken, als ob sie die Nervenzelle durchdringen wiirden - - laufen nach meinen Untersuchungen hie durch das Plasma der ZeUe sondern immer unter oder oberhalb der ZeUe und sind nut auflerordent- lich /eine Fasern, die die Muskulatur reich durchsetzen (Abb. 9). DaB

Abb. 9. Helix pomaLia L. Bipolare Nervenzel le und feines Nervengef lech t aus der W a n d des H in t e rmagens . S i lbermethode nach BIELSCHOWSKY. Vergr6~erung 2400.

diese Fasern die Zelle wirklieh nieht durchdringen, zeigt die Abb. 9, die bei 2400facher VergrSBerung eine unipolare Nervenzelle darstellt. Der Fortsatz dieser Zelle teilt sich auf in zwei gewaltige -~ste, die in ent- gegengesetzter Richtung laufen. Das Plasma der Zelle ist bei der st~rksten VergrSBerung ganz homogen, ohne eine Spur von Neurofibrillengitter. Wenn wir diese Zelle bei bestimmter Einstellung untersuchen, haben wir manchmal das Gefiihl, als ob die AP~,TrLYsche Deutung wirklich richtig w/~re, aber eine sorgf~ltige Untersuchung und genaue Beniitzung der Mikrometerschraube belehren uns stets, dab die auf der Abbildung dar- gestellten feinen Fasern nicht durch das Plasma der Zelle gehen, sondern

19"

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fiber oder unter der Zelle hinziehen. Zwischen den Fasern und dem Plasma der Zelle besteht fiberhaupt keine Beziehung, denn die scharfe Einstellung eines Nervenelementes ist immer yon der Verdunkelung des

/kbb. 10. Helix pomatia L. Unipo la re Nervenzel le u n d Gef lecht aus der ~Vand des :Magens. S i lbe rme thode n a c h BIELSCHOWSKY.

anderen begleitet, ein sicheres Zeichen daffir, dai~ zwischen beiden keine Beziehungen bestehen.

Die Verh~ltnisse sind ~hnlich oder noch komplizierter, wenn die Nervenzelle, die aul3er ihren Forts~tzen noch fremde Faserbindungen zu haben scheint, in der NKhe eines Nervenstammes liegt. In diesem Falle nKmlich umgeben die Zelle unterhalb und oberhalb Fasern, die aus dem Nervenstamm austreten bzw. dahin eintreten und die auch mit den Nervenfasern in ~ine enge Verbindung eingehend die K1/~rung der wahren Verh~ltnisse bedeutend erschweren (Abb, 10). Es laufen mehrere Fasern vom Nervenstamm zu der in Abb. 10 abgebildeten unipolaren Ganglienzelle, deren Plasma und Kern verl~ngert ist, aber trotz dem Anschein geht keine dieser Fasern dureb die Ganglienzelle.

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Um die Frage endgfiltig zu entscheiden, habe ich aus solehen gut ver- silberten feinen Muskelstfickchen des Darmes, an denen man die Nerven- fasern und Nervenzellen am schSnsten wahrnehmen konnte, eine Schnitt- serie yon 5 Mikronen angefertigt. An solchen Serien konnte man natiir- lich das Verh~ltnis der Nervenfaserbfindel und der Nervenzellen fiber- zeugend beurteilen. Auf diesen Schnitten bemerkte ich niemals, dab die Fasern durch das Plasma der Nervenzelle gegangen w~ren. Aus diesen PrAparaten habe ich die ~berzeugung gewonnen, dab durch die ZeUe keine Fasern lau/en, wie es S~EFAN v. APATHY behauptete. Demnach gibt es keine die Zellen durchdringende intrazellulare Neuro/ibrillen, die im Nervensystem eine fibrill~ire Kontinuitdt scha]/en wi~rden. DaB ich bei der neurologischen Wertung dieser Resultate auf die AP~THvsehen Untersuchungen hinweise, hat zwei Grfinde. Erstens dab wir beide den Darmkanal wirbelloser Tiere untersuchten, wo histologische Ab- weichungen ganz minimal sind, zweitens aber, dab ieh die AP~THYsehen PrAparate kenne, die mieh ebenfalls davon" fiberzeugten, dab wir naeh dem Zeugnis der gleichwertigen PrAparate gleiehen Verh~ltnissen gegen- fiber stehen.

