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Ellbogenprobleme beim Hund – Update zu Diagnostik und Therapie Daniel Koch, Dr. med. vet. ECVS Ziegeleistrasse 5 8253 Diessenhofen www.dkoch.ch Inhalt 1 Anatomie des Ellbogens des Hundes 2 2 Ellbogendysplasie 2 3 Andere Ellbogenerkrankungen 8 4 Interpretationshilfen für das Röntgenbild 9 5 Arbeitsblätter für die Fallbeispiele 12 6 Ausgewählte Referenzen 16

Ellbogenprobleme beim Hund – Update zu Diagnostik und Therapie · Am einfachsten gelingt die Diagnose beim UAP. Der Processus anconaeus Der Processus anconaeus sollte im Normalfall

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Ellbogenprobleme beim Hund – Update zu Diagnostik und Therapie Daniel Koch, Dr. med. vet. ECVS Ziegeleistrasse 5 8253 Diessenhofen www.dkoch.ch

Inhalt 1 Anatomie des Ellbogens des Hundes 2!2 Ellbogendysplasie 2!3 Andere Ellbogenerkrankungen 8!4 Interpretationshilfen für das Röntgenbild 9!5 Arbeitsblätter für die Fallbeispiele 12!6 Ausgewählte Referenzen 16!

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1 Anatomie des Ellbogens des Hundes Der Ellbogen des Hundes wird aus fünf Ossifikationszentren gebildet: medialer und lateraler Epikondylus humeri, Radiuskopf, Processus anconaeus und Olecranon. Der Processus anconaeus sollte nach 5 Monaten mit dem Olecranon fusionieren, die anderem Wachstumszonen schliessen später. Das mediale und laterale Coronoid sind Ausstülpungen der Ulna und besitzen keine eigenen Ossifikationszentren. Das mediale Seitenband entspringt dem medialen Epikondylus humeri und insertiert am Radius. Das laterle Seitenband inseriert an Radius und Ulna. Die meisten Extensoren liegen auf der lateralen Seite, die Flexoren auf der medialen Seite des Ellbogens. Der M. biceps brachii überspannt Schulter und Ellenbogen und inseriert an der medialen Ulna. Drei Nerven liegen im Bereich des Ellenbogens: den N. ulnaris findet man medial über dem Olecranon, der N. medianus ist kraniomedial des Epikondylus humeri und zieht Richtung M. pronator teres und der N. radialis liegt lateral gerade über dem distalen Humerus.

Abb. 1: Schematische Ansicht des Ellbogens von lateral

Abb. 2: Schematische Ansicht des Ellbogens von kraniokaudal

2 Ellbogendysplasie Nach wie vor ist die Aetiopathogenese der Ellbogendysplasie (ED) nicht vollständig aufgedeckt. Etwelche Probleme macht auch die Tatsache, dass verschiedene

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Erkrankungen des Ellbogens unter dem Begriff der Ellbogendysplasie summiert werden, obwohl sie pathogenetisch nicht den gleichen Mechanismen unterworfen sind. Dies geschah unter radiologischen Gesichtspunkten, weil die Ellbogenarthrose in den meisten Fällen das Endprodukt der Prozesse darstellt. Heutzutage fasst man vier Haupterkrankungen und diverse seltene Veränderungen am Ellbogen unter dem Begriff der ED zusammen. Zu den Haupterkrankungen gehören der fragmentierte Processus coronoideus medialis (FPCM), der nicht vereinigte Processus ancinaeus (UAP), die Osteochondrose am medialen Humeruskondylus (OC) und die Inkongruenz des Ellbogengelenkes (INC). Eine genetische Beteiligung mit einem Heritabilitätsindex von 0.27 bis 0.77 wird angegeben. Ernährung und Management im Welpenalter tragen den Rest zur Krankheitsentstehung bei oder können im positiven Fall eindämmend wirken. Dabei ist insbesondere auf das Körpergewicht zu achten. Zwei Drittel werden von den Vordergliedmassen aufgefangen. Uebergewicht im Alter bis 7 Monaten, also in der Phase des höchsten „turn-over“, kann ED aus einem subklinischen in ein klinisches Stadium führen. Die ersten Ueberlegungen zur Pathogenese der ED entstammten aus der Osteochondrose-Forschung. Die Knorpelqualität sei an allen prädisponierten Knochenenden ungenügend und seine Lagen zu dick, worauf seine Ernährung via Synovia nicht mehr ausreichend gewährleistet sei. Dies trifft für die Osteochondrose am medialen Humeruskopf, genau gegenüber des medialen Coronoids, wohl immer noch zu. Ein Knorpel-schädigender Effekt durch Calcium-Ueberversorgung in den ersten 4-5 Monaten wurde nachgewiesen, hingegen hat die Protein-Ueberversorgung mit der Entstehung von ED nichts zu tun. Ueberhaupt ist man bei der Erklärung zur Osteochondrose noch nicht zu einer schlüssigen Beweiskette gelangt. Die typischen Lokalisationen (Ellbogen, proximaler zentraler Humeruskopf, distaler lateraler Femurkondylus, Talusrollkamm, lumbosakrales Gelenk) sprechen neben einer generalisierten Problematik durch schnelles Wachstum und Fehlernährung auch für eine unphysiologische Belastung der entsprechenden Gelenkanteile im Wachstum.

