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Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Niedersachsen Fallbericht aus der Pathologie: Tod eines Norwegers M. Brügmann 1 , Ute Niemann 1 , H. Wiedenfeld 2 , F. Geburek 3 und D.F. Jünnemann 4 1 Veterinärinstitut Oldenburg (LAVES-Niedersachsen), Philosophenweg 38, 26121 Oldenburg 2 Helmut Wiedenfeld, Pharmazeutisches Institut der Universität Bonn, An der Immenburg 4, 53121 Bonn 3 Klinik für Pferde, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, Bischofsholer Damm 15, 30173 Hannover 4 Tierärztliche Praxis D.F. Jünnemann, Mühlenstraße 3-5, 49844 Bawinkel Vorbericht Ein 15 Jahre alter Norweger-Wallach wurde tot auf der Weide aufgefunden (Abb.1 und 13); das Tier soll lt. Aussage der Besitzerin vorher klinisch unauffällig gewesen sein. Da vor 2 Wochen bereits ein wei- teres Pferd auf derselben Weide perakut verendet war, bestand der Verdacht auf das Vorliegen einer Intoxikation bzw. der Verdacht auf ein „Fremdverschulden“. Das Pferd wurde daher an den Fachbereich Pathologie des Veterinärinstitutes Oldenburg übersandt. Die Abbildungen 1 und 13 zeigen die Auffinde- situation auf der Weide. Pathomorphologische und weiterführende labordiagnostische Befunde Bei der Sektion des gut genährten Tieres wurde als wesentlicher Hauptbefund eine derbe, ockerfarbene Leber (s.Abb.5) festgestellt, deren Schnittfläche das klassische Bild einer mikronodulären Zirrhose auf- wies (Abb.6 und 7). Histologisch ist die mikronoduläre Zirrhose (Abb. 8-11) durch eine gering- bis mittel- gradige interstitielle Kollagenfaserverrmehrung (Inset in Abb.7), zentrolobuläre Einzelzellnekrosen und Herdnekrosen mit granulozytärer Infiltration gekennzeichnet. Besonders eindrucksvoll und hinweisend auf das ursächliche Agens ist die ausgeprägte Megalozytose der Hepatozyten (Abb.8-11; unveränderte und teilweise atrophische Hepatozyten (); extrem große Hepatozyten () = hepatozelluläre Megalo- zytose). Zusätzlich wurden ein geringgradiger Ikterus, eine geringgradige hämorrhagische Diathese, ein seröser Perikarderguß und eine umschriebene filamentöse Peritonitis als Nebenbefunde festgestellt. Zur Abschätzung einer Leberfunktionsstörung wurde die postmortem gewonnene Augenkammerflüssigkeit der vorderen Augenkammer labordiagnostisch untersucht. Dabei ergaben sich folgende Werte (die Re- ferenzwerte sind in Klammern dem jeweiligen Wert angefügt): GOT: 3IU/l (20IU/l); LDH: 58 IU/l (400 IU/l); γ-GT: 30 IU/l (20 IU/l); d.h. bis auf den erhöhten Wert der γ-GT läßt sich anhand der postmortalen Untersuchungen der Augenkammerflüssigkeit keine Leberfunktionsstörung ableiten. Literatur 1. Dahme, E. und Weiss, E.: Grundriß der speziellen pathologischen Anatomie der Haustiere. Enke Verlag, 1999, S. 214 2. Grabner und Dörrzapf: Enzootische Leberdystrophie und hepatoenzephales Syndrom bei Pferden nach Vergiftung mit Senecio alpinus. gekürzte Fassung aus: Pferdeheilkunde 6 (1990) 3 (Mai) 119-124 © http://www.amtstieraerzte.de 3. International programme of chemical safety environmental health criteria 80 - pyrrolizidine alkaloids – World Health Organization, Geneva 1988, ISBN 92 4 154280 2, (c) World Health Organization 1988 4. Jubb, K.V.F., Kennedy, P.C., Palmer, N.: Pathology of domestic animals. Academic Press, 1992, S. 392-395 5. Ober,O, Hartmann,T, Moll, S., Nurhayati, N., Anke, S., Reimann, A.: Evolution and localization of pyrrolizidine alkaloid biosynthesis aus: http://www.biologie.uni-erlangen.de/pharmbiol/Abstract/Short.html 6. Rasenack, R., Müller, C., Kleinschmidt, M., Rasenack, J., Wiedenfeld, H.: Veno-occlusive disease in a fetus caused by pyrrolizidine alkaloids of food origin. Fetal Diagn. Ther. 2003; 18:223-225 7. Wiedenfeld, H., Röder, E.: Pyrrolizidinalkaloide – Struktur und Toxizität. Deutsche Apotheker Zeitung 1984; 124; (43), 2116-2122 Toxikologie Chemisch stellt die Substanzklasse der Pyrrolizidinalkaloide (PA) Esteralkaloide dar. Sie kommen als Monoester, als offene Diester oder als zyklische Diester vor. Dabei wird das Grundgerüst, ein zyk- lisches Fünfringsystem über Stickstoff verknüpft, Necin genannt und die veresternde Säure Necin- säure. Bis heute sind circa 200 verschiedene Pyrrolizidinalkaloide bekannt (7). Da Pyrrolizidinalkaloide leicht zu N-Oxiden reagieren können, ist in den Pflanzen meist ein Gemisch von N-Oxiden und freien Alkaloiden vorhanden. Pyrrolizidinalkaloide in Pflanzen wirken als Repellentien