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während jüngere Hunde oft eine genetische Epilepsie, Missbildungen des Gehirns oder Stoffwechseler- krankungen haben, die zu Anfällen führen. Das bedeutet, Epilepsie ist noch nicht die Diagnose! Epilepsieformen Etwa ein bis zwei Prozent der gesam- ten Hundepopulation leiden unter Epi- lepsie, wobei manche Rassen stärker betroffen sind als andere. Man unter- scheidet zwischen der primären oder idiopathischen und der sekundären oder symptomatischen Epilepsie. > © Schweizer Hunde Magazin 3/10 69 © Schweizer Hunde Magazin 3/10 68 Medizin Von med. vet. Karina Raith Verschiedene Anfallsarten – Ge- nerell gibt es verschiedene Arten von Anfällen, je nachdem welcher Ort im Gehirn vom «Gewitter», das heisst der unkontrollierten Entladung von Nervenzellen, betroffen ist. Bei generalisierten Anfällen verliert das Tier vollständig die Kontrolle über den eigenen Körper und ist nicht mehr ansprechbar (bewusst- los). Es liegt meist auf der Seite und zeigt starke Ruderbewegungen oder Streckkrämpfe. Häufig setzen Hunde bei einem generalisierten Anfall Urin und/oder Kot ab und zeigen ver- mehrtes Speicheln. nach fünf Minuten nicht von selbst aufhört, spricht man von einem Status epileptikus. Hierbei handelt es sich um eine lebensbedrohliche Situation, die nicht unterschätzt werden darf. Es muss in jeden Fall ein Tierarzt aufgesucht werden, da durch die andauernde Aktivität im Gehirn Folgeschäden entstehen können. Ausserdem können durch die Beeinträchtigung der Steuerung des zentralen Nervensystems wichtige Körperfunktionen ausfallen, so zum Beispiel die Steuerung von Atmung, Blutdruck und Temperatur, und das Tier kann sterben. Beim Menschen beträgt die Todesrate während eines Status epileptikus rund zehn Prozent. Epilepsie, was nun? Während eines epileptischen Anfalls kommt es zu un- kontrollierter, gleichzeitiger Entladung vieler Nerven- zellen im Gehirn. Viele verschiedene Ursachen können dazu führen, dass die Reizschwelle von Nervenzellen herabgesetzt ist und sich Nervenzellen derartig explosiv entladen. Steht einmal fest, dass der eigene Hund epileptische An- fälle hat, beginnt die Detektivarbeit. Das heisst, es muss herausgefunden werden, weshalb es zum sogenannten Gewitter im Gehirn kommt und wie man helfen kann. Beim Tierarzt sollte eine eingehende Allgemeinuntersu- chung stattfinden, um mögliche andere Ursachen wie zum Beispiel eine Herzerkrankung als Ursache des Anfalls auszuschliessen. Eine Blutuntersuchung ist ebenfalls un- umgänglich, da zum Beispiel ein Unterzucker, Leber- und Nierenerkrankungen oder hormonelle Störungen eben- falls zu epileptischen Anfällen führen können. In jedem Fall muss eine neurologische Untersuchung mit Test al- ler Reflexe durchgeführt werden. Diese Untersuchung ist essentiell, um das weitere Vorgehen zu planen. Generell kann jeder Hund jeden Alters epileptische Anfälle bekommen, jedoch sind manche Ursachen bei älteren Hunden wahrscheinlicher als bei jüngeren Hun- den. So leiden ältere Hunde häufiger an Gehirntumoren, Bei fokalen Anfällen hingegen sind die Tiere noch bei Bewusstsein oder aber sie sind etwas eingeschränkt in der Wahrnehmung und Reaktion auf ihre Umwelt. Meist ist nur eine, manchmal auch mehrere Muskelgruppen betroffen, sodass das Tier während des Anfalls noch stehen und gehen kann. Fokale Anfälle führen zum Bei- spiel zum unkontrollierten Zucken oder Versteifen ei- ner Gliedmasse. Auch das Augenlid, die Lefze oder die Ohren können zucken. Bei primär fokalen, sekundär generalisierten Anfällen zeigen die Tiere zunächst einen fokalen Anfall, der sich dann zu einem generalisierten Anfall entwickelt. Nach einem epileptischen Anfall sind die Tiere oft ver- stört, manchmal desorientiert, extrem anhänglich, hung- rig, durstig, teilweise blind oder wie betrunken. Diese Erholungsphase nach dem eigentlichen Anfall (Iktus) wird postiktale Phase genannt und kann mehrere Stun- den andauern. Falls ein generalisierter epileptischer Anfall Epilepsie beim Hund, was tun? «Alles war wie immer. Max lag abends im Körbchen und plötzlich sprang er auf. Er lief in die Mitte des Raumes, fiel zur Seite und ruderte mit den Beinen. Zusätzlich speichelte er extrem, fletschte die Zähne, setzte Urin ab und jaulte schrecklich. Danach blieb er kurz liegen, erkannte niemanden der Familie mehr und lief für etwas fünfzehn Minuten rastlos umher …» So oder so ähnlich kann sich die Beschreibung anhören, wenn ein Tier einen epileptischen An- fall hatte. Oft ist es schwierig, die Vorgeschichte richtig zu deuten, da epileptische Anfälle sehr unterschiedlich aussehen können. Meistens hängt es von der genauen Beobachtung der Besitzer ab, ob ein epileptischer Anfall erkannt wird oder nicht. Besonders sogenannte foka- le Anfälle sind oft nicht einfach als solche zu identifizieren. Was tun während eines Anfalls? • Vorsicht: Tiere können um sich beissen! Lieber Hände weg von einem Tier im Anfall. • Hund sichern: Möbel aus dem Weg räumen, Treppen sichern und so weiter. • Falls vorhanden Notfallme- dikament (vom Tierarzt) in Anus, Nase oder Maul sprit- zen. • Hund beruhigen, falls er wieder bei Bewusstsein und keine Gefahr mehr für den Besitzer ist. tun während ein nfalls? • Vorsicht: Tiere können um sich beissen! Lieber Hände weg von einem Tier im Anfall. n: Möbel aus räumen, Treppen nd so weiter. orhanden Not t (vom Tierar beruhigen, fal ei Bewusstse fahr mehr für ist. Wie können Besitzer bei der Diagnosefindung helfen? • Video-Aufnahmen der Anfäl- le machen • Aufzeichnungen (Uhrzeit, Dauer etc.) zu den Anfällen • alle Unterlagen von bisher durchgeführten Untersu- chungen (Blut- und Röntgen- bilder) • Ahnentafel Ihres Tieres • sonstige Besonderheiten (z. B. aus dem Ausland, Unfall als Welpe, Geschwis- ter haben auch Anfälle) können Besitzer er Diagnosefindung helfen? • Video-Aufnahmen der Anfäl- le machen ngen (Uhrzeit, c.) zu den Anfällen erlagen von bish eführten Unte n (Blut- und tafel Ihres Tie ge Besonderh us dem Ausla als Welpe, Ge en auch Anfä Bilder einer neurologischen Untersuchung. Foto: animals-digital.de Fotos: zVg

