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Mathematik Fachschafts- Blattchen Sommer 2010 ..

Fachschafts-Mathematik Blattchen · der Geometrie auf die Widerspruchslosigkeit der Arithmetik zurückgeführt. Im Jahre 1931 veröffentlichte Gödel dann allerdings seine berühmten

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Page 1: Fachschafts-Mathematik Blattchen · der Geometrie auf die Widerspruchslosigkeit der Arithmetik zurückgeführt. Im Jahre 1931 veröffentlichte Gödel dann allerdings seine berühmten

Mathematik

Fachschafts-

Blattchen

Sommer

2010

..

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Vorwort

Yeahy! Es ist da und zwar deutlich vor der Mathe-Weih-

nachtsfeier: das grandiose Mathematik Fachschafts-

Blättchen, kurz auch „MFB‘chen“, mit der ersten Som-

merausgabe seit grauer Vorzeit!

Aufgrund der grauenhaften Hitze mit geschätzten 98%

Luftfeuchtigkeit, sowie verschwitzten Männern, die viel

zu kleine Trikots über ihre viel zu großen Bierbäuche

spannten und dazu über Wochen hinweg „...schland!“

brüllten, als wäre es ein heiliges Mantra, haben wir zwar

nicht alles geschafft, was wir uns vorgenommen ha-

ben, aber das tun wir ja auch irgendwie nie. Ihr müßt

in dieser Ausgabe also leider auf so einiges verzichten:

Auf die Fortsetzung unserer unglaublich erfolgreichen

Foto-Love-Story, den spitzenmäßig recherchierten Arti-

kel über die Wiederaufbereitungsanlage für verbrauchte

radioaktive Brennstäbe in LaHague, sowie den Bericht

darüber, wie Elmar Weiler erneut Rektor einer großen

Ruhrgebiets Universität werden konnte, nachdem er Be-

mühungen zum Tierschutz mit Faschismus gleichsetzte,

aktive Lobbyarbeit gegen die Abschaffung der Studien-

gebühren betrieb und auch ansonsten die studentischen

Interessen mit Füßen trat. Macht aber nichts, wird mög-

licherweise in der nächsten Ausgabe nachgeholt - besser

wird die Welt bis dahin ohnehin nicht.

Und so wünschen wir euch viel Spaß mit den vorhan-

denen Artikeln über den Mißbrauch von Sanitärkera-

mik, Solikassen, unüberwindliche Lungenschmacht,

den Existenzbegriff in der Mathematik und noch vieles

mehr.Um es also kurz zu machen: Wir wünschen euch eine

angenehme Lektüre und einen rockenden Sommer!

Euer Fachschaftsrat Mathematik

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InhaltsverzeichnisDer Existenzbegriff in der Mathematik 4Sudoku 11Nicht ganz von dieser Welt? 12WG-Geschichten (Folge 1) 14Mathematik ist eine empirische Wissenschaft 15Musik und so... Plattenkritiken 16Die Beantragung des Bachelor-Zeugnisses 20Zum Konzept der „Solikasse“ 22Die „PowerService“-Lieferung von Saturn 23Zum Studiengang „Angewandte Informatik“ 26Staatliche Willkür 28Ein Schachrätsel & ein seltsamer Beweis 30Ein kleines Stück Literatur 31Zeitreise (Teil 3) 32

ImpressumV.i.S.d.P.: E.Lehmann,

Fachschaft Mathematik an der RUB

Universitätsstraße 150

44780 Bochum

Redaktion: Fachschaftsrat Mathematik

E-Mail: [email protected]

Homepage: http://www.rub.de/mathefach

Druck: AStA-Druckerei

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Der Begriff der Existenz gehört wohl zu den problematischsten im Rahmen einerphilosophischen Grundlegung der Mathematik. Oscar Becker zufolge ermögliche er es, „zu untersuchen, welches die philosophischen Wurzeln der mathematischen Theorienbildungen sind“. In diesem Sinne wirft er unmit-telbar die Frage des Selbstverständnisses der Mathematik auf.Was es bedeuten soll, von einem „mathematischen Objekt“ auszusagen, dass es existiert, liegt nicht auf der Hand. Und tatsächlich gibt es sehr unterschied-liche Versuche, den Begriff der Existenz in der Mathematik zu präzisieren. Im Folgenden wird versucht, die wesentlichen Aspekte von Hermann Weyls Überlegungen zur Klärung des Existenzbegris unter besonderer Berücksich-tigung seiner späteren Werke darzulegen.

Einführende Betrachtung des ExistenzbegriffsGrundsätzlich scheint die Bedeutung von Existenz eine sehr kontextabhän-gige zu sein. Um der Frage nachgehen zu können, was Existenz in der Ma-thematik bedeuten soll, muss naheliegenderweise zuerst eine Charakterisie-rung der Wissenschaft Mathematik vorgenommen werden. Da es sich hierbei bereits um ein nicht triviales Unterfangen handelt, soll an dieser Stelle le-diglich ein oberflächlicher aber gerade deswegen hoffentlich konsensfähiger Versuch unternommen werden:

Mathematik ist das Studium von vielfältig miteinander verwobenen, abstraktenStrukturen. Die Untersuchung dieser Strukturen mag aus inner- oder außermathematischen Gründen von Interesse sein.Wesentliche Aspekte dieses Studiums sind: Begriffsdefinition, Axio-matisierung und Formulierung bzw. Beweis von Aussagen.

EinfÜhrende Betrachtungen

des Existenzbegriffs in der

Mathematik unter besonderer

BerÜcksichtigung von Hermann

Weyls Konzeption eines mathe-

matischen Intuitionismus

von MOritz

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Die Mathematik ist insofern eine deduktive Wissenschaft, als dass der Beweis einer Aussage darin besteht, sie aus vorgegebenen, möglichst allgemeinen Axiomen nach festen Schlussregeln abzuleiten. Diesem deduktiven Charak-ter steht allerdings ein gänzlich verschiedener, ein schöpferischer gegenüber. Die Axiomensysteme, Begriffe, Vermutungen und ihre Beweisideen werden schließlich nirgends deduktiv abgeleitet. Die mit einer objektiven Beschrei-bung der Mathematik verbundenen Schwierigkeiten fasst Weyl wie folgt zu-sammen:

Vielleicht ist „Mathematisieren“, wie Musizieren, eine schöpferische Tätigkeit des Menschen, deren Produkte nicht nur formal, sondern auch inhaltlich durch die Entscheidungen der Geschichte bedingt sind und daher vollständiger objektiver Erfassung trotzen.

Was sind nun die innermathematischen Dinge, von denen wir aussagen möchten, dass sie existieren oder eben nicht existieren? Was sind die mathe-matischen Objekte, falls die Mathematik von solchen handelt?In Anbetracht der Allgemeinheit der obigen Charakterisierung der Mathe-matik muss die Beantwortung dieser Fragen abhängen von den konkret vor-liegenden mathematischen Theorien und ihren Axiomensystemen. Schließ-lich können Existenzaussagen überhaupt nur dann sinnvoll sein, wenn es die Axiome oder die Schlussregeln gestatten, von Existenz in irgendeinem näher zu bestimmenden Sinne zu sprechen - andernfalls könnte am Ende eines de-duktiven Schlusses nicht von Existenz die Rede sein. Wenn ich beispielswei-se als Mathematiker ausgestattet mit Zirkel und Lineal behaupte, dass - bei vorgegebener Einheitsstrecke - der Einheitskreis existiert, dann ist dies zu verstehen als: ich kann ihn mit meinem Zirkel konstruieren. Wenn ich als Mengentheoretiker behaupte, dass es die leere Menge gibt, dann berufe ich mich damit auf ein Axiom der Mengenlehre, welches mir die Existenz der leeren Menge postuliert.Nun ist die Frage, was Existenz bedeuten soll, aufs Engste verbunden mit der Frage der zulässigen Schlussregeln: Lässt sich Existenz herleiten, indem aus der Annahme der Nichtexistenz ein Widerspruch hergeleitet wird?Auf den ersten Blick und auf Grundlage einer zweiwertigen Logik scheint dies unproblematisch zu sein, zumal derartige indirekte Beweise auch in der „anderen Richtung“ gang und gäbe sind: Nichtexistenz wird bewiesen, in-dem aus der Annahme der Existenz ein Widerspruch abgeleitet wird. Inso-fern, als dass die Klärung des Existenzbegriffs die Schlussregeln, namentlich das Axiom vom ausgeschlossenen Dritten, betrifft, handelt es sich hierbei um einenzentralen Aspekt einer Grundlegung bzw. Rechtfer-tigung der Mathematik und der mathematischen Arbeitsweise.

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Weyls IntuitionismusHermann Weyl (1885-1955) hat die Grundlagendebatte in den zwanziger Jahren entscheidend mitgeprägt. Im Jahre 1904 begann er sein Studium an der Universität Göttingen und promovierte 1908 unter der Leitung David Hilberts. Nachdem er 1913 Professor in Zürich wurde, kehrte er 1930 als Nachfolger von Hilbert nach Göttingen zurück. Angesichts der Bedrohung durch den Nationalsozialismus emigrierte Weyl 1933 zusammen mit seiner jüdischen Frau in die USA, wo er in Princeton eine Professur annahm. Nach seiner Emeritierung im Jahr 1951 reiste Weyl zurück nach Deutschland.Weyl formulierte seine Kritik an den Grundlagen der Mathematik, insbeson-dere an Mengenlehre und klassischer Analysis, erstmals in seinem Aufsatz Über die Definitionen der mathematischen Grundbegriffe (1910). Seine darin dargelegte Position in Bezug auf eine intuitionistische Grundlegung der Ma-thematik arbeitete er in seinem Buch DasKontinuum (1918) weiter aus. We-nige Jahre später lernte er Brouwers Konzeption eines mathematischen In-tuitionismus kennen, der nachhaltigen Eindruck bei ihm hinterließ. Gegen Ende der zwanziger Jahre versuchte Weyl den Intuitionismus mit Hilberts formalistischem Programm zu versöhnen.Ausgang der intuitionistischen Mathematik, wie sie von Weyl mitgeprägt wurde, ist eine Schwerpunktverlagerung innerhalb der Mathematik zugun-sten der Anschauung (intuitio) des denkenden Inviduums. Mathematik wird in diesem Sinne zu einer mentalen, auf Konstruktionen basierenden Tätig-keit des Menschen. Die wesentliche Merkmale von Weyls Konzeption einer intuitionistischen Mathematik werden nun im Hinblick auf die vorliegende Fragestellung skizziert und teilweise den formalistischen gegenüber gestellt.

