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Graefe's Arch Clin Exp Opthalmol (1982) 219:20-23 Graefe's Archive for Clinical and Experimental Ophthalmology © Springer-Verlag 1982 Experimentelle Untersuchungen zur Tumorangiogenese* R. Rochels Universit/itsaugenklinik Mainz, Langenbeckstral3e 1, D-6500 Mainz, Bundesrepublik Deutschland Experiments ConcerningTumor Angiogenesis Abstract. Cells of human choroidal melanoma were im- planted in the cornea of rabbits. A few days later corneal neovascularization onto the tumor can be observed. When the tumor is vascularized, rapid tumor growth follows. Macroscopic, histologic, and angiographic aspects are pre- sented. The role of prostaglandin E~ (PGE2) as a cause of angiogenesis is discussed. Zusammenfassung. Humane Aderhautmelanomzellen wur- den in Kaninchenhornh/iute implantiert. Nach wenigen Ta- gen ist eine auf den Tumor gerichtete korneale Neovasulari- sation zu beobachten. Sobald das Implantat vaskularisiert ist, kommt es zu einem explosionsartigen Tumorwachstum. Makroskopische, mikroskopische und fluoreszenzangio- graphische Befunde werden dargestellt. Die Rolle des Pro- staglandins E 2 (PGE2) als kausaler Angiogenesefaktor wird diskutiert. Einleitung Tumore entstehen durch progressive, autonome Prolifera- tion k6rpereigener Zellen (Sandritter nnd Beneke 1974); die Autonomie bezieht sich dabei ausschlieBlich auf eine bestimmte Phase der Proliferation, da jeder Tumor ab einer jeweils unterschiedlichen Mindestgr6ge auf die Einspros- sung k6rpereigener Gef/iBe angewiesen ist. Gimbrone et al. (1974) unterscheiden eine pr/ivaskul~ire Phase, in der ein minimales Wachstum durch Diffusion nutritiver Metabolite aus der Tumorumgebung m6glich ist. Erst nach Anschlug an das k6rpereigene GeffiBsystem (vaskul~ire Phase) kommt es durch Perfusion zum explosionsartigen Tumorwachstum. Gimbrone et al. (1974) sowie Folkman and Tyler (1977) implantierten zur genaueren Analyse dieser Vaskularisa- tionsprozesse Tumorzellen in das Hornhautstroma yon Ka- ninchen und fanden bereits nach wenigen Tagen eine gerich- tete Geffil3einsprossung vom Limbus auf den Tumor zu. Diese Tatsache wurde als Beweis f/ir die Existenz eines dif- fusiblen Faktors (tumor angiogenesis factor = TAF) gewer- tet, der direkt yon den Tumorzellen gebildet wird und mitogene Aktivitfit auf Kapillarendothelien hat (Folkman 1971; Folkman et al. 1971). Biochemische Analysen erga- ben, dag TAF ein Protein mit einem Moleknlargewicht von * Herrn Prof. Dr. A. Nover zum 60. Geburtstag gewidmet etwa 100000 ist und hauptsfichlich aus Ribonukleins/iure besteht (Folkman 1974). Histologische Untersuchungen zeigten, dab die Vaskularisation der Hornhaut nicht (!) von leukozyt/irer Hornhautinfiltration begleitet war (Gimbrone et al. 1974). Hahn und Spitznas (1981) implantierten amelanotisches Greene-Melanoma-Material in die Vorderkammer und untersuchten die Tumorwachstumsprozesse licht- und elek- tronemnikroskopisch Eigene Fragestellung und Experimente Ziel der vorliegenden Studie war es, den ProzeB der Tumor- vaskularisation makroskopisch, mikroskopisch und fluores- zenzangiographisch nfiher zu definieren. Hierzu wurde aus einem frisch enukleierten menschlichen Auge mit Aderhaut- melanom vom Spindelzell-B-Typ Tumormaterial entnom- men und sofort bei 10 erwachsenen weiBen Neuseel~inderka- ninchen in beide Hornhfiute implantiert. In Trapanal-Nar- kose wurde die Hornhautmitte mit einer Rasierklinge 2 mm breit bis in die Stromamitte inzidiert. Mit einem Spatel wurde yon dort aus dann ein 1,5 mm breiter intrastromaler Tunnel in Richtung Limbus corneae geschaffen. Die so zur Tumorimplantation pr/iparierte Tasche endete exakt 2 mm vor dem Limbus. Es wurde pro Implantation ein ca. 1 x 1 x 0,5 mm groBes Tumorst/ick mittels Spatel bis auf 2 mm an den Limbus herangebracht. Postoperativ wurde zweimal t/iglich Pima-Biciron-Augensalbe appliziert. Die Tiere wurden t/iglich mit dem Operationsmikroskop unter- sucht; nach 1, 2, 4 und 7 Tagen wurde je ein Kaninchen abget6tet; beide Bulbi wurden histologisch aufgearbeitet. Bei den verbleibenden Kaninchen wurde am 5., 7. und 25. Tag in Narkose eine Fluoreszenzangiographie des Augen- vorderabschnittes durchgefiJhrt. Am 25. und 35. Tag wur- den je drei Tiere abget6tet, urn histologische Untersuchun- gen zu erm6glichen. Ergebnisse Makroskopische Befunde. Bereits am ersten postoperativen Tag ist die zentrale Hornhautinzisionsstelle epithelisiert und nicht mehr anffirbbar. Am zweiten Tag zeigt sich eine ver- mehrte Limbusgeffigffillung gegenfiber dem implantierten Tumormaterial. Ab dem vierten Tag sind feinste Kapillar- sprossen am Hornhautrand zu sehen; diese wachsen in der Folgezeit keilf6nnig gerichtet mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit yon 0,5 mm pro Tag auf den implantierten 0721-832X/82/0219/0020/$01.00