Epilepsie beim Hund, Untersuchung. was tun? · während jüngere Hunde oft eine genetische Epilepsie, Missbildungen des Gehirns oder Stoffwechseler-krankungen haben, die zu Anfällen

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Page 1: Epilepsie beim Hund, Untersuchung. was tun? · während jüngere Hunde oft eine genetische Epilepsie, Missbildungen des Gehirns oder Stoffwechseler-krankungen haben, die zu Anfällen

während jüngere Hunde oft eine genetische Epilepsie, Missbildungen des Gehirns oder Stoffwechseler-krankungen haben, die zu Anfällen führen. Das bedeutet, Epilepsie ist noch nicht die Diagnose!

Epilepsieformen

Etwa ein bis zwei Prozent der gesam-ten Hundepopulation leiden unter Epi-lepsie, wobei manche Rassen stärker betroffen sind als andere. Man unter-scheidet zwischen der primären oder idiopathischen und der sekundären oder symptomatischen Epilepsie. >

© Schweizer Hunde Magazin 3/10 69© Schweizer Hunde Magazin 3/1068

Medizin

Von med. vet. Karina Raith

Verschiedene Anfallsarten – Ge-nerell gibt es verschiedene Arten von Anfällen, je nachdem welcher Ort im Gehirn vom «Gewitter», das heisst der unkontrollierten Entladung von Nervenzellen, betroffen ist.Bei generalisierten Anfällen verliert das Tier vollständig die Kontrolle über den eigenen Körper und ist nicht mehr ansprechbar (bewusst-los). Es liegt meist auf der Seite und zeigt starke Ruderbewegungen oder Streckkrämpfe. Häufi g setzen Hunde bei einem generalisierten Anfall Urin und/oder Kot ab und zeigen ver-mehrtes Speicheln.

