4
Med Klin Intensivmed Notfmed 2013 · 108:588–591 DOI 10.1007/s00063-013-0284-5 Eingegangen: 31. Mai 2013 Überarbeitet: 26. Juli 2013 Angenommen: 29. Juli 2013 Online publiziert: 5. September 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 E. Strobel 1  · H.-U. Bender 2 1 Department Mikrobiologie, Medizet, Städtisches Klinikum München GmbH, München 2 Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Klinikum Schwabing, Städtisches Klinikum München GmbH, und Kinderklinik und -poliklinik des Klinikums Rechts der Isar der Technischen Universität München Fieber während einer  Bluttransfusion Ein Fall von Koinzidenz statt Kausalität Hintergrund Unerwünschte Wirkungen einer Blut- transfusion können gemäß Zeitpunkt ihres Eintritts in akute (während der Transfusion oder innerhalb von 24 h danach) und verzögerte (nach mehr als 24 h) Reaktionen eingeteilt werden [9]. Aufgrund ihrer Ursache können immu- nologische und nichtimmunologische Reaktionen unterschieden werden [8, 9]. Bei den immunologischen Ursachen kann einerseits eine Einteilung in humorale, d. h. antikörpervermittelte, und in zellu- läre Reaktionen erfolgen, andererseits ist auch eine Einteilung nach den Zielstruk- turen der Reaktion, wie F Blutzellen ( Erythrozyten, Leukozyten, Thrombozyten), F andere Gewebe, F nichtzelluläre Zielstrukturen (Plasmaproteine oder andere im Plasma enthaltene Stoffe) möglich. Die nichtimmunologischen Ursachen können beispielsweise in physi- kalische, chemische und mikrobielle Ursa- chen – einschließlich der Übertragung von Infektionskrankheiten [3, 5] – einge- teilt werden (. Infobox 1). Allerdings lässt die Symptomatik einer unerwünschten Transfusionsreaktion oft keinen eindeuti- gen Rückschluss auf deren Ursache zu. So kann z. B. eine akute Hämolyse während einer Transfusion Folge einer antikörper- vermittelten erythrozytären Inkompatibi- lität oder einer vorhergehenden Schädi- gung des Konservenbluts durch Einfrie- ren oder Überwärmung sein [15]. Darü- ber hinaus kann schon das Ausbleiben des therapeutischen Effekts der Transfu- sion ohne eine weitere klinische Sympto- matik eine unerwünschte Wirkung dar- stellen. Neben den verschiedenen trans- fusionsbedingten Differenzialdiagnosen dürfen andere mögliche Ursachen der Symptomatik, die in keinem Zusammen- hang mit der Verabreichung des Blutpro- dukts stehen, bei der Untersuchung und Behandlung einer vermuteten Transfu- sionsunverträglichkeit nicht übersehen werden. Als Beispiel hierfür wird im Fol- genden von einem Patienten berichtet, bei dem während einer Bluttransfusion eine febrile Reaktion auftrat, die als Verdachts- fall einer unerwünschten Arzneimittel- wirkung dem Blutdepot der Autoren zur Nachuntersuchung gemeldet wurde. Kasuistik Vorgeschichte Der ausländische Junge wurde seit sei- nem 1. Lebensmonat wegen einer familiä- ren hämophagozytierenden Lymphohis- tiozytose (HLH) des Typs 5 behandelt [1]. Ein Geschwisterkind von ihm war bereits an der Erkrankung verstorben; die Eltern und ein gesunder Bruder sind ebenfalls Träger der Mutation des Syntaxin-bin- ding-protein-2(STXBP2)-Gens. Durch eine Behandlung nach dem HLH-2004- Protokoll konnte eine vorübergehende Remission erreicht werden, die jedoch von Rezidiven mit Infektionen, erhöhten Leberwerten und kompensierter Nieren- insuffizienz unterbrochen wurde. Nach einer mehr als ein Jahr dauernden Suche wurde ein geeigneter unverwandter Kno- chenmarksspender („HLA matching“: 9/10) gefunden. Die Transplantation von erythrozytendepletiertem Knochenmark (KMT) erfolgte im Alter von 1,5 Jahren nach Konditionierung mit Fludarabin, Melphalan und Alemtuzumab. Das „eng- raftment“ trat am Tag 19 nach KMT ein. In der Folge traten zahlreiche Komplika- tionen, u. a. eine F Venenverschlußerkrankung („veno-occlusive disease“) der Leber, F dialysepflichtige Niereninsuffizienz mit Anämie und Hypertonus, F Sepsis und F schwere akute Graft-versus-host- Erkrankung (GvHD) von Haut, Darm und Leber, auf. Die Behandlung der GvHD erfolgte neben immunsuppressiver Medikation auch durch Gabe von mesenchyma- len Stammzellen eines anderen unver- wandten Spenders. Ferner bestand eine Enteropathie mit Malabsorption, Ileus, gastrointestinalen Blutungen sowie rezi- divierenden Elektrolytentgleisungen und metabolischen Azidosen. Insgesamt lag eine erhebliche Entwick- lungsverzögerung des Kindes vor. Klinischer Befund Am Tag 321 nach KMT benötigte der 2 Jahre und 5 Monate alte Junge (Kör- pergewicht 12 kg) aufgrund einer Anä- Redaktion: R. Riessen, Tübingen | Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 7 · 2013 Kasuistiken 588

