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Acta Medica Scandinavica. Vol. CXXXIV, fasc. IV, 1949. Aus der Medizinischen Universitatsklinik Zurich Direktor: Prof. W. Loffler Die verinderte Agglomerationsbereitschaft als Ausdruck von Erkrankungen der roten Blutkijrperchen. Von F. MLCZOCH*, CH. WUNDERLY und F. WUHRMANN. (Bei der Redaktion am 1. September 1948 eingegarigen). Es ist auffallend, dass in jedem Haematologiebuch der Abschnitt iiber Er- krankungen der Erythrocyten auffallend kurz gehalten ist. - Nicht, dass jemand zweifeln wiirde, dass sich bei den verschiedenen Blutkrankheiten Krankheits- erscheinungen auch im Erythrozyten direkt abspielen wiirden, - fur einige Krankheitsbilder hat die Klinik die Aufstellung des Begriffes der vMinderwertig- keit der Erythrozyteno direkt postuliert, - aber es fehlt his heute eine exakte Moglichkeit, krankhafte Veranderungen der roten Blutkorperchen zu erfassen. Am meisten hat man versucht, aus einer von der Norm abweichenden Morphologie der roten Bltkp. Schliisse auf ein krankhaftes Verhalten im Organismus zu ziehen. Zweifellos mit Erfolg, und der erste grosse Aufschwung der Haematologie ist erst durch das genaue mikroskopische Studium der Blutausstriche moglich geworden. Als man aber dann ver- suchte, die verschiedenen Blutkrankheiten nach morphologischen Gesichtspunkten zusam- menzufassen, zeigten sich die ersten Schwierigkeiten und es bedurfte erstaunlich langer Zeit, bis es beispielsweise bei den mikrozytaren Anaemien zu einer klaren Trennung der essentiellen hypochromen Anaemien von den symptomatischen Blutungsanaemien kam , da bei beiden das mikroskopische Blutbild vollkommen gleich sein kann. Auf der andern Seite wird heute noch neben der echten Perniciosa eine Reihe von makrozytaren Anaemien unter dem Sammelbegriff operniciosa-ahnlicho gefuhrt, deren Aetiologie durchaus verschie- den ist und deren Unterscheidiing mikroskopisch oft nicht nioglich ist. Dr. Mlczoch von der 11. medizin. Univ. Klinik in \Vien konnte diese Arbeit bei einem dureh die Hilfsaktion sDie Schweiz hilft osterreiehischen Tuberkulosekrankenr ermoglichten Aufent- halt in Zurich ausfiihren, wofiir er auch an dieser Stelle seinen tiefempfundenen Dank aussprechen mochte.

Die veränderte Agglomerationsbereitschaft als Ausdruck von Erkrankungen der roten Blutkörperchen

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Acta Medica Scandinavica. Vol. CXXXIV, fasc. IV, 1949.

Aus der Medizinischen Universitatsklinik Zurich Direktor: Prof. W. Loffler

Die verinderte Agglomerationsbereitschaft als Ausdruck von Erkrankungen der roten Blutkijrperchen.

Von

F. MLCZOCH*, CH. WUNDERLY und F. WUHRMANN.

(Bei der Redaktion am 1. September 1948 eingegarigen).

Es ist auffallend, dass in jedem Haematologiebuch der Abschnitt iiber Er- krankungen der Erythrocyten auffallend kurz gehalten ist. - Nicht, dass jemand zweifeln wiirde, dass sich bei den verschiedenen Blutkrankheiten Krankheits- erscheinungen auch im Erythrozyten direkt abspielen wiirden, - fur einige Krankheitsbilder hat die Klinik die Aufstellung des Begriffes der vMinderwertig- keit der Erythrozyteno direkt postuliert, - aber es fehlt his heute eine exakte Moglichkeit, krankhafte Veranderungen der roten Blutkorperchen zu erfassen.

Am meisten hat man versucht, aus einer von der Norm abweichenden Morphologie der roten Bltkp. Schliisse auf ein krankhaftes Verhalten im Organismus zu ziehen. Zweifellos mit Erfolg, und der erste grosse Aufschwung der Haematologie ist erst durch das genaue mikroskopische Studium der Blutausstriche moglich geworden. Als man aber dann ver- suchte, die verschiedenen Blutkrankheiten nach morphologischen Gesichtspunkten zusam- menzufassen, zeigten sich die ersten Schwierigkeiten und es bedurfte erstaunlich langer Zeit, bis es beispielsweise bei den mikrozytaren Anaemien zu einer klaren Trennung der essentiellen hypochromen Anaemien von den symptomatischen Blutungsanaemien kam , da bei beiden das mikroskopische Blutbild vollkommen gleich sein kann. Auf der andern Seite wird heute noch neben der echten Perniciosa eine Reihe von makrozytaren Anaemien unter dem Sammelbegriff operniciosa-ahnlicho gefuhrt, deren Aetiologie durchaus verschie- den ist und deren Unterscheidiing mikroskopisch of t nicht nioglich ist.

Dr. Mlczoch von der 11. medizin. Univ. Klinik in \Vien konnte diese Arbeit bei einem dureh die Hilfsaktion sDie Schweiz hilft osterreiehischen Tuberkulosekrankenr ermoglichten Aufent- halt in Zurich ausfiihren, wofiir er auch an dieser Stelle seinen tiefempfundenen Dank aussprechen mochte.

DIE VERANDERTE AGGLOMERATIONSBEREITSCHAFT ALS AUSDRUCK VON ETC. 261

Dies beweist nur wieder einmal, dass es nicht moglich ist, biologisches Geschehen nur mit einer morphologischen Betrachtungsweise zu erfassen und es lasst sich des- halb mit dem Mikroskop nicht entscheiden, ob ein Erythrocyt qualitativ minder- wertig, d.h. widiopathischH erkrankt oder bloss sekundar mindenvertig, d.h. bsymptomatischu verandert ist.

Das Gleiche gilt fur die von Schulten mit Recht angegriffenen verschiedenen Indices, die zwar eine grobe Unterscheidung zwischen grossen Krankheitsgruppen ermoglichen, wegen ihrer Fehlerbreite aber im Einzelnen noch weniger auszusagen vermogen als die Betrachtung des Blutausstriches.

