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Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen Recht Leitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen Ingeborg Schmid, Hohe Buche 2, 9055 Bühler AR Diplomarbeit Lehrgang: Rechtsassistent/in HF am ZbW, Zentrum für berufliche Weiterbildung, St. Gallen betreuende Lehrkraft: Thomas Stark zuständiger Experte: Alex Keller

Diplomarbeit€¦ · an Thomas Wüst, Departementssekretär, Departement Inneres und Kultur, Kanton Appenzell Ausserrhoden – er stand mir bei den ersten Anfragen zu diesem Thema

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Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen Recht

Leitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

Ingeborg Schmid, Hohe Buche 2, 9055 Bühler AR

Diplomarbeit

Lehrgang: Rechtsassistent/in HF

am ZbW, Zentrum für berufliche Weiterbildung, St. Gallen

betreuende Lehrkraft: Thomas Stark

zuständiger Experte: Alex Keller

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

Diplomarbeit Rechtsassistent/in HFIngeborg Schmid

I

I. DankUm zum Schluss einer mehrjährigen berufsbegleitenden Weiterbildung eine Diplomarbeit zu

schreiben, sind nebst einem interessanten Thema noch viele andere Verknüpfungspunkte wichtig.

Ich darf auf ein riesiges Netzwerk von unterstützenden Personen zurückblicken. Die grossartigen

Hilfeleistungen waren nicht nur überaus motivierend, so viel Interesse an meiner Arbeit war für

mich überwältigend.

Es ist mir wichtig, ein herzliches Dankeschön speziell an folgende Personen auszusprechen:

an Thomas Stark, unseren Lehrgangsleiter – er hat mich immer wieder motiviert und unter-

stützt, sowie viel Verständnis gezeigt gegenüber meinen Tätigkeiten. Dazu gehört auch die

Ermöglichung, dieses doch nicht ganz einfache Thema bearbeiten zu dürfen.

an Thomas Wüst, Departementssekretär, Departement Inneres und Kultur, Kanton Appenzell

Ausserrhoden – er stand mir bei den ersten Anfragen zu diesem Thema zur Seite und zeigte

mir auf, dass viele Gemeinden in dieser Thematik Fragen haben, aber kaum Antworten erhal-

ten.

an Walter Bischof, Geschäftsleitung der Ostschweizer BVG- und Stiftungsaufsicht – seine Of-

fenheit und vielfältigen Hinweise haben mir viele Türen geöffnet für diese Arbeit, wie auch

seine spontane Bereitschaft für ein Interview.

an Stefanie Feller, Amt für Gemeinden und Raumplanung im Kanton Bern – ihre ausführliche

Rückmeldung auf meinen Fragebogen spornte mich an mit ihr Kontakt aufzunehmen und sie

um ein Interview zu bitten.

an Thomas Frey, Rechtsdienst Kantonskanzlei Appenzell Ausserrhoden – seine Bereitschaft

für ein Interview ermöglichte es mir, in dieser Arbeit die finanziell-rechtliche Seite darzustellen.

an Nadja Greven – stellvertretend für viele Freunde, Bekannte und Mitarbeitende der Ge-

meinde Bühler – innert kürzester Zeit hat sie mir aus Deutschland ein vergriffenes Buch zu

diesem Thema organisiert. Spontane und unkomplizierte Unterstützungen dieser Art durfte ich

aus meinem gesamten Umfeld erfahren.

den vielen Gemeinden und Kantonen, die meinen Fragebogen umgehend und teilweise sehr

umfassend beantwortet haben.

Ein spezieller Dank geht an meine Familie, meinen Ehemann, den Kindern und Enkelkinder, die

in den vergangenen vier Jahren Rücksicht auf meine zeitlichen Ressourcen genommen haben. Oh-

ne diese grossartige Unterstützung und Geduld von ihnen allen hätte ich diese Ausbildung nie ab-

solvieren können.

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

Diplomarbeit Rechtsassistent/in HFIngeborg Schmid

II

II. VorwortIn einer Fachzeitschrift für Gemeinden befand sich im Sommer 2010 ein Flyer zur berufsbeglei-

tenden Weiterbildung dipl. Rechtsassistent/in HF am ZbW, Zentrum für berufliche Weiterbildung,

St. Gallen. Nach Abklärungen mit meiner Familie war für mich klar, den schon lange gehegten

Wunsch einer juristischen Ausbildung umzusetzen.

Im Frühjahr 2004 wurde ich zur Gemeindepräsidentin in Bühler AR gewählt. Zuvor war ich zwei

Jahre im Gemeinderat zuständig für das gesamte Schulwesen. In all diesen Bereichen, aber auch in

früheren Tätigkeiten im schweizerischen Berufsverbandswesen der Bäuerinnen, wurde und werde

ich immer wieder mit rechtlichen Fragen konfrontiert. Oft können diese mit gesundem Menschen-

verstand beantwortet werden, jedoch die rechtliche Herleitung ist in der Regel mangelhaft. In mei-

ner Arbeit in öffentlichen Ämtern stelle ich zunehmend fest, dass Einwohnerinnen und Einwohner

sich bei ihren Anliegen schlanke und kurze Entscheidungswege wünschen. Wird jedoch nicht ge-

mäss Wunsch entschieden, sind rechtlich fundierte Entscheide unabdingbar.

Auf dem politischen Parkett ist man oft geneigt, pragmatische Entscheide zu treffen. Auch ich ge-

höre zu diesen Personen, jedoch zeigt einem die Erfahrung, dass ein rechtliches Grundwissen und

die damit verbundenen Vernetzungen in die verschiedensten Gesetze, bei Entscheidungen sehr

wichtig sind.

Hochmotiviert entschloss ich mich, den Lehrgang zur dipl. Rechtsassistent/in HF im Herbst 2010

zu beginnen, der den Abschluss von zwölf Diplomprüfungen sowie einer Diplomarbeit beinhaltet.

Im Winter 2013 unterbrach ich die Ausbildungszeit, weil ich mich als Regierungsratskandidatin zur

Verfügung stellte. Es war für mich jedoch schon vor der Kandidatur klar, dass wenn ich nicht ge-

wählt werde die Ausbildung wieder fortgesetzt wird. Die vergangenen vier Jahre möchte ich nicht

missen. Ich habe sehr viel gelernt, obwohl die zeitlichen Ressourcen vielfach sehr begrenzt waren,

um den Schulstoff zu vertiefen.

In der Pendenzenliste unserer Gemeindeaufgaben befand sich schon seit Jahren die Aufarbeitung

der zweckgebundenen und nicht zweckgebundenen Fonds und Legate. Ein Thema, zu dem nie-

mand so recht sagen konnte, wie man mit diesem umgeht, und doch merkte man, dass es viele

Gemeinden sehr beschäftigt. Eine solche Thematik vertieft aufzuarbeiten und zu ergründen welche

Möglichkeiten und rechtlichen Spielräume eine Gemeinde hat, um verwaiste Fonds und Legate neu

zu bewirtschaften, bot sich gerade zu an für eine Diplomarbeit.

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

Diplomarbeit Rechtsassistent/in HFIngeborg Schmid

III

III. Inhaltsverzeichnis

I. Dank.......................................................................................................................................................................III. Vorwort .............................................................................................................................................................. IIIII. Inhaltsverzeichnis..............................................................................................................................................IIIIV. Abbildungsverzeichnis ...................................................................................................................................... VV. Abkürzungsverzeichnis ....................................................................................................................................VI1. Einleitung ............................................................................................................................................................. 11.1 Fragestellung........................................................................................................................................................ 1

1.2 Rechtliche Rahmenbedingungen ...................................................................................................................... 2

2. Begriff und Entstehung von unselbständigen Stiftungen............................................................................. 32.1 Begriff der unselbständigen Stiftung................................................................................................................ 3

2.2 Historischer Hintergrund (Mäzenatentum) .................................................................................................... 4

2.3 Errichtung ............................................................................................................................................................ 5

2.3.1 Errichtung von Fonds und Legaten mit gebundenen Zuwendungen aus dem 19. Jh................ 5

2.3.2 Errichtung von selbständigen Stiftungen ............................................................................................ 7

2.3.3 Materielle Voraussetzungen der selbständigen Stiftungen ............................................................... 7

2.3.4 Formelle Voraussetzungen der selbständigen Stiftungen................................................................. 8

3. Erscheinungsformen und Rechtsgrundlagen von unselbständigen Stiftungen......................................... 93.1 Allgemeine Bestimmungen................................................................................................................................ 9

3.2 Arten von Zuwendungen................................................................................................................................... 9

3.2.1 Schenkung ................................................................................................................................................ 9

3.2.2 Vermächtnis ........................................................................................................................................... 10

3.2.3 Stiftung.................................................................................................................................................... 10

3.2.4 Fonds....................................................................................................................................................... 11

3.2.5 Zweckgebundene Zuwendungen........................................................................................................ 12

3.3 Bestimmungen in einzelnen Kantonen ......................................................................................................... 13

3.3.1 St. Gallen ................................................................................................................................................ 13

3.3.2 Schaffhausen .......................................................................................................................................... 13

3.3.3 Solothurn ................................................................................................................................................ 13

3.3.4 Bern ......................................................................................................................................................... 13

Fazit: .................................................................................................................................................................. 14

4. Abgrenzung von selbständigen Stiftungen zu unselbständigen Stiftungen ............................................. 154.1 Stiftungsarten..................................................................................................................................................... 15

4.2 Abgrenzung zur unselbständigen Stiftung .................................................................................................... 15

4.2.1 Exkurs öffentlich-rechtliche Stiftungen............................................................................................. 16

4.3 Analoge Anwendung des Stiftungsrechtes bei unselbständigen Stiftungen ............................................ 18

4.3.1 Zweckänderungen privatrechtlicher Stiftungen ............................................................................... 18

4.3.2 Zweckänderungen selbständiger Stiftungen ..................................................................................... 18

4.3.3 Überlegungen zur analogen Anwendung des Stiftungsrechts........................................................ 19

4.3.4 Anhörung und Zuständigkeit bei Zweckänderungen..................................................................... 20

Fazit: .................................................................................................................................................................. 21

5. Aufsichtsbehörden............................................................................................................................................ 225.1 Aufsicht privatrechtliche Stiftungen .............................................................................................................. 22

5.2 Aufsicht unselbständige Stiftungen................................................................................................................ 23

Fazit: .................................................................................................................................................................. 24

6. Vorgehen / Instanzenzug................................................................................................................................ 256.1 Auswertung Fragebogen Gemeinden ............................................................................................................ 25

6.2 Auswertung Fragebogen Kantone ................................................................................................................. 26

6.3 Interviews ........................................................................................................................................................... 28

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IV

6.3.1 Interview Thomas Frey, Leiter Rechtsdienst, Kanton AR............................................................. 28

6.3.2 Interview Walter Bischof, Geschäftsleitung der Ostschweizer BVG- und Stiftungsaufsicht... 29

6.3.3 Interview Stefanie Feller, Amt für Gemeinden und Raumplanung im, Kanton BE.................. 32

6.4 Instanzenzug im öffentlichen Recht .............................................................................................................. 35

7. Beurteilung von Möglichkeiten zu Zweckänderungen / Auflösungen................................................... 367.1 Grundsatzfragen................................................................................................................................................ 37

7.1.1 Fonds, Legate und gebundene Zuwendungen ................................................................................. 37

7.1.2 Fragestellungen...................................................................................................................................... 37

7.2 Vertrauensprinzip.............................................................................................................................................. 38

7.3 Verhältnismässigkeit ......................................................................................................................................... 39

7.3.1 Eignung der Massnahme...................................................................................................................... 39

7.3.2 Erforderlichkeit der Massnahme ........................................................................................................ 40

7.3.3 Verhältnismässigkeit von Zweck und Wirkung der Massnahme ................................................. 42

8. Beispiel Leitfaden.............................................................................................................................................. 458.1 Grundsatzfragen................................................................................................................................................ 45

8.2 Fragen zu Fonds, Legaten oder zweckgebundenen Zuwendungen ........................................................ 46

8.3 Vorgehen zur Zweckänderung ....................................................................................................................... 47

8.4 Genehmigung der Zweckänderung................................................................................................................ 49

8.5 Vorgehen zur Auflösung.................................................................................................................................. 49

8.6. Beispiel Reglement............................................................................................................................................ 50

9. Zusammenfassung / Ausblick ........................................................................................................................ 51VI. Literaturverzeichnis ........................................................................................................................................VIIVII. Weitere Quellen...............................................................................................................................................VIIVIII. Anhänge / Beilagen..................................................................................................................................... VIIIa) Laupenstiftung für bernische Wehrmänner..................................................................................................IX

b) Beispiele Fragebogen Gemeinden................................................................................................................... X

c) Beispiele Fragebogen Kantone ................................................................................................................... XVI

IX. Eidesstattliche Erklärung.......................................................................................................................... XXIV

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V

IV. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Ausschnitt aus einem Gemeinderatsprotokoll der Gemeinde Bühler AR zu den

vorhanden Fonds mit gebundenen Zuwendungen

Abbildung 2: Stiftungsarten

Abbildung 3: Zeitungsausschnitt Ostschweiz am Sonntag, 14. September 2014, zum Ver-

mächtnis in der Gemeinde Mörschwil

Abbildung 4: Auswertung Fragebogen Gemeinden

Abbildung 5: Auswertung Zweckänderungen aus dem Fragebogen der Gemeinden

Abbildung 6: Auswertung Fragebogen Kantone

Abbildung 7: Zeitungsausschnitt Ostschweiz am Sonntag, 3. August 2014, zum Vermächtnis

in der Gemeinde Münchwilen

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VI

V. Abkürzungsverzeichnis

a.a.O. am angegebenen Ort

Abs. Absatz

AR Appenzell Ausserrhoden

Art. Artikel

bzw. beziehungsweise

Chr. Christus

d.h. das heisst

etc. et cetera (und so weiter)

f. folgende Seite

ff. folgende Seiten

gem. gemäss

i.d.R. in der Regel

i.S.v. im Sinne von

i.V.m. in Verbindung mit

HR Handelsregister

HRegV Handelsregisterverordnung

h.L. nach herrschender Lehre

HF Höhere Fachschule

Jh. Jahrhundert

Kt. Kanton

M. Mäzenatentum

m.E. meines Erachtens

OR Obligationenrecht

resp. respektive

SG St. Gallen

SO Solothurn

sog. sogenannt

u.a. unter anderem

u.dgl. und dergleichen

usw. und so weiter

v. vor

vgl. vergleiche

VRP Verwaltungsrechtspflege

VRPG Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege

z.B. zum Beispiel

ZbW Zentrum für berufliche Weiterbildung

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VII

Ziff. Ziffer

ZGB Zivilgesetzbuch

ZH Zürich

§ Paragraph

Das in dieser Diplomarbeit verwendete Geschlecht hat bei der Bezeichnung von Personen

keine Bedeutung. Männliche Personen sind bei der weiblichen Form mitgemeint und umge-

kehrt.

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1

1. Einleitung

1.1 FragestellungIn vielen Gemeinden aber auch Kantonen werden Gelder von Fonds und Legaten verwaltet

aus privaten Zuwendungen. Es handelt sich dabei meist um Sondervermögen ohne eigene

Rechtspersönlichkeit. Weil die Rechtspersönlichkeit fehlt, werden diese Gebilde in der Regel

als unselbständige Stiftungen bezeichnet.

Diese verfolgen, ähnlich wie die selbständigen, privaten Stiftungen gem. Art. 80ff. ZGB den

Zweck einer dauerhaften Bindung eines Vermögens zu einem besonderen Zweck. Aufgrund

dessen, dass die unselbständigen Stiftungen keine eigene Rechtspersönlichkeit haben, sind sie

meistens an eine juristische Person der öffentlichen Hand angegliedert, wie Bund, Kantone

oder Gemeinden. Jedoch ist eine Angliederung an private Organisationen und Institutionen

nicht ausgeschlossen.

Schenkungen mit zweckgebundenen Auflagen haben eine jahrhunderte lange Tradition. Im

frühen Mittelalter waren es die Klöster, denen nicht nur Grund und Boden geschenkt wurde,

sondern auch sehr viele Vermächtnisse. In den Händen der Klöster lagen über lange Zeit die

Bildung in Sprachen, Mathematik, Geschichte, Forschung usw. Dadurch erhielten sie vielfach

Geldbeträge für die Ausbildung von jungen Leuten.

Im Kanton Appenzell Ausserrhoden (AR) gehen viele Schenkungen auf die Fabrikantenzeit

zurück, d.h. also auf die Zeit der Industrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Fabri-

kanten waren einflussreiche Leute, die sich vielfach einerseits ein Denkmal setzen wollten, an-

derseits wollten sie für die Allgemeinheit Gelder zu einem bestimmten Zweck einsetzen, wie

z.B. für die Bildung, für Waisenkinder oder die ärmsten Personen in einem Dorf. Es gibt aber

auch heute immer wieder Personen, die den Gemeinden Gelder schenken für bestimmte

Zwecke oder zur freien Verfügung.

Probleme bei solchen Fonds und Legaten mit gebundenen Zuwendungen, stellen sich spätes-

tens dann, wenn die definierten Zwecke nicht mehr erfüllt werden können. So sind Vorgaben

zur Verwendung der Gelder in der heutigen Zeit nicht mehr umsetzbar, weil sie in der heuti-

gen Gesellschaft gar nicht mehr existieren.

Die Gemeinden verwalten solche Gelder in ihren Rechnungen als Sondervermögen. Wenn sie

infolge Wegfalls des bestimmten Zwecks nicht mehr eingesetzt werden können, bleiben die

Gelder liegen und werden sozusagen Jahr für Jahr in den Büchern nachgeführt. Dies ist defini-

tiv nicht im Sinne des Schenkers.

Auch wenn längst nicht in allen Gemeinden solche unselbständigen Stiftungen zu verwalten

sind, stellen sich ganz besonders bei denjenigen grundlegende Fragen, die unantastbares Ver-

mögen verwalten oder sich mit Gemeindefusionen beschäftigen. Wahrscheinlich werden künf-

tig besonders bei Gemeindefusionen Fragestellungen auftauchen, wie mit unselbständigen

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

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Stiftungen in einer neu formierten Gemeinde umzugehen ist, wenn solche Gelder schon in der

bisherigen Gemeinde gemäss Zweckbestimmung kaum verwendet werden konnten.

Die Diplomarbeit setzt sich auseinander mit Grundlagen für mögliche Zweckänderungen und

Auflösungen von gebundenen Zuwendungen im öffentlichen Recht.

1.2 Rechtliche RahmenbedingungenDie rechtlichen Rahmenbedingungen für unselbständige Stiftungen unterscheiden sich von

denen der selbständigen Stiftungen. Für die Zuwendungen in der Art von Fonds, Legaten und

gebundenen Zuwendungen mit öffentlichem Rechtsträger fehlen in der Gesetzgebung konkre-

te Regelungen. Jedoch wird in der Praxis das Stiftungsrecht gemäss ZGB bei bestimmten Fra-

gestellungen, meistens sinngemäss angewendet.

Bei der Gründung einer rechtsfähigen Stiftung entsteht diese als ein neues selbständiges

Rechtssubjekt. Anders wird die unselbständige Stiftung dadurch errichtet, indem der Stifter

einem bereits bestehenden Rechtsträger Vermögenswerte mit der Verpflichtung überträgt, die-

se dauerhaft zur Verfolgung eines bestimmten Zweckes zu verwenden.1

Mit dieser Diplomarbeit soll aufgezeigt werden, welchen rechtlichen Bestimmungen die ge-

bundenen Zuwendungen aus Fonds und Legaten unterstehen, resp. analog angewendet wer-

den sollen. Wenn als Rechtsträger die öffentliche Hand (Gemeinde, Kanton, Bund) gewählt

wird, soll auch aufgezeigt werden, ob allenfalls auch Überlegungen mit einzubeziehen sind, zu

den Grundsätzen des staatliche Handelns, gemäss Art. 5 und Art. 9 Bundesverfassung (BV).