gegen Vögel, Insekten und Reptilien. Männliche Bärenspinner und Schneckenfalter verwenden Pyrrolizidinalkaloide als Vorstufen zur Synthese von Pheromonen; Raupenstadien von Schmetterlingen nehmen Pyrrolizidinalkaloide beim Fressen pyrrolizidinalkaloidhaltiger Pflanzen auf, akkumulieren diese und setzen sie gegen Fraßfeinde ein. Bei parenteraler Applikation zeigen die N-Oxide eine geringere Toxizität, weil diese eine größere Wasserlöslichkeit als die reduzierte Alkaloidform besitzen und aus diesem Grunde schneller renal ausgeschieden werden. Bei oraler Anwendung weisen die N-Oxide die gleiche Toxizität wie die freien Alkaloide auf. Während die oral aufgenommenen Pyrrolizidinalkaloide als solche direkt im Darm auf- genommen werden, müssen die N-Oxide zunächst durch Reduktasen der Bakterienflora des Darmes reduziert werden, bevor sie in dieser Form resorbiert werden können. Im Blut findet dann eine Spal- tung eines Teils der PA in die entsprechenden Necine und Necinsäuren mittels der dort vorhandenen unspezifischen Esterasen statt. Diese Metaboliten werden vermutlich ohne toxische Wirkung ausge- schieden. Untersuchungen bei Schafen haben zudem gezeigt, dass eine partielle Detoxifikation der Pyrrolizidinalkaloide in den Vormägen der Wiederkäuer erfolgt. Für die kanzerogene Wirkung werden Metaboliten der PA verantwortlich gemacht, d.h. Pyrrolizidin- alkaloide sind selbst nicht toxisch, werden aber durch mischfunktionelle Monooxygenasen der Hepa- tozyten in toxische Pyrrolverbindungen umgewandelt. Im ersten Metabolisierungsschritt werden N- Oxide gebildet oder in a-Stellung zum Stickstoff eine Hydroxylgruppe eingeführt. Im zweiten Schritt erfolgt dann der Umbau zu einem Pyrrolderivat und im letzten Schritt die Abspaltung der Säuren sowie die Bildung toxischer Verbindungen mit alkylierenden Eigenschaften (3,7). Diese toxischen Pyrrolverbindungen alkylieren Aminosäuren, Nikotinamid, Guanin- und Adenin-Derivate der DNA und RNA irreversibel (siehe Abb.5). Diese Quervernetzung der DNA und RNA erklärt die Hepato-, Geno-, Embryotoxizität und Kanzerogenität der Pyrrolizidinalkaloide. Zudem verursachen PA akute zentro- lobuläre hepatozelluläre Nekrosen. Die weitaus häufigere Form der Schädigung durch PA ist jedoch das Auftreten chronisch progressiver Leberveränderungen. Die chronische Aufnahme führt aufgrund der alkylierenden Eigenschaften der PA zur histologisch beobachteten Megalozytose (Abb. 9-11; Vergrößerung der Leberzellen, des Zellkerns und der Nukleoli) und mikronodulären Leberzirrhose, diese ist nicht absolut spezifisch für Pyrrolizidinalkaloide, diese wird u.a. auch bei Intoxikationen mit Aflatoxinen oder Nitrosaminen beobachtet (1,4). Zudem werden renale Tubulusepitheldegenerationen und –nekrosen in der Niere sowie vaskuläre Alterationen in der Lunge mit interstitieller Fibrose und Epithelmetaplasien beschrieben (4). Im vorliegenden Fall konnten keine extrahepatischen Verän- derungen festgestellt werden, die in einem kausalen Zusammenhang mit der PA-Intoxikation stehen. Der LD 50 -Wert wird in der Giftpflanzen-Datenbank der Universität Zürich für das Pferd mit 0,05-0,20 kg getrocknete Senecio jacobaea/kg KG angegeben. Dies entspricht der Aufnahme von 25 – 100 kg getrockneter Pflanze / 500 kg schweres Pferd über einen Zeitraum von Tagen bis Monaten. Spezies LD 50 -Wert Pferd, Rind, Ratte 5-20% des Körpergewichts = 0,05-0,20 kg getrocknete Senecio jacobea/kg KG Ziege 125-400 % des Körpergewichts = 1,25-4,0 kg getrocknete Senecio jacobea/kg KG (= total 29,8-71,5kg) über 152-388 Tage. Schaf > 2 kg Senecio jacobea/kg KG Huhn 50 g Senecio jacobea/kg KG Maus 1.5 kg Senecio jacobea/kg KG Ratte 0.5 kg Senecio jacobea/kg KG (Quelle: Internet: http://www.vetpharm.unizh.ch/Index.htm). Experten schätzen die tatsächliche Anzahl der Vergiftungsfälle weitaus höher ein, da die eindeutige Beziehung zwischen Pflanzenaufnahme und den erst sehr viel später auftretenden Krankheitsbildern schwer zu erkennen ist (7). Klinik Die akute Pyrrolizidinalkaloid-Intoxikation beim Pferd ist selten und verläuft in wenigen Tagen tödlich. Aufgrund der meist geringen Tagesaufnahmen pyrrolizidinalkaloidhaltiger Pflanzen führt die kumu- lative Wirkung der Pyrrolizidinalkaloide meist zu einem chronischen Verlauf der Erkrankung, d.h. im Verlauf von 3 Tagen bis 6 Monaten nach der Pflanzenaufnahme werden erste Symptome beobachtet, mit längeren stationären Phasen, das Terminalstadium verläuft