Mentale KonstruktionenIf„toexist“doesnotmean„tobeconstructed“,itmust

havesomemetaphysicalmeaning. - Mr. Int

Im Rahmen des intuitionistischen Programms wird die Bedeutung von Exi-stenz auf Grundlage des Begris der mentalenKonstruktion präzisiert: Ein ma-thematisches Objekt existiert - für das Mathematik betreibende Individuum -, wenn es dieses Objekt im Geiste konstruiert hat. An dieser Stelle manifestiert

sich eine einschneidende Abgrenzung zur „klassischen“ Mathematik, in welcher, unter Zuhilfenahme einer Axiomatik der Mengen und des Axioms vom ausgeschlossenen Dritten, deutlich freier die Existenz

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von mathematischen Objekten postuliert werden kann. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Existenzbegrienn - der „abstrakten“ und „effektiven“ Existenz - ist bereits aus der Spätantike überliefert.Für den Intuitionisten sind bloße Existentialaussagen - bezogen auf unend-liche Mengen - gar keine Aussagen im eigentlich Sinne, sondern „[eviden-termaßen unvollziehbare] unendliche logische Summen“, da Aussagen aus-schließlich im „Hinblick auf gelungende Konstruktionen Sinn [gewinnen]“.In diesem Sinne vergleicht Weyl eine Existentialaussage mit einem Papier, „welches das Vorhandensein eines Schatzes anzeigt“, ohne den genauen Ortdieses Schatzes zu offenbaren.

Das Prinzip vom ausgeschlossenen Dritten„LogicisnotthegrounduponwhichIstand.

Howcoulditbe?“ - Mr. Int

Das aus der formalen Logik bekannte Grundprinzip des ausgeschlossenen Dritten postuliert, dass für eine gegeben Aussage A stets gilt. Das Prinzip vom augeschlossenen Widerspruch vorausgesetzt bedeutet dies also: entweder gilt „A ist wahr“ oder es gilt „A ist falsch“.Entscheidend für die intuitionistische Mathematik ist nun, dass - im Ge-gensatz zur klassichen Mathematik - ein qualitativer Unterschied zwischen einer „wahren“ und einer „falschen“ Aussage besteht. A drücke einen mathe-matischen Sachverhalt aus. Die Aussage A bedeutet dann: „Ich habe die für die Einsicht von A erforderliche mentale Konstruktion durchgeführt“ (also beispielsweise eine Funktion mit gewissen Eigenschaften oder den Schnitt-punkt zweier Geraden konstruiert). Hingegen bedeutet die Aussage : „ich habe die mentale Konstruktion durchgeführt, dass die Annahme einer durchgeführten Konstruktion von A einen Widerspruch zur Folge hat“. Mit anderen Worten: Eine positive Aussage besteht in einer Konstruktion, eine negative Aussage hingegen in der Konstruktion der Absurdität einer Kon-struktion. Zentral für die intuitionistische Auffassung ist nun, dass „Absur-dität von Absurdität“ keineswegs gleichbedeutend ist mit einer positiven Konstruktion; das logische Prinzip ist angesichts der vorlie-genden Interpretation in der Tat nicht anwendbar.Brouwer sieht den historischen Glauben an das Prinzip vom ausgeschlos-senen Dritten dadurch verursacht, dass aus der „Mathematik der Teilmengen einer bestimmten endlichen Menge die klassische Logik abstrahiert, [. . . ] dieser Logik eine von der Mathematik unabhängige Existenz

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a priori zugeschrieben und sie schließlich auf Grund dieser vermeintlichen Apriorität [. . . ] auf die Mathematik der unendlichen Mengen angewendet wurde“. In seiner „Dritten Einsicht“ postuliert er außerdem die Äquivalenz des Prinzips vom ausgeschlossenen Dritten mit dem Prinzip von der Lösbar-keit jedes mathematischen Problems - ein Prinzip, welches seit Gödel nicht mehr aufrechterhalten werden kann.Wesentlicher Aspekt von Hilberts Formalismus war die Suche nach einem Beweis für die Widerspruchslosigkeit der gesamten formalisierten Mathema-tik. Ein solcher Beweis ist wesentlich für den „freien“ Gebrauch des Prinzips vom ausgeschlossenen Dritten für Existenzbeweise, denn nur wenn garan-tiert ist, dass in einem formalen System niemals eine Aussage zusammen mit ihrer Kontradiktion abgeleitet werden kann, kann zumindest widerspruchs-frei die Existenz eines mathematischen Objekts behauptet werden, sobald die Nichtexistenz dessen ad absurdum geführt wurde. Zu Anfang gab es ei-nige vielversprechenden Ansätze; u.a. hat Hilbert die Widerspruchslosigkeit der Geometrie auf die Widerspruchslosigkeit der Arithmetik zurückgeführt. Im Jahre 1931 veröffentlichte Gödel dann allerdings seine berühmten Unvoll-ständigkeitssätze, die u.a. zeigten, dass es unmöglich ist, die Widerspruchslo-sigkeit (eines hinreichend umfangreichen formalen Systems) mit den Mit-teln dieses Systems selbst zu beweisen. Da insbesondere die axiomatisierte Arithmetik der natürlichen Zahlen ein Beispiel für ein solches hinreichend umfangreiches System ist, ergeben sich offensichtlich weitreichende Konse-quenzen für die gesamte Mathematik: ihre Widerspruchsfreiheit kann ge-glaubt und erhofft, aber nicht bewiesen werden.

Der Aufbau des ZahlensystemsDie Arithmetik beginnt mit den natürlichen Zahlen: 1, 2, 3, .... Entscheidend bei einer intuitionistischen Betrachtung der natürlichen Zahlen ist ihre Auf-fassung als Sequenz, die mit der 1 beginnt, von Zahl zu Zahl voranschreitet und auf diese Weise jede beliebige Zahl erzeugt. In diesem Zusammenhang zitiert Weyl Schopenhauers Auffasung des Zahlbegriffs: „Jede Zahl setzt die vorhergehenden als Gründe ihres Seins voraus: zur zehn kann ich nur gelan-gen, durch alle vorhergehenden . . .“. Weiter handele es sich bei der Zeit „als Form des reinen Bewusstseins“ um eine „wesenhafte [. . . ] Voraussetzung für die geistigen Operationen, in denen der Sinn der Zahlaussage gründet“. Auf

diese Weise werden die natürlichen Zahlen, als Fundament der Ma-thematik, aus einem Grundverständnis der zeitlichenAbfolge abgeleitet

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und somit als mentale Konstruktion gewonnen. Kroneckers „Die ganze Zahl schuf der liebe Gott [. . . ]“ wandelt sich hier zu „Die ganze Zahl erschafft der menschliche Geist“.Eine „selbstständige Existenz“ schreibt Weyl den natürlichen Zahlen als „idealen Objekten“ nicht zu; stattdessen erschöpfe sich ihr Sein „in der funk-tionalen Rolle, die sie spielen, und ihren Beziehungen des Mehr oder Weni-ger“. Aus intuitionistischer Sicht wesentlich ist, dass die Zahlenreihe nicht als ein „geschlossene[r] Inbegriff an sich existierender Gegenstände“ be-trachtet wird. Genau an dieser Stelle manifestiere sich der in der nichtintui-tionistischen Mathematik übliche „Sprung ins Jenseits“, d.h. ins transfinite: Das Zahlsystem wird zu einem „Reich absoluter Existenzen“, welches insbe-sondere suggeriert, man könne mit den nun geschaenen aktual-unendlichen Mengen genauso arbeiten wie mit den endlichen.Aufbauend auf der Zahlenreihe wird - in weitgehendem Einklang mit Brou-wer - ein Begriff des Kontinuums hergeleitet, der dem anschaulichen We-sen des Kontinuums als „Medium freien Werdens“ anstelle eines „Aggre-gats fester Elemente“ gerecht wird. So wird die einzelne reelle Zahl definiert durch eine „Folge natürlicher Zahlen“. Das Kontinuum als Ganzes wird reprä-sentiert durch eine „werdende Wahlfolge“, die „von Schritt zu Schritt durch freie Wahlakte entsteht“. Dies steht im deutlichen Gegensatz zur nicht-intu-itionistischen Begründung der reellen Zahlen durch Mengen von rationalen Zahlen, die sog. Schnitte.

Bezug zum Formalismus„Iseethedierencebetweenformalistsandintuitionists

mainlyasoneoftaste.“- Mr. Int

Obwohl Brouwer in einer seiner Schriften die praktische Unvereinbarkeit von Intuitionismus und Formalismus postulierte („There are eminent scho-lars on both sides and the chance of reaching an agreement within a nite peri-od is practically excluded.“), versuchte sich gerade Weyl in diesem Punkt alsMittler.Becker unterstrich, dass es - bei allen Differenzen zwischen den beiden The-orien - zumindest auch eine gemeinsame philosophische Basis gebe. Dazu zähle insbesondere die Auffassung der „Notwendigkeit einer gemeinsamenBegründung“ von Logik und Arithmetik. Insofern ndet auf beiden Sei-ten eine deutliche Abgrenzung zu den Bestrebungen der Logizisten

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statt. Becker geht sogar so weit, zu behaupten, dass „für das Gebiet der end-lichen Gesamtheiten volle Übereinstimmung“ zwischen Intuitionisten und Formalisten bestehe und die wesentlichen Unterschiede sich erst im Problem des Unendlichen manifestieren. Im Hilbertschen Formalismus, so erklärt er, kämen, „um die Gültigkeit der einfachen logischen Gesetze künstlich wiederherzustellen“, zu den sinn-vollen gewisse „ideale Aussagen“ hinzu, die sich einer im engeren Sinne in-haltlichen Deutung entzögen.“ Das jenseits der transfiniten Mengen operie-rende tertium non datur integriert Weyl, indem er in Form von Axiomen einen „göttlichen Automaten“ postuliert, der es uns zum Einen erlaubt von Existentialaussagen auf „Instantiierungen“ dieser Aussage zu schließen und zum Anderen von bestimmten anderen Aussagen her auf Allaussagen. Weyl betont zwar, dass der „Glaube an [die Existenz dieses Automaten] natürlich der reinste Unsinn“ sei, die Mathematik jedoch so tue, als gäbe es ihn.