Einen andern Weg zur Unterscheidung von rgesundem von okrankenr r. Bltkp. ging man bei den verschiedenen Formen der Resistenzbestimmung der Erythrocyten. Man pruft e dabei die Widerstandskraft der Elrythrocyten gegen verschiedene Substanzen in der Hoffnung, etwas uber ihre funktionelle Voll- oder Minderwertigkeit zu erfahren. Auch diese Hoffnung schlug fehl. Zeigen doch junge, physiologische, und damit nach dem Sprachge- brauch norrnale Erythrocyten eine vermehrte Resistenz gegenuber hypotonen Kochsalz- losungen. Dann fand man wieder bei krankhaften Zustanden 2.B. beim Ikterus, eine Resis- tenzvermehrung der Erythrocyten, die sich aber anscheinend als Schutzwirkung des Plas- mas erwies, da sie nach dem Waschen der Erythrocyten nicht mehr nachzuweisen war. (Isaacs). - Eine eindeutige Resistenzverminderung zeigt nur der haemolytische Ikterus, alle andern Blutkrankheiten verhalten sich gegeniiber NaCl mehr oder minder normal.

Untersuchungen der Resistenz der r. B1. gegenubern andern Mitteln ergaben wieder andere Resultate: so verhalt sich die Pern. Anaemie gegenuber hypotonen Losungen normal (Nageli), gegenuber Saponin (Tempka und Braun) und gegenuber Lecithin (Wuhrmann und Wunderly) ist sie herabgesetzt.

Noch weniger praktische Bedeutung erlangten Untersuchungen uber das spezifische Gewicht und uber die chemiache Zusammensetzung der roten Bltkp. bei den verschiedenen Formen der Blutkrankheiten. Es fanden sich dabei wohl Unterschiede zwischen den gros- sen Krankheitsgruppen, doch ging das Erreichte nie uber das hinaus, was man auch mit einfacheren Mitteln feststellen konnte. (Literatur bei Thygessen und Nichols).

Es gibt demnach bis heute keine allgemein giiltige, morphologische, biologische oder chemische Untersuchungsmethode, die etwas Sicheres iiber krankhafte Veranderungen in den Erythrocyten aussagen wiirde.

Als wir daher bei Studien iiber die Agglomerationsbereitschaft der Erythro- cyten auf gewisse Regelmassigkeiten stiessen, untersuchten wir die Moglichkeit, daraus eine zusatzliche Aussage iiber die Biologie und die Pathologie der Erythro- cyten machen zu konnen.

I. Seit FAhraeus 1917 die Blutsenkungsreaktion in die Klinik eingefiihrt hatte,

wurde in einer grossen Anzahl von Arbeiten den Faktoren nachgegangen, die mr Senkung der r.BI.und im pathologischen Fall zu ihrer Erhohung fiihren.

Rein physikalische Gesetze der Schwerkraft scheiden von vornherein aus, hatte doch schon Fahraeus 1921 berechnet, dass normales Blut, in dem alle Blutkorperchen einzeln fur sich sind, eine Senkung Son O.a mm in der Stunde haben wiirde.

262 F. MLCZOCH, CH. WUNDERLY UND F. WLJHRMANN

Die Blutsenkung kommt vielmehr dadurch zustande, dass sich die einzelnen Bltkp. aneinander lagern, Klumpen bilden = agglomerieren. Von der Grosse dieser Agglomerate hangt dann die Geschwindigkeit de r Skg. ab.

Dieses Zusammenballen der Ery throzyten kommt duch Eigenschaften des Plasmas u n d der Eryfhrozyten selbst zustande.

1. Eigenschaften des Plasmas. Die Bedeutung des Plasmas geht aus folgenden Versuchen hervor:

Gibt man Rltkp. von Menschen rnit verschieden hoher Senkung in das gleiche Plasma, so zeigen alle die gleiche Senkung (Ffiraeus).

Filtriert man Plasma durch ein eiweissdichtes Filter und schwemmt dann Erythrocyten in dem eiweissarmen Filtrat (und im konzentrierten Ruckstand) auf, so zeigen diese stets eine niedrigere Senkung als im nicht vorbehandelten Plasma. Die Senkung im Filtrat ist aber auch stets gleich gross, ohne Rucksicht darauf, wie hoch die urspriingliche Skg. der aufgeschwemmten Erythrocyten gewesen ist. Im konzentrierten Ruckstand war sie dage- gen stets hoher als die ursprungliche Senkung. (Tiefenau und Gysin).

Diese Versuche zeigen eindeutig, dass im Plasma Stoffe vorhanden sind, die die Erythrocyten zur Ballung bringen u n d dass diese Stoffe fur den Ablauf de r Senkung entscheidend sind (= Ballungsfakfor Frimbergers). Als Haupt t rager dieses Ballungsfaktors gelten schon seit FAhraeus das Fibrinogen und die Globuline, ohne merkbaren Einfluss sind die Albumine.

Neuere Untersuchungen bewiesen, dass sich die Einflusse der verschiedenen Plasma- fraktionen auf die Senkung vie1 komplizierter auswirken als dies urspriinglich erschien. - - So ist es auffallend, dass auch grosse physiologische Schwankungen des Fibrinogens beim Gesunden die Senkung iiberhaupt nicht beeinflussen und bei pathologischen Senkungen fanden Brown und Monroe, ebenso wie Ropes und Mitarbeiter in einern Drittel ihrer Falle keine absolute Korrelation zwischen Senkungsbeschleunigung und Fibrinogengehalt, in anderen Fallen wieder keinen Zusamrnenhang rnit den Globulinen. Gordon und Wardley glaubten diese mangelnde ubereinstirnmung rnit Unterfraktionen der Globuline und des Albumins erklaren zu konnen, welche die an sich beschleunigende Wirkung des Fibrino- gens und der Globuline aufzuheben verrnogen. Doch sind gegen ihre Methodik berechtigte Einwgnde erhoben worden (Jayle). Neuere Untersuchungen durch Malrnros und Blix mit elektrophoretischer Plasmadifferenzierung bestatigten wieder den iiberragenden Einfluss des Fibrinogens und der Globuline auf die Blutsenkung, doch ist man heute der Ansicht, dass nicht nur die quantitative Vermehrung eines Plasmaproteins von Bedeutung sei, sondern in der Ilauptsache eine qualitative Veranderung dieser Eiweisskorper, wohei diese Qualitats- anderung mit unsern heutigen Untersuchungsmethoden vielfach noch riicht fassbar ist (Wuhrmann).