1 Rainer Herzog, Die unselbständige Stiftung des bürgerlichen Rechts, Nomos-Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2006, S. 18

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2. Begriff und Entstehung von unselbständigenStiftungen

2.1 Begriff der unselbständigen StiftungEs gibt Erscheinungen, die den selbständigen privatrechtlichen Stiftungen in bestimmter Hin-

sicht sehr ähnlich sind, sich aber von diesen durch die fehlende eigene Rechtspersönlichkeit

unterscheiden. Diese Sondervermögen, die rechtsgeschichtlich älter als die selbständigen Stif-

tungen sind, werden vielfach „unselbständige Stiftungen“, nicht selten aber auch „fiduziarische

Stiftungen“ genannt. ZGB und OR kennen „unselbständige Stiftungen“ oder „fiduziarische

Stiftungen“ weder dem Worte noch dem Begriffe nach. Dies weder im Sinne als eigenes

Rechtsinstitut noch als andere Rechtsgeschäfte, die bei der Erfüllung entsprechender Voraus-

setzungen in beschränktem Umfang einer besonderen, einheitlichen Regelung unterworfen

wären. Es wäre somit möglich, jede Art von Sondervermögen, ungeachtet ihres Entstehungs-

grundes und ihrer Trägerperson, als unselbständige Stiftung zu bezeichnen, darunter fallen

z.B. die durch Gesetz (in materiellem Sinne) aus dem allgemeinen Staatsvermögen ausgeschie-

denen und für einen besonderen Zweck bestimmten Vermögenswerte, wie z.B. die durch

Grossratsbeschluss vom 24.6.1939 geschaffene „Laupenstiftung für bernische Wehrmänner“

(vgl. Anhang Nr. 1), die offenbar keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt. In dieser Weise

entstandene Sondervermögen der öffentlichen Hand werden gelegentlich auch „unselbständi-

ge öffentliche Vermögen“ genannt. Relativ häufig gibt es Sondervermögen, aus Zuwendungen

von Privatpersonen, die ausgeschieden werden für besondere Zwecke z.B. als Grabunterhalts-

fonds.

Als unselbständige Stiftungen sind gebundene Zuwendungen zu verstehen, die keine eigene

Rechtspersönlichkeit haben. Das Vermögen wurde jedoch einem Vermögensträger belastet,

wie z.B. einer Gemeinde. Besondere Merkmale von solchem Vermögen sind, dass sie un-

kündbar und nach dem Tode des Bestimmenden auch mit vertraglicher Übereinkunft nicht

abänderbar sind. In diesem Sinne hat eine unselbständige Stiftung durchaus Ähnlichkeiten mit

einer selbständigen Stiftung, jedoch mit einer fehlenden eigenen Rechtspersönlichkeit.

Gemäss den Ausführungen von M. Riemer im Berner Kommentar, soll die Allerweltsbezeich-

nung „unselbständige Stiftung“ für Sondervermögen ohne eigene Rechtspersönlichkeit nicht

angewendet werden, wenn eine analoge Anwendung vom Stiftungsrecht nicht in Betracht fällt,

da dies sinnlos oder gar irreführend ist.2

2 Michael Riemer, Die Stiftungen, Systematischer Teil, 3. A., Bd.1/3/3, Stämpfli Verlag 1981, N 418

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2.2 Historischer Hintergrund (Mäzenatentum)„Abgeleitet vom Namen des röm. Adligen Gaius Maecenas (um 70 - 8 v. Chr.), der Schriftstellern durch ma-

terielle Unterstützung ein freies künstlerisches Schaffen ermöglichte, steht Mäzenatentum (M.) als Bezeichnung

für eine meist finanzielle Förderung im kulturellen Bereich ohne direkte Gegenleistung. Es erstreckt sich auf

die Künste, die Wissenschaften, den Sport und die Volksunterhaltung. Vom religiös motivierten Stiftertum,

das bis weit in die frühe Neuzeit die künstlerisch-kulturelle Entwicklung in der Schweiz prägte, unterscheidet

sich das M. durch seinen profanen Charakter. Problematisch hingegen ist eine klare Trennung zwischen M.

und der weltlichen Auftragskunst (Kunstpatronage) sowie der Sammeltätigkeit. Die Vergabe von Aufträgen,

etwa in der Architektur oder der Malerei, kann auch zur Förderung von Künstlern und im Idealfall auch zu

einer kulturellen Bereicherung der Öffentlichkeit führen. Sie ist aber nur dann als M. zu bezeichnen, wenn

Auftraggeber und Sammler ihre Museumsstiftungen und Sammlungen ohne direkte Gegenleistung der Allge-

meinheit zur Verfügung stellen. Terminologisch schwierig einzuordnen ist auch das institutionalisierte M., bei

dem Gesellschaften, Vereine sowie öffentlich-rechtliche und private Stiftungen durch finanzielle Zuwendungen

(Stipendien, Werkbeiträge) kulturelles Schaffen ermöglichen oder für das kulturelle Gemeinwohl dienliche An-

käufe und Schenkungen tätigen (Kulturstiftungen, Kunstpreise, Kunstvereine, Pro Helvetia, Schweizerischer

Nationalfonds). Hier lässt sich M. nicht immer klar von der zweckorientierten staatlichen Kulturpolitik oder

vom privatwirtschaftlichen Sponsoring abgrenzen. Letzteres unterscheidet sich vom M. dadurch, dass mit dem

Engagement ein vertraglich abgesicherter geschäftlicher Nutzen (z.B. Namensverwendung, Werbeauftritt) ver-

bunden ist.“ 3

3 Historisches Lexikon der Schweiz, Stiftung, B12, HSchwabe Verlag 2013(einsehbar unter http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D10992.php)

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2.3 Errichtung

2.3.1 Errichtung von Fonds und Legaten mit gebundenenZuwendungen aus dem 19. Jh.

In den meisten Fällen wird in einem Testament von einer Person ein bestimmter Vermögens-

teil als Legat an die Öffentlichkeit bestimmt. Noch heute gibt es in Gemeinden wie auch Kan-

tonen solche Legate oder Fonds mit gebundenen Zuwendungen. Dies war vor der Entstehung

des ZGB eine verbreitete Form um Vermögen auf Dauer anzulegen. Die Wahl Vermögen als

Fonds oder Legat einem Gemeinwesen zu Gunsten der Allgemeinheit zu vermachen war und

ist eine einfache und nachhaltige Vermögensverwendung im Sinne des Stifters. Besonders bei

kleineren Vermögensübertragungen, die für die Errichtung einer Stiftung mit eigener Rechts-

persönlichkeit kaum zweckmässig wären.

Die Zweckbestimmungen wurden vielfach für soziale Aufgaben definiert, dies aufgrund der

gesellschaftlichen Verhältnisse, zu der Zeit als die Legate errichtet wurden. Im neunzehnten

wie auch anfangs des zwanzigsten Jahrhunderts war es nicht selbstverständlich, dass junge

Leute eine Ausbildung geniessen konnten, oder dass sozial Bedürftige eine staatliche Unter-

stützung erhielten.

Beispiel 1: Testament Gottfried Keller

In seinem Testament bestimmt der Schriftsteller Gottfried Keller den Zürcher Hochschul-

fonds zum „Universal Erben meiner gesammten Hinterlassenschaft, bestehe solche in was nur immer, inbe-

griffen namentlich die aus dem Verlagsrechte meiner litterarischen Werke herfliessenden Einkünfte“, unter an-

derem bestand auch die Auflage, nach Auszahlung einiger kleinerer Legate, die Hälfte des Reinvermögens an

die Winkelriedstiftung (zur Fürsorge für Armeeangehörige) zu übergeben und seine Bibliothek (nebst Ehren-

medaillen und -geschenken) der Stadt Zürich zukommen zu lassen. „Keine schönere, keine hochherzigere, keine

würdigere Verwendung dessen, was seine Geistesgaben ihm an materiellen Gütern einbrachten, hätte Keller vor-

sehen können.“ So kommentierte der Zürcher Rechtsprofessor Gottfried Weiss in einem Vortrag im Jahr

1955. Die Verfügungen werden von Keller selbst aber nicht als Gabe, sondern als Gegengabe gegenüber der

Öffentlichkeit deklariert: sowohl für nicht erbrachte Militärpflichten als auch für einst erhaltene kantonale Sti-

pendien. Denn die Verfügung zugunsten des Winkelriedfonds erfolgt, so Keller in seinem Testament, da „ich

zu meiner Zeit nie Gelegenheit (hatte), meinem Vaterlande gegenüber die Pflichten als Soldat abzutragen.“4

4 Ulrike Vedder, Schwierige Erbschaften – Zur Kultur und Literaturgeschichte in: successio 3/2013, S. 255ff

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6

Beispiel 2: Hilfsfonds für Lehrlinge

„Vermächtnis des Julius Sutter, geb. 1826, gest. 1875, Sohn des Landesfähnrich Joh. Ulrich Sutter. Aus der

Erbschaftsteilung vom 1. Juli 1875: Fr. 4’000.- Vermächtnis als Grundlage eines Fonds behufs Unterstüt-

zung armer, fähiger, junger Knaben (ohne Unterschied des Bürgerrechts) zu besseren Ausbildung und Erlernen

eines Berufs.“

Anmerkung: Dieses Vermächtnis ist seit 1875 in der Bilanz der Gemeinderechnung Bühler

aufgeführt. Bis 1877 unter der Bezeichnung „Julius Sutter’sches Legat“ nachher unter der

eigentlichen Zweckbestimmung. Der Vermögensbestand beträgt Fr. 14'900.-, der Zins von

Fr. 521.50 (3.5%) wird jährlich der Oberstufenschule gutgeschrieben.5

Abbildung 1

5 Fonds – Unterlagen, Jahresrechnung 2013, Gemeinde Bühler

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7

2.3.2 Errichtung von selbständigen Stiftungen

Zur Errichtung einer Stiftung nach schweizerischem Recht bedarf es der Widmung eines

Vermögens für einen besonderen Zweck. Bei der Wahl des Zweckes ist der Stifter grundsätz-

lich frei. Der Zweck darf jedoch nicht widerrechtlich oder unsittlich oder unmöglich sein gem.

Art. 88 ZGB.

Der Errichtungsakt ist ein einseitiges Rechtsgeschäft; es bedarf hierzu keiner Mitwirkung Drit-

ter, wie z.B. bei der Gründung eines Vereins oder einer Gesellschaft. Die Errichtung einer

Stiftung kann durch eine Person alleine wie auch durch mehrere Personen zusammen erfol-

gen.6

Die Stiftung kann als Rechtsgeschäft zu Lebzeiten oder als Verfügung von Todes wegen mit-

tels eigenhändiger oder öffentlicher letztwilliger Verfügung bzw. Erbvertrag errichtet werden.

Wird die Stiftung als Rechtsgeschäft unter Lebenden errichtet, so bedarf die entsprechende

Erklärung der öffentlichen Beurkundung, d.h. eine Errichtungsurkunde im Sinne eines Ver-

pflichtungsgeschäftes.7

Ausser bei Familienstiftungen und kirchlichen Stiftungen sind sämtliche Mitglieder des Stif-

tungsrates, sowie die Revisionsstelle ins Handelsregister einzutragen gem. Art. 95 HRegV.

2.3.3 Materielle Voraussetzungen der selbständigen Stiftungen

Zur Errichtung der Stiftung muss aus der betreffenden Erklärung folgender Inhalt

hervorgehen:

Wille, eine selbständige Stiftung zu gründen

die Bezeichnung (Name) des Vermögens, das der Stiftung gewidmet wird

die Umschreibung des Stiftungszwecks

Es wird empfohlen, die Grundzüge der Organisation (Bestellung und Befugnisse der Organe)

zu regeln. Eine Stiftungsurkunde ist zwingend notwendig. Ein Reglement hingegen ist zur gül-

tigen Errichtung der Stiftung nicht zwingend erforderlich jedoch empfehlenswert.8

Bei der Errichtung muss als Stiftungsvermögen ein angemessner Wert ausgeschieden und

übertragen werden (Empfehlung Bundesaufsicht mindestens Fr. 50'000.-, Ostschweizer Stif-

tungsaufsicht Fr. 10'000.-). Die Angemessenheit der zur Verfügung gestellten Mittel beurteilt

sich nach dem Zweck der Stiftung, denn zwischen dem Vermögen und dem Stiftungszweck

muss ein vernünftiges Verhältnis bestehen.9 Ist das Anfangsvermögen zu niedrig, um den

Zweck realistisch verfolgen zu können, muss die Aufsichtsbehörde einschreiten gem.

Art. 83d ZGB.

6 Michael Riemer, Die Stiftungen, Zweiter Teil:Kommentar zu Art. 80 bis 89a ZGB, N 3-57 Michael Riemer, Kommentar, N 10-158 Michael Riemer, Kommentar, N 199 Tuor, Schnyder, Rumo-Jungo, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 13A, Die Stiftung, N 4 zu § 17

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

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8

Nur wenn das ausgeschiedene Vermögen auch rechtlich verselbständigt, d.h. mit einer eigen-

ständigen Organisation versehen wurde, kann materiell auch eine privatrechtlich selbständige

Stiftung mit eigener Rechtspersönlichkeit vorliegen. Eine blosse gebundene Zuwendung von

Vermögenswerten von einer an eine andere Person reicht dagegen für die Gründung einer

Stiftung nicht aus und wird mangels eigener Rechtspersönlichkeit als unselbständige Stiftung

bezeichnet, im Sinne eines Fonds oder Legates.

2.3.4 Formelle Voraussetzungen der selbständigen Stiftungen

Die Errichtung einer Stiftung erfolgt gem. Art. 81 Abs. 1 ZGB in Form einer öffentlichen Ur-

kunde oder durch letztwillige Verfügung. Es muss sich dabei nach h.L. immer um ein einseiti-

ges Rechtsgeschäft handeln.

Die Stiftungsurkunde wird nach dem (mutmasslichen) Willen des Stifters ausgelegt. Es besteht

diesbezüglich eine Analogie zu den Verfügungen von Todes wegen, im Gegensatz zur Ausle-

gung von Verträgen deren Zustandekommen auf einem zweiseitigen Rechtsgeschäft beruhen.

Zur Gründung der Stiftung ist letztlich der Eintrag ins Handelsregister notwendig, mit Aus-

nahmen der Familienstiftungen und der kirchlichen Stiftungen. Der Eintrag hat konstitutive

Wirkung, d.h. die Stiftung erlangt die Rechtspersönlichkeit erst mit dem Eintrag ins Handels-

register.

Zum vornherein erlangt die Stiftung keine Rechtspersönlichkeit, wenn sie einen unsittlichen

oder widerrechtlichen Zweck verfolgt gem. Art. 52 Abs. 3 ZGB.

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9

3. Erscheinungsformen und Rechtsgrundlagenvon unselbständigen Stiftungen

3.1 Allgemeine BestimmungenWird ein Vermögen einem bestimmten Zweck gewidmet und eine eigene Rechtspersönlichkeit

gegründet, spricht man von einer privatrechtlichen Stiftung. Massgebliche Quellen und Richt-

linien für die Tätigkeit jeder privatrechtlichen Stiftung sind die gesetzlichen Bestimmungen

von Art. 80 bis 89a ZGB. Der Grundsatz zur Erlangung der Persönlichkeit ist im Art. 52 ZGB

geregelt mit dem Verweis zum Eintrag in das Handelsregister.10 In Art. 94 bis 97 der Handels-

registerverordnung wird das zwingende Stiftungsrecht geregelt. Die Tätigkeit der Stiftung rich-

tet sich nach dem Inhalt der Stiftungsurkunde. Zudem gibt es häufig Stiftungsreglemente, die

zusätzliche Regeln enthalten, welche nicht zwingend in Form der Stiftungsurkunde aufgestellt

sein müssen. Die Stiftungsurkunde beziehungsweise ein beglaubigter Auszug aus der Verfü-

gung von Todes wegen müssen als Belege für die Anmeldung zur Eintragung ins Handelsre-

gister beigelegt werden gem. Art. 94 Abs. 1a HRegV.11

Bei unselbständigen Stiftungen gibt es unterschiedliche Möglichkeiten zur stiftungsmässigen

Vermögensbindung. Sie kann durch ein privatrechtliches Rechtsgeschäft mit einer enthaltenen

Auflage herbeigeführt werden. Der Empfänger, vielfach eine Rechtsinstitut der Öffentlichkeit

oder eine juristische Person, wird verpflichtet das Vermögen oder dessen Ertrag für eine be-

stimmten Zweck zu verwenden.12

3.2 Arten von Zuwendungen

3.2.1 Schenkung

Eine Schenkung ist ein Vertrag, mit dem sich der Schenkende verpflichtet, dem oder der Be-

schenkten ohne entsprechende Gegenleistung sofort oder künftig eine Leistung aus seinem

Vermögen zu erbringen gem. Art. 239 OR.

Obwohl eine Schenkung ein einseitig verpflichtender Vertrag ist, kann sie durch gegenseitige

übereinstimmende Willenserklärung begründet werden. Auf Seiten des Schenkers ist die

Schenkungsabsicht begriffswesentlich.

Als gemischte Schenkungen bezeichnet man Schenkungen mit Auflagen. Unter einer Auflage

ist die Verpflichtung der Beschenkten zu einer Leistung an den Beschenkten oder an Dritte zu

verstehen gem. Art. 245 OR.

10 Tuor, Schnyder, Rumo-Jungo, N 2 zu § 1711 Tuor, Schnyder, Rumo-Jungo, a.a.O. N 7 zu § 1712 Michael Riemer, Systematischer Teil, N 419

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10

3.2.2 Vermächtnis

Mit einem Vermächtnis, auch Legat genannt, wendet der Erblasser eine ganz bestimmte Sache

oder einen genau bezifferten Vermögenswert einer bestimmten (natürlichen oder juristischen)

Person zu vgl. Art. 484 ZGB.

Die Ausrichtung eines Vermächtnisses eignet sich vor allem für Zuwendungen an Personen

oder Institutionen, denen der Erblasser eine bestimmte Sache oder eine bestimmte Summe

überlassen will, ohne diese als Erben einzusetzen.

3.2.3 Stiftung

Stiftungen sind einzig auf die Verwaltung eines Vermögens nach Massgabe eines ursprünglich

bestimmten Zwecks ausgerichtet gem. Art. 80 und 81 ZGB. Sobald einmal nach dem Willen

des Stifters eine Stiftung errichtet und ein Vermögen auf diese Weise rechtlich verselbständigt

wurde, bleibt die Stiftung dem Willen der Beteiligten grundsätzlich entzogen. Der Zweck

bleibt somit im Prinzip unveränderlich. Im Gegensatz zu den Körperschaften gibt es aus die-

sem Grund bei der Stiftung auch keine willensbildenden Organe sondern nur Verwalter und

Destinatäre, die einzig und allein den einmal festgelegten Zweck zu erfüllen haben und dabei

aber keinerlei Einfluss auf die Errichtung, Änderung oder Aufhebung der Stiftung haben gem.

Art. 84 Abs. 2 ZGB.

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

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11

3.2.4 Fonds

Im Handbuch für das Rechnungswesen der zürcherischen Gemeinden wird die Fonds-

Bewirtschaftung wie folgt beschrieben:

Die Bedeutung der Fondswirtschaft kann aus heutiger Sicht nur historisch erklärt werden. In

früheren Zeiten mussten infolge Fehlens eines leistungsfähigen Kapitalmarktes die Gelder für

bestimmte Projekte angehäuft werden. Somit stellten sie Reserven dar und waren an einen be-

stimmten Zweck gebunden. Die Geldmittel waren tresoriemässig gesehen tatsächlich vorhan-

den.

Demgegenüber muss festgehalten werden, dass in der heutigen Zeit die Fondsmittel i.d.R.

noch in einem Guthaben gegenüber der Gemeinde ausgewiesen werden. Zu diesen eigentli-

chen Reserven der Gemeinde kommen noch diejenigen Gelder dazu, welche die Gemeinde

für einen bestimmten Zweck von Dritten erhalten hat.

Zu unterscheiden sind Reservefonds, im Sinne von Spezialfonds der Gemeinde und Zuwen-

dungen Dritter, im Sinne von Schenkungen bzw. letztwilliger Zuwendungen.

Spezialfonds dienten in erster Linie wie die Mittel der Gemeinde selber der Finanzierung öf-

fentlicher Aufgaben. Diese Fonds wurden durch Beschluss der Legislative errichtet und aus

allgemeinen öffentlichen Mitteln geäufnet – i.d.R. aus Rechnungsüberschüssen.13

13 vgl. Rechnungswesen der zürcherischen Gemeinden/Allgemeines über die bisherigen Fonds, Kapitel 16.1

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12

3.2.5 Zweckgebundene Zuwendungen

Fonds und Legate mit gebundener Zweckverwendung, sind im eigentlichen Sinne keine un-

selbständigen Stiftungen. Sie werden jedoch im allgemeinen Volksgebrauch darunter subsu-

miert.

Diese zweckgebundenen Zuwendungen unterstehen nicht den Regeln von Art. 80ff. ZGB

sondern sind dem öffentlichen Recht vorbehalten gem. Art. 59 ZGB. Da die Vermögensver-

waltung dem Rechtsträger des Gemeinwesens (Gemeinde, Kanton, Bund) übertragen wurde.