Mit dieser ErklArung bzw. mit einer solehen Deutung der Tatsache ist meiner Ansieht naeh die Frage der extrazellularen Neurofibrillen entsehieden. Derlei Fibrfllen kSnnen in den Ganglien natiirlich nieht gefunden werden und ihre wirkliche Natur kann mit solehen Methoden, wie denjenigen yon RAMON.Y CAJAL und seiner Schule, nieht wahr- genommen werden.

Ein ganz anderer Sachverhalt liegt vor bei jenen Neurofibrillen, die an bestimmten PrAparaten AeX~ys in den Zellen der zentralen Ganglien sehr gut bemerkbar sind und die yon CAJAL und seinen Schiilern, so auch yon BIELSCHOWSKY und anderen durch versehiedene FArbungs- methoden nachgewiesen werden konnten. AuBer den neben den Nerven- zellen laufenden primitiven Fibrillen, die, wie wir sahen, ganz einfaehe Nervenfasern sind, die abet mit der Nervenzelle tiberhaupt keine Ver- bindung haben, spricht man aueh in der heutigen Neurohistologie viel yon den gewShnlich~ als Neurofibrillen angesproehenen F~serehen, die in der Zelle und in deren Forts~tzen intrazellularen Ursprungs.bemerkbar sind. Das wAren die feinen Fasern, die naeh der Auffassung AP~1-~Ys samt den in das Plasma der Zellen eintretenden Fasern ein intrazellulares Neurofibrillengitter bilden. Diese Neurofibrillen sind heutzutage yon mehreren Seiten her bekannt und kommen naeh der Ansieht vieler Neurohistologen sowohl in der Zelle als aueh in den ZellfortsAtzen vor, treten aber weder aus den Forts~tzen noeh aus dem Plasma der Zelle in die umgebenden Gewebe. Solehe Faserbildungen hat v. APATHY in den Darmganglienzellen v(~n Pontobdella gefunden. Ieh aber babe, wie schon erwAhnt, keine Spur yon ihnen gefunden, trotzdem die Nerven- zellen meiner Pr~parate sehr schSn und ganz elektive impr~gniert sind.

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Demzufolge mug ich mich der P4terfischen Auffassung anschliel~en, wonach das die Neurofibrillen bildende Plasma eigentlich ein kolloidales Mycelium ist, das manchmal in einen Zustand gelangt, in welchem es fixiert und impriigniert werden kann und in seltensten F/~llen sogar in der lebendigen Zelle bzw. Nervenfaser erblickt werden kann, manchmal aber auf keine Weise etwas davon bemerkt werden kann.

Die Innervation der Muskulatur. Die Muskulatur des Darmkanals der Gastropoden besteht aus Muskel-

fasern, die der L~nge nach und quer laufen und voneinander in bedeutender Entfernung sind. Die Muskelfasern verzweigen sich oft und es kSnnen nach einer Silberimpr/~gnierung Myofibrillen deutlich bemerkt werden. Die Muskulatur ist an Nerven sehr reich. Ein gut impr/~gniertes Darm- stiick kann eine groBe Anzahl von in verschiedenen Richtungen laufenden Nervenst/~mmen und Nervenfasern aufweisen. Die dickeren Nerven- st/s laufen parallel der Darmwand herab. Die St/~mme sind an Nervenfasern im Durchschnitte reich, die Fasern sind verh~ltnism/~l~ig dick. Von den St/~mmen trennen sich oft kleinere St/s die sich den Nachbarst/s anschliel~en. Es kommt nicht selten vor, dab einzelne Fasern von einem Nervenstamm in den anderen eindringen. Es ist aber auffallend, dal~ die in einem Stamm fortlaufende Fasern ihre Selbst/indig- keit immerbeibehalten, sichnicht verzweigen undnicht anastomisieren. I m Nervenstamme oder in bestimmter Entfernung yon ihm sitzen die groBen Ganglienzellen, deren Fortsi~tze immer in den Nervenstamm eintreten. Die Nervenfasern, die die Muskelfasern versorgen, sind natfirlich zwei- fachen Ursprunges. Ein Tell s tammt aus den Nervensti~mmen, der andere aber aus den neben den Sti~mmen befindlichen Nervenzellen. Aus den grSBeren Nervensti~mmen und noch mehr aus den kleineren treten einzelne Fasern heraus, die auf den Muskelfasern ein grol~maschiges Gefleeht bilden (Abb. 11). Die Fasern des Geflechtes sind glatt, im all- gemeinen dtinn, oft mit Varixbildungen. Die Varices sind besonders bei der Verzweigung auffallend groll und manchmal dreieckig. Das Bild der Varix erinnert oft an eine multipolare Nervenzelle. Die aus den kleineren Stiimmen hervortretenden Fasern laufen kreuz und quer iiber- einander und treten yon einem Stamm in den anderen ein. Es gibt auch FMle, wo eine Nervenfaser aus einem Stamme in einen Nachbars tamm fibergeht, hier fortl/~uft, um nachher in den vorigen Stamm zuriick- zukehren.

