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Vl. Aus der Abtheilung far 0hrenkranke der Kgl. Charit6 in Berlin (Dirigirender Arzt: Geh. Med.-Rath Prof. Dr. T'rautmann.) liin Fall von ausgedchnter organisirter Thrombose naoh Sinus. verletzung mit nachfolgender infectii)ser Thrombose. Von Dr. B. v, T~ir~k. Mit der Erlaubniss des Herrn Geheimrath Prof. T r a u t m ann darf ieh einen am 15. Februar 1898 yon ihm operirten Fall yon Sinusthrombose mittheilen. 1) Es handelt sich um einen Patienten, der im August 1897 an acuter Mittelohrentziindung erkrankte. Er stand gleich yon Anfang seines Leidens nnter i~rztlicher Behandlung; da sich spi~ter Complicationen yon Seiten des Warzenfortsatzes zugesellten, wnrde dieser Ende October in einem ausw~r- tigen Krankenhaus aufgemeisselt. Nach der Operation hatte Patient fiber keine besonderen Beschwerden zu klagen. Die Wunde wurde bis kurz vet tier Aufnahme in die Charit6 behandett und verbunden. Am 13. Februar 1898 trat plStzlich hohes Fieber, Kopfschmerzen, Schmerzen im r eehteu Ohr, bald mehrmals Schi]ttelfrost und Erbrechen in den folgenden Tagen auf und Patient wurde in hoehfieberndem Zustande halb benommen in die Charit~ eingeliefert. Bet der an demselben Tage vorgenommenen Operation ergab sich; dass der Sinus an der Spitze des Warzenfortsatzes bet der ersten ausw~rts vollzogenen Operation verletzt wurde und dasetbst mit den Weiehtheiien fest verwachsen und steuosirt war. lm Sinus befand sich bis zur freigelegten oberen Umbiegangstelle ein fester bindegewebig organisirter Thrombus. Kein Btut, kein Eiter. Der Zustand besserte sich nach der Operation nieht, Patient starb am zweiten Tag. Die Section ergab die Jugularis fret yon Trombose, im Sinus sigmoideus und Sinus transversus beinahe bis zum Torcular Herophili ein bindegewebig organisirter Thrombus, yon hier an eine eitrig zerfallene Thrombose, welehe sich im Sinus longitudinalis, im Sinus transversus der andereu Seite fort- setzte, ebenso im Sinus petrosus superior eitriger Inhalt. Eitrige Meningitis vorwiegend an der Convexit~t. Die Diagnose wurde auf eine intraeranielle Complication aller Wahrscheinlichkeit naeh infectiSse Sinusthrombose gestellt. Da sieh aber bet der Operation der gauze Sinus sigmoideus binde- gewebig obliterirt zeigte, ohne acute EntzUndungserscheinungen in der Umgebung, wurde yon einer weiteren Freilegung Abstand ge- nommen in der Yermuthung, dass aueh im weiteren Abschnitt 1) Der Fall wurde im Jahresbericht der Klinik 1898 kurz besprochen. Charit6-Annalen. Bd. XXIII. Archlyf. Ohrenhoilkunde. L. Bd. 5

Ein Fall von ausgedehnter organisirter Thrombose nach Sinusverletzung mit nachfolgender infectiöser Thrombose

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Vl. Aus der Abtheilung far 0hrenkranke der Kgl. Charit6 in Berlin

(Dirigirender Arzt: Geh. Med.-Rath Prof. Dr. T'rautmann.)

liin Fall von ausgedchnter organisirter Thrombose naoh Sinus. verletzung mit nachfolgender infectii)ser Thrombose.

Von

Dr. B. v, T~ir~k.

Mit der Erlaubniss des Herrn Geheimrath Prof. T r a u t m ann darf ieh einen am 15. Februar 1898 yon ihm operirten Fall yon Sinusthrombose mittheilen. 1)

Es handelt sich um einen Patienten, der im August 1897 an acuter Mittelohrentziindung erkrankte. Er stand gleich yon Anfang seines Leidens nnter i~rztlicher Behandlung; da sich spi~ter Complicationen yon Seiten des Warzenfortsatzes zugesellten, wnrde dieser Ende October in einem ausw~r- tigen Krankenhaus aufgemeisselt. Nach der Operation hatte Patient fiber keine besonderen Beschwerden zu klagen. Die Wunde wurde bis kurz vet tier Aufnahme in die Charit6 behandett und verbunden.