Der Kanton Zürich erläutert im Handbuch des Rechnungswesens für die Gemeinden gebun-

dene wie folgt:

„Zweckgebundene Schenkungen, Vermächtnisse und Erbschaften, dienen vorwiegend der Förderung öffentli-

cher, gelegentlich auch privater Zwecke, werden durch privaten Willensakt errichtet, durch private Vermögens-

zuwendungen geäufnet und zielen mehrheitlich darauf ab, einen für die Zweckerfüllung notwendigen Kapitaler-

trag zu erzielen.

Gemäss § 129 Gemeindegesetz (ZH) sind Schenkungen und letztwillige Zuwendungen mit bestimmter

Zweckbindung gesondert zu verwalten.

Weist das Konto der zweckgebundenen Zuwendung ein Guthaben gegenüber der Gemeinde aus, ist das Kapital

zu verzinsen. Können zweckgebundene Zuwendungen wegen ihres niedrigen Kapitals oder aufgrund unzeitge-

mässer Bestimmungen ihren Zweck nicht oder nicht mehr erfüllen, kann die Gemeindevorsteherschaft die

Zweckbestimmung aufheben oder ändern. Verwaltet eine Gemeinde mehrere kleine Sondervermögen mit gleicher

oder ähnlicher Zweckbestimmung, so können diese im Interesse einer einfacheren Verwaltung und einer wirk-

sameren Verwendung der Mittel unter Anpassung des Zwecks zusammengelegt werden. Es ist immer eine Lö-

sung anzustreben, die der ursprünglichen Zweckbestimmung möglichst nahe steht. Zweckgebundene Zuwendun-

gen dürfen vollumfänglich für den vorgesehenen Zweck verbraucht werden, wenn der Spender nicht ausdrücklich

Gegenteiliges angeordnet hat. Auch wenn der Spender die zweckgebundenen Ausgaben auf den Kapitalertrag

beschränkt hat, kann das Kapital verwendet werden, sofern der Betrag so gering ist, dass dessen bescheidene

Erträgnisse keine wirksame Zweckverfolgung erlauben.“14

14 vgl. Rechnungswesen der zürcherischen Gemeinden, a.a.O.

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

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13

3.3 Bestimmungen in einzelnen KantonenNachfolgend werden aus einzelnen Kantonen entsprechende Gesetzesbestimmungen zu ge-

bundenen Zuwendungen beispielhalber aufgeführt.

3.3.1 St. GallenVerordnung über den Finanzhaushalt der Gemeinden FHGV SGS 151.53

Zuwendungen Privater Art. 211 Zweckgebundene Zuwendungen Privater dürfen nur in sachgemässer Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften über die

Stiftungen anders verwendet werden.

3.3.2 SchaffhausenGemeindegesetz Kanton Schaffhausen GG / SHR 120.100

Selbständige Sonderrechnungen Art. 771 Verwaltet eine Gemeinde Mittel im Interesse Dritter, kann sie dafür eine Einrichtung mit selbständiger Sonderrechnung bilden.2 Gemeindeeigene Bankinstitute führen ihre Geschäfte als selbständige Anstalt.

Zweckgebundene Zuwendungen Art. 781 Die Gemeinde verwaltet Schenkungen und letztwillige Zuwendungen mit bestimmter Zweckbindung gesondert.2 Auf Antrag des Gemeinderates hebt das für Gemeindeangelegenheiten zuständige Departement die Zweckbindung auf oder

ändert sie, wenn sie unzeitgemäss oder unwirksam geworden ist.

3.3.3 SolothurnGemeindegesetz Kanton Solothurn bgs.so.ch 131.1

Zweckentfremdung Art. 21 Sind finanzielle Mittel gesetzlich zweckgebunden oder wurden sie von Dritten gewidmet, sind Gemeindebeschlüsse vom

Departement zu genehmigen, wenn sie vorsehen:a die Erträge zu anderen Zwecken zu verwenden;b das Vermögen nicht bestimmungsgemäss zu vermindern;c den Zweck zu ändern.

2 Zuwendungen in zivilrechtlicher Form dürfen zudem nur nach den zivilrechtlichen Vorschriften zu anderen Zweckenverwendet werden.

3.3.4 BernGemeindeverordnung Kanton Bern GV / BSG 170.111

Erfolgsrechnung Art. 781 Die Erfolgsrechnung enthält die Ausgaben für den Wertverzehr (Aufwand) und die damit zusammenhängenden Einnahmen

(Ertrag).2 Sie weist auf der ersten Stufe das operative und auf der zweiten Stufe das ausserordentliche Ergebnis je mit dem Aufwand-

oder dem Ertragsüberschuss aus.3 Das Gesamtergebnis der Erfolgsrechnung verändert das Eigenkapital.4 Als ausserordentlicher Aufwand und Ertrag gelten

a Einlagen in und Entnahmen aus Spezialfinanzierungen, die eine Vorfinanzierung bezwecken und ausschliesslich auf einer

kommunalen Rechtsgrundlage basieren,

b Einlagen in und Entnahmen aus Rücklagen der Globalbudgetbereiche,

c Entnahmen aus der Neubewertungsreserve,

d Einlagen in und Entnahmen aus der Schwankungsreserve,

e zusätzliche Abschreibungen und

f Einlagen in und Entnahmen aus Spezialfinanzierungen Übertragung Verwaltungsvermögen nach Artikel 85a.

2.8 Zweckbestimmte Zuwendungen Dritter (verwaltete unselbständige Stiftungen)

Grundsatz Art. 921 Zweckbestimmte Zuwendungen Dritter sind im Rahmen der Zweckbestimmung zu verwenden.2 Enthält die Zweckbestimmung keine abweichende Regelung, verwendet der Gemeinderat die Mittel. Er kann dazu durch

Verordnung andere Organe oder Dritte einsetzen.3 Die Gemeinde hat die ihr zugewendeten Gelder zu verzinsen.

Zweckänderung Art. 931 Die Bestimmung der Zuwendung darf abgeändert werden, wenn der ursprüngliche Zweck nicht mehr erfüllt werden kann.2 Für die Änderung des Zwecks ist der mutmassliche, zeitgemäss ausgelegte Wille der Stifterin oder des Stifters massgebend.3 Das Amt für Gemeinden und Raumordnung verfügt auf Antrag der Gemeinde die Zweckänderung. Sie ist gemäss Artikel 34 zu

veröffentlichen.

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14

Fazit:

Wenn eine Person einer Gemeinde, einem Kanton oder dem Bund eine Schenkung im Sinne

einer zweckgebundenen Zuwendung zukommen lässt, beruht dies meistens auf einem histori-

schen oder persönlichen Hintergrund. Der Wille des Schenkers kann für die Auslegung der

gesetzlichen Grundlage insoweit ausgelegt werden, indem bewusst keine eigene Rechtspersön-

lichkeit geschaffen worden ist, sondern die öffentliche Hand mit der Verwaltung beauftragt

wird. Somit führt die Gemeinde eine Treuhandfunktion aus für das Vermögen in den jeweili-

gen Fonds oder Legaten. Dies auf Grund dessen, weil ein Vermögensteil auf lange Zeit ange-

legt und verwaltet werden soll. Sowie die Zuwendungen einem bestimmten Personenkreis zu-

gute kommen soll. Wenn das Vermögen auch auf „Dauer“ angelegt wird, heisst das noch lan-

ge nicht, dass dieses für die Ewigkeit angelegt werden soll.

Gesetzliche Grundlagen für gebundene Zuwendungen sind nicht in gleichem Masse vorhan-

den wie für gebundene Zuwendungen im privaten Recht gem. Stiftungsrecht Art. 80ff. ZGB,

Art. 94 bis 97 HRegV. Die anwendbaren Bestimmungen müssen abgeleitet werden aus dem

Ziel, die eine gebundene Zuwendung verfolgt.

Das Beispiel vom Kanton Zürich zeigt auf, dass die Verwaltung von gebundenen Zuwendun-

gen im öffentlichen Recht auch der Gesetzgebung des öffentlichen Rechtes unterstehen. So-

mit ist in den jeweiligen Kantonen, wo nichts anderes geregelt ist, die Verwaltung und Rech-

nungslegung solcher Gelder gemäss den Ausführungen der jeweiligen Finanzhaushaltsgesetze

und Gemeindegesetze anzuwenden.

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15

4. Abgrenzung von selbständigen Stiftungen zuunselbständigen Stiftungen

4.1 Stiftungsarten

Abbildung 2

4.2 Abgrenzung zur unselbständigen StiftungDie Privatrechtlichen Stiftungen benötigen alle eine eigene Rechtspersönlichkeit gem. Art. 52

und Art. 81 Abs. 2 ZGB und müssen im Handelsregister eingetragen werden.

Im Handelsregister müssen die Mitglieder des Verwaltungsrates und die Revisionsstelle einge-

tragen werden gem. Art. 94 HRegV, mit Ausnahme der kirchlichen Stiftungen und Familien-

stiftungen gem. Art. 87 ZGB.

Obwohl vom Gesetz nicht vorgesehen, gibt es in der Praxis Gebilde, welche einer selbständi-

gen privatrechtlichen Stiftung nahekommen, aber keine eigene Rechtspersönlichkeit erlangen.

Ähnlich sind die unselbständigen Stiftungen den selbständigen Stiftungen insbesondere hin-

sichtlich der dauerhaften Bindung eines Vermögens zu einem besonderen Zweck.

Da die unselbständigen Stiftungen keine eigene Rechtspersönlichkeit haben, sind sie oft an ei-

ne juristische Person angegliedert (z.B. dem Bund, den Kantonen, den Gemeinden, vgl. Ziff.

1.1), nur so können sie einem Rechtsträger zugewiesen werden.

Unselbständige Stiftungen werden auch als Fonds ohne eigene Rechtspersönlichkeit bezeich-

Stiftungen

privat-rechtliche

unselbständige selbständige

kirchliche Stiftunen

Art. 87 ZGB

Familien-Stiftungen

Art. 87 / 355 ZGBUnternehmens-

stiftungen

klassische

Stiftungen

Art. 80 -86 ZGB

Personalvororge-stiftungen

Art. 89, 89a ZGB

öffentlich-rechtliche

unselbständige selbständige

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16

net. Sie bilden Bestandteil des Staats- oder allenfalls des Gemeindevermögens, werden aber in

der Staatsrechnung resp. Gemeinderechnung separat aufgeführt (vgl. Lydia Scherrer lic.iur.

Mitarbeiterin BVG - und Stiftungsaufsicht des Kantons Zürich; allgemeine Antwort auf Fra-

gebogen Kantone).

Unselbständige Stiftungen, im Sinne von Fonds und Legaten mit gebundenen Zuwendungen

werden durch Schenkungen mit Auflage herbeigeführt. Wie z.B. Schenkung an die Eidgenos-

senschaft, mit der Auflage, aus den Erträgen die Anschaffung von bildender Kunst zu finan-

zieren oder Schenkung einer Statue an eine Gemeinde, mit der Auflage, diese als Kunstwerk

auf einem öffentlichen Platz aufzustellen.

4.2.1 Exkurs öffentlich-rechtliche Stiftungen

Von den unselbständigen Stiftungen, resp. Fonds, Legate mit gebundenen Zuwendungen im

öffentlichen Recht sind die Stiftungen des öffentlichen Rechts zu unterscheiden.

Öffentlich-rechtliche Stiftungen bedingen einen Stiftungserrichter des öffentlichen Rechts,

d.h. ein Gemeinwesen, also z.B. einen Kanton oder eine Gemeinde.15

Gem. Art. 59 ZGB ist für die öffentlich-rechtlichen Körperschaften das öffentliche Recht des

Bundes und der Kantone anzuwenden.16

Bei den juristischen Personen ist zu unterscheiden zwischen Körperschaften und Anstalten.

Zu den Anstalten zählen nebst den öffentlich-rechtlichen auch die privatrechtlichen, welche

als Stiftungen i.S.v. Art. 80ff. ZGB bezeichnet werden. Diese sind keine Personenverbindun-

gen wie die Körperschaften, sondern sind einem bestimmten Zweck gewidmete Vermögen

Beide Organisationsformen zeichnen sich aus durch ein anerkanntes eigenes Rechtssubjekt

und einem Vermögensanteil, der einem bestimmten Zeck gewidmet ist. Gemeinsam ist beiden

Organisationsformen, dass sie einem bestimmten Zweck gewidmet sind und als eigene

Rechtssubjekte anerkannt werden.

Der grundlegende Unterschied zwischen der Stiftung und der Körperschaft besteht darin, dass

bei der Körperschaft der ursprünglich angestrebte Zweck immer wieder abgeändert werden

kann, was bei einer Stiftung nur schwer möglich ist.

Eine öffentlich-rechtliche Anstalt und eine öffentlich-rechtliche Stiftung sind in ihrem Wesen

kaum zu unterscheiden. Jedoch bleibt im Vergleich zu den privatrechtlichen Stiftern der öf-

fentlich-rechtliche Stifter zu der Stiftung viel stärker verbunden. Grundsätzlich behält er das

Recht, über die errichtete Stiftung zu verfügen. Er kann diese also ändern oder aufheben, was

bei den privatrechtlichen Stiftungen nur bedingt möglich ist gem. Art. 86a ZGB. Die persönli-

che Verbundenheit kommt eher zum Tragen indem der Stifter in den Gemeinderechnungen

15 Michael Riemer, Systematischer Teil, N 475, N 49316 Michael Riemer, Systematischer Teil, N 494

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

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17

namentlich aufgeführt wird. Zu Zweckänderungen durch den Stifter kommt es in der Praxis

kaum, da das Stiftungsvermögen i.d.R. zum Zeitpunkt des Ablebens auf die öffentliche Hand

übergeht als Fonds, Legat oder gebundene Zuwendung.17

Den öffentlich-rechtlichen Subjekten ist es aber nicht vorenthalten, zur Erfüllung ihrer Auf-

gaben auch Stiftungen des Privatrechts zu errichten.18 Z.B. gibt es in vielen Gemeinden privat-

rechtliche Stiftungen, die ein Alters- und Pflegeheim führen, die von der öffentlichen Hand er-

richtet wurden. Solche Stiftungen entstehen vielfach durch grosse, finanzielle gebundene Zu-

wendungen, die dann zusammen mit öffentlichen Geldern in eine privatrechtliche Stiftung

oder selbständige öffentlich-rechtliche Stiftung überführt werden. Private Personen können

jedoch umgekehrt keine Stiftungen öffentlichen Rechts errichten. Daran ändern auch entspre-

chende Bezeichnungen oder Zweckbestimmungen nichts.

„Eine unselbständige Stiftung des öffentlichen Rechts liegt vor, wenn die Stiftung nicht nach Privatrecht, son-

dern aufgrund von Normen des öffentlichen Rechts errichtet wird. Massgebend für die Abgrenzung der öffent-

lich-rechtlichen von der privatrechtlichen Stiftung ist der Entstehungstatbestand. Sofern sich aus diesem nicht

bereits die öffentlich-rechtliche Natur der Stiftung nachweisen lässt, muss im Wege der Gesamtbeurteilung fest-

gestellt werden, ob die Stiftung durch Ausstattung mit öffentlich-rechtlichen Strukturmerkmalen in den Wir-

kungsbereich der öffentlich-rechtlichen Verwaltung einbezogen und auf dieser Weise dem öffentlichen Recht zu-

zuordnen ist. Indizien hierfür sind die Verfolgung eines öffentlichen Zwecks, die Ausstattung mit hoheitlichen

Befugnissen, ein organisatorischer Zusammenhang mit einem öffentlich-rechtlichen Rechtsträger. Die unselb-

ständige Stiftung des öffentlichen Rechts ist im Gegensatz zur rechtsfähigen Stiftung kein Verwaltungsträger.

Wegen seiner bestimmten Zweckbestimmung wird das Stiftungsvermögen haushaltrechtlich aber vom übrigen

Vermögen des Trägers getrennt als Sondervermögen verwaltet.“ 19

17 Michael Riemer, Systematischer Teil, N 47518 Michael Riemer, Systematischer Teil, N 46819 Rainer Herzog, a.a.O., S. 30

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18

4.3 Analoge Anwendung des Stiftungsrechtes beiunselbständigen Stiftungen

4.3.1 Zweckänderungen privatrechtlicher Stiftungen

Die Stiftung wird ursprünglich durch den Stifter in ihrem Willen, ihrem Zweck und ihrer or-

ganisatorischen Ausgestaltung festgelegt. Die Organe der Stiftung sind dann bei ihrer Verwal-

tungstätigkeit an den einmal manifestierten Stifterwillen gebunden. Nur wenn die Vorausset-

zungen objektiv bestimmt oder wenigstens hinreichend bestimmbar sind, kann ausnahmswei-

se in der Stiftungsurkunde auch eine Zweckänderung schriftlich vorbehalten werden. Ansons-

ten bleiben alle an den ursprünglichen Stifterwillen und ab den auf Dauer ausgelegten Zweck

gebunden. Dies wird auch mit dem Grundsatz der Unabänderlichkeit des Stiftungszwecks um-

schrieben. Die Stiftung wird deshalb teilweise auch als starres Gebilde bezeichnet, welches

dem Fortschritt grundsätzlich verschlossen bleibt. Diese Unbeweglichkeit kann über Jahre

hinweg zu absurden Ergebnissen bei der Verwirklichung von altertümlich gewordenen Stif-

tungszwecken führen, oder es kann aus anderen Gründen notwendig werden, einschneidende

Massnahmen zu treffen, um überhaupt den Fortbestand der Stiftung sichern zu können.

Deshalb sieht das Gesetz bei Vorliegen besonders wichtiger Gründe die Möglichkeit der Er-

gänzung oder Umwandlung vor, bei welcher die Organisation der Stiftung oder deren Zweck

an die veränderten Umstände angepasst werden können. Für die Umwandlung müssen z.B.

zwingend wesentliche Veränderungen der Verhältnisse vorliegen.

Für eine Zweckänderung muss der hypothetische Stifterwille ermittelt werden. Die Ermittlung

des hypothetischen Stifterwillens umfasst zwei Fragestellungen. Einerseits muss danach ge-

fragt werden, ob der Zweck der Stiftung im Hinblick auf die veränderten Verhältnisse auch

noch gemäss dem Willen des Stifters verwirklicht werden kann und ob der Stifter stattdessen

in Anbetracht der veränderten Umstände eine Änderung des Zwecks auch vornehmen wür-

de.20

4.3.2 Zweckänderungen selbständiger Stiftungen

Auch die Errichtung einer unselbständigen Stiftung bedeutet die Hingabe von Vermögen für

einen besonderen Zweck, im Gegensatz zu Art. 80 ZGB liegt aber keine Widmung im techni-

schen Sinne, sondern eben eine Schenkung, ein Vermächtnis oder eine gebundene Zuwen-

dung vor.

In formeller Hinsicht sind die Anforderungen bei unselbständigen Stiftungen vergleichbar wie

bei den selbständigen Stiftungen. Eine Eintragung ins Handelsregister ist jedoch bei einer un-

selbständigen Stiftung unzulässig und ist von Amtes wegen zu löschen, falls sie doch vorge-

nommen worden wäre, weil keine Rechtspersönlichkeit vorliegt.

20 Tuor, Schnyder, Rumo-Jungo, a.a.O., N 24-26 zu § 17

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19

Der Anfechtung nach Erbrecht und SchKG unterliegt gegebenenfalls auch die Schaffung un-

selbständiger Stiftungen, aber unmittelbar das betreffende Rechtsgeschäft als solches und

nicht auf dem Umweg über die Verweisung zum Stiftungsrecht in Art. 82 ZGB.

Materiell gilt auch für alle unselbständigen Stiftungen, dass deren Vermögen seinen Zwecken

gemäss verwendet, d.h. der Stifterwille in allen Teilen respektiert werden muss. Es kann sich

daher nur die Frage stellen, ob bei den unselbständigen Stiftungen eine Behörde vorhanden

ist, die die Einhaltung dieses Grundsatzes beaufsichtigt.21

Unselbständige Stiftungen sind, deren Trägerperson eine juristische Person des öffentlichen

Rechtes (z.B. eine Gemeinde) ist, nach Massgabe des betreffenden öffentlichen Rechts eben-

falls einer Aufsicht unterstellt (übergeordnete Verwaltungsbehörde, Parlament, Gemeindever-

sammlung usw.).22

4.3.3 Überlegungen zur analogen Anwendung des Stiftungsrechts

Die Praxis wendet vor allem diese Bestimmung auf unselbständige Stiftungen analog an, und

zwar sowohl im Bund als auch in den Kantonen. Unter letzteren ist besonders der Kanton

Bern zu erwähnen, der hinsichtlich der unselbständigen Stiftungen in der Hand von Gemein-

den ausdrücklich statuiert hat.

