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Elektrische Entladungen in Gasen bei vermindertem Druck Die Entdeckung des Elektrons. Von Rudolf Bock. Princi- pal 2008. 666 S., geb., 34.50 E.— ISBN 978- 3899690576 Elektrische Entladungen in Gasen bei vermindertem Druck ist das Resultat des ambitionierten Unterfangens, die Er- gebnisse der Gasentladungsforschung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zu- sammenzufassen. Dieses Feld war ins- besondere nach 1850 fɒr eine Vielzahl von Forschern interessant und hat in der Retrospektive – worauf der Autor auch verweist – zu einer Reihe wesentlicher Forschungsergebnisse beigetragen. Nicht nur aus diesem Grund ist das Thema geeignet, wissenschaftshistorisch Interessierten die faszinierende Ge- schichte einer naturwissenschaftlichen Teildisziplin im Grenzbereich zwischen Physik und Chemie nahe zu bringen. Vor diesem Hintergrund ist es sicherlich zu begrɒßen, wenn der Versuch unter- nommen wird, dieses Gebiet historisch aufzuarbeiten. Es gibt zwar mittlerweile eine sehr gelungene Arbeit von Falk Mɒller (Gasentladungsforschung im 19. Jahrhundert, GNT-Verlag 2004), die sich insbesondere mit den Arbeiten von Hittorf und Crookes beschȨftigt, und daneben liegen auch von Gɒnter DɆrfel einige Artikel zu diesem Themengebiet vor. Schließlich wurde die instrumen- telle Seite der Gasentladungsforschung im Jahr 1997 durch den Regensburger Lehrstuhl fɒr Wissenschaftsgeschichte in einer Ausstellung mit entsprechen- dem Begleitmaterial prȨsentiert. Allerdings beleuchten alle BeitrȨge in ihren Analysen lediglich bestimmte Aspekte des Themengebiets Gasentla- dungsforschung, eine in sich geschlos- sene Darstellung des gesamten Felds liegt bisher nicht vor. Insofern scheint das Werk von Bock mit seinen mehr als 500 Seiten Text (plus Literaturɒbersicht sowie einem sehr umfangreichen Re- gister) einen wertvollen Beitrag zur Aufarbeitung dieses Gebiets zu leisten. Angesichts dieses Umfangs mag es ver- zeihlich erscheinen, dass bestimmte ge- druckt vorliegende Quellen (beispiels- weise Kataloge von Instrumentenma- chern) keinerlei Berɒcksichtigung er- fahren haben, von nicht gedruckten Quellen ganz zu schweigen. Dennoch wird durch eine derartige BeschrȨnkung der ausgewȨhlten Materialien auch be- reits ein wesentlicher Aspekt fɒr das VerstȨndnis der PopularitȨt der Gas- entladungsforschung ausgeklammert: die Faszination und der Ȩsthetische Reiz, die von der Vielfalt der erzeug- baren farbigen Eindrɒcke ausgingen (hier sei auf entsprechende Webseiten verwiesen wie http://www.infogr.ch/ roehren/roehren.htm oder http://www. scheidig.de/Roehren/GenerierteSeiten/ Demonstration.htm). Nun lȨsst sich im Hinblick auf die Auswahl des Materials argumentieren, dass dies fɒr eine kulturell angelegte Geschichte dieses Forschungsgebiets ein Problem sei, nicht notwendigerweise aber fɒr eine analytische Darstellung dessen disziplinȨrer Entwicklung. Al- lerdings wird auch ein derartiger An- spruch nicht durch den vorliegenden Band eingelɆst. Vielmehr macht sich beim Lesen des Werks recht schnell Ernɒchterung breit, denn es handelt sich keineswegs um eine wissenschaftshisto- rische Untersuchung, vielmehr be- schrȨnkt sich der Autor darauf, eine Zusammenfassung fast aller wissen- schaftlichen Publikationen zum Thema Gasentladungsforschung zu geben, die hȨufig im Hinblick auf ihre wissen- schaftliche Bedeutung interpretiert oder kommentiert werden. Dabei sind diese Arbeiten chronologisch nach Autoren sortiert, d. h. im Anschluss an die Zu- sammenfassung der ersten Arbeit eines Autors in diesem Feld werden seine weiteren Arbeiten angefɒhrt und mit denen anderer Autoren in Relation ge- setzt. Hierbei ist positiv hervorzuheben, dass nicht nur die fɒr die Entwicklung des heutigen Wissensstands relevanten Arbeiten dargestellt werden, sondern auch AnsȨtze skizziert werden, die sich letztlich nicht durchsetzen konnten. Dennoch bleibt als wesentliches Manko, dass ɒberhaupt keine wissenschaftshis- torische Analyse oder wie auch immer geartete Kontextualisierung erfolgt. Insofern stellt sich auch die Frage nach der Zielgruppe des Autors, und hier muss der Rezensent eine gewisse Ratlosigkeit einrȨumen. Aus dem bisher Diskutierten sollte deutlich geworden sein, dass diese Arbeit kaum fɒr histo- risch oder naturwissenschaftlich inter- essierte Laien geeignet erscheint, auch fɒr LehrkrȨfte dɒrfte dieses Werk nur bedingt hilfreich sein. MɆglicherweise ist der Band fɒr Praktiker interessant, die sich mit Entladungserscheinungen in Gasen beschȨftigen und durch diesen Beitrag einen Zugang zu entsprechen- den historischen Arbeiten erhalten, ohne zeit- und arbeitsintensive Recher- chen leisten zu mɒssen. Nach der Be- schȨftigung mit diesem Werk ist sicher- lich ein Interesse an historischer Gas- entladungsforschung geweckt, da zu- mindest deutlich wird, wie komplex das Gebiet in seiner Entwicklung war. Al- lerdings bleibt es dabei; dies ist umso bedauerlicher, als das Gebiet eine um- fassende Behandlung verdient hȨtte. Peter Heering UniversitȨt Oldenburg DOI: 10.1002/ange.200805064 Bücher 9738 # 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2008, 120, 9738 – 9740