2. Eigenschaften der roten Blutkorperchen. Diese betreffen einmal die Zahl der roten Bltkp. Mit zunehmender Verdiinnung

steigt in vitro die Senkung an , in vivo zeigen dagegen auch hochgradige Anaemien vielfach normale oder fast normale Senkungswerte. Es sind da rum bisher alle Versuche gescheitert, den Senkungsablauf mi t dem Grad der Anaemie in eine feste Beziehung zu bringen (Westergren, Theorell, Klima u.a.).

DIE. VERKNDERTE AGGLOMERATIONSBEREITSCHAFT ALS AUSDRUCK VON ETC. 263

Auch die sonstigen Eigenschaften der roten Blutkp. treten an Bedeutung fur die Senkungsreaktion stark zuriick, wie schon die 0.a. Versuche gezeigt haben, wo einzig Eigenschaften des Plasmas die Geschwindigkeit der Senkung beein- flussten. Das Gleiche konnten Wunderly und Wuhrmann an einem Plasma- model1 zeigen, in dem gewaschene Erythrocyten stets die gleiche Senkung zeigten, unabhangig davon, ob es sich um Erythrocyten eines Gesunden oder um solche eines Kranken mit hochpathologischer Senkung handelte. Sie konnten daher feststellen, dass im Allgemeinen die zellularen Faktoren im Ablauf der Senkung soweit hinter dem Einf luss der Plasmaeiweisskorper zuriicktreten, dass ihr Ein- fluss praktisch vernachlassigt werden kann. - Alle diese Versuche hatten zur Folge, dass die Senkung heute allgemein als Plasmaeiweisskorper-Reaktion auf- gefasst wird, die iiber starkere Verschiebungen und qualitative hderungen im Bereich des Fibrinogens und der Globuline bindende Aussagen zu machen imstande ist.

Trotzdem darf die Bedeutung der Bltkp. fur die Senkung nicht unterschatzt werden. Das wird sofort klar, wenn man bedenkt, dass verschiedene Tiere (Rind, Hund, Schwein, Ziege) praktisch iherhaupt keine Senkung zeigen, wahrend Pferdeblut wesentlich rascher senkt als der Mensch. Das Plasma dieser Tiere zeigt zwar bei der Elektrophorese artspezifische, vom Menschen differente Ver- haltnisse (Wunderly), doch ist bei ihnen die verzogerte bzw. beschleunigte Senkung beim gesunden Tier zum Grossteil auf Eigenschaften der Erythrocyten zuruck- zufiihren, wie folgender Versuch zeigt: Pferdeerythrocyten senken in Rinder- serum genau so schnell, wic in ihrem eigenen Plasma und umgekehrt zeigen Rinder- erythrocyten auch im Pferdeplasma keine Senkung (Linzenmeier). Das Rind besitzt demnach keine Bereitschaft der Erythrocyten, sich zur Senkung zusam- menzuballen, das Pferd eine erhohte.

Die Bereitschaft der Erythrocyten zur Agglomeration (= Ballungsbereitschaft Frimbergers, Tendance A l’agregation rkversible, Jayle) ist daher artspezifisch. Sie ist beim Menschen unter normalen Verhaltnissen und bei den meisten Krank- heiten konstant.

Regelmassige Veranderungen dieser Ballungsbereitschaft finden sich nur bei Blutkrankheiten, vereinzelt auch bei Leber- und Nierenkrankhtikn. Diesen Veranderungen galten nun die nachfolgenden Untersuchungen:

I I . Methodik.

Das Prinzip der Untersuchungsmethode besteht darin, dass die Erythrocyten durch mehrfache Waschung in physiologischer Kochsalzlosung von ihren Plasma- bestandteilen moglichst befreit werden. Zu dieser Erythrocytenausschwemmung wird nun ein kunstlicher Ballungsfaktor mit genau reproduzierbaren Eigen- schaften und gleichbleibender Reinheit hinzugegeben, - mit dern dann in ge- wohnter Weise zu Westergren-Senkung aufgezogen wird.

264 F, MLCZOCK, CH. WUNDERLY UND F. WUHRMANN

1.2 ccm 100 yo Erythrocytensuspension 0.s ccm Pektin- Losung verschiedener Konzentration

23mg0,L I 35mga4 I 46mgYb 1 69mgo/b

3 4 7 25 4 8 1 7 5 0 6 17 31 77 8 24 46 86

Einen solchen Ballungsfaktor fand Wunderlq im Pektin, einem fadenformigen Linearkolloid, das ahnlich wie das Fibrinogen in der Losung ein reticular-disperses System anstrebt und dadurch die Erythrocyten zur Ballung bringt.

Plasma-Senkung (homolog)

2 5 8

12

Urn die osrnotischen Verhaltnisse der gewaschenen Erythrocyten moglichst zu schonen wwde die Pektinlosung physiologisch aequilibriert. Dam stellen wir aus destillierteni Wasser die Losung I her, welche im Liter 16 gr NaCl 0 . 4 g KCl 0 . 2 g CaCl,, 0 . 2 g MgCl, und 0.1-molar-Phosphat-Puffer nach Soerensen enthalt. Dann wird in destilliertern Wasser 0 . 4 6 Gew. yo Pektin aufgelost und diese Losung 11 rnit gleichen Teilen der Losung I gemischt . Durch diese Mischung erhalt das entstehende, Pektin-Standard Sol einen PH von 7.34 und ist bei dieser Versuchsanordnung dem stromenden Blut isohydrisch, isoton und isoviskos .

