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Evangelische Verantwortung Herausgeber: Gerhard Schröder - Werner Dollinger - Wilhelm Hahn Gerhard Stoltenberg - Walter Strauß 8. Mai 1969 l FREIHEIT UND AUTORITÄT IN UNSEREM STAAT Ein Bericht über die 15. Bundestagung Peter Egen Die 15. Bundestagung des Evangelischen Arbeitskreises (EAK) der CDU/CSU fand in der Zeit vom 2o. bis 22. März 1969 in Düsseldorf statt. Mehr als 600 Teil- nehmer waren aus dem gesamten Bundes- gebiet in der nordrhein-westfälischen Landesmetropole zusammengekommen, um sich in zweitägigenBeratungen mit dem Leitthema dieser Tagung "Freiheit und Autorität in unserem Staat" auseinan- derzusetzen. In drei Hauptvorträgen legten Bundesminister Dr. Gerhard Stol- tenberg, Professor Dr. Paul Mikat,MdL, und Professor Dr. Waldemar Besson die geistige Basis für die Gesamtthematik. Diese Gedankengänge wurden anschlies- send in sechs Arbeitskreisen - bezo- gen auf aktuelle Gegenwartsprobleme - vertieft. Im Mittelpunkt dieser Ge- sprächskreise stand bewußt - wie es be- reits im Grußwort des Vorsitzenden des EAK, Bundesminister Dr. Gerhard Schrö- der, hieß - "das offene freimütige Ge- spräch über die grundsätzlichen und aktuellen Probleme unseres Gemein- wohls." Das Treffen der Unionsprotestanten wurde durch ein Gespräch mit evange- lischen Theologen über das Thema "Wir Protestanten und die Bundesrepu- blik Deutschland" eröffnet. In diesem Rundgespräch erklärte Professor D. Dr. Helmut Thielicke, daß die Protestanten in der Bundesrepublik gleichzeitig die staatsfrömmsten und die aufsässigsten Komponenten des Staates seien. Wahrscheinlich, so meinte Thielicke, hänge das u.a. mit Luthers Lehre von den "zwei Reichen" zusammen, aber auch mit dem "Er- satz des Staates durch die Gesellschaft". Studentenpfarrer Martin Stöhr (ESG-Darmstadt) behauptete am Eröffnungsabend, daß die Jugend genug ha- be von Ordnung und Ruhe. Politische Akzente des Gesprächs setzten Staatssekretär Gerd Lemmer, Dr. Konrad Kraske, MdB, und Bundesgeschäfts- führer der CDU sowie der Vorsitzende des EAK Württemberg, RA Arved De- ringer, MdB. Dr. Kraske stellte fest, daß die aktiven evangelischen Po- litiker an ihre Kirche die Frage stellen müßten, ob sie ihnen die Hilfe geleistet habe, die die Bundesrepublik von der evangelischen Kirche hät- te erwarten können. Wenn auch die CDU-Politiker einräumten, daßdie- Nr. 4/5 AUS DEM INHALT Freiheit und Autorität in unserem Staat Spannung s re i ehe r Kirchentag Eberhard Stammler Wohin steuert unsere Wirtschaftspolitik ? Ernst Müller-Hermann Raumordnung und Landes- planung Horst Waffenschmidt Pfarrer und Parteipolitik Hans Roser Leserbriefe Die 15. Bundestagung im Spiegel der Presse 11 16

Evangelische Verantwortung

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Page 1: Evangelische Verantwortung

Evangelische VerantwortungHerausgeber: Gerhard Schröder - Werner Dollinger - Wilhelm Hahn

Gerhard Stoltenberg - Walter Strauß

8. Mai 1969

l

FREIHEIT UND AUTORITÄT IN

UNSEREM STAAT

Ein Bericht über die 15. BundestagungPeter Egen

Die 15. Bundestagung des EvangelischenArbeitskreises (EAK) der CDU/CSU fandin der Zeit vom 2o. bis 22. März 1969in Düsseldorf statt. Mehr als 600 Teil-nehmer waren aus dem gesamten Bundes-gebiet in der nordrhein-westfälischenLandesmetropole zusammengekommen, umsich in zweitägigen Beratungen mit demLeitthema dieser Tagung "Freiheit undAutorität in unserem Staat" auseinan-derzusetzen. In drei Hauptvorträgenlegten Bundesminister Dr. Gerhard Stol-tenberg, Professor Dr. Paul Mikat,MdL,und Professor Dr. Waldemar Besson diegeistige Basis für die Gesamtthematik.Diese Gedankengänge wurden anschlies-send in sechs Arbeitskreisen - bezo-gen auf aktuelle Gegenwartsprobleme -vertieft. Im Mittelpunkt dieser Ge-sprächskreise stand bewußt - wie es be-reits im Grußwort des Vorsitzenden desEAK, Bundesminister Dr. Gerhard Schrö-der, hieß - "das offene freimütige Ge-spräch über die grundsätzlichen und aktuellen Probleme unseres Gemein-wohls."

Das Treffen der Unionsprotestanten wurde durch ein Gespräch mit evange-lischen Theologen über das Thema "Wir Protestanten und die Bundesrepu-blik Deutschland" eröffnet. In diesem Rundgespräch erklärte ProfessorD. Dr. Helmut Thielicke, daß die Protestanten in der Bundesrepublikgleichzeitig die staatsfrömmsten und die aufsässigsten Komponenten desStaates seien. Wahrscheinlich, so meinte Thielicke, hänge das u.a. mitLuthers Lehre von den "zwei Reichen" zusammen, aber auch mit dem "Er-satz des Staates durch die Gesellschaft". Studentenpfarrer Martin Stöhr(ESG-Darmstadt) behauptete am Eröffnungsabend, daß die Jugend genug ha-be von Ordnung und Ruhe. Politische Akzente des Gesprächs setztenStaatssekretär Gerd Lemmer, Dr. Konrad Kraske, MdB, und Bundesgeschäfts-führer der CDU sowie der Vorsitzende des EAK Württemberg, RA Arved De-ringer, MdB. Dr. Kraske stellte fest, daß die aktiven evangelischen Po-litiker an ihre Kirche die Frage stellen müßten, ob sie ihnen die Hilfegeleistet habe, die die Bundesrepublik von der evangelischen Kirche hät-te erwarten können. Wenn auch die CDU-Politiker einräumten, daß die-

Nr. 4/5

AUS DEM INHALT

Freiheit und Autoritätin unserem Staat

Spannung s re i ehe rKirchentagEberhard Stammler

Wohin steuert unsereWirtschaftspolitik ?Ernst Müller-Hermann

Raumordnung und Landes-planungHorst Waffenschmidt

Pfarrer und ParteipolitikHans Roser

Leserbriefe

Die 15. Bundestagungim Spiegel der Presse

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ser Staat nicht perfekt sei, so engagierten sie sich doch mit Vehemenzdafür, daß es bisher in Deutschland noch kein Staatsgebilde gegeben ha-be, daß der Grundforderung eines Rechts- und Sozialstaates so nahegekom-men sei, wie die Bundesrepublik Deutschland. Die Leitung des Theologen-!gespräches hatte Kultusminister Professor D. Dr. Wilhelm Hahn aus Stuttjgart.

