Emil František Burian - media.offenes-archiv.demedia.offenes-archiv.de/emilfrantisekburian.pdf · Emil František Burian 3 Emil František Burian Emil František Burian hatte viele

Emil František Burian*11.6.1904 (Pilsen), †9.8.1959 (Prag)Komponist; Dramaturg und Theaterleiter; gründete 1933 in Pragdas Theater „D 34“, das sich offen gegen den Nationalsozialismuswandte; 12.3.1941 Verhaftung; 27.6.1941 KZ Dachau; 7.8.1942KZ Neuengamme; 3. Mai 1945 Überlebender der Schiffsbombar-dierungen in der Lübecker Bucht; Rückkehr nach Prag; übernahmdort wieder die Leitung seines Theaters.

Emil František Burian*11.6.1904 (Pilsen), †9.8.1959 (Prague)Composer, dramatic advisor and theatre manager; founded the “D 34” theatre in Prague in 1933, which was openly opposedto National Socialism; arrested on 12.3.194; sent to Dachau concentration camp on 27.6.1941; transferred to Neuengamme on 7.8.1942; survived the shipping disaster in Lübeck Bay on3.5.1945; returned to Prague; resumed work as manager of histheatre.

Emil František Burian*11.6.1904 (Plzen), †9.8.1959 (Prague)Compositeur ; conseiller dramatique et directeur de théâtre; 1933fonde à Prague le théâtre «D 34», qui attaque ouvertement le régime national-socialiste ; 12.3.1941 arrêté; 27.6.1941 camp deconcentration de Dachau; 7.8.1942 camp de concentration de Neuengamme; 3 mai 1945 survivant du bombardement desbateaux dans la baie de Lübeck; rapatrié à Prague où il reprend la direction de son théâtre.

Эмиль Франтишек Буриан* 11.6.1904, Пильзен – †9.8.1959, ПрагаКомпозитор, драматург и руководитель театра; основал в 1933 г. в Праге театр "D 34", откыто выступавший противнационал-социализма; 12.3.1941 г. – арест; 27.6.1941 г. –концлагерь Дахау; 7.8.1942 г. – концлагерь Нойенгамме;пережил бомбардировку кораблей с заключенными 3 мая 1945 г. в Любекской бухте; возвращение в Прагу; досвоей смерти возглавлял основанный им театр.

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Emil František Burian

Emil František Burian hatte viele künstlerische Begabungen,aber es war vor allem die Musik, die sein Leben prägte und der seine Leidenschaft galt. Er wurde am 11. Juni 1904in eine Musikerfamilie hineingeboren, die berühmteOpernsänger wie seinen Onkel Karel Burian, einen weltweitgefeierten Tenor, hervorgebracht hatte. Der Vater, nachdem der Sohn Emil genannt wurde, war Bariton; seineMutter feierte als Sopranistin Erfolge und arbeitete danebenals Gesangspädagogin. Emil František Burian zeigte schonfrüh ein ausgeprägtes Interesse am Komponieren. Er stu-dierte am Prager Konservatorium Klavier und Komposition.Zu seinen Lehrern gehörten Josef Suk und Vitezslav Novák,die beide bedeutende Schüler von Antonín Dvořák waren.

1925 legte er seine Abschlussprüfung ab. In der Zeit zwischen den Weltkriegen war Prag Schauplatz eines glei-chermaßen an- wie aufregenden kulturellen Lebens. Das Niveau der Musikstadt war auch deshalb hoch, weil derkomponierende Nachwuchs, zu dem auch Emil FrantišekBurian gehörte, besonders experimentierfreudig war. Dernach den Schrecken des Ersten Weltkrieges in ihm entfachtekunstrevolutionäre Elan ließ ihn als Eiferer im Geiste Dadasauf den Umsturz der ästhetischen Wertesysteme hin-arbeiten. Mitte der 1920er-Jahre erfand er die „Voice-band“.Darunter verstand er (in Anlehnung an „Jazz-Band“) einenChor-Sprechgesang mit dissonanten und manchmal sogarultrachromatischen Intervallen. Auch Geräusche, die die menschliche Stimme erzeugen kann, wurden in dieseWerke aufgenommen. Emil František Burian nutzte fürseinen Sprechgesang die Erfahrung der futuristischen unddadaistischen Rezitationskunst.

