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Wirtschaftspolitik ver.di Finanz- kapitalismus Geldgier in Reinkultur! Roter Teppich für Heuschrecken 1 Hedge-Fonds: Hohe Rendite – hohes Risiko 4 Private-Equity-Fonds: Die Firmenjäger 8 Immobilienspekulation und REITs 12 Kasino und Krisen 15 US-Immobilienkrise 17 Die globale Geldschwemme 18 Politik schafft Spielregeln ab 20 Finanzkapitalismus zurückdrängen 22

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W i r t s c h a f t s p o l i t i k v e r . d i

F i n a n z -k a p i t a l i s m u sG e l d g i e r i n R e i n k u l t u r !

Roter Teppich für Heuschrecken 1

Hedge-Fonds:Hohe Rendite – hohes Risiko 4

Private-Equity-Fonds:Die Firmenjäger 8

Immobilienspekulation und REITs 12

Kasino und Krisen 15

US-Immobilienkrise 17

Die globale Geldschwemme 18

Politik schafft Spielregeln ab 20

Finanzkapitalismus zurückdrängen 22

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Herausgeber:

ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft

Bundesvorstand

Ressort 1

Paula-Thiede-Ufer 10

10179 Berlin

Verantwortlich:

Frank Bsirske

Bearbeitung:

Bereich Wirtschaftspolitik

Michael Schlecht (Bereichsleiter)

Ralf Krämer

Dr. Sabine Reiner

Dr. Norbert Reuter

Anita Weber

Kontakt:

[email protected]

www.wipo.verdi.de

Karikaturen:

Reinhard Alff

Gestaltung:

Hauer+Ege GmbH, Stuttgart

www.hauer-ege.de

Druck:

apm AG, Darmstadt

W-2074-14-0907

Oktober 2007

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! Altvater, Elmar/Mahnkopf, Birgit,Grenzen der Globalisierung. Ökonomie, Ökologie und Politikin der Weltgesellschaft, 7. Auflage, Münster 2007.

! Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, Memorandum2007, Köln 2007.

! Böttger, Christian, Strukturen undStrategien von Finanzinvestoren,Arbeitspapier 120, Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf 2006.

! Finanzmarktpolitik: Regulierungder Finanzmärkte“, Beschluss desver.di-Bundeskongress 2007.

! Hans-Böckler-Stiftung, Reihe:Finanzinvestoren in Deutschland,Materialien unter „Themen“ aufwww.boeckler.de.

! Hickel, Rudolf, Die Risikospirale.Was bleibt von der New Econo-my?, Frankfurt am Main 2001.

! Huffschmid, Jörg, Politische Ökonomie der Finanzmärkte, 2. Auflage, Hamburg 2002.

! Huffschmid, Jörg/Köppen, Margit/Rhode, Wolfgang (Hrsg.),Finanzinvestoren: Retter oderRaubritter? Neue Herausforderun-gen durch die internationalenKapitalmärkte, Hamburg 2007.

! Jarass, Lorenz/Obermair, GustavM., Steuerliche Aspekte der Aktivitäten von Private Equity undHedge Fonds. Gutachten im Auf-trag der Hans-Böckler-Stiftung,Juli 2007.

! Kamp, Lothar/Krieger, Alexandra,Die Aktivitäten von Finanzinvesto-ren in Deutschland, Arbeitspapier103, Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf 2005.

! Mitbestimmung, Heft 9/2007,Schwerpunkt: Die Deals derFinanzinvestoren.

! Private Equity-Fonds. Von derInvestitionsfinanzierung zumFinanzinvestment, Wirtschafts-politische Informationen der IG Metall, Nr. 4, 2007.

! Sedlmaier, Hans, Firmenjäger. Wie Raider Unternehmen kaufen,zerschlagen und verschachern,Frankfurt am Main/New York2003.

! Voth, Hans-Joachim, Transparenzund Fairness auf einem einheit-lichen europäischen Kapitalmarkt,Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, Juli 2007.

! Windolf, Paul (Hrsg.), Finanz-marktkapitalismus. Analysen zumWandel von Produktionsregimen,Wiesbaden 2005.

ver.di-Materialien, verfügbarunter www.wipo.verdi.de

! Rating, pricing, risking? Folgenveränderter Unternehmens-finanzierung durch Basel II, Wirt-schaftspolitische Informationen,ver.di Bereich Wirtschaftspolitik,April 2003.

! Konzept Steuergerechtigkeit.Gerechte Steuern – Staatsfinan-zen stärken, ver.di Bereich Wirt-schaftspolitik, Oktober 2004.

! Mythos Standortschwäche, ver.di Bereich Wirtschaftspolitik,Juni 2004.

! Hedge- und Private Equity-Fonds.Die Turbos im Kapitalismus, Wirt-schaftspolitische Informationen,ver.di Bereich Wirtschaftspolitik,Oktober 2005.

! In unsere Zukunft investieren,ver.di Bereich Wirtschaftspolitik,Februar 2006.

! Arm trotz Arbeit? Wir brauchenden gesetzlichen Mindestlohn, 3. Auflage, Juni 2007.

Auf unserer Website können dieMaterialien des Bereichs Wirt-schaftspolitik über einen elektro-nischen Verteiler abonniert wer-den.

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Quel len und Literatur

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Wir alle haben einen Personal-ausweis. Von der Bundes-

druckerei in Berlin. Bis 2000 warsie in staatlicher Hand. Dann wur-de das Unternehmen privatisiert.Vom damaligen FinanzministerEichel. Verkauft an Apax, ein Private-Equity-Unternehmen. Trotzmonatelangem massivem Wider-stand der Belegschaft und derGewerkschaften.

Apax hat einen Großteil desKaufpreises durch die Bundes-druckerei bezahlen lassen. Da-durch stieg die Verschuldung deskerngesunden Unternehmens massiv. Die Planung von Apax: 30 Prozent jährliche Rendite. Undnach zwei bis drei Jahren sollteverkauft werden. Nach einem Jahrgeriet die altehrwürdige Bundes-druckerei jedoch ins Schlingern.2002 stand sie kurz vor der Pleite.Apax verschwand über Nacht. Die Bundesdruckerei wurde voneiner Auffanggesellschaft über-nommen, bei der im Hintergrunddie Landesbank Hessen-Thüringen– der Hauptgläubiger – stand.

Vor allem die Belegschaft muss-te bluten. Von 2.000 Beschäftigtenbehielten nur 1.200 ihren Arbeits-platz. Und diese mussten erheb-liche Einschnitte in den ehemalsguten Haustarifvertrag hinnehmen.

Ähnliches lässt sich aus vielenUnternehmen berichten. Häufigmit noch einschneidenderen Fol-gen für die Beschäftigten. Immergeht es um abenteuerliche Rendi-te. Immer werden Menschen brutalnur als Kostenfaktor behandelt.

Geldgier in ReinkulturKapital einsetzen und mit

einem maximalen Profit zurückbe-kommen – das ist Grundprinzipkapitalistischen Wirtschaftens.Jeder Unternehmer verfährt so.Der in der Industrie oder dieDienstleisterin haben aber nocheinen Bezug zu den arbeitendenMenschen. Der Fondsmanagermacht scheinbar losgelöst von realwirtschaftlichen Prozessen seinGeschäft. Er bewegt sich nur nochin der Finanzsphäre. ArbeitendeMenschen, die die Werte schaffen,kommen nur als abstrakte Kosten-faktoren vor.

Es zählt nur noch die maximaleRendite. 20 oder 30 Prozent – dassind häufig die Vorgaben im Share-holder-Value-Kapitalismus. Morgenvielleicht schon 40 oder 50 Pro-zent? In einzelnen Unternehmenmag das zeitweise sogar durch-setzbar sein. Für die gesamte Wirt-schaft wären derartige Renditennur mit einer unrealistischen Stei-gerung der Produktivität möglich.Kapitalanleger und Fondsmanagerinteressiert das nicht. Auch nicht,dass solche Renditevorgaben wei-tere massive Verschlechterungenfür die Beschäftigten zur Folgehaben. Sie machen Druck. AufTeufel komm raus.

!Das Prinzip des „Geld-machens“, der maximalenRendite, wird auf denFinanzmärkten zur allesentscheidenden Triebkraft.

F i n a n z k a p i t a l i s m u s

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Roter Teppich für Heuschrecken

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Der Druck nimmt in dem Maßezu, wie die Finanzmärkte „libera-lisiert“ wurden und werden. Ersteigt in dem Maße weiter, wieimmer mehr Geld in die Finanz-märkte gepumpt wird. Als Resultatbeständig verschärfter Umvertei-lung von unten nach oben. Das istder Teufelskreis: Die Einkommenstagnieren, die steigenden Profitefließen immer mehr in die abge-hobene Finanzsphäre und suchennach immer profitableren Anlage-möglichkeiten. Dies erhöht dieRückwirkung auf Betriebe und Beschäftigte. Es droht, dass dieEinkommen morgen nicht nur stagnieren, sondern sinken undProfite noch stärker steigen.

Krokodilstränen der PolitikerAuch Politikern entgeht der

zunehmende Druck des Share-holder-Value-Kapitalismus auf dieMenschen nicht. Das von FranzMüntefering im Mai 2005 gezeich-nete Bild von den Heuschreckenhat sich eingeprägt.

Seine Kritik war jedoch heuch-lerisch. Rot-Grün hat mehrfachUnternehmen privatisiert und siePrivate-Equity-Unternehmen über-lassen – wie im Fall der Bundes-druckerei. Und den Heuschreckenden roten Teppich ausgerollt. Diebekannteste Maßnahme: Ende2000 hat Rot-Grün die Steuerfrei-heit für Gewinne aus dem Verkaufvon Unternehmensanteilen einge-führt. Damit wurde das Geschäftvon Finanzinvestoren erst richtigprofitabel.

Auch in der großen Koalitionwerden weiterhin Gesetze zu Gunsten von Finanzmarktakteu-ren gemacht. Zum Beispiel hat die Merkel-Regierung Fonds zur steuerbegünstigten Immobilien-spekulation zugelassen – die so-genannten REITs. Und seit Sommer2007 werden gesetzliche Regelun-gen vorbereitet, die auf eine weit-gehende Steuerbefreiung für Private-Equity-Fonds hinauslaufen.

Gleichzeitig behauptet PeerSteinbrück in Monitor im Juli 2007:„Sie werden nicht national irgend-etwas regulieren oder kontrollierenkönnen vor dem Hintergrund einesglobalisierten Finanzmarktes.“ In Anbetracht der vielen Gesetzezugunsten der Heuschrecken wärees für unser Land besser gewesen,die Regierungen hätten in der Tatnichts getan. Denn eines ist klar:Wenn national im Alleingang derrote Teppich ausgerollt wurde,dann kann man ihn national auchwieder einrollen.

Unstrittig ist, dass der „globali-sierte Finanzmarkt“ neue Heraus-forderungen stellt. Insbesonderedie USA und Großbritannien tretenfür liberalisierte Finanzmärkte ein.

Gerade ein wirtschaftlich starkesLand wie Deutschland hat abersehr wohl erhebliche Möglichkeitenauf europäischer und internationa-ler Ebene Einfluss zu nehmen. Um Regulierung und Kontrolle derFinanzmärkte auch internationalvoranzubringen.

„Deutschland ist Profiteur derGlobalisierung“, sagt Finanzmini-ster Steinbrück. Das ist nicht ganzrichtig, denn Profiteure sind deut-sche Unternehmer. Den Beschäftig-ten jedoch wird immer wieder er-zählt, dass die deutsche WirtschaftOpfer der Globalisierung sei. Undsich die Beschäftigten auf weitereDeregulierung, Flexibilisierung undunmittelbare Verschlechterungeneinzustellen haben.

Heuschrecken und Unternehmerimmer aggressiver

Insbesondere in den letztenzehn Jahren übt der Shareholder-Value-Kapitalismus immer mehrDruck auf Unternehmen aus.