Am 13. Februar 1898 trat plStzlich hohes Fieber, Kopfschmerzen, Schmerzen im r eehteu Ohr, bald mehrmals Schi]ttelfrost und Erbrechen in den folgenden Tagen auf und Patient wurde in hoehfieberndem Zustande halb benommen in die Charit~ eingeliefert. Bet der an demselben Tage vorgenommenen Operation ergab sich; dass der Sinus an der Spitze des Warzenfortsatzes bet der ersten ausw~rts vollzogenen Operation verletzt wurde und dasetbst mit den Weiehtheiien fest verwachsen und steuosirt war. lm Sinus befand sich bis zur freigelegten oberen Umbiegangstelle ein fester bindegewebig organisirter Thrombus. Kein Btut, kein Eiter. Der Zustand besserte sich nach der Operation nieht, Patient starb am zweiten Tag. Die Section ergab die Jugularis fret yon Trombose, im Sinus sigmoideus und Sinus transversus beinahe bis zum Torcular Herophili ein bindegewebig organisirter Thrombus, yon hier an eine eitrig zerfallene Thrombose, welehe sich im Sinus longitudinalis, im Sinus transversus der andereu Seite fort- setzte, ebenso im Sinus petrosus superior eitriger Inhalt. Eitrige Meningitis vorwiegend an der Convexit~t.

Die Diagnose wurde auf eine intraeranielle Complication aller Wahrscheinlichkeit naeh infectiSse Sinusthrombose gestellt. Da sieh aber bet der Operation der gauze Sinus sigmoideus binde- gewebig obliterirt zeigte, ohne acute EntzUndungserscheinungen in der Umgebung, wurde yon einer weiteren Freilegung Abstand ge- nommen in der Yermuthung, dass aueh im weiteren Abschnitt

1) Der Fall wurde im Jahresbericht der Klinik 1898 kurz besprochen. Charit6-Annalen. Bd. XXIII.

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eine ~hnliche Thrombose bestehe~ und die pyiimischen Ersehei- nungen yon kleinen, der Operation nieht zug,~tngliehen Blntleitern, versehleppten Infectionskeimen oder durch Meningitis verursacht seien. Und nun ergab sich bei der Obduction der obige uner- wartete Befund im Sinus.

Wenn wir den Krankheitsverlauf - - vom Auftreten der fieberhaften Bewegungen bis zur Operation drei Tage, bis zum Tod flinf T a g e ' - - in Betracht ziehen, und dem Seetionsbefund entgegenstellen, welsher einen ausgedehnten festen, bindegewebig org'anisirten Thrombus und oberhalb dieses eine eitrige Throm- bose zeigte~ und wenn wir weiter die bei der Operation festge- stellte schwere ¥erletzung der Sinuswand bei der ersten Ope- ration mit conseeutiver Stenose des Sinus und Verwaehsen desselben mit den Weichtheilen in Belraeht ziehen, miissen wir zur Folgerung kommen, dass es sieh hier n ich tum einen in derselben Zeit ver- laufenden Process im Sinus handeln kann.

Die a!te bindegewebige Obliteration des Sinus im Zusam- menhang mit der schweren Verletzung lasst uns darauf folgern, dass naeh der Verletzung eine gutartige nicht infecti~ise Throm- bosirung entstand, welche sich nach oben und unten absehloss, organisirte. Der venSse Abfluss stellte sieh auf eollateralem Wege allm~hlieh her und der Process verlief, ohne besondere Be- schwerden hervorzurufen. Nun entstand die infeetiSse Sinus- thrombose, wobei der mit organisirtem Thrombus erftillte, aus den Kreislauf ausgesehlossene Sinustheil nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde, und sie erstreekte sich auf den n~tchstliegenden freien Theil des Sinus transversus, yon da in den Sinus longitudi- nalis und in den Sinus petrosus superior.

Bei der Verletzung des Sinus entstehen in der Regel keine schweren Erscheinungen, die Blutung steht auf Tamponade ge- wShnlieh bald und wird vielfach nut als ein die Operation stSrender Incident beurtheilt. Es sind nur vereinzelte F~tlle mitgetheilt, wo starke Nachblutungen entstanden mit folgender schwerer AnKmie. Auch yon anderen naehtheiligen Folgen nach Verletzung des Sinus wird in der Literatur der Sinusoperationen, welche sonst so zahlreiehe ausftihrliehe Krankengesehiehten um- fasst, nur wenig berichtet. B r i e g e r 1) beobaehtete bei einer nicht geringen Zahl yon beabsichtigter oder zufitlliger Sinuser- 5ffnung niemals irgendwelehe sehiidliehen Folgen. Aus den

l) Zeitschrift f. Ohrenheilk. Bd. XXIX. S. 131.

