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Experimentelle Untersuchungen aber die Circula- tionsverh~ltnisse des /Luges und fiber den Zusammenhang zwischen den Circu- lationsverhiiltnissen des Auges und des Gehirns. Von M. W. v. Sehultdn, a. o, Professor an der Universitgt zu Helsingfors. (Fortsetzung.) B. Die Cireulationsverh~iltnisse des fiehirns. I. Anatomisehe Vorbemerkungen. Das Gehirn und Rt~ckenmark sind im Schlidel und der Wirbe]si~ule eingeschlossen. Die barren unnachgiebigen W~nde des ersteren sind genau mit der Dura mater be- kleidet, wi~hrend dagegen der Durasack des Rtlckenmarks sich durehaus nicht dicht an die W~nde des Canales an- schliesst; ein mit Venen und weichem Fettgewebe ge- fallter Raum finder sich zwischen beiden. Der Dura dicht an liegt die Arachnoidea, welche eigentlich als die aussere, zu einer l~Iembran verdichtete Sehieht eines grossm.aschigen Bindegewebes aufgefasst werden muss, welcbe sich naeh innen zu gleichfalls verdichtet zur Pia mater, die das Ge- him und I{ackenmark selbst, genau deren ~usseren Con- touren folgend, bekleidet. Der sog. Subduralraum zwischen

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Experimentelle Untersuchungen aber die Circula- tionsverh~ltnisse des /Luges

und fiber den Zusammenhang zwischen den Circu- la t ionsverh i i l tn i ssen des Auges und des Gehirns.

V o n

M. W. v. Sehultdn, a. o, P r o f e s s o r a n d e r U n i v e r s i t g t z u H e l s i n g f o r s .

(Fortsetzung.)

B. Die Cireulationsverh~iltnisse des fiehirns.

I. Anatomisehe Vorbemerkungen.

Das Gehirn und Rt~ckenmark sind im Schlidel und der Wirbe]si~ule eingeschlossen. Die barren unnachgiebigen W~nde des ersteren sind genau mit der Dura mater be- kleidet, wi~hrend dagegen der Durasack des Rtlckenmarks sich durehaus nicht dicht an die W~nde des Canales an- schliesst; ein mit Venen und weichem Fettgewebe ge- fallter Raum finder sich zwischen beiden. Der Dura dicht an liegt die Arachnoidea, welche eigentlich als die aussere, zu einer l~Iembran verdichtete Sehieht eines grossm.aschigen Bindegewebes aufgefasst werden muss, welcbe sich naeh innen zu gleichfalls verdichtet zur Pia mater, die das Ge- him und I{ackenmark selbst, genau deren ~usseren Con- touren folgend, bekleidet. Der sog. Subduralraum zwischen

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Dura und Arachnoidea enthalt nur wenig Flttssigkeit; dagegen liegen zwischen Arachnoidea und Pin eine Menge mit t~Itissigkeit geftillter Rftume: die Subarachnoidalraume, welehe besonders auf der Hirnbasis und um das Rticken= mark ansehnlich sind und frei mit einander communiciren. Die Pia sender auch trichterf0rmige, die in die Hirnmasse eintretenden Gef~sse einhtillende Forts~tze aus und bildet so eine Art Scheiden far die letzteren (yon His f~lseh= liGh als Lymphri~ume angesehen, die night mit dan Sub= araehnoidealrltumen communiciren sollten).

Im Gehirn und Rtickenmark finden sieh gleiehfalls mit Flassigkeit geftillte R~ume: die vier Yentrikel des Gehirns und des Centralcanales des Rtiekenmarks; auch diese Ri~ume communiciren mit den Subarachnoideal= r~umen.

Nach Key 's und Re tz ius ' Untersuchungen kann night der geringste Zweifel tiber das Vorhandensein des Foramen Magendie ' s , gelegen in tier hinteren Wand des vierten Ventrikels, gehegt werden, wodurch dieser nnd damit auGh die abrigen Ventrikel mit den SubaraGhnoidal- raumen in Verbindung stehen. Diese Autoren zeigten auch, dass sieh ausserdem am vorderen Ende des Pro- eessus laterales des vierten Ventrikels zwei Seiten8ffnungen finden, wo der Plexus chorioideus an der Innenseite des Ploceulus aus dem genannten Ventrikel austritt.

:Bediirfte es noch mehr Beweise far das Vorhandensein dieser Communication, so kSnnte auch iblgender Krankheits- fall als solcher dienen: Johann Levola, 21 Jahre alt, wurde im Mgrz 1881 mit einem Btichsenkolben gegen den Kopf ge- schlagen, so dass auf dem Scheitel eine Wunde entstand, aus der Knochensptitter entfernt wurden. Da die Wunde jedoch nicht heilte und sich starke Kopfschmerzen und Erbrechen einstellten, so wurde im August desselben Jahres tier Knochen aufgemeisselt, wobei sich eine Fistel zeigte, und einige Sequester herausgezogen; (tie Wnnde heilte vo]lstSndig. Anfang April 1882 erkrankte Patient wieder mit starken Kopfsehmerzen~ Frost,

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Erbreehen. Als er nach ether Woche ins Krankenhaus auf- genommen wurde, war er etwas benommen und sehr ange- griffen. Man beobachtete starke Pulsation im Schadeldefect. Er starb plOtzlieh an demselben Tage, we er aufgenommen wurde. 0bduc t . Es zeigt sich ein pfiaumengrosser Abscess mit ziemlich dicker Wand im reehten Frontallappon unter dem Defect im Knochen, aber einen Zoll yon der convexen Ober- fli~che des Gehirnes entfernt; dieser Abscess war in den rechten Seitenventrikel perforirt, woselbst sich Eiter land. Der Eiter kann wetter verfelgt werden in den dritten und vierten Yentrikel, yon we er ausgetreten ist, so dass sich eine eitrige Meningitis gebildet hat, aber nur um die Medulla und den untersten Theil des Kleinhirns. Im Uebrigen ist das Gehirn sehr an~misch; die Gyri sind abgeplattet.

Aehnliche F~lle sind publicirt worden, we der Gang des Blutes aus einera Seitenventrikel ebenso verfolgt werden konnte, wie hier der des Eiters.

Wahrend sowohl Dura wie Arachnoidea und Pia Schei- den ftir die Sinnesnerven, wie tiberhaupt die peril)heren Nerven, aussenden, setzen sich die Subdural- und Subarach- noidalrliume auch langs diesen Nerven fort, um angeblich in die Saftcani~le iiberzugehen, die das peril)here hTerven - system durchkreuzen. Besonders mfissen wir uns der drei Scheiden erinnern, welehe den Nervus el)titus umgeben, deren beide Zwisehenri~ume fret mit den Subdural- und Subaraehnoidalraumen eommunieiren. Es ist bemerkens- werth, class die Saftcani~le der Geruchsnerven und der l)eripheren Nerven t~berhaul)t sich sowohl yon den Sub- dural- wie Subarachnoidalri~umen injieiren lassen.

Die Blntzufuhr zum Gehirn und seinen Hauten finder dutch die Carotides internae und Arteriae vertebrales statt, wobei die Dura mater das meiste Blur durch die aus der Carotis externa herstammende Art. meningea media erhi~lt.

Jede tier inneren Carotiden sender auf der Schlidel- basis eine Art. communicans l)osterior zu den Endzweigen tier Art. basilaris: die Art. cerebri l)osteriores; zugleieh communiciren auch die am meisten nach vorne gelegenen

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Zweige der inneren Carotiden dutch eine Art. communi- cans anter, mit einander, tIierdurch entsteht ein Arterien- Ring: der Circulus anteriosus Willisii. Es muss aber be- merkt werden, dass die communicirenden Zweige an Gr(isse sehr variiren und oft yon ziemlich feinem Kaliber sind.

Die Carotis interna sender beiderseits Aeste zum Auge, zu den vorderen und mit~leren Theilen der grossen Hemi- sphere und den grossen Hirnganglien. Von den beiden Vertebral-Arterien gehen Aeste zum hinteren Theil der Dura; zum Rackenmark, zum Kleinhirn und nach ihrer Vereinigung zur Arteria basilaris: zum Kleinhirn, zum GehSrapparat, zum Pons Varoli und zum hinteren Theil der grossen Hemisphare.

Wir kSnnen also unterscheiden: die Verzweigungs- gebiete der beiden Carotiden mit ihrer relativen Selbs~- standigkeit, uud die der beiden Vertebral-Arterien, welche sieh zu einem einzigen vereinigen.

Was besonders die Medulla oblongata betrifft, so ist diese, hauptsi~ehlieh dutch die After. basilaris, wohl mit Blur versorgt, sie kann aber auch dutch die Arter. spi- nales, die mit so vielen Arterien anas~omosiren, Blut- zufluss erhalten. Die Gefi~sse, welche die Medulla ver- sorgen, bflden mehrere weitere Auastomosenringe.

Es muss aueh hervorgehobeu werden, dass die drei Arterien, welehe sich auf beiden Seiten anf der Hirn- hemisphare zwischen den Gyri verzweigen, Gefassgebiete bilden, die nut durch schwache Anastomosen mit einander in Verbindung stehen, und dass die zahlreicheu kleineren Gebiete, in die sie sich verzweigen, ziemlich unabhangig yon einander sind. Die Endzweige dieser Arterien n'~hern sich also dem Begriffe der Endarterien, ohne jedoeh voll- stiindig deren Natur zu haben. Vollstandige Endarterien sind dagegen die Niihrgefi~sse, welehe yon jeder der ge- nannten drei Arterien ill die Ganglien auf der Hirnbasis

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eindringen; diese communiciren weder untereinander, noch mit den aus der Hirnrinde eintretenden Gefassen.

Der venSse Abfiuss aus dem Gehirn und seinen ttauten wird dutch die in der Dura mater liegemen Sinus be- sorgt, d. h. venSsen Can~len, welehe nur aus tier Tunica intima bestehen, aber zwischen den Bl/~ttern der Dura ein- geschlossen sind und theilweise auf die Sehi~delknoehen ruhen, so dass sowohl starkere Erweiterung wie leichte Zusammenpressung derselben verhindert wird.

Auch das Blur der Dura und des Seh/idels ergiesst sich theilweise in die Sinus des Gehirns. - - Obgleich die Venae jugulares intern, die Hauptbahn ffir den Abfiuss des Blutes aus dem Gehiru bilden, so haben keineswegs sie allein diese Function, vielmehr wird derselbe auch dutch die constant vorkommenden Emissaria Santorini vermittelt, welche das intracranielle Venennetz mit den ausseren Venen des Kopfes verbinden, ferner durch die Yenae ophthalmicae, die mit den Gesichtsvenen communi- ciren, und schliesslich auch dutch die Verbindungszweige mit den spinalen Venen. Ein Blutabfiuss nach verschie- denen Seiten kann um so leichter geschehen, da sfimmt- liche Venen in der SchiidelhOhle klappenlos sind. - - Ich muss in diesem Zusammenhange auch die reichen ¥enen- plexus erw~hnen, welche im Rtlckgratscanale zwischen seiner Wand und der Dura mater liegen und mit zahl- reiehen ausserhalb des R~lckgratscanales liegemen Venen in Zusammenhang stehen, welehe theilweise dem Ver- zweigungsgebiete der Vena eava superior, theilweise dem der Vena cava inferior zugehitren.