Nun wird Citratblut - 2 rnl 3.6 %iges Natriumcitrat auf 8 ccrn Blut - zentrifugiert, - nach Abschuttung des Plasmas wird noch drei Ma1 mit Ringer-Losung gewaschen. Die gewaschenen Erythrocyten werden dann mit Ringer-Losung auf die Ausgangsmenge auf- gefullt. Von dieser 100%igen Erythrocytensuspension werden 1 . 2 ml in kleine Reagenz- glaser fliessen gelassen und dort rnit 0.3 ml Pektinlosung gut gernischt. Damit wird dann zur West ergren -Sen kung aufgezogen.

Durch Anderung der Konzentration des Pektins laisst sich damit jeder ge- wunschte Senkungsablauf reproduzieren. Ahnliclie Eigenschaften besitzt auch das Gummi arabicum, dass Frimberger und Jayle zu ihren Untersuchungen an- gewandt haben (s. Tabelle 1).

~~~~ ~

F. M. 33 j. gesund Erythr. 4.9 Mill. Hb 106, IT-I. 1,08

30 niip. 6U Mi:]. :JO hlin.

120 Min. Min.Sed. 24 Std.

Aus der Tabelle geht die Abhangigkeit der Erythrocytensenkung von der Pektinkonzentration deutlich hervor. Ebenso ist das nach 24 Stunden abgelesene Minimalsediment direkt von dieser Konzentration abhangig und wird erst bei Verwendung hoherer Konzentrationen konstant und damit klinisch verwendbar (Frimberger).

Es muss hier darauf hingewiesen werden, dass sowohl das Pektin als auch das Gurnmi arabicurn Naturprodukte sind, deren Reinheitsgrad wechseln kann. So insbesondere beim Pektin die Kettenlange des Makromolekdls sowie der Veresterungsgrad der sauren Carboxyl- gruppen. J e grosser die durchschnittliche Kettenlange der Pektinteilchen ist, desto mehr treten die kolloidalen Eigenschaften hervor, von denen in diesem Falle die ballungsfer .

DIE VERANDERTE AGGLOMERATIONSBEREITSCHAFT ALS AUSDRUCK VON ETC. 265

R. T. 42 3 B. A. 45 St. H. 22 3 1 S. K. 61 9

dernde Wirkung des Pektins abhangig ist. Diese nimmt hingegen mit steigendem Vereste- rungsgrad der reaktionsfiihigen sauren Carboxylgruppen ab. (Deuel). Das von uns verwen- dete, hochgereinigte Pektin besitzt ein Aequivalentgewicht von 800. - Wegen dieser im einzelnen wechselnden Eigenschaften muss bei einer Untersuchungsreihe immer das gleiche Praparat verwendet werden, urn vergleichbare Ergebnisse zu erzielen.

Aus praktischen Griinden wurde bei unseren Untersuchungen eine solche Pektinkonzentration gewahlt, die an einer Reihe von Normalfallen 2 Stunden- werte von 45 bis 65 mm gab. Diese willkiirliche Einstellung erlaubt Verschie- bungen im Senkungsablauf nach oben und nach unten zu messen, ein grosser Vorteil gegeniiber der Plasmasenkung, bei der Verlangsamungen nur sehr be- schrankt abgelesen werden konnen. Ebenso wurde die Schwankungsbreite des als normal bezeichneten 2 Stundenwertes genugend weit angesetzt, um damit nur starkere Verschiebungen xu erfassen.

Diese Standardsenkung gestattet demgemass durch Ausschaltung samtlicher Einfliisse des Plasmas den reinen Einfluss des zellularen Faktors auf die Blut- senkung zu erfassen. Da die Leukocyten und Blutplattchen erfahrungsgemass keinen merkbaren Einfluss auf die Blutsenkung ausiiben, ist damit eine Methode geschaffen, in der nur Einfliisse der Erythrocyten den Senkungsablauf bestimmen, bei der also rein die Agglomerationsbereitschaft der Erythrocyten gemessen wird.

gesund 6 mm 57 mm Pleuritis exsudativa 118 mm 52 mm Pneumonie 112 mm 55 mm Carcinoma vedriculi 101 mm 53 mm

111. Ergebnisse.

1. Mit diesem Plasmamodell wurde die Agglomerationsbereitschaft von iiber 200 Patienten untersucht, und mit den Werten der Plasmasenkung verglichen. Dabei bestatig-te sich, wie oben angefiihrt, dass die normalen und die meisten pathologischen Senkungen unabhangig von Eigenschaften der Erythrocyten ablaufen. Als Beispiele seien herausgegriffen:

2 Stunden-Werte in der I N a m e I K r a n k h e i t Plasmasenkung ' ' Pektin-Skg. I

2. Blutkrankheiten. a. Perniciose Anamie: Es wurden 14 Falle untersucht. In allen Fallen zeigten

sich erhiihte Werte im Pektin-Standard-Sol.

266 F. MLCZOCH, CH. WUNDERLY UND F. WUHRMANN

1710 1980 1930 1990 2300 4740 4700

N a m e

43 53 51 52 59 81 79

G. nf. 76 9 . . . . . . H . M . 7 0 9 . . . . . .

nach Leber . . . .

R . E . 6 0 9 . . . . . . nach Leber . . . .

R. M. 49 0 anbehandelt . . . .

Schn. J. 70 $! wahrend d. Behandlg. . . . . . .

Sch. K. 74 9 . . . . N . J . 8 1 $. . . . . . . Fr. J. 72 6 . . . . . . B. M. 76 d . . . . . .

B.A.53 9 . . . . . . S . A . 7 7 d . . . . . . . .

H. anbehand. 34 $! G.I.55 $! . . . . . .

- -

- 28.4.

1.5. 5.5.

11.5. 9.6.

16.6.

14.4. 28.4.

20.6. 27.6.

-

Erythr. in 1000

810 1220 1500 2020 2860 1620 2100

2570 2830

3112 2020 261 0 1280 1570 1800 3100 1060 1100 3000

- - H B

corr. - 21 33 39 36 53 39 47

66 72

64 57 69 40 52 60 72 35 33 75 -

- - F- I - 1.3

1 . 3 8

1.30 0 .9 0.95 1 . 2 0

1.10

1.3 1.27

1.03 1.45 1.33 1.60 1.67 1 . 6 0

1.16 1 .65

1 . 5 1 . 2 5 -

- - Ret. %I - 12 18

181

66 19 91

113 27

-

152 17 2

83 68 55 10 l 2

4 60 -

~

2 Stundenwerte in der Plasmasenkung Pektinskr.

51 114 25 100 4 82 5 79

14 73 134 82 43 57

29 86 8 64

19 5 i 48 74 98 86

111 96 117 100 69 75 73 103 38 90