dann meist innerhalb weniger Tage, kann sich aber auch über mehrere Wochen hinziehen. Das chronische Krankheitsbild beim Pferd ist u.a. durch Konditions- und Gewichtsverlust, Anorexie, Kolik, Obstipation oder blutige Diarrhoe, Tenesmus, Rektumprolaps, Hämoglobinurie, häufiges Gähnen, Dyspnoe, Photosensibilität und Ikterus gekennzeichnet. Bei Pferden dominieren häufig zentralnervöse Störungen infolge eines hepatoenzephales Syndroms (Leber-Hirn-Krankheit; syn. „Schweinsberger Krankheit“; „walking disease“), die Tiere zeigen unkoordiniertes Vorwärtsdrängen, zielloses Wandern, Unruhe, Taumeln, Ataxie, Lecksucht, Blindheit, Kopfpressen, Depression, Kon- vulsionen bis zum hepatischen Koma. Infolge der Leberfunktionseinschränkung wird u.a. eine Hyper- ammonämie beobachtet, die u.a. ursächlich für die zentralnervöse Symptomatik des Tieres ist. Am empfindlichsten reagiert das Schwein, gefolgt von Rind und Pferd, relativ gering empfindlich sind Schafe (partielle Detoxifikation in den Vormägen wahrscheinlich). Beim Menschen wurde das pyrrolizidinalkaloid-assoziierte Krankheitsbild (Vomitus, Emesis, Kolik, Diarrhoe, Aszites, Hepatomegalie, Ikterus) als sinusoidales Obstruktionssyndrom (früher veno- occlusive disease) zuerst bei Jamaikanern nach dem Genuß von pyrrolizidinalkaloidhaltigem „bush- tea“ beschrieben. Die häufigste Ursache des sinusoidalen Obstruktionssyndroms ist heute jedoch eine intensive Chemotherapie in Kombination mit anderen Medikamenten im Rahmen von allogenen Knochen- markstransplantationen. Hier treten Gefäßverschlüsse in Höhe der hepatischen Sinusoide auf, die sich bis in die Zentralvenen und die Lebervenolen fortsetzen können (3,7). Labordiagnostische Untersuchungen auf Pyrrolizidinalkaloide Aufgrund der pathomorphologischen Befunde wurde eine tiefgefroren asservierte Lebergewebeprobe des Pferdes mittels Gaschromatographie (GC) und Gaschromatographie-Massenspektroskopie (GC- MS) am Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn auf toxische Pyrrolverbindungen analysiert: Das Lebergewebe (62,1 g) wurde zunächst homogenisiert, dann erfolgte eine 3-mig Ultra-Turrax Ex- traktion mit Methanol; nach dem Abzentrifugieren wurde die Probe unter Vakuum zur Trockne einge- dampft. Der Rückstand in 200 ml 2,5%iger HCl aufgenommen und 3x mit Methylenchlorid extrahiert und die organische Phase unter vermindertem Druck zur Trockne eingedampft (= Extrakt 1). Die wässrige Phase wurde mit Zn-Staub versetzt und 60 Minuten gerührt, anschließend filtriert; das gewonnene Filtrat mit Kochsalz gesättigt und mit NH 4 OH (25%) alkalisiert; daraufhin wurde mit MeCl 2 erschöpfend extrahiert; die MeCl 2 -Phase im Vakuum zur Trockne eingedampft (= Extrakt 2). Das Extrakt 2 wurde in 2 ml MeCl 2 gelöst; das Extrakt 1 in 5 ml MeCl 2 gelöst, hiervon wurden jeweils 2 ml entnommen. Diese Menge (2 ml) der Extrakte wurde einer Festphasenextraktion an Diol-Phasen unterworfen; gewaschen mit MeCl 2 und eluiert mit einem 1:1-Gemisch MeOH/ CH 3 CN. Waschlösungen und Eluate wurden im Vakuum eingedampft. Die Rückstände wurden jeweils in 1 ml MeCl 2 gelöst und entsprechend verdünnt (F = 12,5) der Gaschromatographie (GC) bzw. der Gaschromatographie-Massenspektroskopie (GS-MS) unterworfen. Die grafische Darstellung der Untersuchungsergebnisse können Sie der Abb. 3 entnehmen. Die Quantifizierung (bezogen auf Senecionin) ergab eine Aerea SE von: 12,2804, dies entspricht einer Menge von 32 μg. Die Aerea des Dehydropyrrolizidinalkaloid-Peaks ergab eine Aerea von 3,065, dies entspricht 7,987 μg Dehydropyrrolizidine. Bezogen auf den Verdünnungsfaktor wurden in 62,1 g Leber somit 31,25 μg Dehydropyrrolizidine nachgewiesen, dies entspricht einer Konzentration von o,5 μg/g Lebergewebe(nativ). Ätiologie Aufgrund des pathomorphologischen Bildes der mikronodulären Leberzirrhose und der labordiag- nostischen Ergebnisse handelt es sich bei dem hier vorgestellten Fall um eine Folgeerscheinung einer chronischen, toxischen Hepatose, hervorgerufen durch eine Pyrrolizidinalkaloid-Intoxikation. Der alleinige Nachweis einer mikronodulären Zirrhose ist jedoch noch nicht beweisend für das Vorliegen einer Pyrrolizidinalkaloid-Intoxikation. Die mikronoduläre Zirrhose ist Ausdruck einer toxischen Hepatose, die in der Regel auf der wiederholten Aufnahme von Phytotoxinen, Mykotoxinen oder Chemikalien beruht, die entweder zur Schädigung der Leberzellen oder des Gallengangssystems führen (1,4). Am häufigsten