Eigentliche Lymphwege sind his auf Weiteres im Gehirn un4 seinen H/iuten nicht gefunden worden. Gleichwohl finder die in den Subdural- und Subarachuoidal- r~umen eingeschlossene Fliissigkeit auf versehiedenen Wegen leichten Abfluss. Vorerst muss an die Communi- cation dieser R';tume mit dem Safteanalsystem der pert-

v, Graefe 's Archly fiir Ophthalmologie~ XXX, 4. 5

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pheren Nerven erinnert werden. Ferner scheinen auch Lymphwege am Ha]se *) und in der Nasenschleimhaut Fliissigkeit aus dem Gehirn und seinen R~umen aufzu- nehmen. Schliesslich bilden die sog. PaechioIfischen Gra- nulationen einen wichtigen ¥erbindungsweg zwischen den Subdural- und Subarachnoidalri~umen einerseits und den Sinus durae matris andererseits; sie sind als eine Art Ansehuss des Arachnoid~Igewebes anzusehen, bekleidet mit einer Duralscheide, die in einen ven0sen Sinus oder eine damit verbundene ven(ise Laeune eindringt. Bei einer Injection yore Subaraehnoidalruume aus dringt die Flfissigkeit erst in die Duralscheide und yon dort direct in die genannten Venen. - - Man kann sich leicht yon tier Schnelligkeit fiberzeugen, mit der Ftassigkeitea aus den Subdural- oder Subarachnoidalraumen, sowohl des Gehirns wie des Rfickenmarks, wieder abfliessen, auch wenn sie unter geringerem Drucke injieirt werden. - - Es muss bier ausdriicklich betont werden, dass ein unbehin- derter Abfiuss yon Fliissigkeit aus den Subdural- und Subarachnoidalri~umen, zum Theil dutch die Lymph- wege **) der Nase, theils l~ings den Scheiden und Saft- canSten der peripheren Nerven***) dutch Injections- versuche auch far den Menschen sicher constatirt ist.

Ich betone dieses gegenfiber B e r g m a n n , welcher meint, dass die Cerebrospinalfltissigkeit aus der Schi~del- h(thle beim Menschea nur dutch die Pacchionisehen Gra- nulationen abfliessen ksnne, t )

Die Dura mater erhalt yore Trigeminus sensible Ner- venfiiden; tier Araehnoidea und Pin scheinen solche zu

*) An ttunden wenigstens constatirt. **) Siehe Waldeyer, Beitriige zur Kenntniss tier LymI)hbahnen

des Centralnervensystems. Arch. f. mikr. Anat. XVII., S. 362. ***) Siehe Key and Retz ius : Studien in der Anatomie des

Nervensystems und des Bindegewebes. Stockholm 1875. II. S. 108. t) Bergmann, Die Lehre yon den Kopfverletzungen.

Deutsche Chirurgie Lief. 30, S. 286.

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fehlen. Zu den Gefassen der Pia gehen zahlreiche vaso- motorische bTervenfiiden.

Ich muss an dieser Stelle noah darauf hinweisen, class sieh keine wesentliahen Yerschiedenheiten im anatomisehen B~u des Gehirnes und seiner H~ute beim Kaninchen und beim Menschen finden diirften, besonders mit tIinsicht auf die Punkte, die uns am moisten interessiren, ni~mlich das Yer- halten tier tIirnhaute und den Zn- und Abfluss des Blutes. Es ist sehon hither hervorgehoben worden, class nuch Krause sich beim Kaninchen keine Art. communieans anter, finder; dieser Umstand kann jedoeh nur Bedeutung haben mit ttin- sicht auf die Ausgleichung yon Circulationssti~rungen im einen odor anderen Carotisgebiet. Aus den Injeetionsversuchen yon Schwalbe, Schmidt, Manz, sowie Key nnd Retz ius babe ich nieht finden kOnnen, dass das flit arts besonders wichtige Yerhalten tier Sehnervenscheiden beim Kaninehen wesentlieh yon dem des Menschen abwiche.

Haufig ist der Gedanke ausgesprochen worden, dass eine nicht geringe Analogie zwischen dem Bulbus und der yon tier Dura begrenzten Cerebrospinalcavit~tt herrsche, mit Hinsicht auf die Bedingungen, unter denen die Blur- circulation in beiden vor sich geht. GIeich dem Bulbus ist die Cerebrospinalcavitat mit Fltissigkeit oder wenig compressibeler Substanz gefallt und auch in der letzteren ware ein Wechsel im Blutgehalt nicht m0glich *), sofern night die Cerebrospinalfifissigkeit mit Leichtigkeit an Menge wechselt oder die begrenzende Kapsel elastisch dehnbar ist. Dass das erstere stattfindet, haben wir gesehen; wie verhalt es sich aber mit dem letzteren Umstande? In der Schadelhohle liegt die Dura dicht auf dem Knochen und nach geschehener Verkn~cherung ist keine Erweite- rung m(~glid~; aber im Rackgratscanale liegt der Dura- sack, durch Fettgewebe und ein reiches Venennetz yon

*) Theorien yon dem constanten Btutgehalt des Gehirns und der UnmSglichkeit sch.'.ellerVerandarungen dessalben warden auch niaht vermisst; siehe unten.

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den Wirbeln und den dieselben vereinigenden Bandern ge- trennt. Wenn nun der Durasack des Rtlckenmarks ela- stische Dehnbarkeit, innerhalb der m0glichen Druckgrenzen, besitzt, so diirfte das dilnnwandige, spinale Venennetz mit seinen vielen Abfiusswegen die Volumverfinderungen des Durasackes kaum hindern~ um so weniger, als auch der Bandapparat der Wirbelsi~ule einige Dehnung gestattet und auch eineVerdrangung yon Fettgewebe in die Zwischen- wirbellScher mOglich ist.

Es ware daher ohne Zweif'el yon Interesse, die Dehn- barkeit *) der Dura zu untersuchen. Jedoch kann hier nicht die Methode in Anwendung gebracht werden, welche ich ffir alas Studium der Dehnbarkeit der Bulbi angewandt babe, denn der Abfluss aus der Spinalcaviti~t ist schon bei geringen Druckgraden so lebhaft, dass man unm(~glich die Flttssigkeitsmengen bestimmen kann, wclche bei Druck- variationen im Durasacke Platz finden oder yon dort ans- treten. Gleichwohl kann dieses Verfahren mit einer kleinen Modification einen Begriff yon tier Dehnbarkeit der Dura geben. Ich ging dabei folgendermassen zu Wege: Ein eben get(}dtetes Thier wird enthauptet und in den obersten Theil des Durasackes des Rtlckenmarkes eine ziemlich weite Canllle eingebunden; und diese, wie bei der Bestimmung der Dehnbarkeit der Bulbi, mit einer caliberirten Glasrtihrc und dem oft besprochenen Apparat

*) Bergmann (Die Lehre yon den Kopfverletzungen: Deutsche Chirurgie LieL 30, S. 290) fiihrt als Beweis fiir die Dehnbarkeit der Dura folgenden Versuch an: er bohrte bei einem Hunde ein Loch in den Bogen eines Wirbels, und kittete einen mit dilnnem Leim geftillten Manometer hinein. Als er darauf durch ein Trepanloch Waehsmasse injicirte, hob sich die Fliissig'- keitss~tule im Hanometer siehtbar. Er h~tte dann ebenso gut die Pulsation der Dura in einem Trepa.nloche als Beweis anfiihren kSnnen. Hierdurch ist doch kaum eine wirkliche Ausdehnung tier Dnra bewiesen; es wi~re ja aueh ein geringes Vorschieben im Trepanloch m(iglich.

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far Injection unter constantem Drucke in Verbindung ge- setzt. Es wird nun eine 1/2proeen/~ige KochsalzlUsung unter constantem Drucke yon z. B. 10 Mm. Hg injieirt. Hierauf wird der Druck pl~tzlich auf I Mm. herabgesetzt und man finder dana, dass eine gewisse Menge Flassig- keit aus dem Durasacke austritt. Auf dieselbe Weise wird der Druck successive auf 20, 30, 40 Mm. und so welter erh0ht und dann pltitzlich auf 1 Mm. herabgesetzt; die in jedem Falle austretende Fliissigkeitsmenge giebt eine Vorstellung fiber die Ausdehnung der Dura bei ver- schiedenen Druckgraden. Ich babe keine Gelegenheit ge- habt, viele Versuche nach diesem Plane zu maehen, reich aber doch dutch einige solche liberzeugt, dass der Dura- sack eine betriichtliche Dehnbarkeit far Druckgrade von 5w120 Mm. Hg besitzt, und dass seine Volumvermehrung nicht im Verhi~ltniss zum Drucke steigt.

II. U n t e r s u c h u n g s - Methoden.

Wenn es gilt, das Verhalten der ttirncirculation bei vcrschiedenen st(irenden Einfliissen experimentell zu unter- suchen, so liegt es wohI am nachsten, durch directe Be- s ich t igung der Gef~sse in der Pin mater die Ver- anderungen derselben zu studiren. Dieses kann jedoch nut (lurch einen betriichtlichen Eingriff geschehen, n:~mlich durch Trepanation und Entfernung tier Dura. Da ferner auf Grund der anatomischen Verh~ltnisse zu erwarten steht, dass Veriinderungen im Blutgehalt des Gehirns und seiner Hi~ute, wodurch deren Volum verlindert wird, Variationen in der innerhalb der Cerebrospinalcavitat herr- sehenden Spannung bewirken, so ist die Messung des i n t r a c r a n i e l l e n Drnckes ein zweites wichtiges Hiilfs- mittel. Man kann ferner auch die Beobachtung und Re- gistrirung der qualitativen ¥olumveranderu.ngen des Ge- hirns, sei es in normalen F~llen oder bei experimentellen

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Eingriffen, im Auge haben; in der That war die Beob- a c h t u n g der sog. G e h i r n b e w e g u n g e n eine altere, wenn auch im Princip unvollkommenere Methode als die Messung des intracraniellen Druckes. Schliesslich kann man noch mit den gewOhnlichen physiologisehea Htllfs- mitteln versuehen, eine Vorstellung vom B l u t d r u e k und

der G e s c h w i n d i g k e i t des B l u t s t r o m e s in den Ge- fassen des Gehirns in normalem Zustande and unter ver- schiedenen Einflllssen, zu g e w i n n e n . - Dies sind die ver- schiedenen Wege, die sich dem Studium der Fragen bieten, welches uns zunfiehst beschi~ftigt; sie zeigen eine durch- gehende Analogie mit der, welche wir beim Studium der Cireulationsverhi~ltnisse des Bulbus f o l g t e n . - Jetzt einige Worte iiber die Technik dieser Methoden.

a) D i r e c t e B e s i c h t i g u n g der Piagef i~sse .

Donders*) dfirfte der erste gewesen sein, weleher auf die Idee kam, die Bluteirculation in der Pin dureh Besichti- gung ihrer Gefasse zu studiren unter Vorsichtsmaassregeln, wodurch deren normale Verhiiltnisse nicht allzusehr veri~ndert wnrden. Er trepanirte den Schlide], entfernte die Data mater und kittete an die Stelle des entfernten Knochenstiickes eine 6lasscheibe ein; er konnte dana bei passender Beleuchtung und VergrSsserung die Gefasse beobachten als ob sie sich in der geschlossenen SehSdelh($hle befanden. Donders ' Schiller Ber l in**) folgte ihm am naehsten. Spi~ter benutzten Kuss- maul und Tenner***) dieselbe ~ethode bei ihren be-

*) Die Bewegungen des Hirnes und die Ver~nderungen der Gef~issfiillung der Pin mater auch bei gesehlossenem und un- ausdehnbarem Sehiidel unmittelbar beobachtet. 1%derl. Lancet 1850 )I~rz u. April, sowie Schmidt's Jalu'b. Bd. 69~ S. 17.

**) Untersuehungen fiber den Blutumlauf in der Sch~tdel- hShle. 1%derl. Lancet 1850 )[iirz u. April, sowie Schmidt's Jahrb. Bd. 69, S. 16.

***) Untersuchungen iiber U~sprung und Wesen der fallsucht- artigen Zuckungen bei der Verblutung. ~ioleschott's Untersuch. zur Naturlehre 1857 Bd. 3.

