21
Dynamische Losungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen Von Hans Heitele" Elektronentransferprozesse in Losung gehoren zu den wichtigsten Reaktionen in Chemie und Biologie. Beispielhaft fur sie sind die vielen Redoxreaktionen von Ubergangsmetall-loiien und -komplexen, zahlreiche priiparativ wichtige Oxidationen und Reduktionen organischer Ver- bindungen, die Photosynthese und viele Stoffwechselvorginge. Diese weite Verbreituiig sowie ihre relative Einfachheit machen Elektronentransferreaktionen zu hervorragenden Modellen fur die Untersuchung von chemischen Reaktionen in Losung auf niolekularer Ebene. Ein besonders wichtiger Aspekt der Reaktionskinetik in Losung ist der EinfluO des Losungsinittels auf die Reaktionsgeschwindigkeit, wobei man statische und dynamische Losungsmitteleffekte unterscheidet. Die statischen Effekte beziehen sich auf die Stabilisierunp der Edukte, des Ubergangszustands und der Produkte, also darauf, wie das Losungsmittel die freien Energien der genannten Spezies und die Aktivierungsenergie der Reaktion beeinflufit. Diese Interpreta- tion von Losungsmitteleffekten bei allen Arten von chemischen Reaktionen ist heute allgemein verbreitet. Die Untersuchung des Einflusses der Losungsmitteldynamik 1st hingegen eine neu- ere Entwicklung. Ublicherweise geht man davon aus, daR die Ubertragung eines Elektrons durch eine Polarisationsfluktuatioii im umgebenden Losungsmittel ausgeliist wird. Die end- liche Ansprechzeit der Orientierungspolarisatioii des Losungsmittels bestimmt die Dynamik solcher F1 uktuationen und kann unter bestimmten Bedingungen zum geschwindigkeitsbestim- menden Faktor der Reaktion werden. Ich miichte in diesem Aufsatz eine Ubersicht uber die neueren Entwicklungen in der Theorie und bei experimentellen Untersuchungen von Elektro- nentransferprozessen geben. Es wird sich dabei herausstellen, daR die Losungsmitteldynamik wesentlichen EinfluR auf die Reaktionskinetik haben kann. Die zur Beschreibung erforderli- chen Begriffsbildungen gelten nicht nur fur Elektroneiitransfcrreaktionen, sondern sind auf viele andere chemische Vorgiinge in Losung anwendbar. 1. Einleitung Elektronentransfer(ET)-Reaktioiien in Losung gehoren zu den im letzten Jahrzehnt am intensivsten bearbeiteten Gebieten der chemischen Reaktionskinetik ~ "I. Fort- schritte in der Synthese maBgeschneiderter kiinstlicher Elek- tronendonor/-acceptor-Systeme und die Verfugbarkeit spek- troskopischer Methoden mit sehr hoher Zeitauflosung haben zu einer Fulle voii neuen experimentellen Ergebnissen gefuhrt. Dadurch hat sich das Verstindnis der Abhlngigkeit der ET-Geschwindigkeit von der freien Reaktionsenergie (Triebkraft der Reaktion)[I3 ~ ''I , vom Donor-Acceptor-Ab- 'a-261 sowie von den statisclien Eigenschaften des Losung~mittels~'~ ~ 321 erheblich verbessert. Einige Ergebnis- se wie die energetische Steuerung der ET-Geschwindigkeit oder die ,,Uberkreuzbeziehung" (cross-relation) voii R. Marcus haben bereits Eingang in Lehrbiicher g e f ~ n d e n ~ ~ ~ ' . Die Entwicklung der Ultrakurzzeitspektroskopie und in- tensive theoretische Forschung haben in neuerer Zeit das Interesse auf den EinfluR der Losungsmitteldynamik auf den Elektronentransfer verlagert. Es wird immer deutlicher, daB viele der Grundannahmen der ET-Theorie ihre Giiltigkeit verlieren. wenn die charakteristische Zeitskala des eigentli- chen Elektronensprungs kurzer ist als die der Dynamik des umgebenden Losungsmittels. In einem solchen Fall mu8 diese Dynamik bei der Analyse der Reaktion explizit beriick- sichtigt werden. Die Wechselwirkung einer grolJen Zahl von [*] Dr. H. Heitelc institut firr Physikalische und Theoretische Chemic dcr Technischen L'niversitdt Munchen Lichtenbergstralk 4, W-8046 Garchine Liisungsmittelmolekiilen init den reagierenden Spezies hat einen im wesentlichen stochastischen Charakter der Dyna- mik zur Folge. Obwohl die Vorstellung einer stochastischen Bewegung uber eine Aktivierungsbarriere spatestens seit den Arbeiten von Kraiiiers iin Jahre 1940i341 in der Reaktionskinetik be- kannt ist, stellt ihre Anwendung auf ET-Reaktionen eine relativ neue Entwicklung dar. Einerseits ergibt sich hier die zusibliche Schwierigkeit, daB es sowohl adiabatische als auch nichtadiabatische Reaktionen gibt, bei denen eine bzw. zwei Potentialhyperfliichen (potential energy surfaces, PESs) beteiligt sind. Die richtige Beschreibung einer Reaktion liangt daher entscheidend voin Zusammeiispiel zwischen der stochastischen Bewegung iiber die Aktivierungsbarriere und Ubergingen zwischen verschiedenen PESs ab. Andererseits verspricht das verhiiltnismafiig gute Verstandnis des ET ei- nen detaillierten Einblick in die Mechanismen der dynami- schen Wechselwirkung der reagierenden Spezies mit dem umgebenden Losungsmittel. Darauf griiiidet sich die beson- dere Bedeutung der Untersuchungen an ET-Reaktionen als Testfall fur einige der gruiidlegenden Vorstellungen zur Rc- aktionskinetik in kondensierter Phase. AuRer vielen Originalarbeiten (siehe Lit.[" ~ s51) zur Theo- rie und zu Experimeuten) sind in letzter Zeit auch eine Reihe von Ubersicliten erschienen. Maroncelli et al.['*] und Simoni7'] konzentrieren sich auf zeitiiufgeloste Unter- suchungen zur Dynamik polarer Liisungsmittel. Weaver und McManisiS0' diskutieren neuere Ergebnisse bimolekularer Elektronenaustausch- (d. h. symmetrischer) Reaktionen. Barbara und Jarzeba[8'1 geben einen Uberblick iiber ihre Arbeiten zu ultraschnellen ET-Reaktionen und zur Dyna-

Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

Dynamische Losungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

Von Hans Heitele"

Elektronentransferprozesse in Losung gehoren zu den wichtigsten Reaktionen in Chemie und Biologie. Beispielhaft fur sie sind die vielen Redoxreaktionen von Ubergangsmetall-loiien und -komplexen, zahlreiche priiparativ wichtige Oxidationen und Reduktionen organischer Ver- bindungen, die Photosynthese und viele Stoffwechselvorginge. Diese weite Verbreituiig sowie ihre relative Einfachheit machen Elektronentransferreaktionen zu hervorragenden Modellen fur die Untersuchung von chemischen Reaktionen in Losung auf niolekularer Ebene. Ein besonders wichtiger Aspekt der Reaktionskinetik in Losung ist der EinfluO des Losungsinittels auf die Reaktionsgeschwindigkeit, wobei man statische und dynamische Losungsmitteleffekte unterscheidet. Die statischen Effekte beziehen sich auf die Stabilisierunp der Edukte, des Ubergangszustands und der Produkte, also darauf, wie das Losungsmittel die freien Energien der genannten Spezies und die Aktivierungsenergie der Reaktion beeinflufit. Diese Interpreta- tion von Losungsmitteleffekten bei allen Arten von chemischen Reaktionen ist heute allgemein verbreitet. Die Untersuchung des Einflusses der Losungsmitteldynamik 1st hingegen eine neu- ere Entwicklung. Ublicherweise geht man davon aus, daR die Ubertragung eines Elektrons durch eine Polarisationsfluktuatioii im umgebenden Losungsmittel ausgeliist wird. Die end- liche Ansprechzeit der Orientierungspolarisatioii des Losungsmittels bestimmt die Dynamik solcher F1 uktuationen und kann unter bestimmten Bedingungen zum geschwindigkeitsbestim- menden Faktor der Reaktion werden. Ich miichte in diesem Aufsatz eine Ubersicht uber die neueren Entwicklungen in der Theorie und bei experimentellen Untersuchungen von Elektro- nentransferprozessen geben. Es wird sich dabei herausstellen, daR die Losungsmitteldynamik wesentlichen EinfluR auf die Reaktionskinetik haben kann. Die zur Beschreibung erforderli- chen Begriffsbildungen gelten nicht nur fur Elektroneiitransfcrreaktionen, sondern sind auf viele andere chemische Vorgiinge in Losung anwendbar.

1. Einleitung

Elektronentransfer(ET)-Reaktioiien in Losung gehoren zu den im letzten Jahrzehnt am intensivsten bearbeiteten Gebieten der chemischen Reaktionskinetik ~ "I. Fort- schritte in der Synthese maBgeschneiderter kiinstlicher Elek- tronendonor/-acceptor-Systeme und die Verfugbarkeit spek- troskopischer Methoden mit sehr hoher Zeitauflosung haben zu einer Fulle voii neuen experimentellen Ergebnissen gefuhrt. Dadurch hat sich das Verstindnis der Abhlngigkeit der ET-Geschwindigkeit von der freien Reaktionsenergie (Triebkraft der Reaktion)[I3 ~ ''I , vom Donor-Acceptor-Ab-

' a - 2 6 1 sowie von den statisclien Eigenschaften des Losung~mit te l s~ '~ ~ 321 erheblich verbessert. Einige Ergebnis- se wie die energetische Steuerung der ET-Geschwindigkeit oder die ,,Uberkreuzbeziehung" (cross-relation) voii R. Marcus haben bereits Eingang in Lehrbiicher g e f ~ n d e n ~ ~ ~ ' .

Die Entwicklung der Ultrakurzzeitspektroskopie und in- tensive theoretische Forschung haben in neuerer Zeit das Interesse auf den EinfluR der Losungsmitteldynamik auf den Elektronentransfer verlagert. Es wird immer deutlicher, daB viele der Grundannahmen der ET-Theorie ihre Giiltigkeit verlieren. wenn die charakteristische Zeitskala des eigentli- chen Elektronensprungs kurzer ist als die der Dynamik des umgebenden Losungsmittels. In einem solchen Fall mu8 diese Dynamik bei der Analyse der Reaktion explizit beriick- sichtigt werden. Die Wechselwirkung einer grolJen Zahl von

[*] Dr. H. Heitelc institut firr Physikalische und Theoretische Chemic dcr Technischen L'niversitdt Munchen Lichtenbergstralk 4, W-8046 Garchine

Liisungsmittelmolekiilen init den reagierenden Spezies hat einen im wesentlichen stochastischen Charakter der Dyna- mik zur Folge.

Obwohl die Vorstellung einer stochastischen Bewegung uber eine Aktivierungsbarriere spatestens seit den Arbeiten von Kraiiiers iin Jahre 1940i341 in der Reaktionskinetik be- kannt ist, stellt ihre Anwendung auf ET-Reaktionen eine relativ neue Entwicklung dar. Einerseits ergibt sich hier die zusibliche Schwierigkeit, daB es sowohl adiabatische als auch nichtadiabatische Reaktionen gibt, bei denen eine bzw. zwei Potentialhyperfliichen (potential energy surfaces, PESs) beteiligt sind. Die richtige Beschreibung einer Reaktion liangt daher entscheidend voin Zusammeiispiel zwischen der stochastischen Bewegung iiber die Aktivierungsbarriere und Ubergingen zwischen verschiedenen PESs ab. Andererseits verspricht das verhiiltnismafiig gute Verstandnis des E T ei- nen detaillierten Einblick in die Mechanismen der dynami- schen Wechselwirkung der reagierenden Spezies mit dem umgebenden Losungsmittel. Darauf griiiidet sich die beson- dere Bedeutung der Untersuchungen an ET-Reaktionen als Testfall fur einige der gruiidlegenden Vorstellungen zur Rc- aktionskinetik in kondensierter Phase.

AuRer vielen Originalarbeiten (siehe Lit.[" ~ s51) zur Theo- rie und zu Experimeuten) sind in letzter Zeit auch eine Reihe von Ubersicliten erschienen. Maroncelli et al.['*] und Simoni7'] konzentrieren sich auf zeitiiufgeloste Unter- suchungen zur Dynamik polarer Liisungsmittel. Weaver und McManisiS0' diskutieren neuere Ergebnisse bimolekularer Elektronenaustausch- (d. h. symmetrischer) Reaktionen. Barbara und Jarzeba[8'1 geben einen Uberblick iiber ihre Arbeiten zu ultraschnellen ET-Reaktionen und zur Dyna-

Page 2: Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

mik der Solvatation angeregter Zustlnde. Bagchi[821 faBt vorwiegend theoretische Arbeiten iiber die Solvatationsdy- namik polarer Losungsmittel zusammen und streift ET-Re- aktionen nur kurz.

Trotz dieser fundierten Zusammenfassungen zum Stand der Forschung konnte ein Experimentator oder ein interes- sierter Laie nach einer allgemeineren Darstellung der grund- legenden theoretischen Aspekte sowie nach einer kritischen Beurteilung relevanter Experimente suchen. Dazu ist keine strenge Ableitung der Effekte notwendig. Diese Ubersicht konzentriert sich daher auf qualitative Argumente unter Verwendung charakteristischer Langen- und Zeitska-

und macht dazu etliche Anleihen bei der grundlegenden Arbeit von Fraueiifelder und W o l y n e ~ ' ~ ~ ' iiber Reibungseffekte und Nichtadiabasie bei Reaktionen, die eine Aktivieruiigsbarriere aufweisen (,.aktivierte Reak- tionen").

Die Ubersicht ist wie folgt geghedert: In Abschnitt 2 wer- den allgemeine Vorstellungen zu ET-Reaktionen und deren Beschreibung im Rahmen der Theorie des Ubergangszu- stands (TS) erliiutert. AnschlieBend wird diskutiert, wie dielektrische Reibungseffekte bei ET-Reaktionen zustande- kommen und wie diese die Reaktionsgeschwindigkeit beein- flussen. Dazu werden zwei grundlegende Modelle verwen- det. In Abschnitt 3 werden die elernentaren Ideen von Kramers' Ansatz zur Uberwindung einer Aktivierungsbar- riere in Gegenwart von Reibung und die bei nicht- adiabatischen Reaktionen notwendigen Erganzungen ausge- fiihrt. Im vierten Abschnitt werden die physikalischen Aspekte des (scheinbar) sehr unterschiedlichen Ansatzes von Sumi und erklart. Diese Theorien erfordern eine detaillierte Kenntnis der dynamischen dielektrischen Eigen- schaften des verwendeten Losungsmittels. Neuere Erkennt- nisse iiber die dielektrische Relaxation polarer Fliissigkeiten werden kurz in Abschnitt 5 behandelt. Abschnitt 6 schlie8- lich gibt einen kritischen, wenn auch unvollstindigen Uber- blick iiber neuere Experimente und vergleicht sie mit den theoretischen Vorhersagen.

Bei ET-Reaktionen, die mit Bindungsbruch, Bindungsbil- dung oder erheblichen Konformationsinderungen (,,large amplitude motion") einhergehen, wird die Geschwindigkeit der Gesamtreaktion sehr oft vom Fortschreiten dieser Struk- turanderungen und nicht vom ET selbst begrenzt. Wir wer- den diese Schwierigkeiten dadurch umgehen, dal3 wir uns auf ET-Reaktionen voin Outer -~phere-Typ[*%~-~. beschran- ken, bei denen die Reaktanten mit fester Geometrie in einem bestimmten Abstand fixiert bleiben.

len[39 -41 , 83 -851

2. Theorie des Ubergangszustands (TS) und Elektronentransfer

Die TS-Theorie setzt voraus, dal3 sich das System im (Quasi-)Gleichgewicht zwischen dem Ausgangszustand und dem Aktivierungsmaximum befindet. Der Elektronentrans- fer selbst wird als geradlinige Uberquerung der Aktivie- rungsbarriere entlang einer speziellen Koordinate betrachtet. Dabei m u 8 beachtet werden, da8 die Anderung des elektro- nischen Zustands des Systems zum geschwindigkeitsbestim- menden Faktor werden kann.

2.1. Potentialhyperflachen beim Elektronentransfer

Wie die meisten chemischen Reaktionen konnen auch ET- Prozesse als Bewegungen auf und Ubergange zwischen Po- tentialhyperflichen (PESs) beschrieben werdenl' -', 541 . D' ie- se PESs stellen die potentielle Energie der Atomkerne des Gesamtsystems aus Elektronendonor, Elektronenacceptor und Losungsmittelumgebung als Funktion der Kernkoordi- naten dar. Lokale Minima auf den PESs entsprechen Eduk- ten oder Produkten im (Quasi-)Gleichgewicht.

Im allgemeinen ist die potentielle Energie des gesamten Systems eine koinplizierte Funktion einer sehr grol3en Zahl von Koordinaten. die Bindungslangen und -winkel in Donor und Acceptor (intramolekulare Koordinaten) sowie die Posi- tion und Orientierung der umgebenden Ldsungsmittelmole- kiile (Losungsmittelkoordinaten) festlegen. Die explizite Be- riicksichtigung aller dieser Koordinaten ist in einer theoretischen Behandlung unmoghch. In den meisten Fallen werden sie summarisch in einem oder wenigen hochfrequen- ten (intramolekularen) Schwingungsfreiheitsgraden, die quantenmechanisch behandelt werden, und einer klassischen (Losungsniittel-)Koordinate zusammengefa8t. Die Wahl der Liisungsmittelkoordinate wird in Abschnitt 2.2 behandelt, in dem auch erlautert wird, dal!, diese Reduktion der Zahl der Freiheitsgrade eine Umdeutung der PESs in Hyperflachen der freien Energie (free energy surfaces, FESs) notwendig macht.

Ublicherweise unterscheidet man diabatische und adiaba- tische PESs (bzw. FESs) (vgl. Abb. I ) , was folgendermaoen begriindet wird: Um iiberhaupt von Edukten und Produkten sprechen zu konnen, miissen diese Zustiinde wenigstens fur kurze Zeit stabil sein. Man nimmt daher an, daR der Gesamt- Hamilton-Operator H des Systems in einen Anteil nullter Ordnung H , und eine schwache Stiirung V zerlegt werden

Hans Heitvle wurde 1956 in Frierlrichshujen am Bodensee geboren. Er hegann sein Chemicstu- ilium an der Universitiit Konstanz und wechselte 1978 an die Technische Univrrsitat Miinchen, wo er 1986 hei Frau Prof: M . E. Michel-Bejwle niit einer Arhcii iiber den photoinduzierten Elektro- nentransfer promovierte. Seit 1986 arheitet er an seiner Habilitation in Physikalischer Chemie.

379

Page 3: Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

kann. Die Edukte und Produkte sind Eigenfunktionen (sta- bile Zustiinde) von H , , wobei das zu iibertragende Elektron auf dem Donor bzw. den1 Acceptor lokalisiert ist["].

der diabatischen PESs am Kreuzungspunkt. Im niichsten Abschnitt wird die Koordinate definiert, entlang derer die Ableitungen zur Definition der Tangenten zu bilden sind.

2.2. Definition der Reaktionskoordinate q

Wir beginnen mit einer vereinfachten Beschreibung des ET, in der hochfrequente Schwingungen vernachlassigt wer- den. Im allgemeinen ist die Bewegung der Elektronen we- sentlich schneller als die der Kerne, wodurch der eigentliche Elektroneniibergang auf einen schmalen Bereich der PES beschriinkt ist, in dem die Impulse und die potentielle Ener- gie der Kerne nahezu erhalten bleiben (Franck-Condon- Prinzip). Damit dies moglich ist, muI3 die Kernkonfiguration

2v

AG k BJ

P > F Aq - R

9-

Abb. 1 a) FESs Fals Funktionen einer verallgemeinertcn Losungsmittelkoor- dinatc 4. Durchge7ogene Kurven: diabatische FESs der Edukte R und Produk- te P: FR = 112 1, q2< F, = I 1 2 f, (4 - A4)* + AG; gestrichelte Kurven: adiaba- tische FESs rm Landau-Zener-Bereich. I., = Solvensreorganisationsenergie. b) Definition des Landau-Zener(LZ)-Bereichs (als Index ist LZ kleingeschrie- ben) und des Bcreichs deb Ubergangszustands TS (als Index ist TS kleinge- schrieben) sowie der entsprechenden Lingen I,, und /,% ( l R . rp : Tangenten am Schnittpunkt der diabatischen FESs von R und P).