Elektrische Entladungen in Gasen bei vermindertem Druck . Die Entdeckung des Elektrons. Von Rudolf Bock

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Elektrische Entladungen in Gasenbei vermindertem Druck

Die Entdeckungdes Elektrons. VonRudolf Bock. Princi-pal 2008. 666 S.,geb., 34.50 E.—ISBN 978-3899690576

Elektrische Entladungen in Gasen beivermindertem Druck ist das Resultat desambitionierten Unterfangens, die Er-gebnisse der Gasentladungsforschungbis zum Ende des 19. Jahrhunderts zu-sammenzufassen. Dieses Feld war ins-besondere nach 1850 f�r eine Vielzahlvon Forschern interessant und hat in derRetrospektive – worauf der Autor auchverweist – zu einer Reihe wesentlicherForschungsergebnisse beigetragen.Nicht nur aus diesem Grund ist dasThema geeignet, wissenschaftshistorischInteressierten die faszinierende Ge-schichte einer naturwissenschaftlichenTeildisziplin im Grenzbereich zwischenPhysik und Chemie nahe zu bringen.Vor diesem Hintergrund ist es sicherlichzu begr�ßen, wenn der Versuch unter-nommen wird, dieses Gebiet historischaufzuarbeiten. Es gibt zwar mittlerweileeine sehr gelungene Arbeit von FalkM�ller (Gasentladungsforschung im 19.Jahrhundert, GNT-Verlag 2004), die sichinsbesondere mit den Arbeiten vonHittorf und Crookes besch�ftigt, unddaneben liegen auch von G�nter D�rfeleinige Artikel zu diesem Themengebietvor. Schließlich wurde die instrumen-telle Seite der Gasentladungsforschungim Jahr 1997 durch den Regensburger

Lehrstuhl f�r Wissenschaftsgeschichtein einer Ausstellung mit entsprechen-dem Begleitmaterial pr�sentiert.