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Untcrsuchungen fiber Circalationsverh~ttnisse etc. 71

kannten Untersuchungen fiber IIirnanamie. Aekermann*) benutzte sie gleiehfalls bei seinen Untersuchungen tiber den Einfluss der Asphyxie auf den Blutgehalt im Gehirn. Ferner wurde sic von Schultz**) und Jolly***) angewandt bei Untersuchungen tiber die Ver~tnderungen in der Bluteireulation des Gehirns unter verschiedenen Einflfissen, yon Rieger und J o l l y t ) bei Untersuchung der Frage fiber die Einwirkung der Reizun~ sensibler Nerven auf die Piagefasse; and wahr- scheinlieh noeh yen vielen Forsehern.

Ueber die Teehnik der Methode ist nicht viel zu sagen: ein Trepanloch wird auf dem Scheitel, am besten wohl night allzunahe der Mittellinie, angelegt, die Dura im Umkreise der Oeffnung vorsichtig entfernt und eine gut passende Glas- scheibe hineingekittet oder mit Collodium fixirt, wobei man darauf zu achten hat, dass keine Luftblasen zwisehen dem Glase und der Pia stehen. Hierauf kann die Beebaehtung unter auffallender Beleuehtung mit der Lupe oder dem Mikro. skope vorgenommen werden.

Mit allen ¥orsichtsmassregeln ausgeffihrt, ist diese Me- rhode ohne Zweifel yon nicht geringem Werthe, obgleich nicht verneint werden ]~ann, dass die in der TrepanSffnung liegen'- den Gefi~sse durch den Eingriff vielleicht in nicht geringem Grade modificirt werden; sic sind, wenn aueh nut ftir einen Augenblick der ~usseren Sttitze beraubt, welehe ihre W~tnde normal besitzen, die Form der Glasscheibe ist nicht dieselbe~ wie die des entfernten Knochensttickes u. s. w. Die so ge- wonnenen Resultate sind auch theilweise einander wider- spreehend.

Ich meinerseits habe diese ~Iethede bei meinen Yersuchen fiber die Yerltnderungen der Bluteirculation in der Seh~del- h(ihle nieht angewandt, haupts~chlich weil sie mir kaum pas- send erschien bei Thieren mit so feinen und zarten Piagefassen, wie die Kaninehen, an denen ieh experimentirte. Jelly 's , bei

*) Ueber den Einfluss tier Erstickung auf die Menge des Blutes im C~ehirn. ¥irchow's Arch. XV. S. 4[0.

**) Zar Lehre yon der Blutbewegung ~m Innern des Sch~- dels. Petersburg. Med. Zeitschr. 1866 XI. S. 122.

***) Untersuchungen fiber den Hirndruck und die Blutbewegung im Schiidel. Wfirzburg 1871.

t) Ueber die Veriinderungen der Piagef~isse in Folge yea Reizung sensibler Nerven. Yirch. Arch. LII. S. 218.

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ahnlichen Untersuchungen nach derselben Methode, durchweg negative Resultate haben gerade aaeh nieht aufmunternd ge- wirkt. - - Gleiehwohl dfirfte sie in gewissen Fiillen ein wich- tiges Hi~tfsmittet bleiben, besonders wenn sie bei ¥ersuchen an Hunden angewandt wird.

b) Beobachtung der Vo lumve rande rungen des Gehirns.

Das Factum, dass die entbl~sste Dura oder auch das freiliegende Gehirn in einem Trepanloche oder bei trauma- tischen und pathologisc.heu Defecten des Schi~dels pun sirende Bewegungen zeigt, ist nattlrlicb schon vor langer Zeit beobachtet worden. Dasselbe Phi~nomen zeigt sich bei Kindern mit offenen Fontanellen. Diese Pulsation zur

klaren Anschauung zu bringen und ihren Rhythmus zu

studiren and zu registriren, hat viele Forscher beschaftigt.

Der Italiener R a v i n a *) dtirfte einer der ersten gewesen sein, welcher den Charakter der Pulsation anschaulich zu machen versuchte; er ftigte in eine Trepanationsi~ffnung eine mit Wasser gefilllte HolzrShre ein and die Pulsation pflanzte sich dann auf die Wassersiiule im Rohr fort. L e y d e n * * ) ver- vollkommnete spi~ter dieselbe Methode, indem er eine mit Wasser geftillte GlasrShre einschraubte. Y. v. B rans*** ) studirte die Pulsationen in einem Sehi~deldefect derart, dass er dureh sie einen Hebel in Bewegung setzen liess, der die Am- plituden ihrer Bewegungen vervielfaltigte. J o l l y ~), der eigentlich beabsichti~e, den Hirndruck zu messen (siehe weiter unten), eonstruirte einen Manometer, tier mittels eines Sehwim- mers und eines tIebels die Hirnpulsationen angab und ver- zeiehnete. In neuerer Zeit haben mehrere Forscher mit ver- vollkommneten, hauptsaehlich auf clef M arey 'schen Trommel basirten Instrnmenten die Volumveranderungen des Gehirns

*) De motu cerebri in ~[~moires des sciences de Turin. 1811. **) Beitriige u. Untersuch. zur Physiologie and Pathologie

des Gehirns. Virch. Arch. XXXVII. S. 520. ***) Die chirurgischen Krankheiten und Verletzungen des Ge-

hirns und seiner Umhiiliungen. Tiibingen 1854. L S. 601. -i-) Loc. cit.

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sorgfaltig studirt und gral)hisch dargestellt. Unter diesen miissen hervorgehoben werden: Mosso*), tier die Pulsation des Gehirns mit tier des Armes verglich, welche (lurch den Plethysmographen anschaulich gemaeht war; Ft. ]~'ranck**), Br i ssaud***) und besonders Salathd-~)~ welche mit grossem Erfolge versucht haben, die Resultate ihrer zahlreichen Yer- suehe gTaphiseh darzustellen.

Die eben geschilderte Methode ist hauptsiichlich qua- li tatNer /qatur; sie gibt eine Vorstellung ~tber die Art tier Volumveri~nderungen des Gehirns, abet ihre Varia- tionen unter versehiedenen Umstanden, abet sie giebt keinen sicheren quantitativen Begriff fiber die Gr0sse tier Volumverlinderungen und die Druckvariationen in der ge-

schlossenen Sch~delhOhle, yon denen dieselben begleitet sind. Und gleichwohl ist es yon h(ichster Wiehtigkeit, hieraber Aufschluss zu erhalten. Wit gehen daher tiber zur:

c) M e s s u n g des i n t r a c r a n i e l l e n D r u c k e s .

Obgleich schon Magendie bemerkt, dass der Druek in tier Sch~delh()hte ein loositiver ist und messbar sein miisste, soweit er sich in der Spannung der Cerebrospinalfiiissigkeit iiussert, so diirfte doch Le)~den "~t) der erste gewesen sein, tier eine )Iethode, ihn zu messen, gesucht und angewandt hat. Seine Methode war in Kiirz~ folgende: In ein TreI)anloch yon 11/2 Cm. Durchmesser, mit unverletzter Dura (an Hunden), wurde eine gerade R(~hre yon 36 Cm. LSnge eingeschraubt, diese wurde mit Wasser gefiillt, welches in der R•hre auf ein gewisses Mittelniveau sank, dessen Variationen die fortge- pflanzten Hirnpulsationen bildeten. In tier ~N~he dieses Trepanloches wurde ein anderes gemacht, in welehem die

*) Ueber den Kreislauf des Blutes im mensehlichen Gehirn. Lei13zig 1881.

**) Journal d'anatomie et de 13hysiologie. 1877, Mai. S. 26. ***) Travaux de l~boratoire de )farey. 1877. 13. 137.

t) Recherches sur le m~canisme de la circulation de la cavit4 cerebroraehidienne. Travaux de laboratoire de Marey. 1876.

i t ) Loc. cir. Virch. Arch. XXXVII. S. 520.

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Dura entfernt wurde. Sogleich sank das Niveau in der geraden Glasr8hre. Nun wurde in denl zweiten Loche ein Manometer festgeschraubt, dessen aufsteigender Theil rait Wasser geftfilt war, wahrend sich in dera Uf(irraigen Queeksilber befand; durch eine Seitenleitung rait Krahn konnte Fltissigkeit in den aufsteigenden Theii eingespritzt werden. Darait wurde fort- gefahren, bis die Fltissigkeitssgule in der geraden G]asr0hre dasselbe Niveau erreiehte, welches sic vor ErSffnung der Dm'a im anderen Trepanloche innehatte. Der hierzu n(~thige Druck wurde irn Quecksilber-Manoraeter abgelesen und als intra- cranieller Druck angenolnraen.

Es ist jedoeh kaura zuzugeben, dass durch diese corapli- cirte Methode der intracranielle Druck wirklich geraessen wurde. L e y d e n beabsichtigte, den Druck zu raessen, der n0thig ist, um die Dura ira ersten Trepanloch auf dasselbe Niveau zu bringen, welches sic vet Oeffnung der Dura ira andereu Tre- panloche innehatte. Als Indicator benutzte er eine Fltissig- keitssi~ule in der geraden (llasrtihre; das Wasser wird aber auch yon den Venen in der Diploe ndt Leichtigkeit resorbirt, und wet kann sagen, ob im Laufe des Versuches die Wasser- raenge in der R(~hre constant ist? eine kleine Verlninderung giebt doch schon einen bedenkliellen Fehler.*) Auch kann mit A l t h a n n **) angeraerkt werden, class schon eine einfaehe Trepanation die Spannung in der SehMelh(Shle vielleicht ver- andert.

Jolly***), der yon L e y d e n ' s Methode nicht zufrieden- gestellt war, schhg folgenden Weg ein: in ein Trepanloeh yon 1--2 Cra. Durehmesser, in dera die Dura entfernt war~ wurde ein Quecksilber-Manometer, iihnlich dem Leyden'schen, eingesehraubt und ausserdem rait Schwimmer und dazu ge- hSrendem tIebelarm versehen, der die Bewegungen des Queck- silbers zehnfach vergrt~sserte. Er wartete so lange his alas Quecksilber ein constantes Niveau im Manometer annahra und

*) L. sollte einen anderen Indicator gew~Lhlt haben, z.B. eine nicht resorbirbare Fliissigkeit, einen leichten Itebel oder dergl.

**) Beitr. z. Physiologie u. Pathologie der Circulation. I. Der Kreislauf in der SchiidelriickgratshShle. Dorpat 187t. Den tibrigen yon A l t h a n n geraachten Anraerkungen, z. B. iiber die ungteiche Fortpflanzung des Druckos in tier Sch~delhShle u. dergl, kann keine (}iltigkeit zugesehrieben werden.

***) Loc. cit.

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Untersuchungen fiber Cireulationsverh~iltnisse etc. 75

glaubte damit den intracranicllen Druck gefunden zu haben. Bisweilen benutzte er auch eine gerade mit '/3 pCt. Kochsalz- lOsung geffillte GlasrOhre; auch dann wartete or, bis dam Niveau constant wurde. Gcgen Jo l ly ' s Methode kann ein- gewendet werden, dass bet Er~ffnung der Darn Cerebrospinal- fltissigkeit abfliesst und der Druck in der Sch~dc]hJhle an- dutch vergndert wird; abet wie auch ich gefimden, d~trfte er bald wiederhergestellt seth, welehen Augenblick ja Jo l ly auch abwartet. Eine gewiehtigere Einwendung abet ist die, class jede Yergnderung in der intraeranie]len Spannung auf den Manometer nur dann wirken kann, wenn Flt~ssigkeit arts der Scht~deIh0hle in denselben, oder umgckchrt~ wenn Fltissigkeit aus dem Manometer in die Sch~tdelhJhle eintritt. Es ist nicht wahrsehein]ich, dass in jedem Falle in geh6riger Menge Cerc- brospinalflfissigkeit produeirt und resorbirt wird. J e l l y ' s Manometer kann vielleicht den normalen Druck auf der Him= convexitgt messon, aber er misst nicht sicher und schnell dessen Veranderungen.