!Die Regierungen Schröderund Merkel haben dieBedingungen für Finanz-investoren verbessert.

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Roter Teppich für Heuschrecken

Bei der Reaktion auf die gegenwärtige problematische Lage fällt daher den Nationalstaaten, zumindest vorläufig,eine entscheidende gestalterische Aufgabe zu.Ortwin Runde/Florian Pronold (SPD-MdBs): Intelligenz gegen Geldgier. Positions-

papier zur angestrebten Private-Equity-Gesetzgebung, Juni 2007, Seite 10

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Geschäftsleitungen werden in vielen Betrieben immer aggressiver.Diese Militanz hat den Gewerk-schaften die Arbeit erheblicherschwert. Aber auch die Politikhat uns immer mehr Knüppel zwischen die Beine geworfen. So werden befriedigende Lohnab-schlüsse immer schwieriger. Seit2000 stagnieren die Einkommender Beschäftigten. Für viele hatsich die Lebenslage sogar ver-schlechtert. Für Erwerbslose massiv. Und die Profite legten um40 Prozent zu.

Entfesselte Finanzmärkte –immer neue Finanzkrisen

Die verselbständigten Finanz-märkte führen zu immer neuenSpekulationsblasen und Krisen.Nur einige Jahre zurück liegt die„New-Economy-Blase“. Als sie2000 platzte, führte dies zu einerBeeinträchtigung der gesamtenwirtschaftlichen Entwicklung.Letztlich kostete das viele Arbeits-plätze.

Im Spätsommer 2007 ist wiedereine Spekulationsblase geplatzt.Auf dem US-amerikanischenImmobilienmarkt. Eine ganze Zeitlang waren die Zinsen verlockendniedrig. Außerdem sind Immobi-lienpreise laufend gestiegen. VieleMenschen haben deshalb denSprung in die eigenen vier Wändegewagt. Darunter viele, die sichdas eigentlich gar nicht leistenkonnten. Mit Krediten wurden dieImmobilien häufig zu 100 Prozentfinanziert. Dann stagnierte der

Immobilienmarkt, die Zinsen stie-gen. Eigentümer können Zins undTilgung nicht mehr stemmen. Vieleverlieren ihre Häuser und sindhoch verschuldet. Und Kreditaus-fälle verursachen Verluste in Milli-ardenhöhe. Selbst deutsche Ban-ken sind davon betroffen.

... und unsere Perspektiven?„Unseren Kindern soll es einmal

besser gehen“, mit dieser Aussichthaben die Menschen bis in die1980er Jahre gearbeitet undgelebt. Diese Hoffnung ist einerweit verbreiteten Zukunftsangstgewichen. Deshalb muss derfinanzmarktgetriebene Kapitalis-mus ausgebremst werden. MehrRegulierung und Kontrolle derFinanzmärkte ist notwendig. UndFinanzmärkte müssen auf Diätgesetzt werden. Durch einen Stoppder Umverteilung von unten nachoben. Und da steht neben vielenanderen Punkten der Kampf füreinen gesetzlichen Mindestlohn,gegen Lohndumping und gegenLeiharbeit ganz oben auf derTagesordnung.

!Die angeblich segensreicheWirkung von liberalisiertenFinanzmärkten ist in vielenFinanzkrisen widerlegtworden.

!Rot-Grün steigerte dieFresslust der Heuschrecken.Und die gegenwärtigeKoalition macht so weiter.

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Hedge-Fonds gelten als die„Königsklasse“ im Finanz-

markt-Kapitalismus. Sie sammelnKapital in großen Dimensionen ein und versuchen es auf deninternationalen Finanzmärkten zu vermehren. Ihr besonderes Versprechen: Immer positive undzudem besonders hohe Renditenunabhängig von der wirtschaft-lichen Entwicklung.

Banken, Pensionsfonds undsehr reiche Leute überhäufen Hedge-Fonds regelrecht mit Kapi-tal. Kein Wunder, werben dieFonds doch mit Renditen oberhalbvon 20 Prozent pro Jahr. Im Unter-schied zu traditionellen Aktien-oder Immobilienfonds unterliegensie keinerlei Anlagerichtlinien.Erlaubt ist, was gefällt und derErhöhung der Rendite dienlich ist.

Allerdings stehen den Verlo-ckungen einer hohen Rendite auchgewaltige Risiken gegenüber – bis hin zum Totalverlust des einge-

zahlten Geldes. Und die Risikensteigen. 2006 hatte sich allein derAmaranth Fonds zum Beispiel mitüber sechs Milliarden Dollar beiErdgas-Wetten verspekuliert. Dievon der Stadt San Diego in diesenFonds gesteckten Pensionsgeldersind nun futsch. Eine Tragödie für viele heutige und zukünftigeRentnerinnen und Rentner.

Hedge-Fonds immer bedeutungsvoller

Trotz wachsender Risiken hatdie Anzahl und das von Hedge-Fonds verwaltete Vermögen starkzugenommen. Innerhalb der letz-ten vier Jahre hat es sich verdop-pelt. Ende 2006 verwalteten welt-weit etwa 9.500 Hedge-Fondsknapp 1,5 Billionen Dollar. Unge-fähr so viel, wie alle Beschäftigtenin Deutschland in einem Jahr ver-dienen. Experten gehen davon aus,dass es in zehn Jahren schon sechsBillionen Dollar sein werden.

Im Vergleich zum gesamtenweltweit verwalteten Finanzver-mögen in Höhe von knapp 80 Billionen US-Dollar, scheinen Hedge-Fonds trotz ihres immensenWachstums noch relativ bedeu-tungslos. Aber das täuscht! Hedge-Fonds dürfen nämlich aufKredit spekulieren. Damit bewegensie viel mehr Kapital, als sie an Einlagen haben. Der Kredit wirdhier als „Hebel“ – englisch „leve-rage“ – oder „Turbo“ eingesetzt,um die Rendite zu erhöhen.

ver.di fordert:

Kredite an Hedge-Fonds müs-sen erheblich verteuert und mithohen Eigenkapitalanforderun-gen unterlegt werden.

ver.di fordert:

Pensionsfonds dürfen die ihnenanvertrauten Ersparnisse nichtin Hedge-Fonds anlegen.

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Hedge-Fonds: Hohe Rendite – hohes Risiko

Hedge-Fonds: Hohe Rendite – hohes Risiko

Fast 1,5 Billionen Dollar verwalten die weltweit etwa 9.500 Hedge-Fonds. Mit Hilfe von Krediten bewegen sie sogar noch ein Vielfaches dieses Betrags. Ob das Geschäft angesichts der Finanzmarktkrise seit Sommer 2007 weiter boomt, ist noch unklar.Quelle: Hedge Fund Research, Inc., January 2007; Prognose: Van Hedge Fund Advisor International, Nashville, TN

Hedge-Fonds im Aufwind11.650

3.900

2.400

600

0

2.000

4.000

6.000

8.000

10.000

12.000

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008

Anzahl

0

200

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600

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1.400

1.600

1.800

2.000

Mrd. !

9.500

Prognose

1.72

0 M

rd.

"

490

Mrd

. "

1.43

0 M

rd.

"

verwaltetes Vermögen

Anzahl der Hedge-Fonds

Hedge-Fonds müssen der Aufsicht keine Daten zur Verfügungstellen. Sie bilden somit weiße Flecken auf der Landkarte derAufsicht. Und diese Flecken weiten sich aus.

Edgar Meister, Vorstand der Bankenaufsicht, in der Financial Times Deutschland am 12. Mai 2005

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Legendär: Der Fall LTCMBislang einmalig ist der Fall des

Long-Term Capital ManagementFund (LTCM). Dieser Fonds hättelaut Handelsblatt beinahe „dasWeltfinanzsystem in die Tiefe ge-rissen“.

Bei einem Eigenkapital von fünf Milliarden Dollar hatte derFonds 1998 Kredite in Höhe von125 Milliarden Dollar aufgenom-men und über weitere hochspe-kulative Finanztransaktionen Ge-schäfte in Höhe von 1,3 BillionenDollar getätigt. Das Verhältnis vonFremd- zu Eigenkapital betrug zeitweise 150:1. Als sich die Kurseder gekauften Wertpapiere nichtwie gehofft entwickelten, konntenKreditzinsen nicht mehr bedient,geschweige denn Kredite zurück-gezahlt werden. Banken gerietenins Trudeln. Die US-Notenbank sahsich gezwungen, eine Auffang-aktion zu koordinieren. 15 welt-weit führende Finanzinstitute stell-ten schnell 3,5 Milliarden Dollarbereit. Auch deutsche Bankenbeteiligten sich an der Rettungs-aktion. Bei der Dresdner Bank wur-de der Verlust auf 120 Millionen

Euro beziffert, die Deutsche Banksteuerte „aus moralischer Ver-pflichtung“ 240 Millionen Eurobei. Ein Zusammenbruch beteilig-ter Banken und ein dadurch aus-gelöster weltweiter Dominoeffektkonnte so noch einmal verhindertwerden.

Hedge-Fonds in DeutschlandMittlerweile vergeht kaum ein

Tag, an dem nicht auch von Politi-kern beider RegierungsparteienKritik an Finanzinvestoren geübtwird. Dabei war es die rot-grüneRegierung selbst, die 2004 trotzProtesten Hedge-Fonds in Deutsch-land zugelassen und ihnen Steuer-vorteile eingeräumt hatte.

Lediglich einige Einschränkun-gen konnten durchgesetzt werden,so dass sie hier nicht ganz nachBelieben schalten und walten kön-nen. Beispielsweise müssen sie umin den Genuss einer privilegiertenBesteuerung zu kommen, Zins-

!Hedge-Fonds machen das internationale Finanz-system zunehmend instabiler.

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Ein Hedge-Fonds-Manager investierteine Million Euro in Bayer-Aktien.200.000 sind Eigenkapital, die rest-lichen 800.000 finanziert er überKredit. Er hat Glück: Der Bayer-Kurs steigtinnerhalb eines Monats um zehnProzent. Nun verkauft er die Aktienwieder und zahlt den Kredit zurück.Gewinn: 100.000 Euro. Allerdingsmuss der Manager für den MonatKreditzinsen bezahlen. Bei vier Pro-

zent Zinsen sind das rund 2.700Euro. Bleiben 97.300 Euro übrig.Ohne Kreditaufnahme hätte derGewinn 20.000 Euro betragen. Die Differenz – 97.300 gegenüber20.000 Euro – kommt durch denLeverage-Effekt zustande. Bezogenauf das Eigenkapital in Höhe von200.000 Euro hat der Manager eine Rendite von 49 Prozent erzielt.Ohne Kredithebel wären es nurzehn Prozent gewesen.

Hebel- oder Leverage-Effekt – so geht‘s

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erträge und Kursgewinne offen-legen. Dies scheuen aber die meisten Hedge-Fonds, da ihr Ge-schäftsprinzip gerade das Agierenim Verborgenen ist. Da bleibt manlieber als sogenannter Off-Shore-Funds auf den Cayman Islandsoder den Bermudas. Die zu zahlen-den Steuern sind dort minimal.Hierzulande haben sich bislang 20Hedge-Fonds mit einem Anlage-volumen von rund 200 MillionenEuro registrieren lassen.

Ob sie nun vom Inland odervom Ausland operieren: Die Eigen-tümerstruktur, Geschäftspolitikund Anlagen von Hedge-Fondsmüssen systematisch und kontinu-ierlich durch die Finanzaufsichts-behörden kontrolliert werden.Auch muss sich die Bundesregie-rung dafür einsetzen, dass in derEU nur solche Fonds tätig werdendürfen, die sich den Kontrollenunterwerfen.

