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Europäisches und deutsches Kartellrecht (mit einem Überblick über das Regulierungs-, Beihilfen- und Vergaberecht) Dr. Erik Staebe Wintersemester 2015/16 Teil 4

Europäisches und deutsches Kartellrecht - Lehrstuhl für … · 2015-11-26 · Fallgruppen nach Art. 102 Satz 2 AEUV ... 3.eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende

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Europäisches und deutsches Kartellrecht(mit einem Überblick über das Regulierungs-, Beihilfen- und Vergaberecht)

Dr. Erik Staebe

Wintersemester 2015/16

Teil 4

Dr. Erik Staebe: Vorlesung „Europäisches und deutsches Kartellrecht“ (WS 2015/16)

IV. Missbrauchsverbot (Art. 102 AEUV, §§ 19 ff. GWB)

I. Einführung

II. Grundlagen des Kartellrechts

III. Kartellverbot (Art. 101 AEUV, §§ 1 ff. GWB)

IV. Missbrauchsverbot (Art. 102 AEUV, §§ 19 ff. GWB)

V. Sektorspezifische Missbrauchsaufsicht durch Regulierungsrecht

VI. Fusionskontrolle (FKVO, §§ 35 ff. GWB)

VII.Beihilfenrecht (Art. 107 ff. AEUV)

VIII.Vergaberecht

IX. Perspektiven der Wettbewerbspolitik

Gliederung

Dr. Erik Staebe: Vorlesung „Europäisches und deutsches Kartellrecht“ (WS 2015/16)

IV. Missbrauchsverbot (Art. 102 AEUV, §§ 19 ff. GWB)

� Normative Grundlage: Art. 102 AEUV Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

Dieser Missbrauch kann insbesondere in Folgendem bestehen:

a) der unmittelbaren oder mittelbaren Erzwingung von unangemessenen Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen;

b) der Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher;

c) der Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden;

d) der an den Abschluss von Verträgen geknüpften Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen.

Missbrauchsverbot des europäischen Kartellrechts

Dr. Erik Staebe: Vorlesung „Europäisches und deutsches Kartellrecht“ (WS 2015/16)

IV. Missbrauchsverbot (Art. 102 AEUV, §§ 19 ff. GWB)

Prüfungsschema 1

Art. 102 AEUV

Unternehmen / Unternehmensvereinigung

Relevanter Markt

Marktbeherrschende StellungKeine ausdrückliche Regelung:

Einzelmarktbeherrschung (nach Marktstruktur, Unternehmensstruktur, Marktverhalten und Marktergebnissen) oder kollektive Marktbeherrschung

Missbräuchliche AusnutzungGeneralklausel (Art. 102 Satz 1 AEUV)

Regelbeispiele (Art. 102 Satz 2 lit. a bis lit. d AEUV)

Zwischenstaatlichkeit

Rechtsfolgen: VO 1/2003

Kausalität

Dr. Erik Staebe: Vorlesung „Europäisches und deutsches Kartellrecht“ (WS 2015/16)

IV. Missbrauchsverbot (Art. 102 AEUV, §§ 19 ff. GWB)

� Wiederholung: Bedeutung der Marktabgrenzung• … für die Anwendung des Kartellverbots:

Zwischenstaatlichkeitsklausel und Spürbarkeit sowie Freistellungsvoraussetzungen• … für die Anwendung der Missbrauchsaufsicht:

Ermittlung einer marktbeherrschenden Stellung• … für die Fusionskontrolle:• Prüfung der Auswirkungen eines Zusammenschlussvorhabens im Hinblick auf eine

Wettbewerbsbeeinträchtigung

� Methode der Marktabgrenzung• Marktabgrenzung erfolgt in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht …• … grds. nach dem Bedarfsmarktkonzept: Zum relevanten Markt gehören alle Erzeugnisse,

die aus Sicht der Marktgegenseite aufgrund ihrer Eigenschaften, ihres Preises und ihres Verwendungszwecks als austauschbar angesehen werden (Nachfragesubstituierbarkeit).