Experimentelle Untersuchungen zur Tumorangiogenese

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Graefe's Arch Clin Exp Opthalmol (1982) 219:20-23 Graefe's Archive for Clinical and Experimental

Ophthalmology © Springer-Verlag 1982

Experimentelle Untersuchungen zur Tumorangiogenese* R. Rochels Universit/itsaugenklinik Mainz, Langenbeckstral3e 1, D-6500 Mainz, Bundesrepublik Deutschland

Experiments Concerning Tumor Angiogenesis

Abstract. Cells of human choroidal melanoma were im- planted in the cornea of rabbits. A few days later corneal neovascularization onto the tumor can be observed. When the tumor is vascularized, rapid tumor growth follows. Macroscopic, histologic, and angiographic aspects are pre- sented. The role of prostaglandin E~ (PGE2) as a cause of angiogenesis is discussed.

Zusammenfassung. Humane Aderhautmelanomzellen wur- den in Kaninchenhornh/iute implantiert. Nach wenigen Ta- gen ist eine auf den Tumor gerichtete korneale Neovasulari- sation zu beobachten. Sobald das Implantat vaskularisiert ist, kommt es zu einem explosionsartigen Tumorwachstum. Makroskopische, mikroskopische und fluoreszenzangio- graphische Befunde werden dargestellt. Die Rolle des Pro- staglandins E 2 (PGE2) als kausaler Angiogenesefaktor wird diskutiert.

Einleitung

Tumore entstehen durch progressive, autonome Prolifera- tion k6rpereigener Zellen (Sandritter nnd Beneke 1974); die Autonomie bezieht sich dabei ausschlieBlich auf eine bestimmte Phase der Proliferation, da jeder Tumor ab einer jeweils unterschiedlichen Mindestgr6ge auf die Einspros- sung k6rpereigener Gef/iBe angewiesen ist. Gimbrone et al. (1974) unterscheiden eine pr/ivaskul~ire Phase, in der ein minimales Wachstum durch Diffusion nutritiver Metabolite aus der Tumorumgebung m6glich ist. Erst nach Anschlug an das k6rpereigene GeffiBsystem (vaskul~ire Phase) kommt es durch Perfusion zum explosionsartigen Tumorwachstum.