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Fall yon ausgedehnter organisirt. Thrombose naeh Sinusverletzung u. s.w. 67

Thierversuchen yon E b e r t h u n d S c h i m m e l b us ¢ h 1) ergiebt es sich, dass in vielen Fallen yon Besehadigung tier Gef~tsswand sich keine Thrombose entwickelt. Auch S c h e l l m a n n 2) hat dutch Experimente an Hunden bewiesen, dass Sinuswuuden ohne Obliteration des Blutleiters heilen kSnnen. Hof fmann :~) er- wahnt einen Fall yon Verletzung des Sinus mit Meissel; der Patient starb 6 Tage sparer uus anderer Ursaehe und bei der Obduction war die Sinuswunde dureh einen kleinen wandstan- digen Thrombus versehlossen. Das Lumen war frei. Einen ahn- lichen Fall theilt J a n s e n 4) mit, we 7 Tage nach leiehter Ver- letzung die Sinuswunde versehlossen war, leieht gelblifih verfarbt, jedocb keine Thrombose. B'rie g er 5) sah bei zwei Fi~llen, welche einige Tage naeh der Probei.neision zur Obduction kamen, die Incisionswunde verklebt, die Sinusinnenwand vollstandig normal, nirgendS eine Spur einer in das Lumen hineinragenden Throm- bose. Dass .jedocb bei einer starken Verletzung nebst Freileg'ung der Sinuswand thrombotische Obliteration des Sinus zu Stande kommen kann, unterliegt keinem Zweifel. Es bestehen doeh die Bedingungen zur Tbrombenbildung in der Verletzung der In- tima, in der Verlangsamung des Blutlaufes dureh die feste Tamponade. Abgesehen, dass sieh naeh V i r e h o w in den Venen der unteren Extremit~ten und denen des kleinen Beekens in den Hirnsinusen am leiehtesten Thromben bilden. J a n- s e n ~) sagt, wenn es aueh sieher scheint, dass deft, we die Verletzung nur klein und der Sinus in geringer Ausdehnung freiIiegt, eine CireulationsstSrung nicht stattfindet, so ist es doch fraglos, dass in den Fallen mit breiter Freilegung des Sinus und grSsserem Defect in dessen Wand eine das Lumen versehliessende Thrombose eintritt. Eine weir ausgebreitete, nicht infeetiSse Thrombose - - Jugularis, Sinus cavernosus - - entstand in dem Fall yon H offm a n n 7) nach einer kleinen Verletzung der Sinus- wand mit dem seharfen LSffel. Verhanguissvoll kann die Ver- letzung bei eitriger gangranSser Entztlndung der Umgebung oder der Sinuswand selbst werden, besonders wenn die Verletzuug vor

1) Die Thrombose. 1888. 2) Ueber traumatische Verletzungen der Hirnsinus. Diss. Giessen 1864. 3) Zeitschrift f. Ohrenheilk. Bd. XXX. 4) Arch. f. Ohrenheilk. Bd. XXXV. S. 279. 5) Zeitschrift f. Ohrenheilk. Bd. XXIX. S. 132. 6) Arch, f. Ohrenheilk. Bd. XXXV. S. 278. 7) Zeitschrift f. Ohrenheilk. Bd. XXX. S. 17.

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der Ausriiumung des Infcetionsherdes stattfindet und die profuse Blutung eine VoUendung der Operation unmSglieh macht. Dureh das frisehe Coagulum kann ein rasches Eindringen der Infection in den Blutteiter befSrdert werden. So besehrieben infectiSse Thrombosen mit Pyamie naeh Verletzung des Sinus, Roosa l ) , S t e inb r l igge2) , E u l e n s t e i n 3) und aus der Sehwar t ze ' s ehen Klinik R h o d e n - K r e t s e h m a n n 4) und R e i n h a r d t ~ ) . Dass die Sinusverletzung allerdings in sehr seltenen F~llen dureh Luft- embolie verhlingnissvoll werden kSnne, zeigt der Fall yon K u h n,~) wo bei der Ausritumung eines Cholesteatoms der Sinus zufttllig verletzt wurde und durch Lufteintritt in denselben sofortiger Tod eintrat. Aueh GenzmerT), v. BergmannS) und P. Mti l ler 9) beobachteten je einen Fall von tSdfliehem Ausgang naeh Luft- eintritt in einen verletzten Hirn Sinus. In G u y e ' s 'o) Fall er- foIgte trotz yon sehltlrfendem Geriiuseh begleiteter Luftaspiration Heilung. Unter normalen Verh~tltnissen tritt keine Luft in einen vertetztcn Sinus ein, da ein betraehtlicher intravenSser Druek besteht. Es muss in demselben ein negativer Druck zu Stande kommen, was bei hoehgradiger Anaemic und starkem Ansaugen der Blutleiters dutch foreirte Respiration oder bei peripherwlirts versehlossenem Sinus der Fall ist.