153 105 47 73

Die Bedeutung der Lebertherapie auf die erhohte Ballungsbereitschaft der Erythrocyten, die sich bei den 0.a. Stichproben iiberall andeutet, zeigt sich besonders schon in einem bereits von Wunderly und Wuhrmann veroffentlichtem Fall.

L . A . 5 4 9 . . . . . . . leidet seit 16 .J. an

P. A., Recidiv . . .

19.4.

21.4. 24.4. 26.4. 28.4. 5.5.

13.6. 20.6.

- - F- I - 1.3

1.27 1.32 1.3 1.3 1 . 2 5

0.86

0.84

2 Stundenwerte in der Plasma Skg. Pektin Skg.

146 136

148 129 145 110 142 100 134 92 126 80 73 64 50 60

Der Fall zeigt eindrucksvoll, dass sich die erhohten Werte im Standard-Sol nur im dekompensierten Stadium der P. A. finden und dass sie bei Einsetzen der Lebertherapie bei Erreichung des normocytaren Blutbildes, in andern Fallen

DIE VERANDERTE AGGLOMERATIONSBEREITSCHAFT ALS AUSDRUCK VON ETC. 267

M. Fr. 38 d Hypernephrom . . P. L. 68 $2 Carc. ventr. . . . . . . S. K. 61 d Carc. ventr. . . . . . . B. K. 82 d Carc. ventr. . . . . . . W. J. 38 9 Blutung bei Ulc.

ventriculi . . . . . . . . . . . . . . . . . .

auch schon etwas vorher, vollkommen zur Norm zuriickkehren. Die Plasma- Senkung kann dabei, wie in dem obigen Fall, durcli Begleitkrankheiten weiterhin hochbleiben. - Sonst aber geben diese Beobachtungen erst die Erklarung fur die in der Klinik bekannte Tatsache, dass der Ruckgang einer erhohten Senkung das erste Zeichen fur die beginnende Normalisierung der Erythrocyten darstellt, das oft schon vor der Reticulocytenkrise auftritt (Reichel). In diesen Fallen ist also eine erhohte Senkung die Folge von Eigenschaften der Erythrocyten und nicht wie sonst Ausdruck einer Verschiebung der Plasmaproteine.

2.38 4.24 2.63 2.35

2.17

Als Erklarung fur diese eindeutige Erhohung der Ballungsbereitschaft der Erythrocyten konnte die Tatsache herangezogen werden, dass die Makro-bzw. Megalocyten infolge ihrer Grosse und ihres hoheren spezifischen Gewichtes eben schneller senken als normale Erythro - cyten. Wenn wir uns aber erinnern, dass das Gewicht der Erythrocyten und die reinen physi- kalischen Gesetze der Schwerkraft bei der Blutsenkung eine vollkommen nebensachliche Rolle spielen, so bleibt die Erklarung fur die erhohte Senkung der Perniciosa-Erythrocyten wieder offen, und wir konnen vorlaufig nur feststellen, dass diese Blutkp. anders reagieren als normale, eben eine erhohte Ballungsbereitschaft besitzen, die in diesem Fall eng mit der Makroplanie zusammenhangt.

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Fall von makrocytarer Anamie nach Magenresektion, mit deutlicher Makroplanie, Aniso- und Poikilocytose im Blutbild.

R.R. 58 !j2 2.54 60 1.2 90 mm 47 mm 12 a.post Resect. ventr. Nephro-

scler. arterioskl.

Bei diesem Fall zeigt sich keine Erhohung der Pektin-Skg., ein Beweis mehr, dass nicht die Makroplanie an sich das entscheidende fur die Erythrocytensenkung ist, sondern die Erkrankung der Erythrocyten bei der Pern. Anamie.

b . Sekundare, posihaemorrhagische Aniimie.

2 Stundenwert in der Plasma-Skg. Pektin-Skg

1 Erythr. I Hb. corr. 1 F-I. 1 33 58 41 32

47

0.72 0.69 0.82 0.69

1 . 0 9

158 45 22 45

101 53 97 83

66 60

Sekundare Anamien beeinflussen also die Blutkorperchen-Skg nicht, auch wenn sie hochgradig sind. Dies wieder ein Beweis, dass nicht die Anamie an sich, also die Zahl der r. Bltkp, die Pektin Skg. entscheidend beeinflusst. 19 - Acia Medica Scandinauica. 1’01. C X X X I V . Fasc. I V .

268 F. MLCZOCH, CH. WUNDERLY UND F. WUHRMANN

Fall 4, der mit einer deutlichen Erhohung der Agglom. Zeit aus der Reihe fallt, kam kurz nach der Untersuchung ad exitum. Die Sektion ergab reichlich Leber- metastasen und Zeichen einer interstitiellen Hepatitis. Dass nun jede Art einer schwereren Leberschadigung zu einer Beeinflussung der Agglom. Zeit fuhren kann, wird weiter unten noch ausgefuhrt.

Leukoz-

40.700 17.900

6.000 20%

2.300

c. Leukaemien.

2 St. Wert i d .

Plasm. Pektin- Skg Skg

64 93 41 '8 G

149 ' iG Myeloblasten

162 76

St. P. 44 9 chron. myel. Leuk. . . . . U. A. 61 8 chron. myel. Leuk. . . . . V. A. 69 8 Akute myel. Leuk. . . . .

Rl. W. 1 7 8 aleukaeni. Parainyelo- blastenleukaemie . . . . . . . . . . . . . .

S. W. 34 8 chron. myel. Leuk. . . . . L. E. 56 8 chron. myel. Leuk. . . . . R. G. 63 8 chron. lymphat. Leuk.

A. E. 50 9 Lymphograiiulom. . . . .

Erythr.

2320 3670 1860

1730

4500 4460 4000

2830

Hb. cow.

53 72 43

41

82 92 80

F3

- - F-I.

- 1.15

0 . 9 9

1.16

1 . 2 0

0.90 1 . 0 3

1.00

1.10 -

In fast allen Fallen t ra t eine Erhohung der Pectin-Senkung auf. Diese ist un- abhangig von der Zahl der Leukocyten, wie die beiden aleukaemischen Falle zeigen.

Eine starkere Erhohung ist nur bei den Patienten festzustellen, wo die Leu- kaemie zu einer liohergradigen Anaemie gefiihrt hat. Nun ist bekannt, dass Leukaemien mit der Zeit fast immer zu deutlichen Anaemien fiihren, die morphologkch verschieden sein konnen, gewohnlich hypochrom, manchmal auch hyperchrom sind. Wo diese Anaemie ausgeblieben ist, zeigt die Pektin-Senkung normale oder nur massig erhohte Werte. Also auch hier wieder die erhohte Ballungs- bereitsellaft der Erythrocyten nur dort, wo die Grundkrankheit zu einer starkeren Schadigung des erythropoetischen Systems gefiihrt hat. - Das Gleiche gilt vom Lymphogranulom.