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Abb. 3 Histologischer Schnitt durch einen Gelenkknorpel mit beginnender Osteochondrose

Abb. 4: Sklerosierung am subchondralen Knochen als Audruck einer OC

Bei der Erklärung zu FPCM und UAP sind die Verfechter einer Malformation der Incisura semilunaris in der Ueberzahl. Da letztere in der Phase des raschen Wachstums deutlich mehr Knochen und Knorpel als der Humeruskondylus ansetzen muss, um die Kongruenz des Elllbogengelenkes zu erhalten, kann es geschehen, dass die Incisura semilunaris ellipsoid gebildet wird. Somit ist der distale (Processus coronoideus) oder proximale Fortsatz (Processus anconaeus) hohen Belastungen ausgesetzt und kann fissurieren, fragmentieren resp. sich nicht mit dem Olecranon vereinigen. Die Kraftübertragung verläuft im Ellbogengelenk vorwiegend auf der medialen Seite, so dass das mediale Coronoid nicht nur deutlich grösser ist als das laterale, sondern eben auch eher belastet wird. Hunde mit FPCM und Schmerzen an ebendieser Stelle entlasten das mediale Kompartiment mit einer Aussenrotation des Vorderbeines. In wenigen Fällen ist ein ungleich schnelles Wachstum von Radius und Ulna Ursprung der ED (short radius). Das mediale Coronoid muss einen Grossteil der Kraft übernehmen und fragmentiert. OC und FPCM können im gleichen Gelenk gleichzeitig auftreten. Als „kissing lesions“ bezeichnet man Kratzspuren am medialen Humerus, hervor gerufen durch einen Coronoidhochstand. Prädisponierte Rassen für FPCM und OC sind alle Retriever, Berner Sennenhunde, Rottweiler und andere schnellwüchsige Hunde.

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Abb. 5: Durch zu rasches Wachstum wird dem Ellbogengelenk es schwer gemacht, seine Kongreunz zu erhalten (a,b). Es entstehen FPCM und UAP (d)

Abb. 6: FPCM ist nicht eindeutig auf dem Röntgenbild zu entdecken; in diesem Beispiel handelt es sich um einen 11 Monaten alten Berner Sennenhund mit Fragmentation (Pfeil).