Born-Oppenheimer-Wellenfunktionen zu diesen Hamil- ton-Operatoren nullter Ordnung ergeben die diabatischen PESs U, und Up fur die beiden Zustiinde. Die Verschiebung der Minima fur Edukte und Produkte beriicksichtigt die An- derungen der Gleichgewichtskoordinaten (intrdmolekuhr und im Losungsmittel) bei Oxidation bzw. Reduktion der reagierenden Spezies. Bei einer Bewegung auf einer diaba- tischen PES iindert sich der elektronische Zustand des Systems nicht. Tin diabatischen Bild wird der ET durch die Storung V ausgeliist, die die elektronischen Edukt- und Produktzustande (I R ) bzw. I P)) koppelt, wobei das Matrix- element I/ = (PI VjR) die Starke dieser elektronischen Kopplung charakterisiert.

Adiabatische PESs sind hingegen Losungen des Gesamt- Hamilton-Operators im Rahmen der Born-Oppenheimer- Niiherung. Anders als bei diabatischen PESs geht auf einer adiabatischen PES der elektronische Zustand bei einer pas- senden Anderung der Kernkoordinaten stetig von dem der Edukte in den der Produkte iiber. Adiabatische Zustiinde konnen als Linearkombinationen diabatischer Zustande, die die Storung koppelt, beschrieben werden. In der vereinfach- ten Darstellung in Abbildung 1 b mit zwei Zustanden hebt die Storung die Durchschneidung der diabatischen PESs auf und fiihrt statt dessen zu einer Aufspaltung um ungefiihr 2V.

Ein niitzliches Kriterium fur die weitere Diskussion ist die GriiiRe des Bereichs mit deutlicher Wechselwirkung zwischen den diabatischen PESs der Edukte und Produkte. Eine grobe Abschltzung dieses Landau-Zener(LZ)-Bereichs erhiilt man aus einfachen geometrischen Uberlegungen (vgl. Abb. 1 b), fur die diabatischen PESs in der Nahe des Kreuzungspunkts durch ihre Tangenten approximiert werden. Eine nennens- werte Mischung der beiden elektronischen Zustande findet statt, wenn sich die Energien der entsprechenden diabati- schen PESs urn weniger als 2V unterscheiden. Nach Abbil- dung 1 b ist das um das Barrierenmaximum auf einer Llnge /,, gemiin (1) der Fall. C', und b: bezeichnen die Steigungen

vor der ET-Reaktion so geandert werden, daI3 sich die diaba- tischen PESs der Edukte und Produkte schneiden (vgl. Abb. l), was eine Aktivierungsbarriere zur Folge hat. Diese schmale Reaktionszone is1 nicht anderes als der LZ-Bereich aus Abschnitt 2.1.

Welche Umordnung der Kerne zu dieser Uberkreuzung fiihrt, ist ein wichtiger zu klarender Punkt. Gewohnlich sucht man zur Konstruktion dieser Reaktionskoordinate den Weg niedrigster Energie auf der vieldimensionalen PES zwischen den Mulden fur Edukte und P r o d ~ k t e [ ~ ~ ] . Eine sehr bequeme, alternative MethodeIS4. ", 87 -9s1 definiert die Reaktionskoordinate q direkt als die vertikale Energieliicke [GI. (2)]. U,(X) und U p ( X ) sind die Werte auf den mikrosko-

pischen, vieldimensionalen, diabatischen PESs der Edukte und Produkte fur eine Anordnung der Losungsmittelmole- kiile (.,Liisungsmittelkonfiguration") mit den Koordinaten X . Tm allgemeinen fiihren sehr viele verschiedene Konfigurd- tionen zum gleichen Wert q ( X ) .

Die Energieliicke q ist die Differenz zwischen den gesam- ten, uberwiegend elektrostatischen Wechselwirkungsener- gien der Edukte und der Produkte mit einer groRen Zahl von Losungsmittelmolekiilen und hangt von deren Lage und Orientierung ab. In der Zeitabhangigkeit von q (q (X( t ) ) ) spiegelt sich die sehr komplexe Dynamik X ( l ) der Losungs- mittelumgebung wider. Bewegungen entlang q vom Poten- tialminimum weg entsprechen im wesentlichen Schwankun- gen der dielektrischen Polarisation des Losungsmittels aus dem Gleichgewicht. Allerdings besteht dieses Nichtgleich- gewicht nur in bezug auf die Orientierungspolarisation per- manenter Dipole; die elektronische Polarisation befindet sich immer im Gleichgewicht mit der augenblicklichen Ladungsverteilung in den Reaktanten.

Die gemaI3 Gleichung (2) definierte Reaktionskoordinate andert am Schnittpunkt der diabatischen PESs das Vorzei- chen und ist intuitiv eine niitzliche GroBe fur die Beschrei- bung von Vorgangen, die in der Nahe dieses Schnittpunkts ablaufen. Die Brauchbarkeit und volle Leistungsfahigkeit der Definition in Gleichung (2) wird allerdings erst bei expli- ziter Berechnung der Bewegungen vieler Teilchen deut-

Die Darstellung der potentiellen Energie als Funktion der Reaktionskoordinate q aiistelle der mikroskopischen Koor- dinaten X entspricht nicht einfach einem eindimensionalen Schnitt durch die multidimensionalen PESs U,, ,,(X), son-

liCh[54.55.87-9s]

380 Angah Chem 1993, 10.5. 378 3YX

Page 4: Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

dern enthalt vielmehr eine statistische Gewichtung aller Losungsmittelkonfigurationen X zum gleichen Wert q ( X ) . Diese Vorgehensweise fiihrt zu den in Abschnitt 2.1 erwahn- ten FESs, die wir im folgenden mit FR.p(q) bezeichnen.

Die mikroskopische Konstruktion der diabatischen FESs F,, p(q) kann folgendermaljen durchgefiihrt werden : Fur eine feste Ladungsverteilung in den Reaktanten (Eduk- ten oder Produkten entsprechend) liefert eine Molekuldyna- mikrechnung fur die Losungsmittehmgebung eine Gleichge- wichtswahrscheinlichkeitsverteilung P , , ~ ( X ) der Losungs- mittelkonfigurationen und daraus mit Gleichung (2) Wahr- scheinlichkeitsverteilungenp,,,(q) fur q(X)['". 5 5 , 8 7 - 9 5 1 . Mit diesen Verteilungsfunktionen werden die Funktionen F der diabatischen FESs gemiiB den Gleichungen (3a) und (3b)

definiert ( k , = Boltzmann-Konstante, T = absolute Tempe- ratur, AG siehe Abschnitt 2.3). Sehr oft wird nicht klar genug zwischen den PESs U,,,, und den FESs FR,p unterschie- den[961.

2.3. Charakterisierung der Aktivierungsbarriere

Der Einfachheit halber nimmt man ublicherweise an, daR die diabatischen FESs F,,,(y) quadratische Funktionen der Reaktionskoordinate mit gleichen Kraftkonstanten ,fs fur Edukte und Produkte ~ i n d [ ~ ' ] . Kiirzlich durchgefuhrte Monte-Carlo-Simulationen bestatigen diese Annahme er- staunlich gut[**'.

Mehrere fur F,. p(q) charakteristische CroBen sind in Ab- bildung 1 dargestellt. Die freie Reaktionsenergie AG[*] ist die Differenz zwischen den freien Energien der Minima der Pro- dukte und der Edukte. Im allgemeinen werden polare Spe- zies wegen der starkeren Solvatation durch polare Losungs- mittel begunstigt. Daher erhoht eine polare Umgebung die Triebkraft eiiier Ladungstrennung und verringert die der La- dung~rekombina t ion[~ '~ . Eine weitere niitzliche GroBe ist die Solvensreorganisationsenergie ?., = 1 /2J;Aq2 mit Aq als Verschiebung zwischen den Minima der freien Energie. Fur 1,, gilt niiherungsweise Gleichung (4)["3 991 mit den effekti- ven Radien r , der Reaktanten im Abstand d sowie dem Brechungsindex n und der statischen Dielektrizitatskonstan- te E , des Losungsmittels. ?., in Gleichung (4) hat die Form des

(4)

Teils der Solvatationsenergie (eines Ionenpaars), der von der Orientierungspolarisation des Losungsmittels herriihrt. Die freie Aktivierungsenergie AC* laBt sich gern2B (5 ) durch die

(AG + l,)' A G * z .~ - v

4 4

[*] G 1st eigentlich das Symbol fur die freie Enthalpie. Da es sich hier tun Reaktionen in L6sung handelt, bei denen der Unterschied zwischen Energie und Enthdlpie vernachlassighar ist. und Rechnungen in der Regel Energien, Experimente Enthalpien liefern, wird auf eine scharfe Trennnng der heiden Begriffe verzichtet.

Anxeii c'hen? 1993. 105, 378-398

freie Reaktionsenergie AG und die Solvensreorganisations- energie Ls ausdrucken (man lose dazu die quddratische Glei- chung fur den Kreuzungspunkt). Die Aufspaltung V wird in A G * oft vernachlbssigt.

Im folgenden werden wir den Bereich des Ubergangszu- stands (TS-Bereich) vom LZ-Bereich aus Abschnitt 2.1 un- terscheiden. Im TS-Bereich weicht die Energie um hochstens k,T von der des Aktivierungsmaximums ab (vgl. Abb. 1 b). Fur viele Zwecke kann der TS-Bereich als (energetisch) eben angenommen werden, und sobald das System den TS-Be- reich verlassen hat, ist es gewissermaBen thermisch stabili- siert. Wir charakterisieren diesen Bereich durch die Linge l,, , die von der elektronischen Kopplung V abhiingt (vgl. Abb. 2). Eine geringe Aufspakung der diabatischen FESs fiihrt zu einer scharfen Barrierenspitze (cusped barrier), eine starke zu einem breiten Maximum, &as oft durch eine Para- be1 approximiert wird.

Ahh. 2. Form der Barrierenspit7e fur unterschiedliche elektronische Kopplun- gen V . a) Niclitadiabatiiche Reaktion fur V Q k,T. Einc stuckweis lineare Niherung ergiht: /,, = k,T(I IFk[ +l:lFpl) % 4k,3T;p'2?.<Mi~y$ und I , , =

2V:'d2i.,Mw:. Dabei gelte fR,? 5 Uk,,. b) Stark adiahatische Reaktion. Fiirdie pdrabelfiirmige Barriere rnit der Kraftkonstante f , = Mo,; gilt: /,< = I.'a&Mw:.

2.4. Die ET-Geschwindigkeit k in der Theorie des Ubergangszustands

Die Vorstellung vom ET als Bewegung auf FESs ist fol- gende: Die meiste Zeit befinden sich die Reaktanten in oder nahe am Gleichgewicht mit dem umgebenden Losungsmit- tel, d. h. das System bewegt sich in der Nahe des Minimums auf der Edukt-FES. Hin und wieder treibt eine Fluktmtion im Losungsmittel das System die Aktivierungsbarriere hoch, wo sich Edukt- und Produkt-FES schneiden. Iiinerhalb des LZ-Bereichs um den Kreuzungspunkt kann ein Elektron vom Donor auf den Acceptor iibergehen; mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wird das System daher auf die Produkt- FES ubergehen und sich anschlieBend auf deren Minimum zubewegen. Wir mussen also sowoh1 Anderungen in den Kernkoordinaten als auch in der elektronischen Struktur wiihrend der Reaktion beriicksichtigen.

Die Ableitung der Reaktionsgeschwindigkeit im Rahmen der Theorie des Ubergangszustands setzt die Gultigkeit fol- gender Annahmen voraus:

Wiihrend der gesamten Reaktion weist das System eine Quasi-Gleichgewichtsverteilung entlang der Reaktions- koordinate innerhalb der Edukt-FES bis in den TS-Be- reich auf. Dazu mussen Schwingungs- und Losungsmit- telrelaxation deutlich schneller als der ET sein. Die Bewegung durch den TS-Bereich entlang der Reak- tionskoordinate ist gleichformig. Trajektorien auf der

381

Page 5: Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

FES, die zu einer Rcaktion fiihren, iiberqueren die Bar- rierenspitze genau einmal.

c) Sobald das System den TS-Bereich durchlaufen hat und eine Reaktion (mit der Wahrscheinlichkeit P) eingetreten ist, wird die UberschuDenergie so schnell dissipiert, daB das System auf der Produktseite bleibt.

Die ET-Geschwindigkeit k ist dann das Produkt dreier Faktoren [GI. (6)]. Das sind erstens die Aufenthalts-

wahrscheinlichkeit des Systems im TS-Bereich mit einer Be- wegung in ,,Vorwartsrichtung", zweitens der Kehrwert der mittleren Zeit, die die geradlinige Durchquerung des TS-Be- reichs erfordert, und drittens die elektronische Ubergangs- wahrscheinlichkeit P von der Edukt- auf die Produkt-FES pro Durchgang durch den TS-Bereich['00-1021. Z, ist die Zustandssumme einer klassischen eindimensionalen Bewe- gung mit der Schwingungsfrequenz w, = fjm und der ef- fektiven Masse A4 in der Nahe des potential minimum^[^^] (h = Plancksches Wirkungsquantum). Ein typischer Wert fur wo ist l o L 3 s

Der Vorfaktor w0/2n 1st etwas irrefiihrend, da er scheinbar die Anllufe des Systems an die Barriere pro Zeiteinheit zahlt. Tatsachlich gilt Gleichung (6) aber gar nicht, wenn das Sy- stem in der FES eine einfache Schwingung ausfiihrt. 0,/2n ist einfach das Verhaltnis k,T/hZ,.

2.5. Abschatzung der elektronischen Ubergangswahrscheinlichkeit P

Es scheint einleuchtend, dalj eine Anderung des elektroni- schen Zustands des Systems um so wahrscheinlicher wird, je langer sich das System im LZ-Bereich aufhalt und je schnel- ler der elektronische Ubergang dort erfolgt, d. h. P hangt vom Verhaltnis der Verweilzeit x l r des Systems im LZ-Bereich zur Dauer thop der Anderung der Elektronenverteilung zwi- schen Edukten und Produkten ab'']. Die Verweilzeit ist gleich dem Verhaltnis I,,/D,, mit u,,, als therinischer Geschwin- digkeit der Bewegung entlang der Reaktionskoordinate durch den LZ-Bereich. Die Dauer des elektronischen Uber- gangs ist etwa h/V. Mit I,, auch Gleichung (1) ist das Verhalt- nis T ~ ~ / T ~ ~ ~ daher direkt proportional zum Quadrat der elek- tronischen Kopplung V und umgekehrt proportional zur mittleren thermischen Geschwindigkeit u,, [GI. (7)] mit

(7)

u,,, = pBw und wird als (Landau-Zener-)Adiabasie- parameter yl, bezeichnet 04].

Bei geniigend schwacher Kopplung V erhalten wir eine nichtadiabatische Reaktion mit y, , << 1 , bei der P proportio- nal zu y,, ist: P = Mit l,, fur eine scharfe Barriere (Abb. 2a) folgt der explizite Ausdruck (8) fur k. Glei- chung (8) lal3t sich auch im Rahmen der nichtadiabatischen

ET-Theorie["' '09], die auf der zeitabhangigen Storungs- theorie beruht, ahleiten (man beachte auch den semiklassi- schen Trajektorienansatz in Lit.[ss1). Das Kennzeichen nicht- adiabatischer ET-Reaktionen ist die Proportionalitat zu V'. Im nichtadiabatischen Fall bewegt sich das System zu schnell fur die Bildung des Produktzustands durch den LZ-Bereich, d. h. es wird nur selten ein Ubergang auf die Produkt-FES erfolgen.

Im entgegengesetzten Fall starker Kopplung V mit ylz $1 erhalt man P = 1 (adiabatische Reaktion). Jeder Durchgang durch den LZ-Bereich fiihrt zu den Produkten. Die Verweil- zeit reicht fur die Bildung des elektronischen Zustands mit der niedrigeren Energie immer aus; die Reaktion spielt sich daher ausschlieBlich auf der unteren adiabatischen FES ab. Bei y,,-Werten zwischen den beiden Extremen jst P eine geo- metrische Reihe". I l o ] in der Landau-Zener-Wahrscheinlich- keit pl, [Cl. (9)] mit pi, = 1 - e-ni,,['ohl.

(9)

2.6. Erganzende Bemerkungen

Die freien Reaktions- und Aktivierungsenergien [GI. ( 5 ) ] hangen von der relativen Stabilisierung der Edukte, des U bergangszustands und der Produkte durch das umgebende Losungsmittel ab. Diese Stabilisierung geladener Teilchen wird hauptsachlich durch statische Eigenschaften des Lo- sungsmittels wie dessen Polaritat und Brechungsindex be- stimmt. Die Kraftkonstante,f( und die effektive Masse M in der Frequenz oi0 sind ebenfalls Gleichgewichtseigenschaf- ten["'] (siehe dazu auch Gleichung (25) in Abschnitt 5.1). Die Reaktionsgeschwindigkeit in Gleichung (6) hangt daher nur von statischen Eigenschaften des Losungsmittels ab. Dessen Dynamik kann vollig auBer acht gelassen werden.

3. Theorie aktivierter Reaktionen nach Kramers

Die rdsch schwankende kollektive Wechselwirkung zwi- schen den reagierenden Spezies und dem umgebenden Lo- sungsmittel kann die Geschwindigkeit der energetischen (Des)aktivierung des Systems und den Charakter der Trajek- torien iiber die Aktivierungsbarriere erheblich beeinflussen. Unter bestimmten Bedingungen sind die Grundannahmen der TS-Theorie in Abschnitt 2.4 nicht mehr erfiillt, so daB die aus dieser Theorie resultierende ET-Geschwindigkeit korrigiert werden muB.

3.1. Elektronentransfer, Zufallsbewegung und dielektrischer Response

Wir erkennen die Bedeutung der Losungsmitteldynamik sofort, wenn wir uns daran erinnern, daB die Reaktionskoor- dinate y(X) eine Funktion einer groRen Zahl von Koordina- ten X ist, die die Position und Orientierung miteinander wechselwirkender Losungsmittelmolekiiile beschreiben. Die Projektion der vollig regellosen Bewegung vieler Losungs- mittelmolekiile auf eine einzige Reaktionskoordinate fiihrt

382 AnKen. Chem. 1993, 105. 378 398

Page 6: Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

zuin Auftreten von Rcibungs- und Zufallskriiften in der Be- wegungsgleichung fur q.

Reibungs- und Zufallskriifte sind in zweierlei Hinsicht fur die Dynainik entlang der Reaktionskoordinate von Bedeu- tung: 1) Sie sorgen fur einen Energieaustausch zwischen der Reaktionskoordinate und den anderen (vorwiegend Lo- sungsmittel-) Freiheitsgraden, die als Warmebad wirken. Ohne diesen Energieflufi konnte das System weder die erfor- derliche Aktivierungsenergie aufnehmen, noch die Uber- schuBenergie loswerden, sobald es uber die Barriere auf die Produktseite gelangt. 2) Sie iindern den Charakter der Bewe- gung entlang der Reaktionskoordinate und konnen zu einem Wechsel von deterministischer zu stochastischer Bewegung, die einer Brownschen Bewegung iihnelt, auf den FESs fuh- ren.

Angesichts der Komplexitiit dieser Bewegung wird sie ub- licherweise phiinomenologisch mit einer Langevin-Glei- chung"' fur die Reaktionskoordinate beschrieben [GI. (10)1[37.112~ D er erste Term auf der rechten Seite ist die

Potentialkraft in der jeweiligen FES FK, ,, (fur parabolische FESs gilt: aFR(q)/aq = Mtutq), der zweite die dielektrische Reibung mit der mikroskopischen Reibungskonstante [ und der dritte die Zufallskraft R(L) , die die schnell fluktuierende Losungsmittelunigebung ausubt. Der Vielteilchenizspekt der Lbsungsmitteldynamik steckt in der Reibungskonstante < und in der Zufallskraft R(t), die uber ihre stochastischen Eigenschaften. d . h. ihre Momente und Autokorrelations- funktionen, definiert wird[' ' ' ~ ' 3] . D as Fluktuations-Dissi- pations-Theorem stellt einen engen Zusammenhang zwi- schen beiden GroOen her["' ~ '131. Ini folgenden wird vorausgesetzt, daO sie aus Experimenten oder aus anderen Theorien bekannt sind. Mehr dazu in Abschnitt 5 .