Allerdings beleuchten alle Beitr�gein ihren Analysen lediglich bestimmteAspekte des Themengebiets Gasentla-dungsforschung, eine in sich geschlos-sene Darstellung des gesamten Feldsliegt bisher nicht vor. Insofern scheintdas Werk von Bock mit seinen mehr als500 Seiten Text (plus Literatur�bersichtsowie einem sehr umfangreichen Re-gister) einen wertvollen Beitrag zurAufarbeitung dieses Gebiets zu leisten.Angesichts dieses Umfangs mag es ver-zeihlich erscheinen, dass bestimmte ge-druckt vorliegende Quellen (beispiels-weise Kataloge von Instrumentenma-chern) keinerlei Ber�cksichtigung er-fahren haben, von nicht gedrucktenQuellen ganz zu schweigen. Dennochwird durch eine derartige Beschr�nkungder ausgew�hlten Materialien auch be-reits ein wesentlicher Aspekt f�r dasVerst�ndnis der Popularit�t der Gas-entladungsforschung ausgeklammert:die Faszination und der �sthetischeReiz, die von der Vielfalt der erzeug-baren farbigen Eindr�cke ausgingen(hier sei auf entsprechende Webseitenverwiesen wie http://www.infogr.ch/roehren/roehren.htm oder http://www.scheidig.de/Roehren/GenerierteSeiten/Demonstration.htm).

Nun l�sst sich im Hinblick auf dieAuswahl des Materials argumentieren,dass dies f�r eine kulturell angelegteGeschichte dieses Forschungsgebiets einProblem sei, nicht notwendigerweiseaber f�r eine analytische Darstellungdessen disziplin�rer Entwicklung. Al-lerdings wird auch ein derartiger An-spruch nicht durch den vorliegendenBand eingel�st. Vielmehr macht sichbeim Lesen des Werks recht schnellErn�chterung breit, denn es handelt sichkeineswegs um eine wissenschaftshisto-rische Untersuchung, vielmehr be-schr�nkt sich der Autor darauf, eineZusammenfassung fast aller wissen-schaftlichen Publikationen zum ThemaGasentladungsforschung zu geben, dieh�ufig im Hinblick auf ihre wissen-schaftliche Bedeutung interpretiert oderkommentiert werden. Dabei sind dieseArbeiten chronologisch nach Autorensortiert, d.h. im Anschluss an die Zu-sammenfassung der ersten Arbeit einesAutors in diesem Feld werden seine

weiteren Arbeiten angef�hrt und mitdenen anderer Autoren in Relation ge-setzt. Hierbei ist positiv hervorzuheben,dass nicht nur die f�r die Entwicklungdes heutigen Wissensstands relevantenArbeiten dargestellt werden, sondernauch Ans�tze skizziert werden, die sichletztlich nicht durchsetzen konnten.Dennoch bleibt als wesentliches Manko,dass �berhaupt keine wissenschaftshis-torische Analyse oder wie auch immergeartete Kontextualisierung erfolgt.

Insofern stellt sich auch die Fragenach der Zielgruppe des Autors, undhier muss der Rezensent eine gewisseRatlosigkeit einr�umen. Aus dem bisherDiskutierten sollte deutlich gewordensein, dass diese Arbeit kaum f�r histo-risch oder naturwissenschaftlich inter-essierte Laien geeignet erscheint, auchf�r Lehrkr�fte d�rfte dieses Werk nurbedingt hilfreich sein. M�glicherweiseist der Band f�r Praktiker interessant,die sich mit Entladungserscheinungen inGasen besch�ftigen und durch diesenBeitrag einen Zugang zu entsprechen-den historischen Arbeiten erhalten,ohne zeit- und arbeitsintensive Recher-chen leisten zu m�ssen. Nach der Be-sch�ftigung mit diesem Werk ist sicher-lich ein Interesse an historischer Gas-entladungsforschung geweckt, da zu-mindest deutlich wird, wie komplex dasGebiet in seiner Entwicklung war. Al-lerdings bleibt es dabei; dies ist umsobedauerlicher, als das Gebiet eine um-fassende Behandlung verdient h�tte.

Peter HeeringUniversit�t Oldenburg

DOI: 10.1002/ange.200805064

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9738 � 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2008, 120, 9738 – 9740