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ENTWICKLUNG Zweitaktmotoren 106 MTZ 2/2002 Jahrgang 63 Entwicklung von emissionsreduzierten Zweitaktmotoren für handgeführte Arbeitsgeräte Minimales Gewicht bei höchster Leistungsdichte ist traditionell eines der wichtigsten Kriterien für Kleinmotoren in Motorsägen und Motorgeräten wie Heckenscheren, Freischnei- dern, Blasgeräten oder Trenn- schleifern, da der Anwender permanent das Gewicht des Gerätes tragen muss. War Emissionsreduzierung in den letzten Jahrzehnten vor allem eine Frage der Reduzierung von Verbrauch und Geruchs- belästigung, so sind die Entwicklungen der zurück- liegenden Jahre vor allem dadurch geprägt, die Kohlen- wasserstoffemissionen weiter zu reduzieren. Dabei wurden neben kleinen Viertaktmotoren eine Reihe neuer Zweitakt- technologien entwickelt. Um hierbei die erforderliche Auslegungsqualität zu errei- chen, werden moderne Motoren mit Modellversuchen sowie ein- und dreidimensio- naler Strömungssimulation vorausgelegt.

Entwicklung von emissionsreduzierten Zweitaktmotoren für handgeführte Arbeitsgeräte

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106 MTZ 2/2002 Jahrgang 63

Entwicklung von emissionsreduzierten Zweitaktmotoren für handgeführte Arbeitsgeräte

Minimales Gewicht bei höchster Leistungsdichte ist traditionell eines der wichtigsten Kriterien für Kleinmotoren in Motorsägenund Motorgeräten wieHeckenscheren, Freischnei-dern, Blasgeräten oder Trenn-schleifern, da der Anwenderpermanent das Gewicht desGerätes tragen muss. WarEmissionsreduzierung in denletzten Jahrzehnten vor allemeine Frage der Reduzierungvon Verbrauch und Geruchs-belästigung, so sind die Entwicklungen der zurück-liegenden Jahre vor allemdadurch geprägt, die Kohlen-wasserstoffemissionen weiterzu reduzieren. Dabei wurdenneben kleinen Viertaktmotoreneine Reihe neuer Zweitakt-technologien entwickelt. Um hierbei die erforderlicheAuslegungsqualität zu errei-chen, werden moderne Motoren mit Modellversuchensowie ein- und dreidimensio-naler Strömungssimulationvorausgelegt.

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1 Einleitung

Im Bereich handgehaltener Arbeitsgerätewurde das permanente Bemühen der Her-steller, verbrauchsarme und umwelt-freundliche Produkte anzubieten, in denletzten Jahren durch immer strenger wer-dende Abgasgesetzgebungen verstärkt.Vorreiter sind hier die California Air Res-sources Boad (CARB) und die Environ-mental Protection Agency (EPA). Bundes-weit in den USA wird schrittweise ab 2002eine Phase II der Abgasgesetzgebung gel-ten, die bis 2008 die HC+NOx-Emissionenauf 50 g/kWh (≤ 50 cm3) und 72 g/kWh(> 50 cm3) beschränkt [EPA 1999]. Die euro-päische Union plant, im Wesentlichen dieEPA II-Grenzwerte zu übernehmen. ZumVergleich: Derzeitige Zweitakt-Freischnei-dertriebwerke werden typischerweise mitEmissionswerten von 130 bis 240 g/kWhzugelassen. Im Zuge der neuen Emissions-anforderungen wurden von verschiedenenHerstellern Viertaktmotoren für Frei-schneider im Hubraumbereich von rund25 bis 50 cm3 auf den Markt gebracht, dieebenfalls zu überzeugenden Produktlösun-gen geführt haben. In der jüngeren Vergan-genheit kommen jedoch immer mehr Her-steller wieder mit Zweitaktmotoren, die dieneuen Grenzwerte erfüllen, auf den Markt.Es ist daher davon auszugehen, dass dieZweitaktmotoren je nach Produktkategorieeine Parallellösung zu Viertaktmotorendarstellen werden. Bei Hochleistungstrieb-werken im Hochdrehzahlbereich wird derZweitaktmotor seine dominierende Stel-lung voraussichtlich noch lange behalten.