Genzm er fund bei Yersuehen an Hunden, dass Luftaspi- ration im verletzten Sinus eintrat, wenn bei den Thieren durch Btutverlust eine hochgradige Anaemic hervorgebraeht wurde nnd man nnn Dyspnoe erzeugte. K 5 r n e r 1,) meint, dass ein in- spiratorisches Zusammenklappeu und so bei erSffnetem Sinus Lufteintritt in denselben nur dann eintreten kSnne, wenn der Sinus herzw/h'ts frei und gleiehzeitig hirnwitrts verschlossen ist oder eine so grosse Hirnanaemie besteht, dass der Ersatz des aus dem Sinus weggesaugten Blutes nicht sohnell g-chug erfolgen kSnne. F/tlle yon starkem Einsinken resp. Zusammenklappen

l) Ref. Arch. f. Ohrenheilkunde. Bd. XXXV. S. 103. 2) Deutsche reed. Wochenschr. XCIII. S. 432. 3) Monatsschr, f, Ohrenheilk. XCIII. S. 146. 4) Arch. f. Ohrenheilk. Bd. XXV. S. 125. 5) Chirurgische Er6ffnung der Mittelohrr£ume. Greifswald, S. 8S. 6) Zeitschrift f, Ohrenheilk, Bd. XXX, S. 8. 7) Langenbeck's Archly. XXL S. 664. 8) Kopfverletzungen. 9) Langenbeck's Archly. XXH. S. 7[2,

10) Arch. f. Ohrenheilk. Bd. XVIII. S. 223. ll) Zeitschrift L Ohrenheilk. Bd. XXX. S. 234.

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Fall yon ausgedehnter organisirt. Thrombose nach Sinusverletzung u. s.w. 69

des Sinus bei forcirter Inspiration beschrieben zuerst S c h w a r t z el), dann spater J a n s e n ' ) , B r i ege ra ) , K S r n e r ; auch T r a u t m a n n beobaehtete bei einem anaemisehen Kranken wahrend der •ar- kose aufgetretener Dyspnoe Collaps des freigelegten Sinus sig- moideus.

Erfahrungsgemiiss werdcn cireumscripte Obliterationen selbst eines grSsseren Blutleiters ohne g'rSssere CireulationsstSrungen vertragen. J a n s e n beobachtete bei mehreren Fallen nie andere Symptome als Sehwindelgeftihl, welches mehrere Tage anhielt, Druekempfindlichkeit in der Unterkiefer-WarzenfortsatzgTube und leiehtes FrSsteln. Wie aus der naehfolgenden Krankengeschiehte hervorgeht, bestand in unserem Fall hinter der Wunde am Warzenfortsatz eine sich nach hinten auf das Hinterhaupt aus- dehnende entztindliche Schwcllung. Da eine Reihe von Gefassen den Knoehen durchbohren, welcher die Verbindung der ausseren Venen der weiehen Schadeldeeke mit dem Sinus und den Venen innerhalb des Schadels erhalten, so hat die Infection in dem tiber den organisirten Thrombus befindliehen freien Sinustheil ihren unmittelbaren Weg vor sich gehabt. Das Uebergreifen der In- fection auf den Sinus petrosus sup. wird durch die gleichzeitig bestehende eitrige Labyrinthentztindung seine Erklarung finden. Ausser den kleinen Knochengefassen ist ja eine direete Ver- bindung durch die Vena Aqaed. vestibuli welehe in den Sinus petrosus sup. mtindet, vorhanden. ( H e n l e , S c h w a r t z e ) .