werden jedoch chronische, toxische Hepatosen durch Pyrrolizidinalkaloide induziert, die weitverbreitet in Pflanzen ganz unterschiedlicher Gattungen bzw. Familien vorkommen (Compositae, Le- guminosae, Boraginaceae und Asteraceae u.a., siehe Abb.4). Einige differentialdiagostisch wichtige und weitverbreitete pyrrolizidinalkaloidhaltige Pflanzen: Jakobs-Kreuzkraut (Senecio jacobea) Gemeines Kreuzkraut (Senecio vulgaris ) Alpen-Kreuzkraut (Senecio alpinus ) Wasser-Kreuzkraut (Senecio aquaticus) Raukenblättriges Kreuzkraut (Senecio erucifolius ) Sumpf-Greißkraut (Senecio paludosus) Sonnenwende (Heliotropium arborescens) Euopäische Sonnenwende (Heliotropum europaeum) Taumellolch (Lolium temulentum) Gew. Hundszunge (Cynoglossum officinale ) Huflattich (Tussilago farfara) Borretsch (Borago officinalis ) Gemeiner Natternkopf (Echium vulgare) Gemeiner Beinwell (Symphytum officinale ) (Quelle: Giftpflanzen-Datenbank im Internet: http://www.vetpharm.unizh.ch/Index.htm). Bekämpfung von Jakobskreuzkraut ? (aus: Jakobs-Kreuzkraut, eine Giftpflanze auf dem Vormarsch von Andreas Lüscher und Willy Kessler, AGFF/FAL Reckenholz; Franz Sutter, LBL LindauOktober 2002, © LBL und FAL/AGFF, 8315 Lindau/8046 Zürich) Das Abblühen und Versamen von Jakobskreuzkraut muss unbedingt verhindert werden, auch ausserhalb der landwirtschaftlichen Flächen! Die vorhandenen Blütenstände auf Weiden und an Wegrändern schneiden und vernichten. Zur Vorbeugung gehören eine an- gepasste Weidepflege, das Fördern eines dichten Bestandes und das Vermeiden von Tritt- schäden. Direkte Bekämpfung erfolgt durch Ausreissen oder Ausstechen der Pflanzen. Eine Frühjahrsweide mit Schafen kann das Kreuzkraut zurückdrängen. Eine Bekämpfung mit einem gräserschonendem Herbizid ist nur als Einzelpflanzenanwendung erlaubt. Die Behandlung ist am erfolgreichsten im Frühjahr. Wegen der Toxizität und dem Vermehr- ungspotential ist Kreuzkraut zu einem Hauptproblem der Viehhaltung in Grossbritannien, Neuseeland und einzelner Regionen Amerikas geworden. Das Landwirtschaftsministerium hat in England und der Schweiz Jakobs-Kreuzkraut zur „gefährlichen Pflanze“ erklärt. Somit ist jeder Landbesitzer verpflichtet, Kreuzkraut zu bekämpfen um damit eine Ausbreitung auf landwirtschaftlich genutzten Flächen zu verhindern. Durch extensivere Landnutzung sowie durch Rationalisierungs- und Ökologisierungs- massnahmen im Strassen- und Bahnunterhaltsdienst haben spätblühende Arten wie das Jakobskreuzkraut (Abb. 14) vermehrt die Möglichkeit ungehindert zu versamen und sich in landwirtschaftlich genutzten Flächen auszubreiten. Dies vorwiegend in Weiden. 1 2 wash1 # 2858 RT: 35.22 AV: 1 NL: 1.06E6 T: + c Full ms [ 50.00-650.00] 100 150 200 250 300 350 400 450 500 m/z 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 160 170 180 190 200 210 220 230 240 Relative Abundance 368.2 145.2 369.2 260.1 247.2 353.3 105.1 81.2 160.2 213.2 131.1 79.1 326.2 91.1 163.3 214.1 185.1 261.2 340.2 283.1 370.2 311.2 404.2 429.0 470.2 458.0 489.3 0.1 2.0 4.0 6.0 8.0 10.0 12.0 14.0 16.0 18.0 20.0 22.0 24.0 26.0 28.0 30.0 32.0 33.5 11 100 200 300 400 500 600 700 800 900 971 PAS - NPD #196 [modified by Helmut] Leberhomogenisat; Extr1-wash; F: 12,5 GC mV min Dehydropyrrolizidin-Derivat 3 4 Alkylierende Wirkung von toxischen Pyrrolverbindungen (5) 5 7 Mikronoduläre Leberzirrhose, Schnittfläche, nativ 8 9 10 11 12 13 14 15 Gemeines Kreuzkraut (Senecio vulgaris) Jakobskreuzkraut (Senecio jacobea) 16 17 Gemeines Kreuzkraut (Senecio vulgaris) Gemeines Kreuzkraut (Senecio vulgaris) Absicherung der Diagnose Die Diagnose des Pathologen im Rahmen von Intoxikationen ist primär häufig eine Verdachtsdiagnose, d.h. ein morphologisches Korrelat liegt vor, hier eine mikronoduläre Zirrhose mit ausgeprägter hepatozellulärer Megalozytose, und das ätiologische Agens wird durch relativ aufwändige toxikologische Untersuchungen nachgewiesen. In diesem Fall konnte durch die Weidebegehung mit fotografischer Dokumentation das Agens rasch identifiziert werden. Der rote Kreis markiert in der Abbildung 13 das toxische Jakobskreuzkraut, dessen Inhaltsstoffe auch durch die toxikologische Untersuchung nachgewiesen wurden. Abb. 12: Artikel aus dem Deutschen Tierärzteblatt Oktober 2006 Jakobskreuzkraut: - Giftpflanze auf dem Vormarsch - Azan-Färbung HE-Färbung HE-Färbung HE-Färbung 6 Mikronoduläre Leberzirrhose, Schnittfläche, nativ 5 Mikronoduläre Leberzirrhose, nativ HE-Färbung