Die meisten Hersteller von handgetra-genen Profi-Arbeitsgeräten entwickelnund produzieren die Motoren selbst. Grundhierfür ist, dass der Motor nicht nurAntriebsaggregat, sondern gleichzeitigauch Chassis des gesamten Produkts ist. So

trägt der Motor bei einem Freischneiderdirekt Zündanlage, Vergaser, Luftfilter,Schalldämpfer und meistens auch dieKupplung. Daraus wird verständlich, dassleichte professionelle Produkte stets einoptimal angepasstes Triebwerk erfordern.Gleichzeitig gelten die Besonderheiten desLandmaschinenbaus: geringer Kosten-spielraum, keine Spezialteile mit engenToleranzen, keine Hilfsenergie an Bord,echte Alllagentauglichkeit (auch überKopf). Vor allem müssen diese Produktevom Endanwender im Feldeinsatz gewar-tet und ggf. auch repariert werden kön-nen.

2 Emissionen des Zweitaktmotors

Der kolbengesteuerte Zweitaktmotor mitnur drei bewegten Teilen (Kolben, Pleuel,Kurbelwelle) erfüllt die oben gestelltenAnforderungen optimal. Er nimmt unterden Kolbenmaschinen allerdings eineSonderstellung ein, da für seinen Gas-wechsel eher die Gesetzmäßigkeiten einerStrömungsmaschine gelten. So stehenÜberströmer (= Einlass in den Brennraum)und Auslass gleichzeitig offen. Dadurchentstehen hohe Frischgemischverluste.Moderne Zweitaktmotoren mit Schnürle-Umkehrspülung, Bild 1, verlieren imNennleistungspunkt etwa 20 bis 25 % derFrischladung direkt wieder in den Auslass.

Bei den schnürlegespülten Zweitakt-motoren werden in der Literatur klassi-scherweise zwei Verlustmechanismenunterschieden: der direkte Kurzschlussund die Schnürle-Verluste.

Grundsätzlich bestehen nun zwei Mög-lichkeiten, die Emissionen zu reduzieren:Nachträgliche Oxidation der Kohlenwas-serstoffe in einem Katalysator oder eineVerringerung der Rohemissionen durch

bessere Frischgemischführung bzw. Steue-rung des Gaswechsels beispielsweise überzusätzliche Steuerorgane – im Extremfallentsteht hieraus der Miniviertaktmotor.

3 Emissionsreduktion: Stand der Technik

Die folgenden Abschnitte stellen eine aus-gewählte Übersicht des Stands der Zwei-takttechnik bei den prinzipiellen Lösun-gen dar, die für Triebwerke bei Motorsä-gen und Motorgeräten in Frage kommen.Allerdings wird jeder Hersteller dieseTechnologien unter Umständen in abge-wandelter Form in seine Produkte inte-grieren. Einen weitgehend repräsentati-ven Überblick über Zweitakttechnologien,die für handgehaltene Arbeitsgeräte inter-essant sind, bieten Zahn et al. [2000].

Bild 2 zeigt die prinzipielle Systematikfür Emissionstechnologien. Im Folgendenwird die Übersicht nach Katalysator-konzepten, Ladungsschichtungsverfahrenund Einspritztechnologien gegliedert undabschließend bewertet. VentilgesteuerteZweitaktmotoren werden hier nicht wei-ter diskutiert, da sie konstruktiv nahezuähnlich aufwändig sind wie ein Viertakt-

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Die Autoren

Dipl.-Ing. WernerVonderau leitet denBereich EntwicklungMotorgeräte der An-dreas Stihl AG & CO.

Dipl.-Ing. WolfgangZahn ist Mitglied desVorstands der Andreas Stihl AG &CO.