DIE V E R ~ D E R T E AGGLOMERATIONSBEREITSCHAFT ALS AUSDRUCK VON ETC. 269

Name Krankheit

N. P. 54 8 .................... Chron. Panmyelopathie mit Hepato- u. Splenomegalie . . . . . . . . . . . . . .

S. F. 42 3 .................... Anaemia Marchiafava Micheti K. R. 45 $2 .................... Myelom ........................ S. N. 38 8 .................... Haemophilie J. V. 17 8 .................... Haemophilie K. R. 51 $2 .................... Haemolyt. Icterus G . 46 ........................ Haemorrh. Diathese (Pseudohaemo-

P. A. 40 $2 .................... Haemorrh. Diathese (Antithrombin-

C. R. 27 $? .................... Haemorrh. Diathese (Thrombopenie)

philie)

vermehrung)

T. P. 41 8 Polycythaemia.. . . . . . .

d . Verschiedene Blutkrankheifen.

Erythr.

1430

1500 3200

3200 2600 3400

5600

2980

4440

4260

4280

9260

Hb con.

38

39 57

75 77 89

98

49

77

92

91

153

- - F-I - 1 . 3 6

1.30 0.89

1 . 1 5 1 . 4 8 1 . 2 8

0.88

0.84

0.86

1 . 0 8

1 . 0 7

0 . 8 3 -

2 Stundenwerte in der Plasmaskg. Pektinskg.

109 136

150 188 126 77

136 92 140 89 84 84

22 74

132 89

23 55

46 51

16 48

- 9

Am auffallendsten ist die enorme Erhohung der Pektin-Senkung bei dem Fall von chron. Panmyelopathie. Die beiden Untersuchungen liegen ein Jahr aus- einander. Die gleichzeitig durchgefiihrte Elektrophorese zeigte keine Plasma- veranderungen, die als Ursache der erhohten Plasmasenkung angesprochen werden konnten. Diese muss daher auch in diesem Fall ausschliesslich auf die pathologischen Erythrocyten zuriickgefiihrt werden.

Aber auch die andern Blutkrankheiten zeigen eine mehr oder weniger deut- liche Erhohung der Agglomerationsbereitschaft, mit Ausnahme der verschiedenen Formen der haemorrh. Diathese.

Beim haemolytischen Icterus wurde noch ein zweiter Fall untersucht, der normale Erythrocytenwerte und eine fast normale Plasmasenkung hatte. Auch dieser zeigte gegeniiber Normalfallen eine deutliche Erhohung der Erythrocyten- senkung. Nur kann diese in diesem Zusammenhang statistisch nicht ausgewertet werden, da die Untersuchung mit einer andern Pektinkonzentration durchgefuhrt wurde, und das Ergebnis dadurch zahlenmassig auf einer andern Ebene liegt.

Eine Ausnahme bei den obigen Fallen scheint nur die Polycythaemie zu machen. Doch haben Wuhrmann und Wunderly nachgewiesen, dass die Erythrocyten bei der Polycythaemie, auf normale Werte verdunnt, auch durchaus normale Werte in der Pektinsenkung geben.

270 F. MLCZOCH, CH. WUNDERLY UND F. WUHRMANN

e. Leberkrankheiten. Untersucht wurden 13 Falle von Hepatitis epidemica. Dabei waren die Zwei-

stunden Werte in der Pektinsenkung in

3 Fallen erniedrigt (30, 32, 43 mm) I) D

1 Fall erhoht (79 mm)

Bei drei Fallen von Verschlussikterus war das Ergehnis: 1 ma1 erniedrigt (42 mm) 2 B normal (52, 63 mm)

Bei vier Fallen von Lebercirrhose waren die Werte: 3 ma1 normal (52, 53, 64 mm) 1 )) erhoht (78 mm)

normal (50, 53, 58, 59, 60, 63, 64, 65 mm) die Werte liegcn tlnhci z.T. an der oberen Grenze der Norm.

Am auffallendsten sind die erniedrigien Werte, die sonst bei keiner Krank- heitsgruppe gefunden wurden. In zwei Fallen bestand eine sehr niedrige, in den beiden andern eine hohe Plasmasenkung. Die Bilirubinwertc waren ebenfalls verschieden, es fanden sich gering- und hochgradig erhohte Werte. In keinem Fall fanden sich Erythrocytenwerte uber 5 Mill., in zwei Fallen war das Blutbild hyperchrom, in 2 Fallen normal.

Es sind uns nun aus der Klinik auffallend niedrige Plasmasenkungen beim Ikterus gelaufig, ohne dass man diese mit Sicherheit einem bestimmten Krank- heitsbild zuordnen konnte. Als Erklarung dafiir werden die durch die Leber- storung verursachten niedrigen Fibrinogenwerte im Plasma und die Wirkung der Gallensauren angefiihrt. Jede dieser beiden Ursachen entfaltet seine Wirkung auf die Senkung iiber das Plasma. Unsere Untersuchungen zeigen nun, dass neben diesen Plasmafaktoren auch die Erythrocyten in manchen Fallen verlang- samenden Einfluss haben konnen. Durch Kombination dieser beiden Faktoren konnen nun erniedrigte, normale und erhohte Plasmasenkungen entstehen, was die Mannigfaltigkeit der Senkungswerte beim Icterus bei pathogenetisch an- scheinend gleichartipen Fallen wenigstens zurn Teil erklaren wiirde. - Erst die Nachpriifung dieser Befunde an einem grosseren Krankengut wird entscheiden konnen, ob hier klinisch verwendbare Gesetzmassigkeiten bestehen.

f . Nierenkrankheiten.

verschiedener Atiologie. Dabei fanden sich in Untersucht wurden 10 Falle mit grosstenteils schweren Affektionen der Niere

6 Fallen normale Werte (47, 51, 51, 58, 64, 65 mm) 4 D erhohte Werte (70, 72, 73, 80 mm) Bei den erhohten Werten bestand in 2 Fdlen eine stiirkere Anaemic, die beiden