nach fünf Minuten nicht von selbst aufhört, spricht man von einem Status epileptikus. Hierbei handelt es sich um eine lebensbedrohliche Situation, die nicht unterschätzt werden darf. Es muss in jeden Fall ein Tierarzt aufgesucht werden, da durch die andauernde Aktivität im Gehirn Folgeschäden entstehen können. Ausserdem können durch die Beeinträchtigung der Steuerung des zentralen Nervensystems wichtige Körperfunktionen ausfallen, so zum Beispiel die Steuerung von Atmung, Blutdruck und Temperatur, und das Tier kann sterben. Beim Menschen beträgt die Todesrate während eines Status epileptikus rund zehn Prozent.

Epilepsie, was nun?

Während eines epileptischen Anfalls kommt es zu un-kontrollierter, gleichzeitiger Entladung vieler Nerven-zellen im Gehirn. Viele verschiedene Ursachen können dazu führen, dass die Reizschwelle von Nervenzellen herabgesetzt ist und sich Nervenzellen derartig explosiv entladen.Steht einmal fest, dass der eigene Hund epileptische An-fälle hat, beginnt die Detektivarbeit. Das heisst, es muss herausgefunden werden, weshalb es zum sogenannten Gewitter im Gehirn kommt und wie man helfen kann. Beim Tierarzt sollte eine eingehende Allgemeinuntersu-chung stattfi nden, um mögliche andere Ursachen wie zum Beispiel eine Herzerkrankung als Ursache des Anfalls auszuschliessen. Eine Blutuntersuchung ist ebenfalls un-umgänglich, da zum Beispiel ein Unterzucker, Leber- und Nierenerkrankungen oder hormonelle Störungen eben-falls zu epileptischen Anfällen führen können. In jedem Fall muss eine neurologische Untersuchung mit Test al-ler Refl exe durchgeführt werden. Diese Untersuchung ist essentiell, um das weitere Vorgehen zu planen.Generell kann jeder Hund jeden Alters epileptische Anfälle bekommen, jedoch sind manche Ursachen bei älteren Hunden wahrscheinlicher als bei jüngeren Hun-den. So leiden ältere Hunde häufi ger an Gehirntumoren,

Bei fokalen Anfällen hingegen sind die Tiere noch bei Bewusstsein oder aber sie sind etwas eingeschränkt in der Wahrnehmung und Reaktion auf ihre Umwelt. Meist ist nur eine, manchmal auch mehrere Muskelgruppen betroffen, sodass das Tier während des Anfalls noch stehen und gehen kann. Fokale Anfälle führen zum Bei-spiel zum unkontrollierten Zucken oder Versteifen ei-ner Gliedmasse. Auch das Augenlid, die Lefze oder die Ohren können zucken.Bei primär fokalen, sekundär generalisierten Anfällen zeigen die Tiere zunächst einen fokalen Anfall, der sich dann zu einem generalisierten Anfall entwickelt.Nach einem epileptischen Anfall sind die Tiere oft ver-stört, manchmal desorientiert, extrem anhänglich, hung-rig, durstig, teilweise blind oder wie betrunken. Diese Erholungsphase nach dem eigentlichen Anfall (Iktus) wird postiktale Phase genannt und kann mehrere Stun-den andauern. Falls ein generalisierter epileptischer Anfall

Epilepsie beim Hund, was tun?

«Alles war wie immer. Max lag abends im Körbchen und plötzlich sprang er auf. Er lief in die Mitte des Raumes, fi el zur Seite und ruderte mit den Beinen. Zusätzlich speichelte er extrem, fl etschte die Zähne, setzte Urin ab und jaulte schrecklich. Danach blieb er kurz liegen, erkannte niemanden der Familie mehr und lief für etwas fünfzehn Minuten rastlos umher …» So oder so ähnlich kann sich die Beschreibung anhören, wenn ein Tier einen epileptischen An-fall hatte. Oft ist es schwierig, die Vorgeschichte richtig zu deuten, da epileptische Anfälle sehr unterschiedlich aussehen können. Meistens hängt es von der genauen Beobachtung der Besitzer ab, ob ein epileptischer Anfall erkannt wird oder nicht. Besonders sogenannte foka-le Anfälle sind oft nicht einfach als solche zu identifi zieren.