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Niedersachsen

Fallbericht aus der Pathologie: Tod eines NorwegersM. Brügmann1, Ute Niemann1, H. Wiedenfeld2, F. Geburek3 und D.F. Jünnemann4

1 Veterinärinstitut Oldenburg (LAVES-Niedersachsen), Philosophenweg 38, 26121 Oldenburg2 Helmut Wiedenfeld, Pharmazeutisches Institut der Universität Bonn, An der Immenburg 4, 53121 Bonn3 Klinik für Pferde, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, Bischofsholer Damm 15, 30173 Hannover4 Tierärztliche Praxis D.F. Jünnemann, Mühlenstraße 3-5, 49844 Bawinkel

Vorbericht

Ein 15 Jahre alter Norweger-Wallach wurde tot auf der Weide aufgefunden (Abb.1 und 13); das Tier soll lt. Aussage der Besitzerin vorher klinisch unauffällig gewesen sein. Da vor 2 Wochen bereits ein wei-teres Pferd auf derselben Weide perakut verendet war, bestand der Verdacht auf das Vorliegen einer Intoxikation bzw. der Verdacht auf ein „Fremdverschulden“. Das Pferd wurde daher an den Fachbereich Pathologie des Veterinärinstitutes Oldenburg übersandt. Die Abbildungen 1 und 13 zeigen die Auffinde-situation auf der Weide.

Pathomorphologische und weiterführende labordiagnostische Befunde

Bei der Sektion des gut genährten Tieres wurde als wesentlicher Hauptbefund eine derbe, ockerfarbene Leber (s.Abb.5) festgestellt, deren Schnittfläche das klassische Bild einer mikronodulären Zirrhose auf-wies (Abb.6 und 7). Histologisch ist die mikronoduläre Zirrhose (Abb. 8-11) durch eine gering- bis mittel-gradige interstitielle Kollagenfaserverrmehrung (Inset in Abb.7), zentrolobuläre Einzelzellnekrosen und Herdnekrosen mit granulozytärer Infiltration gekennzeichnet. Besonders eindrucksvoll und hinweisend auf das ursächliche Agens ist die ausgeprägte Megalozytose der Hepatozyten (Abb.8-11; unveränderte und teilweise atrophische Hepatozyten (→); extrem große Hepatozyten (↓) = hepatozelluläre Megalo-zytose). Zusätzlich wurden ein geringgradiger Ikterus, eine geringgradige hämorrhagische Diathese, ein seröser Perikarderguß und eine umschriebene filamentöse Peritonitis als Nebenbefunde festgestellt. Zur Abschätzung einer Leberfunktionsstörung wurde die postmortem gewonnene Augenkammerflüssigkeit der vorderen Augenkammer labordiagnostisch untersucht. Dabei ergaben sich folgende Werte (die Re-ferenzwerte sind in Klammern dem jeweiligen Wert angefügt): GOT: 3IU/l (20IU/l); LDH: 58 IU/l (400 IU/l); γ-GT: 30 IU/l (20 IU/l); d.h. bis auf den erhöhten Wert der γ-GT läßt sich anhand der postmortalenUntersuchungen der Augenkammerflüssigkeit keine Leberfunktionsstörung ableiten.

Literatur1. Dahme, E. und Weiss, E.: Grundriß der speziellen pathologischen Anatomie der Haustiere. Enke Verlag, 1999, S. 2142. Grabner und Dörrzapf: Enzootische Leberdystrophie und hepatoenzephales Syndrom bei Pferden nach Vergiftung mit Senecio alpinus.

gekürzte Fassung aus: Pferdeheilkunde 6 (1990) 3 (Mai) 119-124 © http://www.amtstieraerzte.de3. International programme of chemical safety environmental health criteria 80 - pyrrolizidine alkaloids –

World Health Organization, Geneva 1988, ISBN 92 4 154280 2, (c) World Health Organization 19884. Jubb, K.V.F., Kennedy, P.C., Palmer, N.: Pathology of domestic animals. Academic Press, 1992, S. 392-3955. Ober,O, Hartmann,T, Moll, S., Nurhayati, N., Anke, S., Reimann, A.: Evolution and localization of pyrrolizidine alkaloid biosynthesis

aus: http://www.biologie.uni-erlangen.de/pharmbiol/Abstract/Short.html6. Rasenack, R., Müller, C., Kleinschmidt, M., Rasenack, J., Wiedenfeld, H.: Veno-occlusive disease in a fetus caused by pyrrolizidine alkaloids of food origin.

Fetal Diagn. Ther. 2003; 18:223-2257. Wiedenfeld, H., Röder, E.: Pyrrolizidinalkaloide – Struktur und Toxizität. Deutsche Apotheker Zeitung 1984; 124; (43), 2116-2122

Toxikologie

Chemisch stellt die Substanzklasse der Pyrrolizidinalkaloide (PA) Esteralkaloide dar. Sie kommen als Monoester, als offene Diester oder als zyklische Diester vor. Dabei wird das Grundgerüst, ein zyk-lisches Fünfringsystem über Stickstoff verknüpft, Necin genannt und die veresternde Säure Necin-säure. Bis heute sind circa 200 verschiedene Pyrrolizidinalkaloide bekannt (7).