Dr.-Ing. Heiko Rosskamp ist verantwortlich für dieVorentwicklung imBereich Motorgeräte

Dipl.-Ing. (FH) KlausGeyer ist zuständigfür experimentelleVorentwicklung imBereich Motorgeräte

Dr.-Ing. Jörg Schlossarczyk ist verantwortlich fürVorentwicklung imBereich Motorsägen

2 Emissionen des Zweitaktmotors

Bild 1: Schnürle-Umkehrspülung ineinem modernen 4-Kanal-Frei-schneidermotor (1: Überströmer, 2: Schürle-Spülzunge, 3: Auslass-kanal, 4: schlitzgesteuerter Einlass,5: Zweiring-Leichtmetallkolben)Figure 1: Schnürle-loop scavengingin a modern 4-port brushcuttercylinder (1: transfer channel, 2:Schürle-loop, 3: exhaust, 4: pistonported inlet 5: two ring aluminumpiston)

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motor, ohne jedoch dessen überlegenniedriges Emissionsniveau zu erreichen.

3.1 KatalysatorkonzepteBei den Katalysatorkonzepten werden dieHC-Emissionen in einem Oxidationskata-lysator nachverbrannt. Bei Vollkatalysa-torkonzepten werden je nach der Fettig-keit (typ. λ = 0.7–0.85) des Gemisches etwa50 bis 70 % der Emissionen umgesetzt. AlsFaustregel gilt, dass dann im Katalysator-Schalldämpfer eine zusätzliche thermi-sche Leistung entsprechend der mechani-schen Motorleistung freigesetzt wird. Des-halb wird aus Temperaturgründen oft dieKonvertierung begrenzt.

Für einen möglichst kompakten Auf-bau wird der Katalysator selbst in derRegel in das Zwischenblech eines Mehr-kammerschalldämpfers eingebaut, Bild 3.Möglich sind jedoch auch Lösungen, diemit einfachen Drahtgestrick-Katalysato-ren, beschichteten Zwischenblechen oderbeispielsweise beschichteter Schalldämp-feroberschale arbeiten.

3.2 Spülvorlage/LadungsschichtungDas Grundproblem des Zweitaktmotorssind die hohen Frischgemischverluste ausder Schnürlezunge. Daher verwendenviele motorische Konzepte zur Emissions-reduktion Ansätze, um die eintretende

Frischladung räumlich und/oder zeitlichzu schichten, Bild 4 und Bild 5. Bei der zeit-lichen Schichtung der so genannten Spül-vorlage wird im Überströmer ein Luftkis-sen vorgelagert, das zu Beginn der Spü-lungsperiode zuerst in den Brennraumeintritt und vermeidet, dass aus demnachfolgenden Frischgemisch hohe Kraft-stoffverluste austreten. Die älteste Bau-form einer solchen Spülvorlage wurdebereits in den zwanziger Jahren vorge-schlagen und lagert die Frischluft übereinen Umfangskanal im Kolben währenddes Ansaugens in die Überströmer vor.Eine weitere Variante der Spülvorlagesteuerte die Zusatzluft über Rückschlag-ventile am Überströmer, Bild 4. Ein solcherMotor wurde für handgehaltene Arbeits-geräte beispielsweise von Sawada et al.[1998] vorgestellt.

Die räumliche Schichtung, Bild 5, erfor-dert mindestens einen Drei- oder Vierka-nalzylinder. Hierbei wird dann über dengesamten Ladungswechsel der Auslassüber einen Luftvorhang abgeschirmt.

Eine Variante dieser Ladungsschich-tungs-Technologie lagert verbranntes Alt-gas aus dem Schalldämpfer im Überströ-mer vor. Dadurch, dass dies beispielsweiseüber Umfangskanäle im Kolben direkt ausdem Auslasskanal geschehen kann,kommt dieses Konzept ohne weiterezusätzliche Teile aus [Morrison 2000].

3.3 DirekteinspritzungDas direkte Einbringen des Kraftstoffes inden Brennraum ermöglicht es, die Spül-verluste weitgehend zu unterdrücken.Hierbei ist die Kraftstoffeinbringung weit-gehend vom Luftaufwand des Motors ent-koppelt.

Für hohe Literleistungen ist jedoch eineoptimierte Spülung mit hohem O2-Fang-grad unerlässlich, da sich der mögliche Lie-fergrad aus dem Produkt von O2-Fanggradund Luftaufwand ergibt.