RésuméEs scheint, als hätten sich bei aller Kürze dieser Überlegungen zumindest zwei Facetten der Existenz herauskristallisiert: auf der einen Seite wird die Existenzfrage für gewisse mathematische Grundobjekte (wie z.B. die natür-lichen Zahlen oder auch die Mengen) aufgeworfen, auf der anderen Seite ist dieser Begriff im Kontext von darauf aufbauenden Schlussfolgerungen - den Beweisen innerhalb eines mathematischen Systems - zu sehen. Der mathe-matische Intuitionismus empehlt zur Klärung in beiden Fällen den Begriff der mentalen Konstruktion als Grundlage, schließlich seien jene konstitutiv für die gesamte Mathematik. Zwar führt Weyl nicht im Detail aus, was un-

ter einer mentalen Konstruktion zu verstehen ist, dies spiegelt aber nur den subjektivindividuellen Charakter der intuitionistischen Ma-

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thematik wider.Insofern grenzt sich der Intuitionismus deutlich von einer „platonischen“ Konzeption der Mathematik ab, in deren Kontext den „idea-len Gegenständen“ durchaus eine Existenz unabhängig von dem Mathematik betreibenden Inviduum zukommt.Der intuitionistische Ansatz und die damit verbundene Unterstreichung der mentalen Tätigkeit als wesentliches Merkmal der Mathematik macht auf mich - zumindest wenn man die selbst von Weyl zugegebene „Schwerfällig-keit“ für den Moment übersieht - einen erfrischenden Eindruck. Allerdings drängt sich sofort der Wunsch auf, den Begri der Konstruktion deutlich wei-ter zu fassen, als es beispielsweise Brouwer getan hat, um auf diese Weise auch das Prinzip vom ausgeschlossenen Dritten meinen eigenen mentalen Konstruktionen zu Grunde legen zu dürfen. Mathematik betreibt Abstrak-tion - lässt sich dann nicht sinnvollerweise auch vom Begri der mentalen Konstruktion abstrahieren? Analog zu einer „Grundintuition der Zeit“ als einem Prinzip, aus dem beispielsweise die natürlichen Zahlen abgeleitet wer-den (und somit imGeist existieren!), könnte eine Art „Grundintuition der Unvereinbarkeit“ in Erwägung gezogen werden, um auf diese Weise den in-direkten Beweis zu retten.

Sud

ok

u

11

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von Jørch Schønewerk

Nicht ganz von dieser

Es heißt, Mathematikerinnen

und Mathematiker seien ver-

schroben, hätten Schwierig-

keiten, sich die Schuhe zuzu-

binden und könnten kein Bier

an der Theke bestellen. Sicher,

mag ja alles stimmen, aber man-

che entwickeln schier unglaub-

liche Qualitäten, mit denen man

überhaupt nicht rechnet.Der Beweis erfolgt ganz unma-

thematisch durch Plausibilität-

sargumente.

Die Legende besagt, dass im

Jahre 1990 Professor Dr. Huck-

leberry die Erstsemestervorle-

sung „Mathematik für Physiker

I“ höchst unkonventionell been-

dete. Aufmerksamen Beobach-

ter_innen entging schon an-

fangs nicht, dass er einen guten,

alten Ghetto-Blaster (incl. einem

echten Cassettendeck!) in den

Welt?

Hörsaal schleppte – nicht ganz ungewöhnlich im Jahre 1990, hätte man sich in der Bochumer Innenstadt befunden.Huckleberry stellte das Gerät kommentarlos ab, wandte sich der Tafel zu und schrieb relativ klein, aber trotz allem noch gut lesbar 3 Zahlen untereinan-der in eine Ecke der Tafel-12

wand. Ohne mit der Wimper zu zucken, drehte er sich schließ-lich zu den Studierenden und begann mit der Vorlesung.Nichts Nennenswertes geschah in der darauf folgenden Dop-pelstunde, außer dem Üblichen: Jede der sechs riesigen Tafeln wurde etwa sieben mal vollge-schrieben, und das Tempo war so enorm hoch, dass den an-wesenden Physikalinskis noch nicht einmal die Tatsache ins Auge sprang, dass die Anzahl der Tafelanschriebe exakt die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens, des Uni-versums und des ganzen Restes ergab.Hin und wieder kam dem Pro-fessor der mitgebrachte Musik-Brüllwürfel in die Quere, was dem Auditorium Gelegenheit zu minimalen Atempausen ver-schaffte. Auch beim Auswischen

der Tafeln für die nächste Run-de, gab es zwei Extrasekunden Auszeit, wenn Huckleberry ge-schickt um die kleine, anfangs angebrachte Zahlenkolonne he-rumjonglierte.

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An dieser Stelle muss der Autor dieser Zeilen gestehen, nach stu-dentischen Zeiteinheiten schon sehr alt zu sein. Leider nicht alt genug, denn was nun in der Vorlesung folgte, musste er sich selbst von denjenigen erzählen lassen, die ein Jahr vor ihm zu studieren begannen.Zehn Minuten vor Ende der Veranstaltung verkündete der Professor „fast am Ende zu sein“, ging auf das Abspielgerät zu und ließ die Filmmusik von „Rocky I“ erklingen.

Dann begann er seinen Strip.

13

Traumwandlerisch tänzelte er auf die Tafel zu, wobei er lässig den Gürtel von der Hose ent-fernte. Als er die anfangs ange-schriebenen Zahlen erreichte, war das Hemd bereits aufge-knöpft und er rief in die Men-ge: „In diesem Jahr“ (1980???) – zack, der rechte Schuh flog über die Bühne – „habe ich di-ese Strecke“ (100) – die Hose war mit dem nächsten Schuh runter – „in dieser Zeit (11,2) geschafft“. Das Hemd wirbelte dreimal über Huckleberrys Kopf, das Rocky-Theme steiger-te sich ein allerletztes mal und der Professor stand so vor der Menge, wie Gott es dem Sport-betrieb vorschrieb: In Trikot und in einer von diesen unan-sehnlichen 70‘er-Jahre-Sportho-sen, wie man sie heute nur noch

in schlechten C-Movies bewun-

dern kann.

Das Hemd wurde derweilen

von drei kreischenden Damen

zerrissen, während sich das

ganze Auditorium erhob. Von

den mehrminütigen standing

ovations soll man noch bis zum

Uni-Center gehört haben.

Ist das verschroben? Viel-leicht! Leicht wahnsinnig? Unter Umständen?Vor allem aber noch ganz

auf dieser Welt und bei Wei-tem nicht so abgehoben, wie man es den Angehörigen der ehrwürdigen Fakutät Nr. XV leichthin unterstellt.

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WG-GeschichtenFolge 1

Ich hätte nie gedacht, dass wir das tatsächlich machen würden. Es war eine Idee (und

zwar keine gute), die uns in der Küche kam, als wir zwischen den gesammelten Ziga-

rettenkippen der letzen Wochen auf dem Küchentisch nach etwas Essbarem suchten.

Eigentlich wäre es lustig direkt neben unserer Wohnungstür ein Pissoir an die Wand

zu nageln. Dann könnte man die Tür aufmachen, selbst wenn man gerade…

...naja, schon klar, oder?

Ein Ausbruch des alltäglichen Wahnsinns unseres gestörten Wohnkollektivs. Schon nach ei-

ner Woche hatten wir uns eine alte Kloschüssel in den Flur gestellt, da dies einfacher erschien,

als einen neuen Hammer zu kaufen. Die Schüssel hatten wir unserem Quotenveganer aus sei-

ner alten Wohnung ausgebaut und in Folge dessen einen Wasserschaden beträchtlichen Aus-

maßes angerichtet. Nachdem er seinen anfänglichen Nervenzusammenbruch überwunden

hatte, war er sogar recht froh darüber. Nun konnte er sich schließlich das Streichen vor der

Wohnungsübergabe sparen und einen größeren Anteil seiner Zeit mit mehrdimensionalen

Integralen und der Ausarbeitung anarchistischer Ideen verbringen. Aber zurück zur Schüssel.

Erinnert ihr euch an das Klo in dem Film

„Trainspotting“? Unseres war sauberer,

allerdings nicht viel…Die ursprünglichen Idee auch beim Pin-

keln die Tür aufzumachen zu können

setzte im Übrigen nicht durch. Was vor

allem an dem Wort „auch“ liegt. Vielmehr

entwickelte es sich bei uns zur Gewohn-

heit, sobald die Klingel ertönt, panisch die

Hose herunterzulassen.

Es ist ein unerwartet erhebendes Gefühl eventuellen Besuchern thronend entgegenzutreten. Obwohl „austreten“ möglicher Weise die passendere Bezeich-nung wäre. Aber wir wollen kei-ne Haare spalten – das hat auch der freundliche Mensch von der GEZ recht schnell eingesehen. Zumindest ist er seither nicht

mehr hier aufgetaucht, unsere Freunde und Bekannte nahmen unseren innovativen Ein-richtungsstil gelassener – zumindest die meisten. Da war es auch von Vorteil, dass wir uns gegen das Pissoir entscheiden haben, sonst hätten wir uns womöglich Sexismus vor-werfen lassen und außerdem auf die eine oder andere humorvolle Situation verzichten müssen. Frauen haben auf dem Klo eine besondere Eleganz, die Männern gänzlich abge-ht. Keine verkniffenen Gesichter, Schweißausbrüche und kein hilfloses Röcheln, sondern ein solch graziler Stuhlgang, dass ich noch jetzt neidisch werde. Vielleicht sollten wir uns ein zweites Klo in den Flur stellen zwecks sozialer Interaktion?Sicherlich eine bedenkenswerte Idee, hätte ich sie vorher gehabt, wäre wohl auch die Sache mit den Zeugen Jehowahs anders gelaufen.14

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Mathematik ist eine empirische