Fieber während einer Bluttransfusion; Fever during blood transfusion;

  • Upload
    h-u

  • View
    212

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Med Klin Intensivmed Notfmed 2013 · 108:588–591DOI 10.1007/s00063-013-0284-5Eingegangen: 31. Mai 2013Überarbeitet: 26. Juli 2013Angenommen: 29. Juli 2013Online publiziert: 5. September 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

E. Strobel1 · H.-U. Bender2

1 Department Mikrobiologie, Medizet, Städtisches Klinikum München GmbH, München2 Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Klinikum Schwabing, Städtisches Klinikum München GmbH,

und Kinderklinik und -poliklinik des Klinikums Rechts der Isar der Technischen Universität München

Fieber während einer BluttransfusionEin Fall von Koinzidenz statt Kausalität

Hintergrund

Unerwünschte Wirkungen einer Blut-transfusion können gemäß Zeitpunkt ihres Eintritts in akute (während der Transfusion oder innerhalb von 24 h danach) und verzögerte (nach mehr als 24 h) Reaktionen eingeteilt werden [9]. Aufgrund ihrer Ursache können immu-nologische und nichtimmunologische Reaktionen unterschieden werden [8, 9]. Bei den immunologischen Ursachen kann einerseits eine Einteilung in humorale, d. h. antikörpervermittelte, und in zellu-läre Reaktionen erfolgen, andererseits ist auch eine Einteilung nach den Zielstruk-turen der Reaktion, wieFBlutzellen ( Erythrozyten,

Leukozyten, Thrombozyten), Fandere Gewebe, Fnichtzelluläre Zielstrukturen

( Plasmaproteine oder andere im Plasma enthaltene Stoffe)

möglich. Die nichtimmunologischen Ursachen können beispielsweise in physi-kalische, chemische und mikrobielle Ursa-chen – einschließlich der Übertragung von Infektionskrankheiten [3, 5] – einge-teilt werden (.Infobox 1). Allerdings lässt die Symptomatik einer unerwünschten Transfusionsreaktion oft keinen eindeuti-gen Rückschluss auf deren Ursache zu. So kann z. B. eine akute Hämolyse während einer Transfusion Folge einer antikörper-vermittelten erythrozytären Inkompatibi-lität oder einer vorhergehenden Schädi-gung des Konservenbluts durch Einfrie-ren oder Überwärmung sein [15]. Darü-