Strategien der Hedge-FondsNach dem Zusammenbruch der

New Economy ab Mitte 2000 wur-den Hedge-Fonds für Anleger nochattraktiver. Eine ihrer Stärken ist esnämlich, auch bei fallenden Kursenhohe Renditen einfahren zu kön-nen. Die wesentlichen Instrumentehierzu sind Leerverkäufe und derEinsatz von Krediten. Beide Strate-gien gehen aber nicht immer auf:Steigen bei Leerverkäufen widererwarten die Kurse der betreffen-den Aktie, kommt es zu einemVerlustgeschäft. Je nach Volumenund Höhe des Einsatzes von Krediten mit fatalen Folgen für den Fonds – bis hin zur Pleite.

Preisunterschiede nutzen Eine weitere Strategie beruht

auf der Ausnutzung kleinster Kursunterschiede – sogenannteArbitrage-Geschäfte. Auf demeinen Markt wird gekauft, auf dem anderen blitzschnell verkauft.Durch den Einsatz von sehr viel,vor allem geliehenem Geld werdenaus kleinen Kursdifferenzen hoheund vor allem schnelle Profite. ZumBeispiel kauft der FondsmanagerWertpapiere in Tokyo, um sieSekunden später zu einem höhe-ren Preis in Frankfurt wieder zuverkaufen.

Das Gleiche geht auch mit Zinsunterschieden: Hedge-Fonds-Manager leihen sich in Ländernmit niedrigen Zinsen riesige Sum-men Geld billig aus – sogenanntecarry trades – und legen es dortan, wo die Renditen gerade be-sonders hoch sind.

ver.di fordert:

Um Spekulationen mit Währungen zu reduzieren isteine Steuer auf internationaleGeldgeschäfte einzuführen –die Tobinsteuer.

!Hedge-Fonds sind derbesondere Ausdruck derJagd nach hohen Profiten.

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Hedge-Fonds: Hohe Rendite – hohes Risiko

Leerverkäufe – auch „Long ShortEquity“ genannt – bezeichnen denVerkauf lediglich geliehener Wert-papiere. Traditionellen Fonds ist diesuntersagt. Geht ein Hedge-Fonds-Manager davon aus, dass zum Bei-spiel Aktien des Reiseanbieters Tuifallen, leiht er sich Aktien dieser Firma zum Tageskurs aus und ver-kauft sie. Ist sein finanzieller Ein-satz groß genug, löst bereits derVerkauf ein Sinken des Kurses aus.

Da die Aktien nur geliehen sind,muss er sie zum vereinbarten Zeit-punkt zurückgeben. Sind die Kursezwischenzeitlich gefallen, benötigtder Fondsmanager für den Rück-kauf weniger Kapital als er für denVerkauf erhalten hat. Abzüglich derGebühr für das Leihen der Aktienwird so ein Gewinn in einem fallen-den Markt eingefahren. Und Tui istder Dumme, da sein Börsenwertgefallen ist – wie 2004 geschehen.

Leerverkäufe – so geht’s

Stand August 2007

Estländer&Rönnlund Global XL: + 13 Prozent pro Jahr seit 1996Starhedge All Strategies: + 21 Prozent pro Jahr seit 1999Quadriga AG Hedge-Fonds: + 18 Prozent pro Jahr seit 1996K1 Invest Ltd.: + 25 Prozent pro Jahr seit 1996

Quelle: www.hegdefonds24.de

Hedge-Fonds werben mit hohen Renditen

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Profit über allesMittlerweile gibt es kaum einen

Markt, auf dem Hedge-Fonds aufder Suche nach Profiten nicht spekulieren. Das reicht von derFinanzierung von Hollywood-Filmen, über den Erwerb von Rech-ten an jungen Fußball-Talenten bishin zum Handel mit Wertpapieren,denen schlecht abgesichertenHypothekenkredite zugrunde lie-gen – die Auslöser der Finanzkriseim Sommer 2007. Oder man kauftsich in börsennotierte Unterneh-men ein, treibt kurzfristig die Kur-se hoch und macht dann schnellKasse. Zwischenzeitlich wird dasManagement unter Druck gesetzt,Unternehmensgewinne vollständigan die Aktionäre auszuschüttenoder über Kredite die Dividendennoch zu steigern. Für Investitionenbleibt dann kein Geld mehr übrig.

Dass diese Ausplünderung Arbeits-plätze vernichtet und mittelfristigdas Ende des Unternehmen bedeu-tet, interessiert den Hedge-Fondsnicht. Bis dahin ist er schon längstzum nächsten Unternehmen wei-tergezogen.

ver.di fordert:

Das Leihen von Aktien mussverhindert werden; in einemersten Schritt sind Meldefristenfür das Leihen von Aktien einzuführen.

F i n a n z k a p i t a l i s m u s

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Seit 2004 sind Hedge-Fonds auch in Deutschland zugelassen. Um Steuervorteile zu erhalten, müssen sie hier Zinserträge und Kursgewinne angeben. Viele wollen nicht einmal das offenlegen – und bleiben in den Steueroasen.Quelle: Böcklerimpuls 9/2007

Hedge-Fonds fern jeder AufsichtDie weltweit verwalteten Fonds sind registriert in . . .

Steueroasen – Cayman Islands, Bermudas und andere – 56% USA – 35%

EU – 9%

Besonderen Hedge-Fonds-Attackenist der Oldenburger FotodienstleisterCewe Color ausgesetzt. Nachdemdie beiden amerikanischen Hedge-Fonds „K Capital“ und „M2“ 16 Pro-zent der Aktien erworben hatten,wollten sie schnell Kasse machenund eine Sonderdividende durch-setzen. Dass dafür kein Geld da war, beeindruckte die Hedge-Fondswenig. Die Kosten von bis zu 120Millionen Euro sollten über Kreditfinanziert werden. Dabei hat die Firma schon Problemegenug. Sie muss den Übergang vonder analogen zur digitalen Bilder-welt bewältigen. Dazu sind massiveInvestitionen in neue Technik undVertriebswege in Höhe von 150 bis200 Millionen Euro nötig. Insofernplatzte der Angriff der Hedge-Fonds mitten in den Umbau des Tradi-

tionsunternehmens, das schonneun von 29 Betriebsstätten ge-schlossen hatte. Der Vorstand von Cewe Color leistete jedoch öffentlich massivenWiderstand. „Mit mir wird es keineSonderausschüttung geben, wennzugleich Mitarbeiter entlassen undSozialplanverhandlungen geführtwerden“, so Cewe-Chef Hollander.Und bislang konnte sich das Ma-nagement durchsetzen: Auf derHauptversammlung in Oldenburg im April 2007 haben die Aktionäredem Management den Rückengestärkt: Sie schmetterten alle Forderungen der amerikanischenHedge-Fonds ab. Diesmal hat noch Oldenburg gegenNew York gewonnen. Doch dieAngriffe gehen weiter.

Cewe Color: Heuschreckenabzocke erst einmal verhindert

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Beim traditionsreichen Sanitär-Großhändler Schulte in Dort-

mund haben rund 1.700 Beschäf-tigte ihren Arbeitsplatz verloren.Sie wurden Opfer von Heuschre-cken. Viele Beschäftigte stehen vordem Aus. Trotz erheblicher Opferder Belegschaft, trotz zuletzt zwei-stelliger Umsatzsprünge.

Anfang 2004 war die SchulteGruppe von dem Private-Equity-Fonds W.V.M. (Westfälische Vermögen Management AG) über-nommen worden. Fehleinschätzun-gen des Managements und einelahmende Baukonjunktur hattendas Unternehmen in Schwierig-keiten gebracht. Jetzt erhoffteman Rettung.

Was folgte, war eine „Opera-tion am offenen Herzen“. Die Fir-ma wurde umgekrempelt. W.V.M.hatte sich jedoch verkalkuliert undstieg aus. Im Mai 2006 schien derHedge-Fonds Avenue Capital (AC)Rettung zu bringen. Finanziertwurde der Deal unter anderem

mit Krediten, die Schulte selbst zu tragen hatte. Es ging aufwärts, die Umsätze stiegen im Herbst2006 um 25 Prozent.

Dann der Schock: AC stellteplötzlich ohne Begründung seineKredite fällig – und Schulte warüber Nacht pleite. Kein Wort vonden Managern, warum sie denBetrieb an die Wand fahren ließen.Die Heuschrecke hatte ihr Futterwohl ins Trockene gebracht. DieKredite waren über die vorhande-nen Warenbestände gut gesichert.

Sie heißen. . .Blackstone, Apax Partners,

KKR, Kingsbridge Capital oder Permira und sind sogenannte Private-Equity-Fonds. Ihr Kapitalerhalten diese riesigen Kapital-sammelstellen vor allem von Pen-sionskassen, Banken, Versicherun-gen, Stiftungen und superreichenPrivatanlegern, die oberhalb vonfünf Millionen Dollar einsteigen.

Gelegentlich tun Private-Equity-Fonds Gutes und finanzierenUnternehmensgründungen undjunge Firmen. Knapp 90 Prozentaller Investitionen waren 2006aber sogenannte Buyouts – alsoKauf und Übernahme von Unter-nehmen. Manchmal scheint es dieletzte Hoffnung für angeschlageneUnternehmen. Immer sind Arbeits-plätze, Einkommen und sonstigeArbeitsbedingungen der Beschäf-tigten bedroht. Immer geht es umProfitmaximierung mit allen Mit-teln. Nicht umsonst haben Private-Equity-Fonds als „Firmenjäger“traurige Berühmtheit erlangt.

Private-Equity-Fonds haben mitHedge-Fonds viel gemeinsam:beträchtliche Renditeversprechun-gen, hohe Kreditaufnahme undAußenstehende haben keinen Ein-blick in die Geschäfte. Im Unter-schied zu Hedge-Fonds handelt es sich bei ihnen um sogenanntegeschlossene Fonds. Sobald dasGeld für ein bestimmtes Investiti-onsvorhaben zusammen ist, wirdder Fonds geschlossen. Die An-leger sind anteilig am Gewinnbeteiligt und haften nur mit ihrerEinlage. Um die konkreten Ge-schäfte kümmert sich ein hochbe-zahltes Management. Die Anlegerinteressiert nur eine möglichsthohe Rendite.

!Private-Equity-Fonds wollen nicht mit Unter-nehmen Geld verdienen,sondern an ihnen!

F i n a n z k a p i t a l i s m u s

8

Private-Equity-Fonds: Die Firmenjäger

Private-Equity-Fonds: Die Firmenjäger

Finanzinvestoren haben auch diedeutsche Abfallwirtschaft entdecktund bereits riesige Profite gemacht.Und ihr Appetit auf weitere Müll-Geschäfte wächst. Viele mittelstän-dische Unternehmen befürchten,dass sie von den Großen nieder-konkurriert oder übernommen wer-den. Eine „Goldgräberstimmung“hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in der Müll-Brancheausgemacht. Ein Milliardengeschäft.Und die steigenden Preise für Alt-papier, Glas, Metallschrott undKunststoffe versprechen noch höhe-re Renditen. Das Duale System Deutschland (DSD)war 2005 von Kohlberg KravisRoberts (KKR) übernommen wor-den. Die für den Kauf aufgenom-menen Bankkredite von rund 160Millionen Euro konnte der Private-

Equity-Fonds unter anderem wegenEntlassungen und massivem Lohn-dumping bereits innerhalb einesJahres tilgen. Dem eingesetztenEigenkapital in Höhe von 108 Mil-lionen Euro stand nach zwölf Mo-naten ein Jahresüberschuss von 146 Millionen Euro gegenüber. Eine Kapitalrendite von 35 Prozent! Jetzt will die DSD-Spitze ihr Unter-nehmen noch attraktiver machen,um beim Weiterverkauf noch einmal richtig Kasse machen zukönnen. So wird die Branche malwieder in Angst und Schrecken ver-setzt. „Denn bei der diesjährigenAusschreibung für die Entsorgungvon Verpackungsmüll wird eine weitere Dumping-Welle erwartet“,berichtet Erich Mendroch, Leiter der Fachgruppe Abfallwirtschaft bei ver.di.