Wissenschaft! - Ein Pamphlet...Von Moritz

Nein, die Überschrift ist natürlich Unsinn. Aber vielleicht hat die Mathematik doch, was die Struktur ihrer „Wissensgenerierung“‘ angeht, mehr mit den empirischen Wis-senschaften gemein, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Gerade dieser struk-turelle Empirismus steht in keinem Widerspruch dazu, dass der Gegenstand der Ma-thematik natürlich nicht die Natur ist und ihr den Stempel „Naturwissenschaft“‘ auf zu drücken schlicht Unfug wäre. Was in der universitären Mathematiklehre vermittelt wird bietet leider oft nur einen unvollständigen oder gar einseitigen Blick auf die tatsächliche Arbeit der Mathe-matikerin. In der Lehre werden meist nur fertige mathematische Systeme präsentiert und das euklidische Wissenschaftsideal gepredigt. Doch wie es eigentlich um die Ge-nese dieser Systeme bestellt ist bzw. die Frage, ob die Studierenden in die Lage versetzt werden jene fruchtbaren mathematischen Gedanken zu fassen, die solche Systeme her-vorbringen, steht auf einem gänzlich anderen Blatt. Mathematik treiben ist schließlich nicht die Suche nach zehn in Stein gemei-ßelten Axiomen quasi-göttlichen Urpsrungs und anschließender Bildung des deduk-tiven Abschlusses dieser Axiome. Seit Gödel müssen wir uns eingestehen, dass die Ma-thematik fehlbar ist. Der Grundlagenstreit der Mathematik zu Beginn des 20. Jhds. war kein Übel für die Mathematik -- im Gegenteil, er war notwendig um der eigenen Wis-senschaft willen. Denn was ist fruchtbarer für den Fortgang einer Wissenschaft als eine Phase der Kritik ihrer Fundamente, die tiefe Einsichten in ihre Grenzen ermöglicht?Doch was ist nun gerade der strukturell-empirische Charakter der Mathematik? Auch wenn Formalisierung von Ideen ein wichtiger Teil der Mathematik ist, darf sie nicht auf ihre formale Seite reduziert werden. Formale Theorien benötigen den Bereich der informalen Theorien. Dort wird intensiv geforscht, probiert und vermutet. Auf dieser Basis werden Axiomatisierungen versucht, die keine begründende, sondern eine erklä-rende Funktion haben sollen. Es verhält sich hier ganz ähnlich wie in der Naturwissen-schaft. Den Axiomen in der Mathematik entsprechen die Naturgesetze der Physik. Was in der Mathematik Sätze einer informalen Theorie sind, das sind in der Physik singuläre Raum-Zeit-Aussagen. Nicht fließt die Wahrheit von den in irgendeinem Sinne „evidenten“‘ Axio-men über die Kanäle des logischen Schließens zu den abgeleiteten Sätzen, sondern die Falschheit fließt von gewissen abgeleiteten Sätzen, die mit einer informalen Theorie im Widerspruch stehen, zurück zu den Axiomen. Nicht ist die Logik ein Beweisinstru-ment, sondern ein Kritikinstrument! Wir dürfen gespannt darauf sein, was für Früchte die Renaissance des Empi-rismus in der modernen Philosophie der Mathematik in Zukunft hervorbringen wird.

frei nach Imre Lakatos (* 1922 in Debrecen, Ungarn; † 1974 in London, England) 15

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Musik und so...ts ts bububummtss krk pst‘t‘ts badabamMit verzerrten 8-bit Schreien über einer schnellen Snaredrum werden wir in „Detrimentalist“ eingesaugt.DER kanadische Breakcore DJ Aaron Funk unter sei-nem Pseudonym Venetian Snares hat 2008 wieder ein nettes Stück Musik im Genre „rhythmische Sportgymna-stik für Epileptiker“ rausgebracht.Seine üblichen Snare Kaskaden die seine Musik so einzig-artig machen hat er diesmal unterlegt mit vielen Voicesam-ples.Die leicht reggea-lastigen Samples fügen sich erstaunlich gut in das fast arhythmische Schlagzeugfeuerwerk ein.Im Vergleich zu seinem Meisterwerk, dem ungarischen Al-bum „Rossz csillag alatt született“ (2005) verzichtet Funk hier total auf jegliche Anleihen aus der Klassik, sein harter Sound wächst hier viel mehr aus dem für sein Genre konven-tionellerem DnB und Reggae mit fast schon Kraftwerkesquen Überleitungen (beep beep bam!).„Eurocore MVP“ liefert so ein grandioses Beispiel wie man aus einem schönen Reggeasample in die Welt der ntss und bbrrrmps wandert.Allerdings muss man sagen, dass die 8-bit Passagen zwar schön komponiert aber dennoch manchmal ein Feeling von „pokemon blaue edition“ erzeugen, grade in „Bebikukori-ca Nigiri“ wird die Grenze zum Nervtötenden zumindest gestriffen. „Miss Balaton“ schafft dann zum Ausklang ein Stück, dass ein wenig an das ungarische Album erinnert und perfekte Untermalung für die hirnlosen Erörterungen jeder Afterhour sind.Sonst vermissen wir aber die Streicher aus Stücken wie „ma-sodik galamb“, aber dafür werden wir entschädigt mit viel ordentlich Tanzbarem und dem Tempo, dass einem absolut die Socken auszieht.Wer Venetian Snares nicht kennt und aus der DnB oder Elek-tro-ecke kommt kann ich Detrimenta- list nur ans Herz legen, für Leute die noch auf Musikin-strumente wertlegen empfehle ich eher das ungarische Album als Einstieg.Aber so oder so, man sollte den Mann mit seinem Mischpult mal gehört haben.

Fazit: Definitv eins der Topalben von Venetian Snares und sogar Aaron Funk allgemein. Absolut einzigartig aber nichts für Percus-

sionverachter und sonstige Weicheier.

Plattenkritiken

Stalin meets Bob Marley

Einige Jungs die sich 5‘Nizza (П‘ятниця) nennen

haben es sich zur Aufgabe gemacht das ukrainische

Image von Nutten, AK47, Korruption und allgemei-

ner Abgefuckheit ein wenig zu korrigeren. Und zwar

mit Reggae, gutem Reggae. 2000 griffen Andrej Sa-

poroschez und Serhej Babkyn zur Klampfe und ver-

sorgen uns seitdem mit vorzüglich puristischem Lie-

dermaching-reggae. Die beiden verlassen sich ganz

auf ihre Stimme und ihre Gitarre und verzichten

fast ganz auf jegliche sonstige Unterstützung. Eine

Wohltat in Zeiten wo man von Gentleman oder gar

so stressigen Zeitgenossen wie Sean Paul mit vorge-

fertigten Keyboardbeats und „booties, shake that ass

bitch!“ Geprolle penetriert wird.

Die russischen Lyrics, die von sanften Balladen an

das musikalische Heimatland Jamaika bis hin zu wit-

zigen Soundcollagen reichen, sind ne schö-

ne Abwechslung zum gewohnten

Deutschen oder Englischen. Immer

wieder fällt der Sänger ins Falsett

oder zwischen den beiden entspinnt

sich ein kleiner musikalischer Dia-

log.

Fazit: Schöne „Im-Sommer-am-See-

kiffen-Musik“ für Menschen die abge-

drehtes von anderswo lieben..

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Kleine Droiden, die mit dem Kopf nicken....Von einer kleinen Blechdose inspiriert wählte Ramble Jon Krohn aus Oregon sein Pseudonym. RJD2!Seine Musik ist aber keineswegs ein piepsiger elektromashup wie man ihn von einem R2D2 Fan erwarten würde. Mit Deadringer hat er eins der besten Triphop Alben rausgebracht und brauch sich nicht vor Leuten wie DJ Shadow oder DJ Krush verstecken.Deadringer ist sein erstes Album, dass er Solo rausgebracht hat und er sagt „some of the stuff I like very much, some of it I quite like and I don‘t hate any of it, so I‘ve settled for this... musik“ und damn da untertreibt er ein wenig.Würde Bushido auf Tracks wie „Ghostwriter“ oder „June“ rap-pen hätten wir schon im ersten Wahlgang nen neuen Bundes-präsidenten gehabt.Aber ernsthaft, Deadringer vereint superb leicht breakige aber dennoch ent-spannte beats mit grandiosen Melodien. Einlagen von befreundeten Künstlern wie Blueprint, die für ihn spitten runden das Album ab. Deadringer ist nicht nur nen Album um mit seinen Homies zu chillen sondern auch für den Indiehörer (ja es gibt auch Gitarren und sogar mal nen paar Bläser [natürlich nur gesampelte]) um mal zu entspannen superb. Übrigens auch ideale Autofahrmusik. Das obligatorische Kopfnicken mit dem man sich von Spießigen Opel-fahrern absetzt kommt da ganz von allein.

Fazit: Superb. Das einzige was man dem Album vielleicht vorwerfen kann ist zu „langweilig“ zu sein, aber dann hat man Triphop nicht verstanden und sollte lieber wieder Bach (bwäh Triphop ist doch viel zu einfach) oder Schranz (bwäh Triphop ballert garnich oida!) hören.

I feel sick tonight!Jep, das trifft das Album total. Zum Kotzen. Angles war großes Spoken word Kino. Lieder wie „The beat that my heart skipped“ oder „Waiting for the beat to kick in“ mit Zeilen und Beats die einen bewegten ließen mich Scroobius Pip vs. Dan le Sac lieben. Nicht zu vergessen sein krasser Style und sein grandioser Ak-zent. Britischer Hiphop fistet die East-coast, West-coast niggas weg, zumindest wenn man auch dran glaubt, „that guns bitches and bling were never parts of the 4 elements and never will be“.Aber was ist das jetzt? „The Logic of Chance“ ist nen verfluchter fail auf ganzer linie! Mit seichten popbeats und noch seichterem Frau-engesang. Ich dachte Scroobius wär schon durch enormen Bartwuchs von solchen fauxpas gefeit. Doch was am schlimmsten ist, die sanfte härte seiner Worte aus Angles wird

dünn, platt. Technisch sind seine lyrics immernoch großartig, aber mich berühren sie nicht mehr.Nach dem zweiten Album schon „back to the roots“

zu fordern ist zwar konservativ und un-rock‘n‘roll, aber wth;

Scroobius ich will deinen alten Style wieder!P.S.:Ach und Dan le Sac, das kannst du auch besser!

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Die Spielhalle brennt!Man könnte (The) Arcade Fire uninspiriert als „In-dierockband“ bezeichnen, aber das würde diesem doch sehr speziellen Projekt auf keinen Fall gerecht. Doch wie bringt man das nun zu Papier? Über Mu-sik reden, ist wie zu Architektur tanzen, sagte Frank Zappa. Schwierig, aber nicht unmöglich, ergänze ich.