• Kritik

Abgrenzung des relevanten Marktes

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IV. Missbrauchsverbot (Art. 102 AEUV, §§ 19 ff. GWB)

� Definition: Wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens, die gekennzeichnet ist durch• Fähigkeit zu einem unabhängigen Marktverhalten• Fähigkeit zur Verhinderung wirksamen Wettbewerbs

� Kriterien einer Einzelmarktbeherrschung• Marktstruktur (Wettbewerbssituation auf dem Markt): Marktanteile, Anzahl der

Wettbewerber, Marktanteilsabstände, Marktanteilsveränderungen, Marktzutrittsschranken, Rolle der Marktgegenseite, etc.

• Unternehmensstruktur (Interne Organisation): Wirtschafts- und Finanzkraft, Produktportfolio, technologischer Vorsprung, Verflechtung mit anderen Unternehmen, insb. vertikale Integration, etc.

• Marktverhalten und Marktergebnisse: Gewinnentwicklung, Preisführerschaft, etc.

� Kriterien einer gemeinsamen (kollektiven/oligopolistischen) Marktbeherrschung • Marktbeherrschung des Oligopols im Außenverhältnis (wie Einzelmatktbeherrscher)• Kein wesentlicher Wettbewerb im Innenverhältnis (z.B. aufgrund hoher Markttransparenz)

Marktbeherrschende Stellung

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IV. Missbrauchsverbot (Art. 102 AEUV, §§ 19 ff. GWB)

� Definition: Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens, das zu ungerechtfertigten Vorteilen bzw. zu Nachteilen für andere (Wettbewerber oder Marktgegenseite) führen kann

� Erscheinungsformen• Ausbeutungsmissbrauch: Schädigung der Marktgegenseite (Stoßrichtung: vertikal) durch

Erzwingung unangemessener Preise oder Geschäftsbedingungen• Behinderungsmissbrauch: Schädigung von aktuellen oder potentiellen Wettbewerbern

(Stoßrichtung: horizontal) durch Diskriminierung, Absatzeinschränkung, Koppelungsbindungen, Preisgestaltung, Geschäftsverweigerung, etc.

• Marktstrukturmissbrauch: Schädigung des Restwettbewerbs (Stoßrichtung: Marktstruktur) zur Verstärkung der bestehenden Marktbeherrschung

� Fallgruppen nach Art. 102 Satz 2 AEUV („Dieser Missbrauch kann insbesondere … bestehen“)• lit. a: Erzwingung von unangemessenen Preisen oder Geschäftsbedingungen• lit. b: Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung• lit. c: Unterschiedliche Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen• lit. d: Koppelungsbindungen

Marktmachtmissbrauch

Dr. Erik Staebe: Vorlesung „Europäisches und deutsches Kartellrecht“ (WS 2015/16)

IV. Missbrauchsverbot (Art. 102 AEUV, §§ 19 ff. GWB)

Normative Grundlagen: §§ 18 bis 21 GWB� § 18 Marktbeherrschung(1) Ein Unternehmen ist marktbeherrschend, soweit es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von

Waren oder gewerblichen Leistungen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt 1. ohne Wettbewerber ist,2. keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder3.eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat.

(2) Der räumlich relevante Markt im Sinne dieses Gesetzes kann weiter sein als der Geltungsbereich dieses Gesetzes.

(3) Bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern ist insbesondere Folgendes zu berücksichtigen: 1. sein Marktanteil,2. seine Finanzkraft,3. sein Zugang zu den Beschaffungs- oder Absatzmärkten,4. Verflechtungen mit anderen Unternehmen,5. rechtliche oder tatsächliche Schranken für den Marktzutritt anderer Unternehmen,6. der tatsächliche oder potenzielle Wettbewerb durch Unternehmen, die innerhalb oder außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ansässig sind,

Missbrauchsverbote des deutschen Kartellrechts

Dr. Erik Staebe: Vorlesung „Europäisches und deutsches Kartellrecht“ (WS 2015/16)

IV. Missbrauchsverbot (Art. 102 AEUV, §§ 19 ff. GWB)

� § 18 Marktbeherrschung (Forts.)