ber hinaus kann schon das Ausbleiben des therapeutischen Effekts der Transfu-sion ohne eine weitere klinische Sympto-matik eine unerwünschte Wirkung dar-stellen. Neben den verschiedenen trans-fusionsbedingten Differenzialdiagnosen dürfen andere mögliche Ursachen der Symptomatik, die in keinem Zusammen-hang mit der Verabreichung des Blutpro-dukts stehen, bei der Untersuchung und Behandlung einer vermuteten Transfu-sionsunverträglichkeit nicht übersehen werden. Als Beispiel hierfür wird im Fol-genden von einem Patienten berichtet, bei dem während einer Bluttransfusion eine febrile Reaktion auftrat, die als Verdachts-fall einer unerwünschten Arzneimittel-wirkung dem Blutdepot der Autoren zur Nachuntersuchung gemeldet wurde.

Kasuistik

Vorgeschichte

Der ausländische Junge wurde seit sei-nem 1. Lebensmonat wegen einer familiä-ren hämophagozytierenden Lymphohis-tiozytose (HLH) des Typs 5 behandelt [1]. Ein Geschwisterkind von ihm war bereits an der Erkrankung verstorben; die Eltern und ein gesunder Bruder sind ebenfalls Träger der Mutation des Syntaxin-bin-ding-protein-2(STXBP2)-Gens. Durch eine Behandlung nach dem HLH-2004-Protokoll konnte eine vorübergehende Remission erreicht werden, die jedoch von Rezidiven mit Infektionen, erhöhten Leberwerten und kompensierter Nieren-

insuffizienz unterbrochen wurde. Nach einer mehr als ein Jahr dauernden Suche wurde ein geeigneter unverwandter Kno-chenmarksspender („HLA matching“: 9/10) gefunden. Die Transplantation von erythrozytendepletiertem Knochenmark (KMT) erfolgte im Alter von 1,5 Jahren nach Konditionierung mit Fludarabin, Melphalan und Alemtuzumab. Das „eng-raftment“ trat am Tag 19 nach KMT ein. In der Folge traten zahlreiche Komplika-tionen, u. a. eine FVenenverschlußerkrankung

(„ veno-occlusive disease“) der Leber, Fdialysepflichtige Niereninsuffizienz

mit Anämie und Hypertonus, FSepsis und Fschwere akute Graft-versus-host-

Erkrankung (GvHD) von Haut, Darm und Leber,

auf. Die Behandlung der GvHD erfolgte neben immunsuppressiver Medikation auch durch Gabe von mesenchyma-len Stammzellen eines anderen unver-wandten Spenders. Ferner bestand eine Entero pathie mit Malabsorption, Ileus, gastro intestinalen Blutungen sowie rezi-divierenden Elektrolytentgleisungen und metabolischen Azidosen.

Insgesamt lag eine erhebliche Entwick-lungsverzögerung des Kindes vor.

Klinischer Befund

Am Tag 321 nach KMT benötigte der 2 Jahre und 5 Monate alte Junge (Kör-pergewicht 12 kg) aufgrund einer Anä-

Redaktion:R. Riessen, Tübingen

|  Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 7 · 2013

Kasuistiken

588

mie (Hämoglobin: 7,1 g/dL, Hämatokrit: 21,5%, Erythrozyten: 2,6/pL) infolge fort-gesetzter gastrointestinaler Blutverluste mit positivem Nachweis von Blut im Stuhl eine Substitution von Erythrozy-ten. Dazu wurde ein Teilbeutel eines vom Blutspende dienst in 4 Portionen geteilten und mit 30 Gy bestrahlten Erythrozyten-konzentrats (EK) verwendet. Unter dieser Transfusion traten Unruhe, Schüttelfrost und ein Anstieg der Körpertemperatur von 37,2 auf 38,9°C auf. Kurzzeitig wurde ein Abfall der pulsoxymetrisch bestimm-ten arteriellen Sauerstoffsättigung auf 74% bei einem Pulsanstieg auf 119/Min beob-achtet. Dies wurde dem Blutdepot als Ver-dachtsfall einer febrilen Transfusionsreak-tion zur Nachuntersuchung gemeldet.