andern hatten normale Erythrocytenwerte. Ein Zusammenhang mit der Hohe

DIE VERANDERTE AGGLOMERATIONSBEREITSCHAFT ALS AUSDRUCK VON ETC. 271

des Rest-N und dem Ausfall der Xanthoproteinreaktion konnte nicht festgestellt wcrden.

g . Sonstige Krankheiten.

falle in ihren Krankheitsgruppen erhohte Erythrocytensenkungen noch bei: Bei den Untersuchungen sonstiger Krankheitsbilder fanden sich als Ausnahme-

1 Fall von Magen Ca (83 mm) 1 )) o Pneumonie (wahrscheinlich mit Lebercirrhose) (88 mm) 1 o B Tbc. und Diabetes (74 mni) 1 o )) Tbc. pulm. (75 mm) 1 D )) Enteritis rnit Hyperthyreose (96 mm) Es bestand dabei nur in einem Fall eine hohergradige Anaemie.

Besprechung der Ergebnisse. Die Agglomerationsbereitschaft der Erythrocyten ist eine artspezifische, im

allgemeinen konstante Eigenschaft der roten Blutkorperchen, die bei Blutkrank- heiten und in Ausnahmefallen auch bei andern Krankheiten eine Erhohung oder Erniedrigung erfahrt. Diese Agglomerationsbereitschaft Iasst sich rnit keiner morphologischen oder einer andern, mit den hcutigen Untersuchungsmethoden greifbaren Veranderung der Erythrocyten in Parallele setzen. So kann sie bei makrocytaren wie bei mikrocytaren Anaemien crhoht sein, sie ist unabhangig vom Grad der Anaemie, von der Resistenz der r . Bltkp. gegeniiber hypotonen NaC1-Losungen, sie ist ebenso unabhangig vom Ausfall irgendeiner blutchemischen Rcaktion. (Gepriift wurde der Zusammenhang mit dem Rest-N, der Xantho- protein-Rcaktion, dem Bilirubin, dem Serum-Cholesterin und dem Serumeisen).

Wir miissen sie daher als eine eigene, biologische Reaktion der r. Bltkp. auf- fassen.

Nehmen wir nun jene Krankheiten, bei denen die Agglomerationsbereitschaft der Erythrocyten regelmassig hochgradig erhoht ist, als richtungsweisend fur die Bewertung dieser Veranderung, so sehen wir, dass die Erythrocytensenkung gerade bei den Krankheiten am meisten von der Norm abweicht, von denen wir sicher wissen, dass sie rnit einer hoherpdigen Erkrankung der Erythrocyten selbst einhergehen (Panmyelophthise, perniciose Anaemie). Wir glauben uns daher zu dem Schluss berechtigt, dass eine vclranderte Agglomerationsbereit- schaft Ausdruck einer biologischen Veranderung, also einer Erkrankung der Erythrocyten ist, und diirfen daher abnorme Ausfalle bei andern Blutkrank- heiten unter diesem Gesichtspunkt verwerten. Dies umso mehr, als wir sahen, dass eine Normalisierung erkrankter Erythrocyten unter dem Einfluss der Therapie rnit einer gleichzeitigen Normalisierung der Erythrocyten Senkung einhergeht.

Die praktische Bedeutung dieser Erkenntnis besteht darin, dass wir rnit dieser Bestimmung ein Mittel in der Hand haben, gesunde von kranken Erythrocyten

272 F. MLCZOCH, CH. WUNDERLY UND F. WUHRMANN

grob zu trennen, bzw. Blutkrankheiten, bei denen die Erythrocyten direkt mit- beteiligt sind, von solchen zu scheiden, bei denen sie nur sekundar, symptomatiscli betroffcn sind. - Wir sehen dabei, dass eine )>funktionelle Minderwcrtigkeit)) der roten Blutkp., wie sie z.B. durch Hb Mange1 bei einer Blutungsanaemie besteht, keinesfalls Ausdruck einer biologischen Minderwertigkeit sein muss, d.h. der Erythrocyt ist nach einer Blutung gesund, er kann seine Aufgaben nur infolge zu geringer Hb Ladung nicht genugend erfullen. Dementsprechend auch die klinische Erfahrungstatsache der raschen Erholung beim Aufhoren der Ur- sache.

Betrachten wir unter diesern Gesichtspunkt nun die Ergebnisse bei den andern untersuchten Blutkrankheiten, so finden wir:

1. Beim haemolytischen Icferus sind die Erythrocyten i)krank)), wie man dies ja auch sonst angenommen hat. Dass die Veranderungen der Ballungsbereit- schaft nicht sehr hochgradig sind, spricht dafiir, dass diese Minderwcrtigkeit der Erythrocyten nicht im Vordergrund der Erkrankung steht, man ist deshalb geneigt, anzunehnien, dass sie nicht Ursache, sondern Folge der Erkrankung ist.

2. Bei der nachtlichcn Haernoglobinurie, der Anaemic Marchiafava, sind ebenfalls die Erythrocyten an der Erkrankung beteiligt. - Zu der gleichen Schluss- folgerung kam Ham auf Grund ganz anderer uberlegungen.

3. Die Leukaemien und das Myelom fuhren bei chronischem Verlauf zu einer Mitbeteiligung des erythropoetischen Systems und damit der Erythrocyten an der Erkrankung. Dies erscheint bei der engen Nachbarschaft dcr erkrankten Systerne nicht unwahrscheinlich. Die Erfahrungen der Klinik decken sich durchaus mit dieser Vorstellung, da es bci diesen Erkrankungen bei langerem Verlauf regelmassig auch ohne irgendwelchen Blutverlust zu schweren Anaemien komrnl , die in ihrem morphologischen Verhalten ganz verschieden sein konnen.

4. Dass bei dcr Hacmophilie die Erythrocyten selbst erkrankt sind, ist neu, da die bisherigen Untersuchungsrnethoden keine eindeutigen Eefunde fur eine Mit- erkrankung der Erythrocyten ergeben hatten und die fallweise Anaemie leicht als Blutungsfolge aufmfassen war. - Wenn aus den hier entwickelten Gedanken- gangen und der geringen Anzahl der Faille uberhaupt ein Schluss berechtigt ist, so scheint die nicht wesentlich veranderte Agglomerationsbereitschaft der Erythro- cyten auch bei der Haernophilie dafiir zu sprechen, dass die Erythrocyten nur sekundar geschadigt sind, d.h. infolge der i n seinen Ursachen unbekannten Grund- krankheit.