1925 gründete er die dadaistische Gruppe „Tam-Tam“, dieeine Zeitschrift herausgab und Konzerte organisierte. SeineKompositionen in dieser Zeit waren Ausdruck seinerpolitisch engagierten Haltung; als überzeugter Kommunistwollte er die Welt mit den Mitteln der Kunst verändern.Erstarrte Formen sollten aufgebrochen werden, um Raumfür neue Ideen zu schaffen. Emil František Burian begleiteteseine künstlerische Arbeit mit Publikationen, in denen ermusikhistorische und musiktheoretische Fragen behandelte.



1926 verfasste er eine Schrift über die moderne russischeMusik, zwei Jahre später ein Buch über den Jazz. 1933gründete er in Prag das berühmte Theater „D 34“, das unterseiner Leitung zu einer Stätte revolutionärer Kunst wurde.

In der ersten Zeit der deutschen Okkupation opponierteEmil František Burian mit den Mitteln der Kunst ganz offengegen das NS-Regime. Seine Verhaftung am 12. März 1941war daher nur eine Frage der Zeit. Seine Häftlingsakte trug das Kürzel „RU“ („Rückkehr unerwünscht“). In There-sienstadt kam er in die „Kleine Festung“, die unter demKommando der Prager Gestapo stand und eine Haftstättefür politische Gefangene aus dem „Protektorat Böhmen und Mähren“ mit dem Charakter eines KZ war. Dortverschafften Genossen ihm, der schwere körperliche Arbeitnicht gewohnt war, eine leichtere Arbeit in der Wasch-küche. Emil František Burian verhielt sich gegenüber seinenPeinigern nicht unterwürfig. Einmal grüßte er den Lager-kommandanten Jöckel nicht ordnungsgemäß, woraufhin ereine so brutale Ohrfeige erhielt, dass sein Hörvermögen für lange Zeit beeinträchtigt war.

Seine nächste Haftstation war das Gefängnis Gollnow in Pommern. Von dort aus wurde er am 27. Juni 1941 in dasKZ Dachau verlegt, wo er zunächst in die Strafkompanie,dann aber in den tschechischen Block kam. In der Straf-kompanie sorgte die Musik für sein Überleben, denn als Gegenleistung für gemeinsames Musizieren gab ihm der

Kapo und Blockälteste Kalbavi manchmal etwas zu essen.Kalbavi spielte Zither, Emil František Burian Harmonika. Alser sich jedoch einmal weigerte, zum wiederholten MaleKalbavis Lieblingsschlager „Lili Marleen“ zu spielen, wurdeer von dem Kapo geschlagen.

Am 7. August 1942 kam Emil František Burian in das KZ Neuengamme. Er arbeitete im Kommando Messap undwurde dort nach einiger Zeit Kontrolleur bei der Fertigungs-abnahme. 1944 wäre er fast an einer Lungenspitzen-entzündung gestorben. Eingeschmuggelte Medikamenteretteten sein Leben. Zusätzliches Essen verdiente er sich mit Auftritten als Musiker für die Lagerprominenz. Einmalmusste er das Lagerorchester dirigieren, als ein Häftlinggehängt wurde. Weihnachten 1944 wurde der von Emil František Burian komponierte „Song von der Kuhle“uraufgeführt. 1945 war er an Bord der „Cap Arcona“, als diese von britischen Flugzeugen angegriffen wurde undunterging. Er überlebte die Katastrophe.

Nach seiner Befreiung kehrte er nach Prag zurück, wo erwieder die Leitung seines Theaters übernahm. Seine Zeit imKZ versuchte er zu verarbeiten, indem er darüber literari-sche Texte verfasste. Die physischen und psychischenQualen hatten ihn gezeichnet. Am 9. August 1959 starb erin Prag im Alter von 55 Jahren.


Emil František Burian Werke (Auswahl)

(in Klammern: Übersetzung des Titels; Textautor; erste Jahreszahl: Entstehung, zweite Jahreszahl: Uraufführung)

Opern

Alladina a Palomid (Alladina und Palomid; M. Maeterlinck)Oper, umgearbeitet als Pohádka o velké lásce (Märchen von einer großen Liebe), (1923; 1934 Prag)

Před slunce východem (Vor Sonnenaufgang; Bedřich Belohlávek)Oper, 1 Akt (1924; 1925 Prag)

Mastičkář (Der Quacksalber; Václav Lacina/Jan Trojan)Opera buffa (1925; 1928 Prag)

Bubu z Montparnassu (Bubu vom Montparnasse; nach Charles-LouisPhilippe)Lyrische Jazzoper (1927; 1999 Prag)

Maryša (Libretto vom Komponisten; nach Alois undVilém Mrštík) Oper in fünf Bildern (1938; 1940 Brno (Brünn))



Císařovy nove šaty(Des Kaisers neue Kleider; nach Hans ChristianAndersen)Oper (1947)

Theaterstücke mit Musik

Milenci z kiosku (Die Geliebten vom Kiosk; Vítezlav Nezval)(1935; 1935 Prag)

Pariz hraje prim (Paris spielt die erste Geige; François Villon)(1938)

Račte odpustit(Verzeihen Sie bitte; Radovan Krátkýs)(1956; 1956 Prag)

Theaterstücke mit Musik nach Volkstexten

Vojna (Der Krieg; Volkstexte aus der Sammlung vonKarel Jaromír Erben)Volksdrama mit Liedern und Tänzen (1935; 1935 Prag)

Lidová suita 1 und 2 (Volkssuite 1 und 2)(1938 und 1939 Prag)

Esther (1946 Prag)

Láska, vzdor a smrt (Liebe, Trotz und Tod)(1946 Prag)

Vánocní hry ceského lidu (Tschechische volkstümliche Weihnachtsspiele)(1946 Prag)

Opera z pouti (Oper von der Kirmes)(1956 Prag)

Darüber hinaus schrieb Emil František Burianzahlreiche Vokalwerke, darunter das Jazz-Requiem für „Voice-band“ (1927), Orchester-werke sowie Kammer- und Klaviermusik.



Emil František Burian mit seinerFrau Marie Burianova 1932.

(Privatbesitz)


Folgende Doppelseite:

Emil František Burian: Über„Cocktails“ (1926). Aus: O detech a Cocktaily, in: Hudebni rozhledy, 1926,S. 24/25. (Deutsch in: Musik-Konzepte, 1983, Nr. 33.S. 171/172.)



Karikatur einer Burian-Auffüh-rung. Aus einem Programmhefteiner Emil-František-Burian-Matinée am 13. September 1992im Hebbel-Theater während der 42. Berliner Festwochen.


Emil František Burian im Herbst1940. Die Aufnahme entstandungefähr ein halbes Jahr vor sei-ner Verhaftung im Büro des The-aters D 41. (Die Bezeichnungdes Theaters änderte sich fort-laufend mit der aktuellen Jahres-zahl)

Aus: Jaroslav Kladiva: E.F. Burian, Prag 1982, S. 415.


Zu den kompositorischen Leis-tungen Emil František Burians imKZ Neuengamme gehört dasüber eine halbe Stunde dauerndeWerk „Der Song von der Kuhle“.Zu diesem „Oratorium“ für Sologesang, Chor, Klavier unddas fünfzehnköpfige Orchestermussten die Partituren nebender schweren Tagesarbeit teil-weise nachts geschrieben werden. Die Tschechen erhieltenals Gegenleistung dafür eine so genannte „Sondervergütung“.Für den Fall, dass die vom Lager-ältesten zugesagte Brotzulageausblieb, drohten die Tschechenmit einem Abbruch ihrerSchreibarbeit. „Der Song vonder Kuhle“ setzte sich mit demzentralen Thema aller Häftlingeim Lager auseinander, nämlichmit dem täglichen Hunger und der Suche nach Nahrung.(„Kuhle“ war der Lagerausdruckfür die tägliche Brotration.)Wer den Text zu dem Oratoriumschrieb, lässt sich nicht mit letzter Gewissheit rekonstruie-ren. Wahrscheinlich war EmilFrantišek Burian an der Aus-arbeitung des Textes beteiligt.