B e r g m a n n * ) hat versucht, den intracraniellen Druek derart zu messen, dass eine Stecheanfile, welche mit cinem Manometer im Zusammenhange stand, dureh das Ligament. obturat, atlantis hineingestossen wurde; und W. Koch glackte es nach B e r g m a n n ' s Angabe den so gemessenen Druck zu verzeichnen. Die Stelle ffir die Druckmessung war ohne Zweifel gut gewghlt, wcil sieh dort eine betrgchtliche Menge Cerebrospinalflfissigkeit finder, aber gegen die Methode gilt doch dieselbe Anmerkung, die eben gegcn Je l ly ' s Verf~hren gemacht wurde: der Manometer kann die Druckvariationcn nicht richtig angoben, ohne dams Cerebrospinalfltissigkeit in gehOriger Menge ein- und austritt.

Key und Retzius**) haben auf ganz analoge Weise den Druck im R~ickenmarkscanale gemessen, indem sic den Bogen eines Wirbels (am gunde) trep~nirten. Aueh hier gilt derselbc Einwurf.

Es scheint mir, dass far die Messung des intra- craniellen Druckes dieselbe Forderung gestellt werden

*) Die Lehre yon den Kopfverlctzungen. Deutsche Chirurg. Lief. 30, S. 292.

**)L c. I. S. 186.

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muss wie bei Messung des intraocularen Druckes geltend gemacht wurde, d.h. das Manometer muss so eingerichtet sein, dass kein Eintritt yon Fli~sigkeit in die SehadeI- h0hle noeh Austritt aus derselben stattzufinden braucht. Ich babe daher bei meinen Versuchen, den Druek in der SchadelhShle zu messen, das yon mir oben besehriebene Manometer benutzt. Ich habe dasselbe mit einer massig feinen Stichcanfile (Lumen ungefi~hr 11/2 Mm.) verbunden, welche ieh dutch das mittels eines Querschnittes entbl0sste Ligam. obturat, atlant, einftlhrte. Dieses Verfahren hat abet bei kleinen Thieren, wie Kaninchen, seine Schwierig- keiten, weil die Canille leicht die Medulla oblongata ver-

Fig. 1.

letzt, daher babe ieh auch versucht, den Druck auf tier tIirnconvexiti~t zu messen. Ich machte in diesem Falle Bin Trepanloch yon 8 Mm. Durchmesser und schraubte dort ein metallenes Ansatzstack hinein, das naeh oben zwei 0effnungen hatte. Die eine wurde durch eine Kaut- schukr~ihre mit dem Manometer verbunden; fiber die andere wurde ein kurzes Stfick eines d~innen Kautsehuksehlauches gezogen, worauf ein feiner Metallhaken durch denselben eingefahrt und in die Dura eingehakt wurde (s. Fig. 1).

Dutch Umbindung des Kautschukschlauches wurde diese 0effnung geschlossen. Der ganze Apparat ist natfir- lich mit 1/~procentiger Kochsalzl~sung gefallt. Dutch einen Ruck mit dem tIaken wurde die l)ura ge6ffnet und der Druek wie gew6hnlich abgelesen, ieh fand abet, dass

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Ulltersuchungen fiber Circulationsverh~ltnisse etc. 77

diese Einrichtung die Dura zu 8ffnen, gar nicht noth- wendig ist, denn, aueh wenn die Dura frei geSffnet und das hnsatzstQck darauf gesehlossen wird, stellt sich der Druck sehr schndl wieder her. Mir scheint, dass gegen diese Methode, wenigstens theoretisch, wenig Einwendungeu gemacht werden k~nnen.

Falls der Druck in der Cerebrospinaleavit~, wie wahr- scheinlich ist, in allen Theilen far gleieh hoch angesehen werden muss, muss er auch in einem kiinstlich gesehaffe- nen Subaraehnoidalraum auf der I-Iirnconvexit~t ebenso gemessen werden k5nnen wie in einem wirkliehen an der Hirnbasis.

Eine andere Frage ist, ob sich die Druekverande- rungen bei Eingriffen, die nur eiuem Theile des Gehirnes gelten, such nach allen Richtungen fortpflanzen.

d) B e s t i m m u n g des B lu td ruekes und der Strom- geschwind igke i t in den t I i rngef~ssen.

Mail erh~lt eine Vorstellung yon dem ar te r ie l l en B l u t d r u c k e in den Zweigen der Carotis in te rna n~eh der yon mir oben beschriebenen Methode ft~r Bestimmung des Druckes in der After. ophthalmica. Denn es kann mit grSsster Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass in den Gef~ssen, welche sieh in der Pia verzweigen, tier Druek einigermassen mit dem in der Art. ophthalm. herrschenden abereinstimmt. Jedenfalls erh'~lt man einen Begriff yon den Druekvariationen im Carotisgebiet bei ge- wissen Eingriffen.

~[ehrcre Forscher hubert versueht, den Blutdruek im Sinus durae matris zu bestimmen. Key und Retzius*) staehen den Sinus longitudin~lis beim Hunde an und fiihrten eine Glascanfile ein, welche mit einem mit Sodalgsung ge-

*) Loc. cit. S. 186.

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fiillten Manometer in Verbindung stand, ]~Iosso*) bestimmte den Druck auf die gewOhnliche Weise in demselben Sinus, wiihreud er zugleieh den Druek in der Yena femoralis be- stimmte. Cra.mer**) hielt es flit uomSglich, den arteriellen Druck im Gdfirne zu bestimmen und land zugleich die Be- stimmung des Druekes im Sin. longitud, sehwer ~usfahrbar, ohne dass Cerebrospin~lfitissigkeit herausfloss; er entsehloss sich daher, an Stelle de, sen den Druck in der Vene zu messen, welche die ttauptmasse des Gehirnblutes fortfiihrt, - - n~imlich der Vena jugularis interna, welche sieh beim Huncle und Kalbe nebst der Ven~ faei~lis h~uptsSchlich in die Vena jugu- 1,~ris extern~, entleert. Da die Sinus des Gehirns klappenlos sind, betrachtete er den Druek in dieser Vene als dem in den Sinus herrschenden beinahe entsprechend; hiertiber kOnnen jedoch begrtiudete Zweifel gehegt werden schon auf Grund der viel niedrigeren Werthe, die Craraer im Vergleich mit den far den Druck in den Sinus eonstatirten gefunden hat. Er curarisirte oder narcotisirte die Versuehsthiere und benutzte ein Kymogral)hion (das Manometer enthielt Salzl0sung).

Eine wirkliche Vorsteilung yon der Blutcirculation

in einem Gebiete gewinnt man aber keineswegs, wenn man nur den Blu(druck, sei es in den zu-, sei es in den abfiihrenden Gefi~ssen, bestimmt; man muss auch die Ge- s c h w i u d i g k e i t des B l u t s t r o m e s kennen . Soweit mir bekannt, sind derartige Ve, rsuche nicht fiir die Gefi~sse

des Gehirns ausgefahrt wordeu; ihre Technik bietet auch

grosse Schwierigkeiten. Bei meinen Untersuc.hungen ***) aber gesteigerten Hirndruck ha.be ich jedoch mit L ud wig's Stromuhr einige Messungen der Geschwindigkeit des BIutstromes in der Caroiis interna an Hunden ausgefahrt.

In diesem Zusammenhange miissen auch die Versuche

*) Ueber den Kreislauf des Blutes ira raenschlichen Gehirn. Leipzig 1881.

**) Experiment. Untersueh. lib. den Blutdruck ira Gehirn. Diss. Dorpat 1873.

***) Sie wurden alsbald in der deutschen Litter~tur ver- 5ftentlicht.

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Untersuehungen iiber Circulationsverh~ltnisse etc. 79

yon B e r g m a n n und G a e t h g e n s *) angeffihrt werden, welche die Lymphmenge massen, die sich in einer ge- wissen Zeit aus einem der grossen Lymphgefi~sse am tIalse (bei Pferden) ergiesst, w~hrend gleicbzeitig ver- schiedeue anf die Hirncirculation wirkende Eingriffe vor- gonommen wurden.

III. E x p c r i m e n t e l l e U n t c r s u c h u n g e n t iber die C i r c u l a t i o n s v e r h ~ t l t n i s s e des Gehi rns .

Die ausserordentliche Bedcutung, welche die Hin~- circulation nicht nut mit Hinsicht auf die Pathologic dieses 0rganes besitzt, sondern auch secundar ftir die wichtigsten Functionen des K~rpers, hat schon fr[ih die medicinische Forschung veranIasst, diesem Kapitel grosse Aufmerksamkeit zu widmen. Lunge begnngte man sich jedoch mit theoretischen Speculationen, die theilweise sehr abentet;erlicher Art, und um so unsicherer waren, als die Kenntniss tier anatomiscben Verh~Itnisse noch mangel- haft **) war.

Durch M a g e n d i e wurde ein wichtiger Factor ftir die Erkl/~rung der Circulationsph~nomene im Gehirn n~ther bekannt, ~aamlich die Cerebrospinalfltissigkeit. Seitdem ferner durch neuere Untersuchungen sicher festgestellt ist, dass eine freie Communication zwischen den Ventrikeln des Gehirns und s~mmtlichen Subarachnoidalr~umen des Gehirns und Rtickenmarks existirt, und nachdem gleich- falls die Abflusswege der Cerebrospinalflfissigkeit n~her

*) Ein Beitrag zur Circulation in tier Seh~delhShle. Dissert. Dorpat 1872.

**) Althann hat eine gute Uebersicht der aufgestellten Theorleen geliefert; wir verweisen auf ihn. Dieser Verfasser hat im Uebrigen aueh ~iel zur Kl~rung der Frage fiber den Blut- umlauf in tier Cerebrospinalcavit~t beigetragen, wenngleieh seine Darstellung wesentlieh theoretisch ist and keineswegs in allen Punkten acceptirt werdon kann.

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beleuchtet sind, konnten die experimentellen Forschungen in Betreff der Blutcirculation im Gehirne und deren Vet- /~nderungen unter verschiedenen Einflt~ssen, mit grOsserem Erfolge betrieben werden.

Bei der Besehreibung der Untersuchungsmethoden, die bei den jetzt beabsichtigten Forschungen in Anwen- dung kommen, haben wir auch die Gelehrten gena~mt, welche sich auf diesem Gebiete der Medicin haupts~lflich verdient gemacht haben.*) Als besonders bedeutungsvoll m~issen hier hervorgehoben werden: die Untersuchungea von Kussmau l ,.rod Tenner tiber Gehirnan~mie, die Beobachtungen yon Donders, Ber l in und Ackermann fiber die Circulation in der Pia, die Versuche yon Leyden und J o l l y tiber den intracraniellen Druek, yon denen be- sonders die Jol ty 's umfassende waren, die Arbeiten yon Mosso, F ranck und Salath5 tiber Gehirnpulsationen.

In Folge der theilweisen Unvollkommenheit der expe- rimentellen Hilfsmittel und der vielen Schwierigkeiten des Problems sind die Fragen, welehe sich auf die Circulation des Gehirns beziehen, noch lange nicht hinreichend be- leuchtet. Die Uebersicht, wel~he ich yon dem Wesent- lichsten des bislang Constatirten liefern werde, ist fast noch knaloper als die, welehe ieh tlber die Circulations- verh~ltnisse des Auges mittheilen konnte.

Ich meinerseits konnte nur mit wenigen Versuchen fiber den intracraniellen Druek und seine Modificationen zur Kl~rung der Frage beitragen.

Vorerst mtlssen wit unsere Aufmerksamkeit den nor- malen Druek- und B l u t u m l a u f s v e r h ~ l t n i s s e n im Gehirne zuwenden.

Der ~ntracranielle Druck ist yon Leyden, naeh einer, wie wit gesehen, mangelhaften Methode, auf 10~11 Cm.

*) Wo ich in folgender Darstellung Arbeiten dieser Forscher ohne besondere Citation anfiihre, geschieht dieses im Hinblick auf ihre schon oben aagefiihrten Schriften.