5. Die Polycyfhaemie und die von uns untersuchten 3 FaHe von Haemorrhn- gischer Diafhese stellen nach diesen Untersuchungen Krankheitsbilder dar, bei denen die Erythrocyten nicht rnitbeteiligt sind.

6. Dass die Leber mit ihrem vielfachen Einfluss auf die Erythropoese und auf die Erythrocyten selbst auch die Agglomerationsbereitschaft der roten Bltkp. beeinflussen wurde, stand zu erwarten. Dieser Einfluss aussert sich neben den morphologischen Veranderungen in einer Verkiirmng der Erythrocyten-Senkung.

DIE VERANDERTE AGGLOMERATIONSBEREITSCHAFT ALS AUSDRUCK VON ETC. 273

In Paralelle zu den Blu tkrankheiten ist auch bei verschiedenen Leberkrankheiten eine vermehrte Agglomerationsbereitschaft als Ausdruck einer Schadigung der Erythrocyten aufzufassen. - Dies deckt sich auch mit den Angaben Rosen- bergs, der bei Leberkrankheiten eine wahrscheinlich peripher entstehende Quellung der Erythrocyten fand, zu der spater die Bildung von abnorm grossen Zellen hinzukommt. Als Beweis, dass diese Schadigung eine direkte Folge der Leber- storung ist, fiihrt er an, dass diese Vertinderungen an den Erythrocyten erst 10 Tage nach dem Einsetzen der Leberstorung nachzuweisen sind. Die lebhafte Erythropoese wird als Reaktion auf diese qualitativ minderwertigen Erythro- cyten aufgefasst.

7. Die erhohte SenJcung der Erythrocyten bei manchen Formen von Nieren- krankheiten und vereinzelt bei andern Erkrankungen lassen sich zwanglos eben- falls durch eine Leberstorung erkliiren.

8. Theorie der Agglomeration. Die Ursache der Agglomeratbildung sah man seit Hober in der elektrischen

Ladung der Erythrocyten. Die negativ geladenen rot. Bltkp. sollten durch die Eiweisskorper des Plasmas entladen werden, wodurch die Suspension unstabil wird und die Erythrocyten sich zusammenballen. Man nahm dabei an, dass das Fibrinogen im Blut positiv geladen sei, und erklarte damit auch den uberragenden Einfluss des Fibrinogens auf die Blutsenkung.

Nun hat aber die Untersuchung der Plasmaproteine in der Elektrophorese bei wechselndem pH ergeben, dass alle Plasmaproteine, das Fibrinogen mit ein- geschlossen, im physiologischen pH-Bereich des Blutes negativ aufgeladen sind. Damit ist der Entladungstheorie die Grundlage entzogen, sie hat sich aber ihrer Einfachheit weXen, derart fest in der Vorstellung verankert, dass sie auch heute noch die am meisten angefiihrte Theorie der Agglomeration ist.

Neuere Theorien suchen den Ballungsbereich der Erythrocyten als Folge der chemischen Zusammensetzung der Grenzschicht der roten Blutkorperchen zu erklaren. Die modernen Methoden der Mikrochemie haben nun auch manche Verschiedenheiten der chemischen Zusammensetzung der roten Blutkorperchen bei den einzelnen Blutkrankheiten herausgearbeitet (Lit. bei Nichols und Jayle). Es ware jedoch verfriiht, aus diesen Differenzen einen Zusammenhang mit der Ballungsbereitschaft der Erythrocyten herausmlesen.

Wir mussen uns daher weiterhin mit der allgemeinen Feststellung begniigen, dass die Agglomerationsbereitschaft der Erythrocyten eine biologische Eigen- schaft der roten Blutkorperchen ist, iiber deren Ursache wir noch nichts Sicheres wissen.

Summary. Whereas the great influence of the plasmaproteins on the sedimentation rate

of the red corpuscles has been studied in detail, i t was less well known, how far the aggregating tendency of the red corpuscles contributed to it. In order to gain

273 F. MLCZOCH, C H . W U N D E R L Y U N D F. WUHRMANN

a sedimentation reaction which allows to measure this aggregating tendency, a pectin-solution was evolved which replaces the bloodplasma. This standard pectin solution is isotone, isoviscos and of the same pH as normal bloodplasma. Using this standard solution i t is possible not only to demonstrate an increased fendency for aggregation but also a decreased one.

Over 200 samples of red blood corpuscles of different patients were measured by this method. It was possible to distinguish blood diseases where the red corpuscles were directly contaminated from cases where the change of their properties was only secondary. An increased tendency for aggregation of the red corpuscles was consistently found in cases of certain blood diseases, especially in pernicious anaemia (Biermer) in the so called sdecompensated state)). Thera- peutic proceders normalized this tendency for aggregation which is considered as a ))disease)) of the red corpuscle, sometimes found also in certain liver and kidney diseases.

But generally speaking, the influence of red blood corpuscles on the sedimenta- tion rate is much smaller than the increase of certain plasma protein fractions, like fibrinogen and the various globulinsubfractions.

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