7. die Fähigkeit, sein Angebot oder seine Nachfrage auf andere Waren oder gewerbliche Leistungen umzustellen, sowie8. die Möglichkeit der Marktgegenseite, auf andere Unternehmen auszuweichen.

(4) Es wird vermutet, dass ein Unternehmen marktbeherrschend ist, wenn es einen Marktanteil von mindestens 40 Prozent hat.

(5) Zwei oder mehr Unternehmen sind marktbeherrschend, soweit 1. zwischen ihnen für eine bestimmte Art von Waren oder gewerblichen Leistungen ein wesentlicher Wettbewerb nicht besteht und2. sie in ihrer Gesamtheit die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen.

(6) Eine Gesamtheit von Unternehmen gilt als marktbeherrschend, wenn sie 1. aus drei oder weniger Unternehmen besteht, die zusammen einen Marktanteil von 50 Prozent erreichen, oder2. aus fünf oder weniger Unternehmen besteht, die zusammen einen Marktanteil von zwei Dritteln erreichen.

(7) Die Vermutung des Absatzes 6 kann widerlegt werden, wenn die Unternehmen nachweisen, dass 1. die Wettbewerbsbedingungen zwischen ihnen wesentlichen Wettbewerb erwarten lassen oder2. die Gesamtheit der Unternehmen im Verhältnis zu den übrigen Wettbewerbern keine überragende Marktstellung hat.

Gesetzliche Grundlagen (Forts.)

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IV. Missbrauchsverbot (Art. 102 AEUV, §§ 19 ff. GWB)

� § 19 Verbotenes Verhalten von marktbeherrschenden Unternehmen(1) Die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen

ist verboten.(2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder

Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen 1. ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen;2. Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen;3. ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das marktbeherrschende Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkten von gleichartigen Abnehmern fordert, es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist;4. sich weigert, einem anderen Unternehmen gegen angemessenes Entgelt Zugang zu den eigenen Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, wenn es dem anderen Unternehmen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ohne die Mitbenutzung nicht möglich ist, auf dem vor- oder nachgelagerten Markt als Wettbewerber des marktbeherrschenden Unternehmens tätig zu werden; dies gilt nicht, wenn das marktbeherrschende Unternehmen nachweist, dass die Mitbenutzung aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist; …

Gesetzliche Grundlagen (Forts.)

Dr. Erik Staebe: Vorlesung „Europäisches und deutsches Kartellrecht“ (WS 2015/16)

IV. Missbrauchsverbot (Art. 102 AEUV, §§ 19 ff. GWB)

� § 19 Verbotenes Verhalten von marktbeherrschenden Unternehmen (Forts.)…5. seine Marktstellung dazu ausnutzt, andere Unternehmen dazu aufzufordern oder zu veranlassen, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren.

(3) Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 und Nummer 5 gilt auch für Vereinigungen von miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 und 28 Absatz 1, § 30 Absatz 2a und § 31 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4. Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen, die Preise nach § 28 Absatz 2 oder § 30 Absatz 1 Satz 1 oder § 31 Absatz 1 Nummer 3 binden.

� § 20 Verbotenes Verhalten von Unternehmen mit relativer oder überlegener Marktmacht[Vom Abdruck wird abgesehen]

� § 21 Boykottverbot[Vom Abdruck wird abgesehen]

Gesetzliche Grundlagen (Forts.)

Dr. Erik Staebe: Vorlesung „Europäisches und deutsches Kartellrecht“ (WS 2015/16)

IV. Missbrauchsverbot (Art. 102 AEUV, §§ 19 ff. GWB)

Prüfungsschema 2

§ 19 GWB

Unternehmen / Unternehmensvereinigung

Relevanter Markt (vgl. § 18 GWB)

Marktbeherrschende Stellung (vgl. § 18 GWB)Einzelunternehmen im Monopol (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 GWB)

Einzelunternehmen im Quasimonopol (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 GWB)

Einzelunternehmen mit überragender Marktstellung (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 GWB)