Gemeindegüter, deren Zweck durch Stiftung festgelegt ist, werden nach Massgabe der Stif-

tungsurkunde verwendet. Hinsichtlich der Abänderung des Zweckes bleibt der Art. 86 ZGB

vorbehalten (vgl. Art. 49 Abs. 2 des Gesetzes über das Gemeindewesen Kt. Bern).23

Im Berner Kommentar führt M. Riemer aus, dass gegen die analoge Anwendung des Stif-

tungsrechtes auf unselbständige Stiftungen bei veränderten Verhältnissen sich einwenden lies-

se, eine solche deswegen nicht erforderlich sei, weil ja das Vertragsrecht selbst Grundsätze

entwickelt habe, um veränderten Verhältnissen Rechnung zu tragen, nämlich die clausula re-

bus sic stantibus. Indessen beruhen sehr viele unselbständige Stiftungen nicht auf Verträgen,

sondern auf einseitigen Rechtsgeschäften (letztwillige Verfügungen), auf welche die „clausula“

zumindest nicht unbedingt abzuwenden wäre. Dazu kommt, dass diese i.d.R. ein Mittel zur

Aufhebung des betreffenden Vertrages und nicht eines zu seiner Änderung ist, bei unselb-

ständigen Stiftungen.24

Zudem sei fraglich, ob die generelle analoge Anwendung von Art. 86 ZGB auf die in Betracht

fallenden Schenkungsverträge des OR auch für den Spezialfall des in Art. 119 Abs. 1 OR ge-

regelten Tatbestandes gelten würde, da doch diese Bestimmung der nachträglichen unver-

schuldeten Unmöglichkeit, auch auf mit Schenkungen verbundene Auflagen anwendbar ist.25

Auch bei Rechtsgeschäften unter Lebenden liesse sich eine Zweckänderungspflicht aus dem

21 Michael Riemer, Systematischer Teil, N 44222 Michael Riemer, Systematischer Teil, N 44423 Michael Riemer, Systematischer Teil, N 44624 Michael Riemer, Systematischer Teil, N 44625 Michael Riemer, Systematischer Teil, N 449

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

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20

Vertrauensprinzip ableiten, und zwar im Sinne der Annahme, der mutmassliche Parteiwille

wäre dahin gegangen, die Grundgedanken von Art. 86 ZGB zum Vertragsinhalt zu erheben,

wenn die Parteien diese Fragen bedacht hätten. Demgegenüber verbieten sich bei Verfügun-

gen von Todes wegen derartige Ergänzungen und es muss daher die Verweisung auf Art. 86

ZGB beim Fehlen einer gesetzlichen, öffentlich-rechtlichen Regelung wenigstens andeu-

tungsweise aus der Verfügung hervorgehen, wenn der Erblasser vor einer späteren Berufung

auf Art. 119 Abs. 1 OR seitens der Trägerperson sicher sein will.26

4.3.4 Anhörung und Zuständigkeit bei Zweckänderungen

Bei allen Zweckänderungen, in Analogie zu Art. 86 ZGB, ist die Anhörung derjenigen Perso-

nen sinnvoll und erforderlich, welche die gleichen Funktionen ausüben wie bei den selbständi-

gen Stiftungen. Daneben können, ebenfalls in Analogie zu den selbständigen Stiftungen auch

noch weitere Personen angehört werden, z.B. Destinatäre, die Erben, Zeitgenossen usw.27

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit zur Vornahme derartiger Änderungen bestimmt sich

bei öffentlich-rechtlichen Trägerpersonen nach dem betreffenden öffentlichen Recht. Dies

kann eine übergeordnete Verwaltungsbehörde sein, z.B. ein Beschluss der Bürgerversammlung

oder eine regierungsrätliche Genehmigung.

Einen Schutz gegen unzulässige Zweckänderungen bieten in jedem Fall die Vollziehungskla-

gen gem. Art. 482 Abs. 1 ZGB sowie Art. 246 Abs. 1 und 2 OR, bei der Schenkung allenfalls

auch der Widerruf. Eine derartige Zweckänderung bedeutet gleichzeitig eine Verletzung ver-

waltungsrechtlicher Vorschriften (im Sinne von zweckentsprechender Verwendung von Ver-

mögen, dessen Träger der Staat oder die Gemeinden sind).28

Wenn der Stifter bei unselbständigen Stiftungen selber Bestimmungen erlassen hat, so dürfen

solche später ebenfalls abgeändert werden, und zwar in analoger Anwendung von Art. 85

ZGB da ja solche Änderungen, ähnlich wie die sog. unwesentlichen Zweckänderungen, auch

nur der besseren Erfüllung des Willens des Errichters dienen.29

Bei Widerrechtlichkeit oder Unsittlichkeit des Zweckes unselbständiger Stiftungen würde die

Ausdehnung, der bei der Aufhebung juristischer Personen stattfindenden staatlichen Vermö-

genskonfiskation Art. 57 Abs. 3 ZGB mittels Analogieschluss gegen das Legalitätsprinzip

verstossen, während eine Weiterverfolgung des bisherigen Zweckes ausgeschlossen ist.30

26 Michael Riemer, Systematischer Teil, N 44927 Michael Riemer, Systematischer Teil, N 45228 Michael Riemer, Systematischer Teil, N 45329 Michael Riemer, Systematischer Teil, N 45430 Michael Riemer, Systematischer Teil, N 457

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

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21

Fazit:

Somit kann aus diesen Ausführungen abgeleitet werden, dass nur die Grundprinzipien des

Stiftungsrechts nach ZGB analog auch für Fonds, Legate und zweckgebundene Zuwendun-

gen, bei Zweckänderungen anzuwenden sind, deren Rechtsträger ein Gemeinwesen ist.

Eine unselbständige Stiftung untersteht den Rechtsgrundlagen ihres Rechtsträgers. Das heisst,

wenn ein privates Vermögen einem Gemeinwesen zugeführt wird mit einer gebundenen

Zweckverwendung, ist öffentliches Recht anzuwenden.

Jedoch kann eine analoge Anwendung des Stiftungsrechtes nur abgeleitet werden für die Mo-

dalitäten. Da die unselbständige Stiftung der Aufsicht über die Trägerperson untersteht, sind

die Entscheidungen zu fällen gemäss den gesetzlichen Kompetenzen.

Das Beispiel aus der Gemeinde Mörschwil zeigt, dass jede Zuwendung mit Auflagen indivi-

duell betrachtet werden muss. Dies besonders bei Stiftungen, die nicht im Handelsregister ein-

getragen werden müssen oder können.

Abbildung 3

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

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5. Aufsichtsbehörden

5.1 Aufsicht privatrechtliche StiftungenDas Gemeinwesen hat drei wesentliche Aufgaben zu erfüllen:

allgemeine Stiftungsaufsicht

Ergänzung der Stiftungen

Umwandlung von Stiftungen

Die schweizerischen Stiftungen unterstehen gem. Art. 84 Abs. 1 ZGB der Aufsicht durch das

Gemeinwesen, dem sie nach ihrer Bestimmung angehören. Dies können entweder der Bund,

die Kantone oder die Gemeinden sein. Das Bundesgericht hat festgehalten, dass bei einer ge-

wöhnlichen Stiftung der statutarische Zweck und der örtliche Tätigkeitsbereich das für die

Aufsicht zuständige Gemeinwesen bestimmt.31

Auch wenn die Stiftungsaufsicht privatrechtlich im ZGB geregelt ist, so handelt es sich bei der

öffentlichen Aufsicht durch das Gemeinwesen um materielles öffentliches Recht. Deshalb gel-

ten für die Stiftungsaufsicht auch die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Verwaltungsrechts,

wie z.B. der Verhältnismässigkeitsgrundsatz, der Grundsatz der Gesetzmässigkeit, die Rechts-

gleichheit und der Grundsatz von Treu und Glauben.

Der öffentlich-rechtliche Charakter der Stiftungsaufsicht wiederspiegelt sich einerseits durch

die Organisation der Aufsicht, welche beispielsweise für die in den Kantonen ansässigen und

tätigen Stiftungen kraft Art. 6 Abs. 1 ZGB in den jeweiligen kantonalen Ausführungsbestim-

mungen in Form von öffentlich-rechtlichen Stiftungserlassen geregelt ist. Ausserdem entsteht

die Aufsicht im konkreten Fall durch eine formelle Verwaltungsverfügung, d.h. die Aufsichts-

behörde erlässt eine Übernahmeverfügung, in welcher sie erklärt, dass sie hiermit die Aufsicht

über die Stiftung übernehmen wird. Dann ist in Art. 83 Abs. 2 ZGB festgehalten, dass die

Aufsichtsbehörde mittels Verfügungen Anordnungen zu treffen hat, wenn die vorgesehene

Organisation einer Stiftung ungenügend ist. Ausserdem zeigt sich der öffentlich-rechtliche

Charakter auch bei den durch die Aufsichtsbehörde erhobenen Gebühren und den Rechtsmit-

teln gegen Entscheide der Aufsichtsbehörde.

Gegen Entscheide der Aufsichtsbehörde sind grundsätzlich verwaltungsrechtliche Rechtsmit-

tel zu ergreifen. So ist beispielsweise gegen die Entscheide der oberen kantonalen Gerichte

(Verwaltungsgericht), eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung Art. 74 BGG oder die

Beschwerde in Zivilsachen Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 4 BGG das Rechtsmittel, um an das Bun-

desgericht zu gelangen und nicht etwa die privatrechtliche Berufung.32

31 Tuor, Schnyder, Rumo-Jungo, a.a.O., N 18 zu § 17

32 Tuor, Schnyder, Rumo-Jungo, a.a.O., N 22 zu § 17

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

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5.2 Aufsicht unselbständige StiftungenDie Aufsicht durch die zuständigen staatlichen Behörden hat verschiedene Bereiche der Stif-

tungstätigkeit zum Gegenstand: Der primäre Auftrag der Aufsichtsbehörden ist in Art. 84

Abs. 2 ZGB in relativ offener Weise formuliert worden: Die Aufsichtsbehörden haben dafür

zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird und der Stif-

terwille auch vollzogen wird. Es muss den Aufsichtsbehörden bei ihrer Aufsichtstätigkeit also

zunächst um die Zweckeinhaltung und Zweckerhaltung gehen.33

„Bei der Frage, ob ein Rechtssatz öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist, darf nicht auf das for-

melle Kriterium abgestellt werden, ob der Erlass der den betreffenden Rechtssatz enthält, öffentlich-rechtlicher

oder privatrechtlicher Natur ist. So finden sich im schweizerischen Zivilgesetzbuch eine Reihe von Bestimmun-

gen, die öffentlich-rechtlichen Charakter haben, z.B. Art. 84 ZGB im Stiftungsrecht (vgl. BGE 96 I 406,

408).“ 34

Die Anwendung von öffentlichem Recht bedeutet, dass für jede einzelne öffentlich-rechtliche

Stiftung ein individuelles Gesetz besteht, welchem sie untersteht. Darüber hinaus sind natür-

lich auch die allgemeinen Verwaltungsrechtsgrundsätze über öffentlich-rechtliche juristische

Personen massgebend.35

Im öffentlichen Recht werden jene Rechtsnormen angewendet, die auf die Verwirklichung der

öffentlichen Interessen ausgerichtet sind. Dies entspricht der sogenannten Interessenstheorie.

Die zivilrechtlichen Normen dienen hingegen primär dem Schutz von privaten Interessen.36

33 Tuor, Schnyder, Rumo-Jungo, a.a.O., N 20 zu § 17

34 Häfelin, Müller, Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, N 250

35 Thomas Aebersold, Toni Amonn, Rahel Leimer, unter Mitarbeit von Franz Müller, Die Stiftung - Dogmatische und

praktische Grundlagen, in v.FISCHER Recht, 2. A., S. 25 (einsehbar unter: www.recht.vfischer.ch)

36 Häfelin, Müller, Uhlmann, a.a.O. N 255

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

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Fazit:

Es gibt mehrere Begründungen, weshalb die unselbständigen Stiftungen auch der öffentlichen

Aufsicht unterstehen:

Bei privatrechtlichen, selbständigen Stiftungen wird Vermögen auf Dauer angelegt. Sie

haben eine eigene Rechtspersönlichkeit, die eine Aufsichtsstelle benötigt. Die eigene

Rechtspersönlichkeit wird mit dem Eintrag ins Handelsregister erlangt. Diese Rechtsper-

sönlichkeit untersteht der öffentlich-rechtlichen Aufsicht gemäss Art. 84 Abs.1 ZGB.

Es ist zu unterscheiden, ob es sich um eine selbständige öffentlich-rechtliche Stiftung

handelt oder eine unselbständige Stiftung deren Rechtsträger ein Gemeinwesen ist. Die

selbständige öffentlich-rechtliche Stiftung ist auch im Handelsregister eingetragen und hat

einen eigenen Rechtsträger und untersteht somit auch den Aufsichtsnormen gem.

Art. 84 Abs. 1 ZGB.

Auch die unselbständigen Stiftungen im Sinne von Fonds, Legaten und zweckgebundene

Zuwendungen, haben Vermögen für einen besonderen Zweck und sind auf Dauer ange-

legt. Ihnen fehlt jedoch die eigene Rechtspersönlichkeit. Diese Vermögen wurden einer

Verwaltungsbehörde (öffentliche Behörde) übergeben, um die zugewendeten Vermögen

sinngemäss zu verwalten. Somit ist auch für die Aufsicht, gemäss Verwaltungsrecht, die

Rechtsnormen des öffentlichen Rechtes anzuwenden.

Als Aufsichtsbehörde ist gemäss Verwaltungsrechtspflegegesetz (VRP) der Instanzenzug

für das Gemeinwesen anzuwenden: Gemeinderat, Regierungsrat, kantonale Gerichte,

Bundesgericht.

Dadurch, dass für die Aufsicht das Verwaltungsrecht angewendet werden muss, besteht

immer die Gefahr eines Interessenskonfliktes. Weil die Behörde einerseits dem Gemein-

wohl gerecht werden muss und anderseits dem Willen des Stifters entsprechen sollte.

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

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6. Vorgehen / Instanzenzug

6.1 Auswertung Fragebogen Gemeinden

Abbildung 4

Abbildung 5

Mit einem Fragebogen zu Fonds, Legaten und zweckgebundenen Zuwendungen im öffentli-

chen Recht wurden die 183 Gemeinden der Kantone Appenzell Ausserrhoden, Thurgau und

St. Gallen, wie auch die Bezirke des Kantons Appenzell Innerrhoden angeschrieben. Für die

Rückantwort auf den Fragebogen setzte ich eine Frist von drei Wochen an. In dieser Zeit ha-

ben 64 Gemeinden eine Antwort geschrieben. Aus den teils sehr ausführlichen bis emotiona-

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

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len Antworten ist ersichtlich, dass dieses Thema viele Gemeinden bewegt, weil es keine kon-

kreten rechtlichen Grundlagen gibt.

Das Thema Zweckänderungen oder gar Auflösungen wird, wenn immer möglich, so umgan-

gen, dass die verfügbaren Mittel für Zwecke verwendet werden können, die dem Stifterwillen

nahekommen.

Es zeigt sich jedoch, dass ein Bedürfnis vorhanden ist, diese Fonds, Legate mit zweckgebun-

den Zuwendungen bewirtschaften zu können und nicht nur in den Jahresrechnungen nachzu-

führen.

Problematisch sind für die Gemeinden vor allem diejenigen Legate, die kaum mehr Vermögen

aufweisen, nur die Zinse verwendet werden dürfen und deren Zwecke in unsere Gesellschaft

gar nicht mehr erfüllbar sind. Bei Gemeindefusionen oder Zusammenlegungen von Ämtern

gibt es vermehrt Schwierigkeiten, da der bestimmte Personenkreis für die Zweckverwendung

nicht mehr genau abgegrenzt werden kann.

6.2 Auswertung Fragebogen Kantone

Abbildung 6

Auf kantonaler Ebene gibt es in fast allen Kantonen solche Fonds und Legate mit zweckge-

bunden Zuwendungen. Jedoch scheint das Bedürfnis für Zweckänderungen oder Auflösungen

nicht gleich zu sein wie in den Gemeinden. Dies sicher aufgrund dessen, dass auf kantonaler

Ebene Legate mit grösseren Vermögenswerten zu verwalten sind, die eine sinnvolle Bewirt-

schaftung auch ermöglichen.

Es gibt einige Kantone, die Hinweise zur Verwendung solcher Gelder in gesetzlichen Grund-

lagen haben (vgl. Seite 13).

Weder in Gemeinden noch in Kantonen gab es je gerichtliche Auseinandersetzungen auf-

grund von Zweckänderungen oder Auflösungen von Fonds und Legaten mit zweckgebunde-

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

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nen Auflagen. Dies beruht sicher auf den vielfach sehr alten, aus dem 19. und 20. Jh. stam-

menden Legaten. Bei so alten Fonds und Legaten identifiziert sich in der Bevölkerung kaum

noch jemand mit dem Stifter und dessen Willen.

Jedoch bei neueren Vermächtnissen kann die Umsetzung der Auflagen mit dem Willen der

Bevölkerung zu Diskussionen führen, wie nachfolgendes Beispiel aus der Gemeinde

Münchwilen zeigt.

Abbildung 7

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

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6.3 Interviews

6.3.1 Interview Thomas Frey, Leiter Rechtsdienst, Kanton AR

Kann eine Gemeinde ein zweckgebundenes Vermächtnis ablehnen?

Ja. Kein Privater kann das Gemeinwesen durch einseitige Willenserklärung zur Übernahme ei-

ner Aufgabe zwingen.

Wenn von vornherein feststeht, dass sich das Vermächtnis mit einer öffentlichen Aufgabener-

füllung nicht vereinbaren lässt, ist sie meines Erachtens zur Ablehnung verpflichtet.

Welche Kompetenzen hat ein Gemeinwesen bei nicht zweckgebunden Zuwendungen?

Solche Mittel fliessen mangels Zweckbindung in den allgemeinen Haushalt.

Der Eingang ist ordnungsgemäss zu verbuchen, die Mittel werden aber in der Bilanz geson-

dert ausgewiesen.

Gelten für die Bewirtschaftung von zweckgebundenen Privatzuwendungen die allgemeinen

Finanzkompetenzen?

Sofern das Übernahmestatut keine Sonderregeln vorsieht, gelten meines Erachtens die or-

dentlichen Finanzkompetenzen.

Im Rahmen der ordentlichen Finanzkompetenzen dürfte sich jeweils die Frage stellen, ob die

konkrete Mittelverwendung aufgrund des jeweiligen Übernahmestatuts als gebundene Ausga-

be zu betrachten ist. Das lässt sich nur im Einzelfall beurteilen.

Würde die kantonale Finanzaufsicht einschreiten, wenn die Finanzkompetenzen nicht eingehalten werden?

Der Auftrag der kantonalen Finanzaufsicht ist in Art. 44 ff. des Finanzhaushaltgesetzes (bGS

612.0) geregelt. Die Einhaltung von Finanzkompetenzen gehört nicht zum Prüfungsauftrag

der Finanzaufsicht.

Der Kanton schreitet grundsätzlich nur ein, wenn er konkret auf eine Verletzung von Finanz-

kompetenzen hingewiesen wird. Das kann im Rahmen einer Stimmrechtsbeschwerde oder

Aufsichtsbeschwerde sein.

Es ist denkbar, dass in einem solchen Fall aufsichtsrechtliche Massnahmen gegen eine Ge-

meinde angeordnet werden. Zuständig ist der Regierungsrat (Art. 41ff. Gemeindegesetz; bGS

151.11).

Herzlichen Dank, Herr Frey, für dieses interessante Gespräch und Ihre wertvolle Unterstützung.

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6.3.2 Interview Walter Bischof, Geschäftsleitung der OstschweizerBVG- und Stiftungsaufsicht

Herr Bischof, Sie arbeiten in der Geschäftsleitung der Ostschweizer BVG- und Stiftungsaufsicht. Werden Sie

auch mit Fragen zu unselbständigen öffentlich-rechtlichen Stiftungen, resp. Fonds, Legate und zweckgebunde-

nen Zuwendungen im öffentlichen Recht konfrontiert?

Ja, es gibt immer wieder Anfragen, da die meisten Gemeinden über solche „Kässeli“ verfügen.

Stiftungsrechtlich zuständig sind wir jedoch nur für selbständige Stiftungen nach Art. 80ff.

ZGB.

Gibt es Unterschiede zwischen den selbständigen und unselbständigen Stiftungen?