Was tun während eines Anfalls?• Vorsicht: Tiere können um sich beissen! Lieber Hände weg von einem Tier im Anfall.• Hund sichern: Möbel aus dem Weg räumen, Treppen sichern und so weiter.• Falls vorhanden Notfallme-dikament (vom Tierarzt) in Anus, Nase oder Maul sprit-zen.• Hund beruhigen, falls er wieder bei Bewusstsein und keine Gefahr mehr für den Besitzer ist.

Was tun während eines Anfalls?• Vorsicht: Tiere können um sich beissen! Lieber Hände weg von einem Tier im Anfall.• Hund sichern: Möbel aus dem Weg räumen, Treppen sichern und so weiter.• Falls vorhanden Notfallme-dikament (vom Tierarzt) in

• Hund beruhigen, falls er wieder bei Bewusstsein und keine Gefahr mehr für den Besitzer ist.

Wie können Besitzer bei der Diagnosefi ndung helfen?• Video-Aufnahmen der Anfäl- le machen• Aufzeichnungen (Uhrzeit, Dauer etc.) zu den Anfällen• alle Unterlagen von bisher durchgeführten Untersu- chungen (Blut- und Röntgen- bilder)• Ahnentafel Ihres Tieres• sonstige Besonderheiten (z. B. aus dem Ausland, Unfall als Welpe, Geschwis- ter haben auch Anfälle)

Wie können Besitzer bei der Diagnosefi ndung helfen?• Video-Aufnahmen der Anfäl- le machen• Aufzeichnungen (Uhrzeit, Dauer etc.) zu den Anfällen• alle Unterlagen von bisher durchgeführten Untersu- chungen (Blut- und Röntgen-

• Ahnentafel Ihres Tieres• sonstige Besonderheiten (z. B. aus dem Ausland, Unfall als Welpe, Geschwis- ter haben auch Anfälle)

Bilder einer neurologischen Untersuchung.

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Fotos: zVg

Page 2: Epilepsie beim Hund, Untersuchung. was tun? · während jüngere Hunde oft eine genetische Epilepsie, Missbildungen des Gehirns oder Stoffwechseler-krankungen haben, die zu Anfällen

© Schweizer Hunde Magazin 3/1070

Bei der symptomatischen Epilepsie liegt ein pathologi-scher Prozess im Gehirn oder anderen Organen vor, der zu den Anfällen führt. Zum Einen besteht die Möglich-keit, dass Stoffwechselerkrankungen wie Unterzucker, Leber- oder Nierenerkrankungen zu Anfällen führen können. Bei diesen Fällen sind normalerweise Auffällig-keiten in der neurologischen Untersuchung und/oder Blutanalyse zu sehen. Die andere Möglichkeit ist, dass das Gehirn selbst infolge einer Entzündung, einer Un-terversorgung mit Blut und Sauerstoff (Infarkt, Hypo-xie [Sauerstoffmangel im Gewebe]) oder eines Gehirn-tumors erkrankt ist. Auch ein Schädel-Hirn-Trauma kann durch Blutungen oder Erschütterungen direkt zu Anfäl-len führen oder durch Narbenbildung im Gehirn Monate nach dem Trauma epileptische Anfälle hervorrufen. Der Vorbericht und insbesondere die neurologische Unter-suchung geben Hinweise auf eine derartige Erkrankung. In diesem Fall muss eine weiterführende Diagnostik gemacht werden, um eine Diagnose zu bestätigen. Hier-zu zählen zum Beispiel die Kernspintomographie oder Computertomographie. Mit beiden Verfahren werden Schnittbilder des Gehirns angefertigt, um zum Beispiel Gehirntumore sichtbar zu machen. Eine andere Untersu-chung ist die Abnahme (Punktion) und Analyse des Ge-hirnwassers, mit der Entzündungen des Gehirns und der Gehirnhäute festgestellt werden.