Die Musik auf beiden mir bekannten Alben (Funeral und Neon Bible) klingt so dringlich und intensiv, als wollte sie unbedingt sichergehen, ge- bzw erhört zu werden. Den Hörer, in meinem Falle mich, berührt der Gesang an einer Stelle am Herzen, die eigentlich für intime, persönliche Gefühle reserviert ist, und ich bin geneigt zu sagen, das sei ja eigentlich und überhaupt die Aufgabe von Musik, die man zu sei-nem persönlichen Vergnügen hört. Das Gefühlsspektrum bewegt sich von melancho-lisch, bisweilen mit fast depressiven Tendenzen, bis hin zu purer Glückseligkeit. Der Name der Band ist hierbei irreführend: von elektronischen Experi-menten (fast) keine Spur (na gut, sie haben ein, zwei Keyboards, aber wer hat die nicht!).

Wer also Neonlicht in Spielhallen der 80er assoziiert, liegt falsch.

Das zweite Album „Neon Bible“ klingt lockerer, be-schwingter, folkiger, ausgefranster. Von ihrer Inten-sität und der schlafwandlerischen Sicherheit, (mich) zu berühren, ist dabei kein Bisschen verloren gegan-gen. Die Grundstimmung auf dem Album ist aber deutlich weniger düster als auf Funeral. Die Musik von Arcade Fire ist mir immer ein treuer Begleiter auf einsamen Spaziergängen und bei mei-nen ganz persönlichen eskapistischen Phantasien gewesen, und sie kann das, was nur wenige Bands und Alben vermögen: Es wird auch nach dem hun-dertsten Durchlauf bei jedem Mal immer nur besser und besser!

Fish Fight!

Verdammte Axt nochmal! Wie ist einer Band wie

„The King Khan & BBQ Show“ in den paar Zeilen

eines Reviews gerecht zu werden? Zwei Personen,

zwei Gitarren, ein Schlagzeug, Schellenkränze,

Microphone, Gebrüll und das alles gleichzeitig ver-

mengt zu dreckigem, ungeschliffenen Garagenrock,

der klingt, als wäre er in einer eben solchen mit dem

heimischen Kassettenrekorder aufgenommen wor-

den. Absolute Lo-Fi, was die musikalische Brillianz

des Ganzen aber nicht im Geringsten schmälert,

sondern nur von absoluter Kompromisslosigkeit und

Authenzität zeugt.

Kurz zusammengefasst: Das selbstbetitelte Debut-Al-

bum klingt, als hätten sich die frühen Rolling Stones

mit den SexPistols und Black Flag zu einer Grup-

pensexparty getroffen und im Drogenrausch diesen

Bastard von einer Band gezeugt. Songs wie „Fish

Fight“, „Waddlin‘ around“ oder „Pig Pig“ gehen di-

rekt ins Ohr und dann nicht mehr raus. Rauh, direkt

und trotzdem so melodisch, dass mensch zwischen

zertrümmerten Schaufensterscheiben tanzen will. So

wollte Punk immer sein, bevor er zur Ausrede zum

Biertrinken für Männer ab 40 und zum Aufkleber

im Saturn auf dem neuen Blink-182-Album verkom-

men ist. Kommentarlos auf die Fresse!

Ähnlich wild, wie die Musik, sind dann auch die

Live-Konzerte von „The King Khan & BBQ Show“.

Zertümmerte Instrumente, Food Fights, zerstörte

Bühnen - King Khan und BBQ (der auch als Mark

Sultan bekannt ist) setzen das Vermächtnis ihrer er-

sten gemeinsamen Band „The Spaceshits“ fort. Diese

war Mitte der 90er Jahre im kanadischen Raum für

derartig gewalttätige Liveshows bekannt, dass zahl-

reiche Clubs Auftrittsverbote aussprachen.

Mittlerweile sind die beiden Musiker jedoch in Ber-

lin beheimatet, so dass ihr eine realistische Chance

habt noch einmal in den Genuss eines dieser raren

Events zu kommen. Also nichts wie hin!!!

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Waitin‘ around to die...

Gute Laune wird mensch bei dem Album „100 Mid-

nights“ von The Mighty Stef sicherlich nicht bekom-

men. Das liegt aber nicht daran, dass wir es hier mit

einem schlechten Stück Musik zu tun hätten.

Vielmehr ist es so, dass The Mighty Stef es schafft die At-

mosphäre der verwarlosten Hinterhöfe Dublins, düsterer

Gassen und einsamer Ein-Zimmer-Apartments in Musik

zu gießen.

Musikalisch irgendwo zwischen Blues, Rock, Folk, Coun-

try, Punk und Singer/Songwriter sind die Songs dieses

Albums immer schmerzhaft ehrlich und direkt, oft me-

lancholich, jedoch nie weinerlich oder pathetisch.

Lieder wie „Russian Roulette“ oder „Safe at Home“ er-

zählen Geschichten über Verzweifelung, Einsamkeit und

Drogenkosum mit einer solcher Leichtigkeit und Natür-

lichkeit, dass die Band selbst Vergleiche mit großen Na-

men wie Tom Waits, Nick Cave, Joe Strummer oder gar

Johnny Cash nicht zu scheuen braucht.

Mit großartigen Bildern schreibt die Band

um Sänger Stefan Murphy ihre Songs und

beginnt zum Beispiel „Sunshine Serenade“

den Worten „Youcanstickthatdirtyneedlein

yourlastresponsiveveine,butdon‘tletitsteal

thesunshinefromyoureyes...“.

Ein besonderes Highlight des Albums ist der

Song „Waitin‘ around to die“, einem Duett

mit der irischen Punkikone Shane McGowan,

dem Menschen mit den schlechtesten Zähnen

überhaupt und ehemaligen Sänger der „Po-

gues“, der das Leben in der Gosse wohl besser

repräsentiert als jeder andere.

100 Midnights ist ein großartiges Album um

dazu schlechte Laune zu haben und sich ein

weiteres Glas Whiskey oder Guiness einzugie-

ßen und noch eine Zigarette zu drehen.

So let‘s drink with the kings of New York...

Young disillusioned minds

„AndI‘mtooyoungtohatemyjob,solet‘sgetfired

-‘causewegotbetterthingstodowithourtime“

Diese Zeile war es, die mir beim ersten Anhören

des Albums „Pipe Dreams And Lullabies“ von

Naomi Hates Humans in Erinnerung geblieben

ist. Herausgebrüllt mit Herz und Seele von ei-

ner Sängerin deren Stimme klingt, als hätte sie

schon die ein oder andere Nacht mit Lemmy

von Motörhead Whiskey getrunken. Sparsam

instrumentiert mit einer Akkustikgitarre und

Schlagzeug entfalten die Songs hinterhältig ihre

Wirkung und bevor es einem selbst auffällt,

summt mensch die einprägsamen Melodien vor

sich hin.

Naomi Hates Humans beschreiben ihre Musik

selbst mit dem Begriff „Anti-Folk“ - und auch

wenn das paßt wie der sprichwörtliche Arsch

auf eben jenen Eimer, sollen hier noch ein paar

Worte dazu gesagt werden. Der Sound ist eine

Mischung aus Singer/Songwriter und Akkustik-

Rock gewürzt mit einer ordentlichen Portion

Punk-Attitüde.

Wer sich für akkustische Musik, radikale Texte

und kratzig-melodischen weiblichen Gesang

begeistern kann, sollte sich dieses Album nicht

entgehen lassen.

„TelevisontoldmeI‘mawinner,I‘mjustwaiting

for my time. Work-Eat-Sleep-Work-Eat-Sleep-

Work-Eat-Sleep....“

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Die Beantragung des Bachelor-Zeugnisses

„Das Verfluchte Transcript of Records“

oder:

Letztes Jahr war es endlich soweit: Alle Veranstaltungen besucht, alle Prüfungen bestanden, Bachelor-Arbeit geschrieben. Also alle Hürden des Bachelor-Studiums erfolgreich gemeistert. Wirklich alle? Nein, eine große letzte Hürde – vielleicht sogar die nervenaufreibendste – gibt es noch: Die Beantragung des Bachelor-Zeugnisses.Für den 2-Fach-Bachelor heißt das konkret: Man läuft erst mal zum De-kanat des Faches, in dem man seine Bachelor-Arbeit geschrieben hat. Dieses Dekanat ist nämlich dafür zuständig, das Zeugnis auszustellen. Dir wird dann gesagt werden, dass du ein Transcript of Records erstel-len und unterschreiben lassen musst. Das fasst alle Studienleistungen, die du bisher erbracht hast, zusammen. Wenn man glaubt, das sei mal eben schnell gemacht, dann täuscht man sich. Es gibt auf den diversen Homepages der Fächer Vorlagen für dieses Tran-script of Records, aber leider sind die alle verschieden formatiert. Es ist also sinnvoll, sich die Vorlage auszusuchen, mit der die Fakultät, die dir dein Zeugnis ausstellt, arbeitet. Das Ausfüllen selbst ist schon nicht im-mer so leicht, falls z.B. Veranstaltungstitel länger sind als die dafür vorge-sehene Spalte oder durch irgendwelche seltsamen Vorgänge im Textver-arbeitungsprogramm auf einmal alles verschoben ist. Aber nach einigem Basteln am PC kann man dann mit Stolz auf eine schöne Übersicht all seiner Studienleistungen blicken.Dieses Transkript muss dann von allen beteiligten Fakultäten gegenge-zeichnet werden. Das hieß für mich, dass ich damit außer in die Mathe-matik auch in die Physik und natürlich zum Optionalbereich musste. Dazu als erste Merkregel: Du musst alle Scheine im Original und in Kopie mit zu den jeweiligen Ansprechpartnern bringen. In der Mathematik lief das alles sehr unkompliziert. Alle Scheine mitge-bracht und als Kopie bei Frau Schwarz gelassen, dann gleicht sie das mit dem Transcript ab und ist zufrieden.