Die selbständigen Stiftungen sind im Art. 80ff ZGB geregelt; bei unselbständigen Stiftungen

fehlen direkte rechtliche Grundlagen. Bei den unselbstständigen Stiftungen im öffentlichen

Recht gibt es zudem oft Interessenskollisionen. Häufig sind einerseits Mitglieder des Ge-

meinderates oder sogar der gesamte Gemeinderat im Stiftungsrat; anderseits ist oft die Ge-

meinde zweckgemäss Begünstigte. Sodann ist es in einzelnen Kantonen sogar möglich, dass

der gleiche Gemeinderat/Stiftungsrat zugleich Aufsichtsbehörde nach Art. 84 ZGB ist. Bei

der Mittelverwendung sind m.E. die Bestimmungen des ZGB sinngemäss anwendbar. Insbe-

sondere die vom Stifter gewünschte Mittelverwendung ist zu beachten. Folgt der Gemeinderat

allerdings der Zweckbindung nicht, so ist unklar, wer dagegen vorgeht - insbesondere dann,

wenn die Gemeindeversammlung den Vorgang absegnet. Weiter offen ist die Frage, ob eine

Gemeinde ein solches Vermächtnis ablehnen kann oder soll, oder wie vorzugehen ist, wenn

die Bevölkerung die Realisierung eines Stifterwillens ablehnt.

Wer beaufsichtigt die unselbständigen öffentlich-rechtlichen Stiftungen?

Solche unselbständige Gebilde, wie Fonds, Legate und zweckgebundene Zuwendungen im öf-

fentlichen Recht werden in den entsprechenden Rechnungen des Gemeinwesens geführt. Im

Kanton St. Gallen müsste dies bei Gemeinden die kantonale Gemeindeaufsicht sein und in

anderen Kantonen kann dies die entsprechende Rechnungs- oder Geschäftsprüfungskommis-

sion sein.

Die Auswertung der Fragebogen an die Gemeinden hat ergeben, dass Gemeinden, die Zweckänderungen

durchgeführt haben, dies entweder vom Stimmvolk oder vom Regierungsrat genehmigen liessen. Ist dieser Weg so

richtig?

In der Regel werden Fonds und Legate in der Jahresrechnung als spezialfinanziertes Vermö-

gen aufgeführt. Über deren Verwendung oder Auflösung müsste das Stimmvolk der entspre-

chenden Gemeinde bestimmen und nicht der Regierungsrat. Da solche Entscheidungen zur

Gemeindeautonomie gehören.

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Das heisst, dass man eine Zweckänderung oder eine Auflösung zum Mindesten dem fakultativen Referendum

unterstellen sollte?

Wie schon gesagt, ist grundsätzlich der Stifterwille zu erfüllen. Dieser kann auch mit einem

Referendum nicht geändert werden. Es ist herauszufinden, wie dem Willen des Stifters mög-

lichst sachgerecht nachgekommen werden kann (Testament, Erbvertrag usw.). Wenn der vor-

gesehene Zweck nicht mehr erfüllbar ist, sollen diese Mittel für einen möglichst ähnlichen

Zweck verwendet werden. Da aber die unselbständige Stiftung in der Gemeinderechnung ge-

führt wird, entscheidet letztlich wohl der Stimmbürger.

Welche Empfehlungen geben Sie ab, bei Anfragen von Gemeinden?

Ich empfehle, sinngemäss das Stiftungsrecht gemäss ZGB anzuwenden. Im Übrigen muss sich

der Gemeinderat bewusst sein, dass dieses Vermögen nicht nach seinem eigenen Gutdünken

verwendet werden darf, sondern dass er nur eine Treuhandfunktion für diese Mittel über-

nimmt. D.h. dem Willen des Stifters möglichst nachkommen (Testament, Erbvertrag usw.).

Dazu sollte der Gemeinderat eine andere Brille anziehen, da der Stifterwille nicht immer de-

ckungsgleich ist/war mit dem aktuellen Willen des Gemeinderates. Bei grösseren Zuwendun-

gen empfehlen wir die Errichtung einer selbständigen (privatrechtlichen) Stiftung.

In vielen Gemeinden gibt es kleine bis kleinste zweckgebundene Zuwendungen, wo es kaum mehr Sinn macht

eine Zweckänderung zu vollziehen, jedoch eine Auflösung ohne zweckmässige Mittelverwendung auch nicht das

Richtige ist. Welches Vorgehen würden Sie in einem solchen Fall empfehlen?

Es gibt selbst für privatrechtliche Stiftungen keine Bestimmungen wie gross ein Vermögen

sein muss, um eine Stiftung zu errichten. Die Bundesaufsicht empfiehlt jedoch einen Mindest-

betrag von Fr. 50'000.-, wir einen von mindestens Fr. 10'000.-. Wenn jemand eine Stiftung tes-

tamentarisch begünstigen oder errichten will, empfehlen wir die Stiftung (mit einem kleinen

Betrag) zu Lebzeiten des Stifters zu gründen, damit der Stifter selber seinen testamentarischen

Willen umsetzen kann. Nach seinem Ableben kann das restliche Vermögen einfliessen. Bei be-

stehenden Vermögen wäre die sauberste Lösung, alle Fonds, Legate und zweckgebundenen

Zuwendungen zusammenzulegen und eine selbständige (Sammel)-Stiftung zu errichten. Dies

ermöglicht eine einfache Organisation und eine klare Trennung zwischen Behörde und Stif-

tung. Somit können Interessenskonflikte ausgeräumt werden. Damit wird ermöglicht, dass

auch Gelder aus kleinen Vermögensteilen bewirtschaftet werden und nicht einfach in den Jah-

resrechnungen der Gemeinden brach liegen. Als gutes Beispiel kann die St. Galler Sammelstif-

tung Succursus erwähnt werden.

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Gibt es noch etwas, was Sie den Gemeinden zum Thema Fonds, Legate und zweckgebundene Zuwendungen

im öffentlichen Recht mit auf den Weg geben möchten?

Ja, man soll bei jeder Mittelverwendung auch an potentielle zukünftige Stifter denken. Denn je

nachdem ein Gemeinderat mit den Vermächtnissen umgeht, zieht man neue Stifter an oder

schreckt sie ab. Auch darf man durchaus den gesunden Menschenverstand walten lassen. Was

jedoch nicht sein sollte, dass man Vermächtnisse verwendet als Spielraum für zweckfremde

Mittelverwendungen wie Steuerfussreduktionen oder ähnliches.

Herzlichen Dank, Herr Bischof, für dieses interessante Gespräch und Ihre wertvolle Unterstützung.

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6.3.3 Interview Stefanie Feller, Amt für Gemeinden undRaumplanung im, Kanton BE

Frau Feller, Sie sind Juristin und Arbeiten beim Amt für Gemeinden und Raumordnung im Kanton Bern.

Gibt es in Ihrem Kanton unselbständige Stiftungen, Fonds, Legate, die Sie über die Kantonsrechnung verwal-

ten?

Die Gemeinden, Kirchgemeinden, Burgergemeinden und weitere gemeinderechtlichen Kör-

perschaften verfügen häufig über solche unselbständigen Stiftungen, welche sie in der kom-

munalen Jahresrechnung verwalten. Die Rechtsgrundlage für kommunale unselbständige Stif-

tungen befindet sich in Art. 92 und Art. 93 der kantonalen Gemeindeverordnung (GV; bSG

170.111).

Falls diese unselbständigen Stiftungen, Fonds, Legate eine Zweckbestimmung haben, können diese Zwecke

heute noch erfüllt werden?

Auf kommunaler Ebene stellt sich tatsächlich oft die Frage, ob die ursprüngliche Zweckbe-

stimmung heute noch erfüllt werden kann. Einerseits ist problematisch, dass die Stiftenden oft

nur die Verwendung der Zinserträge aus den Legaten und Fonds vorgesehen haben und auf-

grund der heutigen schlechten Zinslage keine sinnvolle Erfüllung des Zwecks mit solch klei-

nen Beträgen möglich ist und andererseits sind die damals festgelegten Unterstützungszwecke

heute oftmals bereits durch die Sozialhilfe/AHV/EL etc. abgedeckt. Ein weiteres Problem

stellt die Situation dar, dass die Sozialhilfe oder Spitex etc. heute überwiegend in regionalen

Sozialdiensten und regionalen Zentren organisiert sind und sich nicht auf einzelne Gemein-

den, Quartiere oder gar Personen einschränken lässt.

Der Kanton Bern hat für kommunale unselbständige Stiftungen unter Berücksichtigung dieser

Schwierigkeiten deshalb eine kantonale Vorschrift in Art. 78 Abs. 2 Bst. b des Gemeindege-

setzes (GG; bSG 170.11) aufgenommen. Gemäss dieser Regelung kann das Amt für Gemein-

den und Raumordnung als zuständige kantonale Stelle die Änderung der Zweckbestimmung

von unselbständigen Stiftungen bewilligen.

Haben Sie schon Zweckänderungen vorgenommen? Wenn ja, wie sind Sie vorgegangen?

Das Amt für Gemeinden und Raumordnung AGR macht von der Möglichkeit gemäss Art. 78

Abs. 2 Bst. b GG restriktiv Gebrauch, indem es auf Antrag der Exekutive einer gemeinde-

rechtlichen Körperschaft die Anpassung der Zweckbestimmung prüft und genehmigt, wenn

der ursprüngliche Zweck nicht mehr erfüllt werden kann und der geänderte Zweck mit dem

Stifterwillen vereinbar ist.

Das AGR verlangt von den gemeinderechtlichen Körperschaften neben dem Antrag mit der

neuen Formulierung der erweiterten bzw. geänderten Zweckbestimmung zusätzlich die Unter-

lagen zum Legat bzw. Fonds sowie den Legatsbestand in der Gemeinderechnung. Das AGR

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prüft danach, ob die neue Formulierung des Zwecks bewilligt werden kann. Die Bewilligungen

werden zurückhaltend erteilt, da der Wille der Stiftenden respektiert werden muss. Massge-

bend ist der mutmassliche, zeitgemäss ausgelegte Wille des Stifters. Der erweiterte oder geän-

derte Zweck muss so nahe wie möglich am ursprünglichen Zweck liegen und der Erfüllung

der ursprünglich unterstützten Aufgabe dienen. So werden nur Zweckänderungen genehmigt,

welche sich auf die gleiche Personengruppe (Jugendliche, Alte, Gebrechliche etc.) oder Ort-

schaft (Personen aus Gemeinde oder Kirchgemeinde etc.) und auf das gleiche Aufgabengebiet

(Unterstützung von Armen, Kranken, Kinder etc.) beschränken wie in der ursprünglichen

Zweckbestimmung.

Welcher Instanz haben Sie die Zweckänderungen zur Genehmigung vorgelegt?

Die Gemeinden/Kirchgemeinde/Burgergemeinden und gemeinderechtlichen Körperschaften

müssen die Zweckänderung dem kantonalen Amt für Gemeinden und Raumordnung zur Ge-

nehmigung vorlegen.

Wie deklarieren sie diese unselbständigen Stiftungen, Fonds, Legate in der Jahresrechnung der Gemeinde?

Sie werden über ein separates Konto Nr. 2033 unter dem Fremdkapital in den Passiven der

Bestandesrechnung ausgewiesen.

Was empfehlen Sie, wenn ein Fonds oder Legat kaum mehr über finanzielle Mittel verfügt, und/oder der

Zweck nicht mehr erfüllt werden kann?

In der Regel können heute bei unselbständigen Stiftungen mit der Beschränkung der Mittel-

verwendung auf die Zinserträge, die Zweckbestimmungen kaum mehr sinnvoll erfüllt werden.

Z.B. wenn die Auflage des Stifters war, dass mit der Zinsverwendung eine Schulreise zu finan-

zieren ist, würden die verwendbaren Mittel heute kaum mehr ausreichen. In diesen Fällen

empfehlen wir, dem AGR eine Zweckerweiterung auf das Kapital der unselbständigen Stiftung

zu beantragen, um das vorhandene Geld aufbrauchen zu können.

Wenn ein Fonds oder Legat nur noch sehr wenige finanzielle Mittel ausweist, dann empfehlen

wir diese im Sinne des Zweckes aufzubrauchen und danach den Fonds zu löschen.

Gab es schon gerichtliche Auseinandersetzungen zu diesem Thema in ihrem Kanton? Wenn ja, welches Ver-

fahren wurde angewendet (Verwaltungsrechtsverfahren oder Zivilrechtsverfahren)?

Diese Frage kann ich nicht beantworten. Mir ist kein Fall bekannt. Die allgemeine Aufsicht

(bei einer gemeinderechtlichen Problemstellung) über die Gemeinden obliegt dem Regierungs-

statthalteramt, welches im Rahmen des Verwaltungsrechtsverfahrens handelt. Die allgemeine

Finanzaufsicht (bei einer finanzrechtlichen Problemstellung) obliegt dem AGR, welches eben-

falls im Rahmen des öffentlichen Verfahrensrechts handelt.

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Legitimiert wären in einem möglichen Beschwerdeverfahren alle Personen, die ein schutzwür-

diges Interesse an den Mitteln aus der unselbständigen Stiftung haben könnten und in der

Gemeinde stimmberechtigt sind. Das Gesetz über das Verwaltungsrechtspflegeverfahren

(VRPG) des Kantons Bern käme zur Anwendung (Art. 65c VRPG). Sofern die Rechtsnach-

folger eines Stifters einer unselbständigen Stiftung nicht in der Gemeinde wohnhaft sind, wä-

ren diese in einem solchen Fall von der Beschwerdemöglichkeit ausgeschlossen.

Werden bei Ihnen Fragen aus den Gemeinden zu diesem Thema gestellt? Wenn ja, wie oft?

Dem kantonalen Amt für Gemeinden und Raumordnung werden relativ häufig (wöchentlich

bis monatlich) solche Fragen betreffend Zweckerweiterung resp. -änderung gestellt. Zahlrei-

che Gemeinden verfügen über mehrere mit kleinen Beträgen versehene unselbständige Stif-

tungen, welche seit Jahrzehnten in der Jahresrechnung enthalten sind, aber aufgrund ihrer

Zweckbestimmung nicht (mehr) verwendet werden können.

Herzlichen Dank, Frau Feller, für das interessante Gespräch und die wertvolle Unterstützung.

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6.4 Instanzenzug im öffentlichen RechtWie in Kapitel 5 beschrieben gelten im Beschwerdeverfahren für die unselbständigen Stiftun-

gen, die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensrechts.

Da die Aufsichtsbehörde ein zuständiges Gemeinwesen ist, kann eine Verfügung der Auf-

sichtsbehörde mit einer Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Verwaltungs-

gerichtsbeschwerde) Art. 82 BGG angefochten werden.

Für eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist jedermann legitimiert, der ein schutzwürdiges In-

teresse an der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Verfügung hat oder durch das

Gesetz dazu ermächtigt ist, vgl. Art. 89 BGG.

Die Auswertung der Fragebogen bei den Gemeinden und den Kantonen, wie auch Anfragen

beim Obergericht AR und beim Versicherungs- und Verwaltungsgericht ZH haben ergeben,

dass noch nie ein Gericht einen Fall von Zweckänderungen oder Aufhebung eines Fonds, Le-

gates oder einer gebundenen Zuwendung im öffentlichen Recht beurteilen musste.

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7. Beurteilung von Möglichkeiten zuZweckänderungen / Auflösungen

Die Beurteilung, wie beispielsweise mit solchen Vermächtnissen ohne eigene Rechtspersön-

lichkeit umgegangen werden soll, ist nicht ganz einfach wie ein Beitrag der NZZ folio zeigt.

„Onkel Karls Vermächtnis: Ein Seelisberger wollte vor bald zweihundert Jahren seine Neffen und Nichten be-

günstigen. Dass meine Erben recht oft für meine hingeschiedene Seele beten: Chorherr Gisler. Aber das Dorf

blieb auf dem Geld sitzen – bis heute.“ 37

„Zweckbestimmte Fondsvermögen sind durch die Gemeinde aktiv zu bewirtschaften. Unter aktiver Bewirt-

schaftung werden alle Massnahmen (wie Inserate, Ausschreibungen, Flugblätter, Gutscheine, Infos an öffentli-

chen Veranstaltungen) verstanden, die es einem potentiellen Nutzniesser ermöglichen, von der Möglichkeit einer

finanziellen Unterstützung Gebrauch zu machen und sich für die Ausrichtung von Beiträgen anzumelden.

Eine Zweckentfremdung kann dazu dienen, das zugewendete Vermögen einem neuen, dem ursprünglichen

Spenderwillen ähnlichen Zweck (Zweckausweitung) zuzuführen. Mit einer Zweckentfremdung kann aber auch

der völlige Vermögensverzehr verbunden sein. Dies besonders dann, wenn die Geringfügigkeit der Erträge kei-

nen wirtschaftlichen Nutzen mehr generieren kann.“ 38

In den Ausführungen im deutschen Buch „Die unselbständigen Stiftungen des bürgerlichen

Rechts“ von Rainer Herzog ist eine Feststellung zu lesen, die auch für die Beurteilung zu den

schweizerischen unselbständigen Stiftungen mit einbezogen werden könnte:

So sind beim Stiftungsgeschäft von Todes wegen die Stiftungsbeteiligten grundsätzlich an die

vom Stifter/Erblasser getroffenen Bestimmungen gebunden. Durch Auslegung soll geklärt

werden, ob der Stifter bei Kenntnis der veränderten Umstände eine Änderung des Stiftungsge-

schäftes gewollt hätte. Diese Flexibilität weist nur die unselbständige Stiftung aus, bei den

rechtsfähigen Stiftungen ist die Hürde für eine Zweckänderung deutlich höher.39

37 Barbara Klingbacher, onkel-karls-vermächtnis in: nzz folio, Juli 2014

38 vgl. Kreisschreiben des Kt. SO, Zweckentfremdung von unselbständigen Stiftungen, Schenkungen, Legaten

39 Rainer Herzog, a.a.O., S. 91

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7.1 Grundsatzfragen

7.1.1 Fonds, Legate und gebundene Zuwendungen

Es muss zuerst geklärt werden, ob es sich um eine unselbständige Stiftung im Sinne von

Fonds, Legaten oder gebundene Zuwendungen handelt, die einer öffentlichen Behörde zuge-

wiesen wurden:

7.1.2 Fragestellungen

1. Kann der Zweck gemäss dem Willen des Stifters auch heute noch erfüllt werden?

2. Wenn der Zweck nicht mehr erfüllt werden kann, würde der Stifter in Anbetracht der ge-

änderten Verhältnisse eine Änderung des Zweckes vornehmen?

3. Kann man sich vorstellen, welche Anpassungen der Stifter nach heutigem Wissensstand

vornehmen würde?

4. Gibt es noch lebende Verwandte, Dorfbewohner, Zeitgenossen die den Stifter kannten

und seinen Willen in die heutige Zeit übermitteln könnten?

5. Gibt es ähnliche Fonds, Legate oder zweckgebundene Zuwendungen die dem Stifterwil-

len entsprechen?

6. Ist die bisherige Namensgebung wichtig?

7. Würde dies dem Stifterwillen entsprechen, wenn sein Vermögen mit einer anderen un-

selbständigen öffentlich-rechtlichen Stiftung zusammengelegt würde?

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7.2 VertrauensprinzipAuf dem Grundsatz des Vertrauensschutzes ist ein wesentlicher Teil unseres Staatssystems

aufgebaut. Vertrauensschutz bedeutet, dass die Privaten Anspruch darauf haben, auf behörd-

liche Zusicherungen vertrauen zu können und dass diese bestimmten Erwartungen in das

Verhalten der Behörden geschützt werden. In diesem Zusammenhang steht auch das Verbot

des widersprüchlichen Verhaltens der Verwaltungsbehörden gegenüber den Privaten.40

Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet ein loyales und vertrauenswürdiges Verhalten

im Rechtsverkehr. Das bedeutet im Verkehr des öffentlichen Rechts, dass die staatlichen Be-

hörden und die Bürger in ihren Rechtsbeziehungen gegenseitig aufeinander Rücksicht zu

nehmen haben. Der umfassende Grundsatz von Treu und Glauben äussert sich im Verwal-

tungsrecht vor allem in zwei Punkten:

1. Mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes hat der Bürger einen Anspruch auf Schutz

seines berechtigten Vertrauens in behördliche Zusicherungen. Im Sinne der Rechtsstaats-

idee sollen die Privaten gegen den Staat geschützt werden.

2. Mit dem Grundsatz von Treu und Glauben wird festgehalten, dass mit dem Verbot des

widersprüchlichen Verhaltens und dem Verbot des Rechtsmissbrauchs der staatlichen Be-

hörden, wie auch die Bürger, sich in ihren öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen we-

der widersprüchlich oder rechtsmissbräuchlich zu verhalten haben. Das Prinzip von Treu

und Glauben bindet somit nicht nur den Staat sondern auch die Privaten im Rechtsver-

kehr untereinander.41

Eine Person, die einer Gemeinde eine zweckgebundene Zuwendung hinterlässt, vertraut

darauf, dass dieses Gemeinwesen das Vermögen gemäss den rechtsstaatlichen Grundsät-

zen verwaltet.