Einzelne Nervenfasern kSnnen gewShnlich sehr weir verfolgt werden, ihr Ende abet ist nicht zu erreichen, obwohl meine Pr~parate in erster Linie zum Zwecke der Auffindung der Nervenendigungen in der Mus- kulatur angefertigt worden sind. Die Pr/s wurden grSBtenteils so hergestellt, dab ich die fixierten Magen- bzw. Darmstiicke so aus-

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einander teilte, dab ich die Muskulatur v o n d e r Schleimhaut abzog und die so erhaltenen sehr diinnen, zur mikroskopischen Untersuchung sehr geeignete H/~ute gesondert versilberte. Damit habe ich die Verschnitze- lung des Geflechtes beim Abschneiden verhindert. An den so erhaltenen pr/~chtigen Pr/~paraten sieht man die /~uBerst feinen Geflechte, die sich

Abb. 11. Hel ix pomalia L. N e r v e n g e f l e c h t aus der W a n d des ]4 in te rmagens . S i lbe rme thode n a c h BIEI~CHOWSKu

verzweigenden und vereinzelt laufenden wellenfSrmigen Fasern aus- gezeichnet gut, nach ihren Endigungen suchte ich aber ebenso erfolglos wie in den gleichen Organen der Wirbeltiere (Abb. 12).

Manchmal gibt es, wie es in Abb. 12 gut wahrnehmbar ist, neben den auf den Muskelfasern bei st/~rkster VergrSBerung gut erkennbaren feinen Geflechten und weitmaschigen Netzen auch solche Gebilde, die man fiir Nervenendigungen aussprechen mSchte. Meiner Ansicht nach sind aber diese kniippelartigen Gebilde wahrscheinlich nichts anderes als zerrissene 1/~ngliche Varices. Zwischen den diinnen und rein varicosen Fasern finden wir nicht selten auch dicke und mit groBen Varices iiber- h~ufte Fasern, die eine sehr groBe F1/~che durchqueren und dann wieder

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in den Nervenstamm einkehren. Es ist m6glich, daft diese Fasern auf dem langen Wege in ihrer ganzen L~nge und Breite den Fasern eine Nervenreizung iibermitteln. Neben diesen dicken Fasern mu6 ich reich auch ganz feiner Geflechte erinnern, die nur bei einer sehr starken Ver- gr~6erung sichtbar sind und die Nervenfasern so dicht iiberlagern, da8

Abb. 12. Helix pomatia L. Lockeres Nervengeflecht an der Muskelschicht des Magens. Silbermethode nach BIELSCHOWSKY. ~ Nervenstamm, b Muskelfaser, c Nervenfaser,

d Kern der Muskelfaser . Vergr613erung 800.

man sich zwischen ihnen weder gut orientieren noch dieselben piinktlich abbilden oder photographieren kann (Abb. 13). Wir miissen gleich aufrichtig eingestehen, da6 wir die Endigungen der Nervenfasem weder auf den pr~parierten H/~uten noch auf den Schnitten auffinden konnten. Infolge dessen verursacht das Verstehen der Funktion des Nervensystems groBe Schwierigkeiten, denn ohne Endigungen k6nnen wir den motorischen Effekt nicht verstehen.

In der Muskelschicht des Nachmagens, die an Nervenzellen und Nervenfasern am reichsten ist und deren Muskelzellen ganz oft deutlich verzweigt sind und auch dem geiibten Nervenhistologen ein Bild yon

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multipolaren Nervenzellen vort~uschen, sind auch solche Nerven- formationen nicht selten, welche STSHR und seine Schiller unter der Benennung Terminalretikulum so oft besprochen haben. Diese Form ist besonders an dilnnen Schnitten auffallend, meiner Ansicht nach kann

Abb. 13. Helix pomatia L. Nervengef lech t aus der W a n d des H in t e rmagens . S i lbermethode nach BIEL~CHOWSKY. VergrSl]erung 1200.