Marktbeherrschendes Oligopol (§ 18 Abs. 5 GWB)

Einzelmarktbeherrschungsvermutung (§ 18 Abs. 4 GWB)

Gruppenmarktbeherrschungsvermutung (§ 18 Abs. 6 und 7 GWB)

Missbräuchliche Ausnutzung (vgl. § 19 GWB)Regelbeispiele (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 GWB)

Generalklausel (§ 19 Abs. 1 GWB)

Rechtsfolgen: § 81 und § 33 GWB

Kausalität

Dr. Erik Staebe: Vorlesung „Europäisches und deutsches Kartellrecht“ (WS 2015/16)

IV. Missbrauchsverbot (Art. 102 AEUV, §§ 19 ff. GWB)

� Einzelmarktbeherrschung• Legaldefinition der Einzelmarktbeherrschung: § 18 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GWB: Nr. 1:

Einzelunternehmen im Monopol, Einzelunternehmen im Quasimonopol (Fehlen wesentlichen Wettbewerbs) oder Einzelunternehmen mit überragender Marktstellung

• Vermutung der Einzelmarktbeherrschung (Marktanteil über 40%): § 18 Abs. 4 GWB• Widerlegung der Vermutung durch Nachweis der nicht überragenden Marktstellung und des

wesentlichen Wettbewerbs

� Kollektive Marktbeherrschung• Legaldefinition der kollektiven Marktbeherrschung: § 18 Abs. 5 GWB:

Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 und Fehlen wesentlichen Binnenwettbewerbs• Vermutung der kollektiven Marktbeherrschung (weniger als 3 Unternehmen haben einen

Marktanteil von über 50% oder weniger als 5 Unternehmen haben einen Marktanteil von mehr als zwei Drittel): § 18 Abs. 6 GWB

• Widerlegung der Vermutung durch Nachweis der nicht überragenden Marktstellung und des wesentlichen Binnenwettbewerbs

Marktbeherrschende Stellung

Dr. Erik Staebe: Vorlesung „Europäisches und deutsches Kartellrecht“ (WS 2015/16)

IV. Missbrauchsverbot (Art. 102 AEUV, §§ 19 ff. GWB)

� Definition: Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens, das zu ungerechtfertigten Vorteilen bzw. zu Nachteilen für andere (Wettbewerber oder Marktgegenseite) führen kann

� Regelbeispiele des § 19 Abs. 2 GWB• Behinderungsmissbrauch (Nr. 1):

Abwägung der Interessen aller Beteiligten „unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes“ erforderlich!(Beispiele: Koppelungspraktiken, Ausschließlichkeitsbindungen, Kampfpreisstrategien, Kosten-Preis-Scheren, Quersubventionierungen, etc.)

• Ausbeutungsmissbrauch (Nr. 2) erfasst auch Diskriminierungsmissbrauch!(Beispiele: Ungerechtfertigte Lieferverweigerungen, Rabattierungen, etc.)

• Preis- und Konditionenspaltung (Nr. 3)• Verweigerung des Zugangs zu wesentlichen Einrichtungen (Nr. 4)• Aufforderung zur / Veranlassung einer Vorteilsgewährung (Nr. 5)

� Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB

Marktmachtmissbrauch

Dr. Erik Staebe: Vorlesung „Europäisches und deutsches Kartellrecht“ (WS 2015/16)

IV. Missbrauchsverbot (Art. 102 AEUV, §§ 19 ff. GWB)

� Erweiterung des Kreises der Normadressaten des Missbrauchsverbots • § 20 Abs. 1 GWB: § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB gilt auch für marktstarke Unternehmen oder

Vereinigungen mit „relativer vertikaler Marktmacht“ gegenüber KMU (Abhängigkeit kann sortimentsbedingt, unternehmensbedingt, knappheitsbedingt oder nachfragebedingt sein)

• § 20 Abs. 2 GWB: § 19 Abs. 2 Nr. 5 GWB gilt auch für marktstarke Nachfrager(Beispiele: Einkaufsvereinigungen, marktstarke Abnehmer)

