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Eine Türkin in Deutschland Eigentlich hat die Türkin Fadime es geschafft. Sie hat ihre fünf Kinder allein großgezogen, von ihrem in Deutschland mühsam verdienten Geld ein Mehrfamilienhaus in der Türkei gebaut und lebt heute von den Mieteinnahmen. Doch was ihr finanziell gelungen ist, ist ihr sozial nicht geglückt: Ihre türkischen Wertvorstellungen stehen ihr in Deutschland im Weg, und in der Türkei schämt sie sich für ihre in Deutschland erworbene Emanzipation. 20 Jahre lang hat Ulla Küchler das Schicksal von Fadime und ihrer Familie beobachtet. Knapp, nüchtern und dennoch einfühlsam beschreibt sie in ihrem Buch "Fadime" die kulturellen Widersprüche, die erst die Kinder der dritten Generation überwinden. Sachlich zeigt die Autorin, wie ausländerfeindliche deutsche Hausbesitzer Fadime aus fadenscheinigen Gründen die Wohnung kündigen, verschweigt aber auch nicht, daß die Familie oft monatelang die Miete schuldig bleibt; das anonyme, aber freie Leben in Berlin wird mit der unbarmherzigen Sozialkontrolle in Fadimes Heimatdorf Alya konfrontiert. So beeindruckt das Buch vor allem durch die genaue und authentische Beschreibung von Widersprüchen, die einer Türkin zwischen zwei Welten ihr ganz privates Glück nicht erlauben. (Ulla Küchler: "Fadime - Eine türkische Familie in Deutschland". Verlag Antje Kunstmann, München; 24 Mark.) DER SPIEGEL 24/1991 Alle Rechte vorbehalten Vervielfältigung nur mit Genehmigung der SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG. Dieser Artikel ist ausschließlich für den privaten Gebrauch bestimmt. Sie dürfen diesen Artikel jedoch gerne verlinken. Unter http://www.spiegelgruppe-nachdrucke.de können Sie einzelne Artikel für Nachdruck bzw. digitale Publikation lizenzieren.

Eine Tuerkin

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Eine Trkin in DeutschlandEigentlich hat die Trkin Fadime es geschafft. Sie hat ihre fnf Kinder allein grogezogen, von ihrem in Deutschland mhsam verdienten Geld ein Mehrfamilienhaus in der Trkei gebaut und lebt heute von den Mieteinnahmen. Doch was ihr finanziell gelungen ist, ist ihr sozial nicht geglckt: Ihre trkischen Wertvorstellungen stehen ihr in Deutschland im Weg, und in der Trkei schmt sie sich fr ihre in Deutschland erworbene Emanzipation. 20 Jahre lang hat Ulla Kchler das Schicksal von Fadime und ihrer Familie beobachtet. Knapp, nchtern und dennoch einfhlsam beschreibt sie in ihrem Buch "Fadime" die kulturellen Widersprche, die erst die Kinder der dritten Generation berwinden. Sachlich zeigt die Autorin, wie auslnderfeindliche deutsche Hausbesitzer Fadime aus fadenscheinigen Grnden die Wohnung kndigen, verschweigt aber auch nicht, da die Familie oft monatelang die Miete schuldig bleibt; das anonyme, aber freie Leben in Berlin wird mit der unbarmherzigen Sozialkontrolle in Fadimes Heimatdorf Alya konfrontiert. So beeindruckt das Buch vor allem durch die genaue und authentische Beschreibung von Widersprchen, die einer Trkin zwischen zwei Welten ihr ganz privates Glck nicht erlauben. (Ulla Kchler: "Fadime - Eine trkische Familie in Deutschland". Verlag Antje Kunstmann, Mnchen; 24 Mark.)DER SPIEGEL24/1991Alle Rechte vorbehaltenVervielfltigung nur mit Genehmigung der SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG.

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