Die Diagnose einer ED ist nicht immer einfach zu stellen. Die klinischen Bilder und Befunde nähren einen grossen Verdacht, lassen aber noch immer auch eine Panosteitis als Ursache der Lahmheit zu. Typische Befunde bei ED sind: Auftreten zwischen 4 und 8 Monaten Alter, grosse und schnell wachsende Hunde, leicht progressiver Verlauf, Anlauflahmheit, Aussenrotation des Beines, häufig beidseitiges Problem, Schmerz bei Streckung und Rotation des Ellbogens, palpierbare Gelenkfüllung entlang des lateralen Epikondylus humeri, Druckdolenz über dem medialen Coronoid und allenfalls am Processus anconaeus (bei kompletter Flexion). UAP zeigt die deutlichste Lahmheit, prädisponierte Rassen sind Deutsche Schäfer und Doggen. Röntgenbilder werden in zwei Richtungen angefertigt (laterolateral, anterioposterior mit leichter Pronation; siehe späteres Kapitel). Nicht immer ist die Radiologie sensitiv genug. Am einfachsten gelingt die Diagnose beim UAP. Der Processus anconaeus sollte im Normalfall nach 4.5 Monaten mit dem Olecranon verwachsen sein. Zuweilen ist auch die OC recht gut auf den anterioposterioren Bildern als Sklerosierung des subchondralen Knochens des medialen distalen Humeruskondylus zu erkennen. Schon deutlich mehr Probleme macht da der FPCM. Obwohl durch optimierte Röntgentechniken (leichte Supination bei der laterolateralen Aufnahmen; Schrägaufnahme im anterioposterioren Strahlengang) das mediale Coronoid recht gut dargestellt werden kann, sind viele Pathologien nicht oder nur undeutlich sichtbar. Unscharfe Begrenzungen (ll und ap) sowie Abrundungen und Zubildungen (ap) sprechen zwar für eine Coronoid-Pathologie, beweisen sie aber nicht.

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Fissurlinien im Coronoid können kaum gesehen werden und sind nicht selten Artefakte. Umgekehrt muss das Fehlen dieser Zeichen nicht für ED-Freiheit sprechen. Aus diesem Grund sind Arthroskopie und CT resp. MRI Methoden der Wahl bei der Diagnose des FPCM, sofern die klinischen und radiologischen Zeichen keine eindeutige Zuordnung zulassen. Die Inkongruez im Ellbogengelenk lässt sich nur bei deutlichen Stufen auf dem Röntgenbild erfassen, weil die Lagerung enormen Einfluss auf die relative Position von Radius, Ulna und Humerus ausübt. Selbst Spezialisten der bildgebenden Verfahren erkennen sie erst ab ca. 4 mm Unterschied. Der therapeutische Zugang zu ED ist vielstufig und spezifisch. UAP wird normalerweise mit einer Exzision des nicht vereinigten Knochenstückes behandelt. Bei sehr grossen Processus anconaeus kann man eine Schraubenfixation mit Entlastungsosteotomie der Ulna wagen. Die Prognose ist vorsichtig bis ungünstig, weil die Fixation oft nicht gut gelingt oder sonst der Wegfall des Processus die Instabilität des Ellbogengelenkes fördert. Mittlere bis grosse Osteochondrosen werden kürettiert und der umgebende qualitativ minderwertige Knorpel senkrecht zur Oberfläche abgetragen. Somit kann der subchondrale Knochen in den Defekt einwachsen und einen Ersatzfaserknorpel bilden, welcher im optimalen Fall ausreichende Druckstabilität gewährleistet. Dieser Eingriff kann mittels Arthroskopie oder Arthrotomie erfolgen.

Abb. 7: Subtotale Coronoidektomie bei einem 15 Monate alter Rottweiler

Abb. 8: Deutscher Schäferhund im Alter von 7 Monaten mit nicht vereinigtem Processus anconeaus, welcher entfernt wurde.

Die Behandlung des am häufigsten auftretenden FPCM ist stark von aktuellen Forschungsresultaten und verfügbaren Apparaturen beeinflusst. Die klassische Therapie ist die grosszügige Entfernung des medialen Coronoids durch eine mediale

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Arthrotomie und mit Hilfe von Meissel und Hammer. Die Einführung der Arthroskopie hat die gleichzeitige Diagnostik der ED erleichtert, erlaubt die Behandlung beider Ellbogengelenke bei minimaler Traumatisierung in der gleichen Session, birgt aber auch die Gefahr, dass zu wenig vom Coronoid abgetragen wird, was unter Umständen Druck-belastete Stellen im medialen Kompartiment zurück lässt. Falls gleichzeitig zum FPCM eine deutliche Stufe im Ellbogengelenk diagnostiziert wird, kann bei Hunden unter 8-10 Monaten eine Ulnaostektomie den Druck auf das mediale Coronoid senken. In seltenen Fällen gelingt dieser Eingriff so früh, dass die Hunde nicht symptomatisch werden. Eine Osteosynthese ist nicht erforderlich.