Da Pyrrolizidinalkaloide leicht zu N-Oxiden reagieren können, ist in den Pflanzen meist ein Gemisch von N-Oxiden und freien Alkaloiden vorhanden. Pyrrolizidinalkaloide in Pflanzen wirken als Repellentien gegen Vögel, Insekten und Reptilien. Männliche Bärenspinner und Schneckenfalter verwenden Pyrrolizidinalkaloide als Vorstufen zur Synthese von Pheromonen; Raupenstadien von Schmetterlingen nehmen Pyrrolizidinalkaloide beim Fressen pyrrolizidinalkaloidhaltiger Pflanzen auf, akkumulieren diese und setzen sie gegen Fraßfeinde ein.Bei parenteraler Applikation zeigen die N-Oxide eine geringere Toxizität, weil diese eine größere Wasserlöslichkeit als die reduzierte Alkaloidform besitzen und aus diesem Grunde schneller renalausgeschieden werden. Bei oraler Anwendung weisen die N-Oxide die gleiche Toxizität wie die freien Alkaloide auf. Während die oral aufgenommenen Pyrrolizidinalkaloide als solche direkt im Darm auf-genommen werden, müssen die N-Oxide zunächst durch Reduktasen der Bakterienflora des Darmes reduziert werden, bevor sie in dieser Form resorbiert werden können. Im Blut findet dann eine Spal-tung eines Teils der PA in die entsprechenden Necine und Necinsäuren mittels der dort vorhandenen unspezifischen Esterasen statt. Diese Metaboliten werden vermutlich ohne toxische Wirkung ausge-schieden. Untersuchungen bei Schafen haben zudem gezeigt, dass eine partielle Detoxifikation der Pyrrolizidinalkaloide in den Vormägen der Wiederkäuer erfolgt. Für die kanzerogene Wirkung werden Metaboliten der PA verantwortlich gemacht, d.h. Pyrrolizidin-alkaloide sind selbst nicht toxisch, werden aber durch mischfunktionelle Monooxygenasen der Hepa-tozyten in toxische Pyrrolverbindungen umgewandelt. Im ersten Metabolisierungsschritt werden N-Oxide gebildet oder in a-Stellung zum Stickstoff eine Hydroxylgruppe eingeführt. Im zweiten Schritt erfolgt dann der Umbau zu einem Pyrrolderivat und im letzten Schritt die Abspaltung der Säuren sowie die Bildung toxischer Verbindungen mit alkylierenden Eigenschaften (3,7). Diese toxischen Pyrrolverbindungen alkylieren Aminosäuren, Nikotinamid, Guanin- und Adenin-Derivate der DNA und RNA irreversibel (siehe Abb.5). Diese Quervernetzung der DNA und RNA erklärt die Hepato-, Geno-, Embryotoxizität und Kanzerogenität der Pyrrolizidinalkaloide. Zudem verursachen PA akute zentro-lobuläre hepatozelluläre Nekrosen. Die weitaus häufigere Form der Schädigung durch PA ist jedoch das Auftreten chronisch progressiver Leberveränderungen. Die chronische Aufnahme führt aufgrund der alkylierenden Eigenschaften der PA zur histologisch beobachteten Megalozytose (Abb. 9-11; Vergrößerung der Leberzellen, des Zellkerns und der Nukleoli) und mikronodulären Leberzirrhose, diese ist nicht absolut spezifisch für Pyrrolizidinalkaloide, diese wird u.a. auch bei Intoxikationen mit Aflatoxinen oder Nitrosaminen beobachtet (1,4). Zudem werden renale Tubulusepitheldegenerationenund –nekrosen in der Niere sowie vaskuläre Alterationen in der Lunge mit interstitieller Fibrose und Epithelmetaplasien beschrieben (4). Im vorliegenden Fall konnten keine extrahepatischen Verän-derungen festgestellt werden, die in einem kausalen Zusammenhang mit der PA-Intoxikation stehen.Der LD50-Wert wird in der Giftpflanzen-Datenbank der Universität Zürich für das Pferd mit 0,05-0,20 kg getrocknete Senecio jacobaea/kg KG angegeben. Dies entspricht der Aufnahme von 25 – 100 kg getrockneter Pflanze / 500 kg schweres Pferd über einen Zeitraum von Tagen bis Monaten.

Spezies LD50-Wert

Pferd, Rind, Ratte 5-20% des Körpergewichts = 0,05-0,20 kg getrocknete Senecio jacobea/kg KGZiege 125-400 % des Körpergewichts = 1,25-4,0 kg getrocknete Senecio jacobea/kg KG

(= total 29,8-71,5kg) über 152-388 Tage.Schaf > 2 kg Senecio jacobea/kg KGHuhn 50 g Senecio jacobea/kg KGMaus 1.5 kg Senecio jacobea/kg KGRatte 0.5 kg Senecio jacobea/kg KG

(Quelle: Internet: http://www.vetpharm.unizh.ch/Index.htm).

Experten schätzen die tatsächliche Anzahl der Vergiftungsfälle weitaus höher ein, da die eindeutige Beziehung zwischen Pflanzenaufnahme und den erst sehr viel später auftretenden Krankheitsbildern schwer zu erkennen ist (7).

Klinik

Die akute Pyrrolizidinalkaloid-Intoxikation beim Pferd ist selten und verläuft in wenigen Tagen tödlich. Aufgrund der meist geringen Tagesaufnahmen pyrrolizidinalkaloidhaltiger Pflanzen führt die kumu-lative Wirkung der Pyrrolizidinalkaloide meist zu einem chronischen Verlauf der Erkrankung, d.h. im Verlauf von 3 Tagen bis 6 Monaten nach der Pflanzenaufnahme werden erste Symptome beobachtet, mit längeren stationären Phasen, das Terminalstadium verläuft dann meist innerhalb weniger Tage, kann sich aber auch über mehrere Wochen hinziehen.

Das chronische Krankheitsbild beim Pferd ist u.a. durch Konditions- und Gewichtsverlust, Anorexie, Kolik, Obstipation oder blutige Diarrhoe, Tenesmus, Rektumprolaps, Hämoglobinurie, häufiges Gähnen, Dyspnoe, Photosensibilität und Ikterus gekennzeichnet. Bei Pferden dominieren häufig zentralnervöse Störungen infolge eines hepatoenzephales Syndroms (Leber-Hirn-Krankheit; syn. „Schweinsberger Krankheit“; „walking disease“), die Tiere zeigen unkoordiniertes Vorwärtsdrängen, zielloses Wandern, Unruhe, Taumeln, Ataxie, Lecksucht, Blindheit, Kopfpressen, Depression, Kon-vulsionen bis zum hepatischen Koma. Infolge der Leberfunktionseinschränkung wird u.a. eine Hyper-ammonämie beobachtet, die u.a. ursächlich für die zentralnervöse Symptomatik des Tieres ist. Am empfindlichsten reagiert das Schwein, gefolgt von Rind und Pferd, relativ gering empfindlich sind Schafe (partielle Detoxifikation in den Vormägen wahrscheinlich).

Beim Menschen wurde das pyrrolizidinalkaloid-assoziierte Krankheitsbild (Vomitus, Emesis, Kolik, Diarrhoe, Aszites, Hepatomegalie, Ikterus) als sinusoidales Obstruktionssyndrom (früher veno-occlusive disease) zuerst bei Jamaikanern nach dem Genuß von pyrrolizidinalkaloidhaltigem „bush-tea“ beschrieben. Die häufigste Ursache des sinusoidalen Obstruktionssyndroms ist heute jedoch eine intensive Chemotherapie in Kombination mit anderen Medikamenten im Rahmen von allogenen Knochen-markstransplantationen. Hier treten Gefäßverschlüsse in Höhe der hepatischen Sinusoide auf, die sich bis in die Zentralvenen und die Lebervenolen fortsetzen können (3,7).

Labordiagnostische Untersuchungen auf Pyrrolizidinalkaloide

Aufgrund der pathomorphologischen Befunde wurde eine tiefgefroren asservierte Lebergewebeprobe des Pferdes mittels Gaschromatographie (GC) und Gaschromatographie-Massenspektroskopie (GC-MS) am Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn auf toxische Pyrrolverbindungen analysiert:

Das Lebergewebe (62,1 g) wurde zunächst homogenisiert, dann erfolgte eine 3-mig Ultra-Turrax Ex-traktion mit Methanol; nach dem Abzentrifugieren wurde die Probe unter Vakuum zur Trockne einge-dampft. Der Rückstand in 200 ml 2,5%iger HCl aufgenommen und 3x mit Methylenchlorid extrahiert und die organische Phase unter vermindertem Druck zur Trockne eingedampft (= Extrakt 1). Die wässrige Phase wurde mit Zn-Staub versetzt und 60 Minuten gerührt, anschließend filtriert; das gewonnene Filtrat mit Kochsalz gesättigt und mit NH4OH (25%) alkalisiert; daraufhin wurde mit MeCl2 erschöpfend extrahiert; die MeCl2-Phase im Vakuum zur Trockne eingedampft (= Extrakt 2). Das Extrakt 2 wurde in2 ml MeCl2 gelöst; das Extrakt 1 in 5 ml MeCl2 gelöst, hiervon wurden jeweils 2 ml entnommen. Diese Menge (2 ml) der Extrakte wurde einer Festphasenextraktion an Diol-Phasen unterworfen; gewaschen mit MeCl2 und eluiert mit einem 1:1-Gemisch MeOH/ CH3CN. Waschlösungen und Eluate wurden im Vakuum eingedampft. Die Rückstände wurden jeweils in 1 ml MeCl2 gelöst und entsprechend verdünnt (F = 12,5) der Gaschromatographie (GC) bzw. der Gaschromatographie-Massenspektroskopie (GS-MS) unterworfen.Die grafische Darstellung der Untersuchungsergebnisse können Sie der Abb. 3 entnehmen.

Die Quantifizierung (bezogen auf Senecionin) ergab eine Aerea SE von: 12,2804, dies entspricht einer Menge von 32 µg. Die Aerea des Dehydropyrrolizidinalkaloid-Peaks ergab eine Aerea von 3,065, dies entspricht 7,987 µg Dehydropyrrolizidine. Bezogen auf den Verdünnungsfaktor wurden in 62,1 g Leber somit 31,25 µg Dehydropyrrolizidine nachgewiesen, dies entspricht einer Konzentration von o,5 µg/g Lebergewebe(nativ).

Ätiologie

Aufgrund des pathomorphologischen Bildes der mikronodulären Leberzirrhose und der labordiag-nostischen Ergebnisse handelt es sich bei dem hier vorgestellten Fall um eine Folgeerscheinung einer chronischen, toxischen Hepatose, hervorgerufen durch eine Pyrrolizidinalkaloid-Intoxikation.

Der alleinige Nachweis einer mikronodulären Zirrhose ist jedoch noch nicht beweisend für das Vorliegen einer Pyrrolizidinalkaloid-Intoxikation. Die mikronoduläre Zirrhose ist Ausdruck einer toxischen Hepatose, die in der Regel auf der wiederholten Aufnahme von Phytotoxinen, Mykotoxinen oder Chemikalien beruht, die entweder zur Schädigung der Leberzellen oder des Gallengangssystems führen (1,4).