Im Optionalbereich ist genau eine Frau dafür verantwortlich, dein Transcript of Records zu prüfen und zu unterzeichnen. Wenn man dann also hochrechnet, wie viele Studierende pro Semester

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ihren 2-Fach-Bachelor abschließen möchten und das mit der Anzahl an Sprechstunden dieser Frau abgleicht, ist eines schnell klar: Man braucht ne Menge Sitzfleisch, bis man endlich zum Optionalbereichspapst durch-gelassen wird. Manchmal hat aber das Sekretariat des Optionalbereichs auch Erbarmen und bietet dir an, deinen ganzen Kram dazulassen, und du darfst dann später nochmal den langen Weg nach „Transmensanien“ auf dich nehmen, um die Sachen unterzeichnet wieder abzuholen – übrigens nicht ohne einen Kommentar über das ungewöhnliche Layout des Transcripts of Records, weil sich die Vorlage der Mathematiker wie gesagt von der anderer Fakultäten unterscheidet. Aber hier wird über die Form noch ganz großzügig hinweggesehen.Anders in der Physik: Dort angekommen – wieder mit allen Scheinen in Original und Kopie und meinem sorgfältig bearbeiteten Transcript – wird mir gesagt, dass das Dekanat das Transcript of Records für jeden Studierenden selbst erstellt. Dazu wurden die Kopien meiner Scheine nach Vergleich mit den Originalen eingesammelt und dann innerhalb von 1-2 Tagen zum Transcript verarbeitet – natürlich in völlig anderer Form als bei den Mathematikern verlangt. Auf mein Transcript wollte man mir keine Unterschrift setzen.Also bin ich mit meinen „Errungenschaften“ zu Frau Schwarz gegangen, die aber das Transcript der Physiker nicht annehmen konnte, weil es nicht dem entsprach, was später im Zeugnis stehen sollte. Nachdem ich dann zwei- bis dreimal zwischen beiden Dekanaten hin und her getigert bin und jeweils die Gründe des einen Dekanats für das eigene Transcript dem anderen Dekanat übermittelt habe, hat Frau Schwarz schließlich zum Te-lefon gegriffen und dafür gesorgt, dass ich doch noch die Unterschrift auf meinem selbst erstellten Transcript bekomme. Nach einer Woche der ständigen Fußmärsche und Wartezeiten konnte Frau Schwarz dann end-lich das Zeugnis erstellen, und als ich es voller Stolz endlich in der Hand hielt – war die Endnote falsch berechnet und ich musste es direkt wieder zur Korrektur zurückgeben?

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Wissenschaftliche Betrachtungen zum Konzept

der „SoliKasse“aggressiv geworden sind. Und während sich einige anschreien (Es gibt nichts Richtiges im Falschen! Was, du spinnst doch und das nennt sich links, Vollidiot) wiederholt jemand immer wieder: Bier, Bier, kühles Bier...Bier! Bier, Leute, Bier. Guckt euch doch mal um. Ich kann doch nicht die einzige Person sein, die bei dem Wetter nur an Bier denkt. Sofort wird eine repräsentative Umfrage aller Vorbeikom-menden gestartet: Hättest du jetzt gerne ein Bier? Joa, da würd ich nicht nein sa-gen. Feststellung: Bier ist ein Gut, wonach eine große Nachfrage herrscht. Alles klar, Schritt zwei: Wieviel würdest du für ein Bier denn jetzt und hier bezahlen wollen? Der Durchschnitt ergibt eine praktische Summe: 1 €. Schon sitzen einige Mathe-matiker_innen an wilden Rechnungen, denn sie glauben der Statistik alleine nicht. Aber auch sie müssen erkennen: Der eine Euro ist einfach praktisch, da er als eine Münze existiert und zu Hauf im Wirtschaftskreislauf vorhanden ist. Also los, Bier holen und 1 € pro Flasche sammeln. Ist ja für nen guten Zweck. Stolz auf die bisherigen Erkenntnisse verliert sich das Plenum dann in Grundsatzdebatten und der ein oder andere Kasten wird geleert. Am Ende ist die Solikasse voll. Und wann jetzt die politischen Aktivitäten? Joa, klären wir dann morgen bei nem Bierchen....

Es ist heiß. Menschen liegen auf Wiesen, Sofas, Stühlen, Bänken, in den wenigen schattigen Plätzchen die zu finden sind und dösen vor sich hin. Ans Lernen ist nicht zu denken. Und da sind ja noch politische Aktivitäten, die zu machen sind. Demo nächste Woche, Infostand, Soliparty etc. Aber wer hat schon Lust, bei dieser Hitze eine Grundsatzdiskus-sion über Flaggen oder nicht Flaggen, Aktionspotential und den bösen Ka-pitalismus anzufangen? Es hilft ja alles nichts, irgendwie muss mensch sich organisieren, um nich orientierungs-los auf einer Demo rumzulaufen und sich diverse Gelegenheiten entgehen zu lassen. Schon erklingt der Urschrei: PLEEEEEEEEEEENUM! Langsam, ganz langsam drehen sich Köpfe in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Was ist denn bitte zu besprechen? Wir brauchen Geld. Tja, denn leider leben wir im (bösen) Kapitalismus und brau-chen Kohle, um politisch aktiv zu wer-den. Eine Party stellt mensch nicht mal eben so auf die Beine, auch nicht auf dem Campus. Mal ab davon werden Menschen ja auch ständig Geldstrafen aufgebrummt, wenn sie an einer Demo teilnehmen...oder ähnliches. Alles klar also, wir brauchen Geld. Aber wie dran-kommen? Yeah, Kapitalismus schreit da jemand. Ein anderer behauptet: Das Geld liegt auf dem Campus. Ans Werk also. Wie kriegen wir Geld ohne wie die Vollkapitalisten zu erscheinen? Immernoch ist es heiß und der Schatten-platz wird auch immer kleiner. Jetzt ein kühles Bier denkt jemand laut. Da würd ich glatt für sterben. Aufgrund der Hitze dauert es natürlich ein bisschen, bis bei allen der Groschen fällt. Zwischenzeitlich fängt dann doch noch eine Grundsatzde-

batte über den (bösen) Kapitalismus an, weil da Leute zu wenig Flüssig-keit zu sich genommen haben und 22

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Rundum sorglos mit der PowerService-Lieferung von Saturn

Als ich mich vor einer Woche in eine Saturnfiliale begab um einen Herd zu kaufen,

warnte mich meine innere Stimme vor allzuviel Sorglosigkeit beim Kauf. Im Üb-

rigen war es dieselbe innere Stimme, die mich überhaupt nach Saturn führte. Sie

war es, die nicht im Internet bestellen wollte, die kleineren Elektrogeschäften nicht

traute, die bei Karstadt keine Anzahlungen mehr machen wollte und überhaupt an

jeglicher Alternative etwas auszusetzten hatte.

Da ich mir nun den Herd nicht einfach untern Arm klemmen konnte, kam ich oh-

nehin nicht umhin, mich den Einflüsterungen der Verkäufer von Saturn zu stellen.

In der entsprechenden Abteilung schnappte ich mir also einen Verkäufer. Vielleicht

schnappte er auch mich, aber so genau will ich es jetzt nicht nehmen. Der Verkäufer,

an den ich geriet, war ein kleiner Mann mit kompetenter Miene und, meine Oma

hätte gesagt, adrett aussehendem Anzug an dem ein Namensschild prangte, als wäre

es ein Orden für besondere Verdienste. Kurz, er war wie geschaffen für seinen Job.

Auf sehr überzeugende Art rechnete er mir die Vorzüge der PowerService-Lieferung

von Saturn vor. „19 Euro für die Lieferung bis hinter die erste Tür ... haben Sie ein

Herdkabel ... nein .. ach die 15 Euro für das Kabel müssen sie dann sowieso zahlen,

weniger kostet das im Baumarkt auch nicht ... und die Techniker hätten so ein Ka-

bel auch immer dabei ... mit Anschließen wären das dann 49 Euro. Sie sehen also,

soviel kostet das Anschließen dann auch nicht mehr, und danach können sie sofort

loslegen mit kochen.“

„Prima“, dachte ich bei mir, obwohl ich wohl gewusst hätte, wer mir den Herd an-

schliest, wenn es Saturn nicht getan hätte. Aber wer konnte schon sagen, wie lange

das dauern würde. Und es stimmte schon, das Kabel hätte ich wohl sowieso kaufen

müssen. Meine innere Stimme mahnte mich zwar zur Vorsicht, doch da sie keine

Argumente hatte, kam die PowerService-Lieferung also mit auf die Rechnung.

Ein paar Tage später kam dann auch meine Lieferung wie angekündigt. Überbrin-

ger waren zwei junge Männer, sagen wir mal der eine ein stämmiger Typ, der zu

einem gut erkennbaren N-tel Afrikaner war, der andere möglicherweise türkischer

Herkunft. Es ist eigentlich auch unwichtig, die erste Frage war „Haben sie ein Herd-

kabel?“. Natürlich nicht! „Das hatte ich mit bestellt, sollte in der Lieferung enthalten

sein.“ lautete meine schon etwas verwirrte Antwort.

„Ein Herdkabel ist nicht Teil der Lieferung.“ kam es von dem Lieferanten zurück,

wärend er zusammmen mit seinem Kollegen den Herd in meine Wohnung hiefte.

„Aber ich habe es doch bezahlt, es steht auf der Rechnung ... einen Moment - dort,

die Powerservice Lieferung für 49 Euro, da war das Kabel drin enthalten“ Er

schaute auf die Rechnung, die ich im zeigte, und schüttelte den Kopf. 23

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„Die 49 Euro umfassen nur die Liefeung und das Anschließen der Geräte. Wir brau-chen schon so ein Kabel, sonst können wir das Gerät nicht anschließen!“ Irgendwie schien den Lieferant das zu amüsieren.

Ich beschloss auf meiner Version zu beharren: „Ihr Kollege in der Filiale versicherte mir, dass es mit in der Powerservice Lieferung enthalten wäre.“

„Frau Wiese, das tat er bestimmt nicht.“ War die promte Antwort. Das schmierige Lächeln des Lieferanten fing an mir zu missfallen. Was war jetzt so amüsant?

„Ich habe ihrem Kollegen eindeutig klar gemacht, dass ich so ein Kabel nicht besitze, warum steht es nicht auf der Rechnung, wenn es nicht in der Powerservice Lieferung enthalten ist.“ - also das war ja wohl zu blöd!!

„Nun möglicherweise war es ein heißer Tag“ war die bedeutungsschwere Antwort. Der Tonfall, in dem das vorgetragen wurde, überraschte mich derart, dass ich nur sagte: „..und was heißt das jetzt?“

„Nun, Frau Wiese, wir haben so ein Kabel im Wagen. Wenn sie das Geld dafür da ha-ben, könnten wir das Gerät anschließen.“

„Ich habe kein Bargeld da, wie ich schon sagte, dachte ich es wäre bereits alles bezahlt.“ langsam stieg Ärger in mir hoch, das war doch kaum zu glauben!