Abb. 9: Medialer Zugang zum Ellbogengelenk und Kürettage einer OC Läsion.

Abb. 10: Halbprothese für das mediale Ellbogenkompartiment (Wendelburg, Kyon Symposium, 2009)

Die aktuellen Trends zur Behandlung des FPCM sehen wir bei der Reduktion des Gelenkdruckes im medialen Ellbogenkompartiment. Die Teiltenotomie des M. biceps brachii an der Ulna (biceps ulnar release procedure, BURP), die Korrekturosteotomie des Humerus oder der Ulna sind solche Techniken, die aber weiterer Forschung und Langzeitresultate bedürfen. Etwaige Hoffnung besteht auch im Gelenkersatz mittels Teil- oder Totalprothese des Ellbogens. Erste klinisch erprobte Modelle kommen in den nächsten Jahren auf den Markt und werden wohl zuerst bei stark arthrotischen Ellbogen eingesetzt werden. Selbstverständlich findet auch die konservative Therapie ihren Platz. In milden oder unklaren Fällen oder bei zu spät diagnostizierter ED mit beginnender Arthrose kann sie den Krankheitsprozess so modulieren, dass Lahmheit und Schmerz so lange als möglich hinausgezögert werden können. Zur konservativen Therapie, welche sich im Uebrigen auch als postoperatives Protokoll eignet, gehören: Gewichtsreduktion (wegen der Zwei-Drittel-Belastung auf die Vorderbeine), Bewegungseinschränkung

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(kürzer, dafür öfter), Physiotherapie (Aufwärmen, Muskelerhalt, Bewegungsfreiheit erhalten), Knorpelschutzpräparate (Knorpelschicht wird vergrössert, wodurch Stösse gedämpft werden) und Entzündungshemmer (Gelenkfüllung wird reduziert, Muskelerhalt, Allgemeinbefinden verbessert). Nachdem die positiven Effekte der Entzündungshemmer und die Abwesenheit von Nebenwirkungen erkannt wurden, kann durchaus eine Langzeittherapie indiziert sein. Es geht dabei darum, den Hunden möglichst lange ein schmerz- und lahmheitsfreies Leben zu schenken.

Abb. 11: Bicipital ulnar release procedure (aus Fitzpatrick, Vet Surg, 2009)

Abb. 12: Sliding humerus osteotomy (aus Fitzpatrick, Vet Surg, 2009)

3 Andere Ellbogenerkrankungen Die wichtigste Differentialdiagnose zu ED ist die Panosteitis. Auch hier weiss man nicht genau, wie sie entsteht. Schnelles Wachstum, allenfalls Calcium-Ueberversorgung und Vitaminmangel wurden genannt. Auf jeden Fall scheint der Knocheninnendruck zu steigen, wodurch Schmerzen enstehen, welche zu Lahmheiten führen und bei Palpation zu entdecken sind. Die Adipozyten gehen zu Grunde und werden nach rund 3-6 Wochen durch Knochenlamellen ersetzt, was radiologisch nachweisbar ist. Panosteitis ist selbstlimitierend und führt zu keinen Spätfolgen. Lahmheitsepisoden dauern klassischerweise 6 Wochen pro Extremität, wechseln häufig von einem Bein auf das andere, verschwinden bei Erreichen der Maturität und sind bei grossen Hunden bis ins Alter von 3 Jahren gesehen worden. Die Behandlung ist rein palliativ (Schmerzmittel, Futterreduktion). Da die Klinik meist nicht von ED zu unterscheiden ist und die schmerzhaften Druckstellen oft nahe beim Ellbogen liegen, empfiehlt es sich, betroffene Hunde zu röntgen. Bei Spanieln wurden nachgewiesen, dass die Wachstumsfuge zwischen den beiden Humeruskondylen nicht komplett ossifiziert. Diese Hunde haben deswegen ein erhöhtes Risiko, bei Unfällen eine Separierung dieser Humerusanteile mit einem