Durch Referate und Diskussionen zog sich wie ein roter Faden die Aus-einandersetzung mit der studentischen Protestbewegung, für die es vieleund doch kaum schlüssige Interpretationen gibt. Bei einer Analyse überdie radikalen Studenten plädierte dann in seinem Vortrag "Freiheit und lAutorität in unserem Staat" Bundesforschungsminister Dr. Gerhard Stol-tenberg für das Wagnis eines neuen Anfangs in der Diskussion, bei demGegensätze nicht verwischt aber auch nicht übersteigert werden sollten.Stoltenberg zog Bilanz: "Was wir von manchen deutschen Kathedern an sum-marisch abwertenden Bemerkungen über den Bonner Staat, die Parteien, dasParlament und die gesellschaftlichen Strukturen hören mußten, hat nicht'zur politischen Urteilsfähigkeit der studentischen Jugend beigetragen", ldem Enthusiasmus und lebhaften publizistischen Echo auf den Protest derlinksradikalen Studenten folgt nach den Worten Stoltenbergs seit kurzemeine starke Ernüchterung.

Der frühere nordrhein-westfälische Kultusminister Professor Dr. Paul Mi'kat (Vortragsthema: Zum demokratischen Verständnis von Staat und Gesell-schaft) bezeichnete die Sicherung der freiheitlichen Ordnung als dieentscheidende Aufgabe des Staates. Nachdrücklich unterstrich er, aucheine politische Partei mit absoluter Mehrheit im Parlament sei verpflidtet, bei ihren Entscheidungen politische Minderheiten zu berücksichtiger,

Professor Dr. Waldemar Besson (Vortragsthema: Freiheit ohne Autorität?- Gesellschaft ohne Herrschaft -) nannte die Außerparlamentarische Op-position schlicht "Wiedertäufer der Wohlstandsgesellschaft". Autoritätsei das Wort "das sie am meisten hassen, herrschaftsfreier Raum das, wassie am meisten lieben." Besson stellte klar, daß niemand in unserem Lan-de uns davon abbringen kann, zu wissen, daß es eine Gesellschaft mündi-ger Menschen ohne kontinuierliche Institutionen politischer Autoritätnicht gibt.

Es würde zu weit führen, hier im einzelnen über die Diskussionen in densechs Arbeitskreisen, die sich mit Fragen der Hochschulreform, der Mit-bestimmung, der Familienpolitik, der Stellung der Massenmedien im Staatund der Reform des Grundgesetzes befaßten, zu berichten. Besonderes In-teresse fanden die Arbeitskreise, die sich mit den Fragen der Mitbestii«;mung und der Unruhe an unseren Hochschulen befaßten. Im GesprächskreisVI: "Wer bestimmt im Betrieb" wurde die Diskussion durch unterschiedli-che Äußerungen von Arbeitgeber- bzw. Arbeitnehmerseite geprägt. Dr. Phi-lipp von Bismarck, Landesvorsitzender des EAK Hannover und Bundestags-kandidat der CDU für den 28. September 1969, wies auf die Gefahr in denMitbestimmungsforderungen der Gewerkschaft hin, daß die gesamte Wirt-schaft der totalen Willensaufsicht der Gewerkschaft unterstellt werde -denn so verlören die Arbeitnehmer ihre innere Freiheit. Der Bundestags-abgeordnete Russe hielt seinen Gesprächsteilnehmern, die für Ruhe undAbwarten plädierten, entgegen: "Die Forderung nach Mitbestimmung kannnicht länger aufgeschoben werden." Gerhard Schlosser von der Evangeli-schen Akademie Bad Boll assistierte: "Die Behauptung, die paritätischeMitbestimmung verhindere die Marktanpassung des Unternehmers, ist falschAm Ende der Diskussion waren sich die Teilnehmer einig in der Auffas-sung, daß der Evangelische Arbeitskreis das in Düsseldorf im Hinblickauf Fragen der Mitbestimmung begonnene Gespräch in Zukunft fortsetzenmüsse.

"Über die Freiheit an unseren Hochschulen" äußerten sich der BonnerPolitologe, Professor Dr. Jacobsen, der Kanzler der Ruhr-Universität,Dr. Wolfgang Seel, der Marburger Dozent Dr. Amelung und Ingo Berner

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(RCDS). Dr. Hanna Walz, MdL, Expertin in kulturpolitischen Fragen,führte sicher und gut durch die lebendige Vielzahl der entgegenge-setzten Äußerungen, die zu diesem Thema vorgebracht wurden. In derBerichterstattung aus den Arbeitskreisen heißt es zu diesem Pro-blemkreis: "Hochschule und Gesellschaft, Freiheit und Ordnung: Fra-gen über Fragen also, und keine Lösung. Doch einige Denkansätze,die verfolgenswert sind. Außerdem das Empfinden, daß Dialoge zwi-schen Jungen und Alten trotz einiger Verständigungsschwierigkeitenmöglich sind und zum Schluß die Feststellung, daß, wenn auch zag-haft, etwas getan wird." Dieses Ergebnis zeigt, daß es keine Wun-derlösung gibt. Das Ringen um eine echte Synthese, die als Ausgangder Neugestaltung des gesamten Hochschulwesens dienen könnte, istleider noch nicht greifbar. So bleibt nur die Hoffnung, daß die Ver-nunft sich auf beiden Seiten durchsetzt.

Auf der öffentlichen Schlußkundgebung des Arbeitskreises betonteDr. Gerhard Schröder vor mehr als 15oo Zuhörern mit Nachdruck, daßüber die Sicherheit der Bundesrepublik auch beim Nachlassen der Ost-West-Spannungen nicht zu diskutieren sei. Auch ein wiedervereinigtesDeutschland, so sagte der Minister, werde sein Sicherheitsproblem ha-ben. Zum Schluß seiner Ausführungen rief der Vorsitzende des Evange-lischen Arbeitskreises zum vertrauensvollen und offenen Gespräch mitder Jugend auf. "Denn die heranwachsende Generation wird in die Ver-antwortung gelangen. Die Jugend wird gewiß ihre eigene Betrachtungs-weise haben. Wir dürfen es aber nicht unterlassen, ihr auch den Zu-gang zu den geschichtlichen Lehren und Erfahrungen offenzuhalten,sondern das Miteinander aller müssen wir anstreben."

Neben Schröder sprach auf der Schlußkundgebung Bundeskanzler Dr. KurtGeorg Kiesinger, der die CDU zur Zusammenfassung ihrer Kräfte aufrief,um das große Werk der Finanzreform im zweiten Durchgang durch den Ver-mittlungsausschuß noch zu einem guten Ende zu bringen.

Zur Eröffnung der Tagung, deren geistig-ideologische Ausstrahlungs-kraft für das Selbstverständnis der Union nicht zu unterschätzen ist,hatten in Grußworten CDU-Generalsekretär Dr. Bruno Heck, der rheini-sche CDU-Vorsitzende Konrad Grundmann sowie für die CSU Bundesmini-ster Dr. Werner Dollinger die Bedeutung des Evangelischen Arbeitskrei-ses für die Gesamtpartei unterstrichen. Der Generalsekretär dankte Bun-

u desminister Dr. Schröder dafür, daß er in hervorragender und noblerWeise die CDU/CSU als Kandidat bei der Bundespräsidentenwahl repräsen-tiert habe. Wörtlich sagte Dr. Bruno Heck: "Wir waren bereit, den Be-sten für das erste Amt zur Verfügung zu stellen, heute wissen wir eszu schätzen, daß wir Gerhard Schröder für den 28. September immer nochunter uns haben."

Im Rückblick auf die Tagung kann man Ulrich Frank-Planitz nur zustim-men, wenn er in "Christ und Welt" schreibt

"daß es den Unions-Protestanten mit dem Motto der dies-jährigen Bundestagung "Freiheit und Autorität in unse-rem Staat" gelungen ist, den Evangelischen Arbeitskreiszum geistigen Forum der CDU/CSU" zu gestalten.