„Das ist natürlich ärgerlich“ sagte der Lieferant mit gespieltem Bedauern. Ich konnte mir ein Schnauben kaum verkneifen.

„Also ich fühle mich langsam ziemlich verarscht! Ich war der Meinung alles wäre klar, als ich das Geld bezahlt habe.“

„Sie können sich natürlich beschweren, aber wenn wir nochmal kommen müssen, müssen sie auch nochmal 49 Euro bezahlen.“

„Also das ist ja wohl das Letzte! Ich hätte mir denken können, dass man von Saturn nichts besseres erwarten kann.“

„Was halten sie von dem Vorschlag,“ sein Tonfall wurde noch schmieriger, wenn das überhaupt ging, „ich schließe das jetzt an, und komme heute nachmittag nach Fei-erabend nochmal vorbei, „Ich wohne ganz nah um die Ecke hier ... um das Geld zu holen.“

Ohne den Zusatz, dass er ganz um die Ecke wohnte, wäre das eine sinnvolle Lösung gewesen. Die Angelegenheit kam mir langsam verdächtig vor. Wer verascht dich hier eigentlich, fragte ich mich. und so brachte ich nur ein Nicken zu stande. Was hatte es auch für einen Zweck, die waren jetzt einmal da, da konnten sie auch ihre Arbeit

machen und das Ding anschließen. Es erschien mir noch harmlos, schließlich brauchte ich ihm später nur noch das Geld in die Hand drücken. Hereinlassen würde ich ihn sicher nicht mehr.

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Nachdem das geklärt war, machte sich der Mann an die Arbeit den Herd anzuschlie-ßen. Ich machte ihn auf eine Eigenheit der Sicherung aufmerksam, worauf ich eine ziemlich sinnfreie Antwort bekam. Anscheinend hatte er meinen Einwand als weib-liches Unvermögen hinsichtlich technischer Fragen abgetan und nicht wirklich zuge-hört. Als die Kabel angeschlossen waren fragte er nach der Kappe, die die Anschluss-stelle für gewöhnlich verdeckt. Ich gab sie ihm.

„Haben sie auch die Schraube?“, er zeigte auf ein kleines Loch in der Kappe.

„Nein, ist sie denn nicht da unten?“

„Ohne die Schraube kommen wir hier nicht weiter. Sie müssen noch so eine Herd-buchse kaufen ... gibt es im Baumarkt. Kostet nicht viel.“

Warum sind die nicht voll ausgestattet? War das nicht das Rundum-Sorglos-Paket von Saturn? Geld genug hab ich in dem Laden schon gelassen, da müssen die jetzt nicht noch knauserig sein. Ich antwortete nicht sofort. „Ich komme ja ohnehin nochmal vorbei ... sie besorgen einfach so eine Herdbuchse, ich bringe das heute nachmittag noch richtig an. Wenn ich mit meiner Runde fertig bin rufe ich sie an, ich habe ja ihre Handynummer.“ ... meine Handynummer?!

Ach ja, die steht auf dem Lieferschein. Ich gab keine Antwort darauf, ob ich das nun wollte oder nicht. Er schien auch gar nicht darauf zu warten, rief noch ein fröhliches „Bis heute Nachmittag!“, fast so als hätte ich ihn gerade auf eine Drink eingeladen. Ich warf die Tür hinter den beiden zu und schüttelte mich. Danach suchte ich mein Handy raus um bei Saturn anzurufen. Wollen wir doch mal sehen, ob der Mann in der Filiale mich übers Ohr gehauen hat oder dieser schmierige Lieferant!

... Fortsetzung folgt.

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Warum die Mathemagier uns adoptieren sollten: die [AI] erzählt die Ge-

schichte einer Elternlosen Fachschaft

Es war einmal, in einem gar nicht all-zu weit entfernten Land, vor gar nicht allzu langer Zeit, eine süße kleine Fachschaft. Hinter den sieben Bau-stellen bei den sieben Betonpfeilern fanden sie ihr zu Hause: sie wohnten in einem Schuhkarton voll mit urigen Sesseln, älter als ihre Omis und Opis und weitaus schlimmer gemustert. In dem Schuhkarton fühlten sie sich wohl, er stand in einem großen Klotz aus grauem Stein der zu 1/3 aus Keller bestand. Und die Fachschaftskinder liebten die dunklen und muffigen Gänge, die vielen Steckdosen und das

drahtlose Internet boten unzählige Möglichkeiten dauerhaft in den Gemäuern zu verweilen. 26

Aber diese Idylle von durchprogram-mierten Nächten, wilden Kämpfen in MMORPGs und ausgiebigen Kaffeege-lagen wurde bald gestört. Die anderen Bewohner des Kartons beäugten sie immer wieder aus dunklen Ecken oder flüsterten leise hinter ihrem Rücken. Sie hatten das Kellergebäude schon

„Angewandte Informatik“

vor Jahren für sich beansprucht und waren nun sehr argwöhnisch ge-genüber den Schattenwesen. Auch kritisierten sie immer wieder, dass die kleinen und schüchternen We-sen nichts zum Bruttosozialprodukt der Forschung beitrugen. Aber die Fachschaftler konnten nichts daran ändern, sie waren nun mal rastlose Wanderer und forschten überall im Hafen des Wissens. In den Hallen des Karton-Klotzes waren einfach nicht genug Themen, an denen sich die Informatiker beteiligen konnten. Immer nur Schaltungen, Netze oder gar Schlimmeres waren nicht genug, in ihrer Natur und Akkreditierung

Zum StudienganG

Noch vor einigen Monaten sah es nicht gut aus um unseren Studiengang: Nie-mand konnte so recht sagen, ob es zum nächsten Wintersemester überhaupt noch Einschreibungen geben würde. Rektorat und Fakultät ließen die Köpfe qualmen, die eigenen und die der Studierenden. Mittlerweile steht fest: im WS 10/11 wird neu eingeschrieben. Fragt sich nur, was aus der [AI] wird, wenn die Professoren-stellen wegfallen und damit alle essenziellen Inhalte des Kernbereichs. Welche Entwicklungen nun von der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstech-nik kommen kann niemand erahnen. Aber wir haben uns zusammengesetzt und bei viel Kaffee und Käsekuchen an einer Lösung herumgedoktort: schaut man auf die Inhalte, so ist unser Studiengang in der Fakultät für Mathematik ebenso gut aufgehoben wie aktuell bei ET/IT. Genau diese Idee hat uns gefallen, nach Abspra-che mit dem FSR Mathe sind wir auch dort auf Zustimmung und Unterstützung getroffen. Und um das alles nochmal schön bunt und mit Glitzer zu erzählen, hättet ihr euch diese ersten Zeilen einfach sparen können, um mit der eigentlichen Geschichte weiterzumachen.

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Mensa-Monster war ein mystischer Ort. Mit Blick auf die erbarmungslose Landschaft und den Horizont des Öd-lands residierten dort die mächtigen Mathemagier.Die Mathemagier waren berüchtigt für die schlimmsten aller Zaubersprü-che, in ihren Vorträgen redeten sie in kryptischen Worten und malten Zei-chen der puren Hexerei an die Tafeln. Auch die Schattenwesen hatten schon Kontakt gehabt zu den Mathemagiern, in ihren Katakomben bildeten sie ah-nungslose Schüler in den Künsten ihres Zirkels aus: Fouriertransformationen, Wahrscheinlichkeitsverteilungen und andere Foltermethoden waren an der Tagesordnung. Unsere kleinen Infor-matiker waren nicht die besten Schüler, aber sie nutzten das Wissen stets für ihre eigenen Wissenschaften und wa-ren sehr dankbar für jede weitere Vari-able, die eine überflüssige Zahl in einer Gleichung ersetzte.Die Kellerkinder waren voller Hoff-nung, die großen Mathemagier waren

war der Drang nach mehr Vielfalt laut geworden.Nachdem die kleinen, lichtscheuen Wesen nun einige Jahre in dem Kar-ton-Klotz gelebt hatten, wurde ihnen immer deutlicher, dass sie eigentlich gar nicht willkommen waren. Die klei-nen Elektro-Monster schwirrten durch die Räume und lauerten hinter Ecken, um die Schattenwesen zu pieksen. Auch ihre kleinen Brüder, bekannt als eine skrupellose Hacker-Gang mach-ten die Gänge unsicher. Immer wieder war das Internet heruntergeladen, der Kaffee nicht bezahlt oder zahllose E-Mails ausgedruckt.So konnte es nicht weitergehen, die kleinen Informatiker fühlten sich un-wohl. Auf der Suche nach einer Lösung setzten sie sich in einem konspirativen Kreis zusammen und brüteten näch-telang über Modulhandbüchern in fremden Sprachen. Doch die Lösung lag nah: hinter dem Krötenteich, neben dem riesigen und dampfspuckenden

die mächtigsten Wesen im Hafen des Wissens: ihre Theorien waren Ursprung allen philosophischen Wissens und der Materie. Die Zahl hat quasi das Universum geschaffen (die Autorin möchte anmerken, dass sie zunächst das p-np Problem lösen wird, um sich dann diesem Sachver-halt zu widmen), also waren sie hier an der richtigen Adresse. Natürlich kamen sie nicht unvorbereitet, die Schattigen wollten den Mathemagi-ern mit einem Pakt zum Schutze der Informatik nicht schaden. Durch den gewährten Schutz vor Hacker-Gangs und Elektro-Monsterchen könnten die Kellerkinder ungeahnte Energien freisetzen: mit passender Kundgebung würden zwei neue und mystische W2-Magier die Kata-komben des Mathe-Zirkels betreten können. Diese würden nicht nur die Schattenwesen schützen, sie würden die unentbehrlichen Folter-Vorle-sungen noch um nicht abzählbar viele Elemente erweitern!Doch der Plan der kleinen Keller-kinder hatte einen Fehler: trotz er-folgreicher Verhandlungen mit den Ratsmitgliedern der Mathemagier konnten die Ober-Magier nicht einfach übergangen werden. Auch die Herrscher des Wissenshafens wollten noch mitreden bei der Ad-option der Schattenwesen.Leider ist der Weg von den my-stischen Katakomben der Mathe-magier zum Steuermann der großen Muschel sehr weit und so sitzen und warten die Kellerkinder noch immer zusammen mit den Ratsmitgliedern und wissen nicht, ob das Schiff bald untergeht.