Lust auf Müll

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Roter Teppich für Private-Equity-Fonds

Das in Deutschland von Private-Equity-Fonds investierte Kapital hat in den letzten Jahren massivzugenommen. Zwischen 2002 und2006 stieg es von knapp siebenMilliarden Euro auf 51 MilliardenEuro an. Ende 2006 arbeitetenbereits fast eine Million Beschäftig-te in Unternehmen, die von Priva-te-Equity-Fonds aufgekauft wor-den sind.

Alles gegen den Willen der Re-gierungen Schröder und Merkel?Wer erinnert sich nicht an Münte-ferings Heuschrecken? Finanz-investoren fielen „über Unterneh-men her, grasen sie ab und ziehen weiter.“ Tatsächlich hat Rot-Gründen Heuschrecken den roten Teppich ausgerollt. Unter anderemdurch die steuerliche Freistellungdes Verkaufs von Beteiligungen anUnternehmen. Und im Sommer2007 bereitet Steinbrück ein neuessogenanntes „Wagniskapitalbe-teiligungsgesetz“ vor. Statt be-haupteter Begrenzung von Private-Equity-Aktivitäten ist es nach Ein-schätzung des Steuerexperten

Professor Jarras in Wahrheit „nichtsehr weit von einem Private-Equity-Förderungsgesetz entfernt.“

Deutschland – Spielwiese für Private-Equity-Fonds

In den USA und Großbritanniensind Private-Equity-Fonds schonlängere Zeit aktiv. In Deutschlandkam das Geschäft erst in den letzten Jahren richtig in Gang.2006 gab es 186 Firmenkäufe inDeutschland – neuer Rekord!Neben den durch die ehemaligerot-grüne Regierung gewährtenVergünstigungen war hierfür das

niedrige Zinsniveau ausschlagge-bend. Dies beflügelte die Kredit-aufnahme und machte immer teurere Übernahmen möglich.Allein zwischen 2005 und 2006stieg der Wert der gemeldetenÜbernahmen in Deutschland umüber 60 Prozent an.

ver.di fordert:

Die Besteuerung der Veräuße-rungsgewinne von Kapital-gesellschaften muss wieder eingeführt werden.

Der Blackstone-GründerSchwarzman hat 2006 ein Einkommen von knapp 300 Millionen Euro kassiert – so viel wie 9.000 Beschäftigte mit durchschnittlichem Einkommen in Deutschland.

F i n a n z k a p i t a l i s m u s

9Die Akzeptanz von Private-Equity als Finanzierungsinstrumentsteigt stetig, und auch internationale Finanzinvestoren entdecken zunehmend Deutschland als attraktives Investitions-ziel ... Der deutsche Markt ist aus Sicht der Investoren noch bei weitem nicht ausgereizt. Er verspricht sowohl ein ver-gleichsweise hohes Entwicklungspotenzial als auch hohe Kapitalrenditen.

Joachim Spill, Ernst&Young, Presseerklärung vom 28. Dezember 2005

Private-Equity-Fonds – die berüchtigten Heuschrecken – sind bei immer mehr Unternehmen in Deutschland eingestiegen. 2002 haben sie knapp sieben Milliarden Euro investiert, 2006 waren es über 50 Milliarden Euro.Quelle: Ernst & Young, Transaction Services Germany, Private Equity Activity December 2006

Immer mehr Heuschrecken kommen nach Deutschland

6,9 Mrd. "

13,6 Mrd. "

23,5 Mrd. "

31,6 Mrd. "

50,9 Mrd. "

186

59

73

113

139

2002 2003 2004 2005 2006

Wert der Geschäfte

Anzahl der Geschäfte

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Die Branche hat noch zahlrei-che Unternehmen mit äußerstlukrativen und profitabel veräußer-baren Kerngeschäften im Auge.Auch wenn der Boom derzeitwegen steigender Zinsen undwachsender Unsicherheiten imZuge der US-Immobilienkrise ge-bremst ist: Die Gier an den Finanz-märkten wird sich bald wiederBahn brechen können. Mittelfristigrechnen Branchenkenner mit einer weiteren Verdoppelung desAnlagevolumens.

Die Strategien der „Räuber“Private-Equity-Fonds beteiligen

sich an Unternehmen oder kaufensie ganz auf. Besonders gefragtsind mittelständische Unterneh-men, die Nachfolger suchen, Toch-terfirmen, die ein Konzern geradeloswerden will, Unternehmen mitprofitablen Geschäftsbereichen.Aber auch öffentliche Firmen, dieprivatisiert werden. Lässt sich dasUnternehmen zerlegen, werdenlukrative Unternehmensteile sofortverkauft. Die übrigen Teile werden

mit allen Mitteln profitabel ge-macht, bevor auch sie mit Gewinnweiterverkauft werden – soge-nannte Secondary Buy-outs. Diesin der Regel an einen anderen Private-Equity-Fonds. Auf das, wasam Ende vom Unternehmen übrigbleibt, warten sogenannte Geier-Fonds. Die steigen wie Leichen-fledderer in fast oder vollständiginsolvente und ruinierte Firmen einund versuchen noch den letztenEuro rauszuholen.

Ausquetschen der BelegschaftDrei bis vier Jahre gelten als

erstrebenswerter „Verwertungs-zyklus“. In dieser Zeit muss dieRendite hochgetrieben sein. Daslässt sich mit traditionellen Mittelnwie Investitionen, Innovationenund Produktivitätsfortschritt nichterreichen. Deshalb gehört brutaleKostensenkung vor allem zu Lastender Beschäftigten zum Standard-repertoire der Branche: MassiverStellenabbau und Einsatz billigerLeiharbeiter genauso wie Strei-chung übertariflicher Leistungenund massiver Druck auf Tarifverträ-ge. Zugeständnisse der Beleg-schaft, des Betriebsrats und derGewerkschaften werden häufigmit der Androhung weiterer Entlassungen schlicht erpresst.

Kredit und VerschuldungZum Geschäftsmodell von

Finanzinvestoren gehört es, denKauf eines Unternehmens zumGroßteil mit Krediten zu finanzie-ren. Allein der Einsatz diesesHebels steigert den Profit bereitsgewaltig.

2006 kamen auf einen EuroEigenkapital im Durchschnitt rund14 Euro Fremdkapital. Die Kreditewerden der gekauften Firma auf-gebürdet. Vormals gesunde Unter-nehmen sind mit dem Kaufdatumplötzlich hoch verschuldet. Die zuzahlenden Zinsen tauchen dann alsBetriebsausgaben auf, mit denen

!Private-Equity-Fondsgefährden Arbeitsplätze,erhöhen den Lohndruckund verschlechtern massivdie Arbeitsbedingungender Beschäftigten.

!Die in der Branche als „Räuber“ bezeichnetenInvestoren wollen kurz-fristig extreme Gewinn-raten durchsetzen – nacheigenen Angaben 15 bis 40 Prozent pro Jahr.

F i n a n z k a p i t a l i s m u s

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Private-Equity-Fonds: Die Firmenjäger

1. Fonds auflegenEs beginnt mit dem Einsammeln von Kapital. 2006 waren es weltweit nach Schätzungen rund 300 Milliarden Dollar.

2. Unternehmen kaufenMit dem Kapital wird ein Unternehmen gekauft oder sich maßgeblich an ihm beteiligt. Bis zu 90 Prozent der Kaufsumme wird über Kredit finanziert.

3. Gewinne hochtreiben und/oder Unternehmen ausschlachtenÜbliche Mittel sind: massiver Stellenabbau, Lohnkürzungen, Arbeitszeit-verlängerung, Einsatz billiger Leiharbeiter, Zusammenlegung oder Verkaufvon Unternehmensteilen, Investitionsstopp, Aneignung des Firmenver-mögens, über Kredit finanzierte Sonderausschüttungen.

4. Ausstieg mit ProfitNach der Durchkapitalisierung des Unternehmens und dem etwaigen Verkauf von Unternehmensteilen wird das Unternehmen nach drei bis vierJahren mit Gewinn weiterverkauft oder an die Börse gebracht. Bei zuvorausgeschlachteten Unternehmen wird der Rest verkauft – oder geht in Konkurs.

Riesenprofit in vier Akten

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sich wiederum prima Steuern spa-ren lässt. Eigentlich ist eine solcheÜbertragung von Krediten nachdem Aktiengesetz verboten. DieRegierung Kohl hat jedoch bereits1995 durch das Umwandlungsge-setz für die Legalisierung gesorgt.

Damit aber nicht genug. ÜberSonderdividenden wird häufig daswenige eingesetzte Eigenkapitalganz oder teilweise zurück geholt.Selbst wenn das Unternehmenhierfür weitere Schulden machenmuss. Das alte oder neue Manage-ment ist gezwungen alles zu tun,schnell einen hohen Überschuss zu erwirtschaften. Die neuen Zins-und Tilgungslasten müssen jabedient werden. Läuft dann nichtalles so wie gedacht, droht schnellder Konkurs. Dass Hunderte, zumTeil Tausende von Arbeitsplätzenvernichtet werden, ist den Mana-gern des Private-Equity-Unterneh-mens egal.

Übertreibung gehört zum GeschäftAngaben über riesige Renditenkommen von den Private-Equity-Fonds selbst. Einblick von außenhat niemand so richtig. Insofern ist hier Vorsicht geboten, zumalhohe Renditeangaben natürlich

die beste Werbung sind. Tatsäch-lich kam es aber in knapp 30 Pro-zent aller vollständig abgeschlosse-nen Geschäfte sogar zu Verlusten. 20 Prozent stellten sogar einenTotalverlust dar. Bei noch nichtabgeschlossenen Geschäften las-sen lasche Bilanzierungsvorschrif-ten den Fondsmanagern einen hohen Spielraum für Schönfärbe-reien. Auch werden vor allem diewenigen Geschäfte mit extremguten Ergebnissen in den Vorder-grund gerückt.

!Einige gute Jahre könnenfantastische Renditen pro-duzieren. Läuft allerdingsnicht alles wie gedacht,kommt es bei hoher Schuldenlast schnell zumBankrott.

ver.di fordert:

Bei der Übernahme von Unter-nehmen muss der Übertragungvon Krediten zur Kaufpreis-finanzierung ein Riegel vorge-schoben werden.

F i n a n z k a p i t a l i s m u s

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Der Private-Equity-Fonds GIER kauftdie Müller AG für 100 MillionenEuro. 25 Millionen Euro sind Eigen-kapital. Der Rest – 75 MillionenEuro – wird über Kredit finanziertund der Müller AG aufgebürdet. In der Müller AG muss die Ge-schäftsführung auf Anweisung desEigentümers harte Kostensenkun-gen gegenüber den Beschäftigtendurchsetzen. Außerdem wird vielesin dem Unternehmen optimiert.

Nach drei Jahren wird die Müller AG für 130 Millionen Euro verkauft.Ein Plus von 30 Millionen Euro.Bezogen auf das eingesetzte Eigen-kapital von 25 Millionen Euro be-deutet dies eine Rendite von rund30 Prozent jährlich. Hätte derFinanzinvestor die Müller AG voll-ständig mit Eigenmitteln gekauft,läge die Rendite „nur“ bei knapp zehn Prozent.

Extraprofit mit Kredithebel

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In den vergangenen Jahren sindimmer mehr auch Immobilien zur

Zielscheibe von Finanzinvestorengeworden. Sie stürzen sich aufkommunale und landeseigeneWohnungsgesellschaften oder aufehemalige Werkswohnungsbe-stände, die zum Verkauf stehen.

Immobilien im Fokus der Finanzanleger

Deutsche Wohnimmobilien sindbei Investoren aus aller Welt ge-fragt. Sie sind nach wie vor ver-gleichsweise günstig zu haben.Kaufen, Mieterhöhungen durch-setzen, hohe Renditen erzielenoder teurer wieder verkaufen lautet hier das Motto.

Aber auch Gewerbeimmobiliensind beliebte Anlageobjekte. Hiertreffen sich die Interessen vonFinanzinvestoren mit denen großerUnternehmen. Durch den Verkaufihrer Betriebsimmobilien könnensie Gewinne erzielen und Geldflüssig machen: um andere Unter-nehmen im In- und Ausland auf-zukaufen, auf Finanzmärkten zuinvestieren, eigene Aktien zurück-zukaufen oder höhere Dividendenan ihre Anteilseigner auszuschüt-ten.