Man darf jedoch nicht vergessen, dal3 die entlang der Re- aktionskoordinate auftretende Reibung zuniichst nichts mit der hydrodynamischen Reibung zu tun hat, die ein Molekul erfiihrt, wenn es sich in einer Flussigkeit bewegt. Die Bewe- gung entlang der Reaktionskoordinate spiegelt die Dynamik von Polarisationsschwankungen wider und hiingt daher vom dielektrischen Response ( e Antwort) des Losungsmittels ab.

In1 folgenden werden wir ineistens annehmen, da13 die zweite Ableitung auf der linken Seite von Gleichung (10) weggelassen werden kann. Diese Vernachliissigung von Triigheitseffekten in der Losungsmitteldynamik ist bei star- ker Reibung sicherlich gerechtfertigt und fuhrt zu einer uber- dampften Bewegung (etwa eines harmonischen Oszillators). Bei der dielektrischen Relaxation entspricht das dem wichti- gen Spezialfall einer Debyeschen Fliissigkeit mit der gemiiB (1 1) definierten frequenzabhiingigen Dielektrizitiitskonstante

c, - 'I 8 ( Q ) = + ~

1 + iwz,

e(w)[' 14, ' ''I, wobei 6, fur die statische Dielektrizitiitskon- stante und i:, fur die Dielektrizitatskonstante bei sehr hohen Frequenzen stehen (sehr oft gilt E,. z d). Dardus ergibt sich fur den dielektrischen Response eine exponentielle Zeitab- hangigkeit mit der Debyeschen Relaxationszeit q,. Nichts-

destotrotz ist die hier interessierende Zeitkonstante die longi- tudinale dielektrische Relaxationszeit (oder dielektrische Relaxationszeit bei konstanter Ladung), q , die uber Glei- chung (12) von zd abhingt. Aus Gleichung (12) folgt, daB zd

in polaren Losungsmitteln z, um mehr als eine GroBenord- nung iibersteigen kann (siehe Fabelle 1) ! Beide Relaxations- zeiten beruhen auf den gleichen inolekularen Relaxations- mechanismen; sie unterscheiden sich lediglich durch die Randbedingungen, unter denen die Reaktion des Mediums gemessen wird. z,, ist die Responsezeit. wenn plotzlich ein konstantes elektrisches Feld angelegt wird (&Sprung), wo- gegen zI die Reaktion auf eine phtzlich ,,eingeschaltete" iiuBere Ladung charakterisiert (D-Sprung)" "I, Nach Glei- chung (2) beinhaltet die Reaktionskoordinate die h d e r u n g der Wechselwirkung zwischen Losungsmittel und gelostem Molekiil bei einer instantan auftretenden (virtuellen) Ande- rung der Ladungsverteilung in den Reaktanten. Folglich ist z1 die relevante Relaxationszeit'' 17] . Bei den gebriiuch- lichsten Flussigkeiten liegt zI zwischen 250 fs und 10 ps (vgl. Tabelle 1). z1 wird mit der Relaxationszeit einer uberdiimpf-

Tabelle 1. T,, und 7,-Werte (in ps) fur einige gebriuchliche Losungsmittel aus 167, 691. T , und T~ mit den 7ugehbrigen relativen Amplitudcn in Klammern (in Prorent) sind Anpaswngsparamerer rweier Exponentialfunktionen ;in die Funktion C(r) [GI. (26)j. die i n TDjS-Experimenten bestiinmt wurden [ X I , 1441.

~ ~~ ~~ ~

Acetonitril 3.3 ca. 0.2 0.07 (80) [b] o 2 (20) Dichlormethan 1.5 CR. 0.4 Methanol 48 [a] 8.2 [a] 1.2 (40) 9.6 (60) 6.2 P1-opanol 390 [a] 42 [a] 14 (30) 40 (70) 33

Wasser 0.2 0.25 (SO) 1.0 (50) 0 h DimethylsulCoxid 2.4 0.3 (57) 2.3 (43) 1.2

Aceton 3.3 0.3 0.3 (47) 1 0 (53 ) 0.7

[;I] id und T , fiir Methanol und Propanol heziehen sich auf die dominierende. Imgsamstc Relaxationskomponente [h] Die Datcn fiir Acetonitril in [ I391 wurden mit einer Summe aus einer GauU-Funktion mit einer Halbwertsbreite von 120 Cb und einer Exponentialfunktion mil einer Abklingzeit von 20Ofs angepaDt.

ten Schwingung gleichgesetzt, die man aus Gleichung (1 0) fur eine parabelformige FES erhiilt[501. Daraus folgt die ein- fache Beziehung [ = Mcoi z, zwischen der Reibungskon- stante i und zI in einer Debye-Flussigkeit.

3.2. Adiabatische Reaktionen

Der EinflulJ der Reibung auf die Dynamik entlang der Reaktionskoordinate und auf die Adiabasie der Reaktion erfordert Korrekturen an der ET-Geschwindigkeit k(5) im Vergleich zu der aus der TS-Theorie, k,, , die wir als Verhiilt- nis k(c)/k,, definieren. Zuniichst wollen wir uns auf die eigentlichen adiabatischen Reaktionen beschranken, bei de- nen die Bewegung ausschlielJlich auf der unteren adiabati- schen FES in Abbildung 1 stattfindet und stetig von Eduk- ten zu Produkten fuhrt. Das ist der Gultigkeitsbereich der Theorie von K r a m e r ~ [ " ~ mit Erweiterungen neueren Da-

A~,q:riv. Chom. 1993. /OS. 378 -398 383

Page 7: Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

tums[102. 1 1 2 . 118-1201 D . eren Ergebnisse sind in Abbil- dung 3 dargestellt und werden im folgenden naher erliiutert.

Bei schwachen Reibungs-/Zufallskr%ften wird das System mehrfach zwischen den Minima fur Edukte und Produkte oszillieren, bevor es endgiiltig in einem der beiden bleibt. Die Reaktionsgeschwindigkeit wird dadurch begrenzt, wie schnell die erforderliche Aktivierungsenergie aufgebracht oder die UberschuDenergie abgegeben wird, um das System in einer der beiden Potentialmulden festzuhalten (Grenzfall der Energiediffusiou, Abb. 3 a). Das wird durch einen Ener-

' I

~

lg 5 - Abb. 3. Qualitative Abhdngigkeit des Verhiiltnisses k(c)/k,. yon der mikrosko- pischcn dielektrischen Reibungskonstante [. der das System bei seinem Weg uber die Barriere ausgesctct iat. a) Bercich der Energiediffusion. b) Bereich dcr riiumlichen Diffusion, c) adiabatirche Reaktion (P = 1) : d) und d') berucksich- tigen den Einflun der Nichtadiabasic ( P < 1) aufdie Reaktionsgeschwindigkeit Gestrichelte Abschnitte werden hier nicht behandelt, wurden aber der Vollstin- digkeit halher hinzugefugt.

gieaustausch zwischen der Reaktionskoordinate und dem Warmebad erreicht. Dieser EnergiefluD ist naherungsweise gleich der Energiedissipation eines schwach gediimpften Os- zillators und damit direkt proportional zur Reibungskon- stante <, d. h. man erwartet, daD k([) /k15 3c [. Das entspricht in der Theorie unimolekularer Reaktionen dem Bereich niedriger Drucke. Die Proportionalitatskonstante[1021 sol1 uns hier nicht weiter interessieren. Als Folge des langsamen Energieaustauschs stellt sich anders als in der TS-Theorie nie eine Boltzmann-Verteilung im Ausgangszustand ein. Statt dessen ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit auch unterhalb

I 4-

I 9 --

Abb. 4. Wirkung der Reihungs- und Zufallskrif'te auf die Bewegung iiher die Aktivierungsharriere: a) glcichformige oder ballistische Uberquerung bei schwacher Reibung, b) mehrfache Ruckstreuung innerhalb des iibergdngszu- stands bei starken Reibnngs- und Zufallskriften ( I , < /,J,

des Ubergangszustands im Vergleich zur Boltzmann-Vertei- lung deutlich verringert.

Bei zunehmenden Reibungs-/Zufallskriiften wird die Be- wegung entlang q immer ungeordneter. Ihre Richtung iindert sich unvorhersehbar und in immer kurzeren Abstiinden (charakterisiert durch die mittlere freie Wegliinge /J wie bei einer Brownschen Bewegung. Dadurch stellt sich in den Re- aktanten sehr rasch eine Boltzmann-Verteilung ein. Wenn die freie Wegliinge der Bewegung r, jedoch kleiner als I,, wird, wird ein sich derartig zufiillig bewegendes System selbst in- nerhalb des TS-Bereichs wiederholt die Richtung iindern und die Barrierenspitze mehrfach iiberqueren, bevor es end- gultig auf der Seite der Produkte bleibt (vgl. Abb. 4).

Diese ,.Ruckstreuung" verringert und bestimmt die Reak- tionsgeschwindigkeit schlie131ich[12 ' I . Das Verhdtnis k([)/klq ist dann niiherungsweise gleich dem umgekehrten Verhaltnis der Verweilzeiten qq, diff bei diffusiver und T ~ ~ , uni bei gleichfor- miger oder ballistischer Bewegung durch den TS-Bereich [spatial diffusion limit, Grenzfall der ,,raumlichen Diffu- sion", Abb. 3b, GI. (13)]. Die Verweilzeit T , . ; . ~ ~ ~ ~ bei diffu-

sionsartiger Bewegung entspricht in etwa der Zeit, die ein Brownsches Teilchen (mit einer Diffusionskonstante D ) be- notigt. um sich um die Lange lts fortzubewegen: T ~ , , ~ ~ ~ ~ =

112,/2Dr1 ' ll . Unter Verwendung der Einstein-Beziehung D = k,,T/~['l ' l und mit T , ~ , ~ ~ ~ = I,Jvlh folgt daraus Glei- chung (14). Diese einfache Abschatzung fuhrt mit I,, aus

2k,T 1 1 - ~ ~- .- -

U , , , I,, h fU; Ti

Abbildung 2 zum richtigen Verhaltnis k(z,)/k,, = v a F I / w , T , fur die scharfe Barriere (vgl. Abb. 2a) und liefert das Ergebnis w,/w,"T, fur die parabelformige Barriere (Abb. 2 b) bis auf einen Faktor 2/f i z 1.13. Der entscheidende Punkt ist die umgekehrte Proportionalitiit der Reaktionsgeschwin- digkeit zur Reibungskonstante (' bzw. zur Relaxationszeit T , :

Im Bereich zwischen Energie- und riiumlicher Diffusion resultiert eine nichtmonotone Reibungsabhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit (Abb. 3 c, d, d'). Der Grenzwert k([)/tIq = 1, den die TS-Theorie vorhersagt, wird nie ganz, sondern nur in einem Bereich mittlerer Reibung (Kramers Turnover) niiherungsweise erreicht. Die TS-Theorie ist daher dann eine hilfreiche Niiherung, wenn die Reibung einerseits noch ausreicht, um eine schnelle Gleichgewichtseinstellung im Ausgangszustand zu erzielen, andererseits aber noch so schwach ist, da13 die Bewegung durch den TS-Bereich nahezu gleichformig oder ballistisch verliiuft.

Welche Art der Bewegung im Einzelfall vorliegt, ist eine schwierig zu beantwortende Frage. Allerdings erscheint der Grenzfall der Energiediffusion bei ET-Reaktionen eher un- wahrscheinlich. Das wiirde eine kollektive Schwingungsbe- wegung vieler Losungsmittelmolekule voraussetzen, was in einem derartig nngeordneten System wie einer Fliissigkeit nicht zu erwarten ist. Neuere A b s ~ h l t z u n g e n [ ~ ~ ~ lassen

4 0 i k x 1 ii, 1 /.I.

384 Angew. C'liem. 1993, 105. 378-398

Page 8: Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

vermuten, daR die meisten Flussigkeiten entweder dem Ubergangsbereich oder dem Bereich der riumlichen Diffu- sion zuzuordnen sind. Wir konnen deshalb den Bereich der Energiediffusion im folgenden auRer acht lassen.

3.3. Beriicksichtigung der Nichtadiabasie

3.3.1. Dev modifizierte Landau-Zener-Parameter

Wenden wir uns als nachstes einer nichtadiabatischen Re- aktion zu, bei der V < k,T gilt. Diese Bedingung hat im allgemeinen eine scharfe Aktivierungsbarriere mit /,s % /,, zur Folge (Abb. 2a). Eine ausfuhrliche Diskussion dieses Falles erfordert eine Unterscheidnng in Abhangigkeit von der relativen GroRe von ff, I,,, 11, und pIz (siehe dazu ~i~ 139-41.841 ). Experimentell sind allerdings mehrere dieser Falle nahezu ununterscheidbar, so daD wir uns auf die gro- ben Zuge beschranken konnen.

Solange die TS-Theorie wenigstens naherungsweise gilt, wird durch eine schwache elektronische Kopplung die Reak- tionsgeschwindigkeit um die elektronische Ubergangswahr- scheinlichkeit Pals Faktor verringert [GI. (6)]. Wie sich diese im Bereich raumlicher Diffusion auswirkt, ist zunachst nicht klar, da die Ableitung von P eine gleichformige Bewegung durch den LZ-Bereich voraussetzt. Dennoch zeigt die lnter- pretation des Adiabasieparameters y, , in Gleichung (7) als Verhdltnis der Verweilzeit qr und der Sprungzeit zhop, daB letztendlich nicht die Art der Bewegung, sondern die gesamte Aufenthaltsdauer im LZ-Bereich entscheidend i ~ t ' ~ ' ] .

Bei der Herleitung des entsprechenden Adiabasieparame- ters K fur diffusive Bewegung sind zwei Unterschiede zur gleichformigen Bewegung zu berucksichtigen : 1) Die Ab- schiitzung der Verweilzeit im LZ-Bereich muD den zufalligen Charakter der Bewegung beachten. 2) Da 1 , % I,, gilt, wird das System mehrmals den LZ-Bereich verlassen und erneut betreten. bevor es endgultig den TS-Bereich verlaBt und auf der Edukt- oder Produktseite zur Ruhe kommen. Die gesam- te Verweilzeit zlz im LZ-Bereich ist daher der gem26 (15a) definierte Bruchteil der Verweilzeit z,, im TS-Bereich. Daraus ergibt sich (15b) und (15c). Wenn wir I,, und /,, fur die

(15a) [Iz

Ity

Z l r = ~ z,,

(15c)

scharfe Aktivierungsbarriere (Abb. 2a) einsetzen, erhalten wir Gleichung ( 16)[411. Der Faktor 271 wurde im Hiliblick auf die Ableitung von (18) mit in die Definition aufgenom- men.

3.3.2. Interpolation dev Tvansfi?vgeschwindigkeit

So lange K < I gilt, 1st ein Ubergang von einer diabati- schen FES auf die andere bei einem Durchgang durch den

TS-Bereich ein unwahrscheinliches Ereignis, und die Reak- tion ist bei gleichformiger oder diffusiver Bewegung nicht- a d i a b a t i ~ c h [ ~ ~ ] . Obwohl die Zahl der Durchgknge durch den TS-Bereich bei gleichformiger Bewegung groBer ist (da sich das System schneller bewegt). halt sich das System bei diffu- siver Bewegung pro Durchgang ldnger in diesem Bereich auf. Der Bruchteil an Zeit, den das System im LZ-Bereich ver- bringt, ist durch die Boltzmann-Verteilung gegeben und in beiden Fallen gleich groD. Gilt andererseits ti 9 1, bleibt das System lange genug im LZ-Bereich. dab eine Anderung des elektronischen Zustands auftritt. Triftet das System schlieB- lich auf der Produktseite aus dem TS-Bereich hinaus, ge- schieht das aus energetischen Grunden auf der unteren FES und fuhrt zur Entstehung der Produkte. Die Reaktions- geschwindigkeit wird nicht wie bei einer gewohnlichen nicht- adiabatischen Reaktion durch die Anderung des elek- tronischen Zustands begrenzt, sondern dadurch, wie schnell das System aus dem TS-Bereich ,,entkommt" ! Somit erhal- ten wir wieder den adiabatischen Fall (.,losungsmittel- kontrolliert adiabatische" Reaktion), in dem Kramers' Theorie anwendbar ist ! Fur eine scharfe Aktivierungsbarrie- re liefern die Gleichungen ( 6 ) und (14) bei ti % 1 den Aus- druck (17). In der Praxis wird A meistens zwischen 0.1 und 1 liegen. Damit setzt Gleichung (17) der Geschwindigkeit aller ET-Reaktionen eineii obere Schranke von t / T l .

Zur Abschiitzung der Reaktionsgeschwindigkeit zwischen den Grenzfiillen ti 6 1 und IC $ 1 interpolieren wir einfach zwischen der nichtadiabatischen Geschwindigkeitskonstante k,, [GI. (S)] und Kratners' Ergebnis k(zJ [GI. (17)] fur eine Debye-Flussigkeit. Tatsachlich ist die Proportionalitdts- konstante in Gleichung (16) gerade so definiert, daf3 K =

k, ,Jk(q) gilt und sich damit (18) ergibtL411.

Dieses Ergebnis ist ebenfalls in Abbildung 3 veranschau- licht. Zunachst ist die Geschwindigkeit nahezu unabhangig von der Reibung, geht d a m aber in den Kramersschen Wert fur eine reibungsbedingt adiabatische Reaktion uber. Ein weiteres wichtiges Merkmal von Gleichung (18) ist, da13 die Geschwindigkeit einer ET-Reaktion bei schneller Relaxa- tion zunachst proportional zu V 2 ist [GI. (S)], mit zunehmen- dem 7, aber schlieBlich unabhangig von der elektronischen Kopplung werden kann.

3.4. Erweiterungen

3.4. l . Beviicksichtigung intramo~ekafarer, yaantenmechattisrh zu beschreibendev Schwingungen

Bisher haben wir intramolekulare Freiheitsgrade vernach- Ilssigt. Die Anregung intramolekularer Schwingungen ver- setzt das System in die Lage, groRe Reaktionsenergien abzu-

imsere bisherigen Uberlegungen einbauen, wenn wir uns

geben[55, 108. 1221 . W' ir konnen diese Schwingungen leicht in

AngFLI'. Chem. 1993. 105, 378-398 385

Page 9: Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

daran erinnern, dalJ deren Frequenzen im allgemeinen die Bedingung hoii + k,,Terfullen. d. h. die intramolekulare Be- wegung mul3 im Gegensatz zur Losungsmitteldynamik quantenmechanisch beschrieben werden.

Die intramolekularen Freiheitsgrade werden sinnvoller- weise nicht mit Hilfe von Orts- und Impulskoordinaten auf einer FES, sondern als diskrete Quantenzustiinde, die durch Quantenzahlen indiziert werden, beschrieben. Fur prakti- sche Zwecke reicht meistens eine einzige intramolekulare Schwingung aus, d. h. wir spezifizieren den Systemzustand zusatzlich durch die Zahl der Phononen in dieser Schwin- gung. Anstelle jeweils einer FES fur Edukte und Produkte erhalten wir zwei Siitze von FESs, wobei jede FES durch den elektronischen Zustand (der Edukte oder Produkte) uizd die Phononenzahl, die den Zustand der intramolekularen, hoch- frequenten Schwingung festlegt, charakterisiert wird (siehe dazu die ubereinandergestapelten FESs in Abb. 11). D a aus physikalischen Grunden hoi, >> k,Tgilt. ist im Edukt nur der Schwingungsgrundzustand merklich besetzt. Wir definieren nun spezifische Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten kO, zwischen dem Schwingungsgrundzustand der Edukte und jedem Schwingungszustand in der Mannigfaltigkeit der Pro- duktzustande [Gl. (1 9)]'"3 44, s ']. Die einzelnen Geschwin-

digkeitskonstanten unterscheiden sich in zweifacher Hin- sicht von denen der Gleichungen (8) und (18), bei denen hochfrequente intramolekulare Schwingungen vernachlas- sigt wurden: 1 ) In der effektiven freien Reaktionsenergie

= AG + nhw, ist der Anteil abgezogen, der in die in- tramolekulare Schwingung flieflt. 2) Da ein ijbergang von der FES der Reaktanten auf eine Produkt-FES eine Ande- rung sowohl des elektronischen Zustands als auch des intra- molekularen Schwingungszustands beinhaltet, mu0 das rein elektronische Matrixelement Vmit dem Uberlappmatrixele- ment (0 j rz ) zwischen dem Schwingungsgrundzustand j 0) der Reaktanten und dem n-ten Schwingungszustand der Pro- dukte In) multipliziert werden, d. h. das Quadrat des effekti- ven Matrixelements, V i , n , ist das Produkt der rein elektroni- schen Kopplung V 2 und des Franck-Condon-Faktors fur den ijbergang zwischen den jeweiligen Schwingungszustan- den: V& = V z I(0in)i2.