Gimbrone et al. (1974) sowie Folkman and Tyler (1977) implantierten zur genaueren Analyse dieser Vaskularisa- tionsprozesse Tumorzellen in das Hornhautstroma yon Ka- ninchen und fanden bereits nach wenigen Tagen eine gerich- tete Geffil3einsprossung vom Limbus auf den Tumor zu. Diese Tatsache wurde als Beweis f/ir die Existenz eines dif- fusiblen Faktors (tumor angiogenesis factor = TAF) gewer- tet, der direkt yon den Tumorzellen gebildet wird und mitogene Aktivitfit auf Kapillarendothelien hat (Folkman 1971; Folkman et al. 1971). Biochemische Analysen erga- ben, dag TAF ein Protein mit einem Moleknlargewicht von

* Herrn Prof. Dr. A. Nover zum 60. Geburtstag gewidmet

etwa 100000 ist und hauptsfichlich aus Ribonukleins/iure besteht (Folkman 1974). Histologische Untersuchungen zeigten, dab die Vaskularisation der Hornhaut nicht (!) von leukozyt/irer Hornhautinfiltration begleitet war (Gimbrone et al. 1974).

Hahn und Spitznas (1981) implantierten amelanotisches Greene-Melanoma-Material in die Vorderkammer und untersuchten die Tumorwachstumsprozesse licht- und elek- tronemnikroskopisch

Eigene Fragestellung und Experimente

Ziel der vorliegenden Studie war es, den ProzeB der Tumor- vaskularisation makroskopisch, mikroskopisch und fluores- zenzangiographisch nfiher zu definieren. Hierzu wurde aus einem frisch enukleierten menschlichen Auge mit Aderhaut- melanom vom Spindelzell-B-Typ Tumormaterial entnom- men und sofort bei 10 erwachsenen weiBen Neuseel~inderka- ninchen in beide Hornhfiute implantiert. In Trapanal-Nar- kose wurde die Hornhautmitte mit einer Rasierklinge 2 mm breit bis in die Stromamitte inzidiert. Mit einem Spatel wurde yon dort aus dann ein 1,5 mm breiter intrastromaler Tunnel in Richtung Limbus corneae geschaffen. Die so zur Tumorimplantation pr/iparierte Tasche endete exakt 2 mm vor dem Limbus. Es wurde pro Implantation ein ca. 1 x 1 x 0,5 mm groBes Tumorst/ick mittels Spatel bis auf 2 mm an den Limbus herangebracht. Postoperativ wurde zweimal t/iglich Pima-Biciron-Augensalbe appliziert. Die Tiere wurden t/iglich mit dem Operationsmikroskop unter- sucht; nach 1, 2, 4 und 7 Tagen wurde je ein Kaninchen abget6tet; beide Bulbi wurden histologisch aufgearbeitet. Bei den verbleibenden Kaninchen wurde am 5., 7. und 25. Tag in Narkose eine Fluoreszenzangiographie des Augen- vorderabschnittes durchgefiJhrt. Am 25. und 35. Tag wur- den je drei Tiere abget6tet, urn histologische Untersuchun- gen zu erm6glichen.

Ergebnisse

Makroskopische Befunde. Bereits am ersten postoperativen Tag ist die zentrale Hornhautinzisionsstelle epithelisiert und nicht mehr anffirbbar. Am zweiten Tag zeigt sich eine ver- mehrte Limbusgeffigffillung gegenfiber dem implantierten Tumormaterial. Ab dem vierten Tag sind feinste Kapillar- sprossen am Hornhautrand zu sehen; diese wachsen in der Folgezeit keilf6nnig gerichtet mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit yon 0,5 mm pro Tag auf den implantierten

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Abb. 1. Maximale Tumorprominenz und -vaskularisation am 25. Tag nach Implantation von Melanomzellen in die Hornhaut