Real-Estate-Investment-TrustsAnteile an Immobilienfonds

sind bisher nicht so flexibel handel-bar wie andere Wertpapiere. Real-Estate-Investment-Trusts, kurzREITs sollen dieses Problem lösenund Immobilienanlagen nochattraktiver machen. Dabei handeltes sich um eine besondere Art vonImmobilienfonds in der Form vonAktiengesellschaften, die an derBörse gehandelt werden können.

Ende März 2007 beschloss der Bundestag die Einführung von REITs und ihre steuerlicheBegünstigung auch in Deutsch-land. Bereits bestehende reineWohnimmobilien sind dabei aus-genommen, sie können nicht indeutsche REITs eingebracht wer-den. Die Erlöse dieser REITs müssenzu mindestens 75 Prozent aus derVermietung oder Verpachtungoder dem Verkauf von Immobilienstammen und zu mindestens 90 Prozent an die Anteilseignerausgeschüttet werden. Ihre Ein-künfte sind dann von den Unter-nehmensteuern – Körperschaft-und Gewerbesteuer – befreit. Nur die empfangenen Ausschüt-tungen müssen von den Anteils-eignern versteuert werden.

Neue Steuerschlupflöcher für Reiche

Damit drohen hohe Steuerver-luste für den deutschen Staat.Ausländische Anleger machen denüberwiegenden Teil der Investorenaus. Bei ihnen werden nur niedrigeQuellensteuern erhoben, meistzwischen zehn und 15 Prozent, im Falle der Schweiz sogar Null.Das ist mit den einzelnen Staatenin sogenannten Doppelbesteue-rungsabkommen geregelt.

Auch viele reiche deutscheAnleger werden Mittel und Wegefinden, in den Genuss dieser nied-rigen Steuersätze zu kommen,indem sie ihre Geschäfte überBriefkästen im Ausland abwickeln.Die Steuerverwaltung wird großeSchwierigkeiten haben, dies nach-zuvollziehen. Die REITs müssennicht mitteilen, welche Erträge anwelche in- oder ausländischenAnleger ausgeschüttet werden.Geradezu eine Einladung an Reiche zur Steuerhinterziehung!

Neue Steuersubventionen für Unternehmen

Die Einführung der REITs rolltnicht nur den Kapitalanlegern denroten Teppich aus, sondern auchden Unternehmen, die Immobilienzu verkaufen haben. Ihr Problemwar bisher: Die beim Verkauf er-zielten Gewinne mussten voll ver-steuert werden. Diese Gewinne

ver.di fordert:

Keine Unternehmensteuerbe-freiung für REITs. Hierzulandeanfallende Immobiliengewinnemüssen vollständig in Deutsch-land versteuert werden.

!Für reiche Kapitalanlegerbieten REITs massive Steuervorteile.

F i n a n z k a p i t a l i s m u s

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Immobilienspekulation und REITs

Immobilienspekulation und REITs

Vor allem die ehemaligen Wohnungen der öffentlichen Händewerden in einem atemberaubenden Tempo von Beteiligungs-gesellschaften, Finanzinvestoren oder anderen börsennotier-ten Unternehmen durchgehandelt. Mit jedem Verkauf steigtder Renditedruck. Die Zeche müssen die Bewohner, das heißtdie Mieter, und die Städte tragen.

Mieterbund-Präsident Dr. Franz-Georg Rips, Pressemeldung vom 12. März 2007

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sind oft sehr hoch, denn derMarktwert dieser Immobilien liegtzumeist erheblich über dem, derbei den Unternehmen in denBüchern steht. Die Wertsteigerun-gen stellen unversteuerte „stilleReserven“ dar, die beim Verkaufsteuerpflichtig werden.

Hier hilft den Konzernen jetztdie neue „Exit-Tax“: Unternehmenmüssen Gewinne aus dem Verkaufbetrieblicher Immobilien bis Ende2009 nur zur Hälfte versteuern,wenn der Verkauf an eine REIT-Aktiengesellschaft erfolgt.

Zu einem weit offenen Schlupf-loch werden etwa „Sale-and-lease-back“-Gestaltungen: Unternehmenverkaufen selbst genutzte Immobi-lien an einen REIT und mieten siedann zurück. Die Mietzahlungenmindern voll den Gewinn unddamit die Steuern, während derGewinn aus dem Verkauf durch dieExit-Tax steuerbegünstigt ist. DerSteuervorteil bleibt erhalten, auchwenn das Unternehmen die Immo-bilie später wieder zurückkauft.

Jenseits von REITs plant dieBundesregierung eine neue umfas-sende Steuersubvention zugunstenvon Unternehmen, die ehemalssteuerbefreit aufgebautes Woh-nungskapital kaufen. Dies wurdebisher bei Ausschüttung an dieEigentümer mit 45 Prozent besteu-ert. Künftig sollen es nur noch drei Prozent (!) sein. So macht diegroße Koalition die Privatisierungehemals öffentlicher oder gemein-nütziger Wohnungsunternehmenso richtig profitabel für die Heu-schrecken!

Immobilienspekulation auf dem Vormarsch

Um negative Auswirkungen fürdie Mieterinnen und Mieter unddie Entwicklung der Städte zu ver-mindern, haben einige SPD-Politi-ker im Bundestag Beschränkungendurchgesetzt. Deutsche REITs dür-fen keine reinen Mietwohnimmo-bilien erwerben. Das gilt allerdingsnur für solche Wohnungen, die vor 2007 erbaut worden sind.

ver.di fordert:

Keine Steuersubvention beim Verkauf von Betriebs-immobilien!

!Mit der Exit-Tax für Immo-bilienverkäufe an REITsschafft der Staat ein neuesgroßes Steuerschlupflochfür Unternehmen.

F i n a n z k a p i t a l i s m u s

13REITs benachteiligen den Standort Deutschland, REITs benachteiligen private Vermieter, REITs subventionieren dieKapitalflucht, REITs schwächen die Eigenkapitalbasis, REITs verkomplizieren Bilanzierung und Besteuerung, REITs führenzu erheblichen Steuerausfällen.

Prof. Lorenz Jarass, Bundestagsanhörung zu REITs am 28. Februar 2007

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Und gemischt genutzte Gebäude,bei denen die Wohnungen bis zurHälfte der Nutzung ausmachenkönnen, gelten nicht als Mietwoh-nungsimmobilien.

Die Einschränkungen geltenauch nicht für ausländische REITsund für andere Finanzinvestoren.Zu befürchten ist zudem, dass diebeschlossenen Beschränkungen beinächster politischer Gelegenheitabgeschafft werden. Das ist jeden-falls erklärtes Ziel der Immobilien-und der Fondsbranche.

Steigende MietenDie Gefahr besteht, dass in

wenigen Jahrzehnten ein erheb-licher Teil der deutschen Mietwoh-nungen Finanzinvestoren gehörenwird. Ihr Ziel ist ausschließlich dieErzielung maximaler Renditen –durch Einsparungen bei Investitio-nen und Unterhaltungsaufwen-dungen, weniger und schlechterbezahlte Hausmeister, und durchsteigende Mieten. Wenn die

Zinsen und damit die Kosten derInvestoren steigen, wächst derMieterhöhungsdruck noch.

Um höhere Mieten leichterdurchsetzen zu können, ist ver-stärkter und finanzkräftiger Druckgegen den Mieterschutz zu erwar-ten. Sozialzusagen sind meist keinwirksamer Schutz.

So wurde 2004 die Wohnungs-gesellschaft Gagfah an den Finanz-investor Fortress verkauft. Dermachte die Zusage, fünf Jahre langdie Mieten höchstens 1,5 Prozentüber der Inflationsrate zu erhöhen.Doch bereits ein Jahr später for-derte die Gagfah von den Mietern in Stuttgart Erhöhungen von 20 Prozent. Da sie an anderenStandorten die Mieten nicht erhö-hen würden, sei die Zusage fürden Gesamtbestand nicht verletzt.

ver.di fordert:

Keine Privatisierung öffentli-cher Wohnungsunternehmen.Der Mieterschutz darf nicht verschlechtert werden.

!Wohnungen werden zum bloßen Spekulations-und Renditeobjekt.

F i n a n z k a p i t a l i s m u s

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Immobilienspekulation und REITs

Im April 2006 entschied sich in Frei-burg eine Koalition aus CDU undGrünen für den Verkauf der städti-schen Wohnungsbausgesellschaftsamt ihrer Wohnungen an einen privaten Investor. Noch im selbenMonat gründeten betroffeneMieterinnen und Mieter, Beschäftig-te, Mieterbeiräte und Stadtteilver-eine sowie SPD, unabhängige Listenund DIE LINKE.WASG gemeinsam dieBürgerinitiative „Wohnen ist Men-schenrecht“.

Bis Anfang Juli sammelten sie knapp 30.000 Unterschriften füreinen Bürgerentscheid – weit mehrals die notwendigen 12.000. Am 12. November 2006 fand der Bürgerentscheid statt. 41.000Freiburgerinnen und Freiburgerstimmten gegen die Privatisierung,über 70 Prozent der abgegebenenStimmen. Die Stadt Freiburg darfnun mehrere Jahre lang keine Wohnungen verkaufen. Freiburgzeigt: Gegenwehr lohnt sich.

Freiburg: Sieg der Mieterinnen und Mieter über die Privatisierer

Demo gegen Wohnungs-Privatisierung in Freiburg: Mit einem Bürgerentscheid setzten Freiburgerinnenund Freiburger durch, dass die Stadt mehrere Jahre lang keine Wohnungen verkaufen darf.

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Die Finanzmärkte dientenursprünglich der Finanzierung

von Investitionen. Unternehmerkonnten sich zur Umsetzung ihrerIdeen oder Investitionsvorhabenhier das nötige Geld beschaffen.Diese Funktion haben die Finanz-märkte in den letzten beiden Jahr-zehnten zunehmend verloren. Zumeinen ging die Investitionstätigkeitzurück, zum anderen können ins-besondere Großunternehmen aufgrund ihrer exzellenten Ge-winnsituation mehr und mehr aufEigenmittel zurückgreifen.

Kapital nicht knapp Die Unternehmen haben 2005

ihre Investitionen zu fast 90 Pro-zent aus eigenen Mitteln gedeckt.Die erwirtschafteten Beträgewaren sogar höher als die Sachin-vestitionen. Von einem Mangel anEigenkapital kann also keine Redesein.

Immer mehr Geld strömt aufdie Finanzmärkte. Die gewinn-trächtigsten Anlagestrategien rich-ten sich kaum noch auf traditionel-le Geschäfte wie das längerfristigeHalten von Aktien oder Anleihen.Nur auf gute Dividenden oder Zinsen zu warten war gestern.Heute müssen immer höhere Profi-te immer kurzfristiger realisiertwerden. Dazu wird spekuliert, wasdas Zeug hält. Wer auf Risiken hinweist, gilt schon fast als Spiel-verderber.

Bei unzureichenden Investitions-gelegenheiten in Maschinen undGebäude werden sogenannte„alternative“ Anlageformen immerattraktiver. Hedge-Fonds und Priva-te-Equity-Fonds sind da nur diejüngsten Kreationen einer schonlänger laufenden Entwicklung.Finanzmärkte und Realwirtschaftlaufen auseinander. Bis die realeEntwicklung die Finanzmärkte wie-der auf den Boden der Tatsachenzurückholt.

Tendenz zur BeschleunigungIn dem Maße, wie Finanzin-

vestoren die Märkte dominieren, drehen sie das Anlagen- und Spe-

kulationskarussell immer schneller.Sie können jederzeit in ein Ge-schäft oder Unternehmen ein- und wieder aussteigen – „Exit-Option“ – und sich ein anderesObjekt ihrer Begierde suchen. EinAutohersteller oder eine Software-unternehmerin können das nicht. Sie sind fest mit ihrem Unterneh-men verbunden.