1 ( O l n ) l 2 ist eine Funktion der intramolekularen Reorga- nisationsenergie Li = 1 j2.f; Ax2 rnit der Kraftkonstante.6 und der Verschiebung der Gleichgewichtslage der intramolekula- ren Schwingung beim Ubergang von den Edukten zu den Produkten, Ax. Die .gesamte Reaktionsgeschwindigkeits- konstante ist die Summe aller Konstanten fur die verschiede- nen Schwingungskanale: k = Ck,l,fl . Fur zl + 0 bekommen

wir wieder die Geschwindigkeit im nichtadiabatischen Grenzfall['O'. I o Y i und verallgemeinern dadurch Glei- chung (8) fur den Fall, dalJ hochfrequente intramolekulare Schwingungen auftreten.

Sehr oft uberwiegt einer der Kanale. Dies ist insbesondere bei Reaktionen mit sehr groljer Triebkraft (Reaktionen im jnvertierten Bereich" mit -AG > + A() wichtig. In die- sen Fallen ist wegen des Tunneleffekts in den hochfrequenten Schwingungen der Ubergang in den elektronisch-vibroni-

schen Zustand begunstigt, dessen FES die FES der Edukte im Minimum schneidet. Das fuhrt zu einer nahezu aktivie- rungslosen Reaktion['221 (vgl. Abb. 11) mit einer allerdings deutlich niedrigeren Reaktionsgeschwindigkeit !

Neben diesen wohlbekannten Quanteneffekten bei intra- molekularen Schwingungen haben in letzter Zeit mogliche Quanteneffekte bei der Bewegung des Losungsmittels znneh- mendes Interesse gefunden["" 93 , ' 0 3 , ' 231. Neuere Abschiit- zungen lassen allerdings nur kleine oder sich gegenseitig aufhebende Korrekturen zur klassischen Losungsmittel- dynamik erwarten" 0 3 ] . Mogliche Ausnahmen sind protische Losungsmittel, bei denen die Bewegung der Wasserstoffato- me vorwiegend durch quantenmechanisches Tunneln erfol- gen kann1'231.

3.4.2. EinfluJ Jiequenzabhangigeu Reibung

Bisher sind wir von einer einzigen charakteristischen Zeitskala fur den dielektrischen Response ausgegangen. Die Beschreibung der dielektrischen Relaxation der meisten Flussigkeiten erfordert jedoch ein ganzes Spektrum von Re- laxationszeiten. Die zugrundehegenden molekularen Me- chanismen werden ublicherweise unter Zuhilfenahme der beiden Extremfalle polarer Medien, solcher mit statischer und solcher mit dynamischer Unordnung diskutiert.

In einem Medium mit (ausschliefllich) dynamischer Un- ordnung ist die dielektrische Relaxation in der mikrosko- pischen Losungsmittelumgebung eines jeden Donor-Accep- tor-Paars gleich, aber dennoch nichtexponentiell. In der Langevin-Gleichung fur die Reaktionskoordinate druckt sich dies in einer endlichen Korrelationszeit der Zufallskraft R ( t ) und einem Gedachtniseffekt in der Reibungskraft aus (20) [112 .113 ,1241 . F ourier-Transformation uberfuhrt <(t) in

eine frequenzabhiingige Reibungskonstante [ ( w ) bzw. Rela- xationszeit ~ , ( w ) [ ~ O l .

Die Barrierenspitze vieler ET-Reaktionen mit schwacher elektronischer Kopplung, besonders jener mit hoher Aktivie- rungsenergie, ist ziemlich scharf (cusped barrier), und I,, und I,, sind entsprechend klein. Folghch ist die fur eine Durch- querung des TS-Bereichs erforderliche Losungsmittelflu ktua- tion ebenfalls klein. In diesen Fiillen kann die kurze, aber doch endliche Korrelationszeit der Reibungskraft wichtig werden. Im molekularen Bild konnte der zugrundeliegende Relaxationsmechanismus auf Bewegungen einzelner Lo- sungsmittelmolekule mit geringer Auslenkung beruhen, auf die die umgebende Flussigkeit nur eine geringe Reibungs- kraft ausiibt['121. Die starke Krummung der Barrierenspitze sondiert gewissermakn das Kurzzeitverhalten der Losungs- mittelrelaxation. Dadurch wird zwar die Uberquerung der Barrierenspitze beschleunigt, aber nicht notwendigerweise auch die Aufnahme der erforderlichen Aktivierungsenergie oder die Desaktivierung auf der Produktseite" ''I.

Die theoretische Beschreibung dieses Sachverhalts ist im- mer noch Gegenstand reger Forschung. Ein Ansatz von Hynes et al.[sO. 1241 ergab, dalj die eigentkhe Uberquerung des Aktivierungsmaximums bei ET-Reaktionen mit scharfer Barriere von einer Reibungskonstante ('(o >> aiO) bei hohen

386 A n g w . Clien?. 1993. 105, 378-398

Page 10: Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

Frequenzen, die klein und nicht geschwindigkeitsbestim- mend ist, abhingt, wogegen die energetische (Des)akti- vierung durch dielektrische Reibung etwas verlangsamt wird. Insgesamt erwartet man eine schwache Abhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von den Relaxationseigen- schaften[sol.

Dieser Befund steht im Widerspruch zu numerischen Si- mulationen von Straub, Borkovec und Be~-ne[''~l und zu neueren theoretischen Uberlegungen zum Kramersschen Problem von Pollack, Grabert und Hanggi['261, die eine ziemlich starke Abhangigkeit der Gesamtgeschwindigkeit der Barrierenuberquerung von der frequenzabhangigen Rei- bung ergaben. Allerdings hingen diese Ergebnisse sehr stark von den genauen Annahmen uber die Form der Barriere ab, die bei ET-Reaktionen nicht unbedingt gerechtfertigt sind. Das gleiche Problem wurde noch von mehreren anderen Gruppen, die zu widerspruchlichen Schliissen kommen, dis- k~t ie r t [" .~ ' , "3 lZ9]. Insgesamt bleibt der EinfluD einer frequenzabhingigen dielektrischen Reibung auf aktivierte Reaktionen im allgemeinen und ET-Reaktionen im besonde- ren eine offene Frage.

In einem Losungsmittel mit (ausschliefilich) statischer Un- ordnung ist die dielektrische Relaxation in der mikrosko- pischen Losungsmittelumgebung eines jeden Donor-Accep- tor-Paars exponentiell, aber die Relaxationszeiten zI um verschiedene Padre sind nicht identisch. Das entspricht ei- nem inhomogenen Medium mit einer Verteilung g ( q ) von Relaxationszeiten. Die meRbare Uberlebenswahrscheinlich- keit der Reaktanten, P(I) , ist ein Ensemble-Mittelwert von Systemen mit den jeweiligen Geschwindigkeitskonstanten k(.t,) iiber g(.rl) [GI. (21)][433471. Diese Mitteilung kann zu einer stark nichtexponentiellen Zeitabhangigkeit fuhren. Sie- he dazu das Beispiel in Lit.[431.

3.4.3. Nichtgleichgewichtselfekte

Ein anderer Mechanismus, der zu einer nicht- exponentiellen Zeitabhangigkeit fuhren kann, tritt auf, wenn die Uberquerung der Aktivierungsbarriere wirksam mit der Gleichgewichtseinstellung auf der Edukt-FES konkurrieren kann. Das ist beispielsweise bei adiabatischen Reaktionen mit sehr kleiner Aktivierungsenergie denkbar, oder wenn die Reaktanten in eineni extremen Nichtgleichgewichtszustand pripariert werden. In diesem Fall ist die Vorstellung von einer (zeitunabhangigen) Reaktionsgeschwindigkeitskon- stante nicht mehr sinnvoll. Im allgemeinen muD die Kinetik der Reaktion dann durch explizite numerische Losung einer Langevin- oder einer dazu aquivalenten Gleichung fur die Bewegung entlang der Reaktionskoordinate bestimmt wer- den[1301

3.5. Anmerkungen

Das Zusainmenspiel zwischen elektronischer Kopplung, dielektrischer Reibung und der Art der Bewegung entlang der Reaktionskoordinate ist in Abbildung 5 in Form eines Dreiecks mit gleichformigen adiabatischen, nichtadia- batischen und losungsmittelkontrollierten adiabatischen Re-

aktionen zusammengefafit. Die beiden Adiabasieparameter IC, yI, und das Verhaltnis 1Jlf bestimmen Ubergange zwischen diesen Extrenien. Eine geschlossene Interpolationsforinel, die alle drei Grenzfalle beinhaltet, ist von Rips und Jort- nerLt3 vorgeschlagen worden.

Reaktion,Gleichung (6) k = k , Gleichung (8) k - V 2

I , / I , > > 1

losungsmittelkontrolliert adiabatische Reaktion.Gleichung (1 7) k - 1 lz,

Ahb. 5. Schematische Darstellung dcr Beziehungen 7wischen gleichformig adia- batischen, nichtadiabatischen und losungsmittelkontrolliert adiahatischcn Elek t roneo transferrea k tionen. bazierend auf den U hcrlegungen in A bschni t t 3. Uberginge mischen den Grenzlillen werdcn vom Landau-Zener-Adiabasie- parameter y , , fur gleichfiirmige Bewegung [GI. ( 7 ) ] , dcm Adiabdsic- parameter K fur diffusive Beaegung [Gl. (16)] und dem Verhiltnis der Breite des Uhergangszustandes, I , , , mi- mittleren freien Weglinge l, der Bewegnng entlang der Reaktionskoordinate bestimmt (siehe Ahb. 4).

Die formale Behandlung des Einflusses der Losungsmit- teldynamik auf ET-Reaktionen ist mit den unterschiedlich- sten Methoden versucht worden, z.B. ~ im quantenmechanischen Propagatorformalismus uber

Pfadintegralberechnungen fur ein Zweiniveausystem, das an ein Warmebad aus harmonischen Oszillatoren (Garg et und O n u ~ h i c [ ~ ~ ] ) oder an ein Dielektrikum ge- koppelt ist (Rips und J ~ r t n e r [ ~ ' I )

- als Losung einer stochastischen Liouville-Gleichung fur ein Zweiniveausystem mit einer Smoluchowski-Gleichung fur die Reaktionskoordinate ( Z u ~ m a n ' ~ ' ~ ] , Rips und Jort- nerF4'1)

~ mit Greens-Funktionen-Methoden fur die Liouville-Glei- chung der Dichtematrix in Anlehnuiig an die Theorie opti- scher Linienformen (Mukamel et al.["])

~ mit Greens-Funktionen zur Losung einer Fokker-Planck- Gleichung fur die Reaktionskoordinate (Cukier et al.[53') und

~ im Rahmen des ,,Mean-first-passage-time"-Ansatzes (Friedman und Newton[491). Inwieweit die Ansitze vergleichbar sind, ist schwierig zu

entscheiden. Von kleineren Diskrepanzen abgesehen stim- men sie in ihren wesentlichen SchluRfolgerungen iiberein. Das gilt insbesondere fur den Ubergang von nicht- adiabatischem zu losungsmittelkontrolliert adiabatischem Verhalten. Der interessierte Leser wird dazu auf die Original- literat ur verwiesen.

4. Der zweidimensionale Ansatz von Sumi und Marcus

Ein Hauptmerkmal des Kramersschen Modells ist die An- nahme, daR das System die Aktivierungsbarriere fast aus- schlielilich entlang oder in der NBhe des Wegs kleinster Ener- gie auf der PES uberquert. Aus diesem Grund reicht eine im wesentlichen eindimensionale Behandlung der Bewegung aus. Diese Naherung kann versagen, wenn die Kriimmung der PES an der Barriere senkrecht zur Reaktionskoordinate klein ist und/oder die Bewegungen entlang der Reaktions-

387

Page 11: Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

koordinate und senkrecht dazu vollig unterschiedliche cha- rakteristische Zeitskalen haben. In diesem Fall kann das Sy- stem einer Bahn uber die Barriere folgen, die zwar eine hohe- re Aktivierungsenergie als der Weg kleinster Energie erfordert, aber aus dynamischen Grunden leichter moglich ist.

4.1. Grundannahmen

Die eben genannte Moglichkeit eines alternativen Weges uber die Aktivierungsbarriere ist die Grundlage des von Marcus, Sumi und Nadlerr4s,4h1 vorgeschlagenen Modells fur dynamische Losungsmitteleffekte, das auf friiheren Arbeiten von Agmon und H ~ p f i e l d ~ ' ~ ~ ] beruht. Bei diesem Ansatz wird zusltzlich zu Losungsmittelfluktuationen die Existenz einer niederfrequenten intramolekularen Schwin- gung ( h ~ ) ~ , ~ , 5 k,T) angenommen, entlang derer die Aktivie- rungsbarriere uberquert wird. Die FES ist deshalb eine zwei- dimensionale Funktion einer intramolekularen ( Y ) und einer Losungsmittelkoordinate ( X ) (Abb. 6). Die Bewegung

Ahh. 6. Aufsicht auf die rweidimensionale FES als Funktion der diffuaiven Koordinate X und der niederfrequenten intramolekularen Koordinate Y . Die Geradc kenueichnet die Schnittkurve der diabdtischen FESs. a) Diffusive Be- wegung entlang der Losungsmittelkoordinate X; b). b ) klassischc Schwingung und Uherquerung der Aktivierungsbarriere entlang der intramolekularen Ko- ordinate Y.

des Losungsmittels wird als rein diffusiv angenommen. Au- Rerdem wird vorausgesetzt, dab die Relaxation entlang Y im Vergleich zu der entlang X immer schnell genug ist, um das thermische Gleichgewicht in bezug auf Y aufrechtzuerhal- ten. Anders als in den Abschnitten 2 und 3 wird hier die Barriere entlang der nichtdiffusiven, intramolekularen Ko- ordinate uberquert. Dennoch verindert die Diffusionsbewe- gung entlang der Losungsmittelkoordinate die Barrieren- hohe AG*(X) der Reaktion, die von der intramolekularen Schwingung uberwunden werden muR. Nimmt man wieder eine (stuckweis) parabelformige Abhangigkeit der FES von X und Y an, dann zeigt eine einfache Rechnung, daB fur AG * Gleichung (22) gilt. und I.,, sind die Reorga-

1 1 1 A G * ( X ) = - + f , ( X - X J 2 = - f , ( X - X , ) *

2 4. cl 2r

nisationsenergien des Losungsmittels bzw. der niederfre- quenten intramolekularen Schwingung. Sie sind definiert als 1, =1/2f, ( X , - X,,)' und ,li,c, =1/2,f;,+, (Y, - Yp)2 mit den Kraftkonstanten f; (= M u : ) bzw. ,L, c, und den Gleichge- wichtslagen X,, ,, bzw. YR, in den Edukten und den Produk-

ten. X , bezeichnet die Lage dcs Barrierenmaximums auf der X-Achse (vgl. Abb. 6).

Eine entscheidende GroRe in diesem Ansatz ist das Ver- haltnis r = ,$J&. Gilt r $ 1 , hangt AG*(X) nur schwach von X ab; die Barriere kann in einem weiten Bereich von X (,,breites Reaktionsfenster") uberquert werden, wogegen bei r 4 1 AG*(X) sehr schnell mit der Entfernung ( X - 1,) wachst und dadurch die eigentliche Uberquerung der Barrie- re auf einen engen Bereich um X , eingeschrankt ist (,,enges Reaktionsfenster").

Die quantitative Formulierung dieser Kombination aus diffusiver und reaktiver Bewegung fiihrt auf eine Smolu- chowski-Gleichung fur die Zeitabhangigkeit der Aufent- haltswahrscheinlichkeit P(X,t) des Systems entlang der Lo- sungsmittelkoordinate X [GI. (23)]["']. Die ersten beiden

Summanden auf der rechten Seite beschreiben eine eindi- mensionale Diffusion in dem Potential F ( X ) , das fur den Schnitt durch die FES bei Y = Y, steht. Der letzte Term beschreibt den eigentlichen ET entlang Y . D a sich die Vertei- lung des Systems entlang Y voraussetzungsgemalj immer im (Quasi-)Gleichgewicht befindet, muR sie nicht explizit be- handelt werden. k ( X ) wird aus der TS-Theorie ubernom- men; seine X-Abhangigkeit beriicksichtigl, daB nach Glei- chung (22) die Hohe der Aktivierungsbarriere fur die niederfrequente Schwingung eine Funktion von X ist.

4.2. Einige Vorhersagen

Die Einzelheiten der Losung der Grundgleichung (23) ubersteigen den Rahmen dieses Aufsatzes. Qualitativ ent- steht die Reaktionsdyamik durch ein Wcchselspiel zweier Prozesse: 1) Das System iibersteigt die Aktivierungsbarriere entlang der niederfrequenten intramolekularen Schwingung und erreicht die Potentialmulde fur die Produkte mit der Geschwindigkeitskonstante k ( X ) . Diese Reaktion entvolkert die Verteilung P(X,t) auf der Seite der Reaktanten fur X - Werte mit niedriger Aktivierungsbarriere. 2) Die Diffusions- bewegung entlang der Losungsmittelkoordinate fiillt die Verteilung an entvolkerten Stellen wieder nach. Dieser Sach- verhalt ist in Abbildung 6 dargestellt.

In Abhlngigkeit von r und der Praparierung des Anfangs- zustands erwartet man eine vielfaltige Dynamik des Systems. Die beiden Grenzfalle sehr schneller und schr langsamer Re- laxation (schnelle und langsame ,,Diffusion") sind ohne wei- tere Uberlegungen zu verstehen. Im ersten Fall wird die Gleichgewichtsverteilung von X stets aufrechterhalten. Die effektive Geschwindigkeitskonstante k,, ist der thermische Mittelwert von k ( X ) uber die Gleichgewichtsverteilung P,,(X,r) und entspricht dem TS-Grenzwert in Gleichung (6). Im Grenzfall langsamer Diffusion kann die Dynamik als Ensemble-Mittel uber eine eingefrorene X-Verteilung aufge- faBt werden. Allgemeinere Falle mussen numerisch berech- net werden. Fur die Zeitabhangigkeit der Reaktion ergibt sich dabei meistens ein nichtexponentieller Verlauf. Trotz- dem lassen sich fur die mittlere Lebensdauer T , und das erste Moment zb der Uberlebenswahrscheinlichkeit P(t) (P (1 , r ) uber X integriert) der Reaktanten naherungsweise gultige

388 Angew. Chem. 1993, 105, 378 398

Page 12: Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

Beziehungen ableiten. Fur groBe tI sind die beiden Lebens- dauern ta und T~ der Reaktanten proportional zu (einer ge- brochenen Potenz von) z1 [Gl. (24)][46]. Die Exponenten CI

t, = f P(l)dt CIC Z; 0

(24 a)

und f l nehmen niit wachsendem r ab. Im Grenzfall r + 0 (Grenzwert fur das enge Reaktionsfenster, gleichbedeutend rnit iiberwiegendem Losungsmitteleinflulj) erhalt man a,fl -1 ; fur sehr groRe r (Grenzfall breites Reaktionsfenster) ergibt sich cqf l --$ 0. Das ist ein plausibles und wichtiges Er- gebnis: Niederfrequente iiitramolekulare Freiheitsgrade ver- mindern den EinfluD der Reibung. Sie vergrol3ern den Be- reich von X mit niedriger Aktivierungsbarriere und verringern dadurch das AusmaB der entlang X notwendigen Polarisationsschwankungen. Im Grenxfall kleiner r erhiilt man fast die gleiche funktionale Abhiingigkeit der Ge- schwindigkeitskoiistante von t, wie in Gleichung (1 8), Ab- schnitt 3.3.2.

4.3. Erganzungen

Hochfrequente intramolekular Schwingungen konnen in diesem Ansatz, analog wie in Abschnitt 3.4.1 diskutiert, be- rucksichtigt werden. Anstelle einer einzigen adiabatischen FES oder eines Paars diabatischer FESs betrachtet miin eine Reihe von FESs, die jeweils durch den Zustand der hoch- frequenten Schwingung (mit Index n ) charakterisiert sind. Dann definiert man wieder einzelne Reaktionskaniile rnit schwingungsspezifischen Geschwindigkeitskonstanten k(0 -P n,X) . Die hochfrequenten Schwingungen sind wie in Abschnitt 3.4.1 als Abnehmer fur groBe Reaktionsenergien wichtig [vgl. G1. ( I 9)].