Die andere MSglichkeit der Entstehung eines allmahlich sich organisirenden gutartigen Thrombus bei chroniseher Ent- ztlndung kann hier bei dcm Sinusbefund kaum in Betracht kommen. Die MSgliehkeit namlich, welcher M a e e w e n a) Ausdruek giebt, in- dem er yon den zuweilen bei Caries des Schlafenbeins als zu- f'alligen Obductionsbefund beobaehteten seit lange vorhandene Obliteration der Jugularis und Sinus sigmoideus sagt: Wahr- scheinlich sind in solchen Fiillen die pathogenen Kcime, welche die Entztlndung herbeiftlhren, so abgeschwacht, dass sie die Ent- stehung eines formativen Vorganges im Thrombus zulassen, oder der entztindliche Process schreitet so langsam vorwarts, dass die gleichzeitig" entstehenden, in die Weichtheile allmahlieh eindringenden Granulationen innerhalb des Blutleiters eine Binde-

1) Arch: f. Ohrenheilk. Bd. X. S. 20. 2) Ebenda. Bd. XXXVII. 8.21. 3) Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. XXIX. S. 129. 4) Die infecti6s-eitrigen Erkrankungen d. Gehirns u, Riickenmarks. S. 273.

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gewebsmasse bilden, welche zur VerSdung des Blutleiters flihren. Zu solchen auf diese Weise entstandenen in einem Theil schon organisirten Thrombus kann sich dureb plStzige Exacerbation der Entztindung mit starker Virulenz der Keime in dam weiteren Abschnitt des Blutleiters eine infectiSs zerfallende Thrombose gesellen.

Eine explosionsartige Exacerbation ist ja eine oft beobachtete Erseheinung bei ehronischen Mittelohrentztlndungcn, allgemein als aeuter Nachschub bekannt.

Dutch Abkapselung oder Retention eines eitrigen Herdes aus irgend welcher Ursacht kommen die Infectionskeime in andere biologisehe Verh~tltnisse, die frtlher a~roben Bakterien beginnen naeh Verbrauch des Oxygens tin anaerobes Leben, in welchem die Virulenz und Toxicitiit eines grossen Theils der Saprophyten sich vielfach verstttrken. Aueh Z au fa 11) ~ussert sich ftir diese MSglichkeit der Entstehung tines theilweise fest organisirten, theilweise eitrig zerfallenden Thrombus. Bei der Bespreehung tines yon ihm mitgetheilten letal endenden Falles yon Sinusthrombose, wo dcr untere Thcil des Sinus sigmoideus einen alten derben organischen Thrombus enthielt, dagegen im oberen Theil eine eitrig zerfallene Thrombose bestand, indem er sagt, unter denselben loealen Verh~tltnissen kam es zuerst zur Bil- dung eincs gutartigen, sieh ruhig organisirenden Thrombus und dann plStzlieh zur Bildung eines verh~ingnissvollen citrig zer- falItnden Thrombus. Es folgt nun die Krankengeschichte:

Franz Lehmann, 47j•hriger Maurer. Aufgenommen den 15. Februar t898, gestorben den 17. Februar I898.

Bis Juli 1897 angeblich immer gesund, damals bekam er ohne bekannte Ursache Eiterung im rechten Ohr, welche trotz Behandlung mit Intermissi- onen andauerte. Im September 1897 verscblimmerte sich sein Ohrenleiden und wurde am 19. October anscheinend Antrum operirt (ausserwarts) und da- selbst bis 12. Februar verbunden. Am 13. fdih traten pl6tzlich heftige Kopf- scbmerzen, Schmerzen ira Ohr, im Nacken auf; Fieber. Am 14. und 15. Er- brechen, Schfittelfrost.

Patient wird halbbenommen eingeliefert; liegt mit geschlossenen Augen apathisch da, giebt aber auf intensives Befragen richtige Antworten, f~llt danaeh gleich wieder ab. Keine StSrung der Stimme und tier Sprache. Kopf kann etwas naeh rechts und links gedreht werden, beim Beugen nach vorn Schmerzen und Widerstand, jedoch keine ausgesproehene :Nackenstarre. Schhdel tiberatt percussionsempfindlich, doch nirgends so, dass er zusammen- zuckt. Starke ven6se Stauung am ganzen Kopf. Hinter dem rechten Ohr offene Operationswunde mit Krusten bedeckt, nach deren Entfernung sich reichlich Eiter entleert. Hinter der Wunde sind die Weichtheile gerfthet und geschwollen. Augenbewegungen frei, kein Nystagmus. Pupillen klein, reagiren nur tr~ge. Augenhintergrund blass; Papillen beiderseits scharf begrenzt.

1) Archly. Bd. XVII. 3. S. 166.