Gemeinsam ist allen Einspritzsyste-men, dass sie die Kraftstoffmenge jeZyklus möglichst früh (zum Teil sogar kurznach UT) in den Brennraum einbringen.Im Regelfall wird für die Einspritzung oderEinblasung elektrische oder pneumatischeHilfsenergie benötigt. Elektrische Systemekonnten sich bislang bei handgehaltenenGeräten nicht durchsetzen. Zudem wärehierbei ein mit zusätzlichen Kosten ver-bundenes Motorsteuerungssystem erfor-derlich. Auf Basis einer Motorsäge 044stellte beispielsweise STIHL bereits 1994ein pneumatisches Einspritzsystem vor,das ohne Hilfsenergie funktioniert [vgl.Zahn et al. 2000].

3.4 Compression Wave InjectionDie Compression Wave Injection (CWI) istein sehr junges System und entspricht in

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3 Emissionsreduktion: Stand der Technik

Bild 2: Systematik zur Emissionsreduktion bei Zweitaktmotoren Figure 2: Systematic tree for emission reduction with two-stroke engines

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Bezug auf den Motorprozess im Wesent-lichen einer Gemischeinblasung in denBrennraum. Allerdings wird die hierfürbenötigte Energie als Druckwelle dem vor-hergehenden Arbeitstakt aus dem Brenn-raum entnommen [J.D. 1999]. Bild 6 zeigtein Prinzipbild, auf dem der Einspritzportund die Resonanzleitung zu erkennensind. Beim Ansaugen wird fettes Kraft-stoff-Luftgemisch im Resonanzschlauchnahe des Zylinders vorgelagert. GegenEnde des Arbeitstaktes tritt eine Druck-welle in das Resonanzrohr ein, die am Kol-benhemd reflektiert wird. Mit der rücklau-fenden Welle wird der für das Arbeitsspielbenötigte Brennstoff in den Brennraumeingeblasen. Über den Kurbelgehäusepfadwird sehr mageres Gemisch angesaugt,um eine Mindest-Kraftstoff-Öl-Menge zurSchmierung zu gewährleisten.

4 Konzeptbewertung

Die wichtigsten Kriterien für eine Kon-zeptbewertung sind Zusatzgewicht,Zusatzbauraum für die jeweilige Lösungund ein einwandfreies Laufverhalten überdas Drehzahlband. Das Erreichen derEmissionsgrenzwerte ist (je nach Hub-raumklasse) bei allen Technologien grund-sätzlich möglich. Unter Umständen – be-sonders bei den niedrigen Grenzwerten inder kleinen Hubraumklasse – kann dasjedoch zusätzlich eine katalytische Nach-behandlung der Abgase (beispielsweise inKombination mit einem Spülvorlagenmo-tor) erfordern. Allerdings ist es nach heuti-gem Stand der Technik nicht möglich, jedeEmissionsreduktionstechnologie in jedemProdukt einzusetzen, so dass die Bewer-tung und ein mögliches Erreichen derGrenzwerte im Einzelfall produktspezi-fisch ist.

4.1 ZusatzgewichtHierbei schneidet CWI im direkten Ver-gleich gut ab, da nur wenige neue Teiledazu kommen. Ebenso erfordert dieAbgasspülvorlage außer einem speziellenKolben keine weiteren Teile und istdadurch vergleichsweise leicht. Die pneu-matische Direkteinspritzung ist mit etwa100 g Mehrgewicht ebenfalls sehr leicht.Bei der Spülvorlage/Ladungsschichtungsind im Regelfall Zylindermodifikationenerforderlich, ein Doppelvergaser mit Luft-kanal und zusätzliche Leitungen für dieBypassluft. Zudem kann der niedrigereGrenzwert von 50 g/kWh für HC + NOxnach heutigem Stand der Technik nurdurch einen zusätzlichen Katalysatorerreicht werden. Dadurch steigt das Mehr-gewicht auf etwa 150–250 g. Auch eineAbgasspülvorlage erfordert im Regelfall

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3.1 Katalysatorkonzepte

Bild 3: Schnittdurch einenKatalysator-schalldämpferFigure 3: Cut-away viewof a catalyticmuffler

Bild 4: Spülvorlagenmotor mit Vorlagerung der Spülvorlagenluft über Rückschlagventile am ÜberströmerFigure 4: Airhead stratified scavenging engine with a reed valve controlled air supply to the transfer channels

3.2 Spülvorlage/Ladungsschichtung

Bild 5: links: zeitliche Schichtung (Spülvorlage),rechts: räumliche Schichtung (Ladungsschichtung)Figure 5: left: temporal stratification (airhead scavenging), right: spatial stratification (stratified charging)

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eine zusätzliche katalytische Nachbe-handlung zur Grenzwerterreichung. Ins-gesamt hängt das Zusatzgewicht bei Kat-Lösungen von möglicherweise erforderli-chen Wärmeschutzmaßnahmen ab.

4.2 BauraumIm Bauraum unterscheiden sich die hierdiskutierten Systeme zum Teil nur gering-fügig. Es ist hierbei vor allem eine pro-duktspezifische Frage, ob beispielsweisedas Einspritzmodul einer pneumatischenEinspritzung oder das CWI-Resonanzrohrim Einzelfall besser im zur Verfügung ste-henden Bauraum unterzubringen sind.Kritisch ist es, wenn zusätzlich Katalysato-ren nötig sind, da dann die Wärmebela-stung im Abgastrakt zunimmt und größe-re Bauräume erfordert. Reine Katalysator-konzepte sind zunächst ähnlich kompaktwie beispielsweise CWI – allerdings fällt inder Regel zusätzlicher Bauraum für Hitze-schutzmaßnahmen an.

4.3 LaufverhaltenHier sind alle Systeme mit Ausnahme derCWI-Technologie in etwa ähnlich zubewerten. Systemimmanente Aus-Kriteri-en gegenüber konventionellen Zweitakt-motoren gibt es hier im Regelfall nicht.Allerdings wird natürlich die Abstimmungeines Doppeleinlasssystems wie beispiels-weise einer Spülvorlage aufwändiger alsbei einer Katalysatorlösung. Die CWI-Tech-nologie basiert auf einem Resonanzsystem

für die Kraftstoffeinbringung. Bei einemsehr breiten Drehzahlband wird somit dieAbstimmung deutlich schwieriger.

4.4 Zusammenfassende BewertungDie Zweitaktsysteme mit dem höchstenGesamtpotenzial sind Spülvorlage/Ladungsschichtung, ggf. in Kombinationmit einem Katalysator. Für das CWI-System ist die Anwendbarkeit für Hoch-drehzahlmotoren auch vor dem Hinter-grund des begrenzten Schmierstoffange-bots im Kurbelgehäuse im Detail zu prü-fen. Für Nachrüstlösungen bieten sich vorallem Katalysatorsysteme an, die jedochden Nachteil haben, dass im Gegensatz zuallen anderen Emissionstechnologien derKraftstoffverbrauch nicht abnimmt. Gene-rell ist die Entscheidung für ein optimalesMotorkonzept produktspezifisch zu tref-fen. So ermöglicht beispielsweise die Küh-lungssituation eines Blasgeräts optimaleKatalysatorlösungen.

Diese Tendenz ist im Bereich der kleine-ren Zweitaktmotoren bereits am US-ame-rikanischen Markt abzulesen. Neben einerwachsenden Modellzahl von Mini-Vier-taktmotoren stellen dort Spülvorlagen-und Ladungsschichtungsmotoren zusam-men mit Katalysatorlösungen die Mehr-zahl der Antriebskonzepte.

Die Basis für alle diese Technologien iststets ein optimal ausgelegter Zweitaktzy-linder. Bild 7 und Bild 8 zeigen exemplari-

sche Messungen für verschiedene Zwei-takttechnologien. In der Auswertung derDaten von der Leistungsbremse steht derO2-Fanggrad für die Güte der Zylinder-grundauslegung und der HC-Fanggrad fürdie absoluten HC-Emissionen. Die Diffe-renz der beiden Fanggrade repräsentiertdie Emissionsverminderung durch diejeweils eingesetzte Technologie. Es istdeutlich zu ersehen, dass bei gegebenerVerbesserung (30 bis 50 % je nach Techno-logie) die Grenzwerte nur bei möglichsthohem O2-Fanggrad eingehalten werdenkönnen.

5 Auslegung moderner Zweitaktmotoren

Eine optimale Auslegung des Gesamtmo-tors erfordert, dass die Kurbelgehäuse-pumpe, die internen Strömungswider-stände im Motor und die Fanggrad- bzw.Liefergradcharakteristik des Zylinders imDetail aufeinander abgestimmt sind.

5.1 Fanggrad, SpülströmungIn einer abgasoptimierten Auslegungeines Zweitaktmotors ist die Bestimmungdes Fanggrades von wesentlicher Bedeu-tung. Der Fanggrad beschreibt die nachdem Spülvorgang im Zylinder verbliebeneFrischgasmenge prozentual zur zugeführ-ten Menge. Die Bestimmung erfolgt übli-cherweise aus der Abgasanalyse. Die bei-den Fanggradkurven HC/O2 bei einemherkömmlichen Zweitaktmotor sind überder Gemischfettigkeit λ bei gegebenerDrehzahl quasi identisch, Bild 7. Bei Moto-ren mit Direkteinspritzung, CWI oder einerSpülvorlage (SpV) mit reduzierten Spül-verlusten werden die Fanggrade entkop-pelt, was sich in einem Anstieg des HC-Fanggrades zeigt.

Schlitzgesteuerte Zweitaktmotorenhaben symmetrische Steuerzeiten. Da-durch schließen die Überströmer früherals der Auslasskanal, und nach Abschlussder Spülung entweicht Frischgas aus demZylinder in den Auslasskanal. Mit steigen-der Drehzahl nimmt das Zeitfenster fürdiese Verluste ab, und zusätzlich sinktauch der Luftaufwand. Dadurch steigendie Fanggrade an, so dass sich die Spülver-luste aus der Schnürle-Umkehrspülungdeutlich reduzieren, Bild 8.

Die Fanggrade hängen direkt von derräumlichen Spülströmung im Zylinder ab.Schon lange wird versucht, die Spülunginnerhalb des Zylinders mit Hilfe von ver-einfachten Versuchsaufbauten zu erfas-sen, da der Aufbau eines Vollmotors stetssehr aufwändig ist. Es existieren Messver-fahren, die eine stationäre Spülströmung(Jante/Jaros-Verfahren) nutzen. Dies

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3.4 Compression Wave Injection

Bild 6: Prinzipdarstellung Compression Wave Injection, links: Eintreten der Druckwelle in den Resonanzschlauch, rechts: Einblasung der Gemischwolke durch die rücklaufende Welle [J. D. 1999]Figure 6: Principal sketch of the Compression Wave Injection, left: pressure wave entering the injection port, right: reflected pressure wave injecting the rich mixture [J. D. 1999]

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ermöglicht eine Beurteilung der Strö-mungsausbreitung im Zylinder, lässtjedoch keinen direkten Schluss auf denFanggrad zu. Andere Verfahren arbeitenmit einem Modellmotor, der einen Ein-zelzyklus abbildet (zum Beispiel Single-Cycle Testrig [Blair 1996]). Die Steuerungdes Spülvorganges erfolgt hierbei durchden Kolben. Alle Verfahren vereinfachendie realen Zusammenhänge, dadurchgelingt die Übertragbarkeit auf den Motornicht vollständig. Aus heutiger Sicht jedochermöglichen diese Verfahren eine schnelleund preiswerte Vorauswahl, da sie sichdurch eine hohe Flexibilität bei der Variati-on der einzelnen Parameter auszeichnen.

5.2 StrömungswiderständeWesentliches Auslegungskriterium füreine widerstandsarme Konstruktion ist dieisentrope Strömungsfläche der strömungs-führenden Kanäle. So ist es möglich, kom-pakte Kanäle bei äquivalenten Durchflus-swiderständen zu entwickeln. In einfachenVersuchsreihen kann der stationäre Strö-mungswiderstand optimiert werden, ohnedass ein kompletter Motor auf die Lei-stungsbremse genommen werden muss.Bild 9 zeigt, wie sich eine angepasste geo-

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5.1 Fanggrad/Spülströmung

Bild 7: Einfluss von λ auf den Fanggrad HC und O2 fürunterschiedliche MotorenkonzepteFigure 7: Effect of λ on HC-trapping and O2-trapping for different engine concepts

Bild 8: exemplarischer Verlauf der Fanggrade über der Drehzahl für unterschiedliche MotorenkonzepteFigure 8: Exemplary plot of trapping efficiencies versus speed for different engine concepts

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5.2 Strömungswiderstände

Bild 9: Einfluss der Kanalform auf die Strömungswiderständeim stationären Versuch und den Durchsatz im motorischen VersuchFigure 9: Effect of flow path design on flow coefficient from the flow bench and on the delivery ratio on the fired engine

5.3 Simulationsrechnung als Entwicklungstool

Bild 11: Verlustpfadauswertung bei w.o.t., 9000/minFigure 11: Scavenge loss mechanisms at w.o.t., 9000 rpm

Bild 10: Rechengitter für eine 3D-CFD-Rechnung und Bilanzflächen zurAuswertung der Spülverlustpfade und zugehörige VerlustmechanismenFigure 10: Computational grid and balance sections for analyzing thehydrocarbon losses and the corresponding loss mechanisms

metrische Querschnittsfläche eines domi-nanten Kanalabschnitts im motorischenVersuch verhält.

5.3 Simulationsrechnung alsEntwicklungstoolDa die experimentelle Abstimmung deroben genannten Haupteinflussgrößensehr aufwändig ist, wird das gesamteTriebwerk aufbauend auf einer empiri-schen Grundauslegung in der eindimen-sionalen Ladungswechselrechnung abge-bildet. Nach einem ersten Abgleich desSimulationsmodells mit Ergebnissen ausder Durchflussanalyse und aus dem moto-rischen Versuch werden mit Hilfe der 1DSimulationsrechnung die Steuerzeiten,Volumina und Kanalquerschnitte opti-miert. Die Fanggradeigenschaften desZylinders werden dann entweder korrela-tiv über den motorischen Versuch oderüber eine Anpassung an Modellergebnisse[Blair 1996] abgebildet.

Die Zylindergeometrieoptimierung imHinblick auf die Fanggrade und somit dieSpülverluste ist von zentraler Bedeutung.Daher werden verstärkt dreidimensionaleSimulationsverfahren eingesetzt. Nebenbereits angesprochenen Modellversuchenzur Spülungsauslegung ist die 3D-Strö-mungssimulation das einzige Verfahren,das qualitativen – und begrenzt auchquantitativen – Einblick in die Zylinderin-nenströmung gewährt. Zum Einsatz kom-men hierbei vorzugsweise Finite-Elemen-te-Verfahren. Die Randbedingungen fürdiese Rechnung werden aus Referenzexpe-rimenten am Motor oder aus der eindi-mensionalen Ladungswechselrechnunggewonnen [Mugele et al. 2001].

Bild 10 zeigt eine Prinzipdarstellung fürdas Rechengitter eines Zweitaktzylindersder 60 cm3-Klasse. Traditionell werdenaus diesen Strömungsberechnungen an-schließend Schnittdarstellungen für Strö-mungsvektoren und Konzentrationenabgeleitet, um Rückschlüsse auf die Strö-mungsform zu ziehen. Um die Auswer-tung effizienter zu gestalten und die Ver-lustmechanismen in Abhängigkeit vonder Zylindergeometrie analysieren zu kön-nen, wurden spezielle Auswerteverfahrenentwickelt. Bild 10 zeigt einen Auswer-teansatz [Rosskamp et al. 2001], bei demmittels Bilanzflächen direkt eine Auswer-tung der Spülverluste nach den dreiMechanismen Schnürle-Verlusten, Sekun-därströmungsverlusten und Kurzschluss-verlusten sowie undefinierten Mischungs-verlusten vorgenommen wird. Die Ergeb-nisse dieser Auswertung zeigt Bild 11.Deutlich zu sehen ist, dass zwar die Verlu-ste aus der Schnürle-Zunge dominantsind, aber Sekundärströmungs- und Kurz-

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schlussverluste nicht zu vernachlässigensind.