Dieses Forum - bereit zum Gespräch und zur offenen Diskussion, istheute innerhalb der Union integrierter Bestandteil protestantisch-politischer Auffassung geworden, dessen Anliegen es insbesondere ist,sich in Zusammenarbeit mit der jüngeren Generation der geistigen Ba-sis des Unions-Gedankens bewußt zu werden.

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SPANNUNGSREICHER KIRCHENTAG

Eberhard Stammler

Immer schon galt der Evangelische Kirchentag als ein empfindli-ches Barometer für die Wetterlage im deutschen Protestantismus.Das gilt in besonderer Weise auch für das Stuttgarter Treffen,das zum 14. Mal vom 16. bis 2o. Juli stattfinden wird. Der Kir-chentag zeichnet sich ja dadurch aus, daß er nicht unter das of-fizielle Dach der Kirche eingebaut ist, sondern sich "unter frei-em Himmel" entfalten kann. Das gewährt ihm eine größere Beweg-lichkeit und gibt ihm die Chance, auf aktuelle Strömungen raschzu reagieren. Auch wenn er wohl nicht mehr vornehmlich als Laien-bewegung zu verstehen ist, hat er doch einen offenen, mutigenBlick für die Probleme der Welt entwickelt und bewahrt.

Das gilt auch für den Stuttgarter Kirchentag, der unter die Lo-sung "Hungern nach Gerechtigkeit" gestellt werden soll. Währendsich das letzte Treffen in Hannover dem immer erregender werden-den Problem des Friedens gestellt hatte, wird nun die nicht min-der aktuelle Frage nach der sozialen Gerechtigkeit im Vordergrundstehen. Dabei richten sich die Blicke nicht nur auf das Spannungs-feld der Dritten Welt, sondern auch auf unsere eigenen politi-schen Strukturen. Das soeben erschienene Vorbereitungsheft gibtzu erkennen, daß unsere Demokratie, ihre Funktionsfähigkeit undauch ihre Gefährdungen, ein wesentliches Thema der dort zu lei-stenden Arbeit sein dürfte - wie überhaupt die kritische Anfragegegenüber dem, was uns selbstverständlich erscheint, eine wesent-liche Rolle spielen wird.

Dabei ist nicht zu verkennen, daß die Proteststimmung, die sichin der jungen Generation breit gemacht hat, auch das Klima unddie Akzente des Kirchentages mitbestimmen wird. Man wirft ihm des-halb zwar gerne vor, er habe sich zu weit nach links orientiert,aber mit diesem Urteil wird man ihm wohl nicht gerecht. Denn ei-nerseits muß er - wenn er seinen aktuellen Charakter behalten will- jene Stimmen aufgreifen und zur Geltung bringen, die auf energi-sche Reformen im gesellschaftlichen und kirchlichen Leben drängen,und auf der anderen Seite sind in ihm so viel Kräfte und Bremsender Tradition eingebaut, daß er gegenüber der Versuchung von poli-tischen Abenteuern ausreichend gesichert sein dürfte. Allerdingsist es nicht unwahrscheinlich, daß dieses Mal die kritische Gene-ration mit gezielten Aktionen auf den Kirchentag einzuwirken sucht,und es kann darum an einigen Stellen zu lebhaften Auseinandersetzun-gen kommen.

Von erheblichen Auseinandersetzungen war allerdings schon die Vor-bereitungszeit überschattet. Sie wurden durch den konservativenFlügel des Protestantismus ausgelöst - durch die pietistischen Grup-pen, die sich in der Bekenntnisbewegung "Kein anderes Evangelium"gesammelt haben. Schon angesichts der letzten Kirchentage hatte die-se Gruppe ihren Protest gegen die moderne Theologie, die auf diesenVeranstaltungen dominiere, geltend gemacht. Dieses Mal nahmen dieVorverhandlungen teilweise einen so harten Charakter an, daß sichder württembergische Synodalpräsident Klumpp veranlaßt sah, deshalbsein kirchliches Amt niederzulegen. Immerhin hat man sich nun zu

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einem Kompromiß durchgekämpft, der den Repräsentanten der so ent-gegengesetzten theologischen Positionen die Gelegenheit gibt, ne-beneinander in der Arbeitsgruppe "Streit um Jesus" ihre Auffas-sung vorzutragen. Daß es dabei zu einer Verständigung kommt, istallerdings kaum anzunehmen, zumal die pietistische Gruppe von vorn-herein ein solches Bemühen ablehnen dürfte. Übrigens allein schondie Tatsache, daß die Bergpredigt mit ihrer Dynamik als biblischerHintergrund für die Sachdiskussionen gewählt wurde, wird diesem

Treffen einigen Zündstoff verleihen.

So wird nun gerade der Stuttgarter Kirchentag die Spannungen wi-derspiegeln, die gegenwärtig den Protestantismus in Bewegung hal-ten, und darum war es wohl auch sinnvoll, dieses Mal für die Ar-beitsgruppen möglichst offene Gestaltungsformen zu wählen. Sieentsprechen dem offenen Prozeß, in den heute alle Kirchen geratensind und der in Stuttgart vielleicht um ein Stück weitergeführtwird.

WOHIN STEUERT UNSERE WIRTSCHAFTSPOLITIK

Ernst Müller-Hermann

DT. Ernst Müller-Hermann, 52, MdB,, ist StellvertretenderVorsitzender des Verkehrsausschusses des Deutschen Bun-destages sowie Vorsitzender der Gesellschaft zum Studiumstrukturpolitischer Fragen. Ernst Müller-Hermann hat sichbesonders um den Aufbau der CDU Bremen, deren Mitbegrün-der er 1946 War, verdient gemacht. Er steht dem Landesver-band Bremen der CDU vor und arbeitet seit Jahren aktiv in-nerhalb des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSV mitund ist Mitglied im Bundesarbeitskreis.

Unsere heutige Wirtschaftspolitik braucht zweifellos ein differen-zierteres, flexibleres und feinnervigeres Instrumentarium als inder Aufbauzeit der Nachkriegsjahre. Die Dynamik und Überlegenheitunseres marktwirtschaftlichen Systems beruht nach wie vor darauf,daß Millionen unabhängig voneinander tätiger Wirtschaftssubjekteden Ablauf des wirtschaftlichen Geschehens bestimmen, und daß dasPrinzip des Wettbewerbs einen ständigen Leistungsansporn darstellt.Andererseits fällt dem Staat mit der Vorsorge für die Infrastruk-tur und mit der wachsenden Verantwortung für die Zukunftssicherungin einer Zeit immer schnellerer und größerer Veränderungen eine im-mer wichtiger werdende Aufgabe zu. Um diese Aufgabe bewältigen zukönnen, bedarf es einer Politik der tendenziellen Marktbeeinflus-sung, nicht aber - und darin liegt in der Zukunft eine echte Ge-fahr - eines Instrumentalismus in der Wirtschaftspolitik.

Von den Instrumentalisten, die alles und jedes - selbstdas Marktergebnis - für "machbar" und dirigierbar halten,geht ein Einfluß aus, der gerade die dynamischen Impulseunserer Wirtschaft ernstlich beeinträchtigt.