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Fall yon ausgedehnter organisirt. Throrabose nach Sinusverletzung u. s.w. 71

Das Trommelfell rechts in toto verdickt, Hammer nicht zu sehen, im hintern, oberen Qaadranten eine kleine feuchte gertithete Stelle. Links Trora- raelfell getrfibt, trocken, im hintern Abschnitt Narben. H~irpriifnng nicht ausffihrbar. Zunge trocken belegt, starker Foetor ex ore.

Es wurde sofort zur Operation geschritten. ~ach Blosslegung des reehten Warzenfortsatzes ergab sleh, dass die

fr(ihere Operation nut an der Spitze des Warzenfortsatzes ausgefiihrt war, wobei der Sinus verletzt wurde. Es wurde das Antrum in grosser Ausde!l- nung blossgelegt, der Sinus im absteigenden Theil bis zur oberen Umbiegungs- stelle freigelegt, Tegmen antri entfernt, so dass die Dura in grosser Ausdeh- nung freilag. Die Sinuswand war auffallend verdickt und grau geff~rbt. Bei der Probepunction kein Biut, kein Eiter. Sie wurde in der ganzen L~nge gespalten, war enorm verdickt, das Lumen mit Bindegewebe erffillt. Der untere Theft des Sinus rait den Weichtheilen der friiheren Operationswunde verwachsen, daselbst stenosirt. Dura fiber dem Tegmen antri etwas verdickt, sonst anscheinend normal. Auffal]end war die Colossale Blutung wi~hrend der Operation. Zwei Stunden nach der Operation war die venCise Stauung v611ig gesehwunden. Teraperatur Nachmittags 4 Uhr 38 °, Pals 100.

16. Februar. Klagt fiber Kopfschraerzen. Sensoriura wie vor der Ope- ration halb benomraen, liegt rait halb ge6ffnetera Mund da und st6hnt bis-

weilen. Temperatur 37,5% Puls auffallend schnell und klein 140, aber regelmi~ssig. Gestern Abend Urin spontan, seitdem nieht raehr entlassen, Stuht seit gestern angehalten. Bei Katheterisraus 500 g strohgelber Urin ent- teert, enthalt kein Albumen.

Nachmittag 4 Uhr Temperatur 3S,5 °, Pals kaum zu z~hlen, fiber 150. Patient wirft sich viel umher, st6hnt auf Befragen vor sich him

17. Februar. Sehr unruhig, st6hnt fortwi~hrend, reagirt auf Anfragen rait Aufschlagen der Augen, antwortet aber nicht. Teraperatur 37,6 °, Pals 130, nicht auffallend unregelra~ssig, Athraung flach, beschleunigt 40. Mittags 0,01 Morphium subcutan~ danach ruhiger Schlaf bis 6 Uhr. Dann wieder unruhig, ohne Bewusstsein, stertor6ses Athmen, 42 in der Minute, Pals filiform, nicht zu zi~hlen. 0hue dass Patient wieder zara Bewusstsein kara, trat der Tod um 1/212 Uhr Nachts ein.

O b d u c t i o n s b e f u n d : (Prof. Israel). D i a g n o s e : Otitis media et interna purulenta. Vulnus proc. raastoidei.

Sclerosis ossis petrosi. Thrombophlebitis sinuum durae raatris. Arachnitis purutenta praesertim convexitatis.

Krg~ftig gebauter magerer m~nnlicher Leichnam. Hinter dera rechten Ohr grosse Wunde, hinter dera rechten ~usseren Geh6rgang eine tiefe wall- nussgrosse Grube an der Stelle des Proe. mastoideus and der Pars petrosa, In der Paukenhiihle Granulationen, Schneeke und Can~,tle erhalten (lnhalt?), Umgebung stark sclerotisch. Ira Sinus sigmoideus der yon tier "Operations- wunde her ge(iffnet ist, befiadet sich bindegewebig organisirter Thrombus, der auch den ganzen rechten Sinus transversus ausflillt. Der eitrige inhalt be- ginnt erst nahe am Treffpunkte mit dem Sinus ]ongitudinalis. Ira linken Sinus transversus und im Sinus longitudinalis dicker z~her Eiter, ebenso ira Sinus petrosus sup. Venajugutaris frei. Arachnoidea der Sch~delbasis fleck- weise mit sehr starker eitriger Infiltration. Arachnoidea spinalis frei, dagegen erstreckt sieh die eitrige Infiltration fiber die gauze Convexiti~t.