!Der Druck der Finanz-investoren auf eine schnelle und vor allemhohe Rendite droht zumMaßstab für die ganzeWirtschaft zu werden.

!Die Finanzmärkte sind zum Kasino für Reiche undUnternehmen geworden.

F i n a n z k a p i t a l i s m u s

15

Kasino und Krisen

Die Haupttendenz der modernen Finanzmärkte ist nicht ihregrenzenlose Globalisierung, sondern die scheinbar vollstän-dige Entstofflichung, Verflüssigung und Beschleunigung, mitder die Finanzanleger sich bereichern.

Jörg Huffschmid: Politische Ökonomie der Finanzmärkte, Hamburg 2002, Seite 23

Die gigantische Summe von 55 Billionen Dollar verwalten Versicherungen, Pensionskassen und andere institutionelle Investoren – zwanzig Mal soviel wie 1980. Die Realwirtschaft bleibt hinter dieser Entwicklung weit zurück.Quellen: OECD Institutional Investors, 2001; International Financial Services, 2006

Vermögen strömt ins KasinoAngelegtes Vermögen von Banken, Pensionskassen, Versicherungen – den sogenannten institutionellen Investoren

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1980 1990 2000 2005

USA

Welt

EU

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Deshalb sind der Autoherstelleroder die Softwareunternehmerinzu permanenter „Kurspflege“gezwungen. Sie müssen ihre Geld-geber bei der Stange halten. Undfür die zählt nur der kurzfristigeGewinn – der „Shareholder-Value“.Langfristig wertsteigernde und füreine solide Entwicklung der Wirt-schaft notwendige Investitionensind da kaum noch durchzusetzen.Eine für die Gesellschaft folgen-schwere Entwicklung, die ihreZukunftsfähigkeit bedroht.

Spekulation ohne EndeAnfang der 1970er Jahre dien-

ten 95 Prozent der Weltfinanz-transfers der Realwirtschaft. Siewaren für den internationalen Aus-tausch von Waren, Dienstleistun-gen und Investitionen nötig. Nurfünf Prozent waren Spekulation.Heute ist es genau umgekehrt.Wenn die Spekulation übermächtigwird, sind Spekulationsblasen vor-programmiert. Dort wo es boomt,wollen alle mitverdienen: Der Her-dentrieb – er lässt Blasen so richtigprall werden. Wenn sie platzen,

lösen sich Milliardenbeträge in Luftauf. Im Jahr 2000 beim Absturzder New Economy. Zuletzt beimCrash des US-Immobilienmarktes.

Die New-Economy-BlaseAngefangen hatte es ganz

realwirtschaftlich: TechnologischeNeuerungen im Informations- undKommunikationsbereich hattenMitte der 1990er Jahre die Hoff-nung auf gänzlich neue Produkteund Dienstleistungen geweckt. In kürzester Zeit entstanden inDeutschland über 500 sogenannte„Start-ups“, neu gegründeteUnternehmen, die innovative Pro-dukte versprachen.

Die Banken weigerten sich inder Regel, derart waghalsigen Pro-jekten mit Krediten auf die Füße zu helfen. Deshalb sammelten dieFirmen das Geld über Börsengängeein. Ein Börsengang jagte dennächsten. Expansionsfantasienheizten die Bereitschaft mächtig an, Aktien beliebiger Start-ups zukaufen. Immer rasantere Kursstei-gerungen waren die Folge. NewEconomy und Zockerkapitalismusergänzten sich prima. Der Herden-trieb kam richtig in Schwung.Nicht selten waren Firmen, die bis-lang nur Verluste gemacht hatten,nach dem Börsengang plötzlichmehrere Milliarden Euro wert.

Das Abheben von der realenWirtschaft konnte nicht lange gutgehen. Nach dem schwindelerre-genden Boom vor allem des Jahres1999 gerieten die Start-ups imMärz 2000 ins Trudeln. Zu großwar die Kluft zwischen realemGeschäft und Börsenwert. Allewollten die Aktien plötzlich wiederlos werden. Die Kurse stürzten insBodenlose. Die Folge waren Mas-senentlassungen und Unterneh-menspleiten in nicht gekanntemAusmaß.

!Milliardenwerte lösen sich in Luft auf.

F i n a n z k a p i t a l i s m u s

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Kasino und Krisen

Spekulanten mögen unschädlich sein, solange sie wie Seifen-blasen auf einem steten Strom unternehmerischer Aktivitätentanzen. Aber die Lage wird ernst, wenn Unternehmen zu Sei-fenblasen auf dem Strudel der Spekulationen werden. Wenndie wirtschaftliche Entwicklung eines Landes zum Nebenpro-dukt der Aktivitäten in einem Kasino werden, kommt ziemlichsicher nichts Gutes dabei heraus.

John Maynard Keynes: Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, 1936, Kapitel 12

Bekannt wurden Hedge-Fondsdurch eine große Spekulations-attacke gegen den thailändischenBaht 1997. Die Attacke wurde vonden Hedge-Fonds „Quantum“ und„Tiger“ gestartet. Sie nahmen Kredite in Bath auf und tauschtendiese in Dollar um. Andere Hedge-Fonds schlossen sich an. Durch dieses Überangebot an Bath gerietdie ohnehin unter Abwertungsdruckstehende Währung weiter unterDruck. Zur Kursstützung kaufte diethailändische Notenbank massiv ihre eigene Währung auf. Bis ihre gesamten Devisenreserven aufge-

braucht waren. Dann musste siekapitulieren und den Wechselkursfreigeben. Der Kurs des Bahts verlor über die Hälfte seines Werts. Die Hedge-Fonds konnten ihre Dollar nun zu erheblich günstigerenKursen in Baht zurücktauschen und machten so hohe Gewinne. Die gleiche Spekulation führte inden Folgemonaten auch zur Ab-wertung anderer asiatischer Wäh-rungen. In der Folge entwickeltesich eine schwere, mehrere Jahredauernde Wirtschaftskrise in Asien.22 Millionen Menschen wurden inArmut geworfen.

Spekulation mit Währungen

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Eine neuerliche Blase hat imSommer 2007 zur Immobilien-

krise in den USA geführt. Eineganze Zeit lang waren die Zinsenverlockend niedrig, Immobilien-preise stiegen. Viele Menschenhatten den Sprung zu den eigenenvier Wänden gewagt, auch wennsie hohe Kreditbelastungen eingin-gen. Oft haben Banken und Immo-bilienmakler ihnen einen Hauskauferst aufgeschwatzt – so entstanddas „zweitklassige Segment“, englisch: subprime. Das gingsolange gut, wie die Immobilien-preise stiegen und die Zinsen nied-rig waren. Im Notfall hätte einHäuschen mit Gewinn wieder ver-kauft werden können. Doch derWind drehte sich. Die Preisebegannen zu bröckeln, die Zinsenstiegen. Eigentümer konnten Zinsund Tilgung nicht mehr stemmen. Viele verloren ihre Häuser und sind hoch verschuldet.

Aus Mist Geld machenHypotheken wurden zu faulen

Krediten. Das besondere Problem:Kredite sind – inklusive der An-sprüche an Zins und Tilgung – vorher zu Handelswaren gemachtworden. Wertpapierhändler kauf-ten Kredite, fassten sie zu neuenWertpapieren zusammen und ver-kauften sie weiter.

Das funktionierte, weil „Exper-ten“ in sogenannten Rating-Agen-turen Noten verteilt hatten. GuteNoten! Statt mit einem sicherenKredit wurden Geschäfte einfachmit vielen schlechten Kreditenabgesichert. „Man hat einen Weggefunden, aus Mist Geld zumachen“, so die Financial TimesDeutschland.

So lange ein Boom anhält, kön-nen solche Wertpapiere lukrativeAnlagen sein. Großanleger, zumBeispiel Pensionsfonds oder Hed-ge-Fonds, reißen sich darum undtreiben den Preis immer höher.Verdienen wollten auch die deut-sche Mittelstandsbank IKB und dieSachsen-LB. Als die den Wertpa-pieren zugrunde liegenden Kreditemassenhaft faul wurden, platztedie Blase.

Plötzlich waren die Wertpapierewertlos. Anleger wie kreditgeben-de Banken saßen auf wertlosenPapieren. Keine Bank, kein Anlegertraut mehr dem anderen. Die Ban-ken drehen den Kredithahn zu.Wie sehr der Rest der Wirtschaftmit im Sumpf steht, wird man erstin Zukunft sehen.

Denn sie wissen nicht, was sie tun?

Wer genau hinschaute, konnteauch diesmal die spekulative Blasefrüh erkennen. Der InternationaleWährungsfonds hatte schon imFrühjahr 2006 auf die Risiken hin-gewiesen. Verhindert hat das dieEntwicklung nicht.

Merkel und Steinbrück wollennun mehr Transparenz. Bloß alleinnützt das wenig. Viele Anlegersind die Risiken bewusst eingegan-gen, weil sie sich die möglichenProfite nicht entgehen lassen woll-ten. Andere haben vielleicht aufdie Bewertung der Rating-Agentu-ren vertraut. Oder sie haben sichnicht die Mühe gemacht zu verste-hen, wie aus Mist Wertpapierewurden.

!Mehr Transparenz alleinreicht nicht. Finanzmärktemüssen an die Kandare.

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US-Immobilienkrise

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Nie zuvor vagabundierte derartviel Geld rund um den Erdball

auf der Suche nach profitablenAnlagen. Diese globale Geld-schwemme treibt die Entwicklungauf den Finanzmärkten.

In den letzten 25 Jahren hatsich weltweit das von Banken, Pensionskassen, Versicherungen –den sogenannten institutionellenInvestoren – verwaltete Vermögenvon drei auf 55 Billionen Dollarfast verzwanzigfacht. Zusammenmit dem von Privatleuten angeleg-ten Vermögen ergibt sich weltweitfür das Jahr 2005 die gigantischeSumme von knapp 80 BillionenDollar. Die „normale“ Wirtschaft,in der wir arbeiten, bleibt hinterdem Wachstum der Finanzmärkteweit zurück.

Private Rente Sparen und privat für das Alter

vorsorgen. Das gilt heute als All-heilmittel gegen die Folgen deralternden Gesellschaften. PrivateAltersvorsorge gibt es bisher vorallem in den angelsächsischen Ländern ohne ausgebaute Sozial-versicherungen. Riesige Vermögensammeln sich so an. Sie fließen in sogenannten Pensionsfondszusammen, die nach Anlagemög-lichkeiten mit hohen Renditensuchen.

Eine Rentenpolitik, die die Men-schen immer mehr in die privateAlterssicherung drängt, bläht die Finanzmärkte weiter auf. Sie müssen sparen, ihr Geld in Fondsanlegen oder Versicherungen

abschließen. Allein ein Viertel desweltweit angelegten Vermögenssteckte 2005 in Pensionsfonds –über 20 Billionen Dollar. Ob es tat-sächlich zu den erwarteten Ren-tenauszahlungen kommen wird,bleibt ungewiss. So ungewiss wiedie Entwicklung auf den Finanz-märkten. Gewiss ist aber, dass diePensionsfonds ihre Gelder anlegenmüssen. Vielleicht genau in denHedge-Fonds oder Private-Equity-Fonds, der gerade den Arbeitsplatzder künftigen Pensionäre zwecksGewinnsteigerung vernichtet ...

Sicheres UmlageverfahrenIn Deutschland wird haupt-

sächlich auf das Umlageverfahrengesetzt: Die gegenwärtige berufs-tätige Generation versorgt überihre Beiträge zur Rentenversiche-rung die jeweiligen Rentnerinnenund Rentner. Bei diesem Verfahrenbraucht kein Vermögen aufgebautund auf die Kapitalmärkte ge-bracht zu werden.