• § 20 Abs. 3 GWB: Besondere Verbotstatbestände für Unternehmen mit überlegener Markt-macht („relativer horizontaler Marktmacht“ aufgrund von Betriebsgröße, Finanzkraft, Ressourcen, Marktanteilen, etc.) gegenüber KMU

� Erweiterung der Verbotstatbestände des Missbrauchsverbots• § 20 Abs. 3 GWB (Satz 1: Verbot unbilliger Behinderung; Satz 2 Nr. 1 und 2: Angebot unter

Einstandspreis; Satz 2 Nr. 3: Kosten-Preis-Schere; Beweiserleichterung nach § 20 Abs. 4)• § 20 Abs. 5 GWB (Verbot der Ausnahmeverweigerung)• § 21 GWB (Abs. 1: Boykottverbot; Abs. 2: Verbot einseitiger Einflussnahme; Abs. 3: Verbot

der Zwangsanwendung; Abs. 4: Verbot der Nachteilszufügung)• § 29 GWB (Sonderregelung für Preismissbräuche in der Energiewirtschaft)

Erweiterung des Missbrauchsverbots im deutschen Recht

Dr. Erik Staebe: Vorlesung „Europäisches und deutsches Kartellrecht“ (WS 2015/16)

IV. Missbrauchsverbot (Art. 102 AEUV, §§ 19 ff. GWB)

Sachverhalt:

B betreibt in Sachsen eine Rennstrecke für Sportwagen, die von Rennsportanhängern wegen ihrer Einmaligkeit besonders geschätzt wird. Die Strecke wird für Rennen und Testfahrten, aber auch für sog. „Touristenfahrten“ genutzt. Hierbei kann die Strecke von Rennsportanhängern nach vorheriger Instruktion mit Mietwagen befahren werden. Vermietung und Instruktion werden von B, aber – im Rahmen vertraglicher Vereinbarungen - auch von anderen Anbietern vor Ort angeboten. Zu diesen gehört u.a. das Unternehmen A.

B hat für die Drittanbieter „Allgemeine Nutzungsbedingungen“ aufgestellt, die die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien im Einzelnen regeln. So ist den Drittanbietern zwar u.a. gestattet, ihre Kunden auf einer Runde über die Rennstrecke im Fahrzeug zu begleiten. Nicht gestattet sind demgegenüber sog. „Instruktoren-Fahrten“, bei denen die Kunden über mehrere Runden begleitet werden. A beachtet dieses Verbot nicht und veranstaltet gleichwohl „Instruktoren-Fahrten“. B kündigt daraufhin den Vertrag mit A und untersagt ihm die Nutzung der Rennstrecke mit sofortiger Wirkung (Hausverbot).

Übungsfall: Die Rennstrecke

Dr. Erik Staebe: Vorlesung „Europäisches und deutsches Kartellrecht“ (WS 2015/16)

III. Kartellverbot (Art. 101 AEUV, §§ 1 ff. GWB)

A hält dieses Verhalten für kartellrechtswidrig und meint, B sei zum Ersatz des ihm entstandenen Schadens i.H.v. 20.000 Euro nebst Zinsen und zur Aufhebung der Vertragskündigung sowie des Hausverbots bzw. zur Wiederzulassung zur Rennstrecke verpflichtet.

Fragestellung:

A bittet um die Erstattung eines kartellrechtlichen Rechtsgutachtens zur Frage des Schadenersatzes und zur Aufhebung der Vertragskündigung sowie des Hausverbots bzw. zur Wiederzulassung zur Rennstrecke. Vertragliche Ansprüche sind hierbei nicht zu prüfen.

Quelle: • OLG Koblenz, Urteil vom 13.12.2012 – U 73/12 Kart, NZKart 2013, 164• Alexander, Fälle zum Kartellrecht (2014)

Übungsfall: Die Rennstrecke (Forts.)