Diagnostik

Zur Nachuntersuchung der fraglichen Transfusionsreaktion standen eine prä- und eine posttransfusionelle Blutprobe des Patienten sowie das Restblut aus dem Konservenbeutel zur Verfügung. Die Blut-gruppenmerkmale in beiden Blutproben des Patienten waren identisch (B CCD.ee Kell negativ) und stimmten mit den Vorbefunden überein. Somit konnte eine Probenverwechslung ausgeschlossen werden. Die Antikörpersuchteste (indi-rekter Coombstest nach Inkubation bei 37°C und NaCl-Test bei Raumtempera-tur; beides mit der Gelkarten methode) und die direkten Coombsteste (mit Gel-kartenmethode) waren sowohl mit bei-den Patientenblutproben als auch mit dem Konserveninhalt negativ. Die Blut-gruppe des Konserveninhalts entsprach den Angaben auf dem Konservenetikett ( O CCD.ee Kell negativ) und war zur Pa-tientenblutgruppe majorkompatibel. Die Kreuzproben beider Patientenblutproben mit dem Konserveninhalt waren im Ma-jor-Test negativ, sodass eine erythrozytä-re Inkompatibilität ausgeschlossen wer-den konnte. Die Untersuchung des freien Hämoglobins ergab Fim prätransfusionellen Patienten-

plasma einen unauffälligen Wert von 5 mg/L,

Fim posttransfusionellen Patienten-plasma einen unauffälligen Wert von 131 mg/L sowie

Infobox 1 Beispiele unerwünschter Wirkungen von Bluttransfusionen

Immunologische UrsachenFAkute Reaktion1infolge einer humoralen Immunreak-

tion gegen 1erythrozytäre Antigene (akuter

hämolytischer Transfusionzwischen-fall infolge Major- oder Minor-Inkom-patibilität; fehlender Hämoglobin-anstieg ohne klinische Symptomatik),

1leukozytäre Antigene [akute febrile nichthämolytische Transfusionsre-aktion, z. B. durch Antikörper gegen humane Leukozytenantigene (HLA) des Empfängers; transfusionsas-soziierte akute Lungeninsuffizienz ( TRALI), durch Antikörper gegen hu-mane Neutrophilenantigene (HNA) oder HLA-Antikörper des Spenders],

1thrombozytenspezifische Antigene (HPA; fehlender Anstieg der Throm-bozytenzahl ohne klinische Sympto-matik; passive alloimmune Thrombo-zytopenie),

1Plasmaproteine und andere lösliche Inhaltsstoffe des Plasmas (allergische bis anaphylaktische Reaktionen durch Anti-IgA-Antikörper bei konge-nitalem IgA-Mangel des Empfängers; Refraktärität gegen Plasmaderivate durch Hemmkörper gegen Gerin-nungsfaktoren).

FVerzögerte Reaktion und Spätfolge1infolge einer humoralen Immunreak-

tion gegen1erythrozytäre Antigene (verzögerter

hämolytischer Transfusionszwischen-fall; Bildung irregulärer Antikörper mit potentiellen Nachteilen bei späteren Schwangerschaften oder Transfusionen),

1leukozytäre Antigene (Bildung von HLA-Antikörpern mit potentiellen Nachteilen bei späteren Transfusio-nen und Transplantationen),

1thrombozytenspezifische Antigene (Posttransfusionspurpura; Bildung von HPA-Antikörpern mit potentiel-len Nachteilen bei späteren Trans-fusionen),

1Plasmaproteine (Bildung von Anti-körpern/Hemmkörpern mit poten-tiellen Nachteilen bei späterer Gabe von Plasmaderivaten oder Transfusio-nen) oder

1infolge einer zellulären Immunreak-tion (Graft-versus-host-Erkrankung, insbesondere bei immunkompromit-tierten Patienten).