Der ursprungkhe Sumi-Marcus-Ansatz sieht fur den klassischen niederfrequenten Freiheitsgrad eine intramole- kulare Schwingung vor. Derartige Schwingungen treten zwar oft in Ubergangsmetallkomplexen auf, aber nicht not- wendigerweise in starren organischen Donor-Acceptor-Ver- bindungen. Dieser niederfrequente Freiheitsgrad 1iil.k sich aber auch als schnelle Relaxationsbewegung im Losungsmit- tel interpretieren. Tatsachlich kann gezeigt werden, daB die Langevin-Gleichung (1 0) rnit einer Reibungskraft [GI. (20)], deren ,,Gediichtnis" durch zwei Relaxationszeiten beschrie- ben wird, unter bestimmten vereinfachenden Annahmen in die Gleichung (23) umgeformt werden kann['331. Daher laBt sich der Sumi-Marcus-Aiisatz auch als alternative Moglich- keit interpretieren, wie man dielektrische Relaxation mit mehr als einer charakteristischen Zeitkonstante berucksich- tigen kann.

4.4. Zusatzbemerkungen

In den vorangehenden Abschnitten haben wir geseben, daB dielektrische Relaxationseffekte bei ET-Reaktionen aus dem Zusammenspiel dreier Faktoren folgen : 1) dem Grad der elektronischen Kopplung zwischen Edukt- und Produkt-

zustiinden, den dcr Parameter V charakterisiert, 2) der di- elektrischen Losungsmitteldynamik und deren Auswirkung auf den Charakter der Bewegung entlang der Reaktions- koordinate und 3) der relativen Bedeutung der Reorganisa- tion des Liisungsniittels und der intramolekularen Freiheits- grade wiihrend der Reaktion.

Die beiden bisher besprochenen theoretischen Ansatze un- terscheiden sich zwar in wichtigen Annahmen, stimmen aber in mehreren Vorhersagen uberein:

1) Bei schnell relaxierenden Losungsmitteln ist die Reak- tionsgeschwiiidigkeit zunachst unabhiingig von den Relaxa- tionseigenschaften des Losungsmittels. Mit zunehmender Relaxationszeit wird die Reaktionsgeschwindigkeit schlieB- lich umgekehrt proportional zu (einer gebrochenen Potenz von) 7 , .

2) Die Relaxationszeit, ab der die Reaktionsgeschwindig- keit beeinfluljt wird, hiingt von der elektronischen Kopplung V ab.

3) AuBer bei Reaktionen rnit grol3er Aktivierungsenergie ist meistens eine nichtexponentielle Reaktionskinetik zu er- warten.

4) Insgesamt reagiert die Abhangigkeit der Reaktionsge- schwindigkeit von den dielektrischen Eigenschaften des Lo- sungsmittels empfindlich auf Details im Relaxations- zeitspektrum und auf spezifische intramolekulare Schwin- gungen.

Eine allgeineine Unzulanglichkeit der ineisten theoreti- schen Modelle ist, daB sie das Losungsmittel als strukturlo- ses Kontiriuum betrachten und molekulare Aspekte der Fliissigkeit und deren Wechselwirkung rnit dem Gelosten nur mangelhaft berucksichtigen. Losungsmitteleigenschaf- ten treten als empirische Parameter auf, deren Kenntnis vor- ausgesetzt wird. Gewisse Fortschritte im Hinblick auf eine molekulare Theorie iiber die einfache Kontinuumsnaherung fur das Losungsmittel hinaus sind bereits erzielt worden['"]. Einer der Ansatze beruht auf der ,,Mean Spherical Approxi- mation"" 35, 1361 , ein anderer auf der Simulation der Molekiildynamik einfacher Modelle fur ET-Reaktio- nen[54, 5 5 , 8 7 - 9 5 ]

5. Charakterisierung der dielektrischen Relaxation des Losungsmittels

Die Kenntnis der dielektrischen Relaxationseigenschaften wird in den Theorien der Abschnitte 3 und 4 vorausgesetzt. Trotz erheblicher Fortschritte in letzter Zeit ist der Mangel an zuverlassigen Dateii insbesondere uber das Kurzzeitver- halten der dielektrischen Relaxation eine der Hauptursachen fur Ungenauigkeiten und Zweideutigkeiten bei der Inter- pretation moglicher dielektrischer Relaxationseffekte beim Elektronentransfer.

5.1. Qualitative Beschreibung

Historisch wurde die dielektrische Relaxation auf die Rotationsdiffusion voii permanenten Dipolen" 14* oder Dipolclustern zuruckgefuhrt (Bereich a in Abb. 7). Auf die- sen Mechanismus bezieht sich die Debyesche Relaxations- zeit td. Als rein dissipativer ProzeR stellt die Rotationsdiffu- sion eine stark iiberdampfte Bewegung rnit exponentieller

Angrii C h m 1993, t O j , 378 398 389

Page 13: Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

(gegebenenfalls multiexponentieller) Responsefunktion dar. Oft ist die relevante Zeitskala mit der Scherviskositat der Fliissigkeit korreliert["4s 'I5] und kann sich um Groknord- nungen unterscheiden (vgl. Tabelle 1). Dariiber hinaus wurde festgestellt, dal3 in Losungsinitteln wie Methanol die Translationsdiffusion polarer Molekule um eine elektrische Ladung (Bereich b in Abb. 7) die dielektrische Relaxation erheblich beschleunigt[82, 371. Solange diese Diffusionsme-

Abb. 7. Schematische Darstellung der ver- schiedenen Mechanismen Lur dielcklrischen Relaxation in einer polaren Fliissigkeit: a) (stark gehinderte) Rotdtionsdiffusion, h) Translationsdifrusion und c) freie ([rage) Rotation polarer Molekule.

chanismen im dielektrischen Response vorherrschen, ist die Vernachlissigung der zweiten Ableitung in Gleichung (10) berechtigt. In letzter Zeit erkannte man jedoch, daB in einfa- chen Fliissigkeiten wie Acetonitril Triigheitsbewegungen eine wichtige Rolle pi el en['^*- I 4 O 1 . D azu zahlt in erster Li- nie die freie Rotation einzelner Losungsinittelmolekiile in einem Kafig aus umgebenden Molekiilen (Bereich c in Abb. 7). Deren charakteristische Zeitskala ist der Kehrwert der Schwingungsfrequenz m, um das Potentialminimum in Abschnitt 2. w i hangt von der thermischen Frequenz der freien Rotation. q, ab["~1031 [Gl. (25)], wobei ~f = 2k,T/Z

ist mit Zals dem Tragheitsmoment eines Losungsmittelmole- kiils. Der Vorfaktor zu (of berucksichtigt die Wirkung des lokalen elektrischen Felds des umgebenden Dielektrikums auf die freie Rotation ; g , der Kirkwood-(Korrelations-) Parameter, ist in vielen Losungsmitteln von der Groflenord- nung eins" ''I. Mittelung iiber ein Ensemble aus vielen Mo- lekiilen ergibt eine GauB-Funktion fur die Zeitabhangigkeit der tragen Komponente der Funktion des dielektrischen Re- sponse. Daneben werden auch geringfiigige oszillierende Beitrage zur Responsefunktion ~er rnute t [ '~ ' - i401.

5.2. Messung des dielektrischen Response

Die gebrauchlichste experimentelle Methode zur Bestim- mung der dielektrischen Relaxationszeiten beruht auf der Messung dielektrischer Verlust~pektren['~'] einer makro- skopischen Probe des Dielektrikums. Zahlreiche Experimen- te dieser Art zeigen, daB die dielektrische Relaxation in vie- len Fliissigkeiten ~ besonders in A l k ~ h o l e n " ~ ~ . 14'] ~ auf einer sehr breiten Zeitskala erfolgt. Nichtsdestotrotz, schwerwiegende Nachteile dieser Methoden sind: a) Sie mes- sen Bulk-Eigenschaften. Strukturinderungen im Losungs- mittel und Korrelationseffekte um das geloste Molekiil mit geringer Reichweite werden aufler acht gelassen. b) Im allge- meinen ist die erreichbare Mikro- oder Millimeterwellen- Frequenz zu gcring, um den dielektrischen Response auf der

interessierenden Zeitskala von wenigen Pikosekunden und darunter zu erfassen. Erfreulicherweise verbessern sich die MeBmoglichkeiten bis in nahe Infrarot allmahlichl' 411. c) Bei Fliissigkeiten mit nichtexponentieller Responsefunk- tion besteht kein direkter Zusammenhang zwiscben Reso- nanzen im dielektrischen Verlustspektrum und mikrosko- pischen Relaxationszeiten wie etwa in Gleichung (12), sondern man braucht eine Modellvorstellung fur die Kopp- lung der verschiedenen Relaxationskomponenten an die mi- kroskopische Ladungsverteilung.

Neuere MeBmethoden beruhen auf der zeitabhangigen Verschiebung von F l u o r e ~ z e n z - [ ' ~ ~ - 1471 oder Absorptions- ~pekt ren[ '~*] von Molekiilen, die bei Emission oder optischer Anregung eine starke Anderung des Dipolmoments erfah- ren. Abbildung 8 verdeutlicht dieses MeBprinzip.

I I 1 9-

Abb. 8. Schematische Darstellung der Wirkung der Liisungsmittelrelaxation (Rel) aufdie Lcitabhlngige Rotverschiebung der Fluoresaena (FI) von Moleku- len, bei denen sich bei optischer Anregung (Exc) das Dipolmomcnt stark an- dert.

Wird ein fluoreszierendes Molekiil, das sich mit dem um- gebenden Losungsmittel im Gleichgewicht befindet, aus ei- nem schwach polaren Grundzustand in einen stark polaren Zustand angeregt, dann stellt sich die elektronische Polarisa- tion des Losungsmittels instantan auf die neue Ladungsver- teilung in diesem Molekiil ein. Dagegen andert sich die Ori- entierungspolarisation bei der Anregung nicht und befindet sich daher nicht im Gleichgewicht mit dem angeregten Mole- kiil. Das Losungsmittel reagiert darauf durch dielektrische Relaxation, bis sich die dern angeregten Zustand entspre- chende Gleichgewichtskonfiguration eingestellt hat. Bei der anschlieBenden Fluoreszenz bleibt die Orientierungspolari- sation im Augenblick des optischen Ubergangs wiederum erhalten. Wie man Abbildung 8 entnehmen kann, erfahrt deshalb das Fluoreszenzspektrum eine zeitabhangige Rot- verschiebung, die man iiblicherweise mit der normierten Funktion C(t) [GI. (26)] ausdriickt. v(O), v(t) und v(c0) geben

die Frequenz des Intensitatsmaximums unmittelbar nach dcr Anregung, zur Zeit t bzw. nach vollstiindiger Relaxation an.

Die Vorteile dieser TDSS-Messungen (TDSS = time-de- pendent spectral shift) sind: 1) Die Testmolekiile sind direkte

390 Angew. Chern. 1993, 105. 378-398

Page 14: Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

mikroskopische Sonden fur die Losungsmittelumgebung. 2) Die zeitliche Auflosung dieser Experimente liegt zum Teil unter 100 fs. 3) C(r) gibt die Bewegung auf der FES des ange- regten Zustands entlang der Reaktionskoordinate unmittel- bar wieder. Tatslchlich kann man C(t) als geeignet normierte Reaktionskoordinate y a u f f a ~ s e n [ l ~ ' ~ [siehe GI. (2) und Abb. 8]!

Viele derartige Untersuchungen haben folgendes gezeigt : a) AuDer in stark assoziierten Fliissigkeiten wie den hoheren Alkoholen I luf t die dielektrische Relaxation in den meisten gebriiuchlichen Losungsmitteln innerhalb von 10 ps und we- niger ab. Einige reprlsentative Ergebnisse sind in Fabelle 1 aufgefiihrt. b) In den meisten Fillen ist die Dynamik nicht- exponentiell. Der Einfachheit halber fuhrt man d a m eine mittlere Solvatationszeit z, als nlherungsweise giiltige Zeit- konstante fur die dielektrische Relaxation ein. c) Zumin- dest in Acetonitril gibt es tatslchlich eine sehr schnelle Relaxationskomponente mit einer charakteristischen Ab- klingzeit von etwa 100 fs, die beinahe 80% des gesamten dielektrischen Response a ~ s m a c h t [ ' ~ ' ] . Dies ist ein deut- licher Hinweis auf eine Trlgheitsbewegung gemla Abbil-

Dennoch bleibt jede Ableitung eines molekularen Mecha- nismus aus experimentellen Daten ziemlich spekulativ. In diesem Zusammenhang ist die numerische Simulation der Molekiildynamik[1401 ein sehr leistungsfiihiger und vielver- sprechender Ansatz. Obwohl numerische Schwierigkeiten bei den Berechnungen weitgehende Vereinfachungen notig machen, bietet dieses Verfahren mehrere Vorteile. Erstens iibersteigt naturlich die zeitliche Auflosung dieser Simula- tionen die der Experimente bei weitem. Das gilt insbesondere fur das Kurzzeitverhalten der dielektrischen Relaxation. Zweitens liefert es ein sehr detailliertes Bild der mikrosko- pischen molekularen Bewegung des Losungsmittels. Einzel- ne Bewegungsarten wie die Rotation von Dipolen, die Trans- lation von Molekulen und diffusionsartige Bewegungen konnen erkannt und ihre jeweilige Bedeutung in verschiede- lien Stadien der Relaxation bewertet werden.

dung 7c.

6. Experimente zu dielektrischen Relaxationseffekten

Bei den meisten Experimenten zu dieser Thematik miDt man die Abhlngigkeit der ET-Geschwindigkeit von der lon- gitudinalen dielektrischen Relaxationszeit z, (oder TJ. Ein kurzer Blick auf Tabelle 1 und auf Gleichung (1 7) zeigt, daD ein derartiges Experiment entweder eine zeitliche Auflosung im (Sub-)Pikosekunden-Bereich oder eine Reaktion mit er- heblicher Aktivierungsenergie erfordert. tl wird entweder durch Verwendung verschiedener Losungsmittel oder im gleichen Losungsmittel durch Temperatur- oder Drucklnde- rung[' 5 0 1 variiert. Diese Vorgehensweise verursacht zusltzli- che Schwierigkeiten. da andere Losungsmittelparameter wie die Dielektrizitatskonstante, der Brechungsindex und die Dichte nicht konstant gehalten werden konnen. Mehrere dieser Parameter beeinflussen die Reaktionsgeschwindigkei- ten uber die freie Aktivierungsenergie. Diese Abhangigkeit mu0 zuerst experimentell oder theoretisch korrigiert werden, bevor ein sinnvoller Vergleich mit theoretischen Vorhersagen angestellt werden kann.

6.1. Beispiele losungsmittelkontrolliert adiabatischer ET-Reaktionen

Sehr verbreitet ist die Untersuchung intermolekularer Elektronenaustauschreaktionen zwischen Molekiilen und ihren Anionen oder Kationen:

A'- + A + A + A'- oder C'+ + C + C + C"

Ein kleiner Bruchteil der Molekiile in Losung wird dazu chemisch oder elektrochemisch reduziert bzw. oxidiert. Man nimmt an, daD diese Spezies Vorlluferkomplexe A/A'- bzw. C/C*' bilden, in denen der Elektronenaustausch stattfindet, der mit ESR-["], NMR-[681 oder elektrochemischen Metho- den[6S. 661 untersucht wird. Der Austausch eines Elektrons fuhrt zu einer Verbreiterung von ESR- oder paramagneti- schen NMR-Signalen, die in Abhlngigkeit vom Losungsmit- tel, der Temperatur usw. gemessen werden kann. Typische Beispiele hierfiir sind die Systeme TMPD/TMPD' +

(TMPD = N,N,N',N'-Tetramethylphenylendiamin), TCNE/ TCNE'- (TCNE = Tetracyanethylen) und [Cp,Co]/ [Cp,Co]+ (Cp = Cyclopentadienyl). Grampp et al.[721 und Weaver et al.[65. '*I fanden tatsiichlich einige Fllle, bei denen die Elektronenaustauschgeschwindigkeit umgekehrt pro- portional zu z1 ist, wie es fur eine Iosungsmittelkontrolliert adiabdtische Reaktion [GI. ( 1 7)] erwartet wird. Dazu mul3te die Losungsmittelabhangigkeit der Aktivierungsenergie AG * sorgfaltig korrigiert werden.

Kennzeichen der meisten Elektronenaustauschreaktionen sind eine schwache elektronische Kopplung und eine hohe Aktivierungsbarriere (etwa 0.2 eV), d. h. man kann eine qua- sistationlre Verteilung auf den FESs annehmen. Relativ langsame Reaktionen sind schon allein deshalb notwendig, um uberhaupt ESR- und NMR-Methoden anwenden zu konnen. Solche Reaktionen sind zwar gute Testfllle fur theo- retische Vorhersagen, doch die ESR- und NM R-Methoden haben auch erhebliche Nachteile: 1 ) Sie sind auf Reaktionen, die nahezu thermoneutrdl verlaufen, beschrlnkt. 2) Die Re- aktionsgeschwindigkeit wird indirekt aus der Signalbreite bestimmt; die Zeitabhlngigkeit der Reaktion wird nicht di- rekt gemessen. 3) In vielen dieser Systeme laufen auf der Zeitskala der ET-Redktion noch andere Prozesse ab, die eine eindeutige Interpretation der MeDdaten unmoglich machen oder zumindest erschweren" 5 ' . 15'] . D azu gehoren der Zer- fall und die Neubildung des Vorlluferkomplexes sowie Strukturlnderungen innerhalb dieses Komplexes.

Diese Nachteile werden (teilweise) bei einigen zeitaufgelo- sten Fluoreszenzexperimenten an photoinduzierten ET-Re- aktionen umgangen. Zu den ersten derartigen Experimenten zahlen Messungen von Huppert et al.[561 an dem N-Arylami- nonaphthalinsulfonslurederivat I . Die Reaktion wird durch

optische Anregung der Naphthalinsulfonamid-Einheit aus- gelost. In polaren Losungsmitteln wird die Fluoreszenz des angeregten Zustands durch einen intramolekularen ET vom

391

Page 15: Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

Arylaminorest auf die angeregte Sulfonamideinheit geloscht. Dabei entsteht ein ladungsgetrennter Zustand, der ebenfalls fluoresziert. Ein Rucktransfer des Elektrons vom Sulfon- amid-Anion auf das Arylamino-Kation unter Riickbildung des Molekuls im Grundzustand vervollstiindigt den Reak- tionscyclus.

Die Kinetik der Ladungstrennung und -rekombination liilJt sich aus zeitaufgelosten Messungen der Abklingzeit der Fluoreszenz aus dem angeregten und dem ladungsgetrenn- ten Zustand ermitteln. Die Messungen wurden in den line- aren Alkoholen von Methanol bis Decanol als Losungsmit- tel durchgefiihrt. Der dielektrische Response dieser Alkohole liif3t sich in Form einer Summe aus drei Exponen- tialfunktionen beschreiben, wobei die langsamste Relaxa- tionskomponente von 3 auf 500 ps wiichst. Die intramoleku- lare Ladungstrennung verlief nichtexponentiell, aber fur die mittlere Elektronentransferzeit T,, gait T,, = T , mit einer Ge- nauigkeit von 3O0/'i, vorausgesctzt z, wurde aus der langsam- sten Komponente der dielektrischen Relaxation der Alka- nole berechnet. Offeusichtlich sind die schnelleren Kompo- nenten in diesem Fall unwichtig. Derartig schnelle ET-Reak- tionen haben notwendigcrweise kleine Aktivierungsbarrie- ren.

In einer anderen Versuchsreihe konzentrierten sich Hup- pert et al.[s71 auf die explizite Zeitabhiingigkeit der Ladungs- trennung in 1 und ihnlichcn Derivaten in verschiedenen Pen- tandiolen. Sie stellten fest. daB sich die Fluoreszenzintensitat gut durch eine gedehnte Exponentialfunktion (stretched ex- ponential) beschreiben IiiBt, und erklirten das durch eine Storung der Nahordnung im Losungsmittel um den Fluoro- phor.

Allerdings geht der ET in vielen dieser Systeme vermutlich einher mit der Rotation eines Teils des Molekiils. Es 1st be- kannt, daB derdrtige Konformationsiinderungen eine Ab- hiingigkeit von der Viskositiit des Losungsmittels aufwei-

die nur schwer von dielektrischen Relaxations- effekten zu unterscheiden ist. Tatsiichlich wurde ein Gutteil des Formalismus in Abschitt 4 zuniichst als Modell fur eine intramolekulare Reaktion, die von langsamen Konforma- tionsanderungen abhiingt, entwickelt" 321.