(ANg)



Der Song von der Kuhle

Unser täglich Brot ist ein hartes Brot,schmeckt nach Blut, schmeckt nach Schweiß, schmeckt nach Tränen.Ist die Arbeit herum, dann verzehren wir stumm,dann verzehren wir schnell mit den Zähnenunser täglich Brot! Unser täglich Brot!Unser täglich Brot! Unsere Kuhle!

Ja, das Essen fürwahr schmeckt nicht nach Kaviar.Doch es knurrt uns vor Kohldampf der Magen.Nach dem Abendappell, dann zermahlen wir schnell,dann verschlingen wir schnell ohne Klagenunser täglich Brot! Unser täglich Brot!Unser täglich Brot! Unsere Kuhle!

Ist die Schutzhaft vorbei und wir sind wieder frei,ja dann gibt’s jeden Tag Leckerbissen.Doch dann wollen wir vereint unseren treuesten Freund,unseren besten Kameraden nicht missen.Unser täglich Brot! Unser täglich Brot!Unser täglich Brot! Unsere Kuhle!

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Für Emil František Burian war Kunst ein Mittel des täglichen

Überlebens. Selbst in einer der voll gestopften Kabinen an

Bord der „Cap Arcona“, zu einem Zeitpunkt, als er noch nicht

wusste, wohin ihn seine Peiniger verschleppen würden, besaß

er die Kraft, sich in eine Gegenwelt der Kunst zu begeben:

Er setzte sich in der Kabine in einer Ecke auf den Boden,holte einige Blätter gefaltetes Papier aus der Tasche, undschon reihten sich Verse über sein geliebtes Prag anei-nander. Er schrieb bis zum Abend, und als es dunkelwurde und wir sicher waren, ungestört zu bleiben, batBurian um Ruhe und begann vorzutragen. In der still-gewordenen Kabine ertönte sein Bekenntnis zu MütterchenPrag, sein Glaube an die Rote Armee und den Sieg desSozialismus nach all den bitteren Erfahrungen, die wirerlebt hatten. Lange las er das Gedicht mit seiner leiden-schaftlichen Stimme, und den Männern, die sozusagenihren eigenen Tod überlebt hatten, standen Tränen in denAugen. Emil hat ohne jeden Zweifel einen starken Willengehabt; sein Glaube an die Verwirklichung desKommunismus muß unerschütterlich gewesen sein, sonsthätte er, umgeben von all diesem demoralisierendenElend, seinen reichen Gedanken kaum auf so bestimmteund klare Weise Ausdruck verleihen können.

Aus: Jaromir Kaštil: Neuengamme, in: Milan Kuna:Musik an der Grenze des Lebens,

Frankfurt am Main 1993, S. 310.

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In dem Buch „Die Sieger“ ausdem Jahr 1959 beschrieb EmilFrantišek Burian anhand aus-gewählter Einzelschicksale denUntergang der „Cap Arcona“und der „Thielbek“ in der Lübecker Bucht. Er brachte seineKZ-Erfahrungen so zu Papier,dass für ihn der Zustand derUnmittelbarkeit überwundenwurde. Das heißt, dass er nichteinen autobiografischen Erlebnis-bericht verfasste, sondern das,was ihm und seinen Leidens-genossen widerfahren war, lite-rarisch bearbeitete. Auf dieseWeise rückte er das Geschehennicht nur von sich ab, sondernes gelang ihm, etwas auszu-sagen, das größere Bedeutungfür andere Menschen habenkonnte.

Emil František Burian: Die Sieger, Berlin 1959(Verlag des Ministeriums für Nationale

Verteidigung). Gestaltung des Einbandes undSchutzumschlages: Wolfgang Brock.


Emil František Burian 1952/53als Maler bei einem Ausflug mit Mitgliedern seines Theater-Ensembles in Pisek.

(Privatbesitz)


Emil František Burian mit seiner Tochter Katařina imHerbst 1946.

(Privatbesitz)


Emil František Burian im Frühjahr 1959. Die Aufnahmeentstand wenige Monate vor seinem Tod.

(Privatbesitz)

Emil František Burian mit Toch-ter Katařina 1957/58.

(Privatbesitz)



Programmzettel eines Gedenk-konzertes für Emil FrantišekBurian am 5. Mai 1985 in derKZ-Gedenkstätte Neuengamme.

(ANg)


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