Statt dieses System zu sichernund auszubauen, hat im Jahr 2000der damalige Arbeitsminister Riester dem Umlageverfahreneinen Schlag versetzt: Mit der„Riester-Rente“ sind nun auch beiuns die Menschen darauf verwie-sen, einen Teil ihrer Rente privatanzusparen. Wenn sie es sich leisten können. Die Beiträge zur„Riester-Rente“ fließen in Pensi-onskassen und müssen angelegtwerden. Wo sie letztlich landen, ist im Einzelnen kaum nachvoll-ziehbar. Generell kann man aberdavon ausgehen, dass Teile letzt-lich auch in Private-Equity-Fondsoder Hedge-Fonds landen.

!Die Finanzmärkte wachsenviel schneller als die Welt-wirtschaft.

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Die globale Geldschwemme

Die globale Geldschwemme

Weltweit angelegtes Vermögen 2005

Investmentfonds18 Billionen $

Versicherungen17 Billionen $

Pensionsfonds21 Billionen $

Privatverwaltung24 Billionen $

insgesamt80 Billionen $

Die gigantische Summe von fast 80 Billionen Dollar ist weltweit auf der Suche nach rentabler Anlagemöglichkeit. Der größte Teil davon wird von Pensionsfonds, Investmentfonds und Versicherungen verwaltet – den sogenannten institutionellen Anlegern.Quelle: International Financial Services, Fund Management, City Business Series, August 2006, Seite 6

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Angeblich soll so eine alterndeGesellschaft besser versorgt sein.Tatsächlich aber muss immer der gerade erwerbstätige Teil derBevölkerung den nicht aktiven Teil – also Kinder und nicht mehrErwerbstätige – mitversorgen. DenVorteil der Rentenprivatisierunghaben die Unternehmer, denn dieEigenvorsorge muss ohne Arbeit-geberanteil von den Beschäftigtenallein finanziert werden. Und fürdie privaten Versicherungen ist esein riesiges Geschäft: Sie verdienenan hohen Milliardenbeträgen, diesonst in die Sozialversicherungengeflossen wären.

Umverteilung Unternehmer und Reiche kas-

sieren heute 60 Prozent mehr anGewinnen und Vermögenseinkom-men als noch vor 15 Jahren. Beiden Beschäftigten ist vom steigen-den Reichtum der vergangenenJahre kaum etwas angekommen.Viele haben weniger als zuvor –insbesondere viele Erwerbslose.Die Regierungen Kohl, Schröderund Merkel haben dieser Entwick-lung Vorschub geleistet. Sie habenSteuergeschenke an Reiche undUnternehmen verteilt. Gleichzeitighaben sie die Bedingungen fürBeschäftigte und ihre Gewerk-schaften erschwert, ihren Anteil

am wachsenden Reichtum durch-zusetzen: Mit Gesetzen, die Be-fristung, Leiharbeit und Minijobsausweiten. Und durch Hartz IV.Angst auf dieses Niveau abzustür-zen macht viele Beschäftigte ge-fügig.

Da die Binnennachfrage wegender hohen Arbeitslosigkeit undzurückgehender Reallöhne amBoden liegt, wurde kaum inves-tiert. Das Geld floss stattdessenauf die Kapitalmärkte.

Mittlerweile verfügen die oberen zehn Prozent der Haushaltein Deutschland über fast die Hälftedes Gesamtvermögens. Allein2006 gab es in Deutschland mitknapp 800.000 über 30.000 Mil-lionäre mehr als noch im Jahr vorher. Menschen, die ihr Geld gar nicht konsumieren können,sondern auf den Finanzmärktenanlegen. Viel neues Futter für allemöglichen Arten von Heuschre-cken.

Internationale FaktorenGewaltige Preissteigerungen bei

Rohstoffen, vor allem Öl, habendie Einnahmen einzelner Staatenerhöht und so ebenfalls zur Geld-schwemme beigetragen. Chinawiederum hat mit hohen Export-überschüssen gigantische Devisen-reserven angehäuft. Ein großer Teil des Geldes wird weltweit inprofitablen Anlagen angelegt –etwa in Private-Equity-Fonds.

ver.di fordert:

Eine Steuer-, Abgaben- undLohnpolitik, die Einkommenund Vermögen wieder gerechtverteilt.

ver.di fordert:

Die paritätische, umlagefinan-zierte gesetzliche Renten-versicherung muss beibehaltenund gestärkt werden.

!Auch die „Riester-Rente“leistet einen Beitrag zurAusweitung der Finanz-märkte.

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Immer eindringlicher werden dieWarnungen vor der Entwicklung

an den Finanzmärkten. SogarKanzlerin Merkel und Finanzminis-ter Steinbrück haben sich in denChor eingereiht. Nur: In der Ver-gangenheit hat die deutsche Politik vorhandene Dämme durch-löchert statt verstärkt. Hier gibt es eine Kontinuität von den Regie-rungen Schmidt und Kohl über die Regierung Schröder bis zurjetzigen Regierung Merkel.

In den ersten Jahrzehnten nachdem Zweiten Weltkrieg existiertennoch sehr strenge Kapitalverkehrs-kontrollen. In Deutschland wurdensie Schritt für Schritt gelockert. Bis1981 die damalige Koalition unterdem SPD-Kanzler Schmidt die restlichen noch bestehenden Be-schränkungen abgeschafft hatte.Ein Zwang hierzu bestand nicht.Vielmehr glaubte man, dass dieMärkte so effizienter und stabilerwürden. Unternehmer so leichteran Kapital für Investitionen kom-men könnten. Dieser Irrglaube istseither in vielen Finanzkrisenwiderlegt worden.

Nachdem alle Kontrollen desKapitalverkehrs beseitigt waren,ging es fortan ums Fördern vonFinanzinvestoren. Dabei war dieRegierung Kohl zunächst beson-ders aktiv. Mit der Börsengesetz-novelle von 1989 wurde die Spe-kulation mit Wertpapieren undEdelmetallen erleichtert. Zum Bei-spiel konnte nun im sogenanntenTerminhandel auf den zukünftigenPreis von Gold oder Schweinehälf-ten gewettet werden.

Weiter ging es mit drei „Finanz-marktförderungsgesetzen“ zwi-schen 1990 und 1998. Die Förde-rung ging von der Streichung derBörsenumsatzsteuer über dieZulassung von reinen Geldmarkt-fonds bis hin zur Erlaubnis, dassauch Investmentgesellschaften mit Termingeschäften spekulierendürfen. 1994 wurden mit demUmwandlungsgesetz die Bedin-gungen richtig komfortabel gemacht, Schulden auf ein über-nommenes Unternehmen zu übertragen. Eine wichtige Voraus-setzung um das Geschäft von Private-Equity-Fonds besondersprofitabel zu machen.

Die Regierung Schröder legtedann im vierten Finanzmarktförde-rungsgesetz nach. Unter anderemwurden die Geschäftsmöglichkei-ten für Finanzinvestoren erweitert:Immobilienfonds etwa durften nun ohne Beschränkung weltweitImmobilien kaufen.

„Danke, Gerd!“Der damalige Finanzminister

der rot-grünen Koalition HansEichel hat mit der Steuerreform2000 nicht nur die Unternehmen-steuer drastisch gesenkt. Als einbesonderes Geschenk für dieFinanzbranche entpuppte sich ein Hinweis im Kleingedruckten.Ab 2002 würde bei Gewinnen

ver.di fordert:

Finanzmärkte müssen wiederstärker reguliert werden.

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Politik schafft Spielregeln ab

Politik schafft Spielregeln ab

Mehr Effizienz, niedrigere Preise,bessere Qualität und Service für dieKunden – das sollten die Liberalisie-rung und Privatisierung öffentlicherDienstleistungen bringen. Verspre-chungen, die wenig mit der Realitätzu tun haben und meistens aufKosten der Beschäftigten gehen:100.000 Jobs wurden bei der Telekom in den letzten Jahren ver-nichtet. Nur halb so viele entstan-den bei den Konkurrenten.

Um zusätzliche Lohnkürzungendurchzusetzen, war ein Rammbockhilfreich. Stephen Schwarzman,

Chef des Private-Equity-Fonds Blackstone, reiste persönlich zuKanzlerin Merkel nach Berlin undtraf sich mit Finanzminister Stein-brück in New York. Kurze Zeit später verkaufte der Bund 4,5 Pro-zent der Deutschen Telekom anBlackstone. Kenner sagen: dieUmbaupläne, die zum Streik imFrühsommer 2007 führten, tragenBlackstones Handschrift. „Der Bundbenutzt Blackstone, um Dinge zumachen, die er selbst nicht machenkönnte“, so Lothar Schröder, Mit-glied im ver.di-Bundesvorstand.

Telekom: Heuschrecke als Rammbock genutzt

Die Deutschen waren mit ihrer Re- und Deregulierung einwenig naiv. Man glaubte, dass die Reduzierung der Banken-beteiligung an Unternehmen eine höhere Effizienz und einreibungsloseres Finanzumfeld schaffen würden. Aber der Preis,den die Deutschen dafür zahlten, bestand darin, alle Schleusenfür die Unterwanderung des Rheinischen Kapitalismus und der Stakeholder-Philosophie zu öffnen.

Poul Nyrup Rasmussen, ehemaliger dänischer Premierminister, Vorsitzender derSozialdemokratisch-sozialistischen Partei Europas (PES), Mitbestimmung,

August 2007, Seite 8

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aus dem Verkauf von Anteilen anAktiengesellschaften und GmbHskein Cent Steuern mehr zu zahlensein.

Mit der rot-grünen Nullsteuer-lösung hatten selbst die größtenLobbyisten nicht gerechnet. Kurzzuvor hatte der Chef der AllianzSchulte-Noelle lediglich ein Absen-ken des Steuersatzes auf 20 Pro-zent gefordert.

In der Finanzbranche knalltenangesichts des völlig unerwartetenGeschenks die Champagnerkor-ken. Mit einem kräftigen „Danke,Gerd!“ bedankte sich die Anleger-zeitung „Euro am Sonntag“ beiKanzler Schröder. Das Handelsblattzitierte Börsianer mit den Worten„Das ist eine Bombe, wenn es sokommt.“

Und es kam so. Die Steuerfrei-stellung von Veräußerungsgewin-nen stellt bis heute eine Einladungan Finanzinvestoren dar, sich reich-lich in Deutschland zu bedienen.Ohne dieses nachhaltig wirkendeSteuergeschenk der rot-grünenRegierung würde sich so mancheÜbernahme nicht lohnen. Nichtnur beim Kauf würden Steuern fäl-lig, auch ein anschließendes Filetie-ren des Unternehmens würde sichwegen weiterer Steuern beim Ver-kauf oftmals nicht lohnen.

Die Förderung geht weiter2004 folgte das „Investment-

modernisierungsgesetz“ durch die rot-grüne Regierung. DerFinanzplatz Deutschland müsseweiter gestärkt werden, so dieBegründung. Hedge-Fonds als„Sondervermögen mit zusätzlichenRisiken“ wurden erstmals auch inDeutschland zugelassen.

Gleichzeitig haben Private- Equity-Fonds einen weiteren wich-tigen Steuervorteil eingeräumtbekommen: Gewinne auf Fonds-

ebene bleiben steuerfrei. DieBesteuerung erfolgt erst beiGewinnausschüttung an die Kapi-taleigner. Sitzen die im Ausland,schaut der deutsche Staat in dieRöhre. Ähnliche Steuerprivilegienhaben die deutschen Immobilien-fonds REITs erhalten, die 2007 eingeführt wurden.

Damit nicht genug: Im Sommer2007 bereitet Steinbrück ein neues„Wagniskapitalbeteiligungsgesetz“vor. Private-Equity-Fonds werdendamit als rein vermögensverwal-tend eingestuft. Obwohl dies imWiderspruch zu ihrer offensichtlichgewerblichen Tätigkeit steht.

Damit würden der Branche massiveSteuervorteile eingeräumt. StattWagniskapital zu mobilisieren,läuft es nach Einschätzung vonProfessor Jarras eher auf ein „Private Equity-Förderungsgesetz“hinaus.