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Der Begriff Globalsteuerung weckt bereits allzu leicht die Vor-stellung, die Wirtschaft ließe sich ohne Schäden nach dem Belie-ben oder den Erwägungen einer zentralen politischen Instanz di-rigieren. Das ist mit dem Begriff zwar nicht gemeint, aber dieAbgrenzung zwischen "steuern" und "dirigieren" ist schwer zu zie-hen, und die Versuchung, vom grünen Tisch, von der Verwaltungher, wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen, die an sich denUnternehmen oder dem Markt zukommen, ist nicht zu unterschätzen.Die Überlegenheit des marktwirtschaftlichen Systems beruht aufder unternehmerischen Initiative, auf dem Mut zum Wagnis, aberauch auf der Marktnähe der unternehmerischen Entscheidung, aufder unmittelbaren Einflußnahme des Verbrauchers auf das Marktge-schehen. Auch auf dieser Ebene gibt es die Gefahr von Fehlent-scheidungen, sie ist aber unwahrscheinlicher, als wenn die Markt-abläufe von "hoher Warte" geplant und den Marktteilnehmern aufge-nötigt werden. Das wirtschaftliche Geschehen unterliegt keinenNaturgesetzen.

Deshalb kann es niemand in Erstaunen versetzen, wennsich wissenschaftlich "richtige" Theorien in ihrerAnwendung oft als unpraktikabel erweisen. Sie können psy-chologische, emotionale, irrationale Faktoren nicht ge-nügend berücksichtigen.

Oft genug beobachten wir ja auch, daß die Kräfte des Marktes gegendie Theorie handeln.

Eine Politik der tendenziellen Marktbeeinflussung kann auf einekontinuierliche und langfristige Finanz- und Wirtschaftsplanungnicht verzichten. Sie muß sich mit den Mitteln, die Wissenschaftund Forschung zur Verfügung stellen, einen umfassenden Überblicküber die Zukunftserwartungen verschaffen und diese Prognosen denin Wirtschaft und Gesellschaft Handelnden als Orientierungshil-fen anbieten. Darüber hinaus muß die Politik auch selbst handeln,indem sie mit einem marktkonformen Instrumentarium im Vorfeldder Marktabläufe auf die Wirtschaftsentwicklung Einfluß nimmt:kurz- und mittelfristig in Richtung auf eine gleichmäßige Wirt-schaftsentwicklung, die konjunkturelle Überhitzungen und Rück-schläge vermeidet, mittel- und langfristig in Richtung auf struk-turelle Anpassung sowohl sektoraler als auch regionaler Art.

ZUR AUSEINANDERSETZUNG MIT LINKS UND RECHTS

•. Nicht unbedingt Verbote, sondern bessere Argumente sollten füruns - die wir uns zum demokratischen Rechtsstaat bekennen - inder Auseinandersetzung mit den radikalen Kräften, welche vonrechts und links unsere Demokratie bedrohen - bestimmend sein.

Unterlagen für die Diskussion mit Vertretern links- und rechts-radikaler Kreise erhalten Sie (kostenlos) bei der Bundeszentra-le für politische Bildung, 53 Bonn, Berliner Freiheit 7 -(u.a. H. Bärwald - Die DKP - Ursprung, Weg, Ziel; G. Schmidt -Die Weltanschauung der neuen Linken; Rechtsradikalismus in derBRD im Jahre 1967; Das Programm der NPD - ein Programm der ro-ten Zahlen; G. Schmidt: Ideologie und Propaganda der NPD.)

Bei Ihrer Bestellung können Sie gern auf diesen Hinweis in der"Evangelischen Verantwortung" Bezug nehmen.

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RAUMORDNUNG UND LANDESPLANUNG -

WICHTIGE GESELLSCHAFTSPOLITISCHE AUFGABE

Horst Waffenschmidt

Dr. Horst Waffenschmidt, 35, MdL, ist seit 1967 Stellver-tretender Vorsitzender der CDU Rheinland. Bereits 1964wurde er zum Stellvertretenden Vorsitzenden des Evangeli-schen Arbeitskreises der CDU Eheinland gewählt - dieseFunktion übt er auch heute noch aus. Darüber hinaus ar-beitet er aktiv in der evangelischen Jugend und Gemein-schaftsarbeit mit. - Beruflich ist Horst Waffenschmidtseit 1964 Gemeindedirektor der Gemeinde Wiehl im Oberber-gischen Kreis.

Die Fragen der Raumordnung und Landesplanung sind in den letztenMonaten in den Vordergrund der politischen Diskussion innerhalbder Bundesrepublik gerückt. Die Bundesregierung erstattet Raum-ordnungsberichte, die Länder erarbeiten Landesentwicklungspläneund machen sie zu Entscheidungsgrundlagen für die Entwicklungs-politik in den einzelnen Räumen der Bundesrepublik.

Wie ist es zu erklären, daß diese politischen Aufgaben in so star-kem Maße an Aktualität und Bedeutung gewonnen haben?

Ich bin der Ansicht, daß es hierfür vor allem drei Begründungengibt:

1. Es ist uns in der Bundesrepublik deutlich geworden,daß wir mit dem zur Verfügung stehenden Raum im Hin-blick auf unsere Einwohnerzahl und die Bevölkerungs-dichte in der Zukunft sehr sorgfältig planen und denuns gegebenen Raum nach größeren Zielvorstellungennutzen müssen.

2. Die Aufgaben der Daseinsvorsorge für den Bürger ha-ben im staatlichen und kommunalen Bereich sprunghaftzugenommen. Dies wird insbesondere deutlich im Hin-blick auf die Wohnungsbauförderung und das Siedlungs-wesen, bei dem Bau und der Unterhaltung kultureller undsozialer Einrichtungen und bei der notwendigen Vorsor-ge im Bereich des Gesundheitswesens.

S. Eine funktionsfähige Grundinfrastruktur, z.B. insbe-sondere im Verkehrswesen, ist heute von herausragen-der Notwendigkeit für die weitere Entwicklung der Volks-wirtschaft, für die wirtschaftliche und soziale Attrak-tivität ganzer Landschaften und für die Mobilität unse-rer modernen Gesellschaft.

Für die Erfüllung dieser Aufgaben müssen Bund, Länder und Gemein-den erhebliche Investitionsmittel aufbringen und einen nach mo-dernen technischen Gesichtspunkten ausgerüsteten Verwaltungsappa-rat bereithalten. Dieser notwendige Einsatz öffentlicher Mittelverlangt eine Ausrichtung auf Schwerpunkte und eine Gesamtvorstel-

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lung von den aktuellen Gestaltungsmöglichkeiten in den einzelnenLebensräumen unseres Landes. Raumordnung und Landesplanung sollenund müssen die Voraussetzungen untersuchen und darstellen, um mit-telfristige Vorstellungen von der Nutzung des Raumes zu erreichen.Sie werden damit zugleich zu sehr wesentlichen Orientierungspunk-ten für alle wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichenGruppen außerhalb der öffentlichen Hand. Darum wird in den meistenRaumordnungsgesetzen und Landesplanungsgesetzen bewußt auch diesenKräften und Gruppen Gelegenheit gegeben, die Ziele der Raumordnungund Landesplanung mit zu entwickeln und zu gestalten.