6.2. Experimente zum Ubergang zwischen nichtadiabatischen und losungsmittelkontrolliert adiabatischen Reaktionen

Bisher gibt es noch kaum Belege fur den Ubergang von nichtadiabatischem zu losungsmittelkontrolliert adiabati- schem Verhalten. Weaver et al.['*] untersuchten eine Reihe von Elektronenaustauschreaktionen zwischen Metallocenen mit verschiedenen Zentralatomen und Substituenten unter- schiedlicher GrolJe und den zugehorigen Kationen. Die Sub- stituenten und Zentralatome beeinflussen die intermolekula- re elektronische Kopplung zwischen den Reaktanten im Vorliiuferkomplex. z, nahm in der Reihe der verwendeten Losungsmittel von ca. 250 fs auf 10 ps zu. Die qualitative Abhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit entsprach der in Gleichung (18) mit einem Bereich nahezu konstanter Ge- schwindigkeit, die dann etwa wie l / ~ , abnahm. AuBerdem trat der Ubergang um so spiiter auf, je groRer die Substituen- ten am Metdllocen waren. Das lant sich mit einer Donor-Ac-

ceptor-Kopplung V erkliiren, die um so schwlcher ist, je weiter sperrige Liganden die Reaktanten auseinanderhalten.

Bei hoheren Alkoholen ist z, stark temperaturabhangig. Diese Eigenschaft wurde von niehreren Forschergrup- pen[58, 7 3 , 7 4 , 7 b 1 verwendet, um Gleichung (18) mit intramo- lekularen Donor-Acceptor-Verbindungen zu iiberpriifen, die bei Raumtemperatur einen photoinduziertcn, nicht- adiabatischen ET ausfiihren. Bei Temperaturerniedrigung nimmt z, so stark zu, daB dabei der ubergang von nicht- adiabatischem zu losungsmittelkontrolliert adiabatischem Verhalten auftreten sollte. Ein Beispiel dieser Art ist in Ab- bildung 9 dargestellt. Dort werden die temperaturabhlngi- gen Geschwindigkeiten der photoinduzierten ET-Reaktio- nen in den beiden Verbindungen 2, n = 1. 2, in Propylen- glycol und Propionitril ~ e r g l i c h e n ' ~ ~ ] .

Die optische Anregung der Pyreneinheit lost einen ET vom Diniethylanilinrest auf den angeregten Acceptor aus. Die ET-Kinetik wird aus der Beschleunigung des Fluores- zenzabfalls im Vergleich zu einer Referenzverbindung ohne den Elektronendonor abgeleitet. Die lingere Briicke zwi- schen dem Donor Dimethylanilin und dem Acceptor Pyren

t In ( k f l )

25 T

I , 3 4 5

1/T [103/K] - Abb. 9. Temperdturabhiingigkeit der ET-Geachwindigke~t in 2 in Propionitril (0. A ) und Propylenglycol (x. +). o,x: n = 1; A, + : n = 2.

2

in 2, n = 2, fiihrt zu einer schwiicheren elektronischen Kopp- lung V als in 2, n = 1. Einerseits sollte die Temperaturabhan- gigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit, die von AG * her- riihrt. in beiden Losungsmitteln sehr ahnlich sein und sich daher irn Verhiiltnis der Geschwindigkeiten kdio,/k,,t, in bei- den Losungsmitteln nahezu aufheben. Andererseits wird in Propylenglycol anders als in Propionitril die dielektrische Relaxation bei niedrigeren Temperaturen sehr stark verzo- gert. AuBerdem weist Propylenglycol eine breitc Verteilung von Relaxationszeiten vom Davidson-Cole-Typ a ~ f [ ' ~ ~ ] . Die Daten in Abbildung 9 zeigen, daR die Reaktionsgeschwin- digkeiten derselben Verbindung bei hoherer Temperatur in beiden Losungsmitteln etwa gleich sind. Bei Temperdtur- erniedrigung laufen sie rdsch auseinander. Die Temperatur, bei der diese Abweichung einsetzt, nimmt zu und damit das

392 A n p t . Chem 1993. 105. 378-398

Page 16: Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

entsprechende TI ab. jc starker die elektronische Kopplung ist. Dieses Ergebnis wird von Gleichung (IS) vorhergesagt. Aus der starken Temperaturabhlilgigkeit des Verhaltnisses kdio,//cnltr folgt /edit,, ,cc lit: mit z = 0.3-0.6. Dieser Exponent hangt inoglicherweise mit der Verteilung der Relaxationszei- ten in PropyIengIycoI z ~ s a m m e n [ ~ ~ , 47 . 481.

Eine ahnliche qualitative Anderung im Verhalten wurde auch in anderen Experimenten b e o b a ~ h t e t ' ~ ~ . 761. Allerdings sind alle diese Donor-Acceptor-Systeme wie 2 ziemlich flexi- ble Molekule, deren Konformationsiinderungen wiederum die eigentliche ET-Reaktion uberlagern und zu einer Tempe- ratur- und Viskositiitsabhangigkeit ahnlich der in Glei- chung (18) fuhren konnen. Systematische Untersuchungen an starren Verbindungen scheinen bisher noch nicht durch- gefuhrt worden zu sein.

6.3. Beispiele fur ein unerwartetes Ausbleiben der Losungsmittelkontrolle

Trotz der im vorigen Abschnitt vorgestellten Beispiele re- lativ guter Ubereinstimmung zwischen Experiment und ver- schiedenen Aspekten der Thcorien der Abschnitte 3 und 4 gibt es eine betrichtliche Zahl scheinbarer Fehlschliige in dem Sinn, daB nahezu kein Zusammenhang zwischen ET- Geschwindigkeiten und veroffentlichten Relaxationszeiten gefunden wurde. Zu diesen Beispielen ziihlen intermolekula- re Elektronenaustauschreaktionen, intramolekulare La- dungstransfers in Systemen mit einem verdrillten Charge- Transfer-Zustand (TICT) und ziemlich starre intra- molekulare Donor-Acceptor-Verbindungen. I n vielen dieser Fiille ubersteigt k,, l / t , oder l/r, erheblich, obwohl diese Groljen nach Gleichung (17) eine obere Schranke fur die Reaktionsgeschwindigkeit darstellen sollten.

Weaver et al.[67' 6' ) -711 erklaren diese Diskrepanz in meh- reren ihrer Experimente durch eine uberwiegende Kopplung des Ladungstransfers an schnelle Relaxationskomponenten, die inimer noch schwierig zu messen und in iilteren Relaxa- tionsdaten nicht enthalten sind. Nach HynesIso1 konnen schnelle Relaxationskomponenten die Reaktionsgeschwin- digkeit erheblich beschleunigen (vgl. Abschnitt 3.4.2). Den- noch ist nicht klar, was diese Systeme von jenen in den Abschnitten 6.1 und 6.2 unterscheidet, die sich erwartungs- gemZiD verhalten. Ein wesentlicher Nachteil beim Versuch einer Klarung ist, daB die intramolekularen und Losungs- mittelparameter der meisten ET-Systeme nur ungenugend bekannt sind. Ein detailiierter Vergleich rnit den vorhande- nen Theorien ist daher ohne zusiitzliche Ad-hoc-Annahmen nicht moglich.

Kobayashi et al.[771 bestimmten die Geschwindigkeit des intermolekularen ET in einer Liisung von Nilblau 3 in N,N- Dimethylanilin. In diesem System agiert N,N-Dimethylani-

lin als Losungsmittel und als Elektronendonor, der die Fho- reszenz des Farbstoffs Nilblau loscht. Man nimmt an, daR

bei der Reaktion Donor und Acceptor in geringem Abstand parallel zueinander stehen.

Die Kinetik der Reaktion weist zwei Komponeuten mit einer uberwiegenden Zerfallszeit von ca. 100 fs (95 Yo) bzw. ca. 2.5 ps ( 5 YO) auf. Bei einer (geschatzten) longitudinalen dielektrischen Relaxationszeit von ca. 5 ps in N,N-Dimethyl- anilin ergibt sich aus der schnellen Komponente eine ET-Ge- schwindigkeit von I O l 3 s-', die 1 / T , um das Funfzigfdche ubersteigt! Mit geschiitzten Reorgdnisationsenergien von 2, i, = 0.3 eV ordnen die Autoren ihr System in einen Be- reich rnit mittelgronem Reaktionsfenster ( r % 1, vgl. Ab- schnitt 4.2) ein. Im Sumi-Marcus-Ansatz bieten intramole- kulare Schwingungen von Reibungseffekten nicht betroffene ,,Ausweichrouten" uber die Aktivierungsbarriere. Die Er- gebnisse numerischer Berechnungen fur die injttleren Le- bensdauern T~ und tt, aus Gleichung (24) in diesem Bereich (Y z 1) stiinmen tatsichlich mit den experimentellen Ab- klingzeiten uberein (unter der Annahme, daR k,,, =

2 x lo1" s-'). Allerdings liefert die Abschiitzung der intra- molekularen Reorganisationsenergie I., in Lit.[77] nur den Anteil hochfrequenter Schwingungen. wihrend sich das Ver- hiiltnis Y in Abschnitt 4 eigentlich auf niederfrequente Schwingungen bezieht. Die direkte Anwendung der Sumi- Marcus-Theorie erscheint daher etwas fragwurdig.

Ein ahnliches Verhalten wurde bei der cyclophanartigen Verbindung 4 mit einer Porphyrin- und zwei Dichlorchinon- einheiten in cofacialer Anordnung gefu~iden['~]. Die optisch

C*" CI 0

4

angeregte Porphyrineinheit wirkt als Elektronendonor. die Chinongruppen als Acceptoren. Die Kinetik wird uber die Loschung der Porphyrinfluoreszenz verfolgt. Die Reorgani- sationsenergien i., und ii in dieser Verbindung iihneln denen im System 3/Dimethylanilin[' 541. Die Geschwindigkeit des intramolekularen ET liegt bei 10l2 s- ' und ist nahezu unab- hiingig von der Polaritiit des Losungsmittels uber den ganzen Bereich von Hexan bis Acetonitril und von dielektrischen Relaxationszeiten bis zu z, 2' 100-300 ps wie etwa in Glyce- rintriacetat und Octanol. DaD der ET sogar in dem unpola- ren Losungsmittel Hexan sehr schnell verlauft. weist darauf hin, clan die Reaktionskoordinate nicht notwendigerweise erhebliche Polarisationsschwankungen beinhaltet.

AuBer diesen Fiillen mit fehlenden Reibungseffekten gibt es mehrere Beispiele, in denen zuniichst ein enger Zusam- menhang zwischen ET-Geschwindigkeiten und der dielek- trischen Relaxation festgestellt wurde. Diese Korrelationen erwiesen sich allerdings spiiter entweder als Losungsmittel- effekte auf die Aktivierungsenergie AG* l S 6 ] (die wir zu den statischen Effekten ziihlen), oder sie wurden aus anderen

393

Page 17: Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

Griinden in Frage g e ~ t e l l t [ " ~ ~ . Ein allgemeines Problem bei der Analyse derartiger Korrelationen ist, daR in den meisten Systemen der zugangliche Bereich von 7, (oder anderen Para- metern) aus experimentellen Griinden sehr begrenzt ist. Des- halb treten nur kleine Anderungen der Reaktionsgeschwin- digkeit auf, an die jede Theorie angepaRt werden kann, die das gleiche qualitative Verhalten vorhersagt (und umge- kehrt).

6.4. Neuere Ergebnisse der Ultrakurzzeitspektroskopie

Ein bedeutender Schritt hin zu einer befriedigenden Cha- rakterisierung des untersuchten Systems gelang kiirzlich Barbara et al. an der University of Minnesota in einer Reihe von Experimenten, in denen Losungsmittel- und intramole- kulare Parameter unabhangig voneinander bestimmt werden konnten. Eines dieser Beispiele ist die photoinduzierte La- dungstrennung in Bianthryl 5 601 (siehe Abb. 10).

&Js \ / /

Ein ultrakurzer Lichtpuls iiberfiihrt das Molekiil in einen unpolaren, lokal angeregten (excitonischen) (LE-)Zustand (A-A +A*-A ++A-A*). In einem polaren Losungsmittel

A- -A-A) in vielen Losungsmitteln und mit sehr hoher zeit- licher Auflosung u n t e r s ~ c h t [ ~ ~ ~ . Die mittleren Elektronen- transferzeiten 7e, der Reaktion LE -+ CT liegen zwischen 0.85 ps in Aceton und 450 ps in Pentanol bei 273 K und stimmen mit den mittleren Solvatationszeiten z, mit einer Genauigkeit von 40 % uberein.

Wie bei dem in Abbildung 8 geschilderten System gibt die zeitliche Veranderung der Fluoreszenz aus dem ladungsge- trennten Zustand die Bewegung auf der FES unmittelbar wieder. Diese Bewegung wurde mit einer Langevin-Glei- chung mit frequenzabhangiger Reibung simuliert[601, wobei letztere in TDSS-Experimenten (siehe Abschnitt 5.2) gemes- sen wnrde. Die Ubereinstimmung zwischen gemessenen Spektren und numerischen Simulationen war erstaunlich gut. Die experimentellen Daten zeigen, dalj die Ladungstren- nung adiabatisch, nahezu aktivierungslos und in den meisten Fallen nichtexponentiell verlauft.

Ein besonderes Kennzeichen dieses Systems sollte aller- dings nicht iibersehen werden : Betrachtliche Losungsmittel- fluktuationen sind die Vorausssetzung dafiir, daI3 die zu ei- ner Ladungstrennung notwendige Asymmetrie im System iiberhaupt erst entsteht. Andernfalls findet keine Reaktion statt, d. h. die Dynamik der Polarisationsschwankungen ist zwangslaufig der geschwindigkeitsbestimmende Faktor. Es ist schwer einzusehen, wie eine intramolekulare Schwingung den gleichen Effekt erzielen konnte.

Eine ganz ahnliche Analyse der Gruppe in Minnesota galt der photoinduzierten Ladungstrennung in dem (unsymme- trischen) Molekiil 9-(4-N,N-Dimethylaminophenyl)anthra- cen 616']. Der ET in dieser Verbindung kann als zweistufiger

I I q-

Ahh. 10. Schematische Darslellung diabdtischer und adiahatiacher FESs fur 5 in cinem polaren Liisungmittcl im Grundzustand So (A-A), im unpolaren LE-Zustand (A*-A*A-A*) und in den beiden polaren Zustindcn CT (A-- A') und CT' (A' -A-). a) Fluoressens aus dcm LE-Zustand, h), h') intramole- kulare Ladungstrennung zu den CT-Zustiinden und Liisungsmittelrelaxation, c) reitabhiingigc Rotverschiebung der Rekombinationsfluoreszenz aus CT'.

bricht eine asymmetrische Flnktuation in der Losungsmittel- umgebung die Symmetrie des LE-Zustands und lost eine intramolekulare Ladungstrennung aus, wodurch einer der beiden moglichen Charge-Transfer(CT-)Zustande (A*-A u A-A* +A+-A-,A--A+) entsteht. Die im Vergleich zum un- polaren LE-Zustand stlrkere Solvatation des polaren CT- Zustands fiihrt dazu, da6 sich der CT-Zustand selbst ,,eingrabt".

Die Kinetik dieses Systems wurde eingehend iiber die Zeit- abhangigkeit der Fluoreszenzspektren aus dem LE-Zustand (A*-A*A-A* +A-A) und dem CT-Zustand (A--A+, A'-

ProzeB aufgefaBt werden. Im ersten Schritt erfolgt der gronte Teil der Anderung der elektronischen Ladungsverteilung in 6 in weniger als 150 fs und unabhangig von den Relaxations- eigenschaften des Losungsmittels. Der zweite Schritt spiegelt in erster Linie die zeitabhangige Solvatation des entstehen- den ladungsgetrennten Zustands mit der charakteristischen Zeitkonstante z, wieder und fiihrt nur noch zu einer kleinen weiteren Verschiebung der insgesamt iibertragenen Ladung. Die Losungsmitteldynamik beeinflufit daher diese ET-Reak- tion insgesamt nur unwesentlich.

Ein beiden Systemen (5 und 6) gemeinsames Merkmal ist, daB die Erklarung der ET-Dynamik eine explizite Simula- tion der Zeitabhangigkeit der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Reaktanten auf der Reaktionskoordinate erfordert. Eine Diskussion im Sinne von Geschwindigkeitskonstanten ist of- fensichtlich unzureichend.

Ein ganzlich anderes Verhalten wurde bei der photoindu- zierten Ladungstrennung in der Verbindung Betain-30 (7) beobachtetk6' - 641.

Dieses Molekiil wird direkt aus einem Grundzustand mit CT-Charakter in einen schwach polaren angeregten Zustand iiberfiihrt (siehe Abb. 11). Die starke Anderung des Dipol- moments bei der Anregung fiihrt zwangslaufig zunachst zu

394 Angrw. Clwm 1993, 10.5. 378-398

Page 18: Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

I

einer Nichtgleichgewichtspolarisation des Losungsmittels fur den angeregten Zustand. Die Ruckreaktion aus dem schwach polaren angeregten Zustand in den ladungsgetrenn- ten Grundzustand wurde uber die Geschwindigkeit, mit der die Intensitat der Grundzustandsabsorption wieder zunahm, mit einer zeitlichen Auflosung von 100 fs verfolgt. Messun- gen in einfachen Losungsmitteln wie Acetoiiitril und Methyl- acetat bei Raumtemperatur decken den Bereich mittlerer Solvatationszeiten z, von 250 fs bis ca. 10 ps abL6*. 631. Mes- sungen in Glycerintriacetat bei Temperaturen zwischen 228 und 31 8 K erweitern die obere Grenze fur z, von 10 ps in den p~s-Bereich[~~l. Ein Nachteil der Experimente mit Tempera- turvariation 1st allerdings, daR die dielektrische Relaxation von Glycerintriacetat weniger gut charakterisiert ist als die der anderen Losungsmittel. Die Daten fur schnelle und lang- same Relaxation sind daher nicht gleich zuverlassig.

9- I

Abb. 11. FESs des Schwingungsgrundmstands S: und der n-fach schwingungs- angeregten Zustinde S{ des clektronischen CT-Grundzustands So und dcs schwach polaren, durch optische Anregung erreichten Zustands S, von 7. Die FESs der Zustinde S; sindjeweils um dle Energie eincs Schwingungsquants h(o, vertikal verschoben. Man heachtc: Die klassische Koordinate 9 heLieht sich bei den Schritten a und b auf zwei verschiedene Freiheitsgrade. a)Dielektrische Relaxation des Liisungsmittels im angeregten Zustand: b) cine niederfrequente intramolekulare Schwingung verursacht die CT-Reaktion; c) Energie- relaxation hochfrequenter Schwingungen.

Die in der ET-Theorie auftretenden Parameter wurden abgeschatzt, indem die stationaren Grundzustandsspektren fur mehrere Losungsmittel durch Modellfunktionen fur die Bandenform angepafit wurden" 5s1. Die Absorptionsbande wird dann zufriedenstellend wiedergegeben, wenn neben ei- nem strukturlosen, dielektrischen Kontinuum eine effektive, hochfrequente, intramolekulare (hw, z 1600 ern- ') und eine niederfrequente Schwingung in die Beschreibung aufgenom- men werden. Die Art der letztgenannten Schwingung bleibt allerdings ungeklart. AuRerdem liefert die Analyse der Ab- sorptionsbande Schiitzwerte fur die Energien A,, hi und Ai,c , (siehe Abschnitte 2.3, 3.4.1 und 4.1), die sich auf die Reor- ganisation des Losungsmittelkontinuums, der hochfrequen- ten bzw. der niederfrequenten Schwingung beziehen. Fur die elektronische Kopplung ergaben sich ca. 2500 em-', wo-

durch auf jeden Fall eine adiabatische Reaktion sicherge- stellt ist.

Insgesamt sieht die Abhangigkeit von den Relaxationsei- genschaften so aus: In Losungsinitteln rnit Solvatationszei- ten 5, < 3 ps niinmt die Lebensdauer des angeregten Zu- stands zunachst proportional zu z, von 0.2 auf etwa 2 p s schnell zu, bleibt dann aber selbst in Jangsamen" Losungs- mitteln mit Solvatationszeiten, die 1 0 ps itm Groljenordnun- gen ubersteigen, nahezu konstant bei 2-5 ps. Das Abknik- ken der ET-Geschwindigkeit ist hier genau andersherum als durch Gleichung (18) vorhergesagt wird!