40 Häfelin, Müller, Uhlmann, a.a.O., N 627

41 Häfelin, Müller, Uhlmann, a.a.O., N 622, 623

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39

7.3 VerhältnismässigkeitJegliches staatliches Handeln untersteht dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Verwal-

tungsmassnahmen müssen stets im öffentlichen Interesses geeignet und notwendig sein. Zu-

dem muss der angestrebte Zweck in einem vernünftigen Verhältnis zu den Belastungen ste-

hen, die den Privaten auferlegt werden.42

7.3.1 Eignung der Massnahme

Eine Verwaltungsmassnahme muss geeignet sein, das im öffentlichen Interesse angestrebte

Ziel zu erreichen. Ungeeignet ist eine Massnahme dann, wenn sie am Ziel vorbeischiesst, d.h.

keinerlei Wirkung im Hinblick auf den angestrebten Zweck entfaltet oder die Erreichung die-

ses Zweckes sogar erschwert oder verhindert. Die Zweckmässigkeit einer Massnahme ist im-

mer zu prüfen (vgl. BGE 130 I 140, 154).43

Fragestellung:

Ist die Massnahme einer Zweckänderung geeignet, um den Stifterwillen weiterhin erfüllen

zu können?

o Ähnliche Zwecke, im Sinne des Stifters sind in der heutigen Zeit umsetzbar.

Gibt es andere Möglichkeiten, die geeignet sind, oder wäre eine Auflösung am nahelie-

gensten?

o Die Vermögensanteile sind zu gering, um das Vermögen mit einem neuen Zweck

sinnvoll bewirtschaften zu können.

42 Häfelin, Müller, Uhlmann, a.a.O., N 581

43 Häfelin, Müller, Uhlmann, a.a.O., N 587

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40

7.3.2 Erforderlichkeit der Massnahme

Im Hinblick auf das öffentliche Interesse muss das angestrebte Ziel durch die Verwaltungs-

massnahme erforderlich sein. Sie hat zu unterbleiben, wenn eine gleich geeignete, aber mildere

Massnahme für den angestrebten Erfolg ausreichen würde.44

Fragestellung:

Ist eine Auflösung notwendig oder gibt es eine mildere andere Massnahme?

o Die vorhandenen finanziellen Mittel sind zu gering, um sie in einem umgewandelten

Fonds sinnvoll einzusetzen.

Ist eine Zweckänderung notwendig oder gibt es eine andere mildere Massnahme?

o Der definierte Zweck kann auch mit einer weiten Auslegung nicht mehr erfüllt wer-

den.

Erforderlichkeit in sachlicher Beziehung

Eine Bewilligung zu verweigern ist nicht statthaft oder ein gänzliches Verbot auszusprechen,

wenn der rechtmässige Zustand durch eine mit der Bewilligung verknüpfte Auflage oder Be-

dingung herbeigeführt werden kann.45

Fragestellung:

Ist eine Auflösung oder Zweckänderung erforderlich, um den Stifterwillen zu erfüllen?

o Das vorhandene Stiftungskapital kann nicht mehr eingesetzt werden mit der beste-

henden zweckgebundenen Auflage.

o Das vorhandene Stiftungskapital wird nicht mehr aktiv bewirtschaftet, sondern nur

noch in den Finanzbuchhaltungen nachgetragen und aufgeführt.

Erforderlichkeit in räumlicher resp. örtlicher Hinsicht

Eingriffe dürfen räumlich nicht übermässig sein.46

Fragestellung:

Ist die Behörde, für eine Zweckänderung in örtlicher Hinsicht zuständig?

o Die zweckgebundene Zuwendung ist für Bürger einer definierten Gemeinde / ei-

nes Kantons bestimmt.

44 Häfelin, Müller, Uhlmann, a.a.O., N 591

45 Häfelin, Müller, Uhlmann, a.a.O., N 595

46 Häfelin, Müller, Uhlmann, a.a.O., N 601

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41

o Die entsprechende Gemeindebehörde ist zuständig eine Zweckänderung oder Auflösung

der Bürgerversammlung / Gemeindeabstimmung / dem Regierungsrat zu unterbreiten.

Erforderlichkeit in zeitlicher Hinsicht

Massnahmen dürfen nur so lange dauern, als es notwendig ist, um das damit angestrebte Ziel

zu erreichen.47

Fragestellung:

Ist im Stiftungswillen eine zeitliche Beschränkung zur Verwendung des Stiftungskapitals

enthalten?

o Das Stiftungskapital soll genutzt werden können, d.h. nicht über Generationen blo-

ckiert werden oder jährlich nur so kleine Beiträge freizugeben, die einen sinnvollen

Mitteleinsatz verunmöglichen.

Erforderlichkeit in persönlicher Hinsicht

In persönlicher Hinsicht dürfen Verwaltungsmassnahmen nicht übermässig sein. Generelle

Einschränkungen, die alle treffen sind unzulässig, wenn die verfolgten Ziele durch individuelle

Verbote oder Beschränkungen erreicht werden können, die beim Vorliegen einer konkreten

Gefährdung angeordnet werden.48

Fragestellung:

Ist der alte Zweck auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt und kann dieser in der

heutigen Zeit auch noch sinnvoll eingeschränkt werden?

o Ein Mitteleinsatz bei einem bestimmten Personenkreis macht keinen Sinn oder ist

diskriminierend.

Z.B. Zins an den ältesten Gemeinde-Bürger: ist damit der älteste Bürger der in

der Gemeinde lebt oder der älteste Gemeinde-Bürger der irgendwo auf der Welt

lebt gemeint (vgl. Legat der Gemeinde Bühler)?

Z.B. aus dem Zins erhalten die Lehrer jährlich am Todestag des Stifters ein Fass

Bier (vgl. Legat der Gemeinde Bühler, jährlicher Zinsertrag Fr. 16.50).

47 Häfelin, Müller, Uhlmann, a.a.O., N 606

48 Häfelin, Müller, Uhlmann, a.a.O., N 610

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42

7.3.3 Verhältnismässigkeit von Zweck und Wirkung derMassnahme

Eine Verwaltungsmassnahme ist nur gerechtfertigt, wenn sie ein vernünftiges Verhältnis zwi-

schen dem angestrebten Ziel und dem Eingriff, den sie für den betroffenen Privaten bewirkt,

wahrt. Es ist eine wertende Abwägung vorzunehmen, welche im konkreten Fall das öffentli-

che Interesse an der Massnahme und die durch ihre Wirkung beeinträchtigten privaten Inte-

ressen der Betroffenen miteinander vergleicht. Die Massnahme muss durch ein das private In-

teresse überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt sein.49

Fragestellung:

Ist eine Auflösung oder Zweckänderung im öffentlichen Interesse und wiegt dieses höher

als das private Interesse des Stifters?

o Mit der zweckgebundenen Zuwendung ist die Verpflichtung verbunden, dass auf un-

beschränkte Zeit nur der Zins verwendet werden darf. Mit dem Zinsertrag kann kein

sinnvoller Mitteleinsatz erfolgen. Der Stifter will sich so ein ewiges Denkmal setzen.

Es kann nicht im Sinne des öffentlichen Interessens sein, Geld über Generationen zu

verwalten.

49 Häfelin, Müller, Uhlmann, a.a.O., N 613, 614

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43

7.3.4. Beispiel einer Zweckänderung

„Am 08.08.1947 schenkte Frau Wwe. Julie Moser-May, Upper Montclair, N.J., U.S.A., der Gemeinde

Wuppenau zwei Waldparzellen mit einer Fläche von rund zwei Hektaren unter folgenden Bedingungen:

Die geschenkten Waldparzellen bzw. ein allfällig später hierfür erzielter Verkaufserlös ist zur Errichtung ei-

nes Lehrlingsfonds zu verwenden. Aus dem Ertrag dieses Fonds sollen für die Ausbildung unbemittelter, aber

tüchtiger Bürgersöhne der Ortsgemeinde Wuppenau, welche einen Beruf erlernen wollen, Unterstützungen ge-

währt werden. Über die Gewährung von Unterstützungen hat die Ortskommission zu entscheiden. Dieser

Lehrlingsfonds soll von der Ortsgemeinde Wuppenau gesondert verwaltet und in der Gemeinderechnung als

„Leutnant Rene ́ Moser Stiftung“ aufgeführt werden.“ 50

Die Gemeinde Wuppenau erklärt die Entstehung und Zweckänderung dieser Stiftung wie

folgt:

„Diese Schenkung erfolgte im Gedenken an den Sohn von Frau Moser, René Norman Moser, welcher Leut-

nant der amerikanischen Luftwaffe war. Im Alter von 26 Jahren wurde er während des 2. Weltkrieges am

29. März 1944 über Hannover (Deutschland) abgeschlossen.

Die Vorfahren von Leutnant René Moser, Bürger von Niederhelfenschwil SG, waren im Weiler Grub sess-

haft (heutige Liegenschaft Widmer). Der Vater von René Moser, Arnold Moser, ist vermutlich anfangs dieses

Jahrhunderts nach Amerika ausgewandert. Diese zwei Waldparzellen blieben im Eigentum der Familie

Moser.

Das Stiftungsvermögen beträgt heute rund Fr. 150'000.- (siehe Stiftungsrechnung).

Die Gewährung von Unterstützungen erfolgte bis heute in einem „pauschalen“ Verfahren ohne Reglementsbe-

stimmungen. Es wurde also während fast 50 Jahren nicht geregelt, was „minderbemittelt“ und was „tüchtig“

heisst. So wurde auf Antrag an Lehrlinge ein kleiner Betrag von Fr. 300.- pro Jahr an Unterstützung ge-

währt, ohne die finanzielle Situation von Lehrling und Familie zu hinterfragen wieweit eine „Minderbemitt-

lung“ zutrifft. Im Weiteren wurden die Beiträge auch Lehrtöchtern gewährt. Nicht ganz zu erklären ist die

von Anfang an gehandhabte Praxis, dass nur Ausbildungsbeiträge an junge Leute gewährt wurden, welche das

Wuppenauer-Bürgerrecht besitzen. Es kann mit guten Gründen angenommen werden, dass mit den minderbe-

mittelten, aber tüchtigen Bürgersöhnen die Söhne unserer Stimmbürger/innen angesprochen sind. Dies umso

mehr, als die Familie Moser nicht im Besitze des Wuppenauer-Bürgerrechtes war.

Die Kommission hat sich immer wieder die Frage gestellt, was im heutigen Zeitpunkt der Wille der Stifterin,

Frau Julie Moser-May wäre, wo uns keine unbemittelten Bürgersöhne bekannt sind, die nur mit zusätzlicher

Unterstützung eine Berufslehre oder ein Studium absolvieren können. Der ursprüngliche Stiftungszweck ist

heute fraglich geworden. Dies im Gegensatz zu der Zeit, in welcher die Schenkung erfolgte, als Eltern für die

Berufslehre ihrer Kinder zur Kasse gebeten wurden. Heute erhalten die Lehrlinge ansehnliche Löhne und für

Studenten existiert ein funktionierendes Stipendienwesen.

50 Stiftungsurkunde Gemeinde Wuppenau

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44

Aus dieser Sicht kann in guten Treuen angenommen werden, dass Frau Moser im heutigen Zeitpunkt den

Stiftungszweck anders umschreiben würde. Der Sohn von Frau Julie Moser-May, Rene ́ Moser, ist in jungen

Jahren verstorben. In der Stiftungsurkunde wird auch die Jugend angesprochen. Die angeäufneten Gelder dürf-

ten, so kann angenommen werden, nach dem Willen der Stifterin auch heute – wenn auch in anderer Form –

vorwiegend der Jugend zu Gute kommen.

Am 15. Mai 1995 hat der Gemeinderat Wuppenau eine Kommission ins Leben gerufen mit dem Auftrag,

den Verwendungszweck dieser Gelder zu überprüfen bzw. zu reglementieren.

In der Folge hat diese Kommission ein Reglement ausgearbeitet, welches in Art. 2 den Stiftungszweck erweitert,

wonach die Jugend der Gemeinde Wuppenau in einer zeitgemässen Form breiter und auch gezielter von diesen

Geldern profitieren soll.

Wie alle anderen Kommissionen hat auch die Kommission René-Moser-Stiftung keine Entscheidungsbefugnis.“

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

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45

8. Beispiel Leitfaden

8.1 Grundsatzfragen

Frage JA NEIN

Ist die Trägerperson der Fonds, Legate oder zweckgebundenen Zuwendun-gen eines Gemeinwesens (Gemeinde, Kanton, Bund)?

Ist das Vermögen einem verbindlichen Zweck zugewiesen, den die Träger-person beachten muss?

Ist das Vermögen des Fonds, des Legats oder der zweckgebundenen Zu-wendungen separat ausgewiesen in den Gemeindefinanzen (Kanton,Bund)?

Obliegt die Verwaltung des Vermögens einem Gemeinwesen (Gemeinde,Kanton, Bund)?

Wenn alle Fragen mit JA beantwortet werden können, handelt es sich um eine unselbständige

Stiftung des öffentlichen Rechts. Die Kompetenzen für eine Zweckänderung oder allfällige

Auflösung liegen beim Gemeinwesen, wo das Vermögen deponiert ist (Gemeinde, Kanton,

Bund). Anwendbares Recht ist das Verwaltungsverfahrensrecht gemäss der jeweiligen Ge-

meindeordnung resp. des Gemeindegesetzes und den Grundlagen der Verwaltungsrechtspfle-

ge. Die Grundlagen des privaten Stiftungsrecht gem. Art. 80ff. ZGB sind sinngemäss mit ein-

zubeziehen.

Empfehlung: Eine Arbeitsgruppe gründen, die sich mit den nachfolgenden Fragen beschäf-

tigt und das weitere Vorgehen in die Wege leitet.

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46

8.2 Fragen zu Fonds, Legaten oder zweckgebundenenZuwendungen

Frage JA NEIN

Kann der Zweck gemäss dem Willen des Stifters auch heute noch erfülltwerden?

Wenn der Zweck nicht mehr erfüllt werden kann, würde der Stifter in Anbe-tracht der geänderten Verhältnisse eine Änderung des Zweckes vornehmen?

Kann man sich vorstellen welche Anpassungen der Stifter nach heutigemWissensstand vornehmen würde?

Gibt es noch lebende Verwandte, Dorfbewohner, Zeitgenossen die den Stif-ter kannten und seinen Willen in die heutige Zeit übermitteln könnten?

Gibt es ähnliche Fonds, Legate oder zweckgebundene Zuwendungen diedem Stifterwillen entsprechen?

Würde es dem Stifterwillen entsprechen, wenn sein Vermögen mit einer an-deren unselbständigen öffentlich-rechtlichen Stiftung zusammengelegt wür-de?

Ist die bisherige Namensgebung wichtig?

Die Antworten dieser Fragen sind zu berücksichtigen beim Vorgehen zu einer Zweckände-

rung unter Punkt 8.3.

Frage JA NEIN

Ist das Vermögen noch genügend gross für eine Zweckänderung?

Kann das Vermögen in einen anderen, ähnlichen Fonds übergeführt wer-den?

Gibt es noch weitere Fonds, Legate oder zweckgebundene Zuwendungen,die man zusammenlegen könnte in eine selbständige Sammelstiftung?

Die Antworten dieser Fragen sind zu berücksichtigen beim Vorgehen zur Auflösung unter

Punkt 8.5.

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

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47

8.3 Vorgehen zur ZweckänderungEine Zweckänderung eines Fonds, Legats oder einer zweckgebundenen Zuwendung im öf-

fentlichen Recht bedeutet einen massiven Einschnitt in das Vertrauen des Vermögens-Stifters.

Deshalb sollen vorgängig noch andere Möglichkeiten geprüft werden, immer unter Berück-

sichtigung des Vertrauens- und Verhältnismässigkeitsprinzips und des Willkürverbotes gem.

Art. 5 und 9 Bundesverfassung.

Frage JA NEIN

Gibt es Möglichkeiten, um den Fonds bewirtschaften zu können mit dem her-kömmlichen Zweck, wenn neue Mittel beschafft werden können?

Wenn ja, ist es möglich neue Mittel zu beschaffen?o Wer übernimmt diese Aufgabe?

...............................................................................................................

Wenn nein, können Kooperationen mit anderen Fonds gemacht werden?

Wenn nein, ist es sinnvoll eine Leistungspause für eine definierte Zeit einzu-schalten?

o keine Auszahlungen (auch von Zinsen), um so das Kapitalanzuhäufen

Wenn nein, kann mit einer Organisationsänderung der Zweck erfüllt werden?o Überführung des Vermögens in einen anderen Fondso Errichtung einer selbständigen Stiftungo Sammelstiftung

Wenn nein, kann mit einer Zweckänderung der Fonds aufrechterhaltenwerden?

Wenn alle Fragen mit NEIN beantwortet werden können und nur die letzte Frage mit JA,

dann soll wie folgt weitergefahren werden:

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48

Zusammenstellen von Entscheidungsgrundlagen für eine Zweckänderung oder Auflösung.

Aufgabe verantwortlich Termin erledigt

Für die Erarbeitung einer Zweckänderung soll sinngemässdas Stiftungsrecht gemäss Art. 80ff. ZGB angewendetwerden.

Grundlagen Zweckbestimmung

Urkunden, Reglemente

Brief, Testament, Erbvertrag

Gemeinderatsprotokolle

Wer kannte den Stifter?

Verwandte

Nachbarn

Zeitgenossen

Dorfbewohner

Geschichtliche Hinweise

Gibt es ähnliche, heute erfüllbare Zwecke?

Zuwendungen für das Alter

Zuwendungen für die Jugend

Zuwendungen für Heime

Zuwendungen für die Bildung

Weitere Möglichkeiten

Definition des neuen Zweckes

Zweckumschreibung

Reglement erstellen

Finanzkompetenzen klären

Antrag an den Gemeinderat

Formulieren des Antrages zur Genehmigungder Zweckänderung, basierend auf den erarbei-teten Grundlagen

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49

8.4 Genehmigung der ZweckänderungIn einigen Kantonen gibt es gesetzliche Grundlagen für die Zuständigkeit zur Genehmigung

einer Zweckänderung von Fonds, Legaten oder zweckgebundenen Zuwendungen im öffentli-

chen Recht (z.B. Bern beim Amt für Gemeinden und Raumordnung, Schaffhausen beim Amt

für Gemeinden).

In allen anderen Kantonen sind die Finanzkompetenzen der jeweiligen Gemeindeordnung

ausschlaggebend. Das heisst, wenn der Vermögenswert in der Höhe der gemeinderätlichen

Finanzkompetenz zur Mittelverwendung liegt, ist der Gemeinderat zur Genehmigung einer

Zweckänderung legitimiert.

Liegt der Vermögenswert über der gemeinderätlichen Finanzkompetenz, ist es empfehlens-

wert eine Zweckänderung dem Stimmvolk zur Genehmigung vorzulegen. Aufgrund fehlender

Gesetzesvorgaben, gibt es keine klaren Aussagen, ob eine Zustimmung des Stimmvolkes

zwingend ist bei einer Zweckänderung.

8.5 Vorgehen zur AuflösungGrundsätzlich wird ein Fonds, Legat oder eine zweckgebundene Zuwendung analog aufgelöst,

wie bei den selbständigen Stiftungen, wenn keine finanziellen Mittel mehr vorhanden sind.

Sind jedoch noch kleine Vermögensbeträge in den Büchern, die keine sinnvolle Zweckerfül-

lung oder Zweckänderung ermöglichen, gemäss den vorangehenden Fragestellungen, steht der

Weg für eine Auflösung offen.

Für eine Auflösung gibt es folgende Möglichkeiten:

1. Die noch vorhandenen Mittel werden aufgelöst aus der Spezialfinanzierung und in ein

Konto der laufenden Rechnung der Gemeinde überführt.

2. Die noch vorhandenen Mittel werden für einen öffentlichen Zweck verwendet, z.B.

Spende an ein Dorffest, Schulprojekt usw.

3. Die noch vorhandenen Mittel werden in einen anderen Fonds überführt.

4. Die noch vorhandenen Mittel werden in eine neue selbständige Sammelstiftung überführt.

Die gesetzlichen Grundlagen, wie auch die Finanzkompetenzen sind gleich anzuwenden, wie

bei einer Zweckänderung vgl. Punkt 8.4.

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50

8.6. Beispiel ReglementArt. 1 Entstehung

Art. 2 Zweck

Art. 3 Finanzierung / Speisung

Art. 4 Minimalvermögen

Art. 5 Organe

Art. 6 Stiftungskommission

Art. 7 Bearbeitung von Gesuchen

Art. 8 Berichterstattung

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51

9. Zusammenfassung / Ausblick

Bei der Auswahl zur Aufarbeitung der Thematik zu Fonds, Legaten und zweckgebundenen

Zuwendungen im öffentlichen Recht war mir bewusst, dass für Recherchen kaum Fachlitera-

tur vorhanden sein wird. Somit war es von Anfang an klar, dass ich mich auf Alltagserfahrun-

gen von Gemeinden und Kantonen, kantonale Rechtsdienste und Stiftungsaufsichten abstel-

len muss, um mein Ziel für einen Leitfaden zu dieser Thematik erreichen zu können.