Eine praktische Zielsetzung der Landesplanung ist es, die Lei-stungskraft und Attraktivität der verschiedenen Teilräume unseresLandes zu stärken und soweit als möglich zu garantieren. Z.B. sol-len durch den Ausbau zentraler Orte mit leistungsfähigen kulturel-len und sozialen Einrichtungen die Lebensverhältnisse in den länd-lichen Bereichen der Bundesrepublik verbessert werden. Die Pla-nung für die Ballungsräume muß vor allem gewährleisten, daß unsereGroßstädte auch für die Zukunft ihre Funktion als Oberzentren deskulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Lebens erfüllen können.Dazu gehört in ganz besonderem Maße eine Zusammenarbeit zwischenVerkehrsplanung und Stadtplanung. ^

Raumordnung und Landesplanung können mit ihren Mitteln vielepositive Aspekte in unsere gesellschaftliche Entwicklung hinein-tragen, aber unsere Betrachtungsweise wäre einseitig, wenn mandie Gefahren übersehen wollte, die zugleich entstehen. Wir dür-fen über Raumordnung und Landesplanung nicht noch mehr als wires ohnehin schon sind, zu einer "verplanten Gesellschaft" werden.Diese Gefahr entsteht, wenn die Landesplanung in ihrer Tätig-keit zu intensiv wird und in die Versuchung gerät, Vorgänge deswirtschaftlichen und kulturellen Lebens bis in die letzten Ein-zelheiten vorplanen zu wollen. Es muß immer wieder deutlich ge-macht werden, daß die Raumordnung nur Orientierungspunkte undLeitvorstellungen erarbeiten sollte und daß genügend Spielraumbleiben muß für die Selbstverwaltung in unseren Gemeinden undKreisen und für die freien Antriebskräfte im wirtschaftlichenund kulturellen Bereich. Die Landesplanung kann ausgezeichneteGrundlagen dafür liefern, das notwendige Spezialwissen und dieheute notwendigen Spezialeinrichtungen in der arbeitsteiligenGesellschaft einzusetzen. Sie muß jedoch ständig zugleich dieDoppelfunktion erfüllen, das notwendigerweise Spezialisiertewieder für den gesamten Raum und für die gesamte Gesellschaftanschaubar zu erhalten. Recht verstanden muß sie immer die Ba-sis liefern für Spezialisierung und Partnerschaft zugleich.

Wenn wir diese Aufgaben der Raumordnung und Landesplanung über-schauen, wird uns deutlich, wie weit sie in die Vorgänge vonStaat und Gesellschaft eingreifen. Deshalb verdienen sie dieverstärkte Beachtung aller.

Es darf hier z.B. mit Genugtuung festgestellt werden,daß sich in zunehmendem Maße die Evangelischen Landes-kirchen und auch die einzelnen Diözesen der KatholischenKirche mit den Fragen der Raumordnung beschäftigen, bishinein in die Neuorganisation ihrer eigenen Kirchenge-meinden. Auch die CDU wird sich in den kommenden Jahrenin verstärktem Maße mit allen Fragen der Raumordnung undLandesplanung zu beschäftigen haben.

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PFARRER UND PARTEIPOLITIK

Hans Roser

Hans Roser, 38,ist evangelischer Landjugendpfarrerfür Bayern. Seit 1949 ist Hans Roser Mitglied derCSU. Er Dar bereits mehrere Jahre im geschäftsfüh-renden Landesvorstand des Evangelischen Arbeitskrei-ses der CSV tätig - bevor er zu Beginn dieses Jahreszum ersten Vorsitzenden des Arbeitskreises gewähltwurde. Auf Grund dieser Wahl ergab sich eine Kontro-verse - doch lassen wir hierzu Pfarrer Hans Roserselbst berichten:

Dürfen sich Pfarrer so politisch engagieren, daß sie in einerPartei ein Wählamt übernehmen? Um diese Fragen kam es jüngstwieder einmal zu einer lebhaften Diskussion, in deren Verlaufdie einschlägigen Kirchengesetze ebenso zur Debatte standen wieein kritisch zu hinterfragendes Verständnis von der Funktiondes Pfarrers und der Parteien.

Anlaß war meine Wahl zum neuen Vorsitzenden des evangelischenArbeitskreises der CSU. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Albrecht Haas- ehemals Justizminister in München - fragte daraufhin den baye-rischen Landesbischof D. Hermann Dietzfelbinger DD., ob ich nichtdurch die Übernahme dieses Amtes die Bestimmungen über die poli-tische Betätigung der evangelischen Pfarrer Bayerns verletzt ha-be. Er bezog sich dabei auf das Kirchengesetz vom 23. September195o, in dem es heißt:

daß die Geistlichen "um der rechten Ausübung ihres Dien-stes willen... in der Öffentlichkeit nicht als aktive An-hänger einer bestimmten politischen Partei oder eines be-stimmten politischen Programms hervortreten sollen."

In seiner Antwort wies der Landesbischof auf diesen Passus hin,machte aber darauf aufmerksam:

"Rechtliche Maßnahmen, die das kirchliche Amt eines Pfar-rers betreffen, erlaubt und gebietet das Kirchengesetzfreilich erst dann, wenn der Pfarrer sich als Kandidatfür das Organ einer politischen Körperschaft aufstellenläßt, das heißt für einen Gemeinderat, einen Kreistag,Landtag usw." Roser sei allerdings "entsprechend derSoll-Bestimmung des Kirchengesetzes mit starkem Nachdruckauf die nicht einfache Situation aufmerksam gemacht wor-den, in der er sich nunmehr befindet."

In der öffentlichen Diskussion, die sich entspann, konnte ich her-vorheben, daß ich bereits im vergangenen Jahr Landesbischof Dietz-felbinger von meiner Nominierung zum Landesvorsitzenden des Evan-gelischen Arbeitskreises der CSU unterrichtete und dessen Zustim-mung zur Übernahme des Amtes für den Fall der Wahl einholte. Mei-ne endgültige Bereitschaft zur Kandidatur hatte ich vom Verlaufund Ergebnis dieses Gespräches abhängig gemacht - dies, wie ichbetonte, im Bewußtsein der spannungsreichen Situation, in der ichdurch den Vorsitz geraten könne. Zur Annahme der Wahl entschloßich mich jedoch vor allem auch deshalb, weil der Evangelische Ar-beitskreis eine wichtige Nahtstelle zwischen Kirche und Politikdarstellt.

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Und das ist in der Tat der Punkt, an dem die Diskussion des Grund-sätzlichen zu beginnen hat - eine Diskussion, die durch Hinweiseauf Paragraphen nicht vorschnell erstickt werden darf. Wer partei-politische Abstinenz der Pfarrer fordert, unterstellt, Kirche seian sich unpolitisch. Sie war es nie, wie ein Blick auf ihre Ge-schichte lehrt. Eng verflochten mit den Verhältnissen der jewei-ligen Zeit, handelt sie stets als Teil in der Welt, als Partei inder Welt. Kirche als politische Größe meint natürlich nicht, daßsie sich als Institution mit parteipolitischen Programmen zu iden-tifizieren hat, wohl aber, daß sie mitleidend und mitdenkend, kri-tisch und anregend den Gesellschaftsprozess verfolgen muß. DieseErkenntnis kann sich auf Karl Barth und auf eine Reihe bedeutenderTheologen der Gegenwart stützen. Für den einzelnen Christen be-steht die Notwendigkeit des direkten Engagements in der Welt. Derverantwortungsbewußte Pfarrer wird ihn dazu ermutigen, ja durchseine Person ein Beispiel setzen und so den Makel abzubauen hel-fen, der politischem Einsatz weithin anhaftet. Nur so läßt sichauch der verbreiteten Meinung entgegenwirken, Kirchenchristen ver-stünden nichts von politischem Geschehen und wollen davon nichtsverstehen. Wer den Pfarrer ausschließlich auf sein "geistiges Amt"verweist, geht von diesem Vorurteil aus und bestärkt es neu. Her-auskommt ein Pastor, der am Sonntag als Zeremonienmeister dientund sich ansonsten aus der Welt ausgekreist sieht.