aber auch dieses Gebilde nicht mit dem ST5HR-REIS~.]asehen Terminus bezeichnet werden. Die einander iiberdeckenden Fasern bilden zweifellos ein Gebilde einer groBen Anzahl winziger Retieula, ich muB aber meinen frilheren Standpunkt, demzufolge die Fasern nur unter- und ober- einander laufen und nicht ineinander fibergehen, also eigentlich kein Retikulum bilden, auch bier aufrecht erhalten. Die Frage mehrerer Dezennien, wo die den Darmkanal versorgenden Nerven enden, bleibt so auch weiterhin often. Um diese Frage zu entscheiden, habe ich aus der Muskelschieht eines gut versilberten Stiickes des Nachmagens der Helix pomatia eine Schnittserie yon 5 Mikronen angefertigt und ver- sucht, eine Beziehung der Muskulatur zum Nervensystem herauszufinden, aber leider mit wenig Erfolg (Abb. 14). Solehe Pr~parate waren t r o t z

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ihrer aul3erordenttichen Dfinne an Nerven sehr reich. Die Nervenfasern iiberlaufen sie fast in der Form zusammenh/~ngender Platten und bilden ein netzartiges Gebilde, yon welchem wir schon friiher Erwithnung taten. Solche feine Schnitte habe ich auch bei der sti~rksten Vergr6Berung untersucht und das Ergebnis ist, dab in den meisten F~llen auch bei dieser Schnittdicke zwei miteinander lest verbundene Geflechte laufen.

Abb. 14. H e l i x pomatia L. Termina l e r Z u s a m m e n h a n g des Muskel- u n d N e r v e n s y s t e m s in der W a n d des l~ in te rmagens , a Muskel faser , b N e r v e n f a s e r , c KerI1 der ~Iuskel faser .

VergrSl3erung 2400.

wie das auf Abb. 14 bei 2400facher VergrSBerung gezeichneten Abbildung zu sehen ist, die sich natiirlich, wenn nicht anders, infolge eines Parallel- kontaktes lest an die Muskutatur anschmiegen. Mein endgiiltiger Stand- punkt in dieser Frage ist aber, dab die-Verbindung zwischen dem Nerven- und dem Muskelsystem yon einem feinem, nur bei st~rkster VergrSflerung sichtbaren Geflechte hergestellt wird, in dem aber wirkliche Netze und Endigungen nicht nachgewiesen werden kSnnen.

Die Nerven der Schleimhaut. Die Schleimhaut ist an Nerven natiirlich viel ~rmer als die Muskel-

schicht. In derselben befinden sich nur wenig Nervenzellen und die Fasern sind iiberaus rein und weniger varicos. Wenn wir die Schleim- haut des fixierten Nachmagens abziehen und versilbern, erblicken wir

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ein /iul~erst feines und grol~maschiges Geflecht. Es gibt zwischen den Fasern des Geflechtes einzelne dickere, auf welchen man weit voneinander lange Varices bemerkt, aber der grSBte Teil ist/iul~erst dfinn und glatt. Alle diese Fasern sind natiirlich sensible Fasern, die das Bindegewebe innervieren. Nicht selten kann man auch wahrnehmen, dab ein feines F/iserchen hier und da zwischen die Epithelzellen eintritt und dort selbst auf der Basis der Epithelzelle endet.

Die intramuralen Ganglienzellen und die ~euronlehre. Seither RAMON-Y CAJAL die Neuronlehre begrfindete, sind viele