Mit einem Fragebogen an die Gemeinden der Kantone Appenzell Ausserrhoden, Appenzell

Innerrhoden, St. Gallen und Thurgau, wie allen Deutschschweizer Kantonen startete ich an-

fangs Juni meine Arbeit.

Nie hätte ich gedacht, dass ich mit dieser Umfrage auf ein so grosses Echo und Interesse stos-

sen würde. Grossartige Unterstützungen und wertvolle Hinweise von verschiedensten Seiten

motivierten mich diese Thematik zu erarbeiten.

In einem ersten Gespräch mit Herrn Bischof von der Ostschweizer BVG- und Stiftungsauf-

sicht, eröffnete er mir, dass wenn man sich mit diesem Thema befasse sich manchmal eine

Fragenstellung lösen kann, dafür stellen sich sofort wieder mehrere neue Fragen.

Diese Kernaussage bewahrheitete sich zunehmend mit dem Fortschreiten meiner Arbeit.

Das Stiftungsrecht ist im ZGB geregelt, dies jedoch nur für den privaten, kirchlichen und fa-

milienrechtlichen Bereich. Erste Fragestellungen ergeben sich bereits beim erörtern der selb-

ständigen und unselbständigen Stiftungen. Bis zur Fragestellung der selbständigen öffentlich-

rechtlichen Stiftungen und unselbständigen Stiftungen im öffentlichen Recht.

Für unselbständige Stiftungen im öffentlichen Recht oder Fonds, Legate und zweckgebundene

Zuwendungen, wie sie gemäss Ortsgebrauch meistens genannt werden, gibt es keine rechtli-

chen Grundlagen. Weil sie aber einer öffentlichen Behörde übergeben wurden leitet man dar-

aus ab, dass sie dem öffentlichen Recht unterstehen, gemäss der Verwaltungsrechtpflege.

Ein Fonds, Legat oder eine zweckgebundene Zuwendung im öffentlichen Recht ist keine Stif-

tung gemäss Definition des Stiftungsrechtes, sondern ein Vermächtnis das mit einer Auflage

an die öffentliche Hand übergeben wurde. Gerade weil der Schenker keine Stiftung errichten

wollte, hat er diese Art der Vermögenszuwendung auf Dauer gewählt.

Aufgrund dieser Voraussetzungen muss jede zweckgebundene Zuwendung individuell be-

trachtet werden. Das heisst, bei einer Zweckänderung oder Auflösung sollte man die Grunds-

ätze analog des Stiftungsrechtes gem. Art. 80ff. ZGB anwenden. Bei der Mittelverwendung

sind die Grundsätze des öffentlichen Rechtes zu verfolgen.

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

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52

Für Behördenmitglieder ist eine solche individuelle Rechtsanwendung vielfach eine so grosse

Hürde, die dazu führt, dass zweckgebundene Zuwendungen vielfach über Jahre kaum bewirt-

schaftet werden. Einerseits tut man sich schwer mit Einzelfalllösungen, anderseits ist eine

Mitbestimmung des Stimmvolkes vielfach unverhältnismässig.

Aus der Umfrage bei den Gemeinden geht hervor, dass jedoch jede Lösungsart – mit oder

ohne Mitbestimmung durch das Stimmvolk – von der Gemeindebevölkerung mitgetragen

wird. Wie dies auch Rückmeldungen der Gerichte zu erfahren war, sodass noch nie ein Fall

gerichtlich beurteilt werden musste.

Mein persönlicher Schluss aus der Erarbeitung dieser Thematik ist, dass es ist nicht zwingend

notwendig alles und jedes mit einer gesetzlichen Grundlage zu regulieren. Denn gerade in die-

sem Fall kommt zum Ausdruck, dass mit gesundem Menschenverstand gute und vernünftige

Lösungen gefunden werden können, die allen Bedürfnissen gerecht werden. Einerseits die Er-

füllung des Stifterwillens und anderseits eine sinngemässe Mittelverwendung, die unserem

Zeitgeist entspricht.

Auch wenn ich mit meiner Diplomarbeit noch längst nicht alle Fragen dieser Thematik erar-

beiten und Antworten finden konnte, hoffe ich mit dem beiliegenden Leitfaden einigen Ge-

meinden eine kleine Hilfestellung zu diesem komplexen Thema bieten zu können.

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

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VII

VI. Literaturverzeichnis

o Barbara Klingbacher, onkel-karls-vermächtnis in: nzz Folio, Juli 2014

o Häfelin, Müller, Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6.A., Dike Verlag AG,

Zürich, St. Gallen, 2010

o Historisches Lexikon der Schweiz, Stiftung, B12, Schwabe Verlag 2013

o Michael Riemer, Das Personenrecht, Die juristischen Personen, Die Stiftungen, Systemati-

scher Teil, 3. A., Bd.1/3/3, Stämpfli Verlag 1981

o Michael Riemer, Die Stiftungen, Berner Kommentar, 3.A., Bd.1/3/3, Stämpfli Verlag 1981

o Rainer Herzog, Die unselbständige Stiftung des bürgerlichen Rechts, Nomos-

Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2006

o Rechnungswesen der zürcherischen Gemeinden /Allgemeines über die bisherigen Fonds

Kapitel 16.1 Handbuch 1984, Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich

o Thomas Aebersold, Toni Amonn, Rahel Leimer, unter Mitarbeit von Franz Müller, Die Stif-

tung - Dogmatische und praktische Grundlagen, in v.FISCHER Recht (einsehbar in:

www.recht.vfischer.ch)

o Tuor, Schnyder, Rumo-Jungo, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 13A, Schulthess Verlag,

Zürich 2009

o Ulrike Vedder, Schwierige Erbschaften – Zur Kultur und Literaturgeschichte in: successio

3/2013

VII. Weitere Quellen

o BVG- und Stiftungsaufsicht des Kantons Zürich (BVS)/ lic.iur. Lydia Scherrer, jur. Mitarbei-

terin / Zitat / Antwort Fragebogen Kantone

o Fonds – Unterlagen / Jahresrechnung 2013 / Gemeinde Bühler

o Kreisschreiben Kt. SO/ Zweckentfremdung von unselbständigen Stiftungen, Schenkungen,

Legaten

o Reglement der René Moser-Stiftung der Gemeinde Wuppenau

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VIII

VIII. Anhänge / Beilagen

a) Laupenstiftung für bernische Wehrmänner

b) Beispiele Fragebogen Gemeinden

c) Beispiele Fragebogen Kantone

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IX

a) Laupenstiftung für bernische Wehrmänner24. Juni 1939

Grossratsbeschlussüber die Errichtung der Laupenstiftung [Titel Fassung vom 12. 2. 1987]

Der Grosse Rat des Kantons Bern, in Erinnerung an den von Bern und seinen Verbündeten zur Wahrung der Unabhängigkeit und Behauptung der Freiheit gegen fremde Übermacht vor sechshundert Jahren er-strittenen Sieg bei Laupen; in dankbarem Gedenken an die für ihr Vaterland auf dem Schlachtfeld gefal-lenen Wehrmänner; im Bestreben und zum Zwecke, die Angehörigen unserer Armee und des Zivil-schutzes gegen Schäden zu schützen, die sie in Erfüllung ihrer Dienstpflicht erleiden, [Ingress Absatz 3 Fas-sung vom 12. 2. 1987] beschliesst:

Art. 1[Fassung vom 12. 2. 1987] Unter dem Namen «Laupenstiftung» wird ein kantonaler Unterstützungsfonds er-richtet, aus welchem bernische Angehörige der Armee und des Zivilschutzes oder ihre Angehörigen unter-stützt werden sollen, welche bei der Ausübung ihrer Dienstpflicht unverschuldet in Not geraten sind.Die Unterstützung soll nach Massgabe der Hilfsmittel des Fonds besonders in solchen Fällen ausgerichtetwerden, in denen weder durch die Militärversicherung noch durch die Winkelriedstiftung, noch durch dieNationalspende oder andere Fonds genügend geholfen werden kann und namentlich auch da einsetzen,wo bernische Angehörige der Armee und des Zivilschutzes und ihre Angehörigen infolge länger dauern-der Dienstleistung in Not oder Bedrängnis geraten.

Art. 1 a... [Eingefügt am 3. 2. 1971, aufgehoben am 12. 2. 1987]

Art. 21 Der Staat stellt der «Laupenstiftung» einen einmaligen Betrag von 100 000 Franken zur Verfügung. [Fas-sung vom 12. 2. 1987]2 Andere bestehende Fonds zu ähnlichen Zwecken können mit der Laupenstiftung vereinigt werden.

3 Im übrigen soll die «Laupenstiftung» durch freiwillige Zuwendungen Dritter und den Ertrag ihrer Zinsengeäufnet werden. [Fassung vom 12. 2. 1987]

Art. 3[Fassung vom 12. 2. 1987] Die «Laupenstiftung» steht unter der Aufsicht der kantonalen Polizei- und Mili-tärdirektion [Fassung vom 31. 3. 1993]

Art. 41 Der Regierungsrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.2 Er ordnet die Organisation und die Verwaltung der Stiftung durch ein Reglement.

Art. 5Dieser Beschluss tritt mit dem heutigen Tag in Kraft.Bern, 24. Juni 1939

Im Namen des Grossen RatesDer Präsident: von SteigerDer Staatsschreiber: Schneider

Anhang

Änderungen

3. 2. 1971 GRB GS 1971/57, in Kraft am 3. 2. 1971

12. 2. 1987 GRB GS 1987/82, in Kraft am 1. 4. 1987

31. 3. 1993 V GS 1993/263, in Kraft am 1. 1. 1993

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X

b) Beispiele Fragebogen Gemeinden

Herisau

Gibt es in Ihrer Gemeinde unselbständige Stiftungen / Fonds /Legate, die Sie über die

Gemeinderechnung verwalten?

Ja, total 26 Positionen

Falls diese unselbständigen Stiftungen / Fonds /Legate eine Zweckbestimmung haben,

können diese Zwecke heute noch erfüllt werden?

Bei den meisten ja. Bei Einzelnen mussten wir den Zweck anpassen.

Haben Sie schon Zweckänderungen vorgenommen? Wenn ja, wie sind Sie vorgegangen?

Ja. Die Änderung wurde durch einen Gemeinderats-Beschluss gemacht. Eine ausführliche Be-

gründung war ebenfalls nötig.

Welcher Instanz haben Sie die Zweckänderungen zur Genehmigung vorgelegt?

Gemeinderat

Wie deklarieren sie diese unselbständigen Stiftungen / Fonds / Legate in der Jahres-

rechnung der Gemeinde?

Nach HRM2 in der Bilanz mit der Kontonummer 2911 Legate und Stiftungen ohne eigene

Rechtspersönlichkeit im EK (nur wenn die Verfügungsberechtigung bei der Gemeinde ist)

Gab es schon gerichtliche Auseinandersetzungen zu diesem Thema in Ihrer Gemeinde?

Wenn ja, welches Verfahren wurde angewendet (Verwaltungsrechtsverfahren oder Zivil-

rechtsverfahren)?

Nein

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XI

Waldstatt

Gibt es in Ihrer Gemeinde unselbständige Stiftungen / Fonds / Legate, die Sie über die

Gemeinderechnung verwalten?

JA

Falls diese unselbständigen Stiftungen / Fonds / Legate eine Zweckbestimmung haben,

können diese Zwecke heute noch erfüllt werden?

Dies ist sehr schwer; oftmals können wir den Zweck nur sinngemäss umsetzen bzw. müssen die-

sen den heutigen Bedürfnissen / Begebenheiten anpassen.

Haben Sie schon Zweckänderungen vorgenommen? Wenn ja, wie sind Sie vorgegangen?

Ja – wir haben einen Fonds im Gemeinderat zu einem ähnlichen / adaptierten Zweck aufgelöst

(Entscheid GR mit Rücksprache in der Kommission Finanzen).

Welcher Instanz haben Sie die Zweckänderungen zur Genehmigung vorgelegt?

Gemeinderat und vorab Kommission Finanzen (im Sinne einer Beratung)

Wie deklarieren sie diese unselbständigen Stiftungen / Fonds / Legate in der Jahres-

rechnung der Gemeinde?

Als Teil des Eigenkapitals (Fonds im Eigenkapital, zweckbestimmt)

Gab es schon gerichtliche Auseinandersetzungen zu diesem Thema in Ihrer Gemeinde?

Wenn ja, welches Verfahren wurde angewendet (Verwaltungsrechtsverfahren oder Zivil-

rechtsverfahren)?

Nein

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XII

Waldkirch

Gibt es in Ihrer Gemeinde unselbständige Stiftungen / Fonds / Legate, die Sie über die

Gemeinderechnung verwalten?

Vor allem div. Fonds welche bestehen. Per Ende 2013 waren es in der Gemeinde Waldkirch

11verschiedene Fonds (sh. angefügte Datei).

Falls diese unselbständigen Stiftungen / Fonds / Legate eine Zweckbestimmung haben,

können diese Zwecke heute noch erfüllt werden?

Zum grossen Teil können die Zwecke noch erfüllt werden. Vereinzelt erfüllten die Fonds nicht

mehr die Zwecke und wurden deshalb geändert.

Haben Sie schon Zweckänderungen vorgenommen? Wenn ja, wie sind Sie vorgegangen?

Wir haben kürzlich Zweckänderungen vorgenommen indem der Gemeinderat neue Reglemente

erstellt hat.

Welcher Instanz haben Sie die Zweckänderungen zur Genehmigung vorgelegt?

Wie bereits erwähnt hat der Gemeinderat die Zweckänderungen vorgenommen und die Regle-

mente dem fakultativen Referendum unterstellt.

Wie deklarieren sie diese unselbständigen Stiftungen / Fonds / Legate in der Jahres-

rechnung der Gemeinde?

Die Deklarationen erfolgen via Wertschriftenverzeichnis jeweils im Geschäftsbericht.

Gab es schon gerichtliche Auseinandersetzungen zu diesem Thema in Ihrer Gemeinde?

Wenn ja, welches Verfahren wurde angewendet (Verwaltungsrechtsverfahren oder Zivil-

rechtsverfahren)?

Nein.

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XIII

Quarten

Gibt es in Ihrer Gemeinde unselbständige Stiftungen / Fonds / Legate, die Sie über die

Gemeinderechnung verwalten?

Wir haben im Jahr 2013 sämtliche Stiftungen, welche wir verwaltet haben, in einen neuen Fonds

überführt (Jugend- und Kulturfonds), da die Zweckbestimmungen der Stiftungen nicht mehr ge-

geben waren oder zu wenig Geld für deren Umsetzung vorhanden war.

Falls diese unselbständigen Stiftungen / Fonds / Legate eine Zweckbestimmung haben,

können diese Zwecke heute noch erfüllt werden?

Siehe oben

Haben Sie schon Zweckänderungen vorgenommen? Wenn ja, wie sind Sie vorgegangen?

Siehe oben

Welcher Instanz haben Sie die Zweckänderungen zur Genehmigung vorgelegt?

Neues Reglement wurde dem fak. Referendum unterstellt

Wie deklarieren sie diese unselbständigen Stiftungen / Fonds / Legate in der Jahres-

rechnung der Gemeinde?

War bis 2013 Teil der Bestandesrechnung

Gab es schon gerichtliche Auseinandersetzungen zu diesem Thema in Ihrer Gemeinde?

Wenn ja, welches Verfahren wurde angewendet (Verwaltungsrechtsverfahren oder Zivil-

rechtsverfahren)?

nein

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

Diplomarbeit Rechtsassistent/in HFIngeborg Schmid

XIV

St. Margrethen

Gibt es in Ihrer Gemeinde unselbständige Stiftungen / Fonds / Legate, die Sie über die

Gemeinderechnung verwalten?

Ja. 4 Stiftungen (Seniorenausflug, Unterstützung für auswärtige Ausbildung, Erhalt historisches

Gebäude, Unterstützung Bedürftige in der Alterssiedlung)

Falls diese unselbständigen Stiftungen / Fonds / Legate eine Zweckbestimmung haben,

können diese Zwecke heute noch erfüllt werden?

Teils. Aufgrund der aktuellen Zinssituation genügen die Erträge bei den zwei zuerst genannten

Stiftungen derzeit nicht, um den Stiftungszweck zu finanzieren. Die anderen zwei Stiftungen

«funktionieren».

Haben Sie schon Zweckänderungen vorgenommen? Wenn ja, wie sind Sie vorgegangen?

Zweckveränderungen sind beabsichtigt. Wir werden demnächst der Ostschw. BVG- und Stif-

tungsaufsicht Vorschläge für das Anpassen der Stiftungszwecke bzw. -bedingungen unterbreiten...

Welcher Instanz haben Sie die Zweckänderungen zur Genehmigung vorgelegt?

Siehe letzte Frage.

Wie deklarieren sie diese unselbständigen Stiftungen / Fonds / Legate in der Jahres-

rechnung der Gemeinde?

Derzeit werden die Stiftungen nicht präsentiert. Es ist aus meiner Sicht auch nicht notwendig, da

weder eine Einflussmöglichkeit noch ein Informationsrecht der Stimmenden besteht.

Gab es schon gerichtliche Auseinandersetzungen zu diesem Thema in Ihrer Gemeinde?

Wenn ja, welches Verfahren wurde angewendet (Verwaltungsrechtsverfahren oder Zivil-

rechtsverfahren)?

Nein. Keine gerichtlichen Auseinandersetzungen

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

Diplomarbeit Rechtsassistent/in HFIngeborg Schmid

XV

Lichtensteig

Gibt es in Ihrer Gemeinde unselbständige Stiftungen / Fonds / Legate, die Sie über die

Gemeinderechnung verwalten?

Ja

Falls diese unselbständigen Stiftungen / Fonds / Legate eine Zweckbestimmung haben,

können diese Zwecke heute noch erfüllt werden?

Ja, grundsätzlich können die Zwecke erfüllt werden, allerdings stellt sich teilweise die Frage, ob

die Zweckbestimmungen noch zeitgerecht sind.

Haben Sie schon Zweckänderungen vorgenommen? Wenn ja, wie sind Sie vorgegangen?

Es wurden teilweise Beiträge gutgesprochen, die nur teilweise der Zweckbestimmung entspre-

chen, allerdings von der Sozialkommission als vertretbar betrachtet wurden.

Welcher Instanz haben Sie die Zweckänderungen zur Genehmigung vorgelegt?

Sozialkommission

Wie deklarieren sie diese unselbständigen Stiftungen / Fonds / Legate in der Jahres-

rechnung der Gemeinde?

Bestandesrechnung: 28 Sondervermögen / 2800 Zweckbestimmte Zuwendungen

mit Anfangsbestand, Veränderungen und Endbestand

Die Fonds werden nicht einzeln deklariert

Gab es schon gerichtliche Auseinandersetzungen zu diesem Thema in Ihrer Gemeinde?

Wenn ja, welches Verfahren wurde angewendet (Verwaltungsrechtsverfahren oder Zivil-

rechtsverfahren)?

Nein

Anmerkung: Interessant zu wissen wäre auch, wie mit dem „untastbaren Kapital“ umzugehen

ist. Können diese irgendwann ganz aufgelöst werden? Es macht wenig Sinn, die Fonds zu verwal-

ten, wenn keine oder kaum noch Auszahlungen möglich sind aufgrund der tiefen Zinserträge.

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

Diplomarbeit Rechtsassistent/in HFIngeborg Schmid

XVI

c) Beispiele Fragebogen Kantone

Graubünden

Gibt es in Ihrem Kanton unselbständige Stiftungen / Fonds / Legate, die Sie über die

Kantonsrechnung verwalten?

Der Kanton Graubünden verwaltet verschiedene unselbständige Stiftungen, Fonds und Legate

(Rechnungsbotschaft 2013, Seite 292 ff.).

Falls diese unselbständigen Stiftungen / Fonds / Legate eine Zweckbestimmung haben,

können diese Zwecke heute noch erfüllt werden?

Diese Zwecke können nicht in jedem Falle erfüllt werden. Daher prüft man von Zeit zu Zeit

mögliche Anpassungen und auch Zusammenlegungen.

Haben Sie schon Zweckänderungen vorgenommen? Wenn ja, wie sind Sie vorgegangen?

Ja, es kommt auf die Rechtsgrundlage an (siehe Rechnungsbotschaft 2013, Seite 292). Viele

Fonds gründen auf einem Regierungsbeschluss (RB) und demnach ist die Regierung zuständig.