Politischer Gestaltungswille kann in der Bundesrepublik nur überdie Parteien verwirklicht werden. Hiervon darf keine Berufsgrup-pe ausgeschlossen bleiben. Geschieht es doch, bringen sich die Par-teien um die Möglichkeit, als Verantwortungsträger für die Gestal-tung des gesamten Gemeinwohls verstanden zu werden. Daß ein enga-gierter Pfarrer so gut wie ein Jurist, Lehrer oder Arzt in dersel-ben Situation allen, die ihn brauchen, dient, ist eine Sache sei-ner persönlichen Integrität und der gesellschaftlichen Reihe. Hier-auf mit zu achten, ist der jeweiligen Partei aufgetragen. Daß ge-genwärtig Vorurteile das politische Wirken kirchlicher Amtsträger- übrigens auch anderer Berufe - problematisch machen, darf nichtAnlaß sein, diese Gegebenheiten zur Norm zu erheben und durch recht-liche Regelungen Schranken zu setzen, weil eben die Verhältnisseso sind. Vielmehr gilt es, die Erziehungsaufgabe wahrzunehmen, diedaraus erwächst; sie betrifft die Mandatsträger - hier die Pfar-rer - ebenso wie die gesamte Gesellschaft, in unserem Fall diekirchlichen Gemeinden.

Das verlangt allerdings die Bereitschaft zu einer grundsätzli-chen Besinnung ohne hintergründige Manöver, die angesichts derBundestagswahl zwar naheliegen, aber die eigentliche Fragestel-lung doch vernebeln; denn die von dem FDP-Abgeordneten Haashervorgerufene Diskussion um die Zulässigkeit politischen Enga-gements der Geistlichen bekommt eine reichlich pikante Note, be-denkt man, daß die FDP vor einiger Zeit mit einem evangelischenJugendpfarrer in Bayern wegen der Übernahme einer Kandidatur fürden Bundestag verhandelte.

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LESERBRIEFE

die Redaktion der "Evangelischen Verantwortung" be-reits in den vorhergehenden Ausgaben des Blattes ein-gehend darlegte3 soll die Publikation des EvangelischenArbeitskreises insbesondere ein Forum der offenen Aus-sprache sein.

In der Zwischenzeit gingen uns aus unserem Leserkreisverschiedene Stellungnahmen zu einzelnen,, in der "Evan-gelischen Verantwortung" bisher behandelten Themenkrei-se zu. Die "Evangelische Verantwortung" wird auch in Zu-kunft bewußt die offene Diskussion in den Vordergrundihrer Arbeit stellen, denn wir glauben, daß nur durcheinen echten Austausch konträrer Meinungen die Möglich-keit gegeben ist, im eigenen Denkprozeß zur persönlichenStellungnahme zu gelangen.

Auf den folgenden Seiten bringen wir daher Briefe ausunserem Leserkreis zur Diskussion.

Kirchenrat Dr. Reinhard Mumm aus München schreibt, daßder Beitrag "VOR DEM ENDE DER EKD", den die "Evangeli-sche Verantwortung" in der Februar-Nummer auf Seite 3brachte, seines Erachtens die Sache nicht richtig traf.Er schreibt:

"Der kurze Kommentar von E. Stammler bedarf der Korrektur. DieEinsichten unter 1 und 2 mag man gelten lassen. Keinesfalls re-sultiert aus ihnen die innere Notwendigkeit, die organisatori-sche Einheit der Evangelischen Kirche in Deutschland aufzugeben.Wenn die Organe der EKD im Osten nicht mehr wirken können, soliegt das ausschließlich an dem Zwang politischer Mächte, diesie daran hindern.

Ziffer 3 ist so gefaßt, als hätten bislang die Kirchen in derDDR unter "Steuerungen und Beeinflussungen von westlicher Sei-te" gelitten. Sie waren frei in ihren Entscheidungen, wie siees auch jetzt sind. Brüderlichen Rat, Mahnung und Zuspruch hates immer gegeben und wird es in der Kirche zur gegenseitigenHilfe auch weiterhin geben.

Die Kirche hat gewiß nicht die Aufgabe, selber konkrete politi-sche Ziele zu verfolgen. Aber so lange wir hüben und drübendurch Bande des Volkstums, des Glaubens, der Familien und un-serer gemeinsamen Geschichte verbunden sind, werden Christendarum bitten und dahin wirken, daß diese Gemeinsamkeit sich freientfalten darf."

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Zum Aufsatz von Staatssekretär Dr. Walter Strauss überdas Thema "GRENZEN DES RECHTSPOSITIVISMUS", "Evangeli-sche Verantwortung" 11/69, schrieb D. Dr. Wilhelm Stäh-lin D.D., Universitätsprofessor und Altbischof von Olden-burg, aus Prien am Chiemsee folgenden Brief:

"Vor Jahren war ich aufgefordert, in einem größeren (nicht-theo-logischen) Kreis eine Betrachtung über das "Recht" im Alten Te-stament vorzutragen. Mein erster Gedanke wandte sich der Psalm-stelle (Ps. 94, 15) zu "Recht muß doch Recht bleiben", zumaldieser Vers seinerzeit in den Auseinandersetzungen der Kirchemit den "Rechts"-Vorstellungen des Nationalsozialismus eine er-hebliche Rolle gespielt hatte.

Die Beachtung des hebräischen Textes fördert aber einen eigen-tümlichen Sachverhalt zutage: Das, was herkömmlicher Weise bei-de Male mit dem gleichen Wort "Recht" wiedergegeben wird, sindim Hebräischen zwei verschiedene Vokabeln, von denen die eine(im Wesentlichen) die menschliche Rechts-Setzung und Rechtspre-chung, die andere aber das Recht als eine jeder menschlichenRechtsprechung vorgeordnete (göttliche) Gerechtigkeit bezeich-net; und das Verbum, das die beiden Begriffe miteinander ver-bindet, heißt auf keinen Fall "bleiben", sondern bedeutet viel-mehr "umkehren" oder "sich bekehren". Der Sinn dieses Versesist also: Die menschliche Rechts-Setzung und Rechtsprechungmuß immer wieder umkehren zu einer ihr vor- und übergeordnetenGerechtigkeit, die selbst allen Zufälligkeiten und Fehlentwick-lungen menschlichen Urteilen entnommen ist. Die übliche Über-setzung "Recht muß Recht bleiben" (die auch in der revidiertenFassung beibehalten ist), ist also nur in dem Sinn richtig, daßdas tatsächlich geltende und gesprochene "Recht" nur dann Rechtbleibt, wenn es immer wieder zu einer ihm übergeordneten In-stanz, einem nicht von Menschen gemachten und von Menschen ver-walteten Recht zurückkehrt und zurückfindet. Dieser Gedanke ver-liert auch nicht dadurch sein Gewicht, wenn wir uns klarmachen,daß wir keineswegs in einer fehlerlosen und unwandelbaren Weiseerkennen, was in jenem letzten Sinn vor Gott rechtens ist."

Zu dem Beitrag "SACRAMENTUM INITIATIONIS", Verfasser:Pfarrer Dr. Kurt F.W. Schluckebier, "Evangelische Ver-antwortung" 111/69, ging uns von Pfarrer Dr.tHeol.M.Lud-wig aus Schweinfurt folgender Leserbrief zu, den wirleicht gekürzt unseren Lesern zur Kenntnis bringen:

"Weithin kann dem Verfasser zugestimmt werden, vor allem in denersten Absätzen, wo die Problemlage und der historische Befundskizziert werden. Indessen lassen die folgenden "drei Gesichts-punkte", wie an der möglichen Praxis der Kleinkindertaufe fest-gehalten werden könne, erhebliche Wünsche offen.