Untersuchungen entstanden, die die Selbst/indigkeit der Neuronen ver- warren und mit der Lehre der fibrill/iren Kontinuit/~t der morphologischen Einheit des Neurons den Krieg erkl~rten. Die Frage der Anastomose wird besonders in der /ilteren Literatur 5fters behandelt, da es F/i, lle gibt, in welchen man die plasmatische Verbindung zweier Nervenzellen nicht bezweifeln kann. Wir dfirfen aber nicht vergessen, dal~ solche Anastomosen sehr selten vorkommen, denn die bezfiglichen Angaben, die nach den Untersuchungen von BETI-IE und anderen in der Literatur auftauchten, sind, wie das BOSLE~t, O~LOW, HANSTRSM, CAJAL und ~B~AH~.M in ihren Untersuchungen bewiesen haben, unrichtig. Es gibt blol~ eine noch nicht widerlegte Untersuchung in der Literatur, die fiber mehrere, miteinander benachbarte interneurale plasmatische Anasto- mosen berichtet. Diese Untersuchung ist mit dem Namen HEIDERMANNS verbunden. Ich muB mich mit dieser Untersuchung nicht nur deshalb befassen, weil sie mit ihren Angaben der plasmatischen Anastomose der Kontinuit~tslehre eine starke Stiitze bietet, sondern auch datum, weil sich die HEID~A~Nsschen Lehren auf solche Objekte beziehen, welche den Gegenstand meiner jetzigen Untersuchung bilden. HEIDER- ~AZ~NS untersuchte in seiner groBen vergleichenden histophysiologischen Abhandlung die Innervationsverh/iltnisse des Muskelmagens und des sieh dem Muskelmagen ansehliel3enden Magenstiickes yon Limnaea stagnalis. Diesen Untersuchungen zufolge, die er mit vitalem Methylenblau am Nachmagen durchgefiihrt hat, ,,ist ein eigenartiges Nervennetz aus- gebildet (Tafel 14, Abb. 4). Die einzelnen Zellen sind oft dureh zahl- reiche und breite B/tnder miteinander verbunden, die sich aueh unter- einander wieder verzweigen kSnnen und h/i, ufig feinste Anastomosen bilden." Zu dieser Behauptung HEIDERMANNS kann ich nur bemerken, dab seine anastomosierenden Nervenzellen keine Nervenzellen, sondern verzweigte Muskelzellen sind, die charakteristische Bestandteile des Naehmagens jeder Schnecke sind. Die Richtigkeit meines Urteils kann schon ein Blick auf HEIDER1KANNS Abbildungen jedem Nervenforscher klar machen, abet auch die F/~rbung des betreffenden Magens mit Rongalitweil3 oder mit gewShnliehem vitalem Methylenblau kann dies best/ttigen. Auf den derart gef/irbten Pr/~paraten ist keine Spur yon solehen multipolaren

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und miteinander in plasmatischer Kontinuit~t stehenden Nervenzellen, welche HEIDERMANI~S beschreibt und abbildet. Dal3 die HEIDERMANNS- sche F~rbung mit vitalem Methylenblau keine elektive Nervenf/~rbung sein konnte, erhellt auch aus der J~uBerung HEIDERMANI~S, daft in seinen Pr/~paraten ,,nicht die Nervenfaser an sich ist gef/s sondern eine sie umgebende Seheide, deren tingierbare Substanz sieh zu kleinen Kiigelchen zusammengeballt hat." Ich glaube nicht betonen zu mfissen, dal3 solehe Bilder sich nur nach langer und diffuser F~rbung mit vitalem Methylen- blau zeigen und dal3 es nicht Bilder der Nervenfasern, sondern der Muskel- fasern sind. Nach gelungener Nervenf/irbung sind die Nervenfasern des Magens yon Limnaea ebenso wie die entspreehenden Teile jedes anderen Tieres. Ieh habe viele Pr/~parate untersueht, aber weder an totalen Pr/~- paraten noeh an Sehnitten solche Nervenfasern oder Nervenzellen ge- sehen, welche strukturm/iBig yon jenen Fasern und Zellen abweiehend gewesen w/~ren, denen ich im Laufe meiner, sich auf das ganze Tierreich erstreekenden Untersuehungen so oft und in soleher Versehiedenheit begegnete. Ieh bin also mit jener HEIDERMANNsschen Auffassung, nach welcher Nervenfa~cern vielleieht ,,fiberhaupt nieht v o r h a n d e n " - nicht einverstanden. Es gibt Nervenfasern im Magen yon Limnaea und die sind ebenso wie die Nervenfasern anderer Tiere, selbst der S/~ugetiere. Wenn auch die Zellen und die Fasern ebenso sind wie /~hnliche Teile anderer vielzelliger Tiere, haben wir keinen Grund zur Behauptung, dab das Nervensystem der wirbellosen Tiere ein Nervensystem niedrigerer Ordnung w~re. Mit der HEIDERMA~ssehen Erkl/~rung: ,,bei den Wirbel- losen sind ja die Kenntnisse des Nervensystems noeh sehr wenig erkl/~rt", bin ich natfirlieh einverstanden; daraus folgt aber keinesfalls, dal3 dieses Nervensystem anders w~re als dasjenige der hSheren Tiere. Davon jedoch, dal3 dieses System im Grunde gleich ist, kann sich jeder iiber- zeugen, der die Untersuchung desselben mit guten Methoden und ge- hSriger Sachkenntnis vollzieht.