So wird das Feld für Finanzin-vestoren bereitet. Sogar mehr, alsin anderen Ländern. So gibt eszum Beispiel in Großbritannien,der Schweiz, Irland und weiterenLändern eine Börsenumsatzsteuer,die bei uns abgeschafft wurde.

ver.di fordert:

Keine zusätzlichen Steuervor-teile für Private-Equity-Fonds.

!Dass die Finanzmärkte heute immer dominanterwerden, ist kein Sach-zwang, sondern Folge politischer Weichenstellun-gen.

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Fonds und Finanzinvestoren spielen eine immer größere

Rolle. Sie haben nur die maximaleRendite im Auge. Bindungen anbestimmte Unternehmen sindihnen fremd. Es geht nur noch um möglichst hohen Shareholder-Value.

Soziale Regulierung statt Kapitalismus pur

Der Heuschrecken-Kapitalismusist nicht vom Himmel gefallen. Under ist auch kein unabwendbaresSchicksal. Es ist keineswegs not-wendig, dass Politik und Unterneh-men in vorauseilendem Gehorsamden Finanzinvestoren den rotenTeppich ausrollen und sich ihrenhemmungslosen Profitansprüchenunterwerfen. Es ist keine wirt-schaftliche Notwendigkeit, son-dern eine Frage der Politik und der Kräfteverhältnisse, wenn derSozialstaat demontiert, Löhnegesenkt und Arbeitsbedingungenverschlechtert werden.

Mittlerweile sind eine Fülle vonForderungen entwickelt worden,um den Finanzkapitalismus zurück-zudrängen und seine schädlichenWirkungen einzugrenzen. Diewichtigsten sind in dieser Broschü-re genannt. Vieles muss auf inter-nationaler oder europäischer Ebene geregelt werden. Und die

deutsche Regierung hat großesGewicht auf dem internationalenTerrain. Sie muss sich dort für eineRe-Regulierung der Finanzmärktestark machen!

Internationale RegulierungBesonders wichtig sind folgen-

de Maßnahmen:Kontrolle der Fonds Hedge- und Private-Equity-Fonds müssenebenso wie Banken und Versiche-rungen durch die Finanzaufsichts-behörden kontrolliert werden. Die Eigentümerstruktur, Geschäfts-politik und Anlagen müssen syste-matisch und kontinuierlich über-prüft werden. Insbesondere auchdie Risikobegrenzungsregeln derFonds. Der Erwerb wesentlicherBeteiligung an börsennotiertenUnternehmen muss gemeldet wer-den.

Die Bundesregierung muss sichdafür einsetzen, dass in der EU nursolche Fonds tätig werden dürfen,die sich an diese Anforderungenhalten. Den Banken in Deutschlanddarf der Handel nur mit Anteilensolcher Fonds erlaubt werden.

Kreditbeschränkungen Die Akti-vitäten der Hedge- und Private-Equity-Fonds sind mit besonderenRisiken verbunden. Deshalb müs-sen die Banken verpflichtet wer-den, Kredite mit mehr Eigenkapitalabzusichern. Dadurch werden dieKredite teurer und riskante kredit-finanzierte Aktivitäten wenigerlohnend. Dies kann durch Zusatz-bestimmungen zu den verbindli-chen Basel II-Regeln geschehen*.Am besten auf europäischer Ebe-ne, ansonsten auch national.

Tobin-Tax Die Wechselkurse unddamit das internationale Finanz-system müssen stabilisiert werden.Auf Währungsgeschäfte muss eineinternationale Devisentransaktions-steuer – Tobin-Tax – eingeführtwerden.

Öffentliches Rating Banken undprivate Rating-Agenturen, die dieQualität von Finanzanlagen beur-teilen, nehmen die Risiken nichternst genug. Dies hat nicht zuletztdie jüngste US-Immobilienkrisegezeigt. Wir fordern von der Bun-desregierung eine Initiative füreine öffentlichrechtliche Rating-Agentur in Europa. Diese muss ver-pflichtet werden, die Risiken vor-sichtig einzuschätzen und auchsoziale und ökologische Kriterienzu berücksichtigen.

Nationale Handlungsmöglichkeiten

Trotz der Notwendigkeit besse-rer internationaler und europäi-scher Regulierung: Auch nationalbestehen Handlungsmöglichkeiten. Die Finanzinvestoren können inihren Aktionsmöglichkeiten einge-schränkt und ihre Erträge besteu-ert werden, anstatt sie wie bisherdurch besondere Vergünstigungenzu fördern.

!Fonds und Finanzmärktemüssen streng reguliert,Spekulation muss zurück-gedrängt werden.

!Der von den Finanzmärktengetriebene Kapitalismusbedroht unsere sozialenErrungenschaften.

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Finanzkapitalismus zurückdrängen

Finanzkapitalismus zurückdrängen

* Vgl. Rating, pricing, risking, ver.di Wirtschafts-politische InformationenApril 2003,www.wipo.verdi.de

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Heuschrecken bremsen DieBeschäftigten, ihre Betriebsräteund Aufsichtsräte brauchen besse-re Kontrollmöglichkeiten und Mitbestimmungsrechte bei derÜbernahme und Auslagerung vonUnternehmen.

Die Überwälzung von Kreditenzur Kaufpreisfinanzierung auf dasübernommene Unternehmen mussverhindert werden. Der Käufermuss den Kaufpreis aufbringen.Das übernommene Unternehmendarf nicht belastet werden. Son-derausschüttungen an die Eigen-tümer, die durch Kredite finanziert werden, sind zu beschränken.

Die Aktionärsstimmrechte sindso neu zu gestalten, dass einelangfristige und nachhaltige Unter-nehmenspolitik unterstützt wird.Das Stimmrecht auf Hauptver-sammlungen könnte an eine Min-desthaltedauer etwa von einemJahr gebunden werden. Oder nachzwei oder drei Jahren könnte dasStimmrecht verdoppelt werden.Eine solche Regelung gibt es zumBeispiel in Frankreich.

Besteuerung Die Gewinne ausder Veräußerung von Unterneh-mensanteilen müssen wieder vollsteuerpflichtig werden. Der Ver-kauf von Betriebsimmobilien undvon sozial geförderten Wohnun-gen darf nicht steuerlich begün-stigt werden. REITs und Private-Equity-Fonds dürfen nicht vonUnternehmensteuern befreit sein.

Sozialstaat stärkenDas Wuchern der internationa-

len Finanzmärkte wird gespeistdurch einen Überschuss an Geld-kapital, das möglichst profitableAnlagen sucht. Die Umverteilungvon unten nach oben hat denUnternehmen und den Reichen

gewaltige Zuwächse beschert, diegewinnbringend angelegt werdenwollen.

Gleichzeitig werden durch die Kürzung der gesetzlichen Renten-ansprüche die Beschäftigten genö-tigt, immer mehr Geld in privatekapitalgedeckte Altersvorsorge zustecken – sofern sie es sich leistenkönnen. Die Versicherungskonzer-ne machen Druck zum Abbau derSozialversicherungen, um die Beitragsgelder in ihre Kassen zulenken. Auch diese Gelder müssenangelegt werden.

Die gesetzlichen Sozialversiche-rungen müssen gestärkt werden,statt sie immer weiter zu demon-tieren. Dabei muss das bewährteund sichere Umlageverfahren bei-behalten werden, statt die sozialeAbsicherung kapitalgedeckt immermehr den Risiken der Finanzmärkteauszusetzen. Das gilt nicht nur fürdie Rente, sondern auch für dieKranken- und die Pflegeversiche-rung.

Privatisierung stoppenDie Suche nach neuen Anlage-

feldern für die wachsenden Kapi-talmassen ist auch eine Haupt-triebkraft für die Privatisierung.Mit Energie- oder Wasserversor-gung, Verkehr, Müllentsorgung,Krankenhäusern, Wohnungen wol-len Konzerne und Finanzinvestorenhohe und von der öffentlichenHand garantierte Renditen erwirt-schaften. Sogar Gefängnisse, Bildungseinrichtungen und Stadt-verwaltungen wollen sie privatbetreiben.

!Wir wollen Privatisierungverhindern und solidarischesoziale Sicherung stärken.

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Teilweise wurde und wirdöffentliches Vermögen an privateKonzerne geradezu verschleudert.So soll die Privatisierung der Bahnvier bis sieben Milliarden Euroerbringen. Laut amtlicher Statistikhat die Bahn jedoch ein Vermögenvon etwa 180 Millarden Euro.

Die Lasten der Privatisierungtragen die Beschäftigten und dieBevölkerung. Einkommen undArbeitsbedingungen werden ver-schlechtert, Leistungen abgebautund Preise erhöht, demokratischeEinflussmöglichkeiten beseitigt.Besonders sozial Benachteiligtekönnen sich viele Angebote nichtmehr leisten.

Die Regierungen Kohl, Schröderund Merkel haben durch Steuer-senkungen zugunsten von Unter-nehmen und Vermögenden dieöffentlichen Einnahmen beschnit-ten und damit den Druck in Rich-tung Privatisierung erhöht. Durchmassive Senkungen der Unterneh-mensteuern und andere Gesetzes-änderungen haben sie privatenInvestoren „geholfen“, öffentlicheUnternehmen aufzukaufen.

Wir wollen Kürzungen und Privatisierungen im öffentlichenDienst stoppen oder sogar rück-gängig machen. ÖffentlicheDaseinsvorsorge muss nach sozia-len Kriterien organisiert werdenund nicht um Unternehmen mög-lichst hohe Profite zu ermögli-chen. Wir brauchen deutlich mehrInvestitionen in Zukunftsaufgabenund mehr Personal, für Bildungund soziale Dienstleistungen, fürökologischen Umbau. All das wirdauch die Arbeitslosigkeit erheblichsenken.*

Umverteilung umkehrenDie Umverteilung von unten

nach oben muss endlich gestopptwerden. Wir brauchen wieder kräf-tige Lohn- und Gehaltserhöhun-gen, die zumindest die Preis- undProduktivitätssteigerungen aus-gleichen.

Höhere Einkommen bedeutenmehr Kaufkraft und mehr Nach-frage. Dann lohnen sich auch ver-mehrte Investitionen in zusätzlicheProduktionsanlagen und Arbeits-plätze. Das Geld fließt wieder ver-stärkt in die inländische Produktionstatt auf internationale Finanz-märkte.

Wir fordern einen Kurswechselder Wirtschafts- und Sozialpolitik.Damit auch die Durchsetzunghöherer Löhne und Gehälter wieder leichter wird. Es mussSchluss sein mit einer Politik, dieuns Knüppel zwischen die Beinewirft und Lohndumping fördert.

Die wichtigsten Forderungensind dabei ein gesetzlicher Min-destlohn von wenigstens 7,50 Euroje Stunde und die Zurückdrängungvon Leiharbeit und befristeterBeschäftigung. Das Arbeitslosen-geld II muss erhöht und derZumutbarkeitsschutz bei Arbeits-angeboten an Erwerbslose wiederhergestellt werden.

Wir sind dem Finanzkapitalis-mus nicht wehrlos ausgeliefert.Wenn wir Druck machen, könnenwir die Heuschrecken unter Kon-trolle bringen. Durch stärkereRegulierung der Finanzmärkte und der Fonds-Aktivitäten, durchhöhere Besteuerung ihrer Gewin-ne, durch Stärkung des Sozial-staats und des öffentlichen Sek-tors, durch höhere Einkommen für uns, statt für die Fonds undihre Manager.

Setzen wir die Heuschreckenauf Diät!

!Wir fordern einen gesetz-lichen Mindestlohn und kräftige Tariferhöhungen!

!Privatisierung: Verschleuderung von Volksvermögen!

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Finanzkapitalismus zurückdrängen

* Vgl. dazu die Broschüre„In unsere Zukunft investieren“, ver.diBereich Wirtschafts-politik, Februar 2006,www.wipo.verdi.de.

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