1. Die Taufe hat nach dem Neuen Testament nicht den"Charak-ter des Angebots und des Zeichens". Die Berufung auf die

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"vorauslaufende Gabe Gottes" läuft auf eine theolo-gische Verkürzung des Wesens des TaufSakraments hin-aus. So sehr sie etwas Richtiges enthält, so sehrwird sie doch, so einseitig vorgetragen, zur Beruhi-gungspille, die wir nicht ohne Vorbehalte schluckendürfen. Die Taufe hat nach dem Neuen Testament undder urchristlichen Praxis ganz offensichtlich denCharakter des Bekenntnisses als persönliche Entschei-dung des Täuflings wie als seine feierliche, öffent-liche Erklärung. Schon von daher kann sie nicht ver-wechselt werden mit einem "flachen Initiationsritusin eine Körperschaft oder Institution zukünftiger Kir-chensteuerzahler", wie weiter oben der Verfasser sehrrichtig bemerkt. Das gesprochene Glaubens-Bekenntnisgehört unablösbar zu jeder Taufe.

Die heute aufgebrochene "Unruhe um die jahrhunderte-alte Praxis der Kleinkindertaufe" beruht auf der offen-baren Not und der geistlichen Anfechtung, die in derMassenvolkskirche bundesdeutscher Prägung jedem gewis-senhaften Pfarrer zu schaffen macht: wie es mit demBekenntnis des Glaubens seitens der die Taufe ihrerKinder begehrenden Eltern steht.

Wenn Dr. Schluckebier sehr richtig von dem "Familien-bezug" der Taufe und von ihrem "Gemeindebezug" schreibt,so hätten gerade in diesen "Bezügen" sehr wesentlicheFragenkreise angesprochen werden müssen: die Notwendig-keit des Taufgesprächs, die Rolle des Patenamtes unddie Überwindung ihrer weithin so laxen Handhabung, diemitunter dringend gebotene Taufversagung, genauer desTaufaufschubs seitens der für die rechte Verwaltung desSakramentes verantwortlichen Amtleute der Kirche - die-se schon als weithin sichtbares "Zeichen"! und der mitder Kleinkindertaufe eng zusammenhängende Kinder- undJugendkatechumenat.

Daß diese - und andere - Fragenkreise empfindlich im gan-zen Zusammenhang fehlen, hat seinen Grund darin, daß derFamilienbezug ins Treffen geführt wird, ohne klar zu de-finieren, was damit gemeint bzw. nicht gemeint ist, unddaß ungeschützt von "Gemeinde" geredet wird, ohne sie ab-zugrenzen, das heißt ohne deutlich zu machen, daß sieihr spezifisches Gewicht hat und nicht mit einem zerflies-senden Gebilde verwechselt werden darf, das die biblischenMerkmale der Gemeinde Gottes vermissen läßt.

Wie wir beim Sakrament des Altars von Haus aus eine "Abend-mahlszucht" kennen und gelten lassen, so müssen wir heutelernen, uns daran zu gewöhnen, daß es so etwas auch beidem Sakrament der Taufe gibt. Mit dem Begriff "SacramentumInitiationis" wird man ihm eben einfach nicht gerecht; dasriecht zu stark nach vereinsmäßigem und individualistisch -liberalem Denken. Das "Sakrament" setzt sich zusammen ausdem "ewigen" (zuvorkommenden) Gnaden-Handeln des Herrn unddem dankbar - gehorsamen (aktiven) Daraufeingehen des Men-schen.

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Nicht einzusehen ist, wieso die "Taufe als Kleinkindertau-fe zur Existenz (!) der Volkskirche gehört", d.h. "der of-fenen Kirche des Volkes für das breite Volk". Ganz abgese-hen davon, daß man zu einer solchen Schau der Kirche vonder Sicht des Neuen Testamentes her ein Fragezeichen setzenkann, ließe sich eine "Volkskirche" in dem genannten Sinnedurchaus mit der Abkehr von der Kleinkindertaufe oder dochmit fakultativer Kindertaufe denken.

In dieser Hinsicht lassen die - sonst so dankenswertenAusführungen des Verfassers einiges an präziser Erfassungder Problematik vermissen. Nach meiner Erkenntnis geht esnicht in erster Linie um "ein breiteres Angebot derFormen des Taufvollzugs" und die "öffentliche Breitenver-kündigung des Evangeliums" - das ist viel zu sehr von aus-sen und von der zu konservierenden Massenvolkskirche hergeurteilt - sondern um die Wahrheitsfrage und um eine Ent-scheidung, die die Kirche mutig und gehorsam treffen muß,will sie nicht einer Verwischung ihrer Konturen und damitder Verkennung ihrer Sendung und der Lähmung ihrer volks-missionarischen Stoßkraft zum Opfer fallen."

Desweiteren schreibt uns unser Leser Konrad Hunger aus Er-langen zur gleichen Frage u.a.:

"Ich halte die Kindertaufe, einleitend zur später erfolgenden Kon-firmation als ein geschichtlich persönliches Ereignis, das zu derGeschichte der evangelischen Kirche in unmittelbarem Zusammenhangsteht. Mag sein, daß die Aufnahmefähigkeit im frühesten Kindesal-ter mit Null beginnt und erst die Lernfähigkeit über das, was zutun und zu lassen ist, den Zeitpunkt einer geregelten Verpflichtungbestimmt. Werden die ersten Urkunden der ersten Amtshandlungen feinsäuberlich aufbewahrt, so ist auch die erste Ordnung geschaffen.Da Kindestaufe und erste schulische Erziehung (ich nenne hierbeiden kirchlichen Kindergarten) gar nicht soweit der Zeit nach von-einander entfernt sind, bin ich dafür, daß die Kindertaufe beibe-halten wird."

Zu den Beiträgen von Dr. Eberhard Amelung und Uwe-Rainer Simon"ÜBER DIE ORDNUNG UND SITUATION AN DEN DEUTSCHEN HOCHSCHULEN"nahm unser Leser Leonhard Ehemann aus Auernhofen Stellung. Erschreibt unter der Überschrift: "Hochschul- und Jugendprobleme"

"Die beiden Artikel über die Situation bzw. die Ordnung an den deut-schen Hochschulen schneiden Probleme an, die für die Zukunft unse-res Volkes von entscheidender Bedeutung sind. Besonders die Ausfüh-rungen von Herrn Uwe-Rainer Simon scheinen mir folgerichtig undwirklichkeitsnah aus der praktischen Arbeit abgeleitet zu sein.

Für unsere Generation, die als Schüler und Studenten das Wachsendes Extremismus links und rechts erlebt hat und schließlich die"Machtergreifung" durch den Nationalsozialismus und ihre Folgen

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in Krieg und Gefangenschaft hat ertragen müssen, ist die Paralleli-tät der Ereignisse und Parolen von damals und heute eine nicht weg-zuleugnende, erschreckende Wirklichkeit. Mit der Parole "Kampf demRegime" wurde damals das Gleiche angestrebt wie heute mit dem"Kampf dem Establishment". Devisen und Methoden gleichen sich sosehr, daß der Ersatz des Wortes "Regime" durch das Wort "Establish-ment" nicht über die Tatsache hinwegtäuschen kann, daß es sich heu-te wie damals um das gleiche Ziel handelt: Zerstörung der beste-henden demokratischen Ordnung, um diese durch eine Diktatur zu er-setzen. Auch bei den Zielen des Linksradikalismus muß von der an-gestrebten Diktatur gesprochen werden, denn Lenin selbst sprichtvon der Diktatur des Proletariats als der Herrschaft der Minder-heit über die Mehrheit. Es werden heute wie damals die demokrati-schen Rechte und die Freiheit, die unser Staat jedem Bürger ge-währt, dazu mißbraucht, diese Rechte und diese Freiheit in Fragezu stellen und schließlich zu zerstören. Es wird Freiheit gefor-dert, um mit brutaler Gewalt, dem Volk die Freiheit zu nehmen.