Infobox 1 Beispiele unerwünschter Wirkungen von Bluttransfusionen (Fortsetzung)

Nichtimmunologische UrsachenFAkute Reaktion1aufgrund physikalischer Einwirkung:1Schädigung der transfundierten

Zellen (mechanische oder thermische Hämolyse),

1akute Volumenüberladung,1Embolien (durch Gerinnsel oder

Präzipitate im Blutprodukt, Luft, Fremdmaterial),

1Verdünnungseffekte bei Massivtrans-fusion (Koagulopathie und Thrombo-zytopenie),

1Hypothermie bei Massivtransfusion;

Faufgrund chemischer Einwirkung:1Schädigung der transfundierten

Zellen (chemische oder osmotische Hämolyse),

1hypotone Reaktion bei Patienten unter Angiotensin-converting- enzyme(ACE)-Hemmern,

1Azidose bei Massivtransfusion zu alter Blutkonserven,

1Störung des Sauerstofftransports bei Massivtransfusion zu alter Blutkonserven,

1Hyperkaliämie bei Massivtransfusion zu alter Blutkonserven,

1Zitratreaktion bei Massivtransfusion plasmahaltiger Blutprodukte;

Faufgrund mikrobieller Einwirkung:1Transfusionssepis,1Reaktion auf Übertragung von

Mikrofilarien.

FVerzögerte Reaktion und Spätfolge1aufgrund chemischer Einwirkung:1Transfusionshämosiderose1aufgrund mikrobieller Einwirkung:1Übertragung von viralen Erkran-

kungen: Infektionen mit Hepatitis-viren (HAV, HBV, HCV), humanem Immundefizienzvirus (HIV) sowie West-Nil-Virus, Parvovirus-B19 oder Zytomegalievirus (CMV) bei abwehr-geschwächten Empfängern,

1Übertragung von bakteriellen Erkran-kungen (Lues, Bruzellose),

1Übertragung von parasitären Erkran-kungen (Malaria, Babesiose, Trypano-somiasis cruzi),

1Übertragung von Prionen (neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit)

589Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 7 · 2013  | 

Fim Überstand aus dem Konserven-beutel einen ebenfalls nicht zu beanstandenden Wert von 805 mg/L ( Referenzbereich für Überstand aus EK: <3000 mg/L).

Dadurch konnte eine Hämolyse ausge-schlossen werden. Im prätransfusionellen Patientenplasma lag der IgA-Wert (50 mg/dL) im altersentsprechenden Referenz-bereich. Antikörper gegen IgA konnten im prätransfusionellen Patientenplasma nicht nachgewiesen werden (Partikel-Gel-Immunoassay), sodass kein Anhalt für eine allergische Reaktion gegen IgA bei kongenitalem IgA-Mangel bestand. Im prätransfusionellen Patientenplas-ma konnten durch einen Screening-Test [mit der Methode eines „enzyme-linked-immunosorbent assay“ (ELISA)] kei-ne Antikörper gegen HLA-Antigene der Klasse I gefunden werden. Ebenso ergab sich mittels ELISA kein Anhalt für Anti-körper gegen die thrombozytenspezifi-schen Antigene HPA-1a, -1b, -2a, -2b, -3a, -3b, -4a, -5a, -5b und Glykoprotein(GP)-IV. Somit gab es keinen Hinweis auf eine antikörpervermittelte Ursache der febri-len Reaktion. Gegen eine Unverträglich-keit des EK sprach weiterhin, dass 2 ande-re Teilbeutel der gleichen Konserve 3 Tage zuvor verabreicht und gut vertragen wur-den. Die aerobe und die anaerobe Steri-litätskontrolle der Blutkonserve war nach 7 Tagen Bebrütung unbewachsen, sodass auch eine bakterielle Ursache für einen Transfusionszwischenfall ausschied.

In 2 unmittelbar nach der fraglichen Transfusionsunverträglichkeit beim Pa-tienten aus beiden Schenkeln des Hick-man-Katheters entnommenen Blutkul-turen wurde nach aerober und anaerober Bebrütung Enterobacter cloacae angezüch-tet. Dieser Keim fand sich auch in 2 Blut-kulturen ebenfalls aus beiden Schenkeln des Hickman-Katheters, die 3 Tage zu-vor entnommen worden waren, sowie in einem ebenfalls zu diesem Zeitpunkt ent-nommenen Nasen- und einem Rachenab-strich. Somit besteht kein Anhalt für eine Unverträglichkeit des transfundierten EK, sondern vielmehr für eine zufällig mit der Transfusion zeitlich koinzidierende Sepsis durch Enterobacter cloacae als Ursache für den Fieberanstieg beim Patienten.