Es kann aber auch eine grossrätliche Verordnung sein (Aufhebung Winkelriedfonds Budgetbot-

schaft 2014, Seite 35).

In Art. 23 des Finanzhaushaltgesetzes (BR 710.100) ist neu vorgesehen, eine selbständige Sam-

melstiftung zu errichten. Dar Kanton kann unselbständige Stiftungen mit geringfügigen Mitteln

in diese Sammelstiftung überführen. Dadurch wird die Verwaltung vereinfacht.

Welcher Instanz haben Sie die Zweckänderungen zur Genehmigung vorgelegt?

Je nach zuständiger Instanz (siehe Rechnungsbotschaft 2013, Seite 292 ff.) und Rechtsgrundlage.

Wie deklarieren sie diese unselbständigen Stiftungen / Fonds / Legate in der Jahres-

rechnung der Gemeinde?

Die Gemeinden haben bis 2018 Zeit, ihre Rechnungslegung auf HRM2 umzustellen. Für den

Ausweis in der Jahresrechnung wenden die Gemeinden darum vorläufig noch unterschiedliche

Standards an:

Behandlung unter HRM2:

Je nach Art der Zweckbindung der Legate und Stiftungen, werden sie wie die Spezialfinanzierun-

gen im Fremd- oder Eigenkapital ausgewiesen (vgl. Art. 17 FHVG; BR 710.200). Sind die

Zweckbestimmungen präzis und einschränkend umschrieben, so sind die Kapitalien als Fonds im

Fremdkapital zu führen. Ist die Zweckverwendung der Mittel hingegen offen formuliert und hat

die Gemeinde entsprechend einen grösseren Handlungs- und Entscheidungsspielraum, wie sie

Gelder einsetzen will, sind sie unter den Fonds im Eigenkapital auszuweisen.

Behandlung unter HRM1:

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

Diplomarbeit Rechtsassistent/in HFIngeborg Schmid

XVII

Die Stiftungen und Fonds werden unter den "Verpflichtungen für Spezialfinanzierungen" bilan-

ziert. Eine Unterteilung in Fremd- oder Eigenkapital gibt es nicht.

Gab es schon gerichtliche Auseinandersetzungen zu diesem Thema in Ihrem Kanton?

Wenn ja, welches Verfahren wurde angewendet (Verwaltungsrechtsverfahren oder Zivil-

rechtsverfahren)?

Uns sind keine gerichtlichen Auseinandersetzungen im Kanton bekannt. Somit können wir auch

zum Verfahren keine Aussage machen.

Werden bei Ihnen Fragen aus den Gemeinden zu diesem Thema gestellt? Wenn ja, wie

oft?

Im Zuge der Umsetzung von Gemeindezusammenschlüssen sowie bei der Umsetzung von

HRM2 erfolgt in der Regel eine vertiefte Auseinandersetzung auch mit diesem Themenkreis. Bei

Gemeindezusammenschlüssen wird zudem gleichzeitig auf HRM2 umgestellt. Dort finden eine

Konsolidierung der Gemeinde-Jahresrechnungen sowie eine Bilanzbereinigung statt. Ausserhalb

von Gemeindezusammenschlüssen bzw. der Umstellung auf HRM2 werden selten Fragen an die

kantonale Aufsichtsstelle über die Gemeindefinanzen gestellt. Vereinzelte Fragen gab es z.B. zur

Aufsicht über die unselbständigen Stiftungen oder bei der Frage, ob Dritte (z.B. eine Kirchge-

meinde) mit der Verwaltung betraut werden darf.

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

Diplomarbeit Rechtsassistent/in HFIngeborg Schmid

XVIII

Obwalden

Gibt es in Ihrem Kanton unselbständige Stiftungen / Fonds / Legate, die Sie über die

Kantonsrechnung verwalten?

Ja, wobei die kantonalen Fonds in der Regel aktiv sind (z.B. Asylunterkünfte). Die alten Legate

und unselbständigen Stiftungen werden in der Regel von den Gemeinden verwaltet und werden

uns (kantonale Stiftungsaufsicht) nur dann näher bekannt, wenn solche Stiftungen ihren Zweck

nicht mehr erfüllen können. In den vergangenen 20 Jahren wurden mehrmals unselbständige Stif-

tungen aufgehoben und das Vermögen in andere Stiftungen überführt.

Falls diese unselbständigen Stiftungen / Fonds / Legate eine Zweckbestimmung haben,

können diese Zwecke heute noch erfüllt werden?

Als kantonale Stiftungsaufsichtsbehörde haben wir nur sehr wenig Einsicht in die unselbständi-

gen Stiftungen / Fonds und Legate der Gemeinden. Soweit uns bekannt erfüllen diese noch heu-

te ihren Zweck, andernfalls erfolgt früher oder später deren Aufhebung.

Haben Sie schon Zweckänderungen vorgenommen? Wenn ja, wie sind Sie vorgegangen?

Es gab in den vergangenen 20 Jahren mehrmals Zusammenlegungen von kantonalen Fonds, wo-

bei gleichzeitig auch der Zweck des verbleibenden Fonds so angepasst wurde, dass der Zweck

weiterhin erfüllt werden konnte.

Welcher Instanz haben Sie die Zweckänderungen zur Genehmigung vorgelegt?

Der Beschluss wurde durch das zuständige Departement der kantonalen Stiftungsaufsicht (Regie-

rungsrat) vorgelegt.

Wie deklarieren sie diese unselbständigen Stiftungen / Fonds / Legate in der Jahres-

rechnung der Gemeinde?

Ist uns (als kantonale Stiftungsaufsicht) nicht näher bekannt. Die kantonalen Fonds werden in ei-

nem Fondsverzeichnis durch die kantonale Finanzverwaltung nachgeführt

Gab es schon gerichtliche Auseinandersetzungen zu diesem Thema in Ihrem Kanton?

Wenn ja, welches Verfahren wurde angewendet (Verwaltungsrechtsverfahren oder Zivil-

rechtsverfahren)?

In unserem kleinen Kanton gab es unseres Wissens keine solchen Auseinandersetzungen.

Werden bei Ihnen Fragen aus den Gemeinden zu diesem Thema gestellt? Wenn ja, wie

oft?

Vielleicht ein- bis zweimal jährlich telefonische Anfragen.

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

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XIX

St. Gallen

Gibt es in Ihrem Kanton unselbständige Stiftungen / Fonds / Legate, die Sie über die

Kantonsrechnung verwalten?

Kanton St.Gallen: In der Kantonsrechnung werden solche Stiftungen, Fonds und Legate unter-

schiedlich behandelt. Der Grossteil (Fonds und Legate) wird in den sogenannten Staatsfonds zu-

sammengefasst. Deren Vermögen wird gesamthaft verwaltet. Die selbständigen Stiftungen je-

doch, deren Verwaltung beim Kanton liegt, werden separat publiziert.

Gemeinden im Kanton St.Gallen: In einer Vielzahl von Gemeinden gibt es unselbständige Stif-

tungen/Fonds/Legate (im Folgenden: "Fonds"). Diese erscheinen auch in den Rechnungen der

Gemeinden. Es ist hier vielleicht noch zu erwähnen, dass im Kanton St.Gallen nicht nur politi-

sche Gemeinden als Gemeinden im Sinne des Gemeindegesetzes gelten, sondern auch Schulge-

meinden, Ortsgemeinden, ortsbürgerliche Korporationen und örtliche Korporationen. Bei all

diesen Gemeindearten gibt es Fonds, besonders häufig bei Ortsgemeinden.

Falls diese unselbständigen Stiftungen / Fonds / Legate eine Zweckbestimmung haben,

können diese Zwecke heute noch erfüllt werden?

Kanton St.Gallen: Durch die Tatsache, dass sich es bei diesen Fonds und Legate zum Teil um

sehr alte Geschäfte handelt, sind auch deren Verwendungszweck oft nach einer "alten Termino-

logie" umschrieben. Dies macht die Einhaltung des Verwendungszwecks natürlich nicht einfa-

cher. Wenn jedoch diesbezügliche Probleme bestehen, dann wird immer nach einer entsprechen-

den Lösung gesucht. Teilweise wird der Kontakt mit dem damaligen "Schenker-Umfeld" gesucht,

um so eine Lösung zu finden. Wenn die Zweckbestimmung besagt, dass die Verwendung im

Ermessen der Regierung liegt, können allfällige, sinngemässe Zweckänderungen durch die Regie-

rung beschlossen werden.

Es gab aber auch schon den Fall, dass der Zweck durch den Kanton nicht mehr erfüllt werden

konnte und das Kapital mit entsprechenden Auflagen an einen anderen Fonds, der zweckähnli-

che Ziele verfolgte, übertragen worden ist.

Es gibt zudem auch einen Fonds, für den es gar eine eigene Verordnung gibt: Den Friedrich-

Bartholme-Fonds, sGS 325.31.

Gemeinden Kanton St.Gallen: Eine generelle Aussage kann dazu nicht gemacht werden, da wir

die Übersicht über die Fonds nicht haben. Im Jahr sind wir aber vielleicht zwei, drei Mal mit der

Frage konfrontiert, wie eine Gemeinde mit einem Fonds weiter verfahren soll. In der Regel findet

dann eine Zweckänderung oder eine Auflösung (wenn die Mittel gering sind) statt.

Haben Sie schon Zweckänderungen vorgenommen? Wenn ja, wie sind Sie vorgegangen?

Kanton St.Gallen: Siehe dazu die Antwort zur vorherigen Frage.

Gemeinden Kanton St.Gallen: In den Gemeinden kommt es vor, dass Zweckänderungen vor-

genommen werden. Nach Art. 21 der Verordnung über den Finanzhaushalt der Gemeinden (sGS

151.53) dürfen zweckgebundene Zuwendungen von Privaten aber nur in sachgemässer Anwen-

dung der zivilrechtlichen Vorschriften über die Stiftungen für einen anderen Zweck verwendet

werden. Dabei wird von den Gemeinden ein Reglement mit dem neuen Zweck erstellt, welches

dem fakultativen Referendum untersteht.

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

Diplomarbeit Rechtsassistent/in HFIngeborg Schmid

XX

Welcher Instanz haben Sie die Zweckänderungen zur Genehmigung vorgelegt?

Kanton St.Gallen: Je nach dem um welche Art Stiftung, Fonds oder Legat es sich handelt, wer-

den die betroffenen Instanzen kontaktiert, d.h.

o "Schenker-Umfeld" (falls noch vorhanden) mit anschliessendem Regierungsbeschluss;

o nur Regierungsbeschluss, wenn die Zuständigkeit bei der Regierung liegt;

o die Ostschweizer BVG- und Stiftungsaufsicht, St.Gallen;

o allenfalls mit anschliessender Publikation im Amtsblatt.

Gemeinden Kanton St.Gallen: Die Genehmigungspflicht für Zweckänderungen von Fonds

wurde mit dem I. Nachtrag zum Gemeindegesetz im Jahr 2000 abgeschafft. Bis zum 1. Januar

2010 mussten alle rechtsetzenden Reglemente der Gemeinden vom Kanton genehmigt werden,

somit auch Fonds–Reglemente. Eine solche Genehmigungspflicht besteht ebenfalls nicht mehr.

Fondsreglemente (wenn sie nicht nur z. B. den Text eines Testaments sachgemäss widergeben)

unterstehen aber – wie oben erwähnt – dem fakultativen Referendum.

Wie deklarieren sie diese unselbständigen Stiftungen / Fonds / Legate in der Jahres-

rechnung der Gemeinde?

Gemeinden Kanton St.Gallen: In der Gemeinderechnung werden die Fonds als Sondervermö-

gen einzeln mit Namen aufgeführt.

Kanton St.Gallen: In der Kantonsrechnung werden diese ebenfalls im Sondervermögen einzeln

mit Namen und entsprechenden Beständen bzw. Bilanz/Erfolgsrechnungen aufgeführt. Je nach

dem, um welche Art es sich handelt.

Gab es schon gerichtliche Auseinandersetzungen zu diesem Thema in Ihrem Kanton?

Wenn ja, welches Verfahren wurde angewendet (Verwaltungsrechtsverfahren oder Zivil-

rechtsverfahren)?

Gemeinden Kanton St.Gallen: Was die Gemeinden betrifft, gibt es einen uns bekannten Ent-

scheid, der findet sich in GVP 1994, Nr. 80. Der Entscheid erging durch das Departement des

Innern. Er ist allerdings unter altem Recht ergangen.

Kanton St.Gallen: Ist uns - zumindest für die letzten 25 Jahr - nicht bekannt.

Werden bei Ihnen Fragen aus den Gemeinden zu diesem Thema gestellt?

Wenn ja, wie oft?

Gemeinden Kanton St.Gallen: Wie oben erwähnt, kommt es etwa zwei, drei Male pro Jahr

vor, dass eine Gemeinde eine Frage zu einem Fonds stellt.

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

Diplomarbeit Rechtsassistent/in HFIngeborg Schmid

XXI

Uri

Gibt es in Ihrem Kanton unselbständige Stiftungen / Fonds / Legate, die Sie über die

Kantonsrechnung verwalten?

Im Kanton Uri sind zwei Stiftungen, die Ihrer Umschreibung am nächsten kommen. Es handelt

sich hier um die Muheim'schen Stiftungen (Stiftung Fonds für die Primarschulen sowie Stiftung

Fonds für Gemütskranke). Sie werden jedoch nicht über die Kantonsrechnung verwaltet. Ge-

führt wird sie von einem vom Urner Landrat gewählten Verwaltungsrat. Die Erfolgsrechnung

und die Bilanz werden jährlich von der kantonalen Finanzkontrolle geprüft.

Falls diese unselbständigen Stiftungen / Fonds / Legate eine Zweckbestimmung haben,

können diese Zwecke heute noch erfüllt werden?

Zweck der Stiftung Fonds für die Primarschulen: "…ausschliesslich und unabänderlich darin, ei-

nen möglichst wirksamen, nützlichen und zweckmässigen Beitrag zur Hebung der Primarschulen

in den 17 Gemeinden des Bezirkes Uri zu leisten."

Der Betrieb in den Primarschulen des Kantons Uri ist gesetzlich geregelt. Auch ist der Kostentei-

ler Kanton/Gemeinden klar festgelegt. Es gibt jedoch weiterhin Projekte, an die der Kanton kei-

ne Beträge leistet. Dort kann die Stiftung Beiträge leisten.

Zweck der Stiftung für Gemütskranke: "Fr. X bestimme ich für einen kantonalen Irrenfonds.

Viele Irren im Kanton werden vernachlässigt fristen ein schreckliches Dasein. Es ist daher mein

Wille, dass die Zinsen dieses Fonds…zur Unterbringung und Verpflegung der beklagenswertes-

ten und ärmsten Irrsinnigen in einer gut geleiteten öffentlichen Anstalt verwendet werden sol-

len."

Die Sozialversicherungen sichern im Grundsatz die Existenzgrundlage eines Jeden in der

Schweiz. Die Stiftung kann hier insbesondere gute Dienste leisten, wenn sie für Minderbemittelte

Leistungen ausrichtet, die von den Sozialversicherungen nicht übernommen werden oder wenn

die Leistungen der Sozialversicherungen die Kosten der Unterbringung usw. nicht decken.

Haben Sie schon Zweckänderungen vorgenommen? Wenn ja, wie sind Sie vorgegangen?

Nein. Es wurden jedoch in den vergangenen Jahren beim kantonalen Rechtsdienst Abklärungen

zum anwendbaren Recht gemacht. Eine Zweckänderung ist bislang nicht notwendig.

Wie deklarieren sie diese unselbständigen Stiftungen / Fonds / Legate in der Jahres-

rechnung der Gemeinde?

Keine Deklaration in der Kantonsrechnung

Gab es schon gerichtliche Auseinandersetzungen zu diesem Thema in Ihrem Kanton?

Wenn ja, welches Verfahren wurde angewendet (Verwaltungsrechtsverfahren oder Zivil-

rechtsverfahren)?

Nein

Werden bei Ihnen Fragen aus den Gemeinden zu diesem Thema gestellt? Wenn ja, wie

oft?

Ja. Anfang Jahr wird im Amtsblatt des Kantons Uri aufgefordert, bis zu einem bestimmten Zeit-

punkt Gesuche an die beiden Stiftungen einzureichen. Hier kann es vorkommen, dass Gemein-

den im Vorfeld abklären wollen, ob ein konkretes Gesuch X überhaupt gemäss Stiftungsurkunde

unterstützungswürdig ist.

Es sind rund 2 bis 3 Anfragen pro Jahr.

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XXII

Schaffhausen

Gibt es in Ihrem Kanton unselbständige Stiftungen / Fonds / Legate, die Sie über die

Kantonsrechnung verwalten?

Ja, es gibt einige wenige Fonds, welche über die Kantonsrechnung verwaltet werden. Die meisten

Fonds werden aber in den Bestandesrechnungen der Gemeinden aufgeführt.

Falls diese unselbständigen Stiftungen / Fonds / Legate eine Zweckbestimmung haben,

können diese Zwecke heute noch erfüllt werden?

Ja, allenfalls mit angepasster Zweckbestimmung.

Haben Sie schon Zweckänderungen vorgenommen? Wenn ja, wie sind Sie vorgegangen?

Zweckänderungen kommen praktisch nicht vor. Entweder wird der Fonds aufgehoben oder die

Zweckbestimmung weit ausgelegt.

Welcher Instanz haben Sie die Zweckänderungen zur Genehmigung vorgelegt?

Bei gemeindeeigenen Fonds hebt das für Gemeindeangelegenheiten zuständige Departement auf

Antrag des Gemeinderates die Zweckbindung auf oder ändert sie, wenn sie unzeitgemäss oder

unwirksam geworden ist (Art. 78 Abs. 2 des Gemeindegesetzes, GG; SHR 120.100).

Wie deklarieren sie diese unselbständigen Stiftungen / Fonds / Legate in der Jahres-

rechnung der Gemeinde?

Gestützt auf Art. 78 Abs. 1 GG werden Schenkungen und letztwillige Zuwendungen mit be-

stimmter Zweckbindung in den Bestandesrechnungen der Gemeinden unter den "Verpflichtun-

gen für Sonderrechnungen" ausgewiesen.

Gab es schon gerichtliche Auseinandersetzungen zu diesem Thema in Ihrem Kanton?

Wenn ja, welches Verfahren wurde angewendet (Verwaltungsrechtsverfahren oder Zivil-

rechtsverfahren)?

Uns sind keine gerichtlichen Auseinandersetzungen zu diesem Thema bekannt.

Werden bei Ihnen Fragen aus den Gemeinden zu diesem Thema gestellt? Wenn ja, wie

oft?

Gelegentlich können sich Fragen zu diesem Thema ergeben. Sie sind aber eher allgemeiner Art.

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

Diplomarbeit Rechtsassistent/in HFIngeborg Schmid

XXIII

Zürich

Wir nehmen Bezug auf Ihre Mail vom 23. Juni 2014 mit dem Sie den Fragebogen zu unselbständigen Stif-

tungen des öffentlichen Rechts an uns weitergeleitet haben.

Öffentlichrechtliche Stiftungen unterstehen grundsätzlich nicht der privatrechtlich geregelten Aufsicht ge-

mäss Art. 84 ZGB, sondern es ist Sache des öffentlichen Rechts, die Aufsicht zu regeln. Unselbständige

Stiftungen sind Fonds ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Sie bilden Bestandteil des Staats- oder allenfalls

des Gemeindevermögens, werden aber in der Staatsrechnung respektive Gemeinderechnung separat aufge-

führt.

Wir, die BVG und Stiftungsaufsicht des Kantons Zürich, sind lediglich für Stiftungen gemäss ZGB zu-

ständig und beaufsichtigen daher keine unselbständigen Stiftungen des öffentlichen Rechts.

Wir senden Ihnen daher die Mail zur Weiterleitung an die richtige Stelle zurück.

Freundliche Grüsse

lic.iur. Lydia Scherrer

jur. Mitarbeiterin

______________________________________________________________________________

BVG- und Stiftungsaufsicht

des Kantons Zürich (BVS)

Neumühlequai 10

Postfach

8090 Zürich

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen RechtLeitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

Diplomarbeit Rechtsassistent/in HFIngeborg Schmid

XXIV

IX. Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit zum Thema:

Fonds, Legate, gebundene Zuwendungen im öffentlichen Recht

Leitfaden für mögliche Zweckänderungen und Auflösungen

selbständig, ohne Mithilfe Dritter und nur unter Benützung der angegebenen Auskunftspersonen, Quel-

len und Hilfsmittel verfasst habe.

Die Arbeit ist in gleicher oder ähnlicher Form oder auszugsweise einer anderen Prüfung noch nicht vor-

gelegt worden und wurde auch noch nicht veröffentlicht.

Bühler, 26. September 2014 ..................................................