Im Gegensatz zu Herrn Simon glaube ich aber nicht, daß tiefgrei-fende Reformen der Gesellschaft hier entscheidend zu einer Änderungder Situation beitragen könnten. Wo weltanschauliche Dinge, wiehier, wo Theismus und Atheismus aufeinanderprallen und miteinan-der ringen, kann der entscheidende Erfolg auch nur auf dem Gebietder geistigen Auseinandersetzung erzielt werden. Die Berechtigungder Forderung nach gesellschaftlichen Reformen bzw. einer Weiter-entwicklung, die sowohl dem technischen wie dem geistigen und so-zialen Fortschritt unserer Zeit entspricht, kann dabei keines-wegs in Abrede gestellt werden. Es ist das Recht und das natür-liche Verlangen der Jugend zu forschen und nach neuen besserenWegen auf allen Gebieten des Geisteslebens, der Wirtschaft wieder Politik zu suchen. Gerade für die geistig bewegliche Jugendist die Pilatusfrage auch heute noch die entscheidende Frage undwird es wohl auch immer sein.

Hier aber müssen wir ganz sachlich feststellen, daß die Jugend,die unter den Einfluß des dialektischen Materialismus geraten ist,systematisch geschult und bearbeitet wird bis sie zu einem Stand-punkt kommt, daß sie nicht einmal mehr objektiv sehen will, wiees mir gegenüber einmal ein junger Abiturient ausdrückte. Da mußes sich schließlich heute bitter rächen, daß es die ältere Gene-ration unterlassen hat, die heranwachsende Jugend im und über dendialektischen Materialismus hinreichend zu unterrichten. Diskus-sionen sind gut und nützlich, sie werden aber, wenn sie mit füh-renden Leuten des SDS geführt werden sollen, zu keinem Ergebnisführen, weil diese die Verlogenheit ihrer eigenen Weltanschauungnicht sehen wollen. Es sollte aber nicht vergessen werden, daß diedialektische Schulung eine wesentliche Voraussetzung ist, wenn un-sere Jugend vor allem an den Hochschulen das Rüstzeug haben soll,um sich gegen die geschulten Dialektiker des dialektischen Materi-alismus behaupten zu können. Hierzu Hilfen zu geben wäre einedankbare Aufgabe für alle, die sich mit diesen Fragen schon hin-reichend beschäftigt haben. Hier liegt eine echte Aufgabe für al-le Institutionen, die sich mit politischer oder geistiger Schulungbefassen. Wenn es sich auch hier in erster Linie um geistige Aus-einandersetzungen handelt, so darf doch nicht übersehen werden,daß gerade die extreme Linke - sei es nun im SDS oder in anderenOrganisationen - diese geistigen Auseinandersetzungen nicht willund an ihre Stelle die Demagogie, ja die brutale Gewalt setzt.

In diesem Beitrag habe ich versucht, einige Gedanken aufzuzeigen,die sonst leider immer zu wenig berücksichtigt werden. "

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DIE 15. BUNDESTAGUNG IM SPIEGEL DER PRESSE

Über die Bundestagung des Evangelischen Arbeitskreiseswurde auch in diesem Jahr in der deutschen Presse sehrausführlich berichtet. Aus der Fülle der vorliegendenPresseberichte seien einige hier aufgeführt:

Zum Theologengespräch meinte die 'RHEINISCHE POST":

"Professor Thielicke hatte am Vorabend der Tagung im traditionel-len Theologengespräch eine vorbehaltslose Bestandsaufnahme gefor-dert und sich mit Erfolg bemüht, produktiven Ärger zugunsten derDiskussion zu spenden. Studentenpfarrer Stöhr hatte ohne Provoka-tion, aber eindringlich die Thesen der Protestierenden vorgetra-gen. Damit war der weite Spannungsbogen zwischen den auf Bewah-rung und den auf Veränderung drängenden Kräften markiert. Und esgelang, was heute selten ist, ein Gespräch, das die Berechtigungder Unruhe durchaus als notwendig anerkannte, aber ihr da dieGrenze zog, wo es ihr nur um das Einreißen geht, ohne daß neuewerdende Konturen sichtbar gemacht werden können."

In der "FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG" vom 24.3.69 War zu lesen:Für manchen Beobachter im Evangelischen Arbeitskreis stellten sichinteressante Bezüge zwischen Mikats Plädoyer für einen möglichstgroßen Spielraum der gesellschaftlichen Gruppen im Staat und Schrö-ders dezidierter Absage an jede Wahlrechtsänderung her. Schrödernutzte aber in Düsseldorf auch jede Gelegenheit, um dem Mißverständ-nis vorzubeugen, sein Votum gegen das Mehrheitswahlrecht präjudi-ziere seine Vorstellungen über die nächste Koalitionsbildung inBonn. Er sprach vom harten Sachzwang, der unter Umständen aus einerbestimmten Wählerentscheidung folgen könne."

Der "SUDKURIER" erklärte zur Tagung u.a.:"Waldemar Besson wertete die Unruhe der jungen Generation als einbefruchtendes Element für unsere Gesellschaft, allerdings unter derVoraussetzung, daß die "Rebellen" ein Mindestmaß an Loyalität undSolidarität mit dem Gemeinwesen bewiesen. Er rief dazu auf, den "Wöl-fen zu wehren, die Mündigen zu lieben". Nötig sei eine Politik, dieversuche, Ordnung und Freiheit in eine sinnvolle Verbindung zu brin-gen."

Im "INDUSTRIEKURIER" vom 22.S.69 hieß es:"Der Evangelische Arbeitskreis versucht von dem konservativen Imagewegzukommen und eine fortschrittlichere Linie einzuschlagen. Daskommt schon äußerlich in der Aufmachung der Tagung zum Ausdruck unddas findet auch seinen Niederschlag in der Wahl der Themen und Dis-kussionsredner. Darunter finden sich auch einige prominente Wortfüh-rer des politischen Katholizismus. Hier deutet sich gegenüber frühe-ren Tagungen ein entschiedener Stilwandel mit inhaltlichen Konse-quenzen an."

Die "SUDDEUTSCHE ZEITUNG" schrieb am 24.3.69:"Die Veranstaltung(öffentliche Schlußkundgebung des EvangelischenArbeitskreises in der Düsseldorfer Rheinhalle) wurde von kleinerenGruppen der Außerparlamentarischen Opposition gestört. Bundeswis-senschaftsminister Stoltenberg, der die Kundgebung leitete, gelanges jedoch, sich mit der Androhung durchzusetzen, er werde von sei-nem Hausrecht Gebrauch machen, wenn es zu weiteren "organisiertenStörversuchen" komme."

Redaktionsgemeinschaft: Eberhard Amelung,Peter Egen,Eberhard StammlerVerantwortlich für den Inhalt: Peter EgenAnschrift: Evangelischer Arbeitskreis der CSU/CSU

53 Bonn/Rh., Am Hof 28, Ruf: o2221-57ool

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