Ende Gelände

Im Namen der KellerkinderKatharina Kohls[Anderswo Informatik]

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Erinnern Sie sich noch an den Sommer des Jahres 2003? Brütende Hitze legte sich über Stadt und Land. Die Straßen waren wie leergefegt, hin und wieder wehte ein schwächlicher Lufthauch verdorrtes Laub über den stau-bigen Asphalt, wo es sich schon bald zum endgültigen Zerfall niederlegte.Alle litten! Kleine Kinder und Hunde suchten vergebens nach Wasserpfüt-zen, um sich darin zu sulen, für Teenager war der Frühling schon lange vorbei, Karrieristen stöhnten über Krawattenzwang und Atemnot, alte Na-ziopas spürten deutlich ihre Kriegsverletzungen.Am meisten aber litt der „Deutsche Bahn“-Chef Hartmut Mehdorn, der sich und der Welt die Ausfälle von Nah- und Fernverkehrszügen nur mit “Materialermüdung” erklären konnte. Ganze Gleisstränge zerflossen in der sengenden Hitze und verloren sich in den Weiten entlegener Provinzen, etwa des Wendlandes, wo es nur mit Mühe und Not gelang, den eminent wichtigen Güterverkehr rund um Gorleben aufrechtzuerhalten.Wer in diesem Sommer dazu verurteilt war, ohne Auto zu reisen, war rest-los aufgeschmissen. Das, was sich letztlich auf den Bahnhöfen abspielte, war gänzlich grauenerregend. Na ja, eigentlicht mal war da gar nichts. Kein Zug fuhr die Bahnsteige an, kein Lüftchen wehte.Was blieb dem Kunden gepflegter Gastlichkeit anderes übrig als zu rau-chen, eine Beschäftigung, welche allen Unkenrufen zum Trotz recht gut ge-eignet ist, die Wartezeit totzuschlagen. Pech hatte, wer dieser angenehmen Beschäftigung an einem sogenannten “rauchfreien Bahnhof ” nachgehen wollte. Sicher, auch dort gab es legale Möglichkeiten, dieser Passion zu frö-nen, nämlich in den eigens errichteten “Raucherzonen”. Aber wer begibt sich schon freiwillig ins Ghetto, wo man dichtgedrängt wie in einem Viehs-tall dem Hohn und dem Spott intoleranter und nichtrauchender Zeitge-nossen ausgesetzt ist?Und überhaupt: Wenn sich tausende geknechtete Seelen aus Büros, Schu-len, von Baustellen oder aus Fabriken schleppen, stundenlang dem Diktat des militanten Nichtrauchertums ausgesetzt, so werden sich diese in Be-wegung setzen, um ihre Freiheit zu genießen, sich einem breiten Strome gleich vereinen, und gen heimwärtsbringenden Bahnhof ziehen, Stufe um Stufe den Bahnsteig erklimmend, wo sie – nun endlich bar aller Qualen und Schmähungen – die lang vergönnte und möglicherweisee sogar erste Zigarette des Tages aus der Packung ziehen, sie noch einmal liebevoll be-trachten, anzünden, um endlich – endlich – den ersten Zug genußvoll zu inhalieren. Ahhh!So war es auch an jenem denkwürdigen Tag, welcher so friedlich begann.

von Jørch Schønewerk

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Staatliche

Willkür

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“He, Sie da, Rauchen verboten!”Ich wollte es erst gar nicht wahr haben: Diensteifrig bellte mich ein uniformierter Wachdienstler an, Krawatte korrekt gebunden, die Hand an die Diensttaschenlampe “Hellfire Armageddon” gelegt. Mich beein-druckte weniger seine staatstragende fast schon selbstsichere Haltung, seine alberne Uniform oder seine Gestapo-starren Augen als vielmehr die Tatsache, daß er gar nicht schwitzte. “Kaltblüter”, dachte ich, “oder ein gescheiterter Unteroffizier.” Vorsicht war also angeraten, man hört ja so einiges über kaputte Bundis.Gleich neben mir solidarisierte sich spontan ein Mann, indem er eine Zichte zündete: “Ik glob et ja nich! Die ham wa uns vadient, DET kannste ma globen, wa!”Der Wachkötter durchforstete kurz seine Hirndatenbank nach pas-senden Dienstvorschriften und verkündete seinen Beschluß: “Ich hole Verstärkung.”Die kam auch spontan aus der legalen Raucherecke. Eine Frau wand sich aus der schwitzenden Menge heraus und rief zu uns herüber: “Ham wa jelacht”, zog einmal kräftig und warf dem gescheiterten Unterbrüll-offiziers-Anwärter die heruntergerauchte Kippe vor die Füße.In diesem Moment nahm ich die erste kleine Schweißperle auf dessen Stirn war. Er war hoffnungslos überfordert. Ein undefinierter Fall war eingetreten, in seinem Ausbildungsseminar war solch renitentes Ver-halten offenkundig nicht erörtert worden. Da half nur eines! Funkgerät raus: “Zentrale? Hier 06. Widerständige Ansammlung von ‚Dampf ‘ auf Bahnsteig 2, südlicher Aufgang. Sofortige Hilfe erbeten.”Inwischen brach eine Gruppe junger Punks mutig aus dem Raucherbe-reich aus. Sie brutzelten fröhlich ihr Rauchwerk. Natürlich achteten sie sorgsam darauf, die aufmüpfige Frau zwischen sich und dem Unifor-mierten stehen zu haben. Ja, ja, die Jugend heutzutage!“Zentrale? Dringend Verstärkung benötigt. Ziehen Sie den Bundes-grenzschutz hinzu! Mit erheblichem Widerstand ist zu rechnen.”

Um es kurz zu machen: Die meisten Raucher bekamen nichts von der Unterstützungsanforderung mit und verteilten sich freimütig über den gesamten Bahnsteig. Als zwei Minuten später eine BGS-Hundertschaft auftauchte, wurden die meisten auf frischer Tat ertappt, und wir alle fanden uns 20 Minuten später in den Arrestzellen wieder.Nach drei Stunden wurde ich einem Protokolldroiden vorgeführt, der von mir lediglich Name und Wohnort erhielt. Als er merkte, daß ich nicht aussagewillig war, machte er mich darauf aufmerksam, daß ich wahrscheinlich der “Rädelsführerschaft” bezichtigt würde, ich hier noch einiges wettmachen könne, wenn ich die Namen meiner Kompli-zen nenne, usw., das übliche Programm eben.Dann schickte er mich zur erkennungsdienstlichen Behandlung. Der Beamte, der mich in einen Warteraum führte, nahm dort verstohlen sei-ne Mütze ab und kramte eine Packung Zigaretten heraus. Als er meinen verwunderten Blick bemerkte, bot er mir auch eine Fluppe an, natürlich nicht, ohne sich zu rechtfertigen: “Ick weß, det dürf ‘n wa nich in‘nen Diensträumen, aba bei so ‘nem Wetta, da scheiß ick druff.” 29

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Theorem: Every natural number can be unambiguously described in 14 wordsor less.Proof. Suppose there is some natural number which cannot be unambiguously de-scribed in fourteen words or less. Then there must be a smallest such numb-er. Let‘s call it n.

But now n is „the smallest natural number that cannot be unambiguously described in fourteen words or less.“ This is a complete and unambiguous description of n in fourteen words, contradicting the fact that n was suppo-sed not to have such a description!Therefore, all natural numbers can be unambiguously described in fourteen words or less. Q.E.D.

(copied from: http://komplexify.com/epsilon/2009/04/05/on-describing-integers/)30

Weiß beginnt und setzt im zweiten Zug matt...

Ein Schachrätsel

...seltsamer Beweis

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Was er sah war sinnverwirrend. In einer krausen, kindlich dick aufgetragenen Schrift bedeckte ein phantastischer Hokuspo-kus, ein Hexensabbat verschränkter Runen die Seiten. Grie-chische Schriftzeichen waren mit lateinischen und mit Ziffern in verschiedener Höhe verkoppelt, mit Kreuzen und Strichen durchsetzt, ober- und unterhalb waagrechter Linien bruchar-tig aufgereiht, durch andere Linien zeltartig bedacht, durch Doppelstrichelchen gleichgewertet, durch runde Klammern zu großen Formelmassen vereinigt. Einzelne Buchstaben, wie Schildwachen vorgeschoben, waren rechts oberhalb der um-klammerten Gruppen ausgesetzt. Kabballistische Male, voll-ständig unverständlich dem Laiensinn, umfaßten mit ihren Armen Buchstaben und Zahlen, während Zahlenbrüche ihnen voranstanden und Zahlen und Buchstaben ihnen zu Häupten und Füßen schwebten. Sonderbare Silben, Abkürzungen ge-heimnisvoller Worte, waren überall eingestreut, und zwischen den nekromantischen Kolonnen standen geschriebene Sätze und Bemerkungen in täglicher Sprache, deren Sinn gleichwohl so hoch über allen menschlichen Dingen war, daß man sie lesen konnte, ohne mehr davon zu verstehen als von einem Zauber-gemurmel.

aus: Thomas Mann - „Königliche Hoheit“

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Ein kleines Stück Literatu

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Zeitreise (Teil 3)Die Zeitreise geht weiter. Zum dritten Mal wagten wir einen Blick in die Geschich-te der Fachschaft Mathematik, durchforstetendie Archive des MFBchen und ha-ben so einiges für euch ausgegraben. Also: Viel Spaß mit dem alten Kram!

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„Bochum brennt?“ aus: MFB‘chen Februar 1985, S. 23

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„Wie die Deutschen einmal ihre Freiheit verteidigten“

aus: MFB‘chen Januar 1986, S. 4

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„Wie die Deutschen einmal ihre Freiheit verteidigten“ aus: MFB‘chen Januar 1986, S. 5

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„Wie die Deutschen einmal ihre Freiheit verteidigten“ aus: MFB‘chen Januar 1986, S. 6

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„„Wie die Deutschen einmal ihre Freiheit verteidi-gten“ aus: MFB‘chen Januar 1986, S. 7

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„Kleines Handbuch der Terroristwerdung“ aus: MFB‘chen Oktober 1986, Seite 33

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Raum für eigene Notizen:

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Rektor?