Therapie und Verlauf

Die vermeintliche Transfusionsreaktion wurde initial symptomatisch mit FPrednisolon: 25 mg i.v., FDimetinden: 1 mg i.v. und FParacetamol: 150 mg i.v.

behandelt. In der Folge besserte sich der Zustand des Kindes rasch und die Kör-pertemperatur normalisierte sich bis zum nächsten Tag wieder auf 37,0°C. Trotz testgerechter antibiotischer Behandlung mit Meropenem (3-mal täglich 225 mg i.v.) ab Tag 319 nach KMT und Cipro-floxacin (3-mal täglich110 mg i.v.) ab Tag 325 nach KMT wurde Enterobacter cloa-cae in weiteren Blutkulturen nachgewie-

sen, die 2, 4 und 9 Tage nach der ver-meintlichen Transfusionsreaktion ent-nommen wurden. Bei diesem Keim han-delte es sich jedoch nicht um ein 3-fach bzw. 4-fach multiresistentes gramnegati-ves Stäbchenbakterium (MRGN) [13]. In der Folge wurde der Hickman-Katheter am Tag 333 nach KMT explantiert. In wei-teren, 4 Tage nach Entfernung des Hick-man-Katheters entnommenen, Blutkultu-ren war der Keim nicht mehr nachweis-bar, was auf den zentralen Venenkatheter als Infektionsquelle hinweist [14, 17]. Trotz verschiedener Komplikationen im weite-ren Verlauf konnte der Patient schließlich 16 1/2 Monate nach KMT in seine Heimat zur ambulanten Weiterbehandlung zu-rückverlegt werden.

Zusammenfassung · Abstract

Med Klin Intensivmed Notfmed 2013 · 108:588–591 DOI 10.1007/s00063-013-0284-5© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

E. Strobel · H.-U. BenderFieber während einer Bluttransfusion. Ein Fall von Koinzidenz statt Kausalität

ZusammenfassungBei einem 2 Jahre und 5 Monate alten Jungen trat während der Transfusion eines Erythro-zytenkonzentrates Unruhe, Schüttelfrost und ein Temperaturanstieg auf 38,9°C auf. Die Nachuntersuchung der vermeintlichen Trans-fusionsunverträglichkeit ergab keinen Hin-weis auf eine erythrozytäre Inkompatibili-tät, Hämolyse oder eine Immunglobulin-A- Unverträglichkeit. Antikörper gegen huma-ne Leukozytenantigene(HLA)-Klasse-I oder humane Plättchenantigene (HPA) wurden beim Empfänger nicht gefunden. Die Steri-litätskontrolle der Blutkonserve war unbe-wachsen. Vielmehr wurde in den unmittel-bar nach der Transfusion entnommenen Blut-

kulturen des Patienten Enterobacter cloacae angezüchtet, der auch in 3 Tage zuvor ent-nommenen Blutkulturen sowie in Abstrichen von Nase und Rachen zu finden war. Somit handelte es sich bei dem Fieberanstieg wäh-rend der Bluttransfusion nicht um einen kau-salen Zusammenhang, sondern um eine zu-fällige Koinzidenz. Dieser Fall unterstreicht die Empfehlung, bei allen Verdachtsfällen von Transfusionsunverträglichkeiten auch Blut-kulturen des Empfängers zu untersuchen.