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metaphysären Riss durch den lateralen Schaft zu erleiden. Solche Frakturen des Types Salter-Harris 4 treten auch bei anderen Hunderassen auf und müssen adäquat versorgt werden. Meist gelingt dies mit einer grossen Zugschraube durch die Epikondylen und einem antirotationellen Pin oder einer Platte. Unter ED werden auch seltene Erkrankungen erfasst. So sieht man ab und zu nicht vereinigte medialen Humeruskondylen (Labrador Retriever), zu kurze Ulna (Doggen, Irish Wolfhound, Basset; manchmal auch nach Trauma der distalen Ulnafuge und Radius curvus Symptomatik) und angeborenen Ellbogenluxationen (meist bei Kleinhunden). Die Ellenbogenarthrose ist eine Spätform vieler Erkrankungen des Ellenbogens und von Traumatas. Zur Zeit besteht wenig Hoffnung, die Ellbogenarthrose nachhaltig zu behandeln, ausser mit Langzeitschmerzmitteln. Der Gelenkersatz wird noch eine Weile auf sich warten lassen.

Abb.13: Panosteitis in der proximalen Ulna, sichtbar als wolkige Dichtezunahme

Abb. 14: Ellbogenarthrose als Endstadium eines nicht erkannten FPCM

4 Interpretationshilfen für das Röntgenbild Röntgenbilder sind noch immer die am meisten gebrauchten Hilfsmittel zur Diagnose einer möglichen ED. Es wird empfohlen, vier Bilder in Sedation oder Narkose zu schiessen. Die beiden mediolateralen Aufnahmen werden mit leicht vom Tisch angehobenem und supiniertem Carpus angefertigt (das mediale Coronoid wird

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besser abgebildet). Eine Aufnahme ist gestreckt (135°), die andere flexiert (der gesamte Processus anconaeus ist sichtbar). Eine strikte anterioposteriore und eine leicht schräge (15° Innenrotation durch Pronation des Carpus) Aufnahme komplettieren die Untersuchung. Letztere erlaubt die gute Visualisierung des medialen Processus coronoideus. Es gibt viele Limiten bei der radiologischen Beurteilung von Ellbogengelenken. OC und UAP machen in der Regel keine Schwierigkeiten, hingegen werden FPCM und INC nur selten eindeutig identifiziert (siehe oben). Im optimalen Fall ist ein FPCM als abgeflachter, abgerundeter und mit Proliferationen versehener Knochenvorsprung auf den anterio-posterioren Schrägaufnahmen zu sehen. Ellbogenarthrose tritt meist zuerst am Processus anconaeus auf, findet sich mit fortdauernder Chronizität aber an vielen Stellen. Unten aufgelisteter Algorithmus wurde vom Autor für die Beurteilung von Röntgenbildern im Hinblick auf ED entwickelt. Er folgt der Eselsbrücke: (elbow) IS A RICH ORACLE. Auf den medio-lateralen Aufnahmen: Lokalisation Prim Sek IS Incisura semilunaris: Sklerose X A Anconeaus (Processus anconaeus): Separierung oder Arthrose X X R Radiuskopf: Arthrose X I Inkongruenz X C Coronoid medial: unklare Begrenzung (X) X H Humeruskondylen, kaudal: Arthrose X Auf den anterio-posterioren Aufnahmen: Lokalisation Prim Sek O Osteochondroseläsion am medialen Humeruskondylus X R Radiuskopf: Arthrose X A Abstand zwischen Ulna und Radius, Stufe (X) C Coronid medial: Proliferation, Separierung, Abflachung, Fissur (X) X L Läsionen (“kissing lesions”) am medialen Humerus gegenüber des

medialen Processus coronoideus X

E Epikondylen (medial und lateral) des Humerus: Arthrose X

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Abb. 15: Flexierte mediolaterale Aufnahme des Hundeellbogens mit Interpretationshilfen.

Abb. 15: Anterioposteriore Schrägaufnahme des Hundeellbogens mit Interpretationshilfen.