6 Zusammenfassung/Ausblick

Für handgehaltene Arbeitsgeräte wie bei-spielsweise Kettensägen, Blasgeräte,Trennschleifer oder Freischneider wird derZweitaktmotor auch bei Verschärfung derAbgasgrenzwerte neben kleinen Viertakt-motoren ein bevorzugtes Antriebsaggre-gat bleiben. Allerdings sind bei Zweitakt-motoren entweder eine katalytischeNachbehandlung der Abgase oder neueTechnologien für den Ladungswechselund die Kraftstoffeinbringung erforder-lich.

Auch neuartige Zweitaktmotoren, diebeispielsweise über eine spezielle Formder Ladungsschichtung die Rohemissio-nen drastisch reduzieren, werden auf-grund der spezifischen Leistung mit einerSchnürle-Umkehrspülung arbeiten. Dabeiist eine optimale Grundauslegung derSpülung unerlässlich, um bei der Reduzie-rung der Emissionen von einem möglichstguten Ausgangsniveau zu beginnen. InVerbindung mit immer kürzer werdendenEntwicklungszyklen für Produkte undMotoren ist somit der konsequente Einsatz

neuer Entwicklungstools nötig, um diegeforderte Qualität der Auslegung zuerreichen.

Aus Effizienzgründen werden neueZweitakt-Technologien primär in derSimulationsrechnung und im Modellver-such entwickelt. Die Synthese der Einzel-ergebnisse in Form eines lauffähigenMotors ist sehr aufwändig und bedarfdaher einer zielgerichteten Arbeitsweise.Die Aerodynamik des Grundtriebwerks,die Abstimmung von Längen, Drosselver-lusten und Volumina im Strömungspfaderfordern eine Analyse in der eindimen-

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Q u e r s c h a u ATZ 2/2002

Mit dem neuen Vectra macht Opel einen großen Schritt in die Zukunft. Der Aufbruch äußertsich sowohl im Design als auch bei der innovativen Technik des neuen Mittelklasse-Modells.Highlights sind etwa das neue IDS-Fahrwerk (Interactive Driving System), die wesentlich stei-fere und geräumigere Karosserie sowie eine völlig neue Elektronik-Architektur.

T i t e l t h e m a

Der neue Opel Vectra

W e i t e r e T h e m e n

EntwicklungMit Wasserstoff in die Zukunft – der BMW 750hL

Simulation von Klimaanlage und Fahrgastzelle

Überwachung des Kältemittel- und Leistungs-verlustes von Klimaanlagen

Active Path Tracking – eine effiziente Methode zur Bestimmung der Strukturübertragung bei Fahrzeugkarosserien

Sequenzielles M-Getriebe der zweiten Generationmit Drivelogic – Teil 2ATZ

sionalen Strömungssimulation. Zur Ausle-gung der Zylinderinnenströmung sinddreidimensionale Strömungssimulatio-nen eine wertvolle Ergänzung zu Experi-mentalverfahren und helfen, die Zusam-menhänge zwischen Geometrie, Zylinder-innenströmung und den Ursachen für dieSpülverluste zu verstehen.

Literaturhinweise

[1] Blair, G. P. (1996): Design and Simulati-on of Two-Stroke Engines, SAE, ISBN 1-56091-685-0

[2] EPA (1999): Control of Emission fromnon-road spark-ignition engines (EPAPhase II regulation), Proposal 8/99

[3] J. D. (1999): John Deere Internet Infor-mation

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Two-Stroke Gasoline Engine, SAE FallFuels&Lubricants Conference 2001

[6] Rosskamp, H., Klimmek, A., Pretzsch,P., Mugele, M. (2001): Scavenge LossMechanisms and Their Driving Forcesin Loop-Scavenged High-PerformanceTwo-Stroke Engines, SAE-Paper 2001-01-1826/4247

[7] Sawada, T., Wada, M. (1998): Develop-ment of a Low Emission Two-StrokeEngine, SAE-Paper 980761

[8] Zahn, W., Rosskamp, H., Schlossarczyk,J. (2000): Low Emission Technologiesfor High-Performance Handheld Outdo-or Products, SAE-Paper 2000-01-0896