SchlüsselwörterBluttransfusion · Transfusionszwischenfall · Fieber · Sepsis · ZVK-assoziierte Infektion

Fever during blood transfusion. A case of coincidence instead of causality

AbstractA boy aged 2 years and 5 months showed agitation, shivering and fever with a temper-ature of 38.9°C during a red blood cell trans-fusion. Examination of the assumed adverse transfusion reaction gave no indications of erythrocyte incompatibility, hemolysis or IgA incompatibility. No antibodies against HLA class I antigens or HPA antigens were found in the recipient’s blood. Sterility test-ing of the blood product showed no growth, but in the blood cultures taken from the pa-tient immediately after the blood transfusion, Enterobacter cloacae was detected which al-

so could be found in blood cultures and nose and throat swabs taken 3 days before. There-fore, the fever during blood transfusion was not a case of causality but of coincidence. This case underlines the recommendation to examine blood cultures from the recipi-ent in all suspected cases of adverse transfu-sion reaction.

KeywordsBlood transfusion · Transfusion reaction · Fever · Sepsis · CVAD-associated infection

|  Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 7 · 2013

Kasuistiken

590

Diskussion

Febrile Reaktionen gehören gemeinsam mit den allergischen Reaktionen zu den häufigsten akuten unerwünschten Wir-kungen der Bluttransfusion [16]. Sie sind durch einen Anstieg der Körpertempe-ratur um mindestens 1°C gekennzeich-net und können u. a. von Schüttelfrost, Unruhe, Tachypnoe, Hautrötung sowie Puls- und Blutdruckveränderungen be-gleitet werden [8, 9]. Wichtige Ursachen febriler Transfusionsreaktionen sind zum einen Antikörper des Empfängers gegen restliche Leukozyten bzw. Thrombozy-ten in den Blutkomponenten, zum ande-ren Zytokine, die während der Lagerung aus Leukozyten und Thrombozyten in den Blutkomponenten freigesetzt werden [4, 6]. Nach Einführung der Pre-stora-ge-Leukozytendepletion der Blutkompo-nenten ging die Häufigkeit febriler nicht-hämolytischer Reaktionen deutlich zu-rück, so z. B. bei Transfusionen von EK von 0,19 auf 0,03% [10]. Ob eine Präme-dikation mit Paracetamol zur Prophylaxe einer febrilen Transfusionsreaktion effek-tiv ist, wird kontrovers diskutiert [7, 11]. Neben diesen Ursachen febriler Transfu-sionsreaktionen können bakterielle Kon-taminationen von Blutkonserven schwere septische Krankheitsbilder verursachen, die i. d. R. ebenfalls mit einem Fieberan-stieg einhergehen [12]. Da die Symptome unerwünschter Transfusionsreaktionen vielgestaltig und oft uncharakteristisch sind [2], gehört zur Ursachenabklärung febriler Transfusionsreaktionen neben dem stets erforderlichen Ausschluss einer Hämolyse nicht nur die Suche nach Anti-körpern des Empfängers gegen HLA und ggf. HPA, sondern auch die Überprüfung der Sterilität des transfundierten Blutpro-dukts. Wie der beschriebene Fall zeigt, muss bei einem Fieberanstieg während einer Bluttransfusion auch eine von der Transfusion unabhängige Ursache, wie z. B. ein zufällig koinzidierender Infekt, in Betracht gezogen werden. Daher soll-ten bei allen unerwünschten Ereignissen/Reaktionen während einer Transfusion auch Blutkulturen vom Patienten unter-sucht werden [2].

Fazit für die Praxis

FNicht jedes während einer Trans-fusion auftretende unerwünschte  Ereignis wird durch die Transfusion verursacht.

FAls Ursache von Fieber während einer Transfusion kommen u. a.  Antikörper des Empfängers gegen Leukozyten oder Thrombozyten, während der  Lagerung freigesetzte Zytokine in der Blutkonserve, eine bakterielle Konta-mination des Blutprodukts oder ein zufällig koinzidierender Infekt des  Patienten in Betracht.

FZur Diagnostik bei Transfusionszwi-schenfällen sollte daher auch die  Untersuchung von Blutkulturen vom Empfänger gehören.