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III. Kartellverbot (Art. 101 AEUV, §§ 1 ff. GWB)

Lösung:

A) Anspruch des A gegen B auf Schadenersatz nach § 33 Abs. 3 Satz 1 i.v.m. Abs. 1 GWB

I. Verstoß gegen kartellrechtliche Vorschriften?

1. § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 GWB durch Vertragskündigung und Hausverbot?

a) Unternehmen? A und B (+)

b) Marktbeherrschende Stellung des B?

− Relevanter Markt (sachlich und räumlich): Rennstrecke in Sachen („Einmaligkeit“)

− Marktbeherrschende Stellung des B? (+), jedenfalls wg. § 18 Abs. 1 Nr. 1

c) Marktmachtmissbrauch durch ungerechtfertigte Verweigerung des Zugangs zu einem Netz oder einer Infrastruktureinrichtung (essential facility)?

− Zugangsobjekt: Rennstrecke = Infrastruktureinrichtung

− Zugangsgrund: Unmöglichkeit des Zugangs zum nachgelagerten Markt

Übungsfall: Die Rennstrecke (Forts.)

Dr. Erik Staebe: Vorlesung „Europäisches und deutsches Kartellrecht“ (WS 2015/16)

III. Kartellverbot (Art. 101 AEUV, §§ 1 ff. GWB)

Lösung:

− Sachliche Rechtfertigung

− Unmöglichkeit der Zugangsgewährung (-)

− Unzumutbarkeit der Zugangsgewährung: Interessenabwägung

Erstes Zwischenergebnis: Verstoß gegen § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 GWB (+)

2. § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB („Behinderungsmissbrauch“)Ähnliche Wertungen wie bei § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 GWB

Zweites Zwischenergebnis: Verstoß gegen § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 GWB (+),damit Verstoß gegen kartellrechtliche Vorschriften i.S.d. § 33 Abs. 3, Abs. 1 GWB (+)

II. Verschulden („Vorsatz oder Fahrlässigkeit“) (+)

III. Beteiligte: A („jeder Betroffene“) und B (+)

IV. Schaden: 20.000 Euro nebst Zinsen Verstoß gegen kartellrechtliche Vorschriften?

Ergebnis zu A: Schadenersatzanspruch des A gegen B nach § 33 Abs. 3 Satz 1 i.v.m. Abs. 1 GWB

Übungsfall: Die Rennstrecke (Forts.)

Dr. Erik Staebe: Vorlesung „Europäisches und deutsches Kartellrecht“ (WS 2015/16)

III. Kartellverbot (Art. 101 AEUV, §§ 1 ff. GWB)

Lösung:

B) Anspruch des A gegen B auf Rücknahme der Kündigung/Aufhebung des Hausverbots nach § 33 Abs. 1 GWB

I. Verstoß gegen kartellrechtliche Vorschriften? (+), wie oben

II. Fortdauernde Störung? (+)

III. Beteiligte: A („jeder Betroffene“) und B (+)

Ergebnis zu B: Beseitigungsanspruch des A gegen B nach § 33 Abs. 1 GWB

Übungsfall: Die Rennstrecke (Forts.)

Dr. Erik Staebe: Vorlesung „Europäisches und deutsches Kartellrecht“ (WS 2015/16)

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Organisatorisches:

I. Der für den 3. Februar 2016 vorgesehene letzte Teil der Veranstaltung wird auf den 27. Januar 2016 vorgezogen.

II. Für Teil 5 nützliche Gesetzestexte:− Telekommunikationsgesetz (TKG),

http://www.gesetze-im-internet.de/tkg_2004/− Postgesetz (PostG),

http://www.gesetze-im-internet.de/postg_1998/− Energiewirtschaftsgesetz (EnWG),

http://www.gesetze-im-internet.de/enwg_2005/− Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG),

http://www.gesetze-im-internet.de/enwg_2005/

Dr. Erik Staebe: Vorlesung „Europäisches und deutsches Kartellrecht“ (WS 2015/16)

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Vielen Dank für Ihr Interesse an Teil 4 der Vorlesung!

Nächster Termin:9. Dezember 2015, 15.00 bis 19.00 Uhr,

Burgstr. 21, Raum 4.33