Zur Interpretation schlagen die A ~ t o r e n [ ~ ~ ] das erweiterte Sumi-Marcus-Model1 mit einer klassischen und einer quan- tenmechanischen hochfrequenten Schwingung vor. Die hochfrequente Schwingung dient als Abnehmer fur die groRe Reaktionsenergie, so dal3 ein nahezu aktivierungsloser Ab- lauf der ET-Reaktion im invertierten Bereich moglich wird. Fur die Y-Koordinate in Abbildung 6 wird die niederfre- quente Schwingung aus der Bandenformanalyse herangezo- gen. AuBerdem wird die anfkngliche Nichtgleichgewichts- polarisation unmittelbar nach der optischen Anregung expli- zit berucksichtigt.

Die qualitative Erklarung fur die beiden unterschiedlichen Bereiche in der Abhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von zq lautet wie folgt: Die optische Anregung des Betains 7 erzeugt zunachst einen Zustand mit einer Losungsmittel- koordinate X. die eine erhebliche Aktivierungsenergie in k ( X ) erfordert. In ,,schnellen" Losungsmitteln (ts < 3 ps) diffundiert die Losungsmittelpolarisation zuerst in Richtung auf eine Losungsmittelkonfiguration. die zu einer niedrige- ren Aktivierungsbarriere fuhrt. Anschliefiend reagiert das System sehr schnell entlang der klassischen nichtdiffusiven Koordinate zu den Produkten. Der geschwindigkeitsbestim- mende Schritt ist die Polarisationsdiffusion, und deshalb ist die Lebensdauer des angeregten Zustands proportional zu T,. In Jangsamen" Losungsmitteln ( T , 2 10 ps) wird das Sy- stem eher die Barriere uberwinden, die zur anpinglichen Lo- sungsmittelkonfiguration gehort, als sich zuerst in Richtung auf eine niedrigere Barriere zu bewegen. Selbstverstandlich ist dann die Reaktionsgeschwindigkeit nahezu unabhangig von z,. Selbst auf der Zeitskala von nur 10 ps entspricht das bereits der eingefrorenen Verteilung in Abschnitt 4.2.

Vergleichen wir 5 , 6 und 7, so liegt in jeder Verbindung ein sehr spezifischer EinflulJ der Liisungsmitteldynamik vor. Trotzdem entsprechen alle drei dem Spezialfall eines Systems rnit sehr starker Donor-Acceptor-Kopplung und sehr kleiner Aktivierungsbarriere. Die Ubergiinge zwischen nicht- adiabatischen, losungsmittelkontrolliert adiabatischen und gleichformig adiabatischen Reaktionen sind bisher noch nicht iihnlich detailliert untersucht worden.

7. SchluBfolgerung und Ausblick

Die endliche dielektrische Ansprechzeit polarer Losungs- mittel setzt im allgemeinen die Geschwindigkeit herab, mit der sich die Ladungsverteilung in einem gelosten Molekul bei einer ET-Reaktion andert. Bei einer derartigen Reaktion iiberwindet, bildlich betrachtet, ein Teilchen (das ,,System") eine Aktivierungsbarriere zwischen zwei Potentialmulden auf einer FES. Die schnell fluktuierende Wechselwirkung mit vielen Losungsmittelmolekulen wird in Form von Rei-

A n g e ~ Clicvn. 1993. I O S . 378 398 395

Page 19: Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

bungs- und Zufallskriften dargestellt. die zu einer in hohem MaRe zufilligen Bewegung des Teilchens uber die Barriere fuhren.

Eine ziemlich allgemeine Folge dieser diffusionsartigen Uberquerung der Barriere ist die Proportionalitit der Verzo- gerung der Reaktion zur longitudinalen dielektrischen Relaxationszeit 7, . Daher wurde diese Proportionalitat lange Zeit als Kennzeichen dielektrischer Relaxationseffekte ange- sehen, und iltere Experimente schienen diese Vorstellung zu bestiitigen. Tatsichlich legte die Theorie nahe, daR die Kon- trolle durch die Losungsmitteldynamik bei jeder ET-Reak- tion erzwungen werden kann, indem sie nur in einem Lo- sungsmittel mit ausreichend langsamer dielektrischer Relaxation durchgefiihrt wird. Diese anfangliche Begeiste- rung scheint allerdings verfriiht gewesen zu sein. Tatslchlich wird inimer deutlicher, daR die Wirklichkeit vie1 komplexer ist. Dies ist das Ergebnis eines Zusammenspiels der elektro- nischen Kopplung (Nichtadiabasie), der stochastischen Uberquerung der Aktivierungsbarriere und der Moglichkeit mehrerer charakteristischer Zeitskalen bei der dielektrischen Relaxation und der intramolekularen Reorganisation. Den- noch sind die gelaufigen theoretischen Ansitze immer noch zu ungenau, um in praktischen Fallen verlaDliche Kriterien anbieten zu konnen. Im Hinblick auf eine wirklich mole- kulare Theorie muR daher noch vie1 getan werden.

Gerade die Unsicherheit in den Relaxationsdaten und der Mangel an zuverllssigen Molekulparametern in Verbindung mit der Flexibilitlt der geliufigen Theorien haben es aber bisher ermoglicht, eine Ubereiiistimmung zwischen Theorie und nahezu jedem Versuchsergehnis herzustellen. Deshalb stellt sich die Frage: Welche Bedingungen muB ein ideales Experiment erfiillen, um diesen reichlich unbefriedigenden Zustand zu beheben?

Erstens sind ein fester Abstand und eine eindeutige Orien- tierung von Donor und Acceptor hochst wiinschenswert. Diese Bedingung wird in starr verbruckten intramolekularen Donor-Acceptor-Verbindungen erfiillt, die eine wohldefi- nierte elektronische Kopplung gewiihrleisten und Konfor- mations- und andere Strukturinderungen ausschlienen, die sich mit dem ET iiberlagern.

Zweitens ist eine vollstiindige Charakterisierung der Mole- kiil- und Losungsmittelparameter unabhangig von den Mes- sungen zu dynamischen Losungsmitteleffekten unabding- bar. Die elektronische Kopplung kann aus einer umfassenden Analyse der Abhiingigkeit der Reaktionsge- schwindigkeit von der Triebkraft und dem A b ~ t a n d [ ' ~ I , in einigen Fallen auch aus statischen CT-Absorptionsspek-

ermittelt werden. Eine Analyse der Banden- form von CT-Uberghngen kann Werte fur die relevanten Reorganisationsenergien und Schwingungsfrequenzen lie-

men[ 1621 konnten unser Wissen iiber diese GroRen weiter vertiefen.

Drittens ist eine eingehende Kenntnis der Zeitskalen und Mechanismen der dielektrischen Relaxation und ihrer Kopp- lung mit den Reaktanten von gronter Bedeutung. Hier hat die Ultrakurzzeitspektroskopie einen Entwicklungsstand er- reicht, auf dem man die Dynamik des Losungsmittels auf molekularer Ebene zu verstehen beginnt.

Viertens enthiilt die explizite Zeitabhingigkeit einer ET- Reaktion wichtige Informationen. Dies erfordert zeitaufge- loste Messungen der ET-Kinetik auf einer der dielektrischen

tren[18. 159. 1601

fern['"% 1611 . R aman-Untersuchungen an diesen Syste-

Relaxation vergleichbaren Zeitskala. Zusammenfassend liiMt sich sagen, daB nur eine Kombination statischer und zeitauf- geloster Messungen die Informationen liefern kann, die fur die Rekonstruktion der beteiligten FESs und der Bewegun- gen darauf erforderlich sind.

Glucklicherweise haben enorme Fortschritte in der Ent- wicklung spektroskopischer Methoden und der Synthese ge- eigneter Donor-Acceptor-Systenie dieses anspruchsvolle Ziel in Reichweite gebracht. Dariiber hinaus ermoglichen Verbesserungen der Rechnerkapazitat allmiihlich realisti- sche Simulationen von ET-Reaktionen in Losung, die die Kluft zwischen Experiment und Theorie schlieRen sollten.

Diese ermutigende Aussicht ist fur die Untersuchung von Reaktionskinetiken in Losung generell von weitreichender Bedeutung. Obwohl die allgemeinen Begriffsbildungen zu dynamischen Losungsmitteleffekten wie die diffusive Uber- querung einer Aktivierungsbarriere und Nichtadiabasie- effekte hier nur im Zusammenhang mit ET-Reaktionen be- sprochen wurden, gelten sie ebenso fur andere Reaktionen wie den Protonentransfer. Isomeri~ierungsreaktionen['~~~, die Bindung von Liganden an Enzyme[831, die Assoziation oder Dissoziation von lonen und Radikalen[1641 sowie nucleophile Substitutionen['". 1 6 5 1 ,

An ersier Stelle moclire ich meiner akadeniischen Lehrerin Frau Prof. M . E. Mirhel-Beycrle, Technische Universitat Miinclicm ( T U M ) , danken. Ihre Begeisterung hat midi u b c ~ vide Jahre h i n w g inspiriert. Ohne ilir anciauerncks Ititeresse h u m ich weder die Mittel nock den konzeptionellen Hinter- grzind jiir meine Arheit iiber Elektrotzentransjerreaktionen. Auf ilir &treihen hin Izahe ick niit d i~r Abfussutig diescs Ailf- safzes hegonnen. Aucli miirhte irh midi hei Prof: J . Jortner, Uniwrsitiit Tel Aviv,,fiir seinr Unterstiitzung und Ermutigung hedunken. Er hat niick mit dern Thema bekanntgemucht und mich wither an seinem urn fussenden Wissen und seinen neu- esfen Ergehnissen teilliaben lassen. Ein Gutieil des Eqb1g.s hei unserer Arheit an deer TUM heruht direkt uufseinen Ratsclilii- g m Ohne die enge Zusarnnzenarheit mir Prof: H. A . Staah und scinen Miiarheitern am Mu.u-Planck-Instirz~t in Heidel- berg und deren gr@e Anstrengirngen aufdeni Gehiet deer orga- nischen Synikese liarten wir unsere neuesten Messungen an d m Porphyrin- Chinon- Verbindungen gar nicht durchfuhren kiin- nett Ferner liuhen mir die vielen anregenden Gespvuche mit Prof: M . Bixon, Universitut Tel Aviv, und Prof. N . R T U M , sowie deren kritisches Durclilesen des Manuskriptes sehr geholfen. Ich rniichte mich auch hei Prof P. Barbara, Universit-y of Minnesota, dafur hedanken, dab er mir Vorah- drucke einiger seiner Vero&dichungen zur Verfugung strllte. Niclit zuletzt bin iclz Prof. G. L. Hofucker, T U M , ,fur die grqllziigige Gus(freutidsclzuft an seinem Institut zu gvoJ3em Dank verpflichtet. Die jinanzielle Unterstiitzung der Deut- schen Forschungsgemeinschafi und des Bundesministeriums . f i r Forsc,hung und Technologie erkenne ich dankend an.

Eingegangen am 7. Februar 1992 [A 8971

[I] J. Ulstrup, Charge Transfer Proccvsi~~ in Conriensrd h ' d i r i , Springer, Ber-

[2] R . D. Cannon. E/c>crron Pumfer Rracrrons, Butterworths, London. 1980. [3] V. Balrani, F. Scandola. Su/mmfo/ecu/rrr Pl~otochenristr?. Ellis Horwood,

[4] H. Taube, Angcw. C'hcm. 1984.96,315; Angeiv. Chem. Int . Ed. Engl. 1984,

[ 5 ] M. D. Newton, N. Sutin, Annu. Rei:. Phys. Chrm. 1984, 35. 437. [6] R. A. Marcus, N . Sutin, Biochim. Biuphys. Acra 1985. 811, 265. [7] K. V. Mikkelsen, M. A. Ratner, C'hen?. Rev. 1987, 87, 113. [ X I A. Haim, Prog. Inorx. Chem. 1983, 30, 273; T. .I. Meyer, ibid. 1983, 30.

lin. 1979.

Neh York, 1991.

23, 329

389; N . Sutin, ibid. 1983.30. 441.

396

Page 20: Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

[9] J. Kavarnos, Top. Curl-. Chcm. 1990, 156, 21. [lo] F. Scandola. M. T. Indelli. C. Chiorboli. C. A. Bignozzi. Top. ('urr. cI7enZ.

[ I l l Photoinrluced Elc.ctron F u r i f r r . Pwt A-D (Hrsg.: M A. Fox, M. Cha-

[I21 J. S. Connolly, J. R. Bolton. in [Il l . Purr D , S. 303. [I31 M. R. Wasielewski. M. P. Niemczyk. W. A. Svec, E. B. Pewitt. J. A m .

C.'hem. SOL.. 1985, 107. 1080; G L. Gaincs, M. P. O'Neill. W. A. Svec, M. P. Niemczyk. M. R. Wasielewski, rhld. 1991. 113, 719.

[14] G. L. Closs. L. T. Calcaterra. N. J. Green, K. W. Penfield, J. R. Miller, J. Pht.,~. Chcni. 1986. 90. 3673.

[15] 1. R Gould, R. H. Young, R. E. Moody, S. Farid, .I. PI?'s. Chem. 1991. 95, 2068.

[16] T. Asahi, N. Mataga, Y Takahashi. T. Miyashi. Chem. Phys. Lett. 1990. 171, 309; T, Asahi. N. Mataga, J Phys. Chem. 1991, 95. 1956.

117) P. Chen, R. Duexing, D. K. Graff, T. J. Meyer, J Phys. Chrni. 1991. 95, 5850.

[18] D. E. Richardson, H. Taubc, J , A m . Chem. Soc. 1983, 105. 40. 1191 Elektronentransfer in modlfizierten Biomolekulen wird z.B. in folgendcn

Arbeiten beschrieben: S. L. Mayo. W. R. Ellis, R. J. Crutchley, H . B. Gray. Science 1986,233,948; B. E. Bowler, A. L. Raphael, H . B. Gray, Prog. Inorg. Chern. 1990. 38. 259, zit. Lit.

120) Elektronentransfer in aynthetischen Oligopepiden wird beschrieben von S. S. Isied, Prog. Inorg. Chrni. 1984, 32. 443; M. R. DeFehppis. M. Fa- raggi. M. H. Klapper. J. Am. Chem. SOC. 1990. 112, 5640; K. S. Schanze. L A. Cabana, J Phj,s. Chem. 1990. Y4. 2740.

[21] J. M. Warman, M. P. de Haas. M. N . Paddon-Row, E. Cotsaris, N. S. Hush. H. Oevering. J. W. Verhoeven, Nuturr 1986,32U, 615; H. Oevering. M. N. Paddon-Row. M. Heppener, A. M. Oliver. E. Cotsaris, J. W. Ver- hoeven, N. S. Hush, J. . h i . Chem. Soc. 1987, 109. 3258.

[22] A. D. Joran, B. A. Leland, P. M. Felker. A. H. Zewail. J. J. Hopfield, P. B. Dervdn, Nuture 1987, 327, 508.

[23] H. Hcitele, M. E. Michel-Beyerle. P. Finckh, Chern. P/igs. Leu. 1987,134. 273.

[24] G L. Closs, M. D. Johnson, J. R. Miller, P. Piotrowiak, J An?. Cliem. SOL.. 1989, 111, 3751.

[25] M. R . Wasielewski in [l l] , Port A , S. 161. [26] M. D. Newton, Chem. Rev. 1991. 91. 767. zit. Lit. [27] M. 1. Powers. T. J. Mcyer. .i. Am. Chrm Snc. 1978, 100, 4393; ibid. 1980.

[28] A. Weller. 2. Pliys. ('hrm. (Mimich) 1982. 133, 93. [29] G Grampp, W. .laenicke. BPI- Bunsmgcs. Phw Ch6.m. 1984, X8, 325,

335. [30] .T. A . Schmidt. A. Siemiarczuk, A. C. Weedon, J. R. Bolton. 1 Am. Chem.

Sol.. 1985, 107.6112: J. A. Schmidt, J:Y. Liu. J. R. Bolton, M. D. Archer. V. P. Y Gadzekpo, J. C'hcm. S O C . Faruduy Truna. 1 1989. 8.5, 1027.

[31] H. Heitele. S. Weeren. F. Pijllinger, M. E. Michel-Beyerle. J Phgs. Chem. 1989, 93. 5173; H . Heitele. F. Pollinger. S. Weeren. M. E. Michel-Beyerle, Chem. Pligs. 1990, 143, 325; Chem. Ph,v.s. Lrrt. 1990, 168, 598.

1990. 158. 73.

non), Elsevier. Amsterdam, 1988.

102, 1289.

[32] J Burgess, E. Pelizzetti, ProR. Reuct. Kinet. 1992. 17, 1. 1331 K. F. Purccll, J. C. Kotz, Innrgunic Chrmi.stry, W. B. Saunders. Philadel-

phia, USA, 1977: F. A. Cotton, G. Wilkinson, .4di~uncrdInnrganic C'hem- wtry, Wiley. New York. 1988.

[341 H. A. Kramers. P/~j-ricu iAm~terrlum) 1940, 7. 284. [35] L. D. Zusman. C ' h i w z . Phgs. 1980, 49, 295. 1361 L. D. Zusman. Chem. PIiy.!. 1988. 119. 51; ihid. 1990, 144, 1. [37] D. F. Calef, P. G. Wolynes, J. Phys. Chem. 1983, 87, 3387. 1381 A. Garg, J. N. Onuchic, V. Ambegaokar, J. Chem. Phys. 1985, 83, 4491. [39] J N. Onuchic. J. Chem. P h p . 1987, 86. 3925. 1401 J. N. Ontichic. P. G. Wolyneb, 1 P h m c'hem. 1988, 92. 6495. [41] I. Rips, J. Jortner, J. Chem. P h p . 1987, 87, 2090. [42] 1. Rips, J. Jortner, J. Chem. Phgs. 1987, 87, 6513. 1431 I. Rips, J. Jortner. Chrm. P h y . Lett. 1987, 13.1. 41 1 [441 J. Jortner, M. Bixon, .L Chrm. Phys. 1988, 88. 167. [45l H. Snmi. R. A. Marcus. J Cheni. Phys. 1986. 84, 4272. 4894. (461 W. Nadler, R. A. Marcus, J Chem. Phw. 1987, 86. 3906. [47] W. Nadler, R. A. Marcus, Chem. Phjs. Lett. 1988, 144, 24. 14x1 W. Nadler, R. A. Marcus, 1.v. 1 Chem. 1990, 30, 69. [491 H. L. Friedman. M. D. Newton, Farodcry discus.^. Chrm. Soc. 1982, 74,

73; M. D. Newton. H. L. Friedman. J. Chem. Phys. 1988, 88, 4460. [50] J. T. Hynes. J. Pl7p.s. Chmn7. 1986, 90. 3701. [51] A. B. Helman, Chem. Phys. 1982, 65. 271. [521 M. Sparpaglione, S. Mukamel, J. Chrm. Phrs. 1988,88, 3263,4300; Y. J.

Yan, M. Sparpaglione, S. Mukamel, J PIiys. Chrm. 1988, 92, 4842. (531 R . I . Cukier, .I Chem. Phgs. 1988,88,5594; M. Morillo, R. 1. Cukier, ihrrl.

1988,8Y. 6736; M. Morillo. D. Y. Yang, R. I. Cukier, i b d 1989, YO, 571 1; D. Y Yang, R. I . Cnkier, rhid. 1989. 91. 281.

[54] A. Warshel, J. P h w Chem. 1982, 86. 2218. [551 A. Wat-shel. J.-K. Hwang, .I. Cheni. Phfs. 1986. 84, 4938. [561 D. Huppert, H. Kanety. E. M. Kosower, Furaduj Di,rcu,ss. Chem. SOL..

1981, 74, 161; E. M. Kosower, D. Huppert. Chem. Phys. Lett. 1983. 96, 433.

[57l D. Huppert, V. Ittah. E. M. Kosower. Chem. P h u . Le/ / . 1988, 144,15; D. Huppert. V. Ittah. A. Masad, E. M. Kosower, ihid 1988, f50, 349.

[58] A. Masad, D. Huppert. E. M. Kosower, Cheni. Phgx 1990. 144, 391.

[59] T. J. Kang. M. A. Kahlow, D. Giser, S. Swcillen, V. Nagara~an. W. Jar7e-

[60] T. J. Kang, W. Jarzeba. P. F. Barbara, T. Fonseca, ('hem. P h p . 1990, 149.

[61] K. Tominaga, G. C. Walker. W. Jarzeba, P. F. Barbara, J. Phys. Chen?.

b;r. P. F. Barbara. J , Phi,.\. Chem 1988. Y2, 6800.

81

1991. 9.5, 10475. I621 E Akesson. G. C. Walker. P. F, Barbara. J Chem. Phys. 1991, 95. 4188. t--, -

[63] P. F. Barbara. G. C. Walker, T. P. Smith, Sricncc. 1992, 256, 975. [64] E. Akesson. A. E. Johnson, N. E. Levinger. G. C. Walker. T. P. DuBruil.