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Untersuchungea fiber Circulationsverhi~ltnisse etc. 81

Wasserdruek oder 8--9 Mm. Quecksilberdruck bestimmt worden, hls Messungsstelle diente die Convexi~t des grossen Gehirns an Hunden. Jol ly , der gleichfalls den Druck auf der Convexit&t des Gehirns mass, erhielt sehr verschiedene Zahlen: an Hunden in drei Fallen 25--74, 140--145, 41--45 Mm. Aq.; an Kaninohen meistens 20 bis 40 Mm. Aq. Nach Koch, der den Druck unter dem Ligam. obtur, atlant, mass, betrug derselbe ungefahr 60 Mm. Aq. Bergmann land naeh derselben Methode 80 Mm. Aq. Key und Retzius fanden im Subarach- noidalraum de~ Wirbelcanales an Hunden einen etwas h{iheren Druck, niimlich bis 16--20 Mm. Hg. Ich meines- theils babe in einer Reihe yon Versuchen far das Kanin- chert folgende Zahlen gefunden: auf der Hirnconvexitat: 6--7, 6, 5, 5, 6, 4, 8, 5--6 Mm. Hg und an der Him- basis unter dem Ligam. obt. atlant. 4--5, 5 Mm. Hg.

Meine Zahlen stimmen also recht gut unter einander, wie mit denen yon Koch und B e r g m a n n ilberein.

Alle haben Druckvariationen isoschron mit dem Herz- schlage gefunden, und grSssere, welche die Respiration begleiteten derart, dass ein Druckmaximum mit der Ex- spiration und ein Minimum mit der Inspiration zusammen- fiel. Bei tiunden sind die respiratorischen Oseillationen sehr betricbtlich, oft bis 40--50 Mm. Hg betragend, bei Kaninchen naeh J o l l y geringer, 2--5 Hg. Schon aus den rhythmischen Hebungen der Fontaneilen und des Ligam. obt. atlant., sowie aus der Pulsation, die im Tre- panloche und bei pathologisehen Defecten des Scbadels beobachtet wird, kann auf das Vorkommen derartiger Druckvariationen in der Schidelh0hle, welche mit den Verinderungen des allgemeinen Blutdruckes zusammen- fallen, geschlossen werden; aus den oben erwahnten gra- phischen Versuchen yon Mosso, Franck uud Salath6 geht hervor, dass diese pulsatorischen Bewegungen genau die Respiration und den Puls begleiten, derart, dass bald

v. Graefe's Archly filr Ophthalmologi~ XXX. 4. 6

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beide sieh geltend machen, bald die eine oder andere iiberwiegt (die respiratorischen Pulsationen bei Geschrei, die den tIerzschlag begleitenden bei ruhiger Athmung und Schlaf).

Es ist Gegenstand vieler wissenschaftlicher Debatten gewesen, ob diese sog. Gehirnbewegungen aueh in der geschlossenen Sch~tdelh0hle stattfinden. Die Frage hat haupts~chlieh ein Interesse im Zusammenhange mit der Frage: ob und auf welche Weise schnell vor sich gehende Veranderungen ira Blutgehalt des Gehirns m0glich sind. So lange man noch keine Kenntniss yon (Ier Cerebrospinal- fitissigkeit und ihrer fTeien Beweglichkeit hatte, erforderte es eine gewisse Logik, die UnmSglichkeit derartiger Ver- iinderungen anzunehmen. Es war dies die Monroe- K e l l i e - Abercrombie'sche Doetrin. Donder s , der gleich Berl in dureh sein Glasfenster beobaehtet hatte, dass die Blutfiillung in der Pin wirklich, unter anderem aueh im Zusammenhang mit Herzsystole und Respiration, verlinderlich ist, sprach die Meinung aus, dass die Cere- brospinalfiiissigkeit bei stfirkerem arteriellen Blutzuflusse aueh unter h0heren Druek komme und in grSsserer Menge durch die Capillaren resorbirt werde, class dagegen bei vermindertem arterieilen Zuflusse eine gr~)ssere Trans- sudation stattfinde; derart sollte die Blutmenge im Gehirn obneSchwierigkeit wechseln k0nnen. A l t h a n n und nach ihm Bergmann*) , sowie auch Richer , Darer , Sa- lath~ und Andere, haben diese Theorie hauptslichlieh aus dem Grunde verworfen, dass auch wi~hrend tier Exspira- tionsphase IIirnpulsationen isosehron mit dem Herzschlage vorkommen, obgleich der Abfluss des Blutes aus dem Ge- hirn wahrend dieser Phase behindert und also eine ver- mehrte Resorption unm0glieh sei. Sie baben start dessert angenommen, dass die bei der Systole eintretende gr~issere

*) Bergmann loc. cit. S. 279 ft.

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Untersuchungen iiber Circulationsverhi~ltnisse etc. 83

Blutmenge derart Platz finale, dass die Cerebrospinal- flassigkeit in den Subarachnoidalraum des Rfckenmarks verdrangt, sowie der Durasack ausgedehnt werde, da ja tier Rackgmtscanal durch seinen Bandapparat eine solche Dehnung gestatte *); bei vermindertem Blutzuflusse wfrde die Flassigkeit wieder zurfckstr6men. B e r g m a n n giebt sich grosse Mfhe, die Wahrheit dieser Theorie fiber das Ab- und Zustr0men der Cerebrospinalflfssigkeit zu be- weisen; er sucht auch zu beweisen, dass die hnnahme eines vermehrten Abflusses genannter Flt~ssigkeit keine befriedigende Erklarung giebt, denn dieser Abfluss ge- schieh~, wie er (fi~lschlich) meint, beim Menschen nut dutch die Pacchionischen Gr~nulationen im Sinus durae matris, und es warde also dieselbe Einwendung gelten wie gegen Donder 's Theorie.

Jedoch erscheint auch B e rgmann ' s etc. Theorie allzu einseitig und es fehlt ihr ausserdem ein directer Beweis. Ohne Zweifel liegt die Wahrheit bier, wie so oft, in der Mitre. Wenn z. B. bei Herzsystole eine vermehrte Blut- menge in die Arterien der Cerebrospinalcaviti~t getrieben wird, wird tier Druck in denselben unmittelbar erhSht. Dieser erh0hte Druck, uuter dem die Cerebrospinalflassig- keit steht, strebt ohne Zweifel den Durasack auszudehnen, zugleich wird aber auch momentau der ohne Zweifel be- standig vor sich gehende hbfluss dieser Flfssigkeit durch die Lymphbahnen, die Saftwege der peripheren Nerven, und m(~glicherweise auch die Sinus der Dura beschleunigt, welc he letztgenannte auch wahrend der Exspirationsphase

*) Dass auch das Lig. obtur, alt. pulsirt, ist kein Beweis fiir die Verdr~ngung der Cerebrospinalfliissigkeit aus tier Sch~del- hi~hle; daraus geht fur hervor, dass Pulsation auch in der SpinaI- cavit~t vorkommt. -- Ein sch]agenderer Beweis w~re z. B., wenn man das Riickenmark dicht unter der ~iedulla umb~nde und dann constatirte, dass darauf keine Wechsel im Blutgehalt des Gehirnes mehr vorkommen oder fur ~usserst geringe sind.

6*

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guge Gelegenheit haben, sich in die extracraniellen Venen zu entleeren. Ich sage ,,mSglicherweise", denn es scheint wenig wahrscheinlich, dass die Cerebrospinalflllssigkeit normalerweise durch die Venen in der Schadelh0hle anders als vielleicht durch Endosmose abgeht; es ist namlich a priori klar, dass der Druck sowohl in den CapiIlaren wie Venen der Schi~delh0hle gr0sser sein muss als tier umgebende Druck, wenn nicht die Circulation gehemmt werden soll; m0glicherweise k0nnten die verhiiltnissmassig festen Wande, welche den ven(isen Sinus zukommen, einen zufalligen hOheren Druck ausserhalb als innerhalb der- selben zulassen, aber ein solches Verhi~ltniss, das ohne Zweifel nachtheilig auf die Circulation wirken mt~sste, kann doch kaum Regel sein. Ausserdem hat Mosso*) beim Hunde einen sehr hohen Blutdruck im Sin. longitud. gefunden bis 70--110 Mm. Hg. Key und Retz ius**) haben wohl in demselben Sinus nur einen Druck yon 12---16 Mm. Hg gefunden, aber beim Einftihren der Cantile konnte Blur abfliessen.

In den mittelgrossen Arterien des Gehirns kann der Blutdruck nach meinen Messungen des Druckes in der Art. opbthalmica fiir etwas geringer angenommen werden als der Druck in der Carotis.

Bemerkenswerth ist, dass der Blutstrom im Sinus longitudinalis, wie nach Cramer auch in der Vena jugu- laris interna, pulsirend gefunden wurde; diese Pulsation ist wahrscheinlich yon der Cerebrospinalflt~ssigkei~ fort- gcleitet. Der normale Druck in dieser Vene, welchen letztgenannter Beobachter als fast gleich mit dem Drucke im Sinus transversus annimmt, wurde yon ihm zwischen 50 und 278 Mm. Aq. wechselnd 3efunden.

*) Loc. cir. **) Loc. cir. S. 187.

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Untersach~mgen tiber Circulationsverh~ltnisse etc. 85

Es ist ktar, dass der intracranielle Drack normal darauf beruht, dass der Theil des Blutdruckes, welcher nicht vom Tonus und tier Elasticitat tier Gefasse getragen wird, sich auf die Cerebrospinalflfissigkeit fortpflanzt, denn wenn tier Blutdruek 0 wird, bei eingetretenem Tode, sinkt auch der intracranielle Druck auf 0. Bekanntlich bleibt auch naeh dem Tode eine bedeutende Blutmonge in den Hirngefassen hath. Negativ kann er offenbar niemals werden, well der atmosphlirische Druck dutch Vermittelung tier Gefasse aueh aufs Gehirn wirkt.

Dass der intracrmielle Druck niedriger ist ats der intmoculare, tier ja theilweise auch auf der eigenen Span- hung der Augenfltissigkeiten beruht, kann nicht Wunder nehmen, denn letzterer hat die specielle und fQr die Function des Auges wiehtige Aufgabe, die Form des Auges zu erhalten.

In Analogie mit dem, was wit ffir das Auge consta- tirt haben, muss auch der Gefasstonus einen grossen Ein- fluss auf die Blutmenge und Spannung in der Schi~del~ h(ihle haben. Ebenso muss eine abnorm vermehrte oder verminderte Secretion odor Filtration yon Cerebrospinal- fltissigkeit eine bedeutende Rolle spielen, huch ein er- htihter odor verringerter iiusserer Druck muss Wirkungen, analog tier ffir das Auge gefundenen, hervorbringen.

Die nun folgende Uebersicht tiber die Veriinderungen der Hirncirculation unter versehiedenen Einfltissen ist daher naeh denselben Gesichtspunkten zusammengestellt, wie die, welehen wir bei der Darstellung der Circulations- verhiiltnisse des Auges folgten.

1. Ver~tnderung des Blutdruckes .

a) E r h 0 h t e r Blutdruck.