Dem Dargelegten zufolge hat die HEIDERMAI~Nssche plasmatische Anastomosis alle Bereehtigung verloren und die 3 bisher nicht wider- legten F/~lle einer plasmatischen Kontinuit/~t, die durch HARTING, RIEGELE und BOEK~ bekannt geworden sind, miissen als seltene Ausnahmen und Entwicklungsfehler betrachtet werden, woraus sich keine Beweise gegen die Selbst/~ndigkeit der Neuronen ergeben.

Naeh der plasmatischen Anastomose miissen wir uns aueh mit der Frage der fibrill/~ren Kontinuits befassen, die nach der Lehre yon HALLER, APXTHY, BETHE und HELD in der Literatur so viele Anh~nger gefunden hat. Naeh dieser Lehre, deren Hauptverkiinder ST~.FA:N V. AP.&THY war, gehen bestimmte elementare Fibrillen, oder nach der heutigen Benennung dfinne Nervenfasern durch das Plasma der Nerven- zelle hindurch und bilden so mehrere Nervenzellen, oder vielmehr alas

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ganze Nervensystem durchdringend zwischen den Nervenelemente eine Kontinuit~t. Ich kann hier nur wiederholen, daB ich im Darmkanal der Schnecke keine Spur davon gefunden habe und somit reich den Unter- suchungen CAJALs und seiner Schiller anschlieBend die fibrill~re Konti- nuit~tt ablehne und ganz bestimmt aussage, daf es nach meinen, am Darmkanal der Gastropoden gemachten Untersuchungen weder eine plasmatische noch eine fibrilldre Kontinuitdt gibt. Wenn solche Beziehungen aber fehlen, so sprechen meine Untersuchungen dafilr, daB die Neuron- lehre auf diesem Gebiete ihre Geltung hat.

Es gibt aber einen groflen Mangel, ns den, dab wir die Nerven- endigungen nicht kennen. Wir kennen die genauen Beziehungen, die es zwischen dem Nervensystem und dem Muskelsystem gibt, nicht und kSnnen hiermit nicht mit voller Sieherheit behaupten, dab die Neuron- lehre im Gebiete des Darmes eine volle Giiltigkeit besitzt. DaB es solche Endigungen geben muG, ist eine F0rderung der normalen Einsieht und der Funktion des Nervensystems. Da wir aber fiber die Nervenendigungen bloB Ahnungen besitzen, kann uns im Bereiche des Darmkanals nichts dazu zwingen, daft wir die Neuronlehre aufgeben.

Zusammenfassung. 1. Es gibt im Darmkanal der Gastropoden ein an Fasern und stellen-

weise an Nervenzellen ilberaus reiches Nervensystem, das in seiner Be- schaffenheit mit dem Plexus myentericus der Wirbeltiere iibereinstimmt.

2. Die Ganglienzellen im intramuralen Geflechte sind grSBtenteils unipolar, es gibt aber unter ihnen auch viele verschiedenen bipolaren Typen und auch multipolare gehSren nicht zu den Seltenheiten.

3. Zwischen den Nervenzellen gibt es keine solche plasmatische Anastomosen, wie HEIDm~MANHS behauptet. Jene Zellen, die er ffir anastomisierende Nervenzellen betrachtet, sind keine Nervenzellen, sondern sich verzweigende Muskelzellen, die die charakteristische Konstitutions- elemente des Darmkanals aller Schnecken bilden.

4. Die Nervenzellen stehen miteinander in keiner fibrill~ren Konti- nuit~t, wie es v. APATHY dachte, sondern sie sind sowohl gegeneinander wie auch gegen das Wirtsgewebe scharf abgesondert und schlieBen sich diesem nur durch ihre Forts~tze an.

5. Das STSHR-RExs~sehe Terminalretikulum ist auch hier bloB ein feines Geflecht, in welehem die Selbst~indigkeit der konstituierenden Elemente immer sicher erkennbar ist.

6. Das Nervensystem der hSheren Wirbellosen ist nach seiner histo- logisehen Struktur kein primitives Nervensystem, sondern in der Be- schaffenheit der Zellen und der Fasern den entsprechenden Organen der Metazoen h5herer Ordnung ganz gleich.

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7. D a es zwischen d e n N e r v e n z e l l e n weder eine p l a sma t i s che Anas to - mose noch eine f ibr i l l~re K o n t i n u i t ~ t g ib t , k e n n e n wir ke inen Beweis de r Morphologie , de r uns z u m A u f g e b e n der N e u r o n l e h r e zwingen wiirde.

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