Bei der idiopathischen Epilepsie handelt es sich um eine Funktionsstörung des Gehirns und es liegen keine sicht-baren Veränderungen im Gehirn oder an anderen Orga-nen vor. Das heisst, alle uns möglichen Untersuchungen inklusive Kernspintomographie, Computertomographie, Untersuchung der Gehirnfl üssigkeit haben ein negatives Ergebnis. Die Tiere sind zwischen den Anfällen klinisch absolut unauffällig. Bei dieser Form der Epilepsie stellen sich beim Hund die ersten Anfälle in der Regel im Alter von ein bis fünf Jahren ein. Die Allgemeinuntersuchung, die Blutanalyse und die neurologische Untersuchung sind bei dieser Erkrankung unauffällig. Bei einigen Ras-sen wurde die genetische Disposition nachgewiesen. Die idiopathische Epilepsie tritt in bestimmten Familien gehäuft auf, was darauf hinweist, dass eine genetische Ursache oder eine genetische Mitbeteiligung ursächlich ist (siehe Kasten Seite 71).

Medizin

Die Häufi gkeit der Anfälle ist sehr variabel und nimmt erfahrungsgemäss bei unbehandelten Tieren zumeist mit der Erkrankungsdauer zu.

Die Therapie

Die Therapie der symptomatischen Epilepsie besteht immer darin, die Grundursache zu behandeln. Zum Bei-spiel werden Entzündungen im Gehirn mit Medikamen-ten behandelt. Bei manchen Gehirntumoren gibt es die Möglichkeit einer Operation oder einer Bestrahlungs-therapie. Man muss bedenken, dass die Tierneurologen meist nur eine Verdachtsdiagnose über die genaue Art der Erkrankung des Gehirns geben können. Es wäre sehr wichtig zu wissen, um welche Art von Tumor oder Entzündung es sich handelt, um dem Tier die richtige Therapie zu geben. Hier steckt die Tiermedizin jedoch noch etwas in den Kinderschuhen und Gehirnbiopsien werden derzeit noch nicht routinemässig entnommen. Es ist bekannt, dass eine Operation oder Ähnliches, besonders im Bereich des Gehirns, immer mit grossen

Risiken verbunden ist. Jedoch sollte man bedenken, dass diese Therapie einem Tier möglicherweise noch ein lan-ges, beschwerdefreies Leben ermöglichen kann.

Bei der idiopathischen Epilepsie existiert keine behan-delbare Ursache. Es kann lediglich mit Medikamenten versucht werden, die Anfälle zu unterdrücken. Dies er-scheint sinnvoll, da die Anfälle erfahrungsgemäss bei un-behandelten Tieren zumeist mit der Erkrankungsdauer zunehmen. Wenn mehr als zwei Anfälle in sechs Mona-ten aufgetreten sind, raten wir zu einer Therapie.In der Schweiz ist kein antiepileptisches Medikament für Tiere zugelassen, sodass wir uns humanmedizinischer Medikamente bedienen müssen. Wichtig bei der Epilep-sie-Therapie ist, dass die Tabletten regelmässig gegeben werden müssen, da sich sonst kein wirksamer Spiegel im Blut aufbauen kann. Erst nach ein paar Wochen Ta-blettengabe hat sich dieser im Blut stabilisiert und die Medikamente wirken.Falls ein Tier innerhalb einer Stunde nach Tablettengabe erbricht, sollte vorsichtshalber die gleiche Dosis noch einmal gegeben werden.Generell sprechen circa 70 Prozent der Hunde auf die Therapie an. Es besteht immer die Möglichkeit, falls ein Medikament alleine nicht wirkt, zwei Medikamente mit-einander zu kombinieren und deren Wirkmechanismen in Kombination auszunutzen.Keine Therapie ohne Nebenwirkungen! Die Nebenwir-kungen sind individuell verschieden. In den ersten Ta-gen sind die Tiere meist wie betrunken, zeigen einen tor-kelnden Gang, haben vermehrt Hunger und Durst oder sind sehr müde und schlapp. Dies sollte sich aber nach etwa zehn Tagen wieder normalisieren. Eventuell bleibt der grössere Hunger und Durst bestehen und manche Tiere nehmen vermehrt an Gewicht zu. Es werden auch Nebenwirkungen bei der Blutanalyse sichtbar, sodass, neben der regelmässigen Blutspiegel-Kontrolle der Me-dikamente (jährlich), auch die anderen Blutwerte (Le-ber- und Nierenwerte, Elektrolyte, Blutbild) kontrolliert werden sollten.