Soviel mir bekannt, sind nut von Cramer Versuche angestellt worden, durch Compress ion der Aorta des-

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cendens eine collaterale Hyperamie des Gehirns hervor- zurufen und deren Wirkungen zu studiren. Er fund, dass darauf eine Erh0hung des Blutdruckes in der Vena jugu- laris int. im Verhaltniss von 1:1,74 (h0chstens) folgte. ¥iele hubert einen anderen Weg eingesehlagen, um den Blutdruck zu erh~hen, niimlich die Injection yon defibri- nirtem Blute in die Carotis unter hohem Drueke. Cru- met, welcher in das periphere Ende der Carotis unter einem Drucke yon 2--500 Mm. t]g injicirte, fund, dass der Blutdruck in der Ven. jugul, int. ziemlich proportional dem angewandten Drueke bis uuf das Ft~nffuche des ur- sprtingliehen Druckes stieg. Gae thgens spritzte an Pferden unter einem Drueke yon 700--1200 Mm. Hg de- fibrinirtes Blut in die Carotis ein und verglich die dabei aus einem Lymphstamm am Hatse abfliessende Lymph- menge mit der, welche normal in der gleichen Zeit abge- sondert wird; er fund eine Vermehrung im Verhaltniss yon 1,95 : 4,14 (nach der Injection 2,55). Auch Jo l ly ' s Versuehe, eine 1/2procentige Kochsalzl(isung unter hohem Dmcke einzuspritzen, mi~ssen bier angefahrt werden; er fand eine constunte, abet vergleichsweise geringe Steige- rung des in~racraniellen Druekes, bei einem Kaninchen z. B. bei Druck von 120--150 Mm. Hg yon 18 auf 50 his 60 Mm. Aq.

Betrachten wir in diesem Zusammenhange den er- s chwer ten ~ ven(isen Abf luss , dessen Folge aueh er- hShter Blutdruck ist sowohl in den Venen wie in den Capillaren. Cramer hatte gefunden, dass Ligatur tier Ven. jugul, int. auf einer Seite den Druck in derselben Vene auf der anderen Seite im Verhliltniss yon 1:1,5 bis 2,7 erhOht. J o l l y fund bei Compression beider Venae jugul, commun, eine Steigerung des intracraniellen Druekes bei I-Iunden in einem Fulle yon 30--75 auf 70--120 Mm. Aq., beim Kaninchen yon 13 auf 21 Mm. Aq.,

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Untersuchungen t~ber Cireulationsverh~itnisse etc. 87

er sail auch eine st~rkere Blutfatlung in den Gef~ssen tier Pia.

Ich erhielt f(~r das Kaninchen folgende Resultate"

1. Icr.*) auf der linken Seite des Scheitels gemessen: 5--6 •m. ; Ligatur der Yen. jug. ext. sin. (nachdem vorher die kleinen Ven. jugul, int. abgebunden worden): Icr. 8; Ligat. der Ven. jug. ext. dextri: allein keine Wirkung. Ligat. der Yen. jug. arab.: Unruhe -- Icr. 12.

2. Icr. auf tier linken Seite des Scheitels bestimmt~ 8 l~m.; Ligat. der Ven. jugul, ext. amb.: Ier. 10 Mm.

3. Icr. auf der linken Seite des Scheitels bestimmt, 8 Mm. Lig. der Ven. jug. ext. sin.: Icr. 1l; dito arab.: Icr. 13 und sparer 15--16, zugleich (lie Augen stark roth. l~aeh L0sung der Ligaturen Icr. 11.

Lando i s**) land, dass Ligatur der Yen. cava super. am Kauinchen epileptiforme Kr~mpfe bewirkt, was auf eine bedenkliche S~0rung des Blutumlaufes in der Sch~del- h0hle deutet.

Eine verl~ngerte E x s p i r a t i o n bewirkt gleiehfalls, wie F r a n e k graphisch bewiesen, venose Stase im Gehirn und Steigerung des intraeranie]len Druckes; ich habe dasselbe bei Anstrengungen und Unruhe des Versuehs- thieres oonstatirt. Compres s ion des T h o r a x , so dass die Inspiration dadurch sehr ersehwert wird, bewirkt naeh meinen Versuchen starke Steigerung der Spannung in der Seh~delh~hle wie folgende Ziffern zeigen: Ier. stieg dabei von 61/.~ auf 15, yon 5 auf 11, yon 4--5 auf 14 (ge- messen im Lig. obt. alb.), von 5--6 auf 15--20, yon 5--6 auf 11--12, von 8 auf 12. Aueh S e n k u n g des Kopfes hat eine fihnliehe Wirkung: ieh fand eine Steige- rung des Ier. yon 7 auf 10, 5 auf 8, 5--6 auf 14.

*) Ich verkfirze aui diese Weise die Worte: lntercraniener Druck.

**) Centrbl. £ d. med. Wissensch. 1867, S. 145.

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Ueberhaupt bewirkt also erschwerter venOser Abfluss eine bedeutende Stttrung im Blutumlauf des Gehirns.

b) V e r m i n d e r t e r Blutdruck.

Schon As t l ey Cooper*) zeigte, dass Hirnaniimie, entstanden dutch Ligatur beider Carotiden und Com- pression beider Vertebralarterien, beim Kaninehen Auf- hebung des Bewusstseins, Kriimpfe und Sistirung der Re- spiration mit sich fahrt. Kussmau l und Tenne r con- statirten in ihren bekannten Versuchen dasselbe Verhalten und zeigten, dass starke Blutverluste eine ahnliche Wir- kung haben; sie bewiesen durch directe Inspeotion nach Donders ' Methode die arterielle Anlimie und die ven(ise Oliglimie im Gehirn.

Die Wirkung einer Compression der einen Ca- ro t i s oder beider Carot iden ist dagegen gewtlhnlich weniger auffallend, trotz der sie begleitenden betracht- lichen Senkung des Blutdruckes, die ich bewiesen. Jo l ly fand am Hunde eine Senkung des intracraniellen Druckes um 6--10 Mm. Aq., am Kaninchen um 2 - 3 Mm. Aq. und bemerkte gleichwohl keinen Unterschied in der Blut- fQllung der Pia. Ich fand folgende Zahlen: Compression der Carotis auf derselben Seite: Ier. yon 1i auf 10, beider Carotiden: Icr. yon 11 auf 8, yon 61/~ auf 6, yon 5 auf 3 Mm. Hg.

Cramer zeigte, (lass der Druck in der Ven.jugul. int. bei Compression der Carotis auf derselben Seite im Ver- haltniss yon 1:06--0,8 abnimmt, tier Carotis auf der anderen Seite im Verhi~ltniss yon I :0,9--0,98, beider Carotiden im Verhliltniss yon 1:0,67--0,85.

huch bei verticaler K0rperstellung mit dem Kopfe nach oben sinkt beim Kaninchen der intracranielle

*) Guy's Hosp. Reports 1836 V. 1. S. 465.

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Untersuchungen fiber Circulationsverh~ltnisse etc. 89

Druck z. B. yon 5--6 auf 3 ]Vim. Salath6 zeigte auch, dass der Tod eintritt, wenn das Kaninchen 30--45 Min. in dieser Stellung gehalten wird.

Dass der Tod ein Sinken des intracraniellen Druckes auf 0 mit sich fiihrt, ist uns schon bekannt.

2. Ver~nder te r Gef~ss~onus.

a) E rh0h te r Tonus.

Ca l lenfe l s*) , Nothnagel**) und Vulpian***) haben in zahlreichen Versuchen gefunden, dass Re izung des Ha l s sympa th i cus beim Kaninchen und Hunde eine mehr oder weniger ausgepr~gte Constriction der Pia- gef~sse verursacht. Schul tz , sowie Riegel und Jo l ly bestritten dieses wohl, aber die positiven Versuche kSnnen deshalb doch nicht verneint werden. Inzwischen w~re es yon Interesse, dutch Messung des intracraniellen Druckes bei Sympathicusreizung die Wirkung derselben zu con- trolliren. Es steht nat~lrlich eine Verminderung des Druckes zu erwarten, sofern nicht eine Erh55ung des Blutdruckes stOrend dazwischen tritt. Jo l ly fand in der That beim Kaninchen eine geringe Steigerung des Druckes in der Scb~tdelhShle, um 20 und 9 Mm. Aq. Ich fand in einigen wenigen F~llen eine deutliche Senkung um 1/~--1 Mm. Hg. Es sind weitere Versuche nothwendig. Um eine starkere Wirkung zu Tage zu bringen, schlage ich vor, den Druck in der Sch~delh~hle k~lnstlich etwas

*) Ueber den Einfluss der vasomotorischen Nerven auf den Kreislauf und die Temperatur. Zeitschr. f. ration. ~[edicin 1855. YH. 2. S. 1.

**) Die vasomotorischen Nerven der Hirngef~sse. Virchow's Arch. XL., S. 203.

***) Lemons sur l'appareil vasomoteur. Paris 1875. I. S. 109; II. S. 12'2.

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zu erh0hen, dann wird sich die Wirkung einer Gef~ss- constriction deutlicher geltend machen.

Nicht nur dutch den Ha]ssympathicus, sondern auch auf anderen Wegen gehen gef/~ssverengende bTerven zu den Gefa.ssen des Gehirns. N o t h n a g e l sah derart bei Reizung sensibler Nerven eine reflectorische Contraction der Piagef~sse, auch wenn die tlbrigen Halsganglien herausgerissen waren (auch dieses wird yon Riege l nnd J o l l y bestritten).

Re i zung sens ib le r l~erven wtlrde nach Jo l l y bei curarisirten Thieren keine Ver~nderung des Hirndruckes bewirken, wohl abet bei wachen eiue Steigerung, welche er den st~rkeren Exspirationsbewegungen zuschreibt.

Meyer und P r i e b a m * ) haben eine reflectorische Wirkung auf die Piagefliss~ auch bei electrischer und mechanischer Reizung des Ma.gens beobachtet.

Electrische Reizung des per ipheren Endes des du rchschn i t t enen H a l s m a r k e s kann nicht ohne be- deutende St0rung der YerhSltnisse in der Cerebrospinal- cavit~t vorgenommen werden; sollte aber doch mit Hin- sicht auf die Frage tiber den verlauf der vasomotorisohen Nerven der Hirngefasse ausgeftihrt werden.

Durch Sis t i ren der Resp i ra t ion wird das vaso- motorische Centrum gereizt, die hauptsi~chliche Wirkung auf das Gehirn beruht abet doch auf der ven0sen Stase, welche die unterbrochene Respiration mit sieh ftlhrt. Ackermann beobachtete am Kaninchen bei Umscbnfi- rung tier Luftr0hre, dass der Durehme~ser der gr0sseren Piagef/isse allm~ilig zunahm, wi~hrend zugleich diese, wie die vorher rosenrothe Gehirnoberflache eine blaurothe cyanotische Farbe annahmen, aber ungef~hr 10--20 Se- cunden vor dem Tode zeigte sich eine immer mehr zu-

*) Siehe Rosenthal, K]inik tier Nerve~krankheiten. Stutt- gart 1875. S. 97.

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Untersachungen tiber Circulatiollsverhi~ltnisse etc. 91

nehmende Bl~sse, die beim Eintritt des Todes und auch nachher immer ausgesproehener wurde. Jo l l y fand in Uebereinstimmung hiermit anfangs eine Steigerung des intraeraniellen Druckes, dann Fallen. Bei einem meiner Versuehe stieg der Ier. in der ersten Minute naeh Sistiren tier Respiration yon 5 auf 11 (langsamer Puls), in der zweiten und dritten Minute auf 13, in der vierten Minute begann der Fall (sehneller, kleiner Puls), die Respiration wurde aber wieder in Gang gesetzt; Carotiseompression bewirkte ein Fallen yon 12 auf 7 Mm. Hg. Cramer fand in der Ven. jugul, int. eine Drueksteigerung im Ver- hiiltniss yon 1 : 2--4,4.

b) Verminder t e r Tonus.

Auch die Hirngef~sse verlieren temporfir dutch An- ~mie ihren Tonus. K u s s m a u l und Tenner sahen, wenn das Blur wieder einstr0men konnte, nachdem die zuftlhrenden Arterien comprimirt gewesen waren, bedeu- tende Hyperamie eintreten.

Die Wirkung auf den intracraniellen Druek ist eben- falls deutlich. Wenn das Gehirn durch k~nstlich ge= steigerten Druck far einen Augenblick fast blutleer ge= macht ist und dann das Blur wieder frei einstr~men kann, so steigt der intracranielle Druek: er betrug in einem Falle 20 Mm. Hg, in einem anderen 20--15 (urspranglieh 4--5). Wir werden sehen, welche grosse Bedeutung dieser Umstand in tier Frage tiber den pathologisehen Hirndruek besitzt.