Korrespondenzadresse

PD Dr. Dr. E. StrobelDepartment Mikrobiologie, Medizet, Städtisches Klinikum München GmbHKölner Platz 1, 80804 Münchenerwin.strobel@ klinikum-muenchen.de

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. E. Strobel und H.-U. Bender ge-ben an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

1. Bode SFN, Lehmberg K, Maul-Pavicic A et al (2012) Recent advances in the diagnosis and treatment of hemophagocytic lymphohistiocytosis. Arthritis Res Ther 14:213–225

2. Bundesärztekammer (2010) Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämothera-pie), Deutscher Ärzte-Verlag, Ziff. 4.5 und 4.5.1

3. Caspari G, Gerlich WH (2010) Durch Blut über-tragbare Infektionskrankheiten. In: Kiefel V (Hrsg) Transfusionsmedizin und Immunhämatologie, 4. Aufl. Springer, S 529–574

4. Rie AM de, Plas-van Dalen CM van der, Engelfriet CP, Borne AEGK von dem (1985) The serology of febrile transfusion reactions. Vox Sang 49:126–134

5. Galel SA (2011) Infectious disease screening. In: Roback JD, Grossman BJ, Harris T, Hillyer CD (Hrsg) Technical Manual, 17. Aufl. American Association of Blood Banks, S 239–270

6. Heddle N (1999) Pathophysiology of febrile non-hemolytic transfusion reactions. Curr Opin Hema-tol 6:420–426

7. Kennedy LD, Case LD, Hurd DD et al (2008) A pro-spective, randomized, double-blind controlled trial of acetaminophen and diphenhydramine pretransfusion medication versus placebo for prevention of transfusion reactions. Transfusion 48:2285–2291

8. Kiefel V (2010) Nichtinfektiöse unerwünschte Wirkungen. In: Kiefel V (Hrsg) Transfusionsmedizin und Immunhämatologie, 4. Aufl. Springer, S 511–528

9. Mazzei CA, Popovsky MA, Kopko PM (2011) Nonin-fectious complications of blood transfusion. In: Ro-back JD, Grossman BJ, Harris T, Hillyer CD (Hrsg) Technical Manual, 17. Aufl. American Association of Blood Banks, S 727–762

10. Pruss A, Kalus U, Radtke H et al (2003) Universal leukodepletion of blood components results in a significant reduction of febrile non-hemolytic but not allergic transfusion reactions. Transfus Apher Sci 30:41–46

11. Sanders RP, Maddirala SD, Geiger TL et al (2005) Premedication with acetaminophen or diphenhy-dramine for transfusion with leucoreduced blood products in children. Br J Haematol 130:781–787

12. Sazama K (1994) Bacteria in blood for transfusion. Arch Pathol Lab Med 118:350–365

13. Schröppel K, Riessen R (2013) Multiresistente gramnegative Bakterien. Med Klin Intensivmed Notfallmed 108:107–112

14. Simon A, Beutel K, Hasan C et al (2008) Kittel-taschenversion der Evidenz-basierten Empfeh-lung zur Anwendung dauerhaft implantierter, zen-tralvenöser Zugänge in der Pädiatrie. http://www.kinderkrebsinfo.de/sites/kinderkrebsinfo/con-tent/e1676/e1680/e1792/e57752/CVAD_Empfeh-lung_2008_Kitteltasche_ger.pdf

15. Strobel E (2008) Hemolytic transfusion reactions. Transfus Med Hemother 35:346–353

16. Tinegate H, Regan F (2012) Acute transfusion reactions. In: Bolton-Maggs PHB (Hrsg) The 2011 Annual SHOT report. http://www.shotuk.org/ho-me.htm

17. Wolf HH, Leithäuser M, Maschmeyer G et al (2012) ZVK Infektionen. http://www.dgho-onkopedia.de/de/onkopedia/leitlinien/zvk-infektionen

Weitere Infos auf

springermedizin.de

DossierIntensivmedizinHier finden Sie Beiträge mit inter-disziplinärem Ansatz, die sich dem Patienten in lebensbedrohlichen Zuständen widmen.

7www.springermedizin.de/ains-intensivmedizin

591Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 7 · 2013  |