Tumor zu. Am achten Tag haben die Geffil3e den Tumor erreicht, der bis zu diesem Zeitpunkt makroskopisch v611ig inert und ohne perifokales Odem im Hornhautstroma ver- weilt. Ab dem zehnten Tag zeigt der Tumor ein rapides fl/ichenhaftes Wachstum, weitere drei Tage sp/iter ist er be- reits deutlich prominent und fiber das Hornhautniveau hin- ausgewachsen. Neue Gef/il3e, die deutlich dicker als die pri- m/iren sind, wachsen noch etwa ffinf weitere Tage vom Lira- bus aus in die Hornhaut und den Tumor ein; einige beson- ders kr/iftige Gef/iBe ziehen auch zu den Flanken des Tu- mors. Am 25. Tag haben die Tumore ihre maximale Promi- nenz und Vaskularisation erreicht (Abb. 1). In den folgen- den zehn Tagen kommt es zu einer allm/ihlichen Blutleere in den Tumorgef/iBen; das Tumorwachstum ist zum Still- stand gekommen.

Etwa ab dem zehnten Tag kann eine ausgepr/igte Dilata- tion der Irisgeffil3e in der n/iheren Umgebung des Tumors festgestellt werden; vereinzelt haben sich im Irisstroma neue Gef/iBe entwickelt.

Mikroskopische Befunde. Bereits am ersten postoperativen Tag ist eine lockere Infiltration polymorphkerniger Leuko- zyten (PMN) zwischen Limbus corneae und Tumorimplan- tat in der vorderen Stromah/ilfte zu erkennen; sie nimmt in den folgenden Tagen noch deutlich zu. Verfinderungen im Tumorimplantat sind nicht vorhanden. Am siebten Tag zeigen sich im vorderen Stromadrittel feine Gef/il3e (Abb. 2), die von einem polymorphkernigen Infiltrat um- geben sin& Am 25. Tag 1/il3t sich folgender histologischer Befund erheben: Das Hornhautepithel ist unregelmfil3ig ge- schichtet und locker (Abb. 3). Darunter zeigt sich eine breite Zone narbig umgewandelten Stromas, das von Tu- morzellen locker infiltriert ist. Darunter liegt eine breite Zone yon rundlichen Tumorzellen mit grol3en, hellen Ker- nen, die zahlreiche Mitosefiguren aufweisen und denjenigen des humanen Spendertumors sehr/ihnlich sind. Dazwischen lassen sich gr613ere Komplexe br/iunlich pigmentierter Zel- len nachweisen. Kr/iftige GeffiBe ziehen vom Limbus her in diesen Tumorknoten hinein (Abb. 4). Die Tumorinfiltra- tion endet abrupt an der Grenze zur hinteren Stromah/ilfte; in dieser fehlen jegliche Zell- und Lamellenverfinderungen. Das Endothel ist intakt. Am 35. Tag ist im Tumormaterial ein deutlicher Zellzerfall mit entsprechender Makrophagen- aktivit/it zu verzeichnen.

Fluoreszenzangiographische Befunde: Die am fiinften Tag erstmalig durchgeffihrte Fluoreszenzangiographie zeigt feinste Kapillarschlingen, die senkrecht aus Limbusvenolen entspringen und gerichtet auf den Tumor zuwachsen; es besteht diffuser Farbstoffaustritt aus diesen neugebildeten Gef/iBen. Am siebten Tag lassen sich Gef/iBaufzweigungen und -bfischel nachweisen. Zu diesem Zeitpunkt ist deutlich zu erkennen, dab die neugebildeten HornhautgeF~iBe von einem limbusparallel verlaufenden Gef/il3 ausgehen, das sei- nerseits von einem senkrecht zum Hornhautrand ziehenden "feeder vessel" gespeist wird. Am 25. Tag ist die Tumor- oberfl/iche yon einem dichten, vielfach untereinander an- astomosierenden Geffil3netz fiberdeckt (Abb. 5). In der Tiefe 1/il3t sich eine vermehrte Gef/il3f/illung und teilweise

Abb. 2. Im vorderen Hornhautstromadrittel neugebildete Gef/il3e mit perivaskul/irer leukozytfirer Infiltration

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Abb. 3 Histologische Obersicht des Tumorknotens am 25. Tag. Dichte Tumorinfiltration in der vorderen Stromah/ilfte

Abb. 4. Tumorzellen im Hornhautstroma. In der Bildmitte gr613ere, pigmentierte Zellen. Rechts oben dickes Gef~iB mit Erythrozyten

eine Neovaskularisation der Irisvorderfl/iche - vor allem im tumorbenachbarten Bereich - nachweisen.

Diskussion

Die Tansplantation von heterologen humanen Melanomzel- len in die Hornhaut yon Kaninchen fiihrt zu einer tumorin- duzierten kornealen Neovaskularisation sowie zu einer Di- latation und Neubildung von GeffiBen in der tumorbenach- barten Iris. Zeitlicher Ablauf und Wachstumsrichtung die- set Neovaskulafisation sprechen fiir einen vom Tumor ge- bildeten, diffusiblen Angiogenesefaktor (Folkman 1971; Folkman et al. 1971 ; Gimbrone et al. 1974; Folkman et al. 1977). Die eigenen Ergebnisse bestfitigen diese Ansicht; im Gegensatz zu den obengenannten Autoren liegen sich bei unseren Versuchen aber als Vorstadium der Geffil~einspros-

sung eine dichte Infiltration polymorphkerniger Leukozy- ten nachweisen; Ryu und Albert (1979) kommen zu ver- gleichbaren Ergebnissen. Fromer und Klintworth (1975) haben im Tierexperiment nachgewiesen, dal3 der kornealen Neovaskularisation nach verschiedensten Hornhauttrau- mata stets eine Phase der Infiltration polymorphkerniger Zellen vorausgehen mul3. Im Keratoplastikmodell (Rochels et al., 1981) und nach Hornhautbindehautver/itzung (Reim et al. 1980; Rochels 1981) konnte diese Hypothese best/itigt werden.

Vom bistologischen Befund und zeitlichen Ablauf gleicht also die Hornhautvaskularisation nach Trauma und Entziindung exakt derjenigen nach experimenteller Tumor- implantation. Damit ist die Frage aufgeworfen, ob nicht der Tumorvaskularisation - zumindesten im Hornhautim- p lan ta t ionsmode l l - /ihnliche Angiogenesefaktoren zu-

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Abb. 5. Fluoreszenzangiogramm am 25. Tag: 5a 5,6 sec, 5b 11,6 sec, 5c 1614 sec, 5d 36,4 sec nach Injektion von 1 ml 10% Natriumfluores- zeinI6sung in die Ohrvene. Beachte das ,,feeder vessel" links unten im Bild

grundliegen wie bei jeder kornealen Vaskularisation nach Verletzung und Entzfindung.

In Vorversuchen konnten wir zeigen, daf3 dem Arachi- dons~iurederivat Prostaglandin E 2 (PGEz) eine kausale Rolle bei der Hornhautneovaskularisation zukommt: PGE 2 wirkt direkt angiogenetisch. Polymorphkernige Leukozyten sind als Bildungsort vor allem yon PGE 2 schon seit lfinge- rem bekannt (Horrobin 1978); andererseits wirkt PGE 2 chemotaktisch auf polymorphkernige Leukozyten. Der pharmakologisch-pathogenetische Ablauf der Hornhaut- vaskularisation 1/il3t sich demnach wie folgt interpretieren: Trauma, Entzfindung und Tumorzellen bewirken fiber eine allgemeine Zytomembranaktivierung (Freisetzung von Phospholipiden, die die Vorstufe der Arachidonsfiure sind) die Synthese von Prostaglandinen, die die Invasion poly- morphkerniger Zellen in das Hornhauts t roma induzieren; in diesen wird dann in noch vermehrtem Mage PGE 2 gebil- det, das ab einer bestimmten Schwellenkonzentration, die im Nanogrammbereich liegt, angiogenetisch wirkt. Nach Untersuchungen von Ford-Hutchinson et al. (1980) ist eine Beteiligung von Leukotrienen, die ebenfalls Arachidons/iu- reabk6mmlinge sind, an der Chemotaxis yon polymorph- kernigen Leukozyten wahrscheinlich; wir konnten aller- dings in Vorversuchen zeigen, dab die Leukotriene 5-HETE und LTB 4 keine angiogenetische Potenz besitzen. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dal3 PGE 2 bei der Tumorvas- kularisation eine erhebliche Rolle spielt; hierffir sprechen auch erste Ergebnisse von Hemmversuchen mit einem spezi- fischen Prostaglandinsynthetasehemmer (Cyclooxygenase- hemmer). Inwieweit darfiberhinaus andere Faktoren [z.B. der Tumorangiogenesefaktor von Folkman (1974)] bei der Tumorneovaskularisation mitwirken und ob und welche Wechselwirkungen zwischen diesen Faktoren bestehen, ist derzeit Gegenstand weiterer Untersuchungen. Dem Vor- schlag yon Hahn und Spitznas (1981) folgend, werden wir dazu amelanotisches Greene-Melanom-Material verwen- den, d a e s eine ,,enge biologische Verwandtschaft" (Hahn und Spitznas, 1981) zu humanen Melanomen aufweist.

Literatur

Folkman J (1971) Tumor angiogenesis: therapeutic implications. New Engl J of Med 285:1182-1186

Folkman J, Merler E, Abernathy Ch, Williams G (1971) Isolation of a tumor factor possible for angiogenesis. J Exp Med 133:275-288

Folkman J (1974) Tumor angiogenesis factor. Cancer Res 34:2109-2113

Folkman J, Tyler K (1977) Tumor angiogenesis: its possible role in metastases and invasion. Cancer Invasion and Metastasis: Biologic mechanisms and therapy, edited by SB Day. 95-103. Raven Press, New York

Ford-Hutchinson AW, Bray MA, Doig MV, Shipley ME, Smith MJH (1980) Leukotriene B, a potent chemokinetic and aggrega- ting substance released fi'om polymorphnuclear leukocytes. Na- ture 286:264-265

Fromer CH, Klintworth GK (1975) An evaluation of the role of leukocytes in the pathogenesis of experimentally induced cor- neal vascularizafion. Amer J Pathol 79 : 537-550

Gimbrone MA, Cotran RS, Leapman SB, Folkman J (1974) Tu- mor growth and neovascularization: an experimental model using the rabbit cornea. J Nat Cancer Institute 52:413-427

Hahn I, Spitznas M (1981) Morphology of the amelanotic Greene Melanoma. Albrecht v Graefes Arch Klin Ophthalmo1216 : 1-15

Horrobin DF (1978) Prostaglandins. Physiology, pharmacology and clinical significance. Churchill, Edinburgh

Reim M, Schmidt-Martens FW, H6rster B, Scheidhauer E (1980) Morphologische und biochemische Befunde bei exerimentellen Ver/itzungen mit Alkali. Ber Dtsch Ophthalmol Ges 77 : 749-759

Rochels R, Schmitt EJ, Busse WD (1981) Experimentelle Hem- mung der Hornhautvaskularisation nach Keratoplastik. Dtsch Ophthalmol Ges, Heidelberg

Rochels R (1981) Therapeutische Hemmung der Hornhautvaskula- risation nach Ver~itzung. 54. Versammlung Rhein-Mainischer Augenfirzte, Mainz

Ryu S, Albert DM (1979) Evaluation of tumor angiogenesis factor with the rabbit cornea model. Invest Ophthalmol 18:831-841

Sandritter W, Beneke G (1974) Allgemeine Pathologie. Schattauer, Stuttgart

Received February 25, 1982