Aber auch eine nur kurze Zeit wiihrende Compression der Carotiden zieht oft eine Drueksteigerung in tier Schadelh(~hle nach sich. J o l l y beobachtete dieses und ieh will folgenden Versuch anfahren:

Icr., auf der linken Seite des Scheitels bestimmt, betr~gt nach einigen Yersuchen mit Venencompression 11 Mm. Corn-

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pression beider Carotiden: Icr. 8. Compression beider Jugular- venen: Icr. 10. Compression der Carotis sin. aufgehoben: Jcr. 18; Compression beider Carotiden aufgehoben: Icr. 20, Unruhe, Krampfe, miihsame Respiration.

Obgleich Nothnage l naeh Aus re i s sung des obe- ten Cerv ica lgangl ion beim Kaninchen angiebt, Con- gestion in der Pia und auch erhOhte Temperatur in der entspreehenden Gehirnhi~lfte beobachtet zu haben, so habe ieh weder yon Ausreissung dieses Ganglion noch yon Durchschne idung des Sympath ieus irgend eine Wir- kung auf den intraeraniellen Druek gesehen. J o l l y hat dabei ein geringes Fallen des DTuekes beobachtet.

Andere bemerkenswerthe Versuche mit Aufhebung des Gefi~sstonus im Gehirn sind, sower mir bekannt, nicht angestellt worden.

3. Veri~nderte Menge von Cerebrospinal - f l t lss igkei t .

Es ist natilrlich, (lass eine erh(ihte Menge Cerebro- spinalfliissigkeit (sei es in Folge yon vermehrter Secretion oder behindertem Abilusse) den Druck in der Schlidel- h~hle erh0ht und die Circulation erschwert. Ich werde in einer Arbeit tiber den Hirndruck die Verhaltnisse stu- diren, die dabei eintreten.

Anzunehmen ist, dass auch eine verminderte Menge Cerebrospinalflfissigkeit, sei es durch verringerte Secretion, sei es dutch vermehrten Abfluss, auf den intracraniellen Druck und auf die Hirngefiisse einwirken kann, indem diese die i~ussere Stt~tze verlieren, die sie normal besitzen. Hieriiber ist jedoeh wenig bekannt. Mehrere Verfasser haben behauptet, dass in Folge des Abflusses yon Cere- brospinalfliissigkeR dutch eine Oeffnung in der Dura z. B. bei Fracturen der Basis eranii Sohwiiche und

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Untersuchungen iiber Circulationsverhliltnisse etc. 93

Syncope enistehe; hndere dagegen haben dieses be- stritten (siehe daraber h l t h a n n loc. cir.). Es sind wei- tere Experimente yon NSthen.

4. Verande r t e r i~usserer Druck.

Es ist nicht wahrseheinlieh, dass unter physiologischen Verhi~ltnissen ein ausserhalb der Dura wirkender Druek einen Einfluss auf den Druck innerhalb der Dura haben sollte; denn die einzige QueUe far einen derartigen Druck ware wohl alas spinale Venennetz, wo jedoeh in Folge der zahlreichen Abflusswege und Anastomosen kaum eine hocho gradige Btutstauung m(}glich ist. Dagegen geschieht es unter pathologischen Verhi~ltnissen und besonders bei Gehirnverletzungen oft genug, dass entweder ein iiusserer Druck auf den Durasack wirkt, oder dass dieser dutch Substanzverlust in der Schlidelh6hle die aussere Statze verliert, welche er normal besitzt. In der Frage abet den Hirndruek werde ich auf den ersten Umstand zuraek- kommen. Was den letzteren betrifft, so zeigen die Ver- suche, dass der intracranielle Druck etwas sinkt, sobald ein Trepanloch in den Schiidet gemacht wird.

Zusammenfas sung der gewonnenen Resu l ta te .

1. Die Blutftlllung des Gehirns steht in direkter Ab- hiingigkeit yon dem Blutdruck in dessen Gefassen.

2. Jede Erh0hung des Blutdruckes, sei sie durch ver- mehrten Blutzufluss oder besonders durch erschwerten venSsen Abfluss veranlasst, bewirkt unmittelbar eine Vermehrung tier Blutmenge des Gehirns.

3. Jede Verminderung des Blutdruckes, beruhend auf ersehweriem Zufluss, verminderter Blutmenge oder geschwaehter Herzthi~tigkeit, bewirkt unmittetbar eine Verminderung der Blutmenge des Gehirns.

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Die Hirngefasse stehen unter dem Einflusse vasomo- torischer Nerven, welche wahrscheinlich theils mit dem Halssympathicus, theils intracraniell verlaufen. Sie aben einen wirksamen Einfluss auf den Blut- gehalt de:" Hirngefitsse aus.

5. Durch Vasoconstriction wird die Blutmenge des Ge- hirns verringert; in welehem Grade der Einfluss des Gef~tsskrampfes die Wirkung der gleichzeitigen Steige- rung des allgemeiuen Btutdruckes aberwiegt, ist nicht nigher bekannt.

6. Der Tonus in den tIirngeflissen wird vermindert oder aufgehoben dutch eine tempori~re Ani~mie- und wahrscheintich durch Verminderung tier i~usserea Statze, welche die Geffisse normal besitzea; Folge hiervon ist eiue vermehrte Blutmenge im Gehirn.

7. Wie die Besehrlinkung oder die Aufhebung der Im- pulse, welche yon dem vasomotorisehen Ceutrmn aus- gehen, auf die Hirngeflisse wirken, ist bis auf Wei- teres unbekanut.

8. Das Vorhandensein activer geflisserweiternder Fi~den far das Gehirn ist unbekannt.

9. Die Cerebrospinalfliissigkeit unterh~lt far sieh keine positive Sp~nnung in der Schi~delh(fhle; die vorhan- dene Spannung beruht ausschliesslieh auf der Blut- menge in derselben. Eine pathologisehe Vermehrung oder Vermiuderung dieser Spannung abt dagegea einen Einfluss auf den Blutgehait des Gehirnes aus.

10. Die Wirkung eines :~usseren Druckes auf die Um- hallung des Gehirns (Dura) darfte nut unter patho- logischen Verhaltnissen zu beaehten sein.

1 t. Wechsel im Blutgehalt der Piagefasse k(innen direkt beobachtet werden und sind besonders auffallend, wenn der Gefiisstonus Veranderungen erlitten.

12. Naeh dem Tode bleibt eine betrfichtliehe Menge Blur im Gehirne zuriick.

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Der Leser bemerkt leicht, dass in dieser Zusammen- fassung eine fast vo]lstlindige Analogie mit den far alas Auge gefundenen Resultaten herrscht; wir sind nut ge- nSthigt gewesen, bier bei einigen Punkten, die ftir das Auge schon faetisch bewiesen sind, ,,w~hrseheinlich" und ,,unbekannt" hinzuzufagen. Will man eine Verschieden- heir altgemeiuer Natur zwisehen den Circulationsverhalt- nissen des Gehirns und Auges suchen, so ware es wohl die, dass der Blutgehalf~ im Gehirn und seinen Hiiuten, welcher urspranglich ve~haltnissmassig gr(~sser ist als der Blutgehal~ im Auge, aueh der MSglichkeit gr~sserer Schwankungen unterworfen ist als dieser, und dieses auf Grund des in der SchiidelhShle herrsehenden niedrigeren Druckes, wodurch die Dehnbarkeitsgrenze der Dura ent- fernter liegt, sowie auf Grund der leieht variirenden Menge tier Cerebrospinalflassigkeit.

Anch tier Blutumlauf des Gehirns besitzt ein wich- tiges regulirendes Moment in dem Umstaude, dass er in einem gesehlossenen, zum Theil yon elastischen Wanden begrenzten Raume vor sich geht; denn dadurch werden allzu pl(~tzliehe und hochgradige Veranderungen des Blut- gehaltes verhindert. Natarlich steht der Blutumlauf des Gehirns zugleieh unter dem Schutze des allgemeinen regulirenden Einflusses, der yore vasomotorischen Nerven- systeme ausgeht. - - Derartige Umstande, wie die zahl- reichen Krammungen der zufahrenden Arterien, ihr Lauf in Knochencanaten, ihre Aufl(~sung in zahlreiche vertical verlaufende Zweige beim Uebergange aus der Pin in die Hirnsubstanz u. s. w. kOnnen wohl auch eine Rolle spielen, insofern als dadurch eine heftige Blutwelle ge- mfldert u•d veflangsamt wird, abet ihre Bedeutung ist doch wohl secundar.

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C. Der Zusammenhang zwischen den Circulations- verhiiltnissen des Auges und des Gehirns, die Ab-

h~ngigkeit der ersteren yon den letzteren.

Dass Sehst~rungen intraeranielle Leiden begleiten kSnnen, war auch vor Entdeckung des Augenspiegels nieht unbekannt; aber erst ats sich die M(igliehkeit bot, den Augenhintergrund mit diesem Instrumente zu be- sichtigen, ist der Zusammenhang zwischen beiden Arten yon Affeetionen studir~ worden. Einige vereinzelte Beob- achtungen ungerechnet, war wohl v. Graefe*) der Erste, welcher einen werthvollen Beitrag zur Frage llber die Rackwirkung intracranietler Leiden auf (]as Auge lieferte, indem er Sehnervenaffectionen bei Hirntumoren beob- achtete, welche er entweder als Neuritis deseendens nervi optici erkli~rte, oder als auf venC)ser Stase in der Retina beruhend, in Folge yon Compression des Sinus cavernosus.

Indem thefts Ophtha~mologen, theils Kliniker auf dem Gebiete tier inneren Medioin beim Studium sowohl yon tIirntumoren wie anderen Hirn~lffeetionen und zahlreichen inneren Leiden den Augenspiegel zu Hfilfe nahmen, wurde bald die Zahl der Beobaehtungen vervielfiiltigt. Natlirlich wurden auch andere ophthalmologische Hilfsmittel bei diesen Studien benutzt, wie Prtlfung des Gesichtsfeldes, die Function tier Augenmuskel u. s. w.

Man konnte bald unter den Forschern auf diesem Gebiete zwei Ri¢htungen unterseheiden. Ein Theft, die Enthusiasten und Sanguiniker, glaubten, kurz gesagt, bei allen Arten yon Gehirnieiden - - wir halten uns jetzt nur an diese - - analoge Veri~nderungen im Auge zu beob- achten, und sie massen besonders tier Ophthalmoskopie

*) Ueber Complication yon Sehnervenentziindungen mit Ge- hirnkrankheiten. Arch. f. Ophth. VII. 2, S. 58.

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eine grosse Bedeutung zu. Ein anderer Theit - - die Skeptiker und die Kritisehen - - verhielten sich reser- virter; sie gaben wohl zu, dass Veranderungen des Auges und besonders der Retina und des Sehnerven bei gewissen Hirnaffectionen oft vorkommen, erkl~rten abet in zahl- reichen anderen Fiillen nur negative Resultate ihrer Beob- achtungen gehabt zu haben. Zur ersten Gruppe gehSrte u. h . E d u a r d Jager*) , der ziemlich allein steht mit seinen ~iusserst detaillirten und feinen, allzufeinen ophthal- moskopischen Beobachtungen, sowie Bouchut**) , der in ausgedehntem Maasse die Ophthalmoskopie in der inneren Klinik anwandte, besonders bei Kinderkrankheiten und die Resultate so weitgehend fand, dass er den Namen ,,C~rd- broscopie" aufbrachte, um anzudeuten, dass man mit dem AugenspiegeI, so zu sagen, die Krankheiten des Gehirnes ]esen k(inne. Zur zweiten Gruppe geh(trt die Mehrzahl der 0phthalmologen und inneren Kliniker (die Chirurgen haben bislang diesem diagnostischen Gebiete wenig Auf- merksamkeit geschenkt).