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5 Arbeitsblätter für die Fallbeispiele

Fall Nr 1 Befunde Interpretation

Signalement

Bordeaux Dogge Balu 6 Monate

Anamnese Anlauflahmheit seit 6 Wochen (1/5) Klinische Befunde

Beidseitig Druckschmerzen mediales Ellbogenkompartiment

Radiologische Befunde

Weitere Diagnostik

Beide Ellbogen a/p und l/l röntgen Beide Schultergelenke m/l röntgen

Diagnose

OCD medialer Humeruskondylus beidseitig; beginnende Arthrose

Therapie-vorschlag

Arthrotomie/Arthroskopie beidseits, Abstand 6 Wochen mit Kürettage und Osteostyxis; postoperativ NSAIDs, Chondroprotektiva, Gewichts- und Bewegungs-kontrolle, Physiotherapie

Prognose

Vorsichtig - günstig

Anderes

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Fall Nr 2

Befunde Interpretation

Signalement

Mittelgrosser BSH Jack 8 Monate, Rüde

Anamnese Schnell gewachsen Progressive Lahmheit Zu Beginn des Spazierganges Belastet immer

Klinische Befunde

Schmerz bei Streckung und Drehung Füllung Muskelschwund

Radiologische Befunde

Weitere Diagnostik

Beide Ellbogen röntgen Evtl. CT oder Arthrotomie bei unklarer Diagnostik

Diagnose

Hoher Verdacht auf FPCM

Therapie-vorschlag

Arthrotomie / Arthroskopie mit subtotaler Coronoidektomie; postoperativ NSAIDs, Chondroprotektiva, Gewichts- und Bewegungskontrolle, Physiotherapie

Prognose

Vorsichtig; je früher operiert werden kann, desto besser die Langzeitprognose

Anderes

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Fall Nr 3 Befunde Interpretation

Signalement

Deutscher Schäferhund Norris 6 Monate

Anamnese Starke Lahmheit vorne links Klinische Befunde

Massive Schwellung vor allem lateral

Radiologische Befunde

Weitere Diagnostik

Zweite Seite röntgen; flexierte Aufnahmen

Diagnose

Losgelöster Processus anconaeus, kaum Arthrose

Therapie-vorschlag

Rasch Processus anconaeus entfernen (nur grosse Stücke anschrauben); postoperative Behandlung siehe Fall 1 und 2

Prognose

Sehr vorsichtig (Fixation mit hoher Misserfolgrate; Entfernung des Processus bedeutet Instabilität)

Anderes

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Fall Nr 4 Befunde Interpretation

Signalement

Alano, 8 Jahre, 50 kg Tiger

Anamnese Unklare Vorgeschichte Anlaufprobleme seit 2 Jahren zunehmend

Klinische Befunde

dicke Ellbogen“, reduzierter ROM Druckschmerz medial und kaudal

Radiologische Befunde

Weitere Diagnostik

keine

Diagnose

Massive Ellbogenarthrose, wahrscheinlich nach FPCM

Therapie-vorschlag

NSAIDs (Lamgzeittherapie), Chondroprotektiva, Gewichts- und Bewegungskontrolle, Physiotherapie

Prognose

Verbesserung des Gangsbildes ist zu erwarten

Anderes

Ellbogenprothese als Methode der Zukunft

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Flückiger M.: Ellbogendysplasie (ED) beim Hund. Schweiz. Arch. Tierheilk. 1992, 134: 261-271. Hazewinkel HAW (2008): Elbow dysplasia. Definitions and clinical diagnosis. IEWG annual meeting, proceedings, Dublin. Mason DR, Schulz KS, Samii VF et al. (2002). Sensitivity of radiolographic evaluation of radio-ulnar incongruence in the dog in vitro. Vet Surg 31, 125 – 132. Van Bree H (2008). Diagnostic imaging in elbow dysplasia: including scintigraphy, radiography, ultrasound, CT and MRI. IEWG annual meeting, proceedings, Dublin. Wendelburg KL (2009). Kyon elbow prosthesis – status report, Kyon Symposium, Zurich.