Am häufigsten werden jedoch chronische, toxische Hepatosen durch Pyrrolizidinalkaloide induziert, die weitverbreitet in Pflanzen ganz unterschiedlicher Gattungen bzw. Familien vorkommen (Compositae, Le-guminosae, Boraginaceae und Asteraceae u.a., siehe Abb.4).

Einige differentialdiagostisch wichtige und weitverbreitete pyrrolizidinalkaloidhaltige Pflanzen:

Jakobs-Kreuzkraut (Senecio jacobea) Gemeines Kreuzkraut (Senecio vulgaris)Alpen-Kreuzkraut (Senecio alpinus) Wasser-Kreuzkraut (Senecio aquaticus)Raukenblättriges Kreuzkraut (Senecio erucifolius) Sumpf-Greißkraut (Senecio paludosus)Sonnenwende (Heliotropium arborescens) Euopäische Sonnenwende (Heliotropum europaeum)Taumellolch (Lolium temulentum) Gew. Hundszunge (Cynoglossum officinale)Huflattich (Tussilago farfara) Borretsch (Borago officinalis)Gemeiner Natternkopf (Echium vulgare) Gemeiner Beinwell (Symphytum officinale)

(Quelle: Giftpflanzen-Datenbank im Internet: http://www.vetpharm.unizh.ch/Index.htm).

Bekämpfung von Jakobskreuzkraut ?(aus: Jakobs-Kreuzkraut, eine Giftpflanze auf dem Vormarsch von Andreas Lüscher und Willy Kessler, AGFF/FAL Reckenholz; Franz Sutter, LBL LindauOktober 2002, © LBL und FAL/AGFF, 8315 Lindau/8046 Zürich)

Das Abblühen und Versamen von Jakobskreuzkraut muss unbedingt verhindert werden, auch ausserhalb der landwirtschaftlichen Flächen! Die vorhandenen Blütenstände auf Weiden und an Wegrändern schneiden und vernichten. Zur Vorbeugung gehören eine an-gepasste Weidepflege, das Fördern eines dichten Bestandes und das Vermeiden von Tritt-schäden. Direkte Bekämpfung erfolgt durch Ausreissen oder Ausstechen der Pflanzen. Eine Frühjahrsweide mit Schafen kann das Kreuzkraut zurückdrängen. Eine Bekämpfung mit einem gräserschonendem Herbizid ist nur als Einzelpflanzenanwendung erlaubt. Die Behandlung ist am erfolgreichsten im Frühjahr. Wegen der Toxizität und dem Vermehr-ungspotential ist Kreuzkraut zu einem Hauptproblem der Viehhaltung in Grossbritannien, Neuseeland und einzelner Regionen Amerikas geworden. Das Landwirtschaftsministerium hat in England und der Schweiz Jakobs-Kreuzkraut zur „gefährlichen Pflanze“ erklärt. Somit ist jeder Landbesitzer verpflichtet, Kreuzkraut zu bekämpfen um damit eine Ausbreitung auf landwirtschaftlich genutzten Flächen zu verhindern.Durch extensivere Landnutzung sowie durch Rationalisierungs- und Ökologisierungs-massnahmen im Strassen- und Bahnunterhaltsdienst haben spätblühende Arten wie das Jakobskreuzkraut (Abb. 14) vermehrt die Möglichkeit ungehindert zu versamen und sich in landwirtschaftlich genutzten Flächen auszubreiten. Dies vorwiegend in Weiden.

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wash1 #2858 RT: 35.22 AV: 1 NL: 1.06E6T: + c Full ms [ 50.00-650.00]

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214.1185.1 261.2340.2283.1 370.2311.2 404.2 429.0 470.2458.0 489.3

0 . 1 2 . 0 4 . 0 6.0 8.0 10.0 12.0 14.0 16.0 18.0 20.0 22.0 24.0 26.0 28.0 30.0 32.0 33.5

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971PAS - NPD #196 [modified by Helmut] Leberhomogenisat; Extr1-wash; F: 12,5 GC

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Alkylierende Wirkung von toxischen Pyrrolverbindungen (5)

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7 Mikronoduläre Leberzirrhose, Schnittfläche, nativ

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Gemeines Kreuzkraut (Senecio vulgaris) Jakobskreuzkraut (Senecio jacobea)

16 17Gemeines Kreuzkraut (Senecio vulgaris) Gemeines Kreuzkraut (Senecio vulgaris)

Absicherung der Diagnose

Die Diagnose des Pathologen im Rahmen von Intoxikationen ist primär häufig eine Verdachtsdiagnose, d.h. ein morphologisches Korrelat liegt vor, hier eine mikronoduläreZirrhose mit ausgeprägter hepatozellulärer Megalozytose, und das ätiologische Agens wird durch relativ aufwändige toxikologische Untersuchungen nachgewiesen.In diesem Fall konnte durch die Weidebegehung mit fotografischer Dokumentation das Agens rasch identifiziert werden. Der rote Kreis markiert in der Abbildung 13 das toxische Jakobskreuzkraut, dessen Inhaltsstoffe auch durch die toxikologische Untersuchung nachgewiesen wurden.

Abb. 12: Artikel aus dem Deutschen Tierärzteblatt Oktober 2006Jakobskreuzkraut: - Giftpflanze auf dem Vormarsch -

Azan-Färbung HE-Färbung

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HE-Färbung

6 Mikronoduläre Leberzirrhose, Schnittfläche, nativ

5 Mikronoduläre Leberzirrhose, nativ

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