Von den allerberechtigtsten Seiten ***) ist gezeigt worden, dass kaum ein einziger yon Bouchu t ' s Punkten ohne Reserve angenommen werden kann; vielmehr zeigen die zuverlassigsten Beobaehtungen, dass sogar das Vor- handensein der aufgezahlten Augenst~)rungen keineswegs mit ahnlichen im Gehirn verkn~lpft zu sein braucht. Mit

*) Ergebnisse der Untersuehung mit dem Augenspiegel. Wien 1876. (Eine Zusammenfassang der Resultate, die er ge- funden zu haben glaubt.)

**) Seine haupts~chliehen Arbeiten sind: Trait6 de diagnostie des maladies da syst~me nerveux par rophthalmoseope. Paris 1865, sowie Ophthalmoseopie m~dicale. Paris 1876.

***) Siehe unter Anderen O. Becker: Ueber Augenkrank- heiten mit Riieksicht auf Localisation yon Hirn]eiden, Vortrag beim Congress der Aerzte in Amsterdam 1879, sowie Robin, Les troubles oeulaires dans les maladies des l'enc6phale. Paris 1880, in welchen eine gute kritische Darstellung des Gegenstandes ge- geben ist.

v. Graefv's Archiv fiir Ophthalmologie~ XXX. 4. 7

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Recht ist auch darauf hingewiesen worden, mit welchen Schwierigkeiten die Ophthalmoskopie in vielen Krankheits- f~llen verbunden ist, wie schon alas normale Aussehen des Augenhintergrundes sehr variirt und wie die subjective Auffassung betrfichtlichen Spielraum hat.

Mit gutem Recht kann gesagt werden, dass die Frage tiber den Zusammenbung zwischen Augen- und Him- affectionen physiologisch, experimentell und klinisch noch nicht gentigend ~orbereitet ist, um zufriedenstellend gelost zu werden. Wenn ich nun mit Leitung der in den vor- hergehenden Kapiteln mitgetheilten Facta darangehe, eine Uebersicht tiber die MSglichkeiten eiues Zusammenhanges zwischen den StOrungen circulatorischer Art, welche sich im Auge und Gehirn finden, zu geben, so geschieht dieses nur, um einen Beitrag zur weiteren Erforschung der Frage zu liefern und im Bewusstsein tier vielen dunklen Punkte, die noeh Beleuchtung erfordern.

Erh0hte r B lu t zu f lu s s zum Gehim, ohne dass ver- minderter Gefiisstonus oder allgemeine Plethora die Ur- sache bilden, oder was man gew0hnlich co l la te ra le Hyperl tmie nennt, kann nicht wohl ohne einen gleichea erh0hten Blutzufluss zum Auge vorkommen.

Wit haben gesehen, dass dieser sich dutch erh0hten intraocularen Druck und eine, wean auch wenig aus- gepragte, grossere Blutffillung in den Gefitssen der Retina und Chorioidea zu erkennen giebt. Der hShere Blutdruck pflanzt sieh bis zur Art. ophthalmica und ihren Zwei- gen fort.

Eine pass ive Hyperi tmie im Gehirn in Folge yon Erschwerung des venSsen Abflusses, woffir die tIirn- circulation sehr empfindlich ist, braucht nicht zugleich dem Auge zu gelten, denn die Venen des Auges haben andere Abfiusswege als dutch die Sinus des Gehirns (eine Thrombose der Hirnsinus k6nnte also vorkommen, ohne class die Circulation des Auges dadurch schwereren Ab-

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Untersuchungen fiber Circulationsverh~ltnisse etc. 99

bruch erlitte). Wenn aber das Hinderniss ffir den ven0sen hbfluss mehr central liegt in den Ven. jugular, oder am ehesten im Thorax, so muss auch eine Einwirkung auf das Auge versplirt werden; denn wir haben gesehen, dass in diesem Fa]le gesteigerte Blutfallung und erh(ihter intraocularer Druek beobachtet werden k~nnen.

Ein ve rminder te r B lu t zu f lu s s zum Gehirn muss, soweit er auf Absperrung oder Besehriinkung des Blut- stromes in der einen oder beiden Carot. commun, beruht, mi~chtig aueh auf das Auge einwirken, denn wir haben gesehen, wie die Blutftlllung in den Gefassen und die intraoculare Spannung in auffallendem Grade abnehmen, indem tier Blutdraek im Gebiete der comprimirten Carotis sinkt; und yon besonderem Interesse ist, dass bei ein- seitiger Compression die St(irung fast ausschliesslich dem huge auf derselben Seite gilt. *) Dass hbsperrung aller grossen zufahrenden Gcfasse eine noch ausgepr~tgtere Wirkung auf das huge hat, is~ klar. Ebenso betheiligt sich das huge an tier Ani~mie, die auf geschwi~ehter t t e r z k r a f t und ve rminder te r B lu tmasse beruht.

Was die vasomotor i schen S tSrungen im Gehirn betrifft, so muss an den wichtigen Umstand erinnert wer- den, dass das vasomotorische Centrum in der Medulla ob- longata belegen ist. Gleichwohl braucht bei einem G e- f i~sskrampf im Gehirn derselbe nicht nothwendig aueh im Augc vorzukommen, und ebenso kUnnen die Gefasse im Gehirn p a r a l y s i r t sein, ohne dass gleichzeitig die des Auges dieselbe StUrung zeigen, z. B. naehdem dureh erh0hten intraeraniellen Druck eine hnamie im Gehirn stattgehabt hat. Wenn aber der Ausgangspunkt fiir einen Gefasskrampf in der Reizung des vasomotorischen Centrums oder der vasomotorischen Nerven wahrend ihres Verlaufes

*) Wie Absperrung des einen oder anderen Art. vertebr. oder der Carot. intern, altein auf alas Auge wirkt, muss spiiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben.

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durch den Halssympathieus liegt, so werden auch die Augengef'£sse yon dieser Veri~nderung getroffen, und wir wissen, wie ihr Lumen verringert wird und die intraoculare Spannung abnimmt; auch wenn der allgemeine Blutdruck steigt, wird doch der vermehrte Blutzufluss zum Auge theilweise yon der Gef~sscontraction beherrscht. Eine Gefi~ssparalyse im Gehirn aus een t ra len Ursachen muss ebenso von Erweiterung der Augengefasse und er- hShter Spannung im Auge begleitet sein, wenn nieht die Gefassparalyse yon so allgemeiner Ausdehaung ist, dass der Blutdruck herabgesetzt wird, wo diese Wirkung dann eomplicirend dazukommt. Ein Abbruch der Leitung dureh den Sympathicus allein scheint nicht auf die Circu- lation des Auges einzuwirken, wie ja aberhaupt auch dessen Einfiuss auf das Gehirn zweifelhaft ist. - - Es muss auch daran erinnert werden, dass der Ursp rung des Trige- m i n u s in der Medulla oblongata liegt und dass der Nerv selbst in der Schadelh0hIe verliiuft, so dass die dila- tatorischen Faden far die hugengefiisse, wenn wirklich solehe ihm folgen, bei intracraniellen Affectionen auf viel- fache Art beeinflusst werden k~nnen.

Eine Vermehrung oder V e r m i n d e r u n g tier Menge tier Ce reb rosp ina l f l a s s igke i t , in Folge dessen auch die Blutmenge und der Druck in der Seht~delh0hle verandert werden, braucht keinen tiefgehenden directen Einfluss auf das Auge auszufiben, denn, wie sehon meh- rere Male betont, ist weder dessen Zu- noch Abfluss von Blut allein yore Blutumlauf im Gehirn abh~ngig. Aber bier tritt die Bedeutung des wichtigen Communications- weges zwisehen Auge und Gehirn hervor, der auf dem Zusammenhange zwischen den Intervaginalrliumen des Sehnerven und den Subdural- und Subaraehnoidalr~iumen des Gehirns beruht. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein veri~nderter intracranieller Druek, tier auf einer veranderten ~Ienge Cerebrospinalfitissigkeit beruht, sich in diese Inter-

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vaginalr~ume fortpflanzt. Und da die Arteria und Vena centrales retinae eine grSssere oder kleinere Streeke im Sehnerveu laufen, so mtlssen sie der Einwirkung dieser Druckvariationen unterwoffen w e r d e n . - Ich werde in einer Arbeit fiber den Hirndruck und dessert Einwirkung auf das Auge auf diesen wichtigen Umstand zurackkommen.

Wie ein veranderter i~usserer Druck, der anf den Durasack wirkt, auf demselben Wege seinen Einfluss auf das Auge geltend maehen kann, geh~rt gleiebfalls dem Kapitel fiber den Hirndruck an.

Speeiell muss bier daran erinnert werden, dass ein solcher extraduraler Druek gerade beim Eintritt des Seh- herren dutch das Foramen opticum wirken kann (z. B. bei einer Fractur, die den Knoehencanal selbst betrifft), und class darauf auch eine Erh~hung des Druekes in den Seh- nervenseheiden (dutch Bluterguss u. s. w.) folgen kann. *)

Bier kann nieht abgemacht werden, wie welt der Urn- stand, class alas Centrum ffir das Sehverm(~gen, nach den Untersuchungen yon Munck**), h(~chst wahrscheinlich im Occipitallappen belegen ist, und also bei Gehirnleiden afficirt werden kann, eine indirecte Rolle spielt, auch mit Hinsicht auf die Cireulationsverhiiltnisse des huges. Eine St~rung des Nervas opticus wahrend seines intraeerebralen sowohl wie intracraniellen Verlaufes kann wohl aueh nur eine indirecte Einwirkung auf den Blutumlauf des Auges ausaben.

Dieses sind al~o die Schliisse, zu denen uns die Unter- suchungen an verschicdenen Thieren (meist Kaninchen) zu berechtigen scheinen. Es galt bier nut zu constatiren, in welcher Riehtung und auf welchen Wegen ein Zusammen- hang zwischen hugen- und HirnstOrungen, welehe zuni~chst dutch das Cireulationssystem vermittelt werden, stattfinden

*) Berlin, Krankheiten der Orbita in Graefe-Saemisch Handb. d. Augenheilk. Bd. ¥I. S. 613.

**) Ueber die Functionen tier Grosshirnrinde. Berlin 1881.

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kann. In welchem Grade die Einfliisse, welche wir wirk- sam fanden, wenn sie llfngere Zeit einwirken oder oft wiederholt werden, im Stande sind, permanente patholo- gische St~rungen des huges zu verursachen, ist eine Auf- gabe ftir weitereVersuehsreihen und klinische Beobachtungen.

K(innen nun die yon uns gefuudenen Facta ohne Wei- teres auf den Menschen ausgedehnt werden? Dieses kann a priori hier so wenig wie llberhaupt yore physiologisehen Thierexperimente behauptet werden. Jedoeh kann mit Hin- sicht auf die grosse Analogie, welche im anatomisehen Baue und den physiologischen Functionen zwischen den h(~heren S~ugethieren herrscht, mit grSsster Wahrschein- lichkeit angenommen werden, dass die Untersuchungen und ihre Resultate aueh ffir den Menschen Giltigkeit hubert. Der Prfifstein bleibt jedoeh in jedem Falle die klinische Beobachtung.

Noch ein Umstand muss hier bedihrt werden. Unter der Voraussetzung, dass unsere Resultate auch auf den l~Ienschen angewandt werden k(innen, - - ist damit wohl gesagt, dass die Veranderungen im huge, welche z. B. eine Hirnhyperamie oder Anamie begleiten, mit dem gewShn- lichen hugenspiegel und der gewOhnliehen Abschatzung der Augenspannung durch Palpation, in jedem Falle con- statirt werden kOnnen? Ich behaupte dieses keineswegs und ermahne im Gegentheil zum Skepticismus. Dagegen ist es mit unseren experimentellen Hlilfsmitteln m(iglich, diese Veranderungen bei Thieren zu beobachten und ihren Grad zu messen.