Lebensqualität

Eine Therapie ist immer nur dann sinnvoll, wenn sie dem Tier eine gute Lebensqualität ermöglicht. Dies ist das höchste Ziel. Man muss jedoch bedenken, dass die Schmerzgrenze der einzelnen Besitzer sehr unter-schiedlich ist.So können die einen Besitzer einen Anfall im Monat to-lerieren, während andere dies nicht mit ansehen kön-nen und bei einem derartigen «Therapieversagen» eine

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Hunderassen, bei de-nen gehäuft Epilepsie beschrieben wurde:• Beagle • Belgischer Schäferhund• Berger Picard • Berner Sennenhund• Bernhardiner • Boxer• Cavalier Kings Charles Spaniel • Cocker Spaniel• Collie• Dackel • Deutscher Schäferhund• Flat Coated Retriever• Fox Terrier • Labrador Retriever• Lagotto Romagnolo • Irish Setter• Pointer• Pudel• Sibirischer Husky• Welsh Corgi• Wolfsspitz• Zwergschnauzer

Euthanasie bevorzugen. Es gilt jedoch die Flinte nicht zu schnell ins Korn zu werfen, da man bei der Epilepsie-Therapie relativ viel Geduld mitbringen muss.

Neue Behandlungsmethoden

In letzter Zeit werden vermehrt neuere Antiepileptika aus der Humanmedizin bei therapieresistenten Tieren verwen-det. Therapieresistente Hunde sind Tiere, die bereits die «normalen» Medikamente in einer ausreichenden Dosie-rung erhalten, was mittels Wirkspiegel im Blut nachgewie-sen wurde, und trotzdem weiterhin epileptische Anfälle zeigen. Die Erfahrungswerte mit diesen neuen Antiepilep-tika sind relativ gering und es existieren bislang noch kei-ne Langzeitstudien. Über andere Therapiemöglichkeiten wie Homöopathie, Akupunktur, spezielle Diäten existieren keine aussagekräftigen Studien. Zum Teil erfahren wir von Besitzern, das die eine oder andere alternative Methode geholfen habe, jedoch kommen uns häufi ger Geschichten zu Ohren, dass der Hund nach etlichen Versuchen mit alternativer Medizin im Status epi-leptikus, das heisst in einem lebensbe-drohlichen Zustand, in eine Tierklinik eingeliefert wurde.

Gentests

Wie bereits vorher erwähnt, sind die meisten genetisch erforschten Epilepsi-en polygenetisch bedingt. Das heisst, es ist nicht ein einzelnes Gen für die nied-rige Krampfschwelle des Gehirns ver-antwortlich, sondern eine Kombination mehrerer Gene oder anderer Faktoren. Aus diesem Grund gibt es bisher nur bei sehr wenigen der uns bekannten rasse-typischen Epilepsien einen Gentest. Im Rahmen der Zucht erscheint es extrem sinnvoll, derartige Tests machen zu las-sen, damit die Epilepsie möglicherwei-se vollständig aus der jeweiligen Rasse eliminiert werden kann.

Die Schweizerische Vereinigung für Kleintiermedizin SVK/ASMPA ist eine Fachsektion der Ge sell schaft Schwei-zerischer Tierärzte GST/SVS. Ihr ge hö ren ca. 600 prak tizierende Kleintierärztinnen und -ärzte, Universi-täts dozentinnen und -do zenten sowie andere speziell in Kleintiermedizin und -chirurgie interessierte Tierärztinnen und Tierärzte an. Auf diesen Seiten präsentieren wir Ihnen jeweils einen von einer ausgewiesenen Spezialistin oder einem Spezialisten verfass ten Artikel über ein Thema zur Gesundheit bzw. zu Krankheiten von Hunden. Im Internet fi nden Sie uns unter www.kleintiermedizin.ch

Punktion der Gehirnfl üssigkeit in Narkose. Normalerweise ist die Flüssigkeit klar. Bei diesem Hund war sie hochgradig verändert. Unter dem Mikroskop waren Entzündungszellen zu sehen. Der Hund hatte eine Hirnhautentzündung (Meningitis).

Eine Kernspintomo-graphie eines Hundes mit Gehirntumor (rote Pfeile). Bild links vor Kontrastmittelgabe, Bild rechts nach Kontrastmittelgabe.