1651 M . J. Weaver, T. Gennctt, C:/IL'III. Phvs. L<,//. 1985. 113, 213. [66] T Gennett, D. E Milner, M. J. Weaver, 1 Ph, , . Chem. 1985, 8Y. 2787 [67] G. E. McManis. M. N. Golovin, M. J. Weaver, J. Phys. Chcm. 1986, 90,

[68] G. E. McManis, R. M. Nielson. A. Gochev, M. J. Weaver, J. Am. Chcwi.

1691 R . M. Nielson, G. E. McManis. M. N. Golovin. M . J. Weaver. J. Phps.

[70] G. E. McManis, M. I. Weaver. ('hmm. P h w Lctf. 1988,145, 55 . [71] M. J. Weaver, G. E. McManis. W. JarLeba, P. F. Barbara, J. Phys. Chem.

1990, 94, 1715 [72] W. Harrer. G. Gratnpp. W Jaenicke, Cheni. Pliys. Lrtt. 1984, 112, 263; G .

Grampp, W. Harrer, G. Hctc, B w . Bun.smge.\. Phrs. Chcm. 1990, Y4. 1343; G. Grampp. W. Jaenicke. ihid 1991. YS. 904.

[73] H. Heitele. M. E. Michel-Beyerle, P. Finckh, Chmn7. P h u . L t t t . 1987. 138, 237.

[74j P. Finckh, H . Heitele, M. E. Michel-Beyerle, Chrm P h ~ s . 1989, 138. 1 . [75] F. Piillinger, H. Heitele. M. E. Michel-Beyerlc. C. Anders. M. Futscher,

[76] U. Rempei, 8 . von M a b a n , C. \on Borczyskowski, Z. P/?y.s. Chern. 1991.

[77] T. Kobayashi. J'. Takagi, H. Kandori, K. Kemnitz. K. Yoshlhars, Chrm.

[78] M. Maroncelli. J. Mclnnis. G . R. Fleming. S c i r v m 1989. 243. 1674. 1791 J. D. Simon, A w . Chon. Kc's. 1988, 21, 128. [80] M. J. Weaver. G. E. MeManis, Ai.1.. Chem Rcs. 1990, 23. 294. 1811 P. F Barbara, W. Jarzeba. Adv. Photochcm. 1990. I S . 1. [X2] B. Bagchl. Amnr. R E V . Phy,\. Chem. 1989, 40. 115. [83] H. Fraiienfelder. P. G. Wolynes. Scknce 1985, 229. 337. [84] R. E. Cline, P. G. Wolynes, J Chem. Phjs. 1987. 86, 3836. 1x51 D. F. Calef, in [ i l l . Purt A , S. 362. (86) Tatsichlich wird vorausgesetzt, dab man den gesani~en Hamilton-Opera-

tor auf zwei fur Edukte und Produkte verschiedene Arten in einen Anteil niillter Ordnung und eine Storung zerlegen kann [I , 5. 261.

1871 A. Yoshinion, T. Kakitani. Y. Enomoto. N. Mataga. J. Phi,.s. Chrm. 1989, 93. 8316.

[XX] Die direkte Simulation von FESs weit vom jeweiligcn Minimum entfernt erweist sich als nicht praktikdhel. Statt dessen verwendet man einen sto- rungstheoretischen Ansatz: siehe dazu: G. King. A. Warshel, J, Chcrn. Phys. 1990, 93. 8682.

P. F. Barbara, J . Chcm. Phx.r. 1992, (16. 7859.

6563.

Soc. 1989, 111. 5533.

Chem. 1988, 92, 3441

H. A. Staab, Chrm Phyc. Lr t r . 1992. 198, 645.

170. 107.

t 'h js Leit. 1991. 180, 416.

[SY] J.-K.Hwang, A. Warshel. .I. A m < ' / 7 m . Snc. 1987. lU9, 715. [90] A. W5rshel. Z.-T. Chu. W W Paraon, SIIPNW 1989. 246, 112. [91] A. Warshel, Z.-T. Chu. J. Chmi. Phjs. 1990, 93. 4003. 1921 A. Wiirshel. W. W. Parson. Annu. Rcv. Pli,:~ Chrni. 1991. 42, 279. [93] R. A. Kuharski, J. S. Badcr, D. Chandler, M. Sprik, M. L. Klein. R. W.

1941 D. A. Zichi. G. Ciccotti. J. T. Hynea, M . Ferrario. J PIiys. Chrm. 1989. Impey, J. Chem. Phy.r. 1988,89, 3248.

93. 6261. [95] E. A. Carter, J. T. Hynes, J. Phis . Chrm. 1989, 93. 2184: J Chem. Ph.v,s.

1991, 94, 5961 [96] Eine schwierig LU beantuortende Frage 1st. oh der in Gleichung (3) ver-

wendete Gleichgewichtsmittelwert iibcr die Losungsmittelanordnungen X anch bei einem dynaniischen ProLen weit vom Gleichgewicht entfernt noch sinnvoll 1st. Gegebcnenfalls muB dicsc Nichtgleichgewichtsdynamik auf hoherdimensionalen FESs. wie in Abschnitt 4 gezeigt, explizit behan- dclt werden.

[Y7] Eine harmonische FES F(4) entspricht einer GauRschen Wahrscheinlich- keitsverteilung p(q ) in Gleichnng (3). Ihre Kraf1konstante.L wird durch die Breite der GauB-Funktion bestimmt: I, = k , T / ( ( 4 - ( q ) ) 2 ) . Die effek- tive Masae M wird uber den Gleichverteilungssdtz definiert: M = kRT/ ((34lat ~ (aq/8r))2). wobei ( ) Mittelung uber die jeweilige Gleichge- wichtwerteilung bedeutct [95].

[98] R. A. Marcus, J ('hem. PhJs. 1956, 24, 988; ibid 1965, 43, 679. [99] N. S. Hush, Truns. Furudoy SOC. 1961, 57, 551.

[I001 H. Eyring, S. H. Lin, S. M. Lin. Basic Chemical Kinetics, Wiley. New

[I011 D. G. Truhlar, W. I.. Hase. J. T. Hynes. J. P/iys. ChPm. 1983, 87. 2664. [I021 P. HBnggi, P. Talkner, M. Borkovec, Rev. Mod. Phrs. 1990, 62, 251, zit.

11031 G. E. McManis, A. Gochev, M. J. Weaver, Chem. Phys. 1991, 152, 107. [lo41 Andere Definitionen von y,, enthalten zus3itzliche Faktoren 2, n/2,1/;/2

[105] Die Begrundung fur den Faktor TI erfordert eine explizite quantenmecha- njsche Berechnung der Ubergangswahrscheinlichkeit bei einer einzigen Dtirchquerting des LZ-Bereichs [loo. 1061. Der Faktor zwei riihrt daher,

York, 1980.

Lit.

usw.

Angcii Chem 1993 101 378-19X 397

Page 21: Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen

dall in einer nichtadiabatischen Reaktion das System gewohnlich zwci- inal den LZ-Bereich durchliuft: eininal heim Anstieg und, von einer solortigen Reaktion ahgesehen, cinmal heim Abstieg von der Aktivie- rungsharriere. Jedesmal tritt mit der Wahrscheinlichkeit ny,, ein Elektro- neiitransfer auf.

[I061 L. Landau. Phys. Z . S o ~ p t u n i o n 1932. 1, XX; ihiii. 1932, 2. 46; C. Zener, Proc. R. Sor. London A 1932, 137, 696: ihid. 1933. 140, 660.

[I071 V. 0. Levich. A d , . Ekrtrocheni. Elrctrorhcm. Eng. 1966. 4 , 249: R. R. Dogonadze. A. M. Kuznetsov, Sol'. Eletrrorlieni. iEngl. 7runrl. j 1967,3, 11 89.

[I081 R. P. Van Duyne, S. F. Fischer. Chern. Pliys. 1974,5,183: N. R. Keatner, J Jortner, J. Logan. J. Phy.5. Chrni. 1974. 78, 214X; J. Ulstrup, J. Jortner. J. Chcm. Pliys. 1975, 63. 4358: J. Jortner, ihid 1976. 64, 4860.

[I091 N a h u u alle analytischen Ergcbiiisse quantenmechanischer ET-Theorien burden nur fur Reaktionen mit vernachlissigbarer Entropieinderung ahgeleitet. In Anwendungen herucksichtigt man Entropieeffekte einfach dadurch, dal3 man in Ausdrucken fur die Reaktionsgeschwindigkeitskon- stante statt der gewhhnlichen Energie freic Energien verwendet. Fur Glei- chung (8) wird diese Ersetmng \.on R. A. Marcus, ./. Chon. Phys. 1984, 81. 4494, diskutiert. Im allgemeinen ist dicses Vorgehen n u durch den Mangel an Alternativen gerechtfcrtigt.

[I 101 Die Landau-Zener-Wahrscheinlichkeit / I , , iat die Uhergangswahrscliein- liclikeit bei einer cinzigen Durchquerung des LZ-Bercichs fur beliebiges y,,. Die Ableitung der geometrischen Reihe verallgemeincrt das Argu- ment in [105]: Nach einer ersten erfolglosen Durchquerung des LZ-Be- reichs auf dem Hinaufweg auf der Edukt-PES kann d a s System aufdem Weg nach uiiten oberhalb des Krcumngspunkts mehrfach zwischen den diabatischen PESs hin- und herapringen und dadurch ..steckenbleiben". Die Gesamthbergangswahrscheinlichkeit ist dann die Summe aller Uber- gangswahrscheinlichkeiten fur einc bcliebige Zdhl n von Sprungen: P =

PI, + ( l - P ~ z h ( l - P ~ z ) f ' ' ' + ( l - P , , ) / J , , z n ~ i ( l - P , ~ ) + ' ' ' = 2 P d ( I + Pjz).

Siehe hcispielsweire [l] und T. Holstein, Ann. Phys. ( N . K ) 1959. 8, 343. Allerdings gilt die LZ-Ubergangswahrscheinlichkeit nur fur Uberginge zwischen eiiidimcnsionalen PESs. lhre Anwendung auf FESs gehietet wicderum nur der Mangel an Alternativen.

[I 1 11 S. Chandrasekhar. Rev. Mod Pi7y.s. 1943. 15, 1 : C. W. Gardiner. liund- hook of Stochci.sti< Merhod\, Springer. Berlin. 1983.

[I121 J. T. Hynes in T/i(,orj of C/ieniirol Reuction Dynamics (Hrsg.: M. Baer), CRC Press, Boca Raton. FL. 1985. S 171

[ I 131 S. A. Adelman. Ads. Chmm. Pliys. 1980.44. 143: ibid. 1983,53.61 :zit. Lit. [I 141 P. Dehye. Polrir Mo/ru/e , \ , Dover, New York. 1929; H. Friihlich, Theory

of L)ie/ectrics, Oxford, London, 1949. [115] C. F. Bottcber, P. Bordewijk, TIIrnry o/ E k tric Po/uri;ution, Vol. 2, Else-

vier, Amsterdam, 1978. [I 161 H. L. Friedman. J. Clicm. So<. Furcrduy Trriu. 2 1983, 79. 1465; D. Kivel-

son. H. L. Friedman, ./. P/iy.s. Chci7i. 1989, Y.?. 7026 [I 171 Diese Feststellung geht stillschweigend uber cincn wichtigen Aspekt hin-

beg. In eiiier adiahatischen Reaktioii ,.sieht" das Liisungsmittel im LZ- Bereich eine allmihliche Verschiehung der Laduiig vom Donor zum Ac- ceptor. was zu einer znsdt7lichen Kopplung zwischen der Dynarnik des Lhsungsmittels und dcr Andei-ung der elektroiiischen Struktur fiihrt [55]. Diese Heobachtung scheint in nahe7u allen analytischen Behandlnngen von dyn:imischeii Lhsungsmitteleffekten heim ET uhersehen worden zu sein. Allei-dings wurde diese Kopplung explirit in Computersirnulationeti von S,Z-Reaktionen (J.-K. Hwang. G. King, S. Creighton, A. Warshel, J. Am. Clieni. Soc. 1988, 110, 5297; J.-K. Hwang, S. Creighton, G. King. D. Whitney. A. Warshel, J Chrnr. P h j . ~ . 1988.89.859) und in der Sitnulation ciner ET-Reaktion in 1941 heriicksichtigt.

[lIX] T. Fonseca. J. .4. N. F. Goines, P. Grigolini, F. Marchesoni. Adv. Chem. P/zw. 1985, 62. 3x9.

[I 191 Eine aufschlulheiche Saininlung von Artikeln uber das Kramerssche und verwandte Prohleme tindet man in J, Stut. Phi,s. 1986,42 (1/2) und in Be?. Bunsmgr.s. P/iy.s. C%rni. 199 I , YS, (3).

[I201 B. J. Berm, M . Borkovec. J. E. Strauh. J Phys. Chcm. 1988, 92, 3711. (1211 Diese Ruckstreuung 1st kl h und somit streng von quantenmechani-

schen Resonanz- und Kohirenzphinomenen zu unterscheiden. die ehen- Falls im Ziisammenhang mit Reihung5effekten hei aktivierten Reaktionen diskutiert worden sind 1401. Letrtere durften in den hier interessierenden Systcmen allcrdings keine Rolle spielen.

[122] S. Efrima. M. Bixon. Chriii. Phys. Letr. 1974,25, 34; M. Bixon, J. Jortner, ./. P/iys. Cheni. 1991. Y5, 1941

[I231 J. S Badei-. R . A. Kuharski, U. Chandler, J Clirm. Phys. 1990. 93, 230. [I241 R. F Grote. J T. Hyne\. J . Chcni. Phj!s. 1980. 73, 2715.

[I251 J. E. Strauh, M. Borkovec, B. J. Bcrne, J. Chem. PIiys. 1985,83.3172; ihid.

[126] E. Pollack, H. Grabert, P. Hinggi, J . Chem. Phys. 1989, 91, 4073. [127] S. Okuyama. D. W. Oxtohy. .I Chem. Phys. 1986. 84, 5824. 5830. [128] G. E. McManis, M. J. Weaver. J . (%em. Phys. 1989, 90. 912. [I291 T. Fonseca, Chem. Phys. Lett 1989, 162. 491; J. Chem. Phys. 1989, 91,

[130] B. Bagchi, G. R. Fleming, J . PIiys. Chem. 1990, 94, 9, zit. Lit. [I311 I . Rips, J. Jortner in Perspectives in Photo.synthe5i.s (Hrsg.: J. Jortncr. B.

[I321 N. Agmon. J. J. Hoplicld. J. Clirm. PI in . 1983, 78, 6947. [133] M. V. Basilevski. G. t. Chudinov, M u / . Phys. 1988, 65, 1121; ibid 1990.

11341 D. F. Calef, P. G. Wolynes, J . Chrm. Phys. 1983, 78, 470. 11.151 P. G. Wolynes, J . Chmr. Phy.r. 1987, 86. 5133. [136] I . Rips. J. Klafter, J. Jortner. J. Chem. P h ~ s . 1988,88, 3246; ihid. 1988,89,

4288: A. L. Nichols, D. F. Calef, ibid. 1988, XY, 3783; Y. Zhou, H. L. Friedman, G. Stell. ihid. 1989, Yf , 4885; Cham. Phys. 1991, 152. 185.

1986. 84, 1788.

2869.

Pullmun). Kluwer. Dordrecht. 1990. S. 293

71, 461.

[137] G. van der Zwan, J. T. Hynes, Chrm. Phys. Lett. 1983, 101. 367. [I381 A. Chandra, B. Bagchi, J. Chern. P / i ~ s . 1991, Y4, 3177. [I391 S J. Rosenthal, X. Xie, M. Du, G. R. Fleming, 1 Chem. Phys. 1991, Y5,

4715; M. Cho, S. J. Rosenthal, N. F. Scherer, L. D. Ziegler, G. K. Fle- ming. ibid. 1992, 96. 5033.

[I401 M. Maroncelli, G. K . Fleminr. J. Chrm. P h n . 1988.89.5044: M. Maron- celli, ihid. 1991, 94, 2084: P. VijayaKumar. B. L. Temhe, J. Phys. Chrm. 1991. Y5. 6430. J. K. Vij, F. Hufnagel, Adv. Chem. Phys. 1985, 63. 751, zit. Lit. S. K. Gar&. C. P. Smyth, J . Phys. Chem. 1965, 69. 1294. D. W. Davidson, R. H. Cole,J. Chem. Phys. 1950, 18, 1417; hid . 1951, 19, 1484. W. Jarreba. G. C. Walker, A. E. Johnson, P. F. Barbara. Chenz. Phys. 1991, 152, 57: M. A. Kahlow. T:J. Kang, P. F. Barbara, .I Chem. Phys. 1988. K8, 2372: M. A. Kahlow. W. Jarzeba, T.-J. Kang, P. F. Barbara. J. P / iw . Chem. 1989, 90. 151 E W. Castner, M. Maroncelli. G. R. Fleming, J . Chem. Phy.s. 1987, 86, 1090; M. Maroncelli, G. R. Fleming, ;hid 1987, 86. 6221. S:G. Su, J. D. Simon, J . PhyxClzem. 1987, 91, 2693; J. D. Simon, Su, Chenz. P h w 1991. 152, 143. A. Declemy, C. Rulliere. P. Kottis, Chrm. Phy.5. Lett. 1983. 101. 401 ; ibid. 1987, 133, 44X; A. Declemy. C. Rulliere. ihid. 1988, 146, 1. N P. Ernsting, Chcm. Phr. Lett. 1990, 166, 22f. G. van der Zwan, J. T Hynes, J . PIiys. Chrm. 1985. 89, 4181 D. Hnppert, P. M. Rentzepis. J. Phys. Chem. 1988, 92. 5466; H. Lueck, M. W. Windsor. W. Rettig, ihid. 1990, 94, 4550. D. N. Beratan. J. N. Onuchic, 1 Chenz. Phys. 1988, 89, 6195. A. Gochev. G. E. McManis, M . J. Weaver. 1 Chrm. Phys. 1989. Y1,906. t. Lippert, W. Rettig, V. BonaZ-Koutecky, F. Hcisel, J. A. Miehe. Adv. C k m . PIiys. 1987. 68, 1, zit. Lit. H. Heitele, F. Polhnger. K. Kremer, M. E. Michel-Beyerle, M. Futscher, G. Voit, J. Weiser, H. A. Staah, Cliem. Phys. Letr. 1992, 188. 270. S.-G. Su, J. D. Simon. Chem. Phys. Le f t . 1989. 158. 423. J. D. Simon, S:G. Su. J . Phys. Chrm. 1990, 94. 3656, zit. Lit. P. C. M. Weisenborn. A. H. Huizer. C. A. G. 0. Varma, Chcwn. P/iys. 1989, 133, 437, Lit. Lit. A. M. KJaer, J. Ulstrup. J . Am. Chmz. Sor. 1987, 109, 1934; E. M. Itsko- vich, J Ulstrup, M. A. Vorotyntsev in The Chemicul Physics ofSolwtion, Purt B (Hrsg : R. R. Dogonadze, E. Kalman, A. A. Kornyshev. J. U1- strup). Elsevier, Amsterdam, 1986. S. 223. zit. Lit. N . S. IHusIi, Prog. Inorg. Chem. 1967, 8. 391: C. Creutz, ibid. 1983, 30, 1, zit. Lit. K . W. Penfield. J. R. Miller, M. N. Paddon-Row, E. Cotsaris. A. M. 011- ver, N. S. Hush, J . Am. Cheni. Tor. 1987, 109, 5061. E. M . Koher, J. V. Caspar, R. S. Lumpkin, T. J. Meyer, J . Phys. Chem. 1986, 90. 3722; L. A. Worl, R. Duesing, P. Chen, L. Della Ciana. T. J. Meyer. .1. Clrem. Soc. Dalton 7i.un.r. 1991,849; K . R. Barqawi, Z. M u m - ta, T. J. Meyer, J. Phw. CIiem. 1991, 95, 47. S . K . Doorn, J. T. Hupp, J. Am. Chrm. SOC. 1989, 111, 1142. J. Schroeder. .I. Troe, Annu. RPV. Phys. Chrm. 1987, 38,163, zit. Lit.; D . H. Waldeck. Clrrm. Rev. 1991, 91, 415, zit. Lit. G. Ciccotti, M. Ferrario, J. T. Hynes, R. Kapral, J. Chrm. Phys. 1990, 93, 7137. B. J. Gertncr. K. R. Wilson, J. T. Hynes, 1 Chrnz. Phys. 1989, YO, 3537.

398 Angeu (hein 1993, 105, 378-398