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Siegfried Schroder· Fit fur den Generationswechsel im Untemehmen

Fit f¼r den Generationswechsel im Unternehmen: Erst die Konzeption, dann die Person

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Page 1: Fit f¼r den Generationswechsel im Unternehmen: Erst die Konzeption, dann die Person

Siegfried Schroder· Fit fur den Generationswechsel

im Untemehmen

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Siegfried Schroder

Fit fur den Generationswechsel

im Unternehmen

Erst die Konzeption, dann die Person

GABLER

Page 3: Fit f¼r den Generationswechsel im Unternehmen: Erst die Konzeption, dann die Person

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Schroder, Siegfried: Fit fiir den Generationswechsel im Untemehmen : erst die Konzeption, dann die Person 1 Siegfried Schroder. - Wiesbaden : Gabler, 1998

ISBN-13: 978-3-409-18962-0

Aile Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden 1998 Lektorat: Sabine Bernatz

Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen der Bertelsmann Fachinformation GmbH.

Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschtitzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzuliissig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfiiltigungen, Ubersetzungen, Mi­kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

http://www.gabler-online.de

HOchste inhaltliche und technische Qualitiit unserer Produkte ist unser Ziel. Bei der Produktion und Verbreitung unserer Bticher wollen wir die Umwelt schonen: Dieses Buch ist auf siiurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die EinschweiBfolie besteht aus Polyiithylen und damit aus organischen Grundstoffen, die weder bei der Herstellung noch bei der Verbrennung Schadstoffe freisetzen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden dtirften.

Umschlaggestaltung: Schrimpf und Partner. Wiesbaden Satz: Alinea GmbH. Mtinchen

ISBN-13: 978-3-409-18962-0 e-ISBN-13: 978-3-322-82759-3 DOl: 10.1007/978-3-322-82759-3

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Vorwort

Der Generationswechsel ist ein natiirlicher Vorgang. Bei Untemehmen verbindet sich damit der Gedanke an den N achfolger und juristische Gestaltungen des Privat -, Gesellschafts- und Steuerrechts. Der Untemehmer geht ja auch, wenn die Zeit der Untemehmensiibergabe an den Nachfolger naht, zum Rechtsanwalt und Wirt­schaftspriifer/Steuerberater, allenfalls sucht er zusatzlich den Rat bei einem iiber viele Jahre gewonnenen Vertrauten. Die groBeren Schwierigkeiten liegen aber heute bei anderen Themen, die auf der Zeitachse weit zuriick liegen. Untemehmer, Gesellschafter, Berater, die das Ubertragen des Untemehmens/der Untemehmen auf den oder die N achfolger "nur" als einen geschlossenen Rechtsvorgang verstehen, handeln in vielen Fallen kontraproduktiv. Schon drei bis vier Jahre vor der Ubergabe der GeschaftsfUhrung an den Nachfolger sollten sich Untemehmer und Gesellschaf­ter vielmehr klar dariiber werden, ob das Untemehmen Chancen hat, auch in der nachsten Generation zu bestehen, und was getan werden muB, urn dies zu ermog­lichen. Miissen die Weichen fUr die nachste Generation vielleicht anders gestellt werden?

Testamente und Gesellschaftsvertrage, die im Zuge des Generationswechsels auf Nachfolger und veranderte Rechtssituationen zugeschnitten werden, werden haufig als Ursache dafUr angesehen, wenn Generationswechsel nicht gelingen. Dies trifft allenfalls fiir vertragliche Regelungen zu, die sich in der Praxis als nicht tragfahig erweisen. Die Ursachen fUr miBlungene Generationswechselliegen aber iiberwie­gend darin, daB sie von nicht mehr zutreffenden Voraussetzungen ausgegangen sind. Neue Wettbewerbsverhaltnisse sind entstanden, mit der Folge, daB bisherige Unter­nehmenskonzeptionen nicht mehr stimmen und die Rentabilitat schwindet. Stich­worte sind: Uberschwemmung des Marktes mit Importwaren aus Niedriglohn­landem, iiberhohte Produktionskosten, Nachfragekonzentrationen im Handel. Per­sonalbestande wurden wegen des Kostendrucks radikal abgebaut, auch kreative Potentiale geopfert, die eigenen innovativen Leistungen blieben zuriick. Stichworte: Innovationen kommen schleppend, Marktpositionen sind strategisch ungiinstiger geworden. Die Betroffenen sollten also erwagen, ob sie die Anstrengungen, den Aufwand und die Risiken des Generationswechsels auf sich nehmen wollen und konnen.

Von dieser Entwicklung sind mittelstandische Untemehmen besonders betroffen. Sie konnen sich nur in Ausnahmefallen, wenn sie groBe Kapitalgesellschaften sind, iiber den Kapitalmarkt finanzieren. "Mittelstandisch" heiBt: Die Untemehmen sind irgendwann im vergangenen oder jetzigen Jahrhundert aus Handwerks- und Klein­gewerbebetrieben entstanden, zum Beispiel Untemehmen der Mobelindustrie aus Tischlereien, Bekleidungsuntemehmen aus kleingewerblichen Nahbetrieben und Schneidereien, Verlage aus ortlichen Druckereien, Fleischwarenfabriken aus Schlachtereien u. a. Uber mehrere Generationen hinweg vergroBerten sich die Familien und Familienstamme. Die nicht im Untemehmen tatigen Familienmitglie-

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6 Vorwort

der entfremdeten sich den Untemehmen, verfolgen eigene Interessen und wollen jetzt, da der Wind den Untemehmen ins Gesicht bUist, "ihren" Kapitalanteillieber ausgezahlt bekommen. Das "Kasse-machen" ist wie ein Virus, der die Familienmit­glieder ansteckt. Aber dort, wo ein Verkaufer ist, ist auch ein Kaufer. Dieser beurteilt die Situation anders: Er sieht positive wirtschaftliche Entwicklungen: wachsende Markte in Osteuropa, rund urn das Mittelmeer, Femost, USA und Siidamerika u. a. Er folgt seinen groBen Kunden als Zulieferer in diese Regionen und Kontinente, geht Allianzen mit anderen ein, urn neue Markte zu erschlieBen, schafft veranderte personelle, organisatorische und finanzielle Einheiten, urn diese Trends zu nutzen.

"Fit flir den Generationswechsel" wendet sich an Untemehmer und Gesellschafter, die nicht yom Verkaufsbazillus befallen sind, an solche, die den skizzierten Trends untemehmerisch folgen wollen. Der Generationswechsel ist zunachst ein betriebs­wirtschaftlich/strategisches Thema, beginnend mit den Fragen" Wird das Untemeh­men in der nachfolgenden Generation bestehen konnen?" und "Stimmt die Konzep­tion des Untemehmens noch?". Das Buch wendet sich ebenso an Geschaftsflihrer und Berater wie Anwalte, Wirtschaftspriifer/Steuerberater, Untemehmensberater. Der zentrale Punkt flir die Untemehmensentwicklung ist: "Erst die Konzeption, dann die Person." Hinzu kommen Managementthemen wie "Untemehmen sucht bestimmten Nachfolgertyp mit Qualifikation". Rentable und iiberschaubare Unter­nehmen werden flir Nachfolger attraktiver. Nachlassende Aktivitaten gealterter Senioren sind Gift flir Untemehmen, sie hem men notwendige Veranderungen.

Das Buch spannt den Bogen weit. Die Untemehmen miissen moglicherweise Schieflagen iiberstehen. Urn zu gesunden, miissen sie schlanker, rentabler, schneller und flexibler werden. Dazu werden Anleitungen gegeben, Hilfen zur Selbsthilfe. Das erfolgreiche Fiihren setzt in der nachsten Generation mehr Kreativitat voraus. Das war immer die Starke mittelstandischer Untemehmer. Damit hatten sie die Nase Yom. Der Unterschied, Spitzenkrafte flir die Nachfolge zu gewinnen, ist flir Fami­lienuntemehmen und Nichtfamilienuntemehmen nicht so groB, wie haufig ange­nommen. Beide konnen voneinander lemen. Familienuntemehmen sollten dort Zopfe abschneiden, wo sie sich in ihren Gesellschaftsvertragen selbst unnotige Hiirden gebaut haben, zum Beispiel mit dem Primat der Verwandtschaft flir die Nachfolgebestimmung. Das Buch zeigt Losungen auf, mit den en aus einem Gegen­satz von Verwandtschaft zu personlicher Leistung ein Sowohl-als-auch, und aus dem Eigentiimeruntemehmer gemeinsam mit dem beauftragten Untemehmer ein Ge­spann werden. Es macht bewuBt, wie sich tragfahige Fiihrungen aus den Strukturen entwickeln lassen. Die Rechtsform des Untemehmens wird mit den strategischen Zielrichtungen verbunden. Dort findet der Leser auch Hinweise zu aktuellen Me­tho den der Finanzierung des Management-Buy-Out (MBO) und Management-Buy­In (MBI). Nach den Vorbereitungen, die yom (noch aktiven) Vorganger eingeieitet und wahrend einer angemessenen Zeit begleitet werden sollten, kann der Generati­onswechsel im Familienuntemehmen dann mit dem Vermogensiibergang abge­schlossen werden. So wird vor der Vermogensiibertragung eine Art Erprobungszeit gewonnen.

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Vorwort 7

Ob das Untemehmen in der nachsten Generation wiederum erfolgreich sein wird, hangt von den richtigen Schritten zum Ftihrungswechsel ab, die in den genannten drei bis vier Jahren zu setzen sind. Auch von der Qualitat der Konzeption, der Kreativitat im Untemehmen, der Qualifikation des Managements, das die N achfolge antritt, von der Leistungsfahigkeit modemisierter Strukturen und Organisationen. Aus den Sachvorgangen entwickeln sich leicht Emotionen, die den Blick fUr Realitaten verstellen. Deshalb sind Beratungs- und Kontrollorgane wichtig. Ein Erfahrungsbericht tiber Beirate erleichtert es, derartige Organe ins Leben zu rufen, und, wenn notig, diese zu reformieren. Vorrangig sind Themen, mit denen die Schritte bis zum Generationswechsel gesetzt werden. Sie werden in den Kapiteln 1 bis 4 behandelt und in Kapitel 5 zusammengefaBt. Gelegentlich sollten oder mtissen Themen der Kapite1 6 bis 9 in die Vorbereitungen einbezogen werden. Sie betreffen mehrheitlich langerfristig angelegte Aufgaben, die unmittelbar nach vollzogenem Ftihrungswechsel geprtift und angegangen werden sollten, siehe Zusammenfassung Kapitel 10.

Bei allen Themen erlautere ich Sachzusammenhange. Damit soll das Verstandnis gefOrdert werden, wenn Leser sich mit den betreffenden Themen bisher weniger befaBt haben. Die zahlreichen Beispiele stammen aus der eigenen mehr als 30jah­rigen Tatigkeit als Untemehmensberater. Ich habe sie so modifiziert, daB Rtick­schliisse aufUntemehmen und Personen nicht gezogen werden konnen. 1m Buchtext zitiere ich gelegentlich andere Buchautoren mit Name(n), Kennziffer in eckiger Klammer [ ], Seite des Zitats. Unter der jeweiligen Kennziffer sind Verfasser, Titel des Buches bzw. der VerOffentlichung, Verlag und Erscheinungsjahr in einem Verzeichnis am SchluB des Buches aufgelistet (Literaturverzeichnis). Ein Dank gilt meiner lieben Frau. Urn das Buch zu erstellen, erlemte sie den PC und schrieb es mit ihm. Sie hat damit wesentlichen Anteil am Gelingen des Buchprojekts. Last but not least danke ich Frau Sabine Bematz als Lektorin des Verlages, die mir mit Rat und Tat stets bereitwillig geholfen hat.

Mtinchen, im Dezember 1997 Dr. Siegfried Schroder

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Inhalt

Vorwort ............................................................................................................... 5

1 Risiken und Chancen fUr das Gelingen des Generationswechsels Iiegen dicht beieinander ............................................................................. 11 Ubersichten zu Kapitel 1 .............................................................................. 33

2 Wird das Unternehmen in der nachfolgenden Generation bestehen? UHfen fUr die Eigendiagnose.. ... ........ ... ........ ....... ... ................. .......... ... ..... 35

Ubersichten zu Kapitel 2 .............................................................................. 55

3 Unternehmerische Kreativitat entwickeln ... ........................................ 59

4 ... auch und erst recht bei der Nachfolgeregelung ................................. 71

4.1 Stimmt die Konzeption des Untemehmens? ................................................ 72 4.2 Erst die Konzeption, dann die Person .................................. '" ... ..... ..... ........ 86 4.3 Gesucht wird bestimmtes Nachfolgerprofil mit Qualifikation .................... 100 4.4 Der Senior stellt die Weichen ....................................................................... 122

Ubersicht zu Kapite14 .................................................................................. 138

5 Die richtigen Schritte zurn Fuhrungswechsel, Checklisten ................... 139

6 Was ist langfristig das Beste fUr das Unternehrnen? ............................. 145 6.1 Rechtsformen als Instrumente der Untemehmensstrategie ......................... 147 6.2 Tragfahige Filhrungen aus den Strukturen entwickeln ................................ 159 6.3 Handelt der Nachfolger als Untemehmer? .................................................. 170

7 Planungen absichern mit Beirat und Beratern ....................................... 175 7.1 Der Beirat: Zusammensetzung und Aufgaben ............................................. 177 7.2 Untemehmensberater vorschalten ................................................................ 187 7.3 Die juristischen und steuerrechtlichen Gestaltungen .................................. 193

8 Testarnentsvollstreckung - mehr Sicherheit fUr das Unternehrnen? ... 197

9 Nachfolgeberatungen von Generation zu Generation ............................ 203

10 Das Unternehmen weiterentwickeln - SchluBwort ................................ 207

Literaturverzeichnis .......................................................................................... 209

Verzeichnis der Ubersichten ., ................................................................... '" ..... 210

Der Autor ............................................................................................................ 211

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1 Risiken und Chancen fur das Gelingen des Generationswechsels liegen dicht beieinander

Generationswechsel gibt es in jeder Institution, in Verbanden, Parteien, Untemeh­men und in staatlichen Funktionsbereichen. Mit ihm werden Vormachtsstellungen und Entscheidungspositionen auf die jtingere Generation tibertragen. Damit verbun­den sind hiiufig veranderte Zielsetzungen und ein struktureller und organisatorischer Wandel. Auch Denk- und Geisteshaltungen konnen sich andem, zumal wenn der Ftihrungswechsel in eine Zeit fiilIt, in der gesellschaftliche, politische und okono­mische Wandlungen im FluB sind. Dieses Buch befaBt sich mit dem Generations­wechsel in Untemehmen der Industrie, des Handels, der Dienstleistungen und anderen Wirtschaftsuntemehmen, die auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind.

Der Buchtitel "Fit fUr den Generationswechsel" bezieht sich auf das Untemehmen, das tibergeben/tibemommen werden solI, auf die Person des Nachfolgers, die Organisation der Nachfolge von der Planung bis zum Stabwechsel und die Planun­gen unmittelbar danach. Diese vier Bereiche sind, wie leicht zu erkennen ist, eng verkntipft. Das Untemehmen stellt eine Reihe von Anforderungen, muB aber auch bestimmte Voraussetzungen erfUlIen. Was nutzt der beste Nachfolger an der Spitze, wenn das Untemehmen so veraltet ist, daB man es nur noch liquidieren kann? Der Nachfolger muB tiber Bef<ihigungen verfUgen, mit denen er in der Lage ist, das Untemehmen zu ftihren und vor alIem, es weiterzuentwickeln.

Einen Schwerpunkt des Buches bilden die mittelstandischen Untemehmen:

• seit Generationen gel ten sie als Rtickgrat und typisches Erscheinungsbild der deutschen Wirtschaft,

• dort mtissen schwierige Veranderungsprozesse durchgestanden und dabei Feh­lentwicklungen vermieden werden,

• bei ihnen stellt sich auch die Frage, we1che Perspektiven sich erOffnen, wenn ihre bisherigen Konzeptionen nicht mehr stimmen und ihre Untemehmen in ihrer heutigen Struktur erheblichen Gefahren ausgesetzt sind.

Die Zahl der mittelstandischen Untemehmen in Deutschland wird auf rund 3 Millionen geschatzt, sie stellen rund zwei Drittel aller Arbeitsplatze und tatigen fast die Halfte der hierzulande getatigten Investitionen (Zahlen des Bundesverbandes mittelstandische Wirtschaft BVMW). Man nennt sie auch "Familienuntemehmen".

Das Buch wendet sich auch an die Ftihrungen von Nichtfamilienuntemehmen. Ftir zahlreiche Vorgange des Stabwechsels ist es gleichgtiltig, ob sie in Familienunter­nehmen oder Nichtfamilienuntemehmen stattfinden. Die Parallelen ebenso wie die Unterschiede sind interessant, fUr beide.

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12 Kapitel 1

Nach Abzug von Kleinstuntemehmen (mit lahresumsatz unter 100 000,- DM) geht das Institut fUr Mittelstandsforschung IfM, Bonn, von ca. 2 Millionen Untemehmen in den alten Bundeslandem Deutschlands aus. Darin sind 1,4 Millionen Familienun­temehmen enthalten ([11] Seite 23). In den typisch mittelstandischen Wirtschafts­bereichen werden die Anteile der Familienuntemehmen unterschiedlich angegeben: beim Einzelhandel mit 90 Prozent, bei Dienstleistungen und Freien Berufen mit 86 Prozent, im produzierenden Gewerbe mit 84 Prozent. Die Zahlen des IfM beruhen auf Angaben des Statistischen Bundesamtes fUr 1994, Umsatzsteuerstatistik sowie auf eigenen Berechnungen. Die zahlreichen Beispiele des Buches beziehen sich auf Untemehmen aller GroBen. Aus dem Schwerpunkt mittel standi scher Untemehmen ergibt es sich, daB bevorzugt tiber mittelgroBe Untemehmen (200 - 1200 Beschaf­tigte) berichtet wird.

In diesem Kapitel werden Begriffe definiert und Denkzusammenhiinge hergestellt, die mit dem Thema verkntipft sind. Das Thema verlangt auch, sich einfUhrend mit seiner spezifischen Problematik zu befassen: den Emotionen. "Dann heirat' doch Dein Btiro" ist nicht nur der Text eines Schlagers. Er gibt die Seele und Stimmungs­lage derjenigen wieder, die beim Generationswechsel Abschied nehmen von dem, was bisher Lebensinhalt war. Rationalitat ist aber dringend geboten, sollte eindeutig Primat haben, vor allem bei der Wahl des Nachfolgers. Darin liegt die Problematik des Themas. Sie wird noch verstarkt, weil die Ftihrungswechsel der nachsten Jahre in eine Zeit gravierender wirtschaftlicher Veranderungen fallen. Ftir lange Zeit wird es wenige Vorbilder und Parallelen fUr diesen einschneidenden Vorgang fUr Unter­nehmen, Vorganger und Nachfolger geben.

Was ist ein Familienunternehmen?

" ... , urn von einem Familienuntemehmen sprechen zu konnen, ist es notig, daB der zur Familie gehorende Personenkreis dem Untemehmen das Geprage gibt. Dazu muB die Familie in der Regel die Mehrheit der Stimmen bzw. des stimmberechtigten Kapitals haben. ... So unterschiedlich Familienuntemehmen in der Praxis auch strukturiert sind, ausschlaggebend ist, daB der FamilieneinfluB deutIich wird und so stark ist, daB er letztIich die Zielsetzung des Untemehmens bestimmen kann" (Schtirmann/Korfgen [17] Seite 2).

Mit dem Begriff des Mittelstandsuntemehmens verbindet sich in Deutschland die Vorstellung, daB haftendes Eigentum und personliches Risiko in der Funktion der GeschaftsfUhrung verkntipft sind. Trotz unterschiedlicher Rechtsformen ist dies in der Tat das wesentliche Kriterium. Dazu das IfM: "Das Spektrum an organisatori­schen Gestaltungmoglichkeiten von Familienuntemehmen kommt in der Verschie­denheit der vorgefundenen Rechtsformen zum Ausdruck. Knapp fUnf Prozent der Untemehmen aus dem beobachteten GroBenspektrum firmieren als Einzelfirma oder offene Handelsgesellschaft, 16 Prozent als Kommanditgesellschaft, zusatzlich 49 Prozent in der spezifischen Rechtsform der GmbH & Co. KG, 24 Prozent werden als GmbH und noch einmal gut fUnf Prozent als Aktiengesellschaft betrieben ...

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Risiken und Chancen liegen dicht beieinander 13 ---------------------------Familienuntemehmen sind also an ihrer Rechtsform alleine nicht mehr zu erkennen" Institut flir Mittelstandsforschung IfM ([11] Seite 9). Das Institut geht davon aus, daB der Anteil von Kapitalgesellschaften nahezu 80 Prozent betragt. Nach juristi­scher Definition trifft das nicht zu, weil die GmbH & Co. KG eine Kommanditge­sellschaft "ist und bleibt" und damit den Personengesellschaften zuzurechnen ist (siehe dazu Riedel [16] Seite 72 u. a.). Richtig ist aber, daB Familienuntemehmen allein an den von ihnen verwendeten Rechtsformen nicht erkannt werden konnen. Die Rechtsform ist kein Kriterium, die Familiengesellschaft als solche zu identifi­zieren. Man muB schon tiefer hineinschauen in die Untemehmen, urn festzustellen, ob "der FamilieneinfluB ... so stark ist, daB er letztlich die Zielsetzung des Untemehmens bestimmen kann" (Schlirmann/Korfgen [17] Seite 3).

Also schauen wir tiefer hinein: In vielen mittelstandischen Untemehmen sind seit langem Bestrebungen im Gange, mit der Wahl der Rechtsform Risiken einzuschran­ken, zum Beispiel den Umfang der personlichen Haftung des Untemehmers, und Handlungsspielraume auszuweiten, zum Beispiel bei der Besetzung der Geschafts­flihrung mit Fremdgeschaftsflihrem, "beauftragten Untemehmem". Dies hat die Zahl der variierenden Gesellschaftsformen, denen Familienuntemehmen angeho­ren, nicht vergroBert, aber zueinander anders gewichtet, zum Beispiel sind die Anteile der GmbH & Co. KG sowie der GmbH erheblich gestiegen. Ich verdeutliche die rechtlichen Merkmale flir Personen- und Kapitalgesellschaften in Ubersicht 1 am Ende dieses Kapitels. Familiengesellschaften gibt es in beiden Gruppen, es gibt Familien-Personengesellschaften und Familien-Kapitalgesellschaften. Typische Rechtsmerkmale flir Familienpersonengesellschaften sind:

• die Geschaftsflihrer haften unbegrenzt,

• keine Trennung von Geschaftsflihrung und Gesellschafterstellung,

• die Ubertragung der Gesellschafterstellung auf Erben,

• die Ubertragung der Geschaftsflihrung auf Erben,

• untemehmensindividuelle Regularien, in denen zum Beispiel geregelt sind: die Flihrungsnachfolge nach Verwandtschaftsgraden, ein VerauBerungsverbot der Gesellschaftsanteile, ein Entnahmestop, Beschrankungen der Belastung des Un­temehmens,

• die Existenz eines Familienrates.

Bei den Familienkapitalgesellschaften ist in jedem Einzelfall zu prlifen und abzu­wagen, ob der EinfluB auf das Untemehmen durch eine Famillie oder mehrere Familienstamme wirklich dominierend ist. Zu den Indizien, die flir oder gegen den dominierenden FamilieneinfluB sprechen, zahlt auch der Anteil am Stammkapital. Aber selbst dieser, so gewichtig er ist, dennoch kann er eingeschrankt sein. So kann die Familie bzw. konnen die Familienstamme wesentliche Rechte auf ein Organ wie

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14 Kapitel 1

Beirat, Verwaltungsrat oder Aufsichtsrat delegieren, der sich aus neutralen Person­lichkeiten zusammensetzt. Man muB die EinfluBfaktoren kombinieren und daraus ein Restimee bilden .

... und ein Nichtfamilienunternehmen?

Zu den Nichtfamilienunternehmen zahle ich kommunale und staatliche Unterneh­men, die bevorzugt in der Rechtsform der Gesellschaft mit beschrankter Haftung (GmbH) und der Aktiengesellschaft (AG) geflihrt werden, zum Beispiel die stadti­schen Versorgungsunternehmen. Ferner gehoren dazu die borsennotierten AGs ohne beherrschenden FamilieneinfluB, zum Beipsiel anonyme Konzernunternehmen wie die groBen Stromversorger RWE, YEW u. a. sowie Konzernunternehmen und deren Tochter, ebenfalls ohne dominierenden EinfluB von Familien, oft mit ihren wei ten Verzweigungen, zum Beispiel Hausgeratehersteller BSHG-GmbH, Tochterunter­nehmen von Bosch und Siemens. Haufig (oder meistens?) sind die Muttergesell­schaften aus Familienunternehmen hervorgegangen, auch die Tochtergesellschaf­ten, als sie erworben wurden. Spatestens beim Ubergang wurden sie Kapitalgesell­schaften, GmbHs und AGs, die von Geschaftsflihrern und Vorstanden geflihrt und von Aufsichtsraten tiberwacht werden. Die Gesellschafter haften flir die Verbind­lichkeiten der Gesellschaft nicht personlich, ihr Risiko, das sie mit der Beteiligung an einer GmbH oder AG eingehen, ist demnach im Vergleich zu einer Beteiligung an einer offenen Handelsgesellschaft begrenzt. Sie sind vom Wechsel ihrer Gesell­schafter unabhangig (siehe Ubersicht 1 am SchluB von Kapitel 1).

Die GmbH ist eine Rechts- und Organisationsform flir kleine und mittlere Unter­nehmen, die auf den Offentlichen Kapitalmarkt nicht angewiesen sind. Ihr Vorzug liegt in der beweglichen Vertragsgestaltung. Demgegentiber ist die AG in der Lage, tiber den offentlichen Kapitalmarkt groBe Kapitalien aus dem breiten Publikum zu sammeln. Sie unterliegt strengen Kontroll- und Publizitatsvorschriften. Je nach den allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen liegt die Dynamik mehr bei den Familiengesellschaften oder bei den Nichtfamiliengesellschaften. In Zeiten fltissi­ger Kapitalmarkte profitieren AGs. Bei schwachen Kapitalmarkten und in Aufbau­jahren sind Familiengesellschaften vergleichsweise im Vorteil. Dann kommt, wie wir gleich feststellen konnen, die personlich starkere Motivation des Unternehmers mehr zum Zuge.

Bei Einzelunternehmen sowie den Personengesellschaften oHG und KG werden zwei Funktionen von ein und derselben Person wahrgenommen, namlich die des Eigenttimerunternehmers bzw. des Gesellschafters als Kapitaleigner und des Ge­schaftsflihrers. Beides ist zwingend in dieser Person verbunden. Bei den Kapitalge­sellschaften GmbH und AG sind flir diese zwei Funktionen auch zwei Personen (oder mehrere) vorgesehen, namlich die des GmbH-Gesellschafters sowie des Geschaftsflihrers und des Aktionars sowie des Vorstandes. Der Grund liegt im EigentumlEigentumsanteilen am Unternehmen. Der Eigentiimer will dartiber selbst entscheiden und an Entscheidungen zur Entwicklung und weiteren Gestaltung des

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Risiken und Chancen liegen dicht beieinander 15 ---------------------------Eigentums mitwirken und aus diesen Grunden die Geschaftsftihrung wahmehmen. Familienuntemehmen haben sich nun haufig das Korsett angelegt, stets, auch bei Kapitalgesellschften, die zwei Funktionen, Kapital und GeschaftsfUhrung, in eine Hand zu legen. Der Unterschied von Familien- und Nichtfamilienuntemehmen ist also nicht so groB, wie gelegentlich dargestellt, fUhrt aber wegen des Eigentums zu unterschiedlichen Beurteilungen und Handhabungen, zum Beispiel beim Genera­tionswechsel.

Pioniertypen und zeitgemiijJe Konzeption sind Optimum

Der Mittelstand hat in der deutschen Wirtschaftsgeschichte tiefreichende Wurzeln. Zum Mittelstand des 19. lahrhunderts gehorten Handwerker, Einzelhandler, Bau­em, Gewerbetreibende. Spater wurden in den Begriff Freiberufler, Beamte und Angestellte einbezogen. Es war die Gesellschaft der Mitte, politisch, wirtschaftlich, kulturell. Vieles daran mag als tiberholt gelten, fUr uns ist wesentlich, daB der Begriff der mittelstandischen Wirtschaft bis in die Gegenwart das Eigentum am Untemeh­men mit seiner Leitung und den dazugehorigen Risiken verbindet. Mit dem Begriff Eigentum werden die Produktionsanlagen, das Umlaufvermogen, aber auch die Produkte, der Vertrieb, die Organisationen und Instrumentarien erfaBt, die fUr Effizienz und Rentabilitat des Untemehmens ausschlaggebend sind. Mittelstandisch sind somit Handwerksbetriebe mit wenigen Mitarbeitem eben so wie groBe Unter­nehmen, wie Miele mit ca. 10 000 Mitarbeitem, Stihl mit ca. 6000 Mitarbeitem weltweit. Sie sind dann besonders erfolgreich, wenn sie in Marktnischen operieren, in denen sie die Nummer Eins oder Zwei sind, und wenn sie bei den Produkten und Technologien Spitzenleistungen bring en und einen Mitarbeiterstamm haben, der tiber hohe Qualifikationen verftigt.

Nun ist mit der Zahl der Erbgange meistens auch die Zahl der Familienmitglieder gewachsen. Damit sind in diesen Untemehmen neue Interessenlagen entstanden, auf der einen Seite stehen Interessen nach dem Erhalt von EinfluB und Einwirkung auf die Geschaftspolitik, auf der anderen Seite reduzierte sich das Interesse auf materielle Vorteile, wie die regelmaBige und moglichst hohe Dividende, - verstand­lich, wenn die innere Bindung an das Untemehmen wegen derverwandtschaftlichen Verzweigung abnimmt. "Wesentlich kommt es jedoch darauf an, daB Vorkehrungen getroffen worden sind, die sicherstellen, daB zumindest die Mehrheit der stimmbe­rechtigten Anteile im Eigentum der Familie verbleibt und ggf. die Familie minde­stens durch eines ihrer Mitglieder EinfluB auf die Untemehmensleitung austibt." (Hahn, Untemehmensphilosophie und Ftihrungsorganisation in Familienuntemeh­mungen, in: Zeitschrift fUr Organisation (ZFO), 4/1985 Seite 12). Kurt Pentzlin, vorztiglicher Kenner der Materie, erganzt dazu: "Wenn im folgenden von Famili­enuntemehmen die Rede sein wird, so wird in erster Linie an solche Untemehmen gedacht, deren Kapital ganz oder doch zu einem entscheidend groBen Teile sich (noch) im Familienbesitz befindet und in den en ein (oder mehrere) Vertreter der besitzenden Familie das Untemehmen leitet (oder aktiv in der Firmenleitung mitar­beitet)." (Kurt Pentzlin [15] Seite 8). Er begrundet die Einbeziehung eines Vertreters

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16 Kapitel 1

der Familie in die Untemehmensleitung an anderer Stelle: "Der Hauptgrund fUr die Uberlegenheit des Familienuntemehmens besteht in der noch vorhandenen Verbin­dung von Eigentum und Leitung, in der trotz kluger Delegation doch noch weiter bestehenden Ein-Mann-Kontrolle und in der Tatsache, daB der selbstandige Unter­nehmer nicht fUr unbekannte Aktionare, sondem fUr einen ihm nahestehenden Personenkreis arbeitet. Seine Motivation ist anders und starker." (Kurt Pentzlin [15] Seite 177.)

Aus meiner mehr als 30jahrigen Beratertatigkeit stelle ich erganzend fest: Das Familienuntemehmen kann gegentiber der Nichtfamiliengesellschaft, vor allem dem anonymen GroBuntemehmen, gravierende Vorteile haben. Nicht wegen der Verkntipfung der Untemehmerfamilie mit dem Untemehmen, sondem wegen der ausgepragten Selbstmotivation des Untemehmers. Diese sehe ich neben dem bereits erwahnten Engagement im operativen Geschaft vor all em bei der Entwicklung und Umsetzung seiner geschaftspolitischen Konzeption. Zum frtiheren Zeitpunkt hatte ich auch die personellen Potentiale genannt. Diese stehen allerdings seit den letzten zehn bis 15 Jahren nicht mehr im gewtinschten Umfang zur Verftigung. Die Per­sonalreduzierungen dieser Jahre haben die Ressourcen ausgedtinnt. Untemehmer­personlichkeiten und gleichgesinnte Mitarbeiter sind in der Lage, Projekte mit vielen Ideen, Visionen und Tatendrang zu entwickeln, die das Herz und den Puls­schlag der Wirtschaft bedeuten. Diese entscheiden tiber die Rentabilitat und die Zukunftschancen der Untemehmen. Das klingt idealistisch. Aber Ausstrahlung und Impulse erlebter Untemehmerpersonlichkeiten veranlassen mich, dies so zu be­schreiben.

Der personlich haftende U ntemehmer erkennt zum Beispiel, daB der Kundendienst­ingenieur X ein ausgezeichneter BastIer und TUftier ist. Er veranlaBt, daB sein raumliches Arbeitsgebiet so verkleinert wird, daB der Kundendienstingenieur kUnf­tig haufiger an Entwicklungsprojekten mitwirken kann. In anderen Fallen sind es AuBendienstmitarbeiter, die Uber natUrliche Veranlagungen zu Produktentwicklun­gen verfUgen und die er mit dem Entwicklungsleiter "zusammenspannt". So entste­hen nicht nur in ihrer Leistung verbesserte Einzelprodukte, sondem Sortimente. An anderer Stelle fUhrt der Untemehmer den Beratungsingenieur, der zur VerkaufsfOr­derung im AuBendienst tatig ist, zusammen mit dem Leiter der Arbeitsvorbereitung. Daraus entstehen Arbeitsprogramme fUr die Fertigungsplanung und Produktivitats­verbesserung zur Senkung von Fertigungskosten und, wenn es im Interesse des Marketings ist, reduzierte Verkaufspreise. Wiederum in anderen Fallen werden Beratungsingenieure des Vertriebs mit dem Entwicklungschef in Teams integriert, urn die Konstruktionen zu vereinfachen und zu verbilligen. Dies sind Beispiele aus der Praxis, mit denen sich mittelstandische Untemehmen mit eigenen flexiblen Methoden gegenUber groBen anonymen Gesellschaften behaupten. Die Situationen werden von Untemehmem erkannt und sie nutzen die nattirlichen Veranlagungen und Neigungen der Mitarbeiter. Sie verstehen es, diese so zu motivieren, daB sie Freude an ihrer Arbeit haben. Hier liegt der Ansatz fUr beauftragte Untemehmer, die ihnen anvertrauten Untemehmen flexibel so zu fUhren, daB sie neben Markterfolgen

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Risiken und Chancen liegen dicht beieinander 17

auch wirtschaftliche Erfolge erzielen. Mit ihrer eigenen Motivation sollen sie auch Mitarbeiter erkennen und motivieren, die ihnen dabei gem helfen.

Selbstmotivation des Untemehmers in Verbindung von Konzeption und Flihrung sind die Starken der Familienuntemehmen. Sie konnen aber wegen zahlreicher Entwicklungen, vor allem gesellschaftspolitischer und okonomischer Art, gleich­zeitig zu den groBten Schwachen werden. Untemehmer mit geringen konzeptiven Fahigkeiten, diejenigen, die nicht teamfahig sind und mit qualifizierten Flihrungs­kraften nicht harmonisch zusammenarbeiten, haben schon jetzt geringe Erfolg­schancen und werden es in der Zukunft noch weniger haben. Dann bleiben auch die Gewinne aus, und damit das dringend benotigte Geld fi.ir neue Technologien und Absatzmarkte.

Das mittelstandische Untemehmen sollte nicht zu klein sein und nicht zu groB werden. Es gibt einen GroBenbereich, den man, sehr branchenindividuell, als optimal ansehen kann. Was flir den Maschinenbauer "klein" ist, kann flir den Mobelhersteller "groB" sein, gemessen an Belegschaft und Umsatz. Den Kleinen fehlen die personellen und finanziellen Ressourcen haufiger, sie nehmen an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung weniger teil, das GroBe wird blirokratisch, so daB die Vorteile des Familienuntemehmens eingeschrankt werden. (Pentzlin: Das personliche Wort wird nach und nach durch das Formular ersetzt.) Die Selbst­motivation des Unternehmers kommt immer dann zum Zuge bzw. wird sichtbQ/~ wenn wichtige Fakten wie Produktvorteile, Kapital, Strategien, Strukturen, Effizienz der Organisation, der Fertigungstechnik und hohe Produktivitat genutzt werden, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Vergleiche zeigen, daj3 das vom Eigentiimer­unternehmer geleitete Unternehmen im Regelfall im Vorteil ist gegeniiber Unter­nehmen , die von beaujtragten Unternehmern , also Fremdmanagern , gejiihrt sind.

Nach Pentzlin waren "nur solche Untemehmen liber Generationen erfolgreich, die das Gllick hatten oder durch kluge Nachfolgepolitik dafi.ir gesorgt hatten, in jeder Generation einen Pionieruntemehmer an der Spitze der Firma gehabt zu haben. Ob es sich dabei jeweils urn ein Mitglied der Familie oder aber auch einmal urn eine von au Ben hereingeholte Flihrungskraft handelte, ist dabei von untergeordneter Bedeutung" (Kurt Pentzlin [IS] Seite 54). In den letzten beiden lahrzehnten hat die Qualitat untemehmerischer Konzeptionen eine wichtige, tragende Rolle libemom­men. Pioniertypen und zeitgemaBe Konzeptionen erganzen sich zum Optimum. Das war schon bei den wohl altesten industriellen Untemehmen der Fall. Henry Ford setzte bei seinen Lieferanten in mehreren lahren zunachst die PaBgenauigkeit der Bauteile seines Autos durch. So konnte jeder Kaufer sein Auto selbst reparieren und reparieren lassen, der Zusammenbau wurde vereinfacht. Dies war dann die Grund­lage, die Montage des Autos in kleine und kleinste Teilabschnitte zu zerlegen und es spater am FlieBband in GroBserien zu montieren. Es war das weltberlihmte Modell T, das damit zu einem so glinstigen Preis verkauft werden konnte, daB es fi.ir jedermann erschwinglich wurde. Alfred Sloan, damaliger Chef von General Motors (GM), libertrug dieses System auf die flinf Autofabriken des GM-Konzems, fertigte dort fi.inf Autotypen fi.ir alle Einkommensschichten, vom niedrigpreisigen Chevrolet

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18 Kapitell

bis zum Cadillac. Sloan und seine Fuhrungskrafte uberwachten die Profitcenter aus einer kleinen Zentrale, wir wurden heute sagen, mit Planungs- und Kontrollrech­nungen, die weit in das Marketing hineinreichten, Finanzen und Finanzierungen blieben in zentraler Hand. Sloans Innovationen gelten als revolutionar im Marketing und Management der Autoindustrie (Womack/Jones/Roos [18] Seite 54 ff.).

Nicht was Unternehmen tun, sondern wie sie es tun, ist erfolgsentscheidend

Die Konzeption fur Produkte, Strukturen und Organisationsformen sollte den groBen langfristigen Trends entsprechen. Sie muB nicht bis ins Detail ausgearbeitet, aber doch genugend konkretisiert, eine langfristige Richtschnur des Handelns fUr den Untemehmer sein. Die einzelnen Etappen der Konzeption wollen gut gemanagt werden. 1st das nicht der Fall, konnen auch zielgerechte Konzeptionen zu Flops werden. Selbst heute noch gibt es Untemehmen, die konzeptionslos arbeiten, sogar mit unzeitgemaB niedrigen Fertigungsleistungen. Fur die Zeitspanne des Generati­onswechsels ist es wichtig, daB die Konzeption im Trend der wirtschaftlichen Entwicklung liegt und notwendige Veranderungen mit Erfolg bewaltigt werden. Das sind Voraussetzungen fUr die Rentabilitat und damit fUr die erfolgversprechende Uberleitung auf die nachste Generation. Dazu fUr unterschiedliche Untemehmenssi­tuationen einige Beispiele.

Beispiel]: Ein in Deutschland ansassiges Untemehmen der Kautschuk- und Gum­miverarbeitung stellt technische Spezialartikel her und ist damit auf zahlreichen Geschaftsfeldem BranchenfUhrer geworden. In zwei weiteren Sparten fungiert es als Zulieferer. Eines der technischen Artikel wurde zum wichtigsten Standbein entwickelt, mit starkem Marketing und effizienter Produktion. Aus den dort erzielten Gewinnen wurden Investitionen finanziert, die die Produktivitatsdefizite der beiden anderen Geschaftsfelder ausglichen. Mehr noch: Eine leistungsstarke europaische Vertriebsorganisation sowie zwei Produktionsstatten in europaischen Landem mit niedrigen Fertigungskosten verschaffen dem Untemehmen eine Sonderstellung unter den europaischen Wettbewerbem. Nachteilig wirkten sich gravierende Fehler an Maschinen und Anlagen aus, die ein Mitglied eines anderen Gesellschafterstam­mes zu vertreten hat. Das Wegbrechen eines wichtigen Marktsegmentes war die Folge. Die untemehmerische Kreativitat war es, die das Untemehmen erfolgreich machte. In dieser Entwicklung liegt viel Planung und Systematik, vermutlich mehr, als dies beim Pionieruntemehmer der Fall gewesen ware. Der Generationswechsel, der vor der Tur steht, gestaltet sich schwierig: Arger zwischen zwei Familienstam­men, der den Blick fUr Realitaten versperrt. Zuviel Nachsicht hat sich nicht ausge­zahlt.

Beispiel 2: Bei einem Hersteller von Serienmaschinen wurden nach dem Tod des Seniors zwei beauftragte Untemehmer eingesetzt, nach der intemen Bezeichnung "GeschaftsfUhrer". Aus den Reihen der Gesellschafter stand ein Nachfolger nicht zur Verfugung. Wegen der stark gestiegenen Kosten der eigenen Produktion soBte

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Risiken und Chancen liegen dicht beieinander 19 ---------------------------eine Gruppe von Maschinen aus einem Randgebiet der Europaischen Union (EU) importiert werden, nachdem die Leistungen zuvor auf die Anforderungen des deutschen Marktes und der ExportHinder ausgerichtet waren. Die Vereinbarungen zwischen den Kooperationspartnem gaben AniaB zu der Erwartung, daB nach und nach ein Drittel der eigenen Produktion durch Importe ersetzt werden konnte. Bei der Abwicklung der Auftrage traten Schwierigkeiten auf. Arger mit Kunden, finan­zielle Verluste, ein Scheitem des gesamten Planes waren die Folge. Das deutsche Maschinenbauuntemehmen wurde bald danach verkauft. Die strukturellen Veran­derungen waren schmalspurig ledig/ich auf den Fremdbezug von Maschinen ausge­richtet, zudem impro)'isiert gemanaget. Mit einer umfassenden Konzeption hatte das Handlemetz an der MarkteinfUhrung der importierten Maschinen interessiert wer­den miissen, deren Funktionssicherheit muBte garantiert, der technische Service erleichtert werden u. a. m. "Hatte!" Der Zeitdruck entschuldigt das MijJmanage­ment nicht.

Beispiel 3: Bei einer Begehung eines 200 Mitarbeiter zahlenden mittelstandischen Untemehmens der Metall- und Kunststoffverarbeitung wies der Untemehmer in seinem EinfUhrungsvortrag darauf hin, daB er das Untemehmen nach dem Prinzip der Delegation von Verantwortung im Rahmen eines bestimmten Fiihrungsmodells leite. Auf dem Rundgang sahen wir drei Produktionsgruppen: Zulieferungsartikel, Fertigerzeugnisse zur Einrichtung von Produktionsbetrieben sowie Kunststoffpro­dukte fUr vielseitige Anwendungen. Bei den Zulieferartikeln fiel die hohe Zahl von Werkem auf, arbeitssparende Werkzeuge, Vorrichtungen und MeBeinrichtungen wurden wenig angewendet, der Rationalisierungsgrad war sichtbar gering. Fertig­erzeugnisse zur Ausriistung von Produktionsbetrieben: Herausgestellt wurde das System der Fertigungssteuerung. Mit Hilfe eines sogenannten Leitstandes sollte sichergestellt werden, daB der jeweils nachste Arbeitsgang stets erst dann begonnen wird, wenn der vorhergehende abgeschlossen ist. Sichtbar war eine extrem hohe Zahl zwischengelagerter Fertigungsteile mit nicht abgeschlossener Bearbeitung. Demzufolge wurden kritische Fragen zum FertigungsfluB gestellt, auch zur Hohe des Umlaufvermogens. Hatte das Untemehmen keine betriebswirtschaftlichen Ma­ximen? - Dann Kunststoffteile: An den modemen Automaten gab es keine automat­ischen Materialzufiihrungen und -abnahmen, so daB keine Mehrmaschinenbedie­nung moglich war. Der Produktionsbetrieb litt offensichtlich an einem Kreativitats­mangel, nur so waren die Leistungsmangel und Unwirtschaftlichkeiten erklarbar, die sich gleichzeitig in Fertigungstechnik, Fertigungsorganisation und Betriebswirt­schaft auswirkten. Auch fehlte eine untemehmerische Konzeption, die ein mit­telstandisches Untemehmen benotigt, urn seine Wettbewerbsfahigkeit auf jedem Geschaftsfeld unter Beweis zu stellen, die Nase yom zu haben. DaB der Untemeh­mer davon iiberzeugt war, das von ihm favorisierte Fiihrungsmodell nehme sein Mitarbeiter "geniigend in die Pflicht" und wiirde sie motivieren, kreativ zu sein, das war mehr als ein Irrtum. Ich konnte dem Untemehmer nur empfehlen, dringend eine qualifizierte Untemehmensberatung zu engagieren, die hilft, versaumte konventio­nelle Rationalisierungen im Eiltempo nachzuholen und seiber dem Unternehmen eine Konzeption zu geben, beim Marketing beginnend, damit es iiberlebt.

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Nicht was Untemehmen tun, also in welcher Branche sie arbeiten, wie groB sie sind u. a., sondem wie sie es tun, ist erfolgsentscheidend. In der untemehmerischen Konzeption werden einzelne Aktivitaten zu einem Ganzen gebiindelt. Darin liegt der Schliissel fUr Erfolg und Nichterfolg. VerfUgen Vorganger und Nachfolger iiber trainiertes strategisches Denken und sind sie es gewohnt, dies einzusetzen, sind Briiche beim Generationswechsel unwahrscheinlich, zumindest stark reduziert. Voraussetzung dazu ist, daB dieses Denken schon mehrere Jahre vor dem Generati­onswechsel bei Alt und Jung "synchronisiert" wird. Das trifft nicht nur fUr langfri­stige Strategien zu, schon Details konnen Schaden entstehen lassen. Nehmen wir den Fall, daB ein Untemehmen mit seinem Namen oder seinen Marken bei seinen Kunden fUr kreative, innovative Produktgestaltung bekannt ist, zum Nutzen des Anwenders oder Verbrauchers. Wenn dann der Nachfolger neue Produkte aus­schlieBlich "als Kostentrager" ansieht, passiv bis ablehnend gegeniiber Produkter­neuerungen ist, kann eine veranderte Geschaftspolitik erkennbar werden.

Die Beispiele zeigen, daB der Generationswechsel schon aus konzeptionellen Griin­den in einem Feld sensibler Entscheidungen liegt. Was aus Riicksichtnahme beim Mitgesellschafter bisher nicht reklamiert wurde, liegt dann auf dem Tisch. Fremd­manager hatten friihzeitiger ausgetauscht werden konnen, aber einer von ihnen war Liebling einer Gruppe von Gesellschaftem. Langfristige Konzeptionen sollten, wenn der Junior schon friihzeitig als Nachfolger ausgemacht war, yom Senior und Junior in Zusammenarbeit erstellt, in gewissen Zeitabstanden aktualisiert und dabei strategisches Denken "synchronisiert" werden.

Der richtige Unternehmertyp zur richtigen Zeit

Die Personlichkeit des Nachfolgers, schon wegen der unterschiedlichen fachlichen Ausrichtung, verstarkt die sensiblen Einfliisse. Nach einem bekannten Scherzwort gibt es drei Typen von Untemehmem: Solche, die bewirken, daB etwas passiert; solche, die zusehen, wenn etwas passiert; solche, die gar nicht merken, daB etwas passiert. Kein Zweifel: Unsere Volkswirtschaft kann yom ersten Typ nicht geniigend Personlichkeiten haben, yom dritten Typ zuviel. Den dritten Typ trifft man aber leider mehr als man allgemein annimmt. Mit zu schnellen Urteilen sollte man aber vorsichtig sein. Jeder Mansch wird von natiirlichen Veranlagungen und Neigungen gepragt, erganzend von Erlebnissen, die sein Denken und Handeln beeinfluBt haben, so auch bei Untemehmerpersonlichkeiten. Und darin liegt der Grund, daB ihre Profile auf bestimmte Untemehmenssituationen zugeschnitten sein konnen: Der Administrator, haufig Jurist, ist pradestiniert fUr breit diversifizierte Untemehmen, bei denen Ordnungskriterien Primat haben. Der Sanierer ist gefragt, wenn Schiefla­gen zu beseitigen sind, danach braucht man ihn haufig nicht mehr. Wenn aber die Kosten davonlaufen, wie in den letzten 20 Jahren die Personalkosten, kann er langfristig erwiinscht sein. Der marktorientierte Manager gehort an die Spitze, wenn das Untemehmen offener, kundenorientierter, kreativer, innovativer, strategisch erfolgreicher gefUhrt werden solI. Aber Achtung: Auch bei ihm kommt der Zeit­punkt, wo des Guten genug getan sein kann. Moglicherweise wurde so viel in Gang

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gesetzt, daB Ruhe einziehen, konsolidiert werden muB, urn chaotische Entwicklun­gen zu vermeiden. Der Finanzier ist erwtinscht, wenn das Untemehmen alte Ge­schaftsfelder verlassen und umstrukturiert werden son, zum Beispiel aus der Pro­duktion heraus in andere Strukturen, die mit Finanzierungen und Finanzanlagen zusammenhangen. Dabei kann es sich durchaus urn Generalisten handeln, aber sie denken und handeln im Schwerpunkt auf den genannten Gebieten. Wer ist beim Generationswechsel der Richtige ftir die positive Entwicklung des Untemehmens? Kommt nicht der richtige Untemehmertyp an die Spitze, kann das nachteilig ftir das Untemehmen sein, ja fatale Folgen haben.

Sogar die Personlichkeit, die nach dem zitierten Scherzwort dem dritten Typ zugerechnet wird, wird zum aktiven Manager, wenn er der richtige Mann oder die richtige Frau ftir die Untemehmenssituation ist. Damit schneide ich eine der wichtigsten Aufgaben des Senioruntemehmers an, die ftir die Situation und Ent­wicklung des Untemehmens "richtige" Personlichkeit als Nachfolger zu finden. Dazu gehort nicht nur Wissen tiber das Untemehmen, sondem auch die Konzeption ftir seine Entwicklung und die Vorstellungskraft tiber die gesuchte Personlichkeit. Ich erinnere mich an dieser Stelle eines Sanierungsfalles, bei dem ein junger Untemehmer als Mehrheitsgesellschafter und Geschaftsfiihrer verantwortlich wur­de, wie es schien, ohne Dynamik und Ftihrungsbefahigung. Ais die Sanierung nach einigen J ahren durchgestanden war und wieder mehr Eigenkapital verftigbar wurde, beteiligte der junge Untemehmer sich bzw. das Untemehmen an anderen Untemeh­men. Geschickt fiigte er eine Gruppe mit Kostenvorteilen und Synergien zusammen. Er befand sich stets in der Rolle des Financiers. N attirlich kann mit einer veranderten Untemehmenssituation nicht jedes Mal die Personlichkeit an der Spitze wechseln. Der Nachfolger sonte das selbstkritische Format haben, zur richtigen Zeit die erganzende Begabung und Veranlagung an seine Seite zu holen. "In li.ickenloser Obereinstimmung ergab die Untersuchung der erfolgreichen Familienuntemehmen, weil sie - etwas vereinfachend dargestellt - deshalb tiber Generationen erfolgreich waren , daB sie ... noch zwei weitere Bedingungen erftillten:

1. Sie hatten in jeder Generation einen ganz bestimmten Untemehmertyp an der Spitze und

2. dieser fiihrende Mann sorgte daftir, daB bestimmte Regeln oder Maximen der Untemehmensfiihrung besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde." (Kurt Pentzlin [15] Seite 26)

Stabwechsel in schwieriger Zeit

Der altemde Untemehmer, der den Generationswechsel vorbereitet, gerat leicht in ein Spannungsfeld zwischen Ratio und Emotion, wenn er feststellt, daB seine bisherigen Strategien und die Strukturen des Untemehmens mit den Markttrends nicht mehr konform verlaufen. In Zeiten, in denen dem Untemehmen der Wind heftig ins Gesicht blast, zum Beispiel die Markte wegen nicht mehr marktgerechter

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Leistungen und Preise wegbrechen, Kapital flir die Erneuerung von Produktpro­grammen fehlt, Investitionen nicht gezielt flir profitable Maschinen getatigt werden kannen, kann der Generationswechsel zusatzliche Gefahren auslOsen. Dann sind Schieflagen angesagt, die Existenz des Unternehmens wird bedroht. Ais der persan­lich haftende Gesellschafter eines J ahrzehnte lang sehr erfolgreichen Untemehmens abtrat, entstand genau diese Situation. Die beiden Sahne hatten bereits die Ge­schaftsftihrung tibemommen. Die Liquiditat war angespannt, weil ein (tiberdimen­sioniertes) Lager flir Halbfertig- und Fertigerzeugnisse errichtet worden war. Genau in diese Zeit fiel der enorme Anstieg von Importen aus Italien und Spanien. Hahere Preise waren auch flir Markenfabrikate nicht mehr durchsetzbar. Es entstand eine dramatische Lage. Der formell bereits vollzogene Generationswechsel wurde "stor­niert" und das Untemehmen verkauft. Fehlplanungen, unzureichende Vorbereitung der Nachfolger, unverstandliche Entscheidungen des frtiheren Seniors gemeinsam mit den Gesellschaftem sind nachtraglich als Grtinde auszumachen.

"Solange ich das Steuer in der Hand habe, wird der Betrieb die turbulenten Zeiten tiberstehen" . So oder ahnlich au Bern sich viele Chefs von Familiengesellschaften, wenn der Generationswechsel vor der Ttir steht. Nachfolger werden auf "Wartepo­sition" gesetzt, zum Beispiel als Geschaftsflihrer flir Teilbereiche. So geht wertvolle Zeit verloren, urn notwendige Veranderungen im Unternehmen umzusetzen. Auf Initiative des Juniors untersuchte ein Unternehmen der Elektroindustrie zum Bei­spiel die Altemativen der Fertigung flir Bauteile und Fertigerzeugnisse in einem mittelosteuropaischen Land. Dies war nach mehreren Verlustjahren dringend ge­worden. Dabei wurde schon bald deutlich, daB am Sitz des Unternehmens in Deutschland nur bestimmte Zentralfunktionen zurtickbleiben wtirden, wie Finan­zen, kleine Teile von Vertrieb und Einkauf. Der Senior lehnte Standortveranderun­gen flir die Produktion ab: "In ein paar Jahren sind die Personalkosten dort so hoch wie he ute bei uns." Er setzte auf eine Automation seiner Produktion am deutschen Standort. Das aber tiberforderte die Finanzen. Der Senior sah sein Lebenswerk gefahrdet, erlag einem Herzinfarkt, noch bevor die Untersuchungen beendet waren. Das Untemehmen verspielt die Zeit, die benatigt wird, urn strukturelle Veranderun­gen rechtzeitig durchzuflihren und so rentabel zu bleiben. Rentabilitat und Kreati­vitat stehen bei Mittelstandlem in direktem Zusammenhang.

Einige der typisch mittelsUindische Branchen sind dem globalen Wettbewerb extrem stark ausgesetzt, so Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie, der Beklei­dungsindustrie, der Mabelindustrie, des Serien-Maschinenbaues. Einem haufig verbreiteten Irrtum zufolge heiBt das aber nicht, daB diese Untemehmen keine oder eingeschrankte Erfolgschancen haben, eben weil sie mittelstandisch, in konventio­nellen Branchen tatig und technologisch nicht tiberlegen sind. Mittelstandler haben selten technologische Alleinstellungen. Es existiert keine Kausalkette: Mittelstan­dische Branche - globaler Wettbewerb - traditionelle Markte und Fertigungstech­niken - keine technologische Alleinstellung - wenig Erfolgschancen - schwache Rendite. Wer so denkt, ist zur Seele mittelstandischer Untemehmen nicht vorge­drungen. Die untemehmerische Kreativitat ist es, auf die die Erfolge der Untemeh­men auch auf gesattigten Markten zurtickzuflihren ist. Hunderte von Beispielen

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bestatigen dies und zeigen aber auch, wie dicht Risiken und Chancen im Entschei­dungsspektrum des Generationswechsels beieinander liegen.

Der Grtindungsuntemehmer eines Bekleidungsbetriebes "entdeckte" die Sportmo­de. Aus der Handschrift seiner Ehefrau entstanden Modekollektionen flir Sport und Freizeit. Eine "Coco Chanell" der Sportmode nannte sie spater Der Spiegel. Die Sohne entwickelten flir das Untemehmen industrielle Strukturen und Organisati­onsformen, ohne die individuelle Note der Kollektionen zu verlassen. Nach dem Generationswechsel nutzten sie ihre gute Ausgangssituation flir ein durchdachtes Marketing. Aus dieser untemehmerischen Kreativitat entstand ein in Europa und den USA flihrender Hersteller von Sportmoden.

In einem anderen Fall, in der gleichen Branche, fehlte der N achfolgegeneration diese Kreativitat. Der Weg flihrte zum Konkursrichter. Seit mehr als 70 lahren stellt das Untemehmen Frottierhandtticher, Badelaken und Bettwasche her. Frottee war bei der Grtindung des Untemehmens ein Luxusartikel, den sich Reiche und teure Hotels leisten konnten. Aus Frottee ein erschwingliches Massenprodukt zu machen, setzte in den letzten beiden lahrzehnten Produktionsstandorte in Niedriglohnlandem voraus. Hohe Importe von dort beherrschen seit Ende der 70er lahre den deutschen Markt, inzwischen zu fast 80 Prozent. Die Offnung des Eisemen Vorhangs gab noch einmal eine Chance, doch flir das Untemehmen zu spat.

Erfolgreiche Familienuntemehmen haben vergleichende Studien tiber Fertigungs­zeiten und -kosten schon in den 70er lahren durchgeflihrt, flir die Standorte in Deutschland und flir Niedriglohnlander, seinerzeit bevorzugt in Femost. Diese waren bereits damals die Entscheidungsgrundlage flir Produktionsverlagerungen in femostliche Betriebe. Der deutsche Stammsitz wurde im Laufe der Zeit reduziert auf die Abteilungen Produktentwicklung, allgemeine Verwaltung, Logistik und Finanzen. Die Entscheidungen fielen im Zusammenhang mit dem Generations­wechsel. So kommt es darauf an, daB zur richtigen Zeit das Richtige getan wird. Nur dann sind mittelstandische Untemehmen langfristig (tiber-)lebensfahig. Wenn nur eine von zig relevanten Entscheidungen fehlt oder zur richtigen Zeit nicht getroffen wird, kann dies schwerwiegende Folgen flir das Untemehmen haben. Chancenlos kann es flir das Untemehmen werden, wenn die Konzeption nicht rechtzeitig weiterentwickelt oder ganz emeuert wird.

lemand, der in fast letzter Minute zahlreiche Fertigungsbetriebe in Deutschland stillegte und Fertigungen in Ost- und Mittelosteuropa aufbaute, ein bedeutender Untemehmer der Bekleidungsindustrie, verband diese strukturellen Veranderungen mit neuen Konzeptionen. Er baute Kooperationen mit den Vorlieferanten zur Pro­duktion umweltvertraglicher und pflegeleichter Stoffe auf. Er koordinierte und straffte den Vertrieb gemeinsam mit Handelsuntemehmen, damit beide, Produzent und Handelshauser, in ihrer Sortimentpolitik zielgruppengerecht, synchron handeln. "Wir werden urn jeden Arbeitsplatz in Deutschland kampfen," so der Untemehmer. Das wird sich flir ihn aber wohl nur bei hochpreisiger Ware auszahlen, etwa flir Kleidungsstticke, wie sie in Dubai, Riyadh oder New York an der Fifth Avenue

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angeboten werden. Immerhin wurden in seinen deutschen Untemehmen anHi.Blich der Verlagerungen ftir SozialpHine mehr als 30 Millionen OM aufgewendet. Wichtig ist, daB giinstigere Kostensituationen ftir neue Konzeptionen genutzt werden, weil darin, erganzend zu niedrigeren Fertigungskosten an neuen Standorten, zusatzliche Chancen ftir die Untemehmen liegen.

Familienunternehmen und Nichtfamilienunternehmen: Wo liegen die Unterschiede beim Generationswechsel?

Die Verkniipfung von haftendem Eigentum, personlichem Risiko und Geschaftsftih­rung tragen also wesentlich zur Sebstmotivation des Untemehmers bei. Daraus entstehen qualifizierte Konzeptionen, die, gut gemanagt, zu gesicherten Erfolgen ftihren. 1m operativen Bereich werden mittelstandische Untemehmen gleichgesetzt mit schnelleren Entscheidungsprozessen, VerlaBlichkeit in der Geschaftsabwick­lung, Flexibilitat bei konjunkturellen Anpassungen, im Gegensatz zu GroBuntemeh­men, die haufig biirokratische Formen annehmen. Auch gilt der Eigentiimerunter­nehmer als standhaft gegeniiber Familieninteressen, - "im Zweifel geht die Firma vor," der Firmenchefkennt viele seiner Mitarbeiter personlich, auch seine wichtigen Kunden und Lieferanten. Dies unterstiitzt und bestarkt die Marktgeltung von Fami­lienuntemehmen.

Dies deutet darauf hin, daB die Motivation des Eigentiimeruntemehmers starker ist als die Motivation des GmbH-Geschaftsftihrers und AG-Vorstandes aus Nichtfami­lienuntemehmen. Mit der Motivation ist auch die Kreativitat angesprochen und mit ihr die Innovationsfahigkeit. Liegen entsprechende Veranlagungen und Neigungen des Untemehmers vor, wie das haufig bei Griindungsuntemehmem der Fall ist, kann von starkerer und haufiger anzutreffenden Kreativitat und Innovationskraft bei Familienuntemehmem ausgegangen werden. Auch Befahigungen, solche Veranla­gungen bei Mitarbeitem zu erkennen, zahlen dazu. Wo liegen weitere Unterschiede und wo bestehen Gemeinsamkeiten beim Ablauf des Generationswechsels?

Beim Mehrheitsgesellschafter, der gleichzeitig Geschaftsftihrer des Familienunter­nehmens ist, werden Befugnisse konzentriert. Es entstehen Machtkonzentrationen. Von der Personlichkeit hangt es dann ab, wie diese mit der Macht umgeht. Der umsichtige, abwagende, gutmiitige Diktator, zudem mit guten Fachkenntnissen, kann sich auf das Untemehmen positiv auswirken. Der Autokrat, der mit anderen Eigenschaften ausgestattet ist, kann dem Untemehmen sehr schaden. Konzentrierte Macht kann auch beim Generationswechsel mit Gefahren verbunden sein, wenn sie nicht im Interesse des Untemehmens eingesetzt wird, zumal wenn der Gesell­schaftsvertrag bestimmt, daB der Nachfolger aus der Familie kommen solI , nach Verwandtschaftsgraden definiert. Aber die Praxis ftihrt das ad absurdum. Auch dem geschaftsftihrenden Mehrheitsgesellschafter wird am Herzen liegen, das Untemeh­men zu erhalten und weiterzuentwickeln. Der Schliissel liegt also in der Fiihrung und in den richtigen Schritten zur Fiihrungsnachfolge. Wunschdenken des Seniors muB eliminiert werden, siehe Ziffer 4.4. Er sollte der altemativen Losung mit dem

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beauftragten Untemehmer oder anderen tragfahigen Losungen den Vorzug geben. Der Unterschied zwischen Familien- und Nichtfamilienuntemehmen beim Genera­tionswechselliegt beim Eigentum. Er wird aber von den Anforderungen verwischt, die yom Markt und untemehmensintemen Situationen bestimmt werden. Die Schrit­te zum Generationswechsel konnen demnach, wie spater dargestellt, ahnlich sein.

In beiden Untemehmenstypen ist es erforderlich, anlaBlich des geplanten Genera­tionswechsels (im Unterschied zum ungeplanten krankheits- und todesbedingten Ausfall des Vorgangers), langfristig konzeptionell vorzudenken. Was soIl aus dem Untemehmen werden, wieviel Kapital soIl zukiinftig eingesetzt werden? SolI aus einem spezialisierten Untemehmen ein Konglomerat mit unterschiedlichen Aktivi­tliten werden oder solI die Entwicklung genau umgekehrt verlaufen? Diese Perspek­tiven werden beim personlich haftenden Untemehmer der Familiengesellschaft vielleicht mehr und ftir langere Zeitraume durchdacht werden, der Nachfolger soIl schlieBlich fUr die ganze nachste Generation berufen werden. Traut man diese Aufgabe einem Familienmitglied nicht zu, wird tiber andere Losungen nachgedacht werden. Dabei spielen Zeitablaufe eine Rolle. Diese Art des Vorausdenkens ge­schieht auch intuitiv, nicht allein in rechnerischen Planungen. Der gesuchte GmbH­GeschaftsfUhrer und der AG-Vorstand erhalten in der Regel einen Ftinfjahresvertrag mit Verlangerungsklausel. Aber die Kapitaleigner haben anlaBlich des Ftihrungs­wechsels moglicherweise vorher schon tiber das Untemehmen und deren Konzep­tion nachgedacht, ebenso wie der personlich haftende Untemehmer. Danach kniip­fen sich nur noch Hoffnungen und Wtinsche an, die berufenen Personlichkeiten mogen ihre Eignung durch Leistung bestatigen.

Nur-Gesellschafter stellen anlaBlich eines Generationswechsels in der Geschafts­fUhrung also ahnliche Grundsatztiberlegungen tiber die Zukunft des Untemehmens an. J a, auch der Erbe des Mehrheitsgesellschafters tiberlegt vielleicht, ob das Kapital in dem betreffenden Untemehmen richtig aufgehoben ist, vielleicht sucht er einen Nachfolger als Mehrheitsgesellschafter. Ein Unterschied zwischen Familien- und Nichtfamiliengesellschaft konnte allenfalls darin bestehen, daB der familienzuge­horige Untemehmer bei seinen Planen weniger schreibt, der beauftragte Untemeh­mer, weil irgendwo haufig eine Muttergesellschaft oder Beteiligungsgesellschaft im Hintergrund mitwirkt, schriftliche Konzeptionen schaffen muB. Die konzeptionell planerischen Vorbereitungen zum Generationswechsel unterscheiden sich also in­haltlich wenig oder immer weniger, manchmal vielleicht gar nicht, alIen faIls formal.

Zweifellos wird die Suche des Nachfolgers in Familienuntemehmen erschwert, wenn ein Gesellschaftsvertrag verbindlich festlegt, daB ein Familienmitglied Nach­folger des Senioruntemehmers wird. Ein BeschluB der Gesellschafter kann das andem, das Einsetzen von Fremdmanagem zulassen. Ein BeschluB kann auch zur Anderung des Gesellschaftsvertrages fUhren.

Wie sieht es bei den weiteren Aktivitaten zum Generationswechsel aus? Bei der Einarbeitung des Nachfolgers konnen wir von der Identitat zwischen beiden Unter­nehmenstypen ausgehen. Die Verantwortlichkeit sol1te in der Regel beim Vorganger

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bzw. Senior liegen. In Familienuntemehmen hat sich eine Praxis herausgebildet, die Einarbeitung (zu) kurz zu gestalten, urn dann speziell bei den Personengesellschaf­ten bald Eigentumstibergange zu vollziehen, im Zuge der Erbvorgange. Dabei werden die Ubemahme der GeschaftsfUhrung und der Erbvorgang, den Anforderun­gen der Rechtsforrn entsprechend, zum Beispiel bei der KG, deckungs- und zeit­gleich vollzogen. Aber die rechtlichen Gestaltungen konnten den Anforderungen der Praxis angepaBt werden. Was immer auch im Einzelfall die Grtinde sein mogen: Ftir das Untemehmen sind angemessene, oft langere Einarbeitungen des Nachfol­gers in Verbindung mit einer durchdachten konzeptionellen Vorbereitung fUr Unter­nehmen und Nachfolger vorteilhafter. Das Untemehmen stellt haufig den groBten Anteil am Verrnogen dar, in jedem Fall einen sehr wichtigen. Wenn seine Ertrags­kraft ungeschmalert bleiben soli, muB man sich auf das Untemehmen konzentrieren, urn eine darauf ausgerichtete Ftihrungsnachfolge zu planen, auch darauf, beim Untemehmen die strategisch und organisatorisch notwendigen Veranderungen zu vollziehen, denen dann zu einem spateren Zeitpunkt die Verrnogenstibertragung folgt. Daraus ergibt sich ftir die Vorbereitung des Generationswechsels folgende vergleichende Ubersicht:

Familienunternehmen Nichtfamilienunternehmen

Konzeption fUr Langfristplanung Konzeption fOr Langfristplanung

Suche des Nachfolgers: Suche des Nachfolgers:

- aus der Familie Fremdmanager

- alternativ Fremdmanager vielieicht mit Anderung der Rechtsform

Umsetzung der konzeptionelien Umsetzung der konzeptionelien Veranderungen Veranderungen

Einarbeitung vom Senior Einarbeitung vom Vorganger

Ubergabe des Unternehmens, --Erbvorgange

Eigentumsiibergang erst nach Einarbeitung vorsehen

Der Zeitbedarf fUr diese Schritte ist untemehmensindividuell sehr unterschiedlich. GroBe des Untemehmens, seine wirtschaftliche Situation, die Qualitat der untemeh­merischen Konzeption, Ziele, Kapital- und Managementressourcen, Engagement der Handelnden u. a. spielen eine wesentliche Rolle. Urn einen Anhalt zu geben,

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habe ich die ZeitabHiufe flir ein mittelgroBes Untemehmen graphisch dargestellt (Ubersicht 2). Sie gehen von drei Pramissen aus:

Fall a) potentieller (Mit-)Eigentlimer verfligt tiber Erfahrung als Topmanager

Fall b) beauftragter Untemehmer mit Erfahrungen als Topmanager

Fall c) potentieller (Mit -)Eigentlimer hat wenig Erfahrung als Topmanager

Ubersicht 2 ist am SchluB dieses Kapitels eingefligt. Sie solI deutlich machen, in welchen Zeitablaufen Nachfolger, Familienmitglieder ebenso wie beauftragte Un­temehmer im Verlauf einer ein- bis zweijahrigen Erprobungszeit in die Leitung der Unternehmen hineinwachsen sollen. Ich gehe davon aus, daB der Nachfolger in der Konzeptionsphase noch nicht zur Verftigung steht und deshalb nicht dabei sein kann. Ais spatere Geschaftsftihrer sollten Nachfolger mindestens ein Jahr (wenn mehr­jahrige Erfahrung als Topmanager besteht), anderenfalls zwei Jahre (wenn wenig Erfahrung als Topmanager vorliegt) mit dem Vorganger in der Untemehmensflih­rung zusammenarbeiten. In den Schaubildern a), b) und c) ist diese Phase mit B bezeichnet. Irgendwann in dieser Zeit B soBte die Geschaftsflihrung auf den Nachfolger tibergehen. Die Zusammenarbeit der beiden darf flir den Nachfolger keine Assistenz oder gar Vorzimmertatigkeit sein, sondem ein echtes Miteinander bei der Untemehmensflihrung. Bis zur Ubertragung der Geschaftsflihrung auf den Nachfolger liegt die Veranwortung selbstverstandlich beim Vorganger. Wird ein Fremdgeschaftsflihrer berufen (Situation b), gehe ich in der Regel von der einjah­rigen Einarbeitung aus, weil er die Erfahrungen mitbringen sollte, wie der ktinftige Eigentlimerunternehmer mit Topmanagementerfahrung. Diese Einarbeitungszeiten dienen gleichzeitig der Erprobung. Es ist dann noch Zeit genug, daB sich Vorganger oder Nachfolger in ihrer Entscheidung revidieren, wei I Erwartungen nicht erftillt werden. Eigentumstibertragungen sollten erst spater stattfinden, frtihestens nach den in Ubersicht 2 eingetragenen Zeitpunkten, das sind im Fall a) nach einem Jahr, im Fall c) nach zwei Jahren. Dazu soIl ten sich Senior und Nachfolger schon deshalb Zeit lassen, weil bei dem geplanten Eigentumstibergang vieles grtindlicher durch­dacht werden konnte, zum Beispiel der NieBbrauch zugunsten des Seniors, urn diesen im Zuge seiner Alterssicherung zu berticksichtigen, die Stimmrechtsvertei­lung, urn damit die Untemehmensentwicklung zu fOrdem u. a. Vordringlich ist es, zu gewahrleisten, daB das Unternehmen mit sicherer Hand weitergeflihrt wird.

Drei Grunde fur das Scheitern des Generationswechsels

Warum sind mit den Ubertragungen von Familienunternehmen auf die nachfolgende Generation so viele Schwierigkeiten verbunden, warum haben sie zahlreichen Pressemitteilungen zufolge eine Minusbilanz? Nur die Halfte aller Untemehmen solI den Sprung in die zweite Generation schaffen, nur ein Drittel in die dritte. Offizielle Statistiken dartiber gibt es nicht. Die Ursachen flir die Minusbilanz dtirften darin liegen, daB Risiken und Chancen flir das Gelingen des Generationswechsels

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28 Kapitel 1

sehr dicht beieinander liegen. Dazu gibt es sachliche Grtinde, die wir uns bewuBt machen wollen und, nicht immer, aber sehr haufig, emotionale Ursachen, die zu Fehlentwicklungen fUhren konnen. Und es gibt femer methodische Fehler der Uberleitung yom Vorganger auf den Nachfolger.

Zu den sachlichen Grunden zahlen Fehler, Irrttimer und Versaumnisse, die schon lange zurtickliegen konnen und noch immer bedrohende Auswirkungen haben, zum Beispiel beim Emeuem von Produkten, unterlassene Entscheidungen tiber kosten­senkende MaBnahmen, wie die rechtzeitige Produktion in Niedriglohnlandem, der Einsatz leistungsfahiger Automaten, das Entschlacken der innerbetrieblichen Orga­nisation u. a. GroBuntemehmen verftigen tiber zusatzliche Moglichkeiten und In­strumente der Kostenreduzierung, zum Beispiel das Erzielen von Synergien. Ebenso im personellen Bereich: Die Untemehmen benotigen in jeder Generation einen bestimmten Untemehmertyp an der Spitze. Irrttimer in der Wahl konnen fUr die Entwicklung des Untemehmens zu fatalen Folgen fUhren. Auch alte Stinden konnen lange Schatten haben. Fehler, Irrttimer und Versaumnisse entstehen aber auch, wenn zu viele Emotionen ins Spiel kommen. Der geschaftsfUhrende Senioruntemehmer und die Gesellschafter verfolgen vielleicht seit langem unterschiedliche konzeptio­nelle Richtungen. Solange der Senior auf bilanzielle Erfolge verweisen konnte, stell ten die Gesellschafter ihre eigenen Vorstellungen zuruck. Bei seinem bevorste­henden Abgang wird Kritik am Senior laut, vielleicht personlich und verletzend. Die Gesellschafter akzeptieren vielleicht den yom Senior favorisierten Nachfolger nicht, das lOst Enttauschungen aus. Auf eine Emotion folgt als Reaktion eine andere. Emotionen bekommen moglicherweise einen so groBen Anteil, daB sie die sachli­chen Uberlegungen verdrangen. Sie verstellen den realistischen Blick, qualifizierte sachliche Uberlegungen werden nicht aufgegriffen. Auf diese Weise bilden sich Gruppen, die Alteren argumentieren gegen die Jtingeren, die GemaBigten gegen die Aggressiven usw. ZusammengefaBt: Es handelt sich urn ein sehr sensibles Feld.

Auch methodisch konnen erhebliche Fehler, Irrttimer oder Versaumnisse begangen werden. Das Institut fUr Mittelstandsforschung hat bei seinen Recherchen zum Thema Nachfolge festgestellt, daB bei Untemehmem, deren Geschaftstibemahme "ein bis zwei Jahre zurtickliegt, ... die hochste Problemwahmehmung insgesamt" vorliegt (ifm-Materialien Nr. 112 [12] Seite 40). "Deutlich tiber dem Durchschnitt rangieren die Bereiche Mitarbeiterftihrung, Produktions- und Verfahrensorganisati­on, Umweltschutzbelange, Produktinnovationen und -entwicklung, Rechnungswe­sen, Werbung u. a. Dieses Ergebnis zeigt typischerweise den nach Uberwindung der Startprobleme anstehenden Zeitbedarf der Feinabstimmung samtlicher betriebli­cher Prozesse auf die konkrete Wettbewerbssituation hin an." Ich mochte etwas weiteres daraus schlieBen, was ich in meiner eigenen Praxis oft beobachten konnte: Viele Nachfolger stellen erst ein bis zwei Jahre nach Ubemahme ihrer Funktion und Verantwortung fest, daB sie noch einen groBen Nachholbedarf beim Basiswissen haben, das zur Ftihrung des Untemehmens unverzichtbar ist. Die Grtinde sind vieif<iltig: Vorganger/Senioren, die nicht studiert haben, neigen dazu, akademisches Wissen des Nachfolgers zu tiberbewerten. Sie fUhren zu wenig "von unten her" ein, berticksichtigen zu wenig, daB die Nachfolger Wissen tiber die Ablaufe an der Basis

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benotigen. Junioren, die tiber wenig Ftihrungserfahrung verftigen, begehen flir sich den gleichen Fehler. Sie unterschatzen die Wichtigkeit der Basisablaufe flir ihre Ftihrungsfunktion. Theoretische Ziel- und Strategietiberlegungen sind aber mit der Leistungsfahigkeit von Strukturen und Organisationsforrnen eng verkntipft. Und diese hangen davon ab, wie befahigt die Mitarbeiter sind.

Einiges bei dem Vergleich von Familienunternehmen und Nichtfamilienunterneh­men im Hinblick auf den Generationswechsel gehort zu den unternehmerischen Binsenweisheiten, oder, wie der Geschaftsflihrer einer Familiengesellschaft scherz­hafterweise sagt, zum "Management by platitude". Aber er fligt gleich hinzu: "Diese Feststellungen sind notwendig, damit sie nicht ignoriert werden. Die Er­kenntnisse mtissen angewendet werden."

Zurtick zur Minusbilanz der Generationswechsel. In diesen drei Fakten liegen die Ursachen: sachliche Fehlentwicklungen der Vergangenheit, das Uberhandnehmen von Emotionen, unzureichende Systematik bei der Uberleitung von Vorganger auf Nachfolger. Schon diese wenigen Hinweise flihren zu dem SchluB, daB es ratsam ist, ftir die wichtigen Themen der Nachfolge, einschlieBlich der abzustimmenden Vorge­hensweise, rechtzeitig einen Beirat zu schaffen und/oder einen Berater hinzuzuzie­hen. Der Beirat ist flir aile Unternehmenssituationen wichtig. Zugegeben, der Erfolg wird wesentlich bestimmt von den mitwirkenden Personlichkeiten sowie von der Befahigung des Unternehmers/Geschaftsflihrers, dieses Organ zweckentsprechend einzuschalten und zu nutzen. Speziell flir den Generationswechsel kann der Beirat sehr hilfreich sein. Siehe dazu Ziffer 7.1. Auch beim Berater ist die Wahl der Personlichkeit wichtig, vielleicht ausschlaggebend daflir, ob er eine wirkliche Hilfe flir die anstehenden Entscheidungen wird. Zu suchen ist eine Personlichkeit, die von allen Gesellschaftern bzw. allen Familienmitgliedern respektiert und akzeptiert wird. Der Berater wird flir sachbezogene und emotionsfreie Diskussion sorgen. Er wird bemtiht sein, den Besprechungsteilnehmern Sicherheit zu verrnitteln, daB ihre Inter­essen mit denen des Unternehmens in angemessener Weise harrnonisiert werden. Und er wird auf eine sachdienliche Handhabung der Uberleitung vom Vorganger auf den Nachfolger hinwirken, bei der beide ihrer Aufgabe und Verantwortung gerecht werden. Selbst die Wahl des Beraters ist nicht leicht. Zusatzlich zu Fairness und Verhandlungsgeschick muB er das wirtschaftliche Geschehen im Unternehmen und die dam it zusammenhangenden Managementaufgaben aus eigener Praxis beurteilen konnen. Fehlt dieser Berater oder ist er nicht die richtige Wahl, sind Fehlentwicklun­gen nicht auszuschlieBen, vielleicht sind ihnen Ttir und Tor geoffnet. Mehr dazu, vor allem zur Wahl des richtigen Beratertyps und zur Suche des Beraters siehe Ziffer 7.2.

Generationswechsel als Chance sehen

Es liegt deshalb nahe, in Familienunternehmen Anstrengungen zu unternehmen, Einfltisse des Generationswechsels, die sich auf die Unternehmen negativ auswir­ken, zu reduzieren. Positive Einfltisse solI ten verstarkt zum Zuge kommen. Auch Nichtfamilienunternehmen konnen Nutzen flir sich ziehen. Dazu einige Beispiele:

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30 Kapitel 1

• Sohn X und Tochter Y sollen laut Testament einen Kapitalanteil am Untemehmen von ... Prozent zu gleichen Teilen erhalten. Der Erblasser (70) geht davon aus, daB beide Kinder das Untemehmen fUhren sollen. 1st das im Interesse des Untemehmens und der Erben richtig? Sollte ein Untemehmen wie ein Klavier vererbt werden, ohne daB der neue (Mit-)Eigenttimer das Klavierspiel beherrscht und vielleicht nicht einmal befahigt ist, es zu lemen, weil er unmusikalisch ist. Vielleicht ist die Zukunft des Untemehmens branchenbedingt ungewiB, oder deshalb, wei I Investitionen und Rationalisierungen seit vielen lahren nicht mehr geHitigt wurden. 1st es sinnvolI, das Untemehmen weiterzufUhren? Vielleicht ist es richtiger, das Untemehmen zu verauBem und das investierte Vermogen umzu­strukturieren. Oder wiirden sich SanierungsmaBnahmen doch lohnen? Eines der Kinder hat andere berufliche Ambitionen und das andere keine Eignung, weil keine betriebswirtschaftliche Ausbildung. Was solI aus dem Untemehmen wer­den? Das sind Fragen, die im Interesse des Untemehmens vor dem Tod des Untemehmers gestellt und beantwortet werden sollten, so rechtzeitig, daB Ver­mogensverluste nicht eintreten und dem Untemehmen sowie den dort tatigen Mitarbeitem Zukunftschancen erhalten bleiben.

• Fiir den Vorganger bestehen in Familienuntemehmen meistens keine Bindungen, bei einer bestimmten Altersgrenze auszuscheiden. Das Untemehmen leidet dar­unter, daB der Senior altersbedingt nicht mehr tatkraftig handelt. Schwachen bei der Wirtschaftlichkeit und Rentabilitat sind die Folge. Die zustandigen Organe wie die Gesellschafterversammiung und/oder Beirat solI ten Regeln fUr das Ein­leiten der Nachfolge aufstelIen, wie sie aus Vertragen mit FremdgeschaftsfUhrem in Nichtfamilienuntemehmen bekannt sind. Sie werden in der Lage sein, den Senior zu iiberzeugen, weil es sich urn einen Akt der Vemunft handelt.

• Personengesellschaften, die fUr die Familiengesellschaft typisch sind sowie die darauf ausgerichteten Gesellschaftsvertrage konnen die in Betracht kommenden Nachfolgen einschranken. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der dort vorgese­hene Sohn oder die Tochter oder andere AngehOrige mit bestimmten Verwandt­schaftsgraden nicht zur Verfiigung stehen. Das Untemehmen sollte von solchen Einschrankungen befreit werden. Grundsatz sollte sein: Qualifikation und Lei­stung rangieren vor dem Verwandtschaftsgrad, gegebenenfalls muB ein Fremd­geschaftsfUhrer die Liicke schlieBen.

• Auf der anderen Seite bieten Familienuntemehmen hervorragende Beispiele fiir kreative Leistungen. Die Untemehmer selbst sind es, die diese Kreativitat ver­mitteln und damit Innovationsprozesse fUr Produkte und Sortimente in Gang setzen. Sie kreieren Konzeptionen, besetzen Marktnischen und machen ihre Untemehmen europaweit und global wettbewerbsfahiger. Sie schaffen mit Krea­tivitat auch rationellere Organisationsformen, Betriebs- und Fertigungsablaufe und holen damit Vorteile von GroBuntemehmen ein, die dort mit groBeren Serien und Synergieerfolgen erzielt werden. Die Leistungen mittelstandischer Unter­nehmer sind so in vielen Arbeitsbereichen die Vorbilder bei der Fiihrung von Nichtfamilienuntemehmen. Gesamtwirtschaftlich gesehen ware es fur Nichtfa-

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Risiken und Chancen liegen dicht beieinander 31

milienuntemehmen von groBem Vorteil, beauftragte Untemehmer so zu fordem und zu trainieren, daB sie in die Lage versetzt werden, kreative und innovative Leistungen zu steigem.

• Der Generationswechsel bei Familienuntemehmen stellt, wenn er konzeptionell und im Ablauf nicht systematisch vorbereitet und durchgefUhrt wird, fUr die Ftihrung dieser Untemehmen eine Schwachstelle dar. Sie kann sich auf die langfristige Untemehmensentwicklung gravierend negativ auswirken. Viele Vor­teile, die das Familienuntemehmen bietet, konnen damit gefahrdet und wirkungs­los werden. Darin liegt gleichzeitig die Aufforderung an die am Generations­wechsel Beteiligten, diese Schwachen zu reduzieren und moglichst ganz zu verrneiden, zum Beispiel mit guten konzeptionellen Planungen und Nachfolge­entscheidungen, mit Anpassungen der Rechtsforrn an die strategischen Zielset­zungen (Ziffer 6.1), Trennung von GeschaftsfUhrung und Kapital.

Der Generationswechsel eroffnet einen neuen Lebensabschnitt des Untemehmens. Ftir die daran mitwirkenden Personen, voran beim SenioruntemehmerNorganger sollte das AnlaB sein, alle Chancen zu nutzen, urn die Leistungskraft des Untemeh­mens zu starken.

Sollen Aufwand und StrejJ des Generationswechsels durchgestanden werden?

Das ist eine wichtige Frage, die sich haufiger in Familienuntemehmen stellen wird. Nun konnten Senior und ein schon bestimmter Junior - ich unterstelle diese Konstellation - baldmoglichen Restrukturierungen tibereinstimmend aus dem Wege gehen wollen, der Senior wegen altersbedingt nachlassender Aktivitat, was mensch­lich verstandlich ware. Der Junior bevorzugt vielleicht die Situation seiner groBe­ren Handlungsfreiheit nach dem Ausscheiden des Seniors in ein paar Jahren. In dieser Zeit kann das Untemehmen in eine strategisch ungtinstigere Situation ge­drangt worden sein. Auf jeden Fall wird eine situationsgerechte Entscheidung herbeigefUhrt werden mtissen, zum Beispiel in einer Gesellschafterversammlung und/oder mit dem Beirat und/oder mit einem kompetenten Untemehmensberater. Die Situation ist in jedem Untemehmen unterschiedlich. Haufig muB rasch gehan­delt werden, in anderen Fallen wird man mit der Umsetzung der konzeptionellen Anderungen warten konnen, bis der potentielle Nachfolger im Hause ist. Der Ubergang auf die nachste Generation, ohne daB zuvor geprtift ist, ob das Unter­nehmen (tiber-)lebensfahig sein wird, macht bei den oft rasanten Marktentwick­lungen wenig Sinn. Dabei sollten sich die Beteiligten den Ablauf der notwendigen MaBnahmen vor Augen halten. Reorganisations- und Modemisierungsprogramme verlaufen nicht ohne StreB, oft sind Schritte zur Kapitalbeschaffung vorzuschal­ten. Vielleicht wird der Nachfolger rasch gefunden, es gibt ja Gliicksfalle. Nor­mal sind aber langere Suchzeiten von bis zu einem Jahr. Urn tiber Altemativen zu verftigen, werden untemehmensinteme Losungen der Nachfolge erarbeitet. Auch dies benotigt Vorbereitungszeit. 1st die Entscheidung tiber den Nachfolger nach

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32 Kapitell

Einschaltung von Gesellschaftem und gegebenenfalls Beirat gefallen, kommt die Zeit des Einarbeitens und auch des Hoffens hinzu, daB die Entscheidung richtig war.

Dies zeigt: Der Senior sowie die zustlindigen Organe des Untemehmens mogen grtindlich abwligen, ob der mit dem Generationswechsel verbundene Aufwand durchgestanden werden solI. Zunlichst geht es urn die Schularbeiten des Seniors, mit denen der N achholbedarf zur Verbesserung der Produktivitlit aufgearbeitet wird. Danach folgt die Konzeption, sie ist weiterzuentwickeln, vielleicht ganz zu emeu­em. Prtifen moge dies vor aHem der Senior, unter dessen Regie der Ftihrungswechsel normalerweise stattfinden wird, siehe Ziffer 4.4. Er muB sich klar dartiber sein, daB vieles fUr ihn nicht delegierbar ist. 1m Mittelpunkt steht fUr ihn, daB er weiB, welche Anforderungen an das Untemehmen, seine Leistungen und seine Produktivitlit, schon jetzt gestellt werden und was von seinem Nachfolger erwartet werden muB, urn das U ntemehmen zu erhalten und weiterzuentwickeln. Auf diese Anforderungen wird in Kapitel 2 unter der Uberschrift: "Wird das Untemehmen in der nachfolgen­den Generation bestehen?" eingegangen. Die Untemehmen werden damit in die Lage versetzt, ihre eigene Struktur und Organisation kritisch zu prtifen und MaBstli­be daran anzulegen. Die Beispiele zeigen, wie konsequent organisatorische Verlin­derungen angefaBt und durchgefUhrt werden mtissen, urn die Untemehmen wirklich schlanker, rentabler, schneller und flexibler zu machen. Nur ein biBchen zu lindem, bringt meistens nur Kosmetik und konnte "als Feigenblatt" angesehen werden. So konnen die Untemehmen feststellen, ob es sich lohnt, notwendige Verlinderungen durchzufUhren oder ob die Weichen anders gestellt werden sollten. Vor jeder DurchfUhrungsmaBnahme sollten die wirklich strategischen Wettbewerbsschwli­chen geprtift werden, urn die richtigen Akzente zu setzen.

Beim Generationswechsel handelt es sich urn ein breit gefachertes betriebswirt­schaftliches Thema, bei dem integriert sind:

• strategische Inhalte, sie sind primlir aus der Sicht der Kapitalgeber und aus der Sicht des Untemehmens auf des sen Zukunftschancen auszurichten,

• Vorglinge der Untemehmens- und Organisationsplanung, sie sind aus den Stra­tegien abzuleiten und auf Wirtschaftlichkeit und Rentabilitlit auszurichten,

• Vorglinge der Managementpraxis wie die Gestaltung der ktinftigen Untemeh­mensfUhrung und Definition des Nachfolgerprofils.

Rechtliche Gestaltungen wie die des Gesellschafts-, Zivil-, Erbrechts- sowie des Steuerrechts sollten sich erst spliter anschlieBen. Selbstverstlindlich sind beide Bereiche, die der Betriebswirtschaft und des Rechts, zu koordinieren. Das wird Aufgabe desjenigen sein, der den Generationswechsel Jahre vor dem Ubergang des Untemehmens zu planen und vorzubereiten hat, meistens der Vorglinger, wenn nicht etwas anderes bestimmt wird, zum Beispiel von den Gesellschaftem.

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Risiken und Chancen liegen dicht beieinander 33

Ubersichten zu Kapitel 1

Rechtliche Merkmale fOr Personen- und Kapltalgesellschaften c: C1)

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Personliche Haftung

• GeschaftsfOhrer haften unbegrenzt )( )( )(

• Kommanditisten, Kommanditaktionare )( )( )(

ohne Haftung • GeschaftsfOhrerNorstande ohne person!. Haftung )( )( )( )(

Geschiiftsfilhrung und Gesellschafterstellung

• ke ine Trennung )( )(

• Trennung fOr Kommanditisten und )( )( )( )(

Kommanditaktionare • Trennung )( )(

Unternehmenskontinuitat

• Obertragung der Gesellschafterstellung )( )( )(

auf Erben gem. Gesellschaftervertrag oder einstimmigem Beschlul3

• Gesellschaftsanteile Obertragbar und vererbbar )( )( )( )(

unabhangig von Willenserklarungen der Gesellschafter

Regularien

• unternehmensindividuell )( )( )(

• zum Teil gesetzl ich )( )( )( x

Testamentsvollstreckung

• kann problemlos angeordnet werden x x

Kapitalbeschaffung

• leichtere Kapitalbeschaffung und x )( x Betei ligung weiterer Gesellschafter

Ubersicht 1

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34 Kapitell

UnternehmensObergabe an Nachfolger - Zeitabliufe

a) Potentieller (Mit-)Eigentiimer hat mehrjahrige Erfahrung als Topmanager

A B c ~ '---E-ig-en-tu-m-s-u-·b-e'-t"-ag-u-n ...... g

b) Potentieller Geschiiftsfilhrer mit Anstellungsvertrag

A c

c) Potentieller (Mit-)Eigentiimer hat wenig Erfahrung als Topmanager

A B c

'=EI-·g-en-tu-m-s-O-be-'-t"-ag-u-n ...... g

A = Erneuerung der Konzeption. Suche des Nachfolgers. Beginn der Umsetzungen = "Schularbeiten des Seniors"

B = Zusammenarbeit Vorganger und Nachfolger. in dieser Zeit geht die GeschaftsfOhrung auf den Nachfolger Ober

C = Nachfolger fOhrt das Unternehmen • = EigentumsObertragung ab diesem Zeitpunkt

Ubersicht 2

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2 Wird das Untemehmen in der nachfolgenden Generation bestehen? Hilfen fur die Eigendiagnose

Was ist zu tun, urn anHiBlich des Generationswechsels bei den Untemehmen nicht nur funktionsfahige Sachwerte zu tibergeben? Diese sind bei Untemehmen fUr aIle Stufen, Produktion, Handel, Dienstleistungen notwendig. In erster Linie mtissen aber die Strukturen und Organisationsformen intakt sein: die Organisation des Vertriebs, marktgerechte Produkte und Preise, effiziente Produktionsanlagen, urn nur einige Fakten zu nennen. Diese sind entscheidend fUr die Leistungskraft des Untemehmens.

Der Vorganger sollte prtifen, ob die bisher verfolgten Strategien, die bestehenden Strukturen und Organisationsformen, vor allem die Produktprogramme nach den zum Teil einschneidenden Marktveranderungen der letzten Jahre den gegenwartigen Anforderungen noch entsprechen. Vielleicht sind wegen der Veranderungen im Umfeld Korrekturen und Anpassungen erforderlich. Dann sollte das rasch gesche­hen, das Warten auf den Nachfolger kann zu lang sein. Der Umfang der Arbeiten und deren Aufwand soIl ten veranschlagt werden, die notwendig sind, urn Schwa­chen und Schieflagen zu beseitigen. So kann beurteilt werden, ob der vorgesehene Generationswechsel auch zu richtigen Entscheidungen tiber die Zukunft des Unter­nehmens fUhrt. Vielleicht ist der Verkauf die bessere Lasung. Vielleicht ist es sinnvoll, das Kapital fUr andere Zwecke und Ziele zu investieren. Vielleicht HiBt sich das jetzige Untemehmen aber auch mit einigen Kunstgriffen neu gestalten. Auf jeden Fall muB eine Vorschau gewagt werden, ob das Untemehmen in der nachsten Generation noch bestehen kann, und wenn ja, was zu tun ist, urn seine Leistungen und Rentabilitat zu verbessem. Auf die richtigen MeBlatten kommt es an, die durch die nachfolgenden Beispiele gegeben werden sollen. Urn es mit Begriffen der Medizin deutlicher zu machen: Das Untemehmen solI beim Generationswechsel o. B., "ohne Befund" sein, keine Organerkrankungen haben, nicht durch verschlepp­te, bisher nicht erkannte Krankheiten gefahrdet sein, also rundum gesund. Ein Schnupfen ist nicht wichtig, eine Lungenentziindung wohl. Das Untemehmen solI so fit sein, daB es kurzzeitige Belastungen ohne Gefahr tibersteht, die auch in der Phase des Generationswechsels eintreten kannen, zum Beispiel bei Kiindigung von Fiihrungskraften.

Dies sind Uberlegungen, die den Gesellschaftem und dem Beirat vorgelegt werden sollten. Zu ihren wichtigsten Aufgaben zahlt es, die langfristige Entwicklung des Untemehmens im Auge zu haben und in bestimmten Situationen Stellung zu nehmen zu den mittel- und langfristigen Strategien und zum untemehmenspoliti­schen Kurs oder dariiber zu entscheiden, je nach dem, was die Satzung dazu sagt. Diese Vorbereitungen des Generationswechsels, bezogen auf die Uberlebenschan­cen des Untemehmens und die dazu maglicherweise notwendigen MaBnahmen, stellen die "Schularbeiten des Untemehmers" dar. Das ist im Fall der GmbH und

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36 Kapitel2

AG als Familien- und Nichtfamiliengesellschaft die Aufgabe der beauftragten Untemehmer.

Die Produktivitiit verbessern

Ftir eine groBe Zahl von Untemehmen bringt das Europa ohne innere Grenzen neue Situationen, zum Beispiel treten Wettbewerber auf, die man bisher nicht kannte. Die Untemehmen werden konfrontiert mit neuen Produkten und Vertriebswegen, fUr kleinere und mittlere Familienuntemehmen oft ein Phanomen. GroBuntemehmen muBten im Zuge der Globalisierung schon lange damit fertig werden. Hinzu kommt, daB viele Mittelstandler schon seit langem unter Druck geraten sind, zuletzt von den immensen Importen aus Niedriglohnlandem. Zuvor versaumten viele, Importwaren in ihre eigene Produkt- und Sortimentpolitik einzubeziehen. Heute reichen die Gewinne und Abschreibungen vielfach nicht aus, urn Investitionen ftir Automati­sierungen zu tatigen, die sie vielleicht von den teuren Personalkosten in Deutschland entlasten wtirden.

In die Uberpriifungen sollten auch Fragen des Produktionsstandortes einbezogen werden. Der Trend zu Produktionsverlagerungen ins Ausland wird lange anhalten, ist langfristig zu sehen. Wie eine Studie des Bundesverbandes Deutscher Untemeh­mensberater BDU ergeben hat, ist in naher Zukunft schon mit einem "dramatischen Anstieg" der Auslandsfertigungen deutscher Untemehmen zu rechnen. Nach einer Befragung von 276 Untemehmen unterhalten bereits 83 Prozent davon eine oder mehrere Produktionsstatten im Ausland. Gefertigt werden dort 36 Prozent des gesamten Produktionsvolumens. Nach Angaben des Verbandes konnen die Unter­nehmen im Ausland urn im Mittel 33 Prozent billiger produzieren als in Deutsch­land. Zu den beliebten Auslandsregionen gehOren die Lander Mittelost- und Ost­europas sowie asiatische Lander. Die Quote der Verlagerungen ware nach BDU­Angabe hoher, wenn nicht Informationsdefizite bestiinden tiber die Vorteile der Verlagerungen, den Investitionsbedarf sowie die Verwertung inlandischer Betriebe. Derweil verstarken die Untemehmen ihr Kostenmanagement in Deutschland. Zu­lieferer berichten, daB groBe Kunden sogar Fertigungsrisiken auf sie zurtickverla­gem, wie Automobilhersteller beim sogenannten Lopezeffekt. Profitiert haben die auslandischen Lieferanten, die wegen ungleich niedrigerer Lohnkosten oft konkur­renzlos anbieten.

Die folgenden Beispiele sollen Hilfen fUr Eigendiagnosen und eigene Umstellungen sein. Sie gelten fUr unterschiedliche Szenarien in den Untemehmen und haben folgende Ziele:

1. die Untemehmen schlanker machen, effizienter und noch produktiver,

2. organisatorische Teilbereiche komplett verandem, urn damit das Untemehmen rentabler zu gestalten (Reengineering),

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Wird das Unternehmen in der nachfolgenden Generation bestehen? 37

3. mit wettbewerbsrahigeren Produkten kundenorientierter arbeiten, schneller am Markt sein, dazu lange Entwicklungszeiten kappen, nach Erfahrungen urn die Halfte zurtickfUhren,

4. die Unternehmen wirksamer analysieren, urn gravierende Verlustquellen zu beseitigen,

5. Managementfehler beseitigen,

6. Arbeitsorganisationen flexibler gestalten.

Die Themen und Beispiele sollen Denk - und Zielrichtungen aufzeigen, diese sind ilbertragbar. Die Beispiele sollten nicht AniaB zum Kopieren sein, sie sind stets unternehmensindividuell anzupassen. Sie sollen dem Vorganger und dem bereits bestimmten Nachfolger helfen, die Untemehmen fit zu machen fUr den Generati­onswechsel.

Die Unternehmen schlanker machen

Die Inhalte der unternehmerischen Konzeption sind Strategien sowie strukturelle und organisatorische Ausrichtungen, die stets in zwei Hauptrichtungen zielen soll­ten:

• das weitere Wachsen des Untemehmens - zum Beispiel aus dem lokalen Wir­kungsbereich (Deutschland) in europaische Dimensionen und dartiber hinaus,

• der wirksame Druck auf die Kosten, urn die Wettbewerbsfahigkeit des Untemeh­mens wiederherzustellen, zu erhalten oder zu verbessern.

Dabei kann der Touch mehr auf der einen oder der anderen Seite liegen je nachdem, was die strategische Situation rats am erscheinen laSt. Die Finanzsituation ist mit­bestimmend.

Die Anwendung hochwertiger Technologien, wie der Einsatz von Automaten, und auch das Verlegen von Fertigungsbetrieben ins Ausland sind mit erheblichen finan­ziellen Vorleistungen verbunden. Ob es darum geht, groBen Kunden ins Ausland zu folgen, urn nicht heimischen Produzenten das Feld zu ilberlassen, oder ob vorrangig niedrigere Personalkosten in Niedriglohnlandern angestrebt werden, - in beiden Fallen wird Kapital benotigt, haufig mehr, als zur Zeit aus Gewinnen aufgebracht werden kann. Der Kapitalbedarf, der in den vor uns liegenden Jahrzehnten zu erwarten ist, zwingt die Untemehmen, an weniger wichtigen Stellen weniger Kapital zu binden, schlanker zu werden. Zu Begriff und Arbeitsmethoden des Leanmanage­ments siehe Bosenberg/Metzen [2]. Prioritaten zum Schlankwerden haben De­vestitionen bei Gemeinkosten und bei Produkten und Geschaftsfeldern, die nicht zum Kerngeschaft der Unternehmen gehOren. Investiert wird in Produkte und

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38 Kapitel2

Markte, automatische Maschinen/Anlagen und effizientere Ablaufe in Produktion und Logistik, die der Starkung des Kemgeschafts dienen.

Seit Jahrzehnten wird in allen Wirtschaftsuntemehmen rationalisiert, in den 60er und 70er J ahren gentigten zur Effizienzsteigerung die Instrumente der Arbeitsplatz­und -ablaufgestaltung (REFA, REFA-Methoden und Anreiz mit Entlohnungssyste­men) sowie die der Organisation, zum Beispiel die verbesserte Fertigungssteuerung. Seit den 80er Jahren reicht dies nicht mehr aus. Urn mit der Produktivitatsentwick­lung Schritt zu halten, wurden andere MaBnahmen notwendig, die sich bis in den Anfang des nachsten Jahrtausends fortsetzen werden, siehe auch Obersicht "Schritt halten mit der Produktivitatsentwicklung - Strategien zur Produktivitatssteigerung in ftinf Jahrzehnten", Obersicht 3 am SchluB von Kapitel 2. Sie bestatigt das Scherzwort, daB das einzig Bestandige im Untemehmen die Veranderung ist bzw. sein wird. Weil viele Untemehmensftihrungen diese Entwicklung nicht erkannt haben, kam es zu Untemehmenskrisen, andere erkennen die Entwicklung, verftigen aber nicht tiber das notwendige Kapital, urn die notwendigen Veranderungen zu vollziehen. Auch diesen Untemehmen steht die Krise bevor. Beide Situationen stellen den Hintergrund dar, vor dem zur Zeit viele Untemehmen zum Verkauf angeboten werden. Aber viele, zum Beispiel Konzeme, trennen sich auch von Untemehmen, die nicht zum Kemgeschaft gehoren, und es werden weitere folgen. Diese Prognose ftir die Jahre 2000 bis 2010 ist eine SchluBfolgerung aus dem weiter anhaltenden Kostendruck und sich verscharfenden Wettbewerb in Markten ohne nation ale Grenzen.

So wird es gemacht

Der UmdenkungsprozeB in Richtung zum schlanken Untemehmen hat begonnen: 1993, nach dem Vereinigungsboom, wurde Deutschland von einer heftigen Rezes­sion befallen, wie andere europaische Lander bereits zuvor. Die Untemehmensftih­rung en drosselten die Produktion, ktirzten Personalbestande, bauten Zwischen- und Fertiglager ab und setzten zusatzlich Kostensenkungsprogramme mit einem Btindel konventioneller Rationalisierungen in Gang. Seinerzeit kletterte die Arbeitslosigkeit in Deutschland auf drei Millionen, die seitdem beharrlich weitersteigt, obwohl seit 1995 eine Entspannung auf den Markten eingetreten ist, die Kapazitaten besser ausgelastet und viele Untemehmen mit oder ohne Preiserhohungen in die Gewinn­zone zuruckgekehrt sind. Bei den Untemehmensftihrungen ist die Einsicht gewach­sen, daj3 es zu teuer ist, wie bisher in Rezessions- und Krisenzeiten die Belegschaften dem reduzierten Geschiiftsumfang durch Entlassungen anzupassen und bei anzie­hender Konjunktur Personal wieder einzustellen. Man denke allein an die Kosten der Sozialplane und Abfindungen, die verlorenes Geld sind. Der sich verstarkende Wettbewerb am gemeinsamen europaischen Markt und die noch we iter zunehmen­den Importe aus Niedriglohnlandem von Femost und Osteuropa schlieBen Preiser­hohungen zur Abwalzung von Kosten aus. Radikal und konsequent stattfindende strukturelle Anderungen und effizientere Organisationen ftihren zu schlankeren Untemehmen, spatestens dann, wenn die Untemehmen in der Krise stecken. Zu den

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Wird das Untemehmen in der nachfolgenden Generation bestehen? 39

Uberlegungen, in welchen Bereichen Veranderungen ins Auge gefaBt werden soll­ten, urn schlanker zu werden, folgende Ansatzpunkte in Stichworten:

• Reduzieren von regionalen Auslieferungsliigem mit dem Ziel, die Umschlagsfre­quenz in den verbleibenden Uigem zu erh6hen, bei Kommissionsliigem auszu­liefem in kurzen Vertragszeiten in Zusammenarbeit mit Zustelldiensten, analog Arzneimitteln.

• Neuorganisation des Vertriebs zu regional partnerschaftlich gefiihrten Vertriebs­gesellschaften mit erfolgsabhangigen Vergiitungen der Vertriebsmanager, dazu eignen sich haufig regionale Verkaufer und Verkaufsleiter.

• Steuerung der Fertigung ohne oder mit stark reduzierten Zwischen- und Versand­lagem, darin eingebaut die just-in-time-Anlieferung bei Einkaufsmaterial.

• simultaneous engineering bei der Produktentwicklung, urn die Leistungen der beteiligten Stellen und Abteilungen wirksamer zu integrieren und die Dauer der Entwicklungsprozesse nachhaltig zu verkiirzen (grobe Faustzahl: zu halbieren) und die Entwicklungskapazitat zu erh6hen (grobe Faustzahl: zu verdoppeln), siehe dazu Graphik Ubersicht 4 am SchluB von Kapitel 2.

• Konzentration auf das Kemgeschaft bei Produkten und Leistungen; das Kemge­schaft, wenn damit nicht Risiken verbunden sind, ausweiten und intensivieren; gleichzeitig abtrennen (verauBem) von Produkten und Markten, die an Randge­bieten liegen und strategisch unbedeutend sind.

• Investition in elektronisch gesteuerte Maschinen, urn hohe Riistzeiten zu elimi­nieren, die Fertigungsqualitat zu verbessem und Nacharbeiten auszuschlieBen, ebenso Investition in Fertigungsautomaten,

• Konzentration der Produktionsstatten, schlieBen/verauBem nicht mehr ben6tigter regionaler Betriebe bzw. Werke, auch Tochteruntemehmen, die unbedeutende Renditen ausweisen und sich als Fasser ohne Boden erweisen.

• Die Stellenplane und personellen Besetzungen sind zu iiberpriifen. Mit besseren Systemen und Organisationsmitteln sollte der Personalbedarf reduziert werden. Fiihrungsebenen abbauen, bevorzugt mittlere Fiihrungsebenen, Kompetenzen nach unten und oben verlagem. Stabe abbauen, stattdessen periodisch Fremdlei­stungen in Anspruch nehmen. Diese Priifungen und Vorgehensweisen jahrlich einmal wiederholen.

Diese strukturellen und organisatorischen Veranderungen sind umfassender zu planen und vorzubereiten, als es bei konventionellen RationalisierungsmaBnahmen der Fall war. Die Fiihrungskrafte miissen mitmachen. Kleine Teams unter Fiihrung professioneller Sanierer sind der effizientere Weg. Als ich diese Gedanken Abtei­lungsleitem und anderen Fiihrungskraften vortrug, ausgerichtet auf die Situation des

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Unternehmens und erganzt mit einer bildhaften Vorstellung, wie das Unternehmen in wenigen Jahren aussehen sollte, schlug mir einhellige Ablehnung entgegen. Die meisten konnten oder wollten nicht realisieren, daB sich das Unternehmen schon in einer wirtschaftlichen und finanziellen Schieflage befand. Der noch in der Einar­beitung steckende Nachfolger setzte sich durch, gerade noch rechtzeitig wurde ein Sanierer geholt. Der Senior (70), der sich noch nicht zuruckgezogen hatte, war bei der engagiert gefiihrten Diskussion zugegen. Ich erlebte, wie schwer es fiir ihn war, gegen seine langjahrigen Mitarbeiter und bewahrten Weggefahrten Stellung zu nehmen. Das war auffallend, weil junge Leute der nachriickenden Generation fehlten. Mit dem Senior war das gesamte Unternehmen personell iiberaltert und organisatorisch erstarrt. In dieser Situation vermiBt man junges Blut. Die Jungen sind aufgeschlossener, denken nicht in eingefahrenen Organisationsgleisen und haben haufig auch die Zivilcourage, dem Patriarchen gegeniiber selbstbewuBt zu argumentieren und Veranderungen provokativ zu fordern, in Art und Ton nicht immer erfolgversprechend. Das Schlankerwerden macht der alteren Generation mehr Schwierigkeiten als der jungen, die Krise der Unternehmen erzwingt die Veranderungen.

Bereits seit Ende der 80er Jahre bauenjapanische und US-amerikanische Unterneh­men ihre Automobilfabriken in Strukturen und Organisationsformen so urn, daB sie weniger Kapital binden, das Gesamtunternehmen damit produktiver und schlanker gestalten. Aus der finanziellen Notsituation heraus sind neue leistungsfahigere Unternehmen entstanden. "Das Unternehmen (Ford) bekam so viel Schlagseite, daB die Manager von der Brucke praktisch in das tosende Meer geschleudert wurden ... Organisatorische Anderungen, die vorher unmoglich erschienen, waren plOtzlich leicht realisierbar," (siehe Womack/Jones/Roos [18] Seite 271). Unter vergleichba­ren Voraussetzungen werden in Deutschland in den Unternehmen MaBnahmen "erzwungen," auch gegeniiber den Gesellschaftern der Unternehmen, die diese haufig unter Murren akzeptieren und die unter anderen Voraussetzungen nicht umzusetzen waren. Wiederholt habe ich Unternehmensfiihrungen wegen dringender kostensenkender Investitionen geraten, ihren Gesellschaftern vorzuschlagen, Ent­nahmen einzuschranken und auf Dividende zu verzichten. Dazu gehort bei den Geschaftsfiihrungen viel Uberzeugungskraft und Autoritat und seitens der Gesell­schafter die Bereitschaft, zum Uberleben des Unternehmens beizutragen. In borsen­notierten Aktiengesellschaften gibt es den Kapitalschnitt. Das "Schlank-machen" der Unternehmen spielt sich nicht nur bei den Strukturen, bei den organisatorischen und technischen Ablaufen ab, was dabei geschehen muB, greift tief in die Fiihrung und Soziologie der Unternehmen ein.

Das Handesblatt berichtet in der Ausgabe yom 10.07.1997 unter der Uberschrift "Konzertierte Aktion zur Sanierung" iiber ein mittelstandisches Unternehmen, das ich als Beispiel auszugsweise zitiere. "Die Belegschaft wurde im vergangenen Jahr im Durchschnitt urn ein Drittel auf ... verringert. 1m Gegenzug erklarten sich die Familiengesellschafter bereit, das fast aufgebrauchte Eigenkapital urn 50 Millionen DM aufzustocken, so daB heute wieder eine Eigenkapitalquote von 30 Prozent ausgewiesen wird." Nach den Ausfiihrungen der Geschaftsfiihrung sind "die 20

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Familiengesellschafter bereit, auf Ergebnisse zu verzichten (Anmerkung: Gemeint sind wohl Dividenden), wenn dadurch die Investitionen selbst finanziert und der Standort erhalten werden kann." Die Arbeitnehmer verzichteten bei einer Arbeits­zeit von 37 Wochenstunden bis auf weiteres auf die Bezahlung von drei Uberstun­den. Das Ergebnis dieser konzertierten Aktion, die die Wettbewerbsfahigkeit sHirken solIe, sei bereits spiirbar.

Methoden zur Verschlankung werden in Deutschland noch zbgerlich, meistens pragmatisch in Teilbereichen, noch wenig in ganzheitlichen Systemen praktiziert. Das ist auch nicht notwendig. 1m Zusammenhang mit dem Generationswechsel aber miissen die an der Vorbereitung und Durchfiihrung Beteiligten sich auf MaBnahmen versHindigen, die das Uberleben des Unternehmens sicherstellen. Dazu gehOrt die Abnahmekur, das Schlankwerden. Es muB ausgeschlossen werden, daB der Umbau des Unternehmens bis nach dem Generationswechsel "vertagt" wird. Begriindun­gen dazu lassen sich vermutlich leicht finden. Aber das ware kein Unternehmerver­halten comme il faut. Der Zug kann dann abgefahren sein.

Unternehmensbereiche komplett veriindern

In vielen Fallen, zum Beispiel im Anlagenbau, ist hbhere Effizienz mit dem Einsatz von Automaten verbunden, so auch in folgendem Beispiel: Der Beirat des Anlagen­bauers, ca. 300 Mitarbeiter, traf sich diesmal mit einmonatigem Abstand. Einziges Thema war die Reduzierung der Mitarbeiterzahl urn 30, davon 20 "Produktive", zehn aus dem Gemeinkostenbereich. Das Thema war bereits vor vier Wochen behandelt worden. Seinerzeit hatte die Geschaftsfiihrung Bedenken gegen die Entlassung von Fertigungsmitarbeitem vorgetragen. "Jetzt zahlen wir Abfindungen und in einem halben bis einem Jahr miissen wir sie mbglicherweise rekrutieren." Der Beirat bestand auf den Entlassungen, auch bei den "Produktiven". Der Anteil der Zeitlohnempfanger erschien zu hoch. Es solI ten mehr Mitarbeiter im Leistungs­lohn arbeiten. Einsparungen soUten vor allem in der Blechbearbeitung erzielt werden. Die Mitarbeiter sollten trainiert werden, genauer und sorgfaltiger zu arbei­ten, damit manueUe AnpaB- und Nacharbeiten eingeschrankt werden. Ein Team war beauftragt, diese Themen zu untersuchen. Die Untersuchungsergebnisse lagenjetzt vor.

Die Geschiiftsfiihrung trug zwei Alternativen vor: Die erste enthielt eine Optimie­rung der Fertigungsablaufe mit Zeitsenkungen von im Mittel urn 20 Prozent, bei den Kleinserien mehr, bei Einzelfertigungen weniger oder nichts, Einsparungen beim Schablonenlager wenig. Bei der Alternative wurden die Fertigungszeiten erheblich gesenkt, nach Erzeugnistypen unterschiedlich zwischen 30 und 60 Pro­zent, Grundlage war der Einsatz eines Blechbearbeitungszentrums. Die traditionell nacheinander folgenden Arbeitsgange des Zuschneidens, AnreiBen, Stanzen, Boh­ren entfielen, ebenso das Schablonenlager, eine Reihe innerbetrieblicher Transporte sowie manuelle AnpaB- und N acharbeiten, letzteres wegen der hbheren Genauigkeit einer CNC-gesteuerten Anlage im Vergleich zu der bisherigen konventioneUen

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Fertigung. Die GeschaftsfUhrung pladierte fUr die zweite Losung und schlug vor, zusatzlich ein CAD-System zu mieten, das Anlagenzeichnungen erstellt sowie Fertigungszeichnungen einschlieBlich Komponenten- und Variantenprogrammie­rungen. Dies sollte an das CNC-Blechbearbeitungszentrum angekoppelt werden. Auch die CNC-Drehbanke sollten integriert werden. Die Investitionssumme fUr das Blechbearbeitungszentrum betrug rund eine Million DM. Nach langen Gesprachen verstandigten sich Beirat und GeschaftsfUhrung auf den zweiten Losungsvorschlag. Dazu war letztlich entscheidend, daB die Techniken der Anlage differenzierte Prozesse kleiner Stiickzahlen in einen kontinuierlichen FlieBprozeB umwandeln. An we1chen Stellen die automatischen Regelkreise der Produktion und Forderwege unterbrochen bleiben, ist der Entscheidung des Einzelfalls vorbehalten. Das CNC­System ermoglichte allein schon die angestrebte Reduzierung von Mitarbeitern im Gemeinkostenbereich.

Das Blechbearbeitungszentrum wurde nach ca. acht Monaten installiert. Die Mit­arbeiter wurden gezielt wahrend der Lieferzeit eingearbeitet. So konnte die Effi­zienzverbesserung schon bald nach Installation verwirklicht werden. Die kalkulier­ten Amortisationszeiten von vier Jahren sind planmaBig eingetreten. Mit dem Blechbearbeitungszentrum ist mehr Sicherheit in die Produktion eingezogen, die vorbestimmten Qualitatsstandards werden eingehalten. Die Kapazitaten der Pro­jektierung und Fertigungsvorbereitung sowie der Produktion wurden wesentlich erweitert. Und das wesentliche fUr den ArbeitsfluB in der Produktion: Die Auto­matisierung hat die Vorstellung der angeblich erstrebenswerten groBen Serie be­endet. Die moderne Datentechnik hat neue Moglichkeiten zu nachhaltigen Produk­tivitatsverbesserungen eroffnet. 1m Gegensatz zu den bisherigen Praktiken der Rationalisierung werden zusammengehorende Prozesse gebiindelt verandert, im vorliegenden Fall zusammenhangende Fertigungs- und Konstruktionsvorgange. Vorausgesetzt ist eine ressortiibergreifend eingesetzte, vernetzte elektronische Da­tenverarbeitung. Diese Veranderungen ermoglichen, Kostenballast mit einem Schla­ge abzuwerfen und "Komplettveranderungen" zu erreichen. Die Vorbereitungszei­ten dazu sind langer als fachlich begrenzte Optimierungen, die Erfolge jedoch sehr viel groBer.

Kompiettveriinderungen auch in Verwaltung und Vertrieb

In einem anderen Unternehmen, Serienmaschinenbau, boten sich zwei Bereiche fUr "radikale" Komplettveranderungen an: Die Integration der Verkaufsabteilung innen mit der Fertigungssteuerung und die Integration der Einkaufsabteilung mit dem Wareneingang. In beiden Bereichen muBten die bisherigen Trennlinien beseitigt werden. Beim Erfassen der Kundenauftrage informiert die EDV, we1che Artikel yom Fertiglager geliefert werden konnen, und we1che aus den laufenden Fertigungslosen. Ziel der Disposition ist es, das Fertiglager klein zu halten und damit die in der Fertigung befindlichen Auftragslose wie ein Lager zu behandeln. Auch die Vorfer­tigungen werden von der EDV fUr die benotigten Zulieferungen "geplant," - zur Nutzungskontrolle der Kapazitaten sowie zur Terminierung. Nach dem Zusammen-

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stellen der Lieferung an die Kunden folgen wie bisher Rechnungsschreibung und Zahlungskontrolle. Auch die Buchhaltung ist in die Vemetzung einbezogen.

1m gleichen Untemehmen werden Kaufteile nur noch in geringerem Urn fang in einem Kaufteilelager eingelagert. Der bevorzugte Weg ist, sie von den Lieferanten an die MontagepHitze ausliefem zu lassen. MaBgebend dazu ist der yom Einkaufer an den bzw. die Lieferanten herausgegebene Lieferplan. Dies setzte voraus, daB die Montagehalle raumlich so gestaltet wurde, daB die Anlieferungsmengen aufgenom­men und die zur Qualitatssicherung notwendigen Kontrollen vor Ort in Montage­nahe durchgefiihrt wurden, altemativ in der Montagehalle an zentraler Stelle. Mit bestimmten Lieferanten ist vereinbart, daB nur diejenigen Bauteile und Komponen­ten berechnet werden, die eingebaut wurden.

In allen Fallen handelt es sich urn Prozesse des Reengineerings. "Reengineering ist nicht das gleiche wie Reorganisation, Abbau von Hierarchieebenen oder Ausdiin­nung der Organisationsstruktur, wenngleich es tatsachlich zu einer flacheren Organi­sation fiihren kann." . .. "Wer einen alten ProzeB mit einer neuen Organisation iiber­lagert, gieBt vergorenen Wein in neue Flaschen" (Hammer/Champy [9] Seite 68).

Nicht nur Fertigungs- und Abwicklungsprozesse werden komplett verandert, urn die Produktivitat der Untemehmen zu erhalten und zu verbessem, auch die Sortimente. Ein Bekleidungsuntemehmen stellte fest, daB seine klassischen Sortimentbereiche Damen-, Herren- und Sportbekleidung seit Jahren stagnierten. Die Aktivitaten der Werbung, VerkaufsfOrderung und Konditionsgestaltung anderten an diesem Seit­wartstrend nichts. So entschloB sich die Untemehmensfiihrung, neben den Traditi­onsmarken neue Marken fiir neue Zielgruppen aufzubauen. Man hatte Sorge, die Traditionsmarken konnten mit den altemden Manschen notleidend werden und eines Tages auch sterben. Die neuen Marken eroberten sich die neuen Zielgruppen, nach wenigen Jahren nahmen sie schon bald die Halfte des Umsatzvolumens ein,­eine Komplettveranderung des Sortiments.

Mit wettbewerbsfiihigen Produkten kundenorientierter arbeiten

Der vielleicht wirksamste Ansatz, die Untemehmen schlanker zu machen, ist das Simultaneous Engineering bei de,. Produktentwicklung. Fiinf Stellen/Abteilun­gen werden dabei integriert, urn ein Pojekt im wahrsten Sinn des Wortes im Gleichschritt "durchzuziehen": Produktentwicklung - MarketingNertrieb - Ferti­gungsplanung/Produktion - Einkauf - Rechnungswesen/Kalkulation. Das funktio­niert nicht ohne Projektleiter, der die Aufgabe hat, Ablaufe und Tatigkeiten zu koordinieren und zu integrieren und dabei "das Sagen hat". Er ist also nicht nur Koordinator. Diese Funktion kann in kleineren und mittleren Untemehmen einem Untemehmensberater iibertragen werden, wenn keine Personalreserve besteht. Der Projektleiter ist "beauftragter Untemehmer auf Zeit", fUr ein bestimmtes Produkt oder Produktprogramm bis zu einem bestimmten Punkt, zum Beispiel bis zur Verkaufsfreigabe. Gewollt sind damit eine nachhaltige Verkiirzung der Entwick-

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lungszeit; in ihrer Qualitat verbesserte Produkte; ein fUr den Verbraucher interes­santes, gtinstiges Preis-Leistungsverhaltnis; Fertigungskosten, die von vomherein mit Markt- und Verkaufspreis harmonisiert sind; ktirzere Anlaufzeiten der Produk­tion. Wer bei der Produktentwicklung die Nase yom hat, wird sie auch im Wettbe­werb yom haben.

In Industrieuntemehmen mittlerer GroBe gibt es normalerweise keine Stelle, von der eine ganzheitliche Produktplanung bearbeitet wird, beginnend beim Verbrau­cheri Anwender tiber Vertrieb, Fertigungsplanung, Produktion, Einkaufsplanung bis hin zur Kalkulation. Produktentwicklungen werden dort vielmehr in nacheinander folgenden Schritten durchgefUhrt, entsprechend den beteiligten Stellenl Abteilungen meistens auf einem auBerordentlich langen Weg, der hiiufig zusatzlich btirokratisiert ist. Das stammt aus vergangenen Zeiten mit weniger Wettbewerb. 1m folgenden wird Simultaneous Engineering an dem Beispiel eines Mobelstticks dargestellt, so wie es in der Praxis abgelaufen ist. Andere Produkte werden nach der gleichen Methode geplant und vorbereitet, dem Produkt entsprechend modifiziert.

Das fragliche Untemehmen, ca. 60 Millionen DM Jahresumsatz, fUhlte sich von Importerzeugnissen emsthaft bedroht. Einbrtiche beim Auftragseingang und bei der Beschaftigung signalisierten eine finanzielle Krise. Die Stelle eines Produktplaners wurde mit einem befahigten, langjahrig im Untemehmen tatigen Mitarbeiter be­setzt. Als Projektleiter wurde ein Untemehmensberater eingesetzt, der gleichzeitig mit bestimmten Eigenarbeiten beauftragt wurde. Beide, Projektleiter und Produkt­planer, wurden dem Untemehmer, personlich haftender Gesellschafter, unmittelbar zugeordnet. In EinfUhrungsbesprechungen zu dem Projekt wurde vereinbart, daB die yom Produktplaner gewtinschten Informationen, Analysen und Recherchen Priori tat in den beteiligten operativen Abteilungen haben, also in Verkauf, Produk­tion usw. Deren Abteilungsleiter waren fUr die Qualitat der angeforderten Unterla­gen personlich verantwortlich. So arbeiteten Projektleiter, Produktplaner und die operativen Abteilungen bei fallweiser Einschaltung des Untemehmers koordiniert und integriert. Der Produktplaner berichtete spater, daB er noch nie so konzentriert und effizient habe arbeiten konnen. Aus der Sacharbeit entwickelte sich ein guter Teamgeist, gefOrdert yom "Wir-GefUhl".

Eigenarbeit leistete der Untemehmensberater bei der Aufstellung der "Spanne". Sie gibt die Kostenstruktur des Absatzweges wieder, tiber den das Produkt vertrieben wird, im Stadium der Produktplanung die Kostenstruktur des in Aussicht genom­menen Absatzweges. Dabei ist zu analysieren, bei we1chen Funktionen Veranderun­gen eintreten werden bzw. sollen. Die Struktur der Spanne ist ein wichtiger MaBstab fUr die spatere Leistungs- und Kostenkontrolle im Vertrieb. Zuvor wird sie aber benotigt, urn durch Rtickrechnung yom Verkaufspreis den Soll-Herstellpreis zu ermitteln. Dieser wird Ziel fUr die Fertigungsplanung. Bei einem aus der Markter­kundung ermittelten Verbraucherpreis von 200,- DM und einer Spanne von 35 % = 70,- DM bedeutet dies im vorliegenden Fall, wei 1 eine Handelsstufe nicht einge­schaltet ist, einen Soll-Herstellpreis von 140,- DM. Das Muster einer Spanne ist aus der Ubersicht 5 am SchluB von Kapitel 2 ersichtlich. Die Soll-Spanne muB sehr

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untemehmensindividuell ermittelt werden, in ihr kommen die mit dem Produkt verbundenen Vertriebsstrategien rechnerisch zum Ausdruck, zum Beispiel Art und Umfang der Werbung und Verkaufsfi:irderung, die Konditionsgestaltung u. a. Mit dem Instrument der Spanne und der Rtickrechnung zum Soll-Herstellpreis werden die Ziele fUr Umsatz und Rentabilitat vorausbestimmt. Darin lag hier auch ein Grund, den Untemehmer wie geschildert in das Projekt einzubinden.

Der Produktplaner hat die Markterkundungen durch Befragungen der Verbrau­cherI Anwender selbst durchgefUhrt. Dabei wurden folgende Fragen beantwortet:

• Wie sollen das Produkt sowie die Varianten beschaffen sein (Anforderungskata­log) ? - Eine Frage, die betont kundenorientiert untersucht wurde.

• Welche Bedarfssituationen liegen bei den potentiellen Kunden in unterschiedli­chen regionalen Verkaufsgebieten vor?

• Zu welchem Preis wird der Kunde bereit sein, zu kaufen, - ohne zusatzliche Bewertung des Firmennamens? Welche Preise haben die wichtigsten Wettbe­werbsprodukte? Auf welchem Absatzweg werden sie vertrieben? Mit welchen Leistungsaltemativen und Preisen HiBt sich die Verkaufssttickzahl erhohen? -Auch diese Fragen waren wiederum sehr kundenorientiert zu erforschen.

• Auf welchem Absatzweg, vorgesehen war der Direktverkauf, HiBt sich das Produkt zusatzlich vertreiben und ggf. mit welcher Kostenstruktur?

• Welche Verkaufsauflagensttickzahl kann auf dem gewollten, gegebenenfalls bei mehreren Absatzwegen erzielt werden?

• Was darf die Produktion in der Herstellung kosten (Soll-Herstellpreis)?

• Lassen sich die Fertigungszeiten und Zulieferungspreise senken, welche Pramis­sen sind dazu notwendig?

Und dies war das Ergebnis

Nach sechs Monaten konnten die wichtigsten Ergebnisse des Projekts wie folgt festgestellt werden:

• Die neue Produktlinie lOste von Anfang an steil anziehende Verkaufssttickzahlen aus. Das war vor allem das Ergebnis der qualifizierten Markterkundung ein­schlieBlich der Preisgestaltung.

• Die Preise waren ausschlieBlich auf die Produktleistungen und deren Nutzen ausgerichtet. Die frtiheren Ambitionen des Untemehmens auf "PreisfUhrer­schaft" und "KostenfUhrerschaft", verbunden mit einer angestrebten Markenbil-

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dung, wurden fallengelassen. Die neue Methode der Preisfindung bot Wettbewer­bern einschlieBlich den Importeuren keinen Schutz, wie friiher, aus aggressiveren Preisen fUr sich Vorteile zu ziehen.

• Unter dem Druck von auBen (Spanne) wurden die FertigungspHine von vornher­ein weitergehender durchdacht, nichts wurde dem Produktionsanlauf tiberlassen. Bei den Kalkulationen war man in dem Unternehmen gewohnt, die veranschlag­ten Kosten aufeinander zu schichten und zu einem theoretischen Preis addieren. Daraus entstand mit Zu- und AbschHigen ein realistisch erscheinender Preis. Das Rtickwartsrechnen hatte einen neuen Denkansatz, namlich den bei der Markter­kundung ermittelten Preis, der auch an Sttickzahlen der Verkaufserwartung gebunden war. Das Subtrahieren der Spannenkosten fixierte einen Soll-HersteIl­preis, der, urn ihn zu erreichen, zwei Ziele vorgab: eine limitierte Fertigungszeit bei einem darauf zugeschnittenen Kostensatz. Es handelte sich ausschlieBlich urn die Montage, so daB nur ein einziger Kostensatz in Betracht kam. Die Fertigungs­techniker waren intensiv bestrebt, diese Vorgaben zu erreichen, sie wurden zu innovativen Losungen der Fertigungstechnik geradezu gezwungen. Siehe dazu graphische Darstellung Ubersicht 6 am SchluB von Kapitel 2.

• Die Bauteile wurden weitgehend von auBen bezogen (europaische Randlander, mittelosteuropaische Lander), die Montagen wurden wahrend der Planungszeit eingerichtet und die Mitarbeiter trainiert. Das reduzierte die Anlaufzeit der Produktion, Qualitatsmangel und Stillstande waren nach Produktionsanlaufkurz­fristig unter Kontrolle. Die Qualitatsstandards waren bald gesichert. Zu einem spateren Zeitpunkt konnte festgestellt werden, daB die Soll-HersteIlpreise zwei Monate nach Produktionsanlauf erreicht wurden.

• Die Zeit von der Konzeption bis zur Serienproduktion war mit fUnf Monaten die Halfte von dem, was nach konventioneller Vorgehensweise anzusetzen war. Diese wesentlich verktirzte Zeit schuf also mehr Kapazitat fUr aIle Produktentwicklun­gen, eine Wirkung des Simultaneous Engineering. Was in dem Unternehmen besonders hervorgehoben wurde: Das Simultaneous Engineering wie es in dem kleinen Unternehmen angewendet wurde, reduzierte den Gegensatz von Theorie und Praxis. Die Praktiker der operativen Abteilungen waren im gesamten Verlauf des Projektes eingebunden. Wie sich die retrograde Kalkulation und simultan durchgefUhrte Produktentwicklungen auswirken, zeigen Ubersichten 4 und 6 am SchluB von Kapitel 2.

Wirksamer analysieren

Auch Unternehmen mit gut, sogar perfekt ausgebautem Rechnungswesen konnen an Leistungsschwachen in Vertrieb, Produktion und an anderen Stellen kranken. Umgekehrt sind Unternehmen mit hohen Leistungsstanden anzutreffen, die tiber ein nur wenig aussagefahiges Rechnungswesen verftigen. Ich mochte hier tiber einen Unternehmer berichten, des sen Gewinne nach eigener Aussage in den letzten Jahren

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niedriger ausfielen und der deshalb Wege suchte, sein Untemehmen besser zu analysieren. Der letzte Bilanzgewinn (vor Steuem) habe ca. zwei Prozent yom Umsatz 100 Millionen DM betragen, zu wenig fur das, was aus den Uberschussen zu bezahlen sei: Finanzierung der Umsatzausweitung, der Kauf modemer Automa­ten. Vertriebsleiter und technischer Leiter ubten gegenseitig Kritik, weil jeder der beiden die Auffassung vertrat, im jeweils anderen Bereich werde mit zu hohen Kosten gearbeitet. Auf Befragen erIauterten sie, daB sich dies bei den Konstruk­tionsarbeiten fUr neue Produkte auBere, die Preisvorstellungen des Vertriebs seien mit den Herstellkosten der Fertigung selten in Einklang zu bringen. Schon bei einzelnen Sonderausftihrungen fUhre dies zu belastenden Gesprachen. Die tumus­maBigen Besprechungen tiber das Betriebsergebnis seien bisher ohne Erkenntnisse geblieben.

Das Untemehmen, ein Maschinenbauer mit zwei Geschaftsfeldem, bot zahlreiche Ansatze fUr Produktivitatsverbesserungen in Vertrieb und Produktion, das wurde im dem Gesprach rasch sichtbar. Aber wer arbeitete zu aufwendig, die Produktion, der Vertrieb, vielleicht beide? Wir einigten uns auf ein Schema, nach dem die Vertriebs­kosten im Rechnungswesen fUr das abgelaufene Jahr zugeordnet werden sollten. In nachfolgenden Besprechungen soil ten anhand der Vertriebsplanungen Standards gebildet werden, die als "MeBlatten" verwendet werden sollten. Ftir den Fertigungs­bereich soil ten die vorliegenden Kostenstellenrechnungen sowie Personal plane Grundlage zu weiteren Untersuchungen werden.

Die vertriebsabhangigen Kosten wurden nach dem Tabellenmuster Obersicht 7 am SchluB von Kapitel 2 zusammengestellt. Die unterschiedlichen Strukturen der Vertriebsspanne reflektieren verschiedenartige Vertriebssysteme. 1m Geschaftsfeld 1 ist eine eigene Vertriebsorganisation tatig, die mit einem Fachhandel zusammen­arbeitet (Spanne 1). Ftir einen abgegrenzten Bereich in Ostdeutschland wird diese Funktion von zwei Zwischenhandlem auf eigene Rechnung wahrgenommen (Span­ne 2), mit selbstandigen Vertriebsgesellschaften, die von ehemaligen angestellten Mitarbeitem mit enger vertraglicher Bindung an das Untemehmen gefuhrt werden. 1m Geschaftsfeld 2 wird eine andere Produktgruppe eines vor kurzem gekauften Untemehmens vertrieben, noch ohne eigenen AuBendienst.

Urn praktikable "MeBlatten" fUr Vertrieb und Produktion zu erstellen, ist primar zu untersuchen, ob die Ziele und Strategien des Untemehmens mit den bestehenden Strukturen und Organisationsformen erzielt werden, oder ob andere, kostengunsti­gere Wege, zu gleichen oder sogar besseren Erfolgen fUhren. Die Diskussion wurde an Hand der erarbeiteten Obersicht gefUhrt und diese wiederum fUhrte zu der Oberlegung, ob die Auslagerung des Vertriebs auf selbstandige Vertriebsgesellschaf­ten (Spanne 2) richtungweisend fur die gesamte Vertriebsorganisation sein konnte. Nach den vorliegenden Erfahrungen wirkte sich das Engagement der beiden Ver­triebsleiter/GeschaftsfUhrer positiv auf die Arbeitsweise der Vertriebsmitarbeiter aus. Kundenorientierung, FleiB und Erfolgsstreben wurden hervorgehoben. Sie hatten die Zahl der Kunden von vomherein gestrafft, also die Umsatze konzentriert. Die Kosten der Vertriebsorganisation, die in "Spanne 1" yom Untemehmen aufzu-

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bringen sind, wurden bei den Vertriebsgesellschaften aus dem eingeraumten Rabatt von zwolf Prozent getragen. Die Organisationsform der beiden Ostgesellschaften war in der praktizierten Art nicht ohne weiteres auf den Westen iibertragbar. Zuvor waren dort Veranderungen erforderlich, wie die Umsatzkonzentration auf eine geringere Zahl von Handlern, das Ubertragen der Verkaufsforderung auf die AuBen­dienstmitarbeiter u. a. Am Ende der Diskussion standen Einsparungen bei den Spannenkosten im kommenden Jahr urn zwei Prozentpunkte fest, im nachstfolgen­den urn insgesamt vier Pozentpunkte.

Die Fertigung wurde untersucht nach den vorliegenden Kostenstellenrechnungen und den Stellenplanen. Die installierten Maschinen und Anlagen sowie die jeweilige Entlohnungsart (Leistungslohn fiir Arbeiten am Produkt, Zeitlohn fiir Gemeinko­stenarbeiten) lieBen bei Inaugenscheinnahme der Arbeitsplatze Riickschliisse auf die personelle Besetzung (SolI und 1st) zu. Als innerhalb der Montagen das FlieBband behandelt wurde, stieB das untersuchende Team auf einen hohen Zeit­lohnanteil der Mitarbeiter fiir Nacharbeiten, im wesentlichen zur Beseitung von Quali@smangeln und erganzend durchgefiihrte Sonderausstattungen. Weitergehen­de Recherchen ergaben, daB mit dem FlieBband, das erst vor rund einem Jahr installiert wurde, die Montagezeiten im Vergleich zu den friiheren Gruppenmonta­gen reduziert und der AusstoB erhOht werden sollten. In Wirklichkeit hatten sich die Montagezeiten erhOht. Die Fertigungsorganisation funktionierte nicht: Einzubau­ende Teile und Komponenten wurden nicht rechtzeitig an das Montageband gelie­fert, in der Planung vorgesehene Betriebsmittel waren nicht im Einsatz, Extras fiir bestimmte Kunden wurden nicht montiert. Haufig kam es zum Bandstillstand. Die fehlerhaften oder unvollstandigen Maschinen wurden ausgesondert und auBerhalb der Bandmontagen nachgearbeitet. Die geplanten Stiickzahlen wurden deutlich unterschritten, die spater nachgearbeiteten Maschinen kosteten wegen der Nachar­beiten mehr als kalkuliert. Die aufgetretenen Verluste summierten sich hochgerech­net auf ein Jahr auf 1,8 Millionen DM. Die ZahllOste einen Schock aus.

Der technische Leiter, der gegeniiber den Vertriebskosten sehr kritisch gewesen war, zeigte sich bei den am Montageband festgestellten Mangeln der Arbeitsorganisation uneinsichtig. Das von ihm eingefiihrte FlieBband habe "in seiner friiheren Firma" gut funktioniert. Die Qualifikation der Mitarbeiter reiche nicht aus und er habe auf Kundenwiinsche keinen EinfluB. Sein Prestige wurde ihm wichtiger als die Besei­tigung der Fehler. Man trennte sich in beiderseitigem Einvernehmen.

Ohne Controlling geht es nicht

Die Ergebnisse der Untersuchung in Vertrieb und Produktion iiberraschten den Unternehmer. Seine Ausgangsfrage hatte gelautet: In welchem Bereich arbeitet das Unternehmen mit zu hohen Kosten? Das Unternehmen hatte in den letzten Jahren jeweils einen Gewinn von zwei Prozent vor Steuern ausgewiesen, das waren zwei Millionen DM. Mit den Veranderungen im Vertrieb und in der Produktion wiirde sich der Gewinn auf rund 4,8 Millionen DM erhOhen. Das setzt sich wie folgt

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zusammen: Der Umsatz des Geschaftsfeldes 1 betrug 70 Millionen DM, auf den Absatzweg 1 (Spanne I) entfielen 50 Millionen DM. Die Veranderungen in der Vertriebsorganisation wtirden das Ergebnis im ersten Jahr urn zwei Prozentpunkte = 1 Million DM verbessem, die Bereinigung der Arbeitsorganisation in der Ferti­gung zusatzlich urn 1,8 Millionen DM. Die Gesamtverbesserung betrug 2,8 Millio­nen DM. Beide Ftihrungskrafte haben deutliche Lticken bei der eigenverantwortli­chen Gestaltung der Organisation erkennen lassen. Der Untemehmer hatte sich "nicht eingeschaltet", urn, wie er sagte, der Gefahr der Rtickdelegation auf sich aus dem Wege zu gehen.

Die in unserem Beispiel gestellten Fragen nach der Verantwortlichkeit fUr die Rendite sind in vielen mittleren Untemehmen unbeantwortet. Haufig greift man deshalb zu Zahlen, die als MeBlatte zu pauschal erscheinen, zum Beispiel Umsatz pro Kopf/Jahr, etwa 300 000 DM/Jahr. Erfolgreiches Marketing kann schwache Produktionsleistungen zudecken. Umgekehrt sind exzellente Produktionsleistungen geeignet, schwaches Marketing zu kaschieren. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, Leistungen und Leistungsschwachen mit verantwortlichen Ftihrungskraf­ten zu personifizieren. Hinzu kommt, daB immer mehr Ftihrungskrafte, die tiber gute theoretische Ausbildung verftigen, rhetorisch geschickt, nicht aber selbstkritisch genug sind und eigenstandige Umsetzungfahigkeiten haufig vermissen lassen.

Jeder Untemehmer soBte sich Instrumente zulegen, mit denen er die Analysen zur Rentabilitat selbst durchfUhren kann, der Leiter des Rechnungswesens kann ihm dabei assistieren. Solange die Funktion nicht auf einen befahigten Controller delegiert ist, der tiber das Format des beauftragten Untemehmeers verftigt, sollte er die ControBerfunktion selbst wahmehmen. Er sollte sich auch der Aufgabe und Mtihe unterziehen, den ktinftigen Untemehmensgewinn vorausschauend realistisch einzuschatzen, mindestens grobe Planungsrechnungen machen. Es ist deshalb not­wendig, daB er die organisatorische Gestaltung der Absatzwege, der Fertigungsab­laufe und deren rechnerische Analyse mit seinen Ftihrungskraften gemeinsam durchdenkt. Bei Untemehmen mittlerer GroBe denken die Ftihrungskrafte oft ein­seitig fachbezogen, zu wenig bereichstibergreifend mit untemehmerischer Gesamt­schau.

M anagementfehler beseitigen

Managementfehler konnen tiberall passieren, aber wenn sie erkannt sind, sollten sie sofort beendet und die damit verbundenen Verluste ausgemerzt werden. Auf keinen Fall soBten die alten Stinden auf den N achfolger tibergehen. Nicht nur, daB dies dem Untemehmen schadet, es erschwert und belastet den Start des Nachfolgers. Dazu einige Beispiele:

Der neue technische Leiter eines Maschinenbauuntemehmens entschied - er war wegen des bevorstehenden Generationswechsels engagiert worden - , daB ktinftig fUr alle Blechteile, auch fUr Sonderfertigungen, Stanzwerkzeuge einzusetzen seien,

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unabhangig von der Sttickzahl der Fertigungsauftdige. Der Werkzeugbau und die Werkzeugkonstruktion wurden entsprechend personell verstarkt. Die Zahl der be­vorrateten Stanzwerkzeuge, die selten verwendet wurden, stieg rapide an. Anzumer­ken ist, daB 80 Prozent des Produktprogramms in Serien gefertigt wurden, 20 Prozent als Auftragsfertigungen in kleinen Sttickzahlen. So wurden die Lieferzeiten flir bestimmte Maschinentypen extrem lang. Der technische Leiter begrtindete seine Entscheidung auch damit, daB er den Vertrieb auf diese Weise veranlassen wolle, Serienmaschinen zu verkaufen und Sonderfertigungen zu bremsen. Nach ca. einem Halbjahr wurde festgestellt, daB zusatzliche Aufwendungen flir Werkzeuge in Hohe von ca. einer Million DM entstanden waren. Die Entseheidung des technisehen Leiters wurde yom Senioruntemehmer gestoppt und revidiert.

Ein anderer Fall spielte sieh bei einem Hersteller hochwertiger Mobel wahrend der Phase des Generationswechsels abo Genauer: Beide Junioren waren im Hause und wurden yom Vater eingearbeitet. Ein neuer Gesamtvertriebsleiter war flir zwei Absatzwege verantwortlieh: Wohnmobel und Btiromobel. Die auf diesen Geschafts­feldem tatigen zwei Vertriebsorganisationen arbeiteten selbstandig, kooperierten von Fall zu Fall, meistens mit gutem Erfolg. Der frisch engagierte Gesamtvertriebs­leiter, "aufgewachsen" bei einem Serienhersteller mit Nullachtflinzehn-Mobeln, vertrat bald nach seinem Dienstantritt die Auffassung, daB man den Vertriebsweg flir die Btiromobel "einsparen" konne: "Das konnen die Verkaufer des Wohnmo­belbereichs mitmachen." Er hatte sich zu weit aus dem Fenster gelehnt. Er kopierte die Organisation seiner bisherigen Firma. Er "kapierte" nicht, warum die Zusam­menlegung flir dieses Untemehmen ein Flop werden muBte. Die Verkaufer des Wohnmobelbereiehs verftigten nieht tiber Kenntnisse der Akquisition flir standig neu zu werbende Btiromobelkunden, nieht tiber Erfahrungen, Auftrage flir interes­sante Btiroobjekte zu recherchieren, Einrichtungsvorsehlage zu erarbeiten u. a. Das sind Aufgaben, die bei der Zusammenarbeit mit Mobelhandlem nieht verlangt werden und flir die ihnen zu wenig Zeit bleiben. "Nieht kopieren, sondem kapieren" ist ein wichtiger Merksatz flir Ftihrungskrafte. DaB er in dies em Fall nieht beachtet wurde, hat flir das Gesamtuntemehmen schlimme Folgen gehabt, der Absatzweg Btiromobel brach weg.

AIle Aktivitaten, die in die Zeit des Generationswechsels fallen, sind sehr grtindlieh abzuwagen. Sind Risiken schon zu normalen Zeiten sorgfaltig zu analysieren, trifft dies in der zeitlichen Nahe des Generationsweehsels umso mehr zu. Ftihrungskrafte, die aus GroBbetrieben der gleichen Branche kommen, neigen leicht dazu, Organi­sationsmethoden anzuwenden, die ihnen aus frtiheren Untemehmen bekannt sind. Untemehmer lassen Ihnen dazu sogar gem freie Hand. Ais ich Ftihrungskrafte und Untemehmer in einigen Fallen auf Fehler und Gefahren dieser Art aufmerksam machte, habe ieh fast gleiehlautend yom Untemehmer gehort: "Ich mochte mieh da auf meine Herren verlassen, sie tragen ja auch die Verantwortung." Mit Blick auf meinen Beraterstatus war das theoretisch riehtig. Die Praxis zeigt aber: Der einzige, der in solchen Fallen wirklich Verantwortung tragt, der aueh finanziell durehgreift, ist der Untemehmer selbst. Beim Kopieren von Strukturen und Organisationsformen besteht die Gefahr zu Verlusten. Lehrgeld sollte nieht zu leeren Kassen flihren.

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Wird das Unternehmen in der nachfolgenden Generation bestehen? 51

Daraus sollte auch der Unternehmer selbst den SchluB ziehen, daB kopieren sich nicht lohnt, wie das folgene Beispiel zeigt: Ich fuhr mit dem Verleger zu einer abendlichen Veranstaltung, so daB er MuBe hatte, seine Absicht mitzuteilen, einen Buchverlag zu erwerben. Das war seinerzeit "in". GroBe Verlage, die sein Vorbild waren, taten das zu jener Zeit. Er hatte gute Griinde fUr den Erwerb: Synergien in seiner eigenen Druckerei und eigenen Verlagen, ein wirtschaftlich vertretbarer Kaufpreis. Unbeantwortet war noch, wie die ansehnlichen Verluste des angebotenen Verlages beseitigt werden konnten und wieviel Zeit dafUr benotigt wurde. Aus Erlebnissen sagte ich, daB der Verlust eines erworbenen Unternehmens im zweiten Jahr nach Kauf gestoppt sein sollte. Wenn die Vermutung stimmte, daB die haupt­siichlichen Verlustursachen im Buchprogramm lagen, war mit einer liingeren Sanie­rungszeit zu rechnen. Er erwarb den Buchverlag trotz meiner Bedenken. Er wollte ihn als sein eigenes Refugium haben fur die Zeit nach dem Generationswechsel, der in Kurze eingeleitet werden sollte. Nach einigen Verlustjahren verlor er die Freude am Erwerb und stellte die Geschiiftstiitigkeit des Buchverlages still ein. Die aufge­laufenen Verluste betrugen mehrere Millionen DM.

"Die alten Sunden nicht auf den Nachfolger ubergehen lassen", - aus diesem Grunde erwiihne ich einen hiiufig anzutreffenden Managementfehler: Zu breite Sortimente, zum Beispiel in der Bekleidungsindustrie und in der Mobelindustrie. Der beauftragte Unternehmer eines groBen Familienunternehmens sagte dazu: "Die Verkaufsleitungen wollen meistens zu viele Produkte, sie sehen dann nicht mehr die Biiume, sondern nur noch Waldo Ich mochte wissen, welche Biiume benotigt werden, also verlange ich die geschiitzten Verkaufsstiickzahlen fUr jedes geforderte Produkt, - schriftlich. Seit dieser geforderten schriftlichen Festlegung werden von Jahr zu Jahr weniger Neuprodukte verlangt, und der Umsatz wird nicht geringer, das Sortiment wird besser durchdacht." 1m weniger liegt oft mehr. Die Arbeitsmethode hat sich bewiihrt.

Arbeitsorganisationen jlexibler gestalten

Seit Jahren schon liiuft die Stoppuhr in den Betrieben nicht mehr synchron. Selbst wenn die Poduktionsvolumen steigen, haben die breiten Typenprogramme, die vieWiltigen Produktvarianten und der hiiufige Typenwechsel der Serien- und Mas­senfertigung Grenzen gezogen. Ein wei teres Stimulieren der Fertigung, indem mit der Stoppuhr nach verlorenen Minuten und Sekunden gesucht wird, ist kontrapro­duktiv geworden. Verlorene Stunden sind kaum noch anzutreffen, diese Betriebe wurden gescheitert sein. Ais Arbeits- und Zeitstudien nach der REFA-Methoden­Lehre in Unternehmen einzogen, waren sie zuniichst nutzlich, urn Fertigungsabliiufe in kleine Abschnitte zu zerlegen, bessere Betriebsmittel einzusetzen, leistungsge­bundene Entlohnungen einzufUhren, - MaBnahmen, mit denen die Produktivitiit mit "industriellen" Methoden gesteigert wurde. Die heutigen hohen Arbeitskosten konnen jedoch mit dies en Methoden nur noch selten kompensiert werden. REFA­Methoden waren zur Produktivitiitsverbesserung schon in den 80er Jahren kaum noch wirksam, siehe Ubersicht 3 am SchluB von Kapitel 2. Von dieser neuen

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52 Kapitel2

Situation sind auch andere Teilsysteme betroffen, wie der bisher praktizierte Ak­kordlohn, die Fertigungssteuerung und Steuerungsleitsysteme. Auch automatisch gesteuerte Lager und Hochregallager werden in Frage gestellt.

In dieser Situation muG jedes Unternehmen eigene Wege gehen, urn fUr sich flexible Fertigungsprozesse zu schaffen. So entstehen von Betrieb zu Betrieb unterschiedli­che Fertigungsstrukturen: Kleinserienfertigungen fUr Bauteile mit konventionellen Maschinen und anschlieGender Lagerung in kleinenlkleinsten Stiickzahlen. Das ist zum Beispiel dort der Fall, wo Bauteile mit firmenspezifischem Know-how langfri­stig weiter in Deutschland produziert werden. Besitzt das Unternehmen elektronisch gesteuerte Zuschnittmaschinen, werden Werkstoffe oder vorbearbeitete Werkstiicke nur fUr die vorliegenden Kundenauftrage zugeschnitten. Baugruppen!Komponenten werden iiberwiegend auftragsbezogen montiert, wie auch die Endfertigungen. An der Losung automatisierter Ablaufe werden Unternehmen des Maschinenbaus sich im Verlauf der kommenden Jahre beteiligen, denn sie finden neue Markte und Anwendungschancen in den Verarbeitungsunternehmen vor. Damit werden sie vielleicht in einigen Branchen die Tendenz bremsen konnen, Produktionen in Niedriglohnlander zu verlagern. Die Geschehnisse in den USA wamend der 80er Jahre sind vergleichbar. Dort wurden Automaten zu Verlagerungskillern (Peter Drucker [8] Seite 48).

Unterschiedlich ist dementsprechend auch die Produktionsstruktur bei den in Nied­riglohnlander verlagerten Produktionsteilen. Sie konnen als "verlangerte Werk­bank" fungieren und Bauteile und vormontierte Baugruppen zUrUckliefern, in anderen Fallen auch Fertigprodukte. Die Strukturen und Organisationen sind in FluB. Allen Strukturveranderungen liegt das gemeinsame Ziel zugrunde, Ferti­gungskosten zu senken und Umlaufvermogen zu reduzieren. Dabei werden bevor­zugt die "Kosten fUr Nichtarbeit" beseitigt bzw. gegen Null zUrUckgefUhrt, wie das Einrichten von Maschinen und Arbeitsplatzen, Bereitstellen von Material und Werkzeugen, Reparaturen. Anstelle eigener Produktionsbetriebe werden Zuliefe­rungen bevorzugt, das bindet weniger Kapital. Produktions-Know-how muG ohne­hin transferiert werden, auch das sichere Einhalten von Qualitatsstandards.

Bessere Nutzung der Fertigungskapazitiiten hat Vorrang

AnlaBlich einer Betriebsbegehung in einem Unternehmen mit Serienproduktion fragte ich einen Techniker im voriibergehen, weshalb er soeben einen Zeitlohnbeleg ausgestellt habe. Antwort: "Fiir die Anfertigung von zusatzlichen Bauteilen in der Dreherei fUr eine Sonderanfertigung." Auf meine Frage, wie hoch der Lohnanteil fUr so1che manuellen Arbeiten sei, antwortete er: "Rund ein Drittel sind produktive ZeitlOhne, zwei Drittel Akkordlohne." Was er zum Ausdruck brachte, ist, daB das Lohnsystem in seinem Unternehmen nicht mehr fertigungskonform ist. Worin solI der Sinn einer angeblichen Leistungsvergiitung (Akkord) liegen, wenn die Leistun­gen nur zu 60 bis 70 Prozent gemessen werden bzw. meBbar sind und der Rest nach tatsachlichem Zeitverbrauch vergiitet wird? Die heutigen Lohnsysteme werden

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Wird das Untemehmen in der nachfolgenden Generation bestehen? 53

durch neue ersetzt werden, wenn die Fertigungen langfristig neue Strukturen gefunden haben. In einem Untemehmen der M6belindustrie sah ich zwei Ferti­gungssysteme nebeneinander in Funktion: Automaten, die mehrere Arbeitsgiinge durchfUhrten, daneben manuelle Montagen. Jedes Fertigungssystem hatte "sein" Vergtitungssystem: Zeitlohn an der Automatenfertigung, Akkordlohn bei den ma­nuellen Arbeitspliitzen. Ich kann mir vorstellen, daB es in absehbarer Zeit neben einem Leistungslohnsystem und dem Zeitlohn pur auch gemischte Systeme geben wird wie: Zeitlohn plus Priimien fUr erreichte Soll-Leistungen, plus (gewinnabhiin­gige) Erfolgspriimien. Als priimierbare Soll-Leistungen kommen Sttickzahlen, aber auch Maschinenlaufzeiten in Betracht. Dabei werden Qualifikationen der Mitarbei­ter eine gr6Bere Rolle spielen, mehr als bei den Entlohnungssystemen der Serien­und Massenfertigung. Mit seiner Fertigungsorganisation, die auf paBgenauen Bau­teilen und Arbeitszerlegungen aufbaute, hatte Henry Ford auch die Austauschbarkeit der Arbeiter perfektioniert. Mit den hierzulande praktizierten Akkordsystemen war das Gleiche beabsichtigt. Dies muB bei den derzeitigen Veriinderungen der Ferti­gungsprozesse zuniichst als tiberholt gelten.

Die Instrumente der Fertigungssteuerung sind den Maximen der flexiblen Produk­tion anzupassen: Fertigungsauftriige mit niedrigen LosgroBen fUr kleinere Zeitin­tervalle sind zu bevorzugen, auch wenn die Plantafeln, die aus der Zeit der Serien mit hohen Sttickzahlen stammen, nur noch teilweise genutzt werden. Es ist mehr FertigungsfluB zu schaffen, urn das Volumen der Durchlaufmengen zu reduzieren. Ein Leitstandsystem stillzulegen und die Steuerung kleinerer Fertigungsvolumen auf den Meister zurtickzutibertragen, kann der bessere Weg sein.

Auch Arbeitszeiten werden flexibler und den betrieblichen Anforderungen unterge­ordnet. Zwar gilt im Grundsatz zum Beispiel die 38-Stunden-Woche, doch die Arbeitszeit wird flexibel dem tatsiichlichen Anfall angepaBt. Perioden, mit 30 Stunden pro Woche wechseln mit Zeitriiumen ab, in denen die Mitarbeiter 42 Stunden pro Woe he arbeiten. 1st wenig zu tun, gibt es die Viertagewoche von Montag bis Donnerstag, stauen sich die Auftriige, wird einen Tag mehr gearbeitet. Selbst in den typischen Saisonuntemehmen, Untemehmen der Bekleidungsindustrie mit unterschiedlichem Zeitbedarf fUr Kollektionsentwicklung, Produktion und Lager­bevorratung sorgen Arbeitszeitmodelle fUr flexible Handhabungen. Der Order­rhythmus und Lieferrhythmus bestimmen die Arbeitszeiten. Wenn diese fUr das ganze Jahr im voraus festgelegt werden, kann sich jeder Mitarbeiter auf seine Arbeits- und Ferienzeiten einstellen. Vereinbart wird fall weise auch eine Option fUr Samstagsarbeit und daB Schicht- und Normalarbeitszeiten je nach Kapazitiitsbedarf urn eine Stunden oder mehr verliingert oder verktirzt werden. So wird die Liefer­bereitschaft ohne Mehrfachbesetzungen sichergestellt, deren Kosten tiber Preise nicht mehr abwiilzbar sind. "Flexibilisierung", wie das Stich wort lautet, ist eine unabdingbare Voraussetzung fUr die verbesserte Nutzung der Kapazitiiten gewor­den.

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54 Kapitel2

Was ist grojJer: Chance oder Risiko?

Die vorausgehenden Beispiele bieten in vielen Untemehmen Hilfen zur Selbstana­lyse und -therapie. Sie sollen die Untemehmensfiihrungen in die Lage versetzen, Organisation, Leistungen und ProduktiviHit ihrer eigenen Untemehmen mit diesen Beispielen zu vergleichen und bestehende Defizite zu "messen". Sie mogen daraus ableiten, ob das Untemehmen in der nachfolgenden Generation nach menschlichem Ermessen bestehen kann. Hinzu kommt dann die Frage, ob die Konzeption des Untemehmens noch stimmt oder ob auch diese anpassungs- oder emeuerungsbe­dtirftig ist. Beides, Produktivitat und konzeptionelle Ausrichtung sind selbstver­standlich tiber so lange Zeiten im voraus nicht rechnerisch zu belegen. Niemand kann auch politische, volkswirtschaftliche und finanzielle Ereignisse vorausschau­end erkennen und bewerten, die sich negativ oder positiv auf die Entwicklung des Untemehmens auswirken werden und in we1chem Umfang dies der Fall sein wird. Aber man kann den heutigen Leistungsstand vergleichen mit dem, was branchen­tiblich und in der Gesamtwirtschaft normal ist. Man kann abschatzen, ab wann Defizite in Organisation und Leistung bedrohend werden konnen. Man kann auch abschatzen, ob Uberlegenheiten bestehen, die Sicherheit geben. Man kann sagen, es ist zu vermuten ... nach menschlichem Ermessen ... oder: die Risiken sind zu groB, weil ...

Die Beispiele enthalten jeweils eine untemehmerisch ganzheitliche Sicht. Niemand moge nach Rationalisierungsprogrammen suchen. Viele Untemehmensfiihrungen haben die Meinung, rationeller und effizienter zu sein sei das Resultat groBer Serien mit vorbestimmten Arbeitszeiten sowie von Systemen mit vorgegebenen Ablaufen und Handlungen. Die Beispiele zeigen, daB das so nicht mehr stimmt. AuBerdem laBt sie die Qualitat der Ftihrung des Untemehmens auBer Acht. Bei Schwachen, Fehlem und Versagen der Ftihrung kann das Untemehmen noch so rationell arbeiten und leistungsstark sein, dennoch verrinnt frtiher oder spater alles im Staub, Gewinne und Wachstum bleiben aus.

Die hier dargestellten Beispiele sind fallweise primar Themen der Untemehmes­fiihrung. PaBt die Konzeption des Untemehmens nicht mehr, wird man sie andem oder sich rechtzeitig aus dem Markt zurtickziehen. Fehlt aber die Produktivitat und dies gerade im Zeitpunkt des anstehenden Generationswechsels, muB rechtzeitig Abhilfe geschaffen werden. Dann sollten die Beispiele grtindlicher studiert werden, urn dabei auch zu erkennen, was nicht im Detail ausgefiihrt ist. Die Situationen, auf die die Beispiele zugeschnitten sind, dtirften auf viele Untemehmen in den nachsten zehn bis 15 Jahren zutreffen, bei diesem mehr, beim anderen weniger.

Ftir Untemehmen, die ihre Produktivitat erhalten haben, wird der Generations­wechsel meistens "kein Thema" sein. Dort wird der Untemehmensgewinn von Jahr zu Jahr annahemd stabil sein. Allenfalls verursacht es Kopfschmerzen, daB ein Nachfolger aus der Familie nicht geeignet oder verftigbar ist. So ist zu tiberlegen, ob das Untemehmen der Familie erhalten bleiben und ein Fremdmanagement eingesetzt werden solI, vielleicht nur vortibergehend. Es gibt dann keine Themen

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Wird das Unternehmen in der nachfolgenden Generation bestehen? 55

und Sorgen, die fUr das Unternehmen als lebensbedrohend angesehen werden mtiBten. Aber manchmal dreht der Wind, dann mogen auch diese Unternehmen sich an den Beispieien orientieren.

Ubersichten zu Kapitel 2

Schrltt halten mit der Produktlvlt8tsentwlcklungStrateglen zur Produktlvltitsstelgerung In fOnf Jahrzehnten

Jahrzehnt Strategien Aktivitaten, Instrumente zur Umsetzung

1960 ~teigerung der Produktionseffizienz, Fertigungsplanung mit Arbeitsplatz- und Ubergang von meisterwirtschaftlichen -ablaufgestaltung, Leistungsnormen zu industriellen Organisationen mit Zeitvorgaben wie REFA, MTM, wf,

leistungsstimulierende Entlohnungssysteme, Kalku lationssysteme, Vertriebsorganisation innen und auf3en

1970 Fortsetzung wie 60er Jahre, Vertriebsmarketing, Wertanalysen, Kostensenkungsprogramme, Fertigungssteuerung, Logistik, zielorientierte Fuhrung, Qualitatssicherung, Effizienzverbesserung der Entwickeln von Zielen und Strategien Gemeinkosten, Controlling

1980 Nutzung der Elektronik in Fertigung, Prozef3technik, Roboter, Computereinsatz mit Vertrieb, Verwaltung, Freisetzen von PC, Vernetzung mehrerer Organisations-Kapital , Gewinnen von Liquiditat, bereiche, KaufNerkauf von Unternehmens-Finanzierung am Kapitalmarkt teilen und Unternehmen, Stillegungen,

Devestitionen, Konzentrationen, Abbau von Lagern

1990 Kostensenkungsprogramme, rechnergesteuerte Fertigungsmaschinen, Mobilisieren von Synergien , Management- und Beteil igungsholdings, Globalisierung KaufNerkauf von Unternehmen,

Devestitionen, Reengineering, Simultaneous Engineering

2000 *) Fortsetzung wie 90er Jahre, Investitionen, Devestitionen, KaufNerkauf von Verlagerung von arbeitsintensiven Unternehmen, Konzentration auf die Produkt-Fertigungen in Niedriglohnlander, entwicklung, Simultaneous Engineering, Verschlankung Reengineering, Restrukturierung der

Unternehmenszentralen

*) Prognosen

Ubersicht 3

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Wird das Untemehmen in der nachfolgenden Generation bestehen? 57

! Verb1ebsllostell - Muster zar Ennllll .... der VertrlebllpanH

davon Funktion des Kosten Absalzweg 1 Absalzweg 2 Vertriebs gesamt Oirektvertrleb Handel

OM OM % OM %

Verkauf innen 2,5 Verkauf aul3en 4 Verkaufsleitung 1 Produktentwicklung 3 Werbung, Verkaufsf6rderung 4 Versandlager, Versand 1 Fuhrpark, Sped it ion 3,5 techno Kundendienst -kaufm. Verwaltung (Anteil) 2 Skonti 2 Rabatte 2

Kosten der Spanne 25 Gewinn 10

Spanne 35

Ubersicht 5

Retrograde KalkulaUon .

Diese Methode wirkt vorn vorausgehenden Bereich der WertschOpfungskette zuruck (1) Zurn Vergleich: traditionelle Kalkulation (2)

1. Bessere werkstoffQUalitati I Soll-Herstellkosten

I geplante Spanne durch

Werkstoff Fertigungskosten inkl. Gewinn Markterkundung ermitteiter Preis

45% 20% 35% ... ... fa retrograd

2.

I I I Verwaltung und Vertrieb aus Kosten-

Werkstoff Fertigungskosten + Gewinn rechnung gebildeter Preis

traditionell ~ ...

Ubersicht 6

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58 Kapite12

Vertrlebskosten In mehreren Geschiftsfeldem -Muster zur Ennlttlung der Vertrlebskostan und Soll·Harstalikosten

Funktionen des Koslen Geschaftsleld 1 Geschaftsfeld 2 Verlriebs gesaml Spanne 1 Spanne 2 Spanne

TOM TOM % TOM % TOM %

Verkauf innen 3 1 Verkauf auBen 6 -Verkaufsleitung D,S -Produktentwicklung 4,5 4 Werbung , Verkaufsf6rderung 4 -Versandlager, Versand 1 -Fuhrpark, Spedition 2 -techno Kundend ienst 2 -kaufm. Verwaltung 2 -Skonti 1 -Rabatte 2 12

Kosten der Spanne 28 17 Gewinn 2 13

Spanne 30 30

Ubersicht 7

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3 Untemehmerische Kreativitat entwickeln ...

Viele Mittelstandler leiden unter Nachwuchsmangel innerhalb der Eigentiimerfa­milien, und flir qualifiziertes, extemes Management sind die Untemehmen haufig nicht attraktiv genug. Es liegt deshalb nahe, aus den mittelstandischen Untemehmen selbst Losungen zu erarbeiten, mit denen der Generationswechsel vollzogen und die Kontinuitat des Untemehmens sichergestellt werden konnen. Solche Losungen konnen schwieriger und zeitaufwendiger sein als "lediglich" der personelle Wechsel an der Spitze, also wenn der alte Chef geht und der neue kommt. Man muS schon mehr in die Breite und Tiefe denken. Wenn beispielsweise eine Produktgruppe/ Sparte viele Jahre von einem tiichtigen Prokuristen, verantwortlich flir Vertrieb und Produktion dieser Sparte, mit Erfolg geflihrt wird, bietet es sich an, dariiber nachzudenken, ob dieser flir die Nachfolge an der Spitze des gesamten Untemeh­mens geeignet sein konnte. Vielleicht wiirde ihn die Aufgabe selbst reizen. Dieser "eigene Mann" wiirde den Stallgeruch bereits mitbringen, und er hat schon Bemer­kenswertes auf die Beine gestellt. Was ist dann mit einem eventuell ebenfalls verfiigbaren Familienmitglied, das in seiner Personlichkeit anders strukturiert ist und noch iiber wenig Fach- und Fiihrungserfahrung verfiigt? Welche Voraussetzun­gen sollte der Neue mitbringen und welche davon sind unverzichtbar, zum Beispiel konzeptionelles Denken, Umsetzungsvermogen und Durchsetzungsf<ihigkeit? 1st er konsensfahig und teamfahig? Wer konnte gegebenenfalls Nachfolger fiir den Spar­tenprokurist werden, welche Moglichkeiten der Weiterbildung miiSte man diesem zuvor vermitteln? - Wir wissen aus den beiden ersten Abschnitten: Gefordert werden kiinftig mehr untemehmerisch konzeptionelles Denken und: der Nachfolger muS sich mit groSer Wahrscheinlichkeit auf neue Wettbewerbssituationen einstellen, die Organisation effizienter gestalten und den Druck auf die Kosten verstarken. In dieser Situation wird der "Austausch" der Personlichkeiten an der Spitze vielleicht gar nicht die beste Losung sein, wenn es die beste im Interesse des Untemehmens sein solI. Wie denken die Familienmitglieder dariiber, flir die bisher auf der obersten Fiihrungsebene ausschlieSlich familienzugehOrende Personlichkeiten in Betracht kamen? Hat Leistung in dieser Situation den Vorrang vor Verwandtschaft?

Dieser Gedanke zielt auf die unternehmerische Kreativitat, mit der Nachfolger und geeignete Organisationsformen sich mit guten Chancen finden lassen. Kreativitat bedeutet flir das Unternehmen mehr als andere Eigenschaften und Merkmale, wie etwa modern sein, gut organisiert u. a. Kreativ sein beinhaltet eine produktive Art zu denken und zu handeln, situations- und zukunftsbezogen, das ist ein Wert an sich, ist unter bestimmten Voraussetzungen zwischen den Manschen im Unternehmen iiber­tragbar, wirkt leistungsfOrdernd und stimulierend. In bestimmten Situationen kann Kreativitat unterdriickt und getOtet werden, mit der Folge, daB Strukturen personell und organisatorisch erstarren und verkrusten. Dies ist dann nicht das Klima, urn Nachfolgen aus den eigenen Reihen zu lOsen. So besteht also ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen kreativen Prozessen im Unternehmen und Fiihrungsfunk­tionen und Organisationsformen, einschlieBlich der Nachfolge an der Spitze.

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60 Kapitel3

Kreativitiit steckt an

Kreativitat ist die Flihigkeit, schOpferisch zu denken und die Ergebnisse dieses Den­kens zu definieren und zu konkretisieren. Am Ende kann eine Vision stehen, - ein SchloB, das noch LuftschloB ist. Der kreative Mansch zeichnet sich durch weitgehende Selbstlindigkeit und Offenheit aus, geistige Flexibilitlit und unkonventionellen Denk­stil, gepaart mit Toleranz und geringem Frustrationsempfinden. Nach Experten­meinung ist die Sensibilitat neben der Neugier das Riistzeug fUr kreatives Denken.

Kreative Befahigungen konnen auf Veranlagung beruhen, sie konnen aber auch entwickelt werden. Wer sie besitzt, "rudert" sich haufig allein dort hin, wo sie zum Zuge kommen. In Wirtschaftsunternehmen sind es gleich drei groBe Bereiche, in denen kreative Potentiale benotigt werden: Die Produktentwicklung und -vennark­tung, die Entwicklung und EinfUhrung neuer Verfahren und die unternehmerische Konzeption und deren Umsetzung. Immer geht es darum, Chancen fUr das Unter­nehrnen und den oder die Handelnden aufzutun.

Schon die Bereitschaft von Fiihrungskraften und Mitarbeitern, kreativ an Gestal­tungsaufgaben mitzuwirken, ist von Unternehmen zu Unternehmen verschieden. Ich denke hier an ein Unternehmen, in dem jeder Mitarbeiter Kreativitat im Blut zu haben schien. Der noch tatige Griindungsunternehmer war TiiftIer und Erfinder aus Passion. Vorteile im Wettbewerb erwarb er sich mit Holzsitzschalen, die von hochwertigen PreBwerkzeugen in groBen Auflagen kostengiinstig produziert wur­den. Auf Holz sitzt man wann, Kunststoff kiihlt. Von seinem Weltpatent profitierten aber nur wenige seiner Mobelprogramme. So lieB er schon zu Beginn der 70er Jahre aus fernostlichen Niedriglohnlandern Mobelteile zuliefern und gewann auf diese Weise die auf seinem Markt iiblichen offentlichen Ausschreibungen. Seine Kreati­vitat "steckte an". AIle Mitarbeiter, von Fiihrungskraften bis zu Sachbearbeitern, dachten von sich aus mit. Man brauchte das nicht einzufordern.

Das kann woanders gegenteilig sein. Man geht lieber auf gepflasterten StraBen, niemand will sich beim Pflastern beteiligen. Auch Pflastern will gelernt sein, zumindest geiibt werden. So au Berte sich ein autokratisch regierender Chef anlliBlich eines internen Finnenseminars. Verstandlich, daB die Bereitschaft zu kreativer Mitwirkung unter einem autokratischen Chef geringer ist. Unter ihm halten sich auf Dauer nur einseitig ausgerichtete Mitarbeiter, zum Beispiel in abgegrenzten Res­sorts des Finanz- und Rechnungswesens, des Vertriebs usw. Sie sind nicht in der Lage, in Zusammenhlingen ressortiibergreifend zu denken. Niemand will das wirk­lich, weder der autokratische Chef noch seine Mitarbeiter.

Diese Erfahrung ist iibrigens deckungsgleich mit medizinischen Erkenntnissen: Das GroBhirn besteht aus zwei Halften, die mit einer anatomisehen Struktur, dem Balken, verbunden sind. Dieser enthalt eine riesige Zahl von Nervenfasern, die beide Hirnhalften verkoppeln. Uber diesen Balken konnen pro Sekunde groBe Mangen von Nervenimpulsen ausgetauscht werden. Konnen! Haufig passiert dies nieht, wenn namlich der eindimensionale Mansch vorwiegend die dominante Hirnemis-

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Untemehmerische Kreativitat entwickeln 61

phare mit ihrem sprachlich, logisch rationalen Denken aktiviert und die bildhafte und intuitiv denkende nicht dominante Himhalfte blockiert, (D. Loye [14]). Daraus ist der SchluB zu ziehen, daB sich kreatives Denken aktivieren BiBt, wenn die Blockade aufgehoben wird. N ach meinen Erlebnissen ist dies moglich. Kreativitat laBt sich auf drei Wegen entwickeln und vermitteln: durch Vorbild der Fiihrungs­krafte, mit Schulung und Training und aus der Situation des "heilsamen" Schocks, also jeweils mit Einwirkungen von auBen. Dazu die folgenden Beispiele:

Mehr Kreativitiit aus dem Vorbild

Es gibt Untemehmen, in denen es ohne Kreativitat der Fiihrung gar nicht geht, wie im Anlagenbau. Oder in Untemehmen, in den en aktue11es Design gefordert ist. Das Untemehmen, ein Anlagenbauer mittlerer GroBe, wurde erst seit einigen Wochen von zwei Sohnen gefiihrt, der eine Betriebswirt, der andere Ingenieur. Wegen des plotzlichen Todes eines der beiden Griindungsuntemehmer fiel dessen Testament­vo11strecker die Aufgabe zu, die neue Geschaftsfiihrung wahrend der Einarbeitung zu beobachten.

Sondermaschinen hatten in dem Untemehmen einen hohen Anteil an der Produkt­palette. Das erkl art , daB der Ingenieur im kontruktiven Bereich starker gefordert wurde. Zunehmend dominierte er aber auch im Gesamtuntemehmen. Worauf war das zuriickzufiihren? Seine kreative Art der Gesprachsfiihrung mit Kunden und Mitarbeitem diirfte wohl ausschlaggebend gewesen sein. Wenn es zum Beispiel darum ging, technologische Losungen zu erarbeiten, "Niisse zu knacken," urn Kundenwiinsche zu erfii11en und ratione11e Losungen in der Fertigung zu finden, wurde er stark. Dabei war er als Fiihrungspersonlichkeit eher riicksichtsvo11, nach­giebig und hilfsbereit, kehrte nicht den Chef heraus. Aus Einzelerlebnissen setzte er, wie beim Zuammenfiigen eines Puzzles, Konzeptionen fiir das Untemehmen zusammen. So hatte er schon vor Ubemahme der Geschaftsfiihrung Engpasse in der Konstruktionsabteilung und der Produktion behoben, das Angebotswesen verbes­sert, die Auftragsakquisition im Export verstarkt und anderes mehr. Sein Verhalten weckte die Kreativitat seiner Mitarbeiter, sie wurden innovativer, bei den Produkten ebenso wie bei neuen Verfahren. Nichts ist anregender und iiberzeugender als das Vorbild.

Kreativitiit liijJt sich trainieren

Auch dazu ein Beispiel: Nach AbschluB seines Studiums bereitete sich der Junior auf die Geschaftsfiihrung der Muttergese11schaft vor. Nach dem fiir ihn aufgeste11ten Programm fiihrte er nun fiir zwei Jahre die Geschafte einer Tochtergese11schaft, eines technischen Handels mit iiberregionaler Bedeutung. Er ste11te Defizite in der Organisation fest, die zu iiberhOhten Lagerbestanden sowie EinbuBen im Verkauf fiihrten. Er gewann die Erkenntnis, daB die Mitarbeiter nicht bereit waren, neue Arbeitsmethoden anzuwenden, mit denen diese Schwachen behoben werden sol1-

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62 Kapitel3

ten. Er erkannte, daB den Mitarbeitern Motivation und Kreativitat fehlten, die gemeinsam mit ihm entwickelten Organisationsformen umzusetzen. Ursachlich konnte dabei mitgewirkt haben, daB der andere Geschaftsfiihrer einen sehr autori­taren Ftihrungsstil praktizierte.

Diese Situation war AnlaB, ein Training zur Entwicklung von Kreativitat durchzu­fiihren. Ich beschranke mich hier darauf, die wichtigsten Inhalte des Trainings wiederzugeben. Jedem Teilnehmer sollte die angestrebte Losung bildhaft vor Augen gefiihrt werden. 1m vorliegenden Fall waren dies die neuen Organisationformen in den Lagern, deren verbesserte Lieferbereitschaft sowie die Kommunikation mit den Kunden. Dieses "Ziel-Bildnis", die Vision, sollte dem Teilnehmer nicht aus vorbe­reitetem Anschauungsmaterial "fertig serviert" werden. Vielmehr wurde es in Diskussionen erarbeitet, einschlieBlich den Ablaufen, die auf andere Arbeitsgebiete tibergreifen. Danach wurden alternative Handlungen getibt, aktive und reaktive. "Was ist, wenn ... ?" Starres, unelastisches Denken wurde abgelOst von fIexiblem situationsbezogenem Denken.

Kreativitiit nach dem heilsamen Schock

Der Schock geht "unter die Haut" und stimuliert, wie das folgende Beispiel zeigt: Auf der Messe war die neue Programmkreation bei seinen Kunden "nicht angekom­men". Der Unternehmer war davon schockiert, hatte er sich doch bei der Modellent­wicklung selbst stark engagiert und an das Programm hohe Auftrags- und Umsatz­erwartungen gekntipft. Er war mutlos. Nach einigen Tagen entschloB er sich, gemeinsam mit dem Hausarchitekten die wichtigsten, bedeutenden Kunden zu besuchen, kompetente mittelstandische Unternehmen des Handels. Er wollte abseits yom Messetrubel die Einwendungen und Vorbehalte besprechen, die man ihm auf der Messe entgegengehalten hatte. Hier bewahrte sich der gute personliche Draht, den er zu diesen Handelshausern unterhielt. In den kurzfristig anberaumten Gespra­chen wurden Komponenten verandert und Modellvarianten konzipiert. In Verbin­dung damit wurden Akzente fiir Marketing- und Vertriebsaktivitaten verabredet. Es war der kreative Schock, der den Unternehmer auf den richtigen Weg gebracht hat. Dabei hat er eine beispielhafte Leistung der Kundenorientierung erbracht. Spater erfuhr ich, ich zitiere wortlich: "Mit dem Modell X sind wir so richtig ans Geldverdienen gekommen."

Auf dem Weg zur kreativen Organisation

In diesem Zusammenhang haben viele Unternehmen gute Erfahrungen mit dem innerbetrieblichen Vorschlagswesen gemacht. Mitarbeiter, die sich daran beteiligen, liben sich in innovativem Denken, namlich verbesserte, auch neuartige Losungen fiir bestimmte Verfahren und Systeme zu finden. Die Unternehmen tun gut daran, in das Vorschlagswesen auch produktbezogene Verbesserungen und kommerzielle Verwertungen einzubeziehen. So werden Mitarbeiter interessiert, ihr Denken auf

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bestimmte Produkt- und Verfahrensverbesserungen auszurichten, die der Wettbe­werbsfahigkeit des eigenen Unternehmens zugute kommen.

Innovationen zu wecken, HiBt sich im Unternehmen auf mehrfache Weise organisie­reno Eine bewahrte Methode sind Workshops, in denen Mitarbeiter, Vorgesetzte und GeschaftsfUhrer Entscheidungs- und Abwicklungsprozesse des Unternehmens dis­kutieren, urn so den Mitarbeitern Impulse zur Teilnahme am Vorschlagswesen zu vermitteln. Konkrete innovative Leistungen konnen auch Grtinde fUr Gehaltserho­hungen und BefOrderungen sein, das verfehlt meistens seine Wirkung nicht. Ein Designer, der beim Duschen Geistesblitze hatte, bestand auf einem komfortablen Duschkabinett an seinem Arbeitsplatz. Ais seine Firma ihm das verweigerte, wech­selte er zu einer weltbekannten Computerfirma, bekam dort, was er wollte und holte seine warmen Brausebader tausendfach wieder rein, indem er beispielsweise die Anklickmaus des PC entwickelte (aus einem Vortrag des Psychologieprofessors und Kreativitatsforschers Milhaly Csikzentmihalyi, kurz Csik).

Die Methoden, mit denen Kreativitat geweckt und stimuliert wird, lassen sich auf zahlreiche innerbetriebliche Bereiche, auch fUr unternehmerische Ftihrungsaufga­ben anwenden, vorausgesetzt selbstverstandlich, daB die Teilnehmer tiber das Wis­senspotential des Trainingsthemas verftigen. So werden die Beharrung bei Mitar­beitern und erstarrte und verkrustete Strukturen tiberwunden, zum Beispiel, wenn Mitarbeiter Strukturen und Organisationen selbst analysieren und danach Konzep­tionen erarbeiten. Gute Erfahrungen dazu liegen bei Kostensenkungsprogrammen fUr Gemeinkosten vor. Ich rate allerdings, dazu bewahrte Berater hinzuzuziehen, siehe dazu Ziffer 6.2.

Das Nach-vorn-Rticken des Themas "Innovationen" auf der Prioritatenskala hat dazu gefUhrt, von innovativer Organisation zu sprechen, also einer Organisation, die die Veranderungsdynamik in sich tragt. Nach meinen Erlebnissen setzt das voraus, daB die Ftihrungsspitze selbst standig Beispiele zu dieser Dynamik gibt und interne Innovationsprozesse als Ftihrungsinstrument zur Produktivitatssteigerung einsetzt. Dies laBt sich auf nachgeordnete Ftihrungsebenen tibertragen, - selbsttatig, denn innovatives Denken und Handeln lassen sich bekanntlich nicht verordnen.

Der Innovationsbedarf in den Unternehmen wachst. Noch in den 80er Jahren blieben Modelle der PKW Mittelklasse zehn Jahre in der Produktion, bevor sie von einem neuen Modell abgelOst wurden. Der Innovationsrhythmus betrug bei den meisten Autoherstellern im Durchschnitt zehn Jahre (Womack/Jones/Roos [18] Seite 109). Nach einem Aktionarsbrief beabsichtigt BMW ab 1997 jedes Jahr mit zwei vollig neuen Produkten auf den Markt zu kommen. Da sich der Markt weiter in Segmente aufsplittere, werde die Produktpalette des BMW-Konzerns dieser Entwicklung angepaBt. Simultaneous Engineering, in der Autoindustrie bis zur Perfektion prak­tiziert, mit dem sich die Entwicklungszeit halbieren und die Entwicklungskapazitat verdoppeln laBt, macht es moglich, siehe Ubersicht 4 am SchluB von Kapitel 2. Die Mehrfachverwendung von Komponenten in den Baureihen und die Standardisie­rung von Bauteilen sind weitere Voraussetzungen zu diesem vertriebspolitischen

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64 Kapitel3

Schritt. Untemehmer sollten parallele Entwicklungen auf "ihren" Markten erken­nen. 1m Trend sind sie auf allen Teilmarkten ahnlich. Hier sollte Beharrung tiber­wunden werden, wie das folgende Beispiel zeigt.

Bei einem Zulieferer der Automobilindustrie wurde in einer Sitzung des Beirats tiber die Typenprogramme von Abgassystemen gesprochen. Mehrere deutsche Autoher­steller bezogen von diesem Zulieferer eine Reihe unterschiedlicher Produkte, die selbst bei gleichen Wagenklassen mehr oder weniger stark variierten. Ich regte an, mit jedem Automobiluntemehmen Gesprache aufzunehmen mit dem Ziel, die Typenzahl zu reduzieren und Bauteile zu standardisieren. Die Ingenieurleistungen dazu sollten arbeitsteilig von den eigenen technischen Mitarbeitem (des Zulieferers) sowie der Autohersteller erbracht werden. Das von mir verfolgte Ziel war, mit einer reduzierten Zahl standardisierter Bauteile die eigene Fertigung nachhaltig rationel­ler zu gestalten, mit leistungsfahigeren Maschinen, geringeren Zeitlohnanteilen, weniger AusschuB und N acharbeiten, h6herem AusstoB. - Der technische Leiter, seit wenigen Monaten Geschaftsfiihrer, wehrte den Vorschlag ab mit der Begriin­dung: "Darauf lassen sich Autohersteller nicht ein". Der Untemehmer, Mehrheits­gesellschafter (GmbH), Kaufmann, "sah wenig Chancen, urn bei den Technikem damit durchzukommen". Und der Vorsitzende des Beirats dazu: Es sei doch fraglich, ob die Autohersteller den Zehnjahresrhythmus der Neuentwicklung jemals verlas­sen werden, so sei es auch anzuzweifeln, ob sie bei diesen Zeitspannen interessiert seien, die Produktsysteme der Zulieferer zu standardisieren.

Nun, krasser kann der Gegensatz von kreativem und starrem Denken kaum sein. Zwischen der tatsachlichen Marktentwicklung, gezeigt am Beispiel BMW, gegen­tiber der Geschaftspolitik des Zulieferers ein paar Jahre vorher, liegen Welten. Das Beispiel zeigt auch, mit welch leichter Hand richtige kreative Ansatze "unter den Tisch gekehrt" werden. Sie waren mit Arbeit verbunden und Arbeit laBt sich schwer verkaufen.

Kreative Fiihrungskriifte entdecken

Ftir Kreativitat und innovatives Handeln gibt es meistens AnstOBe. Beispiele: L6sungen tinden, urn Kundenwtinsche zu erftillen, rationellere Methoden in der Fertigung anwenden, urn Preisgrenzen nicht zu tiberschreiten, neue Markte er­schlieBen, urn Leerkapazitaten zu nutzen usw.

Aufgabe des Untemehmers ist es, solche Geschaftsfelder auszumachen, die sein Engagement rechtfertigen und seine Kreativitat ohne AnstoB zum Zuge kommen lassen. Er muB sich gewissennaBen selbst anstoBen. Aus den dabei gewonnenen Erkenntnissen muB er seine Chancen schrittweise suchen und seine Konzeptionen gestalten. "Wenn eine Chance detiniert wird als eine Handlungsweise, die moglich ist und der nachzugehen sich offensichtlich lohnt, so solI das nicht heiBen, daB sich die lohnenswerte Handlungsweise auf die Durchfiihrung des Gesamtprojekts be­zieht ... Vielleicht erscheint gerade der erste Schritt von vomherein lohnenswert,

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und je nachdem, wie das Ergebnis ausfallt, mag sich dann auch der nachste lohnen. Wenn er eine groBe Chance unter die Lupe nimmt, muB ein Manager sie in einzelne voriaufige Schritte aufgliedern, die sich eindeutig lohnen ... " (de Bono [7] Seite 73). Diese Arbeitsmethode muB Ftihrungskraften allgemein und insbesondere Ma­nagern an der Spitze vermittelt werden und sie solI ten sich darin tiben. Das "Aufbauen" von Personlichkeiten mit Kreativitat und chancensuchendem Denken gewinnt einen hohen Stellenwert. Kreativitat ist moglich in guten Zeiten, lebens­wichtig in schlechteren.

Urn kreative Potentiale zu entdecken, beginnt man zunachst einmal damit, kreatives Denken ganz allgemein zu fOrdem. Dazu gehoren unter anderem folgende Themen:

• das Definieren von Ausgangs- und Zielsituationen, wichtig sind exakte verbale Definitionen, die sowohl Details als auch Zusammenhange enthalten

• Probleme und Chancen von allen Seiten betrachten und analysieren, - von mehreren Standorten eines Kreises sieht ein Gegenstand innerhalb des Kreises anders aus. So andert sich ein Tatbestand bei einer Analyse rundum, aus verschie­denen Blickwinkeln und von anderem Standort betrachtet.

• die Prognosefahigkeiten entwickeln, das ist ein Training zum Entwickeln pro­spektiven Denkens

• alternative Strategien fUr gleiche Ziele erarbeiten, - wichtig ist dabei, mehrglei­siges Denken anzuwenden,

• umfassende Projekte in Teilprojekte zerlegen und in Sach- und Zeitablaufen planen,

• das Unterscheiden von Fakten und Meinungen.

Wer interessiert ist, das Denken von Mitarbeitern in kreative Richtungen zu lenken, fangt mit diesen Themen in Vieraugengesprachen an. Ftir den gestreBten Chef ist das nicht machbar. Wie ware es dann, gelegentlich einen Psychologen einzusetzen? Das ist keine Aufgabe des Coachens, so richtig dies fUr andere Anlasse sein mag. Die Uberschrift lautet: entdecken und mobilisieren von Kreativitat. Ubrigens sollte der Schulungs- und Trainingsinhalt vorher offen mit den Mitarbeitern/Mitarbeite­rinnen besprochen, vor all em diskutiert werden. Sie mtissen den Zweck und die Person des Psychologen akzeptieren.

Die Themen sollten dann auch an Hand praxisnaher Vorgange in Gesprachszirkeln getibt werden: eine Zusammenlegung von Funktionen im Unternehmen, die Kon­zentration auf Unternehmenskerne, Simultaneous-Engineering-Projekte, also bei konkreten Organisations- und Gestaltungsaufgaben. Sollen die kreativen Denkpro­zesse dariiber hinaus weiterentwickelt werden, geht man zu den abstrakten "geisti­gen" Themen tiber wie Entwicklung von Produktprogrammen im Zusammenhang

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66 Kapitel3

mit dem Wertewandel, alternative Produktprogramme bei steigenden Kosten u. a. Die Themen zeigen schon, daB nur wenige Mitarbeiter in Betracht kommen, an diesen Gesprachskreisen teilzunehmen. Aber nach mehrmaligem Zusammenkom­men wird man an den Ergebnissen feststellen konnen, ob es sich lohnt. Es kommt darauf an, diejenigen Mitarbeiter zu erkennen, die tiber bisher nicht gefordertes kreatives Denken verftigen, urn diese nun weiter fUr Ftihmngsaufgaben aufzubauen. Das geschieht dann mit der Ubertragung von Projektleitungen fUr bereichstibergrei­fende Projekte. Sie bieten wie kaum andere Funktionen ausgezeichnete Trainings­moglichkeiten. Der Schwierigkeitsgrad sollte schrittweise erhoht werden. Wer Kreativitat in seinem Unternehmen verstarken will, muB Mitarbeitern Gelegenheit geben, zu zeigen, was in ihnen steckt.

Fiihrungsnotstand in den mittelstiindischen Unternehmen?

In einer Studie "Generationenwechsel im Mittelstand - Unternehmenstibertragun­gen und -tibernahmen 1995 - 2000", Autoren Freund/Kayser/Schroer, veroffent­licht das Institut fUr Mittelstandsforschung, ifm-Materialien Nr. 109, Zahlen tiber die bis zum Jahr 2000 zu erwartende Entwicklung ([11] Seite 59). Die Studie kommt zu folgenden Ergebnissen: Von den bis zum Jahr 2000 erwarteten 299 000 Unter­nehmenstibergaben finden 136 000 aus Altersgrtinden statt, 94 000 aufgrund eines unvorhergesehenen Ausscheidens des Unternehmers (Tod, Unfall, Krankheit), und 69 000 Ubergaben bzw. Verkaufe werden spontan durch den Wechsel des Unterneh­mers in eine andere Tatigkeit entschieden. Diese Zahlen stellen jeweils Untergren­zen dar. Sie beruhen auf den Daten der Umsatzsteuerstatistik und beziehen sich auf die alten Bundeslander.

"Ftir die Unternehmensnachfolge stehen bis zum Jahr 2000 etwa 128 000 Famili­enmitglieder (Erben), 42 000 leitende Mitarbeiter aus den betreffenden Unterneh­men (MBO) und 48 000 Nachfolger von auBerhalb des Unternehmens (MBI) zur Verftigung. Auch diese Zahlen sind als Untergrenze zu verstehen." Sie differieren nach Wirtschaftsbereichen und UnternehmensgroBen.

"Rein rechnerisch besteht somit ftir etwa 81 000 Familienunternehmen eine Nach­folgelticke, die, wenn sie nicht geschlossen werden kann, unweigerlich zur Stillegung dieser 81 000 tiberlebensfahigen Unternehmen und damit zum endgtiltigen Verlust von mindestens einer halben Million Arbeitsplatzen fUhren wird" ([11] Seite 60).

In den Zahlen der ermittelten Unternehmenstibertragungen 1995 - 2000 sind ent­halten:

Kleine Unternehmen Jahresumsatz bis 1 Mio. DM 228500

Mittlere Unternehmen Jahresumsatz 1 bis 5 Mio. DM 54 300

GroBere Unternehmen Jahresumsatz tiber 5 Mio. DM 16 000

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In den rund 300 000 Unternehmen, die fUr diese Zeit fUr Nachfolgen und Obertra­gungen anstehen, wurden yom IfM rund vier Millionen sozialversicherungspflich­tige Beschaftigte ermittelt, davon fUr Unternehmen mit mehr als fUnf Millionen Umsatz rund 2,5 Millionen ([11] Seite 39). Die Studie verweist darauf, daB die traditionelle Unternehmensiibertragung innerhalb der Eigentiimerfamilie zur Auf­rechterhaltung der Familientradition die Regel bleibt. Sie stellt dann fest:

"Zunehmend erschweren vor all em zwei Faktoren diese Form der Kontinuitatsbe­wahrung. Erstens sind die Anforderungen an selbstiindige Unternehmer ,'wettbe­werbsbedingt' in den beiden letzten Jahrzehnten sprunghaft gestiegen. In vielen Fallen sind daher auch die Kinder nicht mehr hinreichend qualifiziert. Zweitens suchen Jugendliche ihre Lebensaufgabe zunehmend in Bereichen auBerhalb der unternehmerischen Tatigkeit. Die Obernahme des familieneigenen Unternehmens und die damit einhergehende hohe personliche Belastung wird haufig ausgeschla­gen. Der kilnftige Nachfolger muB dann aus einem anderen als dem familiaren Kreis rekrutiert werden" ([ 11] Seite 40).

Ahnlich ist die Lage im Handwerk. Auch dort gibt es Studien. Nach einer Studie der Handwerkskammer Miinchen und Oberbayern (HWK) steht in den nachsten zehn Jahren in rund 15000 Mitgliedsbetrieben der dortigen Region - in Miinchen ca. 3500 - ein altersbedingter Inhaberwechsel an. Von den Betriebsinhabern, die keinen familieninternen Nachfolger haben, wollen 48 Prozent den Betrieb einfach auslaufen lassen, 52 Prozent wollen verkaufen. Steht ein(e) Nachfolger(in) aus der Familie zur Verfiigung, verhindere eine "inadaquate" Ausbildung der Kinder oft eine familieninterne Obernahme. 1m Handwerk ist es eben unvermeidlich, daB die Ehefrau des Sohnes und der Ehemann der Tochter im Betrieb mitarbeiten, zum Beispiel beim Backer und Konditor. Die Studie bringt zum Ausdruck, daB die Strukturen des Handwerks anders sind als die industrieller Unternehmen, Handels- und Dienstlei­stungsunternehmen. Die HWK hat schon seit zehn Jahren eine Betriebsborse einge­richtet, mit deren Hilfe Kammermitglieder qualifizierte Nachfolger finden konnen.

Die Studie des IfM [11] beschreibt eine paradoxe Situation: Wir benotigen beim Generationswechsel in mittelstandischen Unternehmen Nachfolger, die in erkenn­barem Umfang (noch) nicht zur Verfiigung stehen. So kommt dem kreativen Ent­wickeln interner Losungen groBe Bedeutung zu. Zur Personalsuche auf dem Markt fUr Fiihrungskrafte sei noch angemerkt: Beauftragte Unternehmer konnen aus Unternehmen rekrutiert werden, die in GroBe und Struktur vergleichbar sind. Weitere Moglichkeiten liegen in der Rekrutierung aus beratenden Berufen, wie Unternehmensberater, Wirtschaftspriifer sowie aus GroBunternehmen nach Ab­solvierung von Traineeprogrammen und zusatzlichen Ausbildungsstationen. Die Vorbereitung fUr die UnternehmensfUhrung nach mehrjahrigen Tatigkeiten in bera­tenden Berufen hat sich bewahrt, eben so nach Tatigkeiten bei vergleichbaren Unternehmen, insbesondere in den USA. Oberwiegend negativ werden dagegen Vorbereitungen in GroBunternehmen gewertet. Die Lernprozesse dort werden bau­fig von biirokratischen Organisationsformen und Denkweisen iiberlagert und fOr-

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68 Kapitel3

dern nicht die angestrebte Dynamik und Selbstmotivation kiinftiger Unternehmer und Manager.

Die Untersuchung der IfM zeigt einen generellen Trend auf, der iiber die mittelstan­dischen Unternehmen hinausweist: Nachfolgeentscheidungen sind involviert in die Wettbewerbssituationen des Unternehmens. Sie erhohen die Anforderungen an die UnternehmensfUhrungen. Die Personalentscheidungen zur Besetzung der Fiihrungs­positionen wirken langfristig, sind nicht kurzfristig veranderbar, allenfalls in einer Crashsituation. Vorbereitungen und Losungen benotigen ihre Zeit. Das deutet auf das Entwickeln von Nachfolgerpersonlichkeiten aus den Reihen des Unternehmens selbst hin, zunachst einmal fUr beauftragte Unternehmer, in Familienunternehmen ebenso wie in Nichtfamilienunternehmen. Das setzt voraus, daB Unternehmer bzw. GeschaftsfUhrer solche Initiativen selbst fordern, daB potentielle Nachfolger bestrebt sind, sich zu qualifizieren und daB auch ein "Jemand" als eine Art Tutor fungiert, damit dieser ProzeB in die richtige Richtung gelenkt wird, trendgerecht verlauft.

Zur Organisation der Fiihrung die Trends erkennen

Bei den Trends unterscheidet de Bono zwischen Hits, Moden, Umstellungen und Wachstum (de Bono [7] Seite 216). "Hits haben eine explosive Starke, und die psychologische Erklarung ist der Hunger nach Anklang. Moden sind komplexer ... Bis zu einem gewissen Grad funktioniert eine Mode nur, wenn es eine Gruppe gibt, die vor allen anderen Zugang dazu erhalt ... Eine Umstellung ist die machtigste Form des Trends, weil sie Dauer in sich schlieBt. Das bedeutet, daB eine Art, etwas zu tun, durch eine andere ersetzt wird." Bezogen auf den Generationswechsel bedeutet das, daB er eine neue Qualitat erhalt, fUr den Vorganger ebenso wie fUr den Nachfolger. 1st die Nachfolge an der Unternehmensspitze aus der Sicht des Juniors eine Chance? - Welche Befahigungen hat er wirklich? - Vielleicht liegt die Chance fUr ihn auf einem Teilgebiet, weil er dazu eine innere Bindung hat, auf anderen Gebieten weniger. Was miiBte zum Ausgleich an anderen Stellen der UnternehmensfUhrung geschehen, sollte zum Beispiel dort ein erganzendes Talent tatig werden? - Welchen Stellenwert wird diese Ausgleichsfunktion benotigen? Hierzu ein Beispiel:

Zwei Briider, demnachst GesellschaftergeschaftsfUhrer, stellen sich die Aufgabe, ihr Unternehmen zu einem international tatigen Hersteller fUr Mode- und Luxusartikel zu entwickeln. Sie vereinbaren eine Arbeitsteilung, bei der jeder mit eigenen Schwer­punkten an den Produkten und deren Prasentation arbeitet, beide wirken also marke­ting- und vertriebsorientiert. Die ausgepragte Kundenorientierung, von der das ganze Unternehmen gepragt wird, verspiirt der Besucher schon beim Empfang. Das Unter­nehmen wachst kontinuierlich, neue Funktionen entstehen und andere miissen wegen des Wachstums des Unternehmens ausgebaut werden: Die Organisation wichtiger Prozesse, zum Beispiel die Disposition der zu produzierenden Teile und des Einkaufs, die Kalkulation sowie die Kosten-, Ertrags- und Ergebniskontrolle, das Personalma­nagement fUr die Unternehmenszentrale eben so wie fUr Tochtergesellschaften im In­und Ausland, die EDV als eines der wichtigsten Instrumente der Organisation, - urn

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einige wichtige Saulen zu nennen, die flir geordnetes und gesundes Wachstum wichtig sind. Die beiden Unternehmer an der Spitze entschieden sich friihzeitig, flir diese Aufgaben einen Mitarbeiter einzustellen, der bei der Organisationsentwick­lung jeweils von Anfang an "dabei" ist, mit Eigenarbeit hilft, die Organisationen aufzubauen und spater zu delegieren. Nach vollzogenem Generationswechsel er­nannten die beiden Gesellschafter ihn zum Geschiiftsflihrer. Er wurde gleichberech­tigter Mitgeschiiftsflihrer mit Schwerpunkt flir die Verwaltungsleitung. Die drei bilden seitdem ein hervorragendes Team. Das Unternehmen hat seinen Umsatz in wenigen Jahren verdreifacht, bei guter Rentabilitat. Man muB nicht Hellseher sein, urn festzustellen, daB das Unternehmen diesen Sprung wohl nicht vollzogen hatte, wenn die Geschaftsflihrung nicht an einem Strang ziehen wiirde. Die Gestaltung der Produktprogramme mit vielen Innovationen vollzog und vollzieht sich quasi im Gleichschritt mit Abwicklungsprozessen und Innovationen bei Organisations- und Verfahrenstechniken. "Wesentliche Voraussetzung flir die Kreativitat in unserem Hause ist, daB wir keine Stellenbeschreibungen haben," sagte einer der Geschiifts­fiihrer zur Personalflihrung. "Hier soll jeder zeigen, was in ihm steckt."

Auf welche Dauer muB man sich bei dieser Ausgleichsfunktion einstellen? 1m vorangegangenen Beispiel wird sie wohl "lebenslanglich" sein. Die vertragliche Altersgrenze des "beauftragten Unternehmers" wird vermutlich ein eigenes Nach­folgeproblem auslOsen, das im Gesamtzusammenhang mit dem Generationswech­sel der Spitze des Unternehmens zu sehen ist. Nicht immer sind menschliche und sachliche Harmonie und Fiihrungsverhalten in gleicher Weise gegeben. Fiihrungs­liicken kommen haufiger vor als bekannt ist, zum Beispiel, wenn neben dem Unternehmer ein professioneller Marketingmanager an der Spitze benotigt wird. Oder, was eben so haufig vorkommt, ein Sanierer wird an die Seite des geschafts­fiihrenden Unternehmers geholt. Der nachfolgende Fall veranschaulicht den Unter­schied zu dem Team kreativer Unternehmer des vorangegangenen Beispiels:

Den Unternehmerkomment nicht ignorieren

Der Eigentiimerunternehmer, in diesem Fall personlich haftender Gesellschafter, hatte sich bald nach dem Generationswechsel, es waren genau zwei Jahre vergangen, mit Zustimmung aller Gesellschafter noch rechtzeitig einen Sanierer in die Ge­schaftsfiihrung geholt. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Geschiiftsfiihrem war anfanglich gut, die Arbeitsmethode des Sanierers gelegentlich (zu) autoritar, nicht passend zum Fiihrungsstil des Untemehmens. Aber seine Arbeit war erfolg­reich. Das Klima wurde kiihl. Der Sanierer spiirte die Zweifel und den Widerstand der Mitarbeiter, den en der andere personlich haftende Gesellschafter insgeheim den Riicken starkte. Nach zwei Jahren verlieB der Sanierer das Untemehmen, wie es hieB im Einvemehmen. Jeder wuBte, daB kein Einvernehmen mehr bestand. Nach weiteren zwei Jahren trat eine neue Schieflage im Unternehmen ein, die diesmal zu ernsten Vermogensverlusten fiihrte. Der Untemehmer hatte zwei Jahre zuvor erken­nen miissen, wie wichtig der Geschiiftsfiihrer mit dem Profil des Sanierers flir das

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70 Kapitel3

Untemehmen und ftir ihn selbst war. Er hatte gut daran getan, ihn langfristig in die Geschaftsftihrung einzubeziehen.

Was kann den Eigenttimeruntemehmer veranlassen, seinen Mitgeschaftsftihrer, des sen Arbeitsergebnisse zufriedenstellten, zu unterlaufen? Sollten sachliche Dif­ferenzen bestanden haben, warum wurden sie nicht besprochen und ausgeraumt? Liegen in solchen Fallen mangelnde Offenheit und Toleranz bei einem und tiberzo­gene Frustrationsempfindung beim anderen vor? Dem personlich haftenden Unter­nehmer fehlten Ftihrungs- und vor allem Lebenserfahrung.

1m Management ist man aufeinander angewiesen, jeder sollte die Schwachen des anderen hinnehmen, solange die Starken tiberwiegen. Aber niemand sollte gegen den Untemehmerkomment verstoBen. Den Mitgeschaftsftihrer unterlaufen, das ist ein schlimmer VerstoB, ebenso die Dberschatzung der eigenen Person sowie die Kritik und das Abqualifizieren in Anwesenheit Dritter. Das lassen sich nur Jasager, Vasal­lentypen gefallen, denen das Format zum beauftragten Untemehmer fehlt. Das beste, was einem Eigenttimeruntemehmer passieren kann, ist, daB sein Mitgeschaftsftihrer zusatzlich zum untemehmerischen Denken und Handeln auch tiber Zivilcourage verftigt und gegebenenfalls offen sagt, was er von einem KommentverstoB halt.

Nach diesem Ausflug in das Thema "Kreativitat" mochte ich zur Nachfolgeplanung zurtickkommen. Von unserem Ausflug sollten wir mitbringen, daB man zur Nach­folgeregelung nicht losmarschieren sollte nur mit der einzigen Vorgehensweise: Suche einer einzigen Personlichkeit, namlich die des Nachfolgers, vielleicht sogar traditionsgemaB aus der Familie. An die erste Stelle sollten wir die Frage stellen: Was wird aus dem Untemehmen? Auch andere Fragen rticken ftir den Seniorunter­nehmer in den Vordergrund, wenn der Generationswechsel in drei- bis vierjahrige Nahe kommt: Welche Mitsprache muB ich als Senior einem mittatigen Gesellschaf­ter einraumen, einem nicht mittatigen Hauptgesellschafter und anderen nicht mit­tatigen Gesellschaftem? - Dazu wird es Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag geben, was aber ist aus psychologischen Grtinden dartiber hinaus rats am? - "Was wtirde ich in dieser Situation tun, urn das Oberleben und damit die Kontinuitat des Untemehmens zu sichem?" - Bei ihrer Antwort ftigen Englander gleich hinzu: "Write it down," damit die Gedanken exakt und konkret genug sind. Auch kann man morgen und tibermorgen feststellen, ob man noch genau so denkt. - Welches Kapital wird ftir die Plane benotigt, wer gibt es mir oder/und meinem Nachfolger? - Wer konnte der ideale Partner sein?

Die Fragen konnten fortgesetzt werden. Sie konzentrieren sich auf das Untemeh­men. Sie zeigen, daB eine Systematik erforderlich wird, von der man sagen kann, die letztlich gefundene Nachfolgeregelung sei wirklich durchdacht. Das kann man wohl nicht so nennen, wenn der Untemehmer feststellt, seine Idee zur Nachfolge sei die folgende ... und verftigt dies testamentarisch, - bei allem Respekt vor seiner Kreativitat. Das Schicksal des Untemehmens verlangt mehr Sicherheit. Auch die Kreativitat des oder der Nachfolger und der Sachverstand kompetenter Dritter sollten genutzt werden und zur Wirkung kommen.

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4 ... auch und erst recht bei der N achfolgeregelung

Nicht nur kreatives Denken kann sich in autokratisch gefUhrten Unternehmen nicht entfalten. Das trifft auch fUr Innovationen zu, bei dem konkrete Produkt - und Verfahrensverbesserungen im Mittelpunkt stehen. Eines der Management-by­Scherzworte kommt auf den Punkt: Was ist Management-by-Spargel? Antwort: Wenn der Kopfherausschaut, wird er abgestochen. Aufvergleichbare Weise k6nnen die tradition ellen Organigramme und Stellenbeschreibungen kreativitatshemmend wirken. Auf der zweiten Ftihrungsebene stehen in mittelstandischen Unternehmen haufig drei Kastchen nebeneinander. Sie stehen fUr die Ressortleitungen: Vertrieb, Produktion, Verwaltung. Jede dieser Ftihrungsfunktion verlangt einen bestimmten Grundtenor des Denkens: der Vertrieb die Dynamik, die Produktion die strenge Rationalitat, die Verwaltung die Zuverlassigkeit. Auch wenn die Ftihrungskrafte qualifiziert sind, breitet sich dennoch bei vielen tiber den Grundtenor hinaus ein einseitig ressortgebundenes, abgeschottetes Denken aus, das Gegenteil von ressort­tibergreifendem Denken. Die Ursache dazu liegt nicht allein bei den Ftihrungskraf­ten der zweiten Ebene.

Ressortgebundenes Denken iiberwinden

Ganzheitliches Denken sollte yom Unternehmer vermittelt werden, zum Beispiel bei der Lasung ganzheitlicher Projekte. Wtirden Ressortleiter beauftragt, solche Projekte zu fUhren, wtirde ihre unternehmerische Gesamtsicht entwickelt und trainiert. Sie mtiBten sich bereichstibergreifend auseinander setzen mit Fragen wie: Wie wirkt ein Kostenanstieg bestimmter Gemeinkosten auf das Unternehmenser­gebnis? Mit welchen MaBnahmen werden Gemeinkosten gesenkt? Wieviel und bei welchen Produkten muB mehr umgesetzt werden, urn bei haheren Personalkosten die bisherige Rendite zu halten? - Welche Folgekosten entstehen durch Qualitats­mangel? - Mit welchen koordinierten Initiativen wird das Ergebnis verbessert usw. Einseitiges, ressortverhaftetes Denken hat auch fUr die betreffenden Ftihrungskrafte selbst nachteilige Folgen, wie das folgende Beispiel zeigt.

Ein in einer Marktnische sehr erfolgreiches Familienunternehmen wurde verkauft. Der Eigentiimerunternehmer schied aus. Neuer Eigentiimer war ein Konzern, der Nachwuchs fUr die Unternehmensspitzen selbst ausbildet. 1m Augenblick stand niemand fUr die neu zu besetzende GeschaftsfUhrerposition zur Verftigung. Die Ressortchefs des ehemaligen Familienunternehmens wurden in die Priifung zur Neubesetzung einbezogen. Sie schieden schon nach einem ersten Gesprach wegen ihrer einseitigen fachlichen Ausrichtung aus. Es war mehr ihre Geisteshaltung, die zu diesem Urteil ftihrte. Allein der Gedanke versetzte sie in Schrecken, fUr Vertrieb und Produktion integriert die Ftihrungsverantwortung zu tibernehmen.

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72 Kapite14

Das Entwickeln von Kreativitat sollte im Untemehmen generell ganz oben begin­nen, besonders aber wenn es urn Managementkreativitaten geht. Das ist nicht delegierbar und laBt sich nicht anordnen. Kreativitatsfahigkeiten beruhen auf einer Kombination rationalen und intuitiven Denkens. Wer dies beherrscht, hat es leichter, Fakten und Trends zu erkennen und Fahigkeiten zu entwickeln, daraus realistische (im Gegensatz zu illusionistischen) Prognosen zu erstellen. Bildlich gesprochen findet er, urn den Raum zu verlassen, im Dunklen die Ttir, ohne zuvor ein- oder mehrmals vor die Wand zu laufen und sich einen blutigen Kopf zu holen.

Die untemehmerische Kreativitat mochte ich als ein spezifisches Denken bezeich­nen, mit dem Konzeptionen entwickelt und verwirklicht werden, ebenso Vorhaben und Projekte. Sie ermoglicht,

• Managerengpasse zu reduzieren und Handlungsspielraume zu erweitem,

• untemehmenspolitische und strategische Konzeptionen wirksamer und Struktu­ren schlagkraftiger zu machen.

Ob es sich dabei urn chancensuchende und/oder problemlosende Zielsetzungen handelt, ist gleichgiiltig. Notwendig ist mehrgleisiges, vemetztes Denken, - Voraus­setzungen, tiber die ein konzeptiv denkender und pragmatisch handelnder Unter­nehmer verftigt.

Alle Manschen haben mehr oder weniger kreative Veranlagungen. Allerdings sind sie selten tiber den Horizont der unmittelbar eigenen Interessen hinaus entwickelt. Ftihrungskrafte sollten sie auf ihrem Werdegang weiterentwickeln, wer an die Spitze will, muj3 sie entwickeln, wer andere zu Ftihrungskraften machen will, umso mehr.

Wie immer, wenn Manschen planen und handeln: Irrttimer sind nie ausgeschlossen, trotz erstklassiger Konzeption und sorgfaltiger Auswahl des Nachfolgers. Unbestrit­ten ist aber, daB Fehlentwicklungen eingeschrankt werden.

4.1 Stimmt die Konzeption des Untemehmens?

Wie angektindigt, konzentriere ich mich auf das Untemehmen, dessen Ftihrung auf die nachste Generation tibergehen solI. Zunachst mochte ich die Frage offen lassen, ob Familienmitglieder fUr die Nachfolge zur Verftigung stehen und das Rtistzeug dafUr mitbringen, offen lassen auch, ob familienfremde Ftihrungskrafte zusatzlich oder ausschlieBlich in Aussicht genommen werden. Ich mochte die Denkweise und Motivation des Untemehmers deutlich machen.

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... auch und erst recht bei der Nachfolgeregelung 73

Aus dieser Sicht flihre ich gem einen Modellfall flir eine Nachfolgeplanung an, die der Untemehmer, Geschaftsflihrer und Hauptgesellschafter, ersann und wahrend einer sehr langen Zeitspanne verwirklichte, mit der unbeirrbaren Vorstellung, daB sein altester Sohn sein N achfolger wird. Sein Sohn besuchte zu jener Zeit noch das Gymnasium, und es war nicht sicher, ob er Neigungen hatte, Untemehmer zu werden. Der Untemehmer und das Untemehmen bildeten eine wirkliche Einheit. Eines war ohne das andere nicht denkbar. Nicht, daB der Untemehmer Autokrat gewesen ware, er war ein sympatischer, nach auBen nicht erkennbarer Patriarch. Von Haus aus war er Ingenieur, seine technischen Planungen waren zuverlassig, davon profitierte das Untemehmen. Es profitierte aber auch von seiner langfristigen Untemehmenspolitik. "Beim Autofahren darf man nicht auf die Motorhaube schau­en, gelegentlich vielleicht, normalerweise muB der Blick weit nach yom gehen." Nach dieser Devise baute er ein eigenstandiges Produktprogramm aus Kunststoff auf und zog sich schrittweise aus der Funktion des wenig profitablen Zulieferers von marktgangigen Metallbauteilen zuriick.

TieJverwurzelt: Unternehmen und Familie

Das Kunststoffprogramm konnte nicht leicht nachgeahmt werden. Die Pressen verlangen, gemessen an der Kapitalkraft mittel standi scher Untemehmen, hohe Investitionen, die PreBwerkzeuge sind teuer und die Produktentwicklung ver­schlingt viel Geld flir Vorleistungen. Dabei hatte er stets die betriebswirtschaftlichen Maximen im Auge, achtete mit strenger Kontrolle auf Wettbewerbsfahigkeit, Um­schlagshaufigkeit und Rentabilitat, "MeBlatten" zur Kontrolle von Fertigungs- und Vertriebsleistungen. Und gleichzeitig achtete er darauf, daB das Untemehmen insgesamt Schritt hielt mit der allgemeinen Produktivitatsentwicklung. Seit langem ist das Untemehmen nun schon unabhangig von den Produktentwicklungen der Kunden, wie es beim Zulieferer der Fall ist. Es hat sich auf mehreren Markten einen N amen gemacht.

Um bei den PreBwerkzeugen eigene QualitatsmaBstabe zu verwirklichen und unab­hangig von Lieferanten zu sein, wurde der eigene Werkzeugbau zu einem selbsttra­genden Geschaftsfeld ausgebaut. Das verlangte emeute Investitionen, zusatzlich in Wissen und Konnen von Mitarbeitem. Die zwei Beine, auf denen das Untemehmen steht, sind tragfahig. Die Umstrukturierung ist seit mehreren Jahren beendet. Das Untemehmen ist kontinuierlich rentabel. Wolken am Himmel sind nicht in Sicht. Der (Senior)Untemehmer hat die Geschaftsflihrung an die nachste Generation iibergeben.

Wahrend der langjahrigen Zusammenarbeit sprach ich mit ihm gelegentlich tiber seinen alteren Sohn, den er als Nachfolger stets im Auge hatte. Als ich diesen nach Ende seines betriebswirtschaftlichen Studiums in einem Gesprach naher kennen­lemte, winkte er beim Punkt Fiihrungsnachfolge eindeutig abo Er stellte sich eine wissenschaftliche Laufbahn vor. Ein paar Jahre spater, als die kiinftige Untemeh­mensstruktur immer deutlichere Gestalt annahm, anderte er erfreulicherweise seine

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Meinung und seine Lebensplanung. Das Untemehmen wird fUr die Generation des Nachfolgers wettbewerbsfahig sein, wenn nicht grobe Fehler gemacht werden. Allerdings wird man wegen der rasant laufenden Zeit sagen mtissen: "Am Ball bleiben." Die Elektronik bietet dem Untemehmen viele Ansatzpunkte, die Nase bei der Automatisierung der Fertigungsanlagen vorn zu behalten, in der Kunststofferti­gung ebenso wie beim Werkzeugbau. Darin stecken Synergien. Das Untemehmen kann also, und sollte es, im Rahmen seiner heutigen Struktur weiter wachsen.

In diesem Beispiel ist die patriachalische Lebenseinstellung des Seniors mitbestim­mend, vielleicht ausschlaggebend. Wtirden aIle Unternehmer ihre Nachfolge so planen und verwirklichen, wtirden Schwierigkeiten im Rahmen des Generations­wechsels zu den Ausnahmen gehoren. In der Wirklichkeit bildet der geschilderte Ablauf selbst eher die Ausnahme. Er zeigt, das werden wir noch wiederholt bestatigt finden, daB zum Vorbereiten des Generationswechsels zwei Voraussetzungen wich­tig sind:

• Die Planungen und Gestaltungen benotigen Zeit, es muB nicht so lang sein wie in unserem Beispiel.

• Wesentlich ist eine harmonische, tragfahige Beziehung zwischen Vater und Sohn bzw. Tochter.

Diese Maximen gelten auch fUr FremdgeschaftsfUhrer, die ihrer Aufgabe als be auf­tragte Unternehmer gerecht werden. Sie sollten dazu beizeiten Plane mit dem oder den zustandigen Organen ihrer Gesellschaft abstimmen.

Generationswechsel Jriihzeitig planen

Wie auch immer die Situation im einzelnen Unternehmen sein mag: Spatestens drei bis vier Jahre vor dem ins Auge gefaBten Ftihrungswechsel an der Spitze des Unternehmens mtissen die fUr die Kontinuitat des Untemehmens wichtigen Fragen grUndlich, fernab vom Tagesgeschaft, untersucht werden. Obenan steht: Stimmt die Konzeption des Untemehmens?

Damit zurUck zu den am SchluB von Kapitel 3 gestellten Fragen. Diese und andere, unternehmensindividuelle Uberlegungen sollte der Seniorunternehmer drei bis vier Jahre vor seinem Ausscheiden aus der GeschliftsfUhrnng anstellen. Er soBte tiber Marktentwicklungen und Trends und tiber die Zukunft seines/seiner Unternehmen nachdenken. Er sollte zu einer bildhaften Vorstellung, seiner Vision gelangen, wie sein Unternehmen in zehn bis 15 Jahren aussehen konnte oder auch aussehen sollte, wenn bestimmte Chancen genutzt werden. Vielleicht sollte er nachdenken, nachdem er zuvor eine mehrwochige USA-Reise gemacht und studiert hat, wie gleiche oder ahnliche Unternehmen und Branchen sich dort entwickeln. Die wirtschaftliche Entwicklung ist dort urn einige Jahre voraus, nicht in allen Branchen, aber in vielen.

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Die GroBe des Marktes der USA vennittelt Eindrticke tiber fortschrittliche Metho­den des Vertriebs und Losungen in der Produktion. Auf die Trends kommt es an.

Die Zeitspanne von drei bis vier Jahren ist sehr individuell zu sehen:

• Mit Bezug auf das Untemehmen: Vielleicht hat das Untemehmen einen Nach­holbedarf, die Produktivitat zu erhohen, siehe dazu Kapitel 2. Hier wird oft der AnschluB verpaBt. AuBerdem stellt sich die Frage, ob die Konzeption des Unter­nehmens stimmt. Zum Erstellen bzw. Aktualisieren der Konzeption, der unter­nehmenspolitischen Richtung, benOtigen die Akteure ein paar Wochen. Aber daraus sind Konsequenzen zu ziehen, wenn sichergestellt werden solI, daB nach dem Generationswechsel auch die Leistungsfahigkeit des U ntemehmens gewahr­leistet wird. Das kann Veranderungen, zum Beispiel Investitionen und organisa­torische Umstellungen bedeuten, die ein bis zwei Jahre Zeit in Anspruch nehmen, moglicherweise schon gemeinsam mit dem Nachfolger, der bis dahin vielleicht verftigbar ist.

• Mit Bezug auf den NachfoJger: Gegebenenfalls sind Nachfolger aus der Familie und/oder der Ftihrungsmannschaft des Untemehmens zu suchen, moglicherweise von auBen. Damit gehen rasch sechs bis zwolf Monate ins Land. Einarbeitung­zeiten sind zu berticksichtigen, die unterschiedlich lang sein konnen, im Mini­mum sechs Monate, wenn Ftihrungserfahrungen im Topmanagement voriiegen, im Maximum zwei Jahre, wenn es sich urn ein geeignetes Mitglied der Familie mit wenig Erfahrung als Topmanager handelt.

• Parallel dazu laufen die Besprechungen mit (Mit -)Gesellschaftem und Beratem. Die Vorbereitung von Vertragen und Verftigungen sind mit mehreren Monaten zu veranschlagen.

• Die Gestaltung des Lebens des Seniors nach seinem Ausscheiden will geplant sein und vorbereitet werden.

Siehe dazu Ubersicht 2 am SchluB von Kapitel 1.

Das Unternehmen in der niichsten Generation: Zieie, Strukturen, Fiihrung

Ein tatkraftiger Untemehmer sagte mir einmal: "Als Untemehmer mtiBten wir hier und da eine ahnliche Arbeitsweise anwenden wie ein U ntemehmensberater." Thema und Zeitpunkt treffen hier zu. Der Untemehmer sollte namlich seine Gedanken tiber die Zukunft des Untemehmens zu Papier bringen. Er sollte dartiber schreiben, wo er Sorgen wegen der Wettbewerbsfahigkeit der Produkte, Sortimente, Qualitaten und Preise hat, vor allem, wo und wie sie weiter verbessert werden sollten, auch dartiber, was getan werden mtiBte, urn Gefahren abzuwenden. Er sollte tiber Inve­stitionen schreiben, die die Wettbewerbsfahigkeit nachhaltig verbessem wtirden,

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sowie tiber QualifIkationen und Anforderungen an den Naehfolger und moglieher­weise aueh tiber einen personellen Unterbau, damit niehts versaumt wird, zum Beispiel, urn in neue Markte vorzudringen usw. usw. Liegt dem Unternehmer die eigenhiindige Niedersehrift nieht, kann er damit einen Unternehmensberater be auf­tragen, der aueh ein qualifIzierter Gespraehspartner sein sollte. Dieser sollte aller­dings zuvor naehweisen, daB er Unternehmenskonzeptionen entwiekelt hat, die aueh mit Erfolg durehgefUhrt wurden. Das ist keine Aufgabe fUr Anfanger, und von dem "Gestandenen" ist sie in eigener Person zu erbringen, nieht delegierbar. Von der UnternehmensgroBe konnte es abhiingen, ob Ftihrungskrafte zur Verftigung stehen, die die Konzeption mit dem Unternehmer gemeinsam erstellen oder ihm zuarbeiten konnen. Vielleieht ist es dem Unternehmer gelungen, bei seinen Ftihrungskraften kreatives Denken zu entwiekeln, so daB er dies jetzt nutzen kann. Die Gedanken des SeniorsunternehmersNorgangers sollten mtinden in der Konzeption des Unterneh­mens fUr die naehste Generation.

Die Gedanken zur Konzeption sind zunaehst Ideen, Vorstellungen tiber Ziele, die man anstreben konnte, moehte und vielleieht aueh sollte. Dann folgen Gedanken tiber Instrumente, teehnisehe, strukturell/organisatorisehe Mittel und mensehliehe Potentiale. Dieses Gespann benotigt man, urn die Ziele zu erreiehen. AIle Gedanken sind zunaehst noeh vage, sind Visionen. Aber der wirkliehe Unternehmer gibt keine Ruhe, bis er die konkreten Losungen gefunden hat. Sehr haufIg kntipft er mit seinen Gedanken an neu entstandene Situationen an, wie neue Teehnologien, fortgesehrit­tene Produktivitat, neue Organisationsformen, neue Managementpraktiken u. a. Der Unternehmer, vorgeriiekt in das Seniorenalter, verftigt in dieser Zeit tiber noeh lebendige Wissenspotentiale, die er sieh von der Seele reden oder sehreiben sollte. 1m AlltagsstreB hatte er bisher wenig Zeit dazu. Er konnte jetzt den Faden weiter spinnen und innovative Hinweise fUr Produktentwieklung, rationellere Angebots­und Vertriebsmethoden, effizientere Fertigungsteehniken u. a. geben. Diese Zeit sollte genutzt werden, bevor der Senior in ein Lebensalter kommt, in dem kreative Gedanken nieht mehr flieBen und altersbedingt eher inaktives Verhalten einsetzt.

Jede Konzeption, fUr welchen Zweek sie aueh erstellt werden mag, benotigt ein bestimmtes Geriist:

• Die Konzeption ist auszuriehten auf ein Ziel oder mehrere, auf diese mtissen die Strategien eingestellt werden.

• Urn die Strategien zu verwirkliehen, werden ein bestimmtes Potential, Strukturen verbunden mit bestimmten Organisationsformen erforderlieh (dazu gibt es mei­stens Alternativen).

• Dazu gehOren Mansehen: eine Ftihrung mit Mitarbeitern, die tiber bestimmte Befahigungen verftigen sowie eine Manpower mit begrenztem Umfang.

Diese drei Faktoren mtissen deekungsgleieh gestaltet werden. Jemand, der zu viele oder zu hoehgesteekte Ziele angehen will, dafUr zu geringe Potentiale und Mansehen

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mit unzureichenden Befahigungen hat, wird auf die Nase fallen. Zum Beispiel: Wer in den USA Autos verkaufen will, bestimmte Mangen mit bestimmter Qualitat, benotigt dazu ein bestimmtes Potential der Produktion, alternativ Importe aus anderen Landern, ebenfalls Strukturen und Organisationsformen, urn die geplanten Leistungen zu bewirken. Dies wiederum setzt bestimmte Befahigungen bei den Manschen und eine bestimmte Manpower voraus. Ziele (Ertrage) mussen mit den Strukturen/Organisationsformen (Aufwand) harmonisiert werden, wenn die Plane Erfolg haben sollen. Zwischen den spater zu erstellenden Planungsdaten muB eine wirtschaftlich sinnvolle Konvergenz hergestellt werden. Das ist eine Maxime, nach der Konzeptionen erstellt werden, von denen man nach menschlichem Ermessen positive Ergebnisse erwarten darf, siehe dazu Ubersicht 8 am Ende von Kapitel 4.

Konzeptionsiinderungen nicht verpassen

Das Unternehmen kann mit der bisherigen konzeptionellen Ausrichtung gute Erfol­ge erzielt haben. Keine Konzeption bietet aber Gewahr fUr unbefristete Zeit. Die Dauer einer Generation, also 25 bis 30 Jahre, entspricht bei Konzeptionen schon einer selten langen Lebenskurve. Schon 15 bis 20 Jahre sind lang. Unternehmen, die sich in oder bald nach dieser Zeit mit ihrer konzeptionellen Ausrichtung nicht verandern, werden unerbittlich aus dem Markt gespiilt. "Wer zu spat kommt, den bestraft das Leben." GroBer werdende Markte (europa- und weltweit), veranderte Konsumgewohnheiten (Wertewandel) und Fortschritte in der Technologie, Organi­sation und Produktivitat setzen neue MaBstabe und verlangen oder erzwingen Veranderungen. Wer rechtzeitig handelt, hat Vorteile. Dazu ein Beispiel, das jeder versteht: Verkehrsbetriebe, die ihr Inkassosystem friihzeitiger umstellten als andere, sparten hohe Ausgaben fUr Schaffner, Kontrollpersonal, Fahrscheinverkauf, manch­mal fUr ein paar Jahre. Aber die Zeit muB fUr diese Veranderung auch reif sein. Die Manschen mussen mitmachen, als Konsumenten ebenso wie als Mitarbeiter, als Dienstleister wie als Lieferant. Auch dazu ein einfaches Beispiel: Schon mehrere Jahre waren Bildschirmschreibmaschinen in den USA im Einsatz, bevorzugt bei den Chefsekretarinnen. Zu dieser Zeit wurden sie in Deutschland in den Sekretariaten noch abgelehnt. Jetzt gehoren traditionelle Schreibmaschinen schon fast zu Anti­quitaten. In den wenigen Jahren, die dazwischen liegen, gerieten Hersteller konven­tioneller Schreibmaschinen mit groBen Namen ins Abseits und muBten ihre Pforten schlieBen. Sie hatten die Zeichen der Zeit nicht rechtzeitig erkannt. Der nachste Entwicklungsschritt, der yom Personal Computer ausgeht, ist schon im Gang.

Spatestens beim Generationswechsel muB die bisherige Konzeption auf den Pruf­stand. Moglicherweise konnen ihre Grundlagen fortgefUhrt werden. Ziele und Strategien, Strukturen und Organisationen sind dann zu modifizieren, an Verande­rungen der Umwelt anzupassen. Die Situation kann aber auch eine vollstandige Neuausrichtung erfordern. Was in beiden Fallen auch verandert wird: Sicherzustel­len ist eine Kontinuitat der Leistungen. Sollten z. B. aus Kostengriinden interne Veranderungen notwendig werden, sollten Korrekturen stets behutsam eingeleitet werden. Ein gutes Beispiel dazu bieten die Leading Hotels. Wechseln die Immobi-

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lien dieser Tophotels ihren Eigentiimer, setzen die Hotelmanager und Betriebsge­sellschaften alles daran, die Kontinuitat im Gastebetrieb sicherzustellen. Kontinui­tatsbriiche sollten nur sichtbar werden, wenn der oder die Eigentiimer dies wollen, zum Beispiel bei feindlichen Ubemahmen und ungesetzlichem Verhalten der Topfiihrung.

Drei Beispiele fur weiterentwickelte Konzeptionen

Die folgenden Beispiele zeigen, was und wie fiir die nachste Generation vorausge­dacht wird. Sie machen auch branchenbedingte Unterschiede deutlich. Auf Zahlen fiir Umsatzziele und Kosteneinschatzungen wird verzichtet.

Beispiel 1 Printverlag: Die Grundlage des Untemehmens sind Tageszeitungen. Schon in der jetzigen Generation sind die Produktionsablaufe stark beschleunigt und zeitlich verkiirzt worden. Neuzeitliche Texterfassung in Redaktion und Anzei­genaufnahme ermoglichen spatere SchluBzeiten, modeme Druckautomaten spate­ren Andruck und rechtzeitige Auslieferung. Als Abonnementzeitung kann der Verlag nur im Verdrangungswettbewerb wachsen.

Nun sollen Anstrengungen untemommen werden, die Marktanteile in bestimmten Regionalausgaben auszubauen, in anderen zu halten. Dazu werden lokale Redak­tionen verstarkt. Zur Rentabilitatsverbesserung hat ein qualifiziertes Leistungs- und Kosten-Controlling Vorrang. Daneben sollen zusatzliche Standbeine auf- und aus­gebaut werden: ein Zeitschriftenverlag sowie ein Verlag fiir Druckerzeugnisse. Ziel dieser konzeptionellen Planungen ist es, Synergien zu erzeugen. Dazu bieten sich Kontakte zu den Untemehmen im Verbreitungsgebiet an, redaktionelle Ressourcen, Beilagenwerbungen, verfiigbare Manpower in Fiihrung und Verwaltung. Die Kriegskasse ist gefiillt, urn einen in die Zielrichtung passenden eingefiihrten Verlag zu erwerben.

Beispiel 2 ZulieJerer: Urspriinglich waren es gummitechnische Artikel, die an die Personen- und Nutzfahrzeugindustrie zugeliefert wurden. Die Produktqualitat und die Zuverlassigkeit der Lieferungen waren schon in der derzeitigen Generation AnlaB, die Zusammenarbeit auf andere Werkstoffgebiete, insbesondere NE-Metalle, auszudehnen. In der nachsten Generation wird diese Zusammenarbeit fortgesetzt und vertieft. Der Zulieferant wird nicht nur Erzeugnisse liefem, die beim Kunden entwickelt wurden, sondem er wird schrittweise die Entwicklung der Produkte selbst iibemehmen oder mit seinem Erfahrungspotential an der Weiterentwicklung mitwirken. Fiir den Zulieferer bedeutet dies, Ingenieure fiir eigenstandige Entwick­lungsarbeiten aufzubauen. Sie sollen simultan zu den Entwicklungsprojekten der Kunden, zum Teil vor Ort bei den Kunden arbeiten. Damit werden vertragliche Absicherungen verbunden. Die Beziehungen zwischen Zulieferer und Kunden werden intimer und sicherer gestaltet. Der Zulieferer sieht sich damit in der Lage, in der Fertigung leistungsfahigere Automaten einzusetzen und Produktivitiitsfort­schritte zu erzielen.

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Beispiel 3 Anlagenbau: Der Ursprung des Unternehmens liegt in der Fertigung von Ventilatoren mit Standartleistungen und Sonderfertigungen. Dort lieB der Markt nur begrenztes Wachstum zu. Schon in der vorangegangenen Generation wurden des­halb Produkte fUr groBere Einsatzbereiche erschlossen, in die Ventilatoren als Komponenten integriert sind. Die hauptsachliche Wertschopfung verlagerte sich auf derartige Anlagen wie Absaugungen und Trocknungsanlagen fUr die Holz- und Mobelindustrie, Schredderanlagen (englisch: shredder = zerfetzen), mit denen Au­towracks zerkleinert und zu einschmelzfahigen Schrottpaketen zusammengepreBt werden, Entsorgungssysteme in Metall- und Holzunternehmen u. a. Damit wurden groBere Ingenieurpotentiale erforderlich, so daB man scherzhaft sagen konnte: Das Unternehmen besteht aus einem groBen Ingenieurbtiro mit angeschlossener Ferti­gung.

In der nachsten Generation wird diese Struktur weiter ausgebaut. Bei den Erzeug­nissen sind weltweit Anlagen gefragt, die der Umweltverbesserung dienen: Systeme der Entstaubung, Reinigung der Luft, Aufbereitung von Werkstoffen u. a. Der Beratungsservice vor dem Verkauf wird verstarkt. Gemeinsam mit Partnern werden Sttitzpunkte in Asien und Ubersee eingerichtet. Transportaufwendige Bauteile, zum Beispiel Rohrsysteme und Verkleidungen, werden in der Nahe der Baustellen gefertigt. Das Internet ermoglicht neue Formen der Zusammenarbeit. Neue Projekt­manager werden benotigt. Die Qualitat der Ingenieurpotentiale entscheidet tiber den Erfolg. Das Stammhaus wird Schulungsinstitution fUr breiter angelegtes Wissen: Gesamtsysteme, die auf neue Anwendungsbereiche ausgedehnt werden, Training von Projektmanagern. Auch sprachliche Ausbildungen gehoren dazu.

Unternehmenskonzeptionen sind zunachst noch keine rechnerisch durchgearbeite­ten Planungen. Sie geben die strategischen Richtungen und Ziele an. Wenn diese gentigend konkretisiert sind, werden die noch grob angestrebten Erfolge beziffert und die fUr die Umsetzung benotigten Personal- und Sachkosten veranschlagt. Auch die Zeitraume sind ins Auge zu fassen, in denen die Planungen verwirklicht werden sollen. Konzeptionsanpassungen und Neukonzeptionen binden Managementkapa­zitat und meistens sind mit ihnen Investitionen und auf jeden Fall Vorbereitungs­und Anlaufkosten verbunden. Deshalb sollte das Unternehmen, wenn diese Aktivi­taten vorbereitet und in Angriff genommen werden, rentabel arbeiten. 1st dies nicht der Fall, sollten zuvor Verlustlocher gestopft und Schieflagen beseitigt werden, wie in Kapitel 2 beschrieben.

Die Planungen fur den Generationswechsel sind zuniichst noch grob

In diesem Stadium soUte der SeniorunternehmerNorganger sich zunachst selbst einen Uberblick tiber die wirtschaftliche Situation und die Zukunftschancen des Unternehmens schaffen. Er sollte an den Nachfolger an dieser Stelle nur dann denken, wenn im FaUe eines Familienunternehmens bereits Namen im Spiel sind. 1m tibrigen soUte er ausschlieBlich an die derzeitige Situation des Unternehmens und seine kiinftige Ausrichtung denken.

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Das Resiimee einer Ausarbeitung des SeniorsNorglingers muB auf folgende Fragen Antwort geben:

• Stimmt die Konzeption des Unternehmens, ist insbesondere seine Wettbewerbs­fahigkeit so fundiert, daB es voraussichtlich in der nachfolgenden Generation bestehen kann? Was kann/muB insbesondere bei der Produktpalette geschehen, urn die Wettbewerbsfahigkeit wirksam zu verbessern? Die Produktpalette bildet den Kern fiir die Unternehmensentwicklung.

• In welchen Bereichen soUte das Unternehmen anders strukturiert und organisiert werden, urn (noch) rentabler zu werden? - Sind das Schlankmachen oder andere interne MaBnahmen ausreichend oder muB Kapital zugefiihrt werden? Sind Aktivitliten am Kapitalmarkt erforderlich, welche?

• Miissen Verlustlocher gestopft werden, wo und mit welchen Mitteln?

• Besteht die realistische Chance, innerhalb der Familie eine NachfolgelOsung zu finden und wie konnen, falls erforderlich bzw. erkennbar, ausgleichende Befahi­gungen von familienfremden Managern, "beauftragten Unternehmern", wie ich sie genannt habe, eingebaut werden? Lassen sich diese mit kreativen, unterneh­mensinternen Verlinderungen schaffen? Sind Fiihrungskrlifte im Unternehmen tlitig, die BeHihigungen dazu haben und weiterentwickelt werden konnen?

• Was ist zu tun, wenn potentielle Nachfolger der Familie nicht zur Verfiigung stehen? SolI eine familienfremde Geschliftsfiihrung vorgesehen werden? Wie ist dann die Rechtsform zu gestalten? Oder solI dann doch eher der Verkauf ins Auge gefaBt werden?

Wenn erste Antworten auf die gestellten Fragen gefunden sind, sollte der Unterneh­mer die (Mit-)Gesellschafter, in Familienunternehmen die Familienmitglieder, an­sprechen. Er kommt zu ihnen mit einer noch groben Konzeption, die kllirungsbe­diirftige Stellen haben wird. Man kann aber davon ausgehen, daB eine Leitlinie fiir die Chancen und Risiken da ist. Von den Betroffenen werden dann folgende Kernfragen beantwortet werden konnen:

• Wie denken die Gesellschafter iiber die Situation des Unternehmens und die konzeptionellen Planungsvorschllige?

• SoUen die Planungen in Richtung der Vorschllige vertieft oder in welche andere Richtungen soU gedacht werden?

• Wem sollen diese Aufgaben der Vorbereitung des Generationswechsels iibertra­gen werden?

• Welche VorsteUungen bestehen iiber die Gestaltung der Fiihrung? Gegebenenfalls erglinzend dazu:

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• "Inwiefem profitiert das Unternehmen von einem weiterftihrenden Engagement der Familie (bzw. der Familien)?

• Inwiefem profitiert die Familie (bzw. profitieren die Familien) von einem weiter­fUhrenden Engagement im Untemehmen?" (Riedel [16] Seite 188)

Nach eigenen Erlebnissen geht es bei den letzten beiden Punkten urn Fragen der emotional en Bindungen und des sozialen Engagements der Familie bzw. bestimmter Familienangehoriger, die aktive Mitarbeit im Untemehmen, finanzielle Bindungen sowie Leistungen des Untemehmens an Familienmitglieder, einschlieBlich der passiven Mitglieder. Siehe auch Ziffer 4.4. Daraus sind Schli.isse fUr die weitere Vorgehensweise beim Generationswechsel zu ziehen.

Das Beispiel des langfristig planenden Untemehmers mochte ich urn ein weiteres erganzen, das sich ca. zwei Jahre vor der Uberleitung der GeschaftsfUhrung auf den Sohn und vor weiteren Jahren bis zur Eigentumstibertragung zutrug.

Beispiel: "Ein Ruck ging durch das Unternehmen"

Ein Untemehmer hielt seinen jtingeren Sohn fUr den geeigneten Nachfolger. Nach dem Studium und verschiedenen Praktika war er bereits einige Jahre im Untemeh­men tatig, verfUgte tiber einen breiten Wissensfundus in der Technologie und Fertigungstechnik der Holzbe- und -verarbeitung. Er war begierig, zusatzlich Wis­sen tiber Mobelmarketing und -vertrieb aufzunehmen, eben so tiber Verwaltung, Wirtschaftlichkeitsanalysen u. a. Er war ideenreich, was der Zusammenarbeit mit Designem zugute kam, auch innovativ veranlagt, und er konnte Ideen umsetzen. Als ich ihn kennenlemte, war er Anfang 30. Er wollte das Untemehmen, das zehn Jahre zuvor noch groBer Handwerksbetrieb war, leistungsfahiger und produktiver gestal­ten, ohne die Individualitat der Produktprogramme einzuschranken, die sich auf hohem Qualitatslevel bewegten. Er hatte mit mir bereits ausfUhrlich tiber die Organisation gesprochen, tiber Ziele und Strategien, tiber Rollenverteilung in der ktinftigen GeschaftsfUhrung und bei nachgeordneten Ftihrungskraften. Wir stimm­ten darin tiberein, ein zusatzliches Marktsegment zu erschlieBen, urn das Untemeh­men nicht von nur einem Absatzweg abhangig sein zu lassen. Das hatte zur Folge, eine Reihe von Produkten zusatzlich zu entwickeln und die Vertriebsorganisation auszubauen. Auf seine Frage stimmte ich dem Senior zu: Sein Sohn verftigte tiber die fachlichen und menschlichen Qualifikationen, die er an der Spitze des Unter­nehmens benotigte. Sie paBten auch zu der Situation des Untemehmens, wenn man an das weitere Wachs tum im Verlauf seiner Generation dachte.

Ais Restimee dieser gemeinsamen Uberlegungen erstellte ich eine Untemehmens­konzeption, verbunden mit einem Leitfaden fUr die Untemehmensentwicklung in den nachsten zehn Jahren. Darin enthalten waren auch die Strategien und Aktivitaten fUr die angestrebte Produktivitatsverbesserung. Dort war einiges nachzuholen. Deshalb wurde ein Plan fUr Arbeitsplatz- und -ablaufgestaltungen gemacht sowie

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ein Programm, mit dem die Qualitat der Produkte sichergestellt werden sollte. Fertigungsmaschinen sollten mit elektronischen Steuerungen ausgertistet werden, urn AusschuB und Nacharbeiten zu reduzieren. Die Verwaltungsabteilungen sollten mit Personalcomputem ausgestattet und mehrere Abteilungen zur Datenverarbei­tung vemetzt werden.

Die hier skizzierte Ausrichtung des Untemehmens und das Arbeitsprogramm wur­den mit dem Senioruntemehmer grtindlich besprochen. Anfanglich (westfalisch) zurtickhaltend, fUhlte er sich dann aber zunehmend integriert, so, als ob es seine Aufgaben werden sollten. Und dann kam der wichtige Satz: Er wolle die Konzeption und das Arbeitsprogramm mit seinem Mitgesellschafter besprechen, der im Unter­nehmen nicht mitarbeite, aber laut Gesellschaftsvertrag das Recht habe, in der nachfolgenden Generation einen in der GeschaftsfUhrung mittatigen Gesellschafter zu stellen. Er habe das Gesprach bisher gemieden, weil er sieh "unsicher fUhlte, wie es nach seinem Ausscheiden weitergehen werde" ... "Ich weiB doch nicht, wie me in Sohn die Sache anfaBt und ob er sich mit X (Sohn des Mitgesellschafters) in der GeschaftsfUhrung vertragen wird." Der Senioruntemehmer fUhrte das Gesprach mit dem nieht tatigen Mitgesellschafter. Er berichtete dartiber, daB dieser und dessen Sohn sieh sehr interessiert gezeigt haben, die finanzielle (Minderheits-) Beteiligung langfristig aufrecht zu erhalten, und der Sohn sei bereit, gemeinsam mit dem Sohn des Senioruntemehmers in der GeschaftsfUhrung tatig zu sein. Der Mitgesellschaf­ter sah in seiner Minderheitsbeteiligung eine gute Kapitalanlage, mit der er seinem Sohn berufliche Sicherheit bot.

Ftir das Vntemehmen war ein Vorteil aus der zweikopfigen GeschaftsfUhrung nicht erkennbar. Der eine verftigte neben seinem fachlichen Sachverstand tiber ausgeprag­te Dynamik, das befahigte ihn fUr die Ftihrung von Vertrieb und Produktion. Der andere hatte sieh als Regierungsbeamter moglicherweise wohler gefUhlt. Ftir eine Ressortleitung kam fUr ihn die Verwaltung in Betracht. So wurde die permanente Gefahr der Kollision eingeschrankt. Niemand wollte an der zweikopfigen Ge­schaftsfUhrung etwas andem. Der Senioruntemehmer: "Vielleicht hat in der nach­sten Generation der andere Familienstamm den ttichtigeren N achfolger". Die beiden Junioren gaben sieh mehr als ein Jahrzehnt Mtihe, sich zu verstandigen. Erst nach ca. 15 Jahren trennten sie sich. Der Senioruntemehmer hat die GeschaftsfUhrung der beiden Junioren wahrend der Dauer von zwei Jahren beobachtet, hat die Umsetzung der Konzeption sowie der Arbeitsprogramme verfolgt. Dann wurde der juristische Akt des Generationswechsels mit der Neufassung der Gesellschaftsver­trage vollzogen. Aus diesem Beispiel habe ich einmal mehr erkannt, wie sehr die unmittelbar Beteiligten ihr Verhalten ausrichten auf Ziele und Plane, denen sie vertrauen. Zunachst war es der dynamische Junior, der sich mit der Konzeption identifizierte, danach der Senior und schlieBlieh der Mitgesellschafter und sein Nachfolger. Was am meisten tiberzeugte, war "der Ruck, der durch das Vntemeh­men ging" (Zitat des technischen Leiters), als der Junior und seine Mitarbeiter die Regie im Vntemehmen tibemahmen. Der juristische Akt, die Eigentumsiibertragung der Gesellschaftsanteile, unterlag dann keinem Risiko mehr, denn er bestatigte das, was im Vntemehmen Realitat geworden war.

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... auch und erst recht bei der Nachfolgeregelung 83 ---------Was an dies em Fall auch imponierte, war das Denken des Seniors in Zusammen­hangen. Er akzeptierte die Anstregnungen zum Verbessern der Produktivitat und den gleichzeitigen Ausbau der Vertriebsorganisation. In der Praxis wirkte sich das so aus, daB zusatzliche Produktprogramme auf einer neuen Absatzschiene mit der bisherigen, also gleichen Zahl der Mitarbeiter produziert und vertrieben werden konnte. Die Produktivitat wurde wah rend einiger Jahre in Folge so nachhaltig verbessert, daB die ktinftigen Steigerungsraten der Personalkosten schon im laufen­den Jahr erarbeitet wurden. Ais der Vater diese Entwicklung durch Teilnahme an Zwischenbesprechungen feststellte, vollzog sich "das Loslassen" seines Sohnes sowie des Unternehmens und sein Heraus16sen aus der GeschaftsfUhrung fast von selbst. Der Sohn schwamm sich frei und der Vater blieb anfangs an einem Tag der Woche zu Hause, spater mehr.

Von iiberholten Konzeptionen losen

Mittelstandischen Unternehmen flillt es oft schwer, ausgetretene Pfade zu verlassen, also neue Richtungen einzuschlagen, neue Ziele anzugehen, neue Strukturen zu schaffen, die effizienter sind. Deshalb sind viele Unternehmenskonzeptionen tiber­holt. Meistens bieten die Situationen aber neue Chancen. Nur in Ausnahmeflillen werden es managementunerfahrene Junioren schaffen, sich rasch von tiberholten Konzeptionen zu losen. Die Schularbeiten des Seniors, rechtzeitig in Angriff ge­nommen, sind unverzichtbar. Dazu zwei Beispiele:

Ein kleineres Unternehmen, das Poistermobel hersteIlt, verftigte aus vergangenen Zeiten Uber einen groBen Holzplatz. Dort lagerten Holzbohlen monatelang zur natiirlichen Trocknung, bevor es Trocknungsanlagen gab, die den Feuchtigkeitsge­halt in kurzer Zeit herunterfahren. Der Holzplatz wurde nicht mehr benotigt, eine moderne Technik hatte ihn Uberfltissig gemacht. Die konzeptionell denkende Un­ternehmerin nutzte den technischen Fortschritt. Sie bebaute das Gelande mit einem Gebaudekomplex, der in seiner Struktur den Anforderungen von Supermarkten entspricht. Die Lage am Rand einer mittleren Kreisstadt gilt als ideal dafUr. FUr die Unternehmerin wurden die Mieteinnahmen aus dem Objekt eine Art Rtickversiche­rung ftir die Poistermobelfertigung, die modischen Trends unterliegt und deshalb mit Risiken behaftet ist.

Kommt ein Junior wahrend seiner Vorbereitungszeit zu der Erkenntnis, daB die Konzeption des elterlichen Unternehmens nicht mehr zeitgemaB ist, sollte dies zwischen ihm und dem Senior vorrangiges Thema werden, wenn moglich, mit wenig Emotionen. Nach den Erfahrungen gehen aber gerade dann die Emotionen hoch, wenn alte Weggef<ihrten des Seniors im Unternehmen noch in fUhrender Position tatig sind. Nach 15 bis 20 Jahren sind auch hervorragende Konzeptionen Uberholt, sind zumindest nicht mehr aktuell und mUssen tiberprUft werden, auch in einem Handelsunternehmen, tiber das ich berichten mochte. Die Zeitspannen verktirzen sich. Werden Konzeptionen permanent aktualisiert, konnen sie fUr mehrere Gene­rationen stimmen. Schon die alten Romer wuBten, daB sich die Zeiten andern und

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wir uns in ihnen: tempora mutantur, nos et mutamur in illis. Warum haben es die Senioren schwer, dies auf ihr eigenes Untemehmen anzuwenden? 1st es alters­bedingt fehlende FlexibiliUit? 1st es zu wenig Zivilcourage, gegeniiber langjahri­gen Weggefahrten einzugestehen, daB die Planung, mit der man erfolgreich war, jetzt out ist? 1st die intuitive Intelligenz nicht mehr intakt, so daB der Senior konzeptiven Planungen aus dem Wege geht? Will er nicht eingestehen, daB man mit 75 die Nachfolge langst gelOst haben sollte? Kann man zwischen realistischen Altemativen nicht mehr unterscheiden? SolI man den zweifelnden Fragen der alten Weggefahrten trauen: Ob der Sohn das wohl kann? Ich erinnere an die Ausfiihrungen von Kapitell: Ein groBer Teil von Sachfragen wird von Emotionen verdrangt, ja sie bekommen die Oberhand. Auch dazu mochte ich iiber einen Fall berichten, bei dem der Senior am SchluB sagte: "Eigentlich hatten wir keine Nachfolgeregelung gebraucht, ich hatte das genau so im Kopf. Aber mit der Nachfolgeregelung ist es ja wohl so wie mit einer Versicherung. Besser man hat sie und braucht sie nicht, als man braucht sie und hat sie nicht." Aber es reicht nicht, wenn der Untemehmer die Konzeption im Kopf hat, sie muB auch Realitat werden und aIle Beteiligten iiber­zeugen. Dies ist das Beispiel:

Der Junior war 35, arbeitete nach dem betriebswirtschaftlichen Studium zunachst bei Wettbewerbem und trat dann in das elterliche Untemehmen zur spateren Dbemahme ein. Das Untemehmen bestand aus 15 Filialuntemehmen des Mobel­handels in Deutschland und in deutschsprachigen Nachbarlandem. Er arbeitete in der Zentrale, als ich ihn kennenlemte. Seinerzeit verglich er die Organisation des elterlichen Untemehmens mit der der Wettbewerber, er verglich Systeme, Manage­mentmethoden, Planungs- und Kontrollmethoden u. a.

Der Vater war Mehrheitsgesellschafter, noch alleiniger Geschiiftsfiihrer, arbeitete im Untemehmen nur noch gelegentlich mit. Er hatte das Untemehmen mit einer sehr interessanten Konzeption rasch groB gemacht, als er nach dem Krieg eine Marktliicke entdeckte. Die Konzeption paBte nicht mehr so recht in die Zeit, sie war von anderen Vertriebsformen zuriickgedrangt worden. Das mag den Senior demo­tiviert haben, er hatte namlich seine Aufgaben auf zwei langjahrig mit ihm zusam­menarbeitende Prokuristen delegiert, einen fiir den Zentraleinkauf und die Vertriebs­politik und einen flir das Finanz- und Rechnungswesen. Nach den Vorstellungen des Seniors sollte dem Sohn die Fiihrung des Untemehmens iibertragen werden, mit der Mehrheit der Gesellschaftsanteile, die Geschwister sollten die iibrigen Gesell­schaftsanteile erben und zusatzlich einen Kapitalausgleich erhalten. Naheres sollte demnachst der Wirtschaftspriifer vorbereiten. Der Junior entwickelte in dem ersten Gesprach mit mir seine Zweifel an der konzeptiven Ausrichtung des Untemehmens.

Untersuchungen ergaben, daB das Untemehmen mit seinen 15 Filialen dem Wett­bewerb voll ausgesetzt war. Seine friihere Vorrangstellung hatte es eingebiiBt. Die in den letzten Jahren verstarkten Produktimporte verscharften die Situation. Die Produkt- und Sortimentpolitik muBte von neuen Voraussetzungen ausgehen, sie war neu zu gestalten. Ziel muBte es sein, die Umschlagshaufigkeit der Produkte nach­haltig zu erhohen. Die Filialen muBten schlanker werden, einige sollten schlieBen,

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urn sie nicht zu Eissem ohne Boden werden zu lassen. Aus den Filialleitem muBten lokal/regional untemehmerisch handelnde Manager werden. Ein System von Kenn­ziffem war einzurichten (MeBlatten), urn betriebswirtschaftliches Denken zu akti­vieren. Ftir die Zentrale waren Controllingmethoden zu entwickeln, die als Ftih­rungsinstrumente genutzt wurden.

Die Feststellungen und VorschHige des Untemehmensberaters konnten dazu beitra­gen, die Emotionen abzubauen und das lange Hin und Her der Gesprache tiber die Nachfolge zu beenden. Auch die (noch) tatigen Weggefahrten des Seniors schwenk­ten ein. Ein offenes Wort war notwendig, etwa so: Sie mtissen nun mit meinem Sohn zusammenarbeiten, stellen Sie sich deshalb ganz auf ihn ein. Ich kann Ihnen nicht mehr helfen.

Der Zwang zur Veriinderung nimmt zu

In den bisher geschilderten Fallen haben Senioruntemehmer und ihre schon be­stimmten Nachfolger neue Konzeptionen des Untemehmens vereinbart und doku­mentiert. 1st es denkbar, tiber die Person oder die Personen der Nachfolge in der Ftihrung des Untemehmens erst spater nachzudenken, nachdem die Zukunftschan­cen des Untemehmens realistisch tiberprtift und eingeschatzt wurden? Aus der Praxis heraus wird bei den Beteiligten der Wunsch bzw. die Forderung entstehen, die Konzeption in angemessenen Abstanden regelmaBig zu tiberprtifen. Und dies dann auch vor dem Generationswechsel, bevor Schritte zum Ftihrungswechsel eingeleitet werden. Ftir fast alle Branchen mit Familienuntemehmen, vor all em in typisch mittelstandischen Branchen, sind so gravierende Veranderungen eingetre­ten, daB Untemehmen ohne neue konzeptionelle Planungen nicht mehr gefUhrt werden konnen:

• Das hohe Niveau der Personalkosten in Deutschland und die vergleichsweise niedrigen Personalkosten in bestimmten Regionen Europas und Asiens zwingen die deutschen Untemehmen in veranderte Strukturen und Organisationsformen hinein. Hiesige Fertigungskapazitaten werden stillgelegt mit Ausnahme einiger Werkstatten wie Produktentwicklungen und Anfertigung von Spezialitaten. Was hier bleiben wird sind Restfunktionen des Einkaufs, des Vertriebs, das Finanz­und Rechnungswesen und Reste der Verwaltung. Dies gilt vor allem fUr per­sonalintensive Untemehmen der Industriellen Verarbeitung wie Bekleidung, Mobel, Kautschuk/Gummi, Leder. Betroffen sind aber auch Bereiche groBer Untemehmen des Handels, deren Einkaufsaktivitaten raumlich umgelenkt wer­den und zusatzliche MaBnahmen zur Qualitatssicherung notwendig machen.

• 1m Maschinen- und Anlagenbau werden geschlossene Fertigungsbereiche in Niedriglohnlander verlagert. Auch Automaten mit hohen Investitionssummen drticken die Herstellkosten am Standort Deutschland und ermoglichen Kosten­senkungen einschlieBlich Einschnitten bei den Gemeinkosten. Neue Planung­stechniken des CAD und CAM werden zusatzlich wirksam.

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• Uber J ahrzehnte hat eine Art Gleichgewicht zwischen den Kosten der Herstellung und des Vertriebs einschlieBlich Verwaltungsfunktionen bestanden, zum Beispiel 60 : 40 Prozent yom Umsatz, bis 70 : 30. Dabei spielten die Branche und die Marktposition eine ausschlaggebende Rolle. Produkte mit hoherem Aufwand im Vertrieb tendierten mehr zu 40, Massenprodukte mehr zu 30 Prozent. Dieses Gleichgewicht ist unter den gegenwfutigen drastischen Vedinderungen verloren­gegangen. Viele Untemehmen mtissen deshalb neue Strukturen und Organisati­onsformen auch im Vertrieb entwickeln, urn langfristig wieder sichere Kalkula­tionsgrundlagen zu finden. Siehe hierzu retrograde Kalkulationsmethode Uber­sicht 6 am SchluB von Kapitel 2 .

• In Druckuntemehmen und Verlagen wirken sich die neuen elektronischen Text­systeme und Drucktechniken aus. Sie ermoglichen vereinfachte und rationellere AbHiufe. Auch das "Gesicht" der Druckerzeugnisse hat sich mit den neuen Technologien nachhaltig verandert.

Neue Konzeptionen sind nicht nur "einfach ein paar Veranderungen". Strukturen und Organisationsformen sind wegen veranderter Sachaufgaben und personeller Gestaltungsmoglichkeiten zu emeuem, haufig radikal. Unterbleibt dies, kann das Ende des Untemehmens vorprogrammiert sein.

Die letzten Beispiele bestatigen tibrigens: Das Vater-Sohn-Verhaltnis war unbe­schwert, offen, ohne MiBtrauen. Die Sohne hatten die Qualifikation, die bisherige Konzeption kritisch zu werten und eine neue an die Stelle der alten zu setzen. Sie haben sich dabei auf das Untemehmen konzentriert, urn dies, dem Trend der Marktentwicklung folgend, in Struktur, Organisation und Leistung!produktivitat auf die Anforderungen wahrend ihrer Generation auszurichten. In allen geschilder­ten Beispielen wurden die neue Ftihrungsmannschaft aus Mitarbeitem des Unter­nehmens rekrutiert. Die Ftihrung des Untemehmens ging auf den Nachfolger noch auBerhalb des Erbvorgangs tiber, so, wie er zwischen dem SeniorgeschaftsfUhrer und seinem Nachfolger stattfindet. Das Untemehmen und seine konzeptionelle Ausrichtung bildeten den sachlichen Mittelpunkt. Das ermoglicht den reibungslosen und konfliktfreien Generationswechsel im Untemehmen. Das modemisierte Unter­nehmen mit Rentabilitat ist fUr den Nachfolger interessant bis faszinierend.

4.2 Erst die Konzeption, dann die Person

Wir leben, wie aIle bisherigen Beispiele zeigen, in einer Zeit des Wandels, nicht der Kontinuitat. Die "Albach-Studie" [1] stellt dies fUr den Wertewandel in un serer GeseIlschaft aufvielen Gebieten fest: "Hatten die Neomarxisten in den fruhen 70er Jahren eine >Krise des Spatkapitalismus< identifiziert, so ergriff in den frtihen 80er Jahren die Diskussion urn den > Wertewandel in der Gesellschaft< auch den kon-

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servativen Teil der Gesellschaft. Dieser Wertewandel hatte nach Ansicht von So­ziologen aIle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens erfaBt: das Verhaltnis zum materiellen Wohlstand (,Die Wegwerf-Gesellschaft'), das Verhaltnis zur Arbeit (,Die Freizeitgesellschaft'), das Verhaltnis zum Staat (Biirgerinitiativen, Protest­bewegungen), das Verhaltnis zur Religion (massenhafte Austritte aus den Kirchen und Religionsgemeinschaften, Jugendsekten), das Verhaltnis zur Ehe (Anstieg der Zahl der Scheidungen, auBereheliche Gemeinschaften), das Verhaltnis zur Familie (emanzipatorische Erziehung, Leben in Kommunen), das Verhaltnis zu Kindem (in der Bundesrepublik Deutschland sank die Geburtenrate auf den niedrigsten Stand aller Industrienationen). Gesetzgebung und Regierung haben diesen Werte­wandel in der Gesellschaft teils nachvolIzogen (etwa im Familienrecht), teils stel­len sie sich gar an die Spitze dieser Bewegung (im Berliner Senat ist ein Referat fUr gleichgeschlechtliche Beziehungen eingerichtet worden)." (Albach/Freund [1] Seite 261)

Die "Albach-Studie" zieht daraus den SchluB, daB die Untemehmenskontinuitat ein unzeitgemaBes Thema sei und speziell auf Familiengesellschaften ausgerichtet: "Die Familiengesellschaft stirbt" ([1] Seite 264). Diese Konsequenz darf man aus folgenden Griinden nicht ziehen:

• Zum gesellschaftlichen Wandel: Immense Investitionen werden akologischen Vorstellungen und Normen immer mehr gerecht, Teilzeitangebote kommen der individuellen Ausrichtung der Arbeitszeiten entgegen, die Emanzipation in den Gliederungen der Untemehmen macht Fortschritte, Teamarbeit und mehr Parti­zipation verandem die Fiihrungsstrukturen. Industrie, Handel und Dienstleistun­gen signalisieren seit langem: "Wir haben verstanden." Dem Wertewandel in der Gesellschaft ist in der Wirtschaft ein BewuBtseinswandel gefolgt.

• Zum Wandel in den Unternehmen: Ein standiger Zwang zum Handeln verandert Strategien, Strukturen und Organisationsformen. Marketing ist nur dann erfolg­reich, wenn permanent innovative Veranderungen bei den Produkten stattfinden. Das gleiche gilt fUr verfahrenstechnische Vorteile, mit denen Kosten zu senken sind. Die Produktivitatsfortschritte muB jedes Untemehmen mitmachen, wenn es nicht ins Abseits geraten will. Die MaBnahmen fUr den Produktivitatsfortschritt wechseln. Selbst die Produktionsstandorte miissen optimiert werden. In Kapitel 2 erwahnte ich schon das Scherzwort, daB das einzig Bestandige im Unternehmen die Veranderung geworden ist, siehe auch Ubersicht 3 am SchluB von Kapitel 2.

• Zu den Familienunternehmen: Nicht zu iibersehen ist, daB diese es mit der Kontinuitat, vor aHem beim Generationswechsel, schwerer haben als Nichtfami­lienunternehmen. Sie nehmen einen hohen Anteil bei den "alten" Industrien ein, die u. a. mehr Kapitalkraft und Managementfahigkeiten verlangen. In "jungen" Branchen, zum Beispiel Elektronik, geht vieles leichter. Zu den alten Industrien zahle ich: Textil/Bekleidung, Mabel, Metall/Holz/Kunststoff, Maschinen- und Anlagenbau, Kautschuk/Gummi, Zulieferer, Nahrungsmittel, Bau, Printverlage. Mit dem Einsatz neuer Technologien besteht die Chance, daB sich die Untemeh-

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men verjtingen, zum Beispiel im Maschinen- und Anlagenbau durch die Steue­rungstechnik, in den Verlagen mit elektronischen Techniken u. a. Sie werden angestoBen zu neuer Dynamik.

Stirbt die Familiengesellschaft wirklich?

Schon immer haben Wirtschaftsuntemehmen mit Diskontinuitliten fertig werden mtissen, zum Beispiel in Zeiten politi scher und wirtschaftlicher Instabilitlit. Fami­lienuntemehmen stehen schon seit einer Reihe von J ahren unter erheblichem Druck. Dieser wird auch noch anhalten, sich eher verstlirken, zum Beispiel wegen okono­mischer Verlinderungen und sozialer Konflikte innerhalb der EWU. Zuletzt sind es die irnmensen Importe zu niedrigen Preisen gewesen, die ihnen zu schaffen machen. Davor versliumten viele, Importwaren in ihre eigene Produkt- und Sortimentpolitik einzubeziehen und die geringen Arbeitskosten in Niedriglohnllindem auf diese Weise zu nutzen. Heute reichen ihre Gewinne und Abschreibungen hliufig nicht mehr aus, Investitionen fUr Automatisierungen zu tlitigen, die sie von den teuren Personalkosten in Deutschland entlasten konnten. Sind sie auf mehreren Geschafts­feldem tlitig, verlangt dies Kapital fUr Produktentwicklungen, kostensenkende Fertigungsverfahren, Vertriebsapparate und Werbung fUr jedes Geschliftsfeld. Kon­zentration ist deshalb schon seit Jahren ein dringendes Gebot.

Zahlreiche mittelstlindische Untemehmen haben schon die Kostenschtibe der Nach­kriegszeit, vor aHem der 70er und 80er Jahre nicht verkraftet. So wurde es fUr sie immer schwerer, mit der aHgemeinen Produktivitlitsentwicklung Schritt zu halten. Steigende Kosten konnten tiber hohere Preise oft nicht mehr hereingeholt werden. So wurden bzw. werden Produkte und zum Teil komplette Produktprogramme unverkliuflich, weil sie nicht mehr marktfahig, vor aHem zu teuer geworden sind. Unter dies en Voraussetzungen ist die KontinuiHit mittelstlindischer Untemehmen beim Generationswechsel gefahrdet. Unter Kontinuitlit verstehe ich die Fortsetzung des Untemehmens mit den gleichen Kapitaleignem bzw. Mehrheiten, siehe unten im gleichen Abschnitt. Die bisherigen Konzeptionen stimmen nicht mehr, es lohnt sich hliufig nicht, sie nur anzupassen, sie sind tiberholt, siehe Ziffer 4.1. Das setzt splitestens fUr den Generationswechsel neue MaBstlibe. Das haben viele Chefs mittelstlindischer Untemehrnen und deren GeseHschafter erkannt. Hliufig ziehen sie nicht die richtigen Schltisse daraus, z. B. lindem sie die Konzeptionen nicht und setzen Nachfolger an die Spitze, die dem verlinderten Umfeld nicht gewachsen sind. Dazu der folgende Fall.

Warum nicht einfamilienfremder beauftragter Unternehmer?

Als ich mit dem Mehrheitsgesellschafter und GeschaftsfUhrer (60) eines groBen Mobelwerkes tiber die Untemehmenskonzeption sprach, schtittelte er energisch den Kopf. Dort drticke ihn der Schuh nicht, so meinte er jedenfaHs. Er hatte eine Tochter (Anfang 30), die sich fUr das Untemehmen nicht interessierte, "deshalb muB mein

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Schwiegersohn ran." Seit einigen Monaten hatte dieser die Funktion des Vertriebs­leiters, war kurz zuvor von der Universitat gekommen (Diplomkaufmann), sehr bemtiht, mit der Aufgabe vertraut zu werden, fleiBig, "eine ehrliche Haut". Nach seiner und meiner Einschatzung wtirde er noch mehrere Jahre benOtigen, urn zunachst in die Vertriebsleitung und danach in andere Bereiche der Geschaftsleitung fUr das Gesamtuntemehmen hineinzuwachsen. Das Untemehmen verftigte in der Produktion tiber eine qualifizierte Ftihrungsmannschaft der zweiten Ebene. Die meisten Anlagen waren veraltet, es bestanden erhebliche Leistungsschwachen. In der Bilanz wurde eine schwarze Null geschrieben. Das Untemehmen muBte wieder wettbewerbsfahig werden. In Zusammenarbeit mit den Ftihrungskraften wurde eine neue Konzeption erarbeitet, das war dringend notwendig. Sie sah vor: Eine Emeue­rung der Produktprogramme, mit denen sich h6here Verkaufssttickzahlen erzielen lieBen, eine Neuordnung der Montagen, urn mit geringen Investitionen h6here Montageleistungen zu erzielen, die Anschaffung modemer Pressen, die tiber lang­fristige Kredite finanziert werden sollten. Ein oder zwei Programme im Niedrig­preissegment sollten importiert werden. Sorgen machte mir die UntemehmensfUh­rung. Meine Uberlegung war: Ein beauftragter Untemehmer k6nnte dem Untemeh­mer "Luft verschaffen", was dessen Arbeitspensum betraf, und er k6nnte den berufsunerfahrenen Schwiegersohn einarbeiten und untersttitzen. Der Senior wies diesen Gedanken strikt abo "Wir sind ein Familienuntemehmen und wollen dies bleiben. Ich werde in der GeschaftsfUhrung so lange durchhalten, bis mich mein Schwiegersohn abl6sen kann." Bei einer Rticksprache mit der Bank erfuhr ich, daB auch diese auf ihn einwirkte, einen familienfremden GeschaftsfUhrer einzustellen. Er folgte dieser Forderung nicht und wechselte das Geldinstitut. Das Untemehmen war finanziell gesund, die Investitionen waren ohne Schwierigkeiten konventionell finanzierbar und seine Leistungen und die Organisation konnten wieder wettbe­werbsfahig werden, dennoch verkaufte es der Untemehmer nach ca. einem Jahr.

Mein Vorschlag, einen familienfremden GeschaftsfUhrer zu engagieren, hatte dem Untemehmer nicht gefallen. Warum eigentlich nicht? Die vereinbarte Konzeption wurde planmaBig umgesetzt. Damit konnte es nichts zu tun haben. Warum sollte in der Familiengesellschaft ein beauftragter Untemehmer nicht die Geschafte fUhren? Wenn der Untemehmer dies bevorzugt hatte, fUr diesen Fall ware auch ein Mitar­be iter der Ftihrungscrew des Untemehmens verftigbar gewesen. Es boten sich also mehrere M6glichkeiten an. Der Untemehmer konnte sich nicht vorstellen, daB sein Untemehmen von einem Jemand gefUhrt wtirde, der nicht Eigenttimer ist, sondem "nur" GeschaftsfUhrer. DaB dieser Jemand sich auf das Untemehmen konzentriert, auf seine Entwicklung, bezogen auf die Konzeption fUr Ziele und Strategien, Strukturen und Organisationsformen, waren ihm nicht Inhalt genug fUr die Ftihrung. Er hatte eine andere Untemehmensphilosophie

M6glicherweise war es der EinfluB der Familie, die den Untemehmer zum Verkauf veranlaBt hat. Hat er letztlich an den Fahigkeiten des Schwiegersohns gezweifelt? Oder waren es psychologische Grtinde wie diese, die ihn davon abhielten, den Status des Familienuntemehmens zu verlassen, hier aus der Sicht des "Fremden":

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• Ein familienfremdes Vorstandsmitglied, das auBergewohnlich tlichtig war und sich hohen Ansehens erfreute, sagte mir gelegentlich: Nein, er sei noch nie in der Wohnung von Herrn X, seinem Vorstandsvorsitzenden, Mehrheitsaktionar, gewe­sen. Und dann wortlich: "Mit seinem Direktor spricht man, aber man verkehrt nicht mit ihm."

• Die Berufung eines Familienfremden in die Leitung eines groBeren Familienun­temehmens kann problembeladen sein. Je ttichtiger der Fremde ist,je starker auch seine Personlichkeit, desto eher kommt es zu Spannungen. Die Zusamenarbeit mit dem Eigenttimeruntemehmer wird erschwert.

• Fahige familienfremde Flihrungskrafte zu finden, die an der Seite des Eigentti­meruntemehmers arbeiten sollen, vielleicht nur temporar, ist nicht leicht. Schon deshalb nicht, weil sie moglicherweise ihren Ruf aufs Spiel setzen.

Das alles spielt sich im emotionalen Bereich abo Die beschriebene Situation des Untemehmens verlangte aber eine liberwiegend rational bestimmte Handlung. Aus diesem Grund entstand die Maxime, die seit eh und je fUr aIle Personalentscheidun­gen gilt, und in gleicher Weise fUr die Berufung in die Flihrung von Familienunter­nehmen gelten sollte: Erst die Konzeption, dann die Person.

Wlirde Verwandtschaft vor der Leistung rangieren, ware der Untergang, wie an anderer Stelle schon festgestellt, vorprogrammiert. NaturgemaB werden die schwa­cheren Untemehmen zuerst aus dem Markt herausgesplilt, auch bei den mittel stan­dischen Untemehmen. Deshalb muS vorrangig die Flihrung gestarkt werden.

Disharmonie schon bei der Einarbeitung

Senior bzw. Vorganger und Flihrungsmannschaft sowie der N achfolger sollten bereit sein, wahrend der Einarbeitung des Nachfolgers aufeinander zuzugehen und mog­licherweise bestehende Vorbehalte abzubauen. Das ist nicht immer der Fall, wie das folgende Beispiel zeigt. Der Nachfolger hatte sich gut auf seine klinftige Cheffunk­tion im elterlichen Untemehmen vorbereitet. Nach der Universitatsausbildung mit Promotion war er mehrere Jahre bei einer Untemehmensberatung tatig, danach in einem dem elterlichen Betrieb ahnlichen Untemehmen als Assistent eines Bereichs­leiters. Ais er in das elterliche Untemehmen eintrat und ihm zur Einarbeitung erste praktische Aufgaben der Organisationsveranderung libertragen wurden, entstanden Konflikte, zunachst mit den Flihrungskraften, dann mit dem Vater. Der Junior fUhlte sich bald eingeengt in seiner Arbeitsentfaltung. Auf beiden Seiten, einerseits Flih­rungskrafte und Senior, andererseits Junior wurden Erwartungen nicht erflillt, man fUhlte sich enWiuscht. Der Senior hatte mit seinem Sohn einen Zeitplan bis zur Ubergabe der GeschiiftsfUhrung vereinbart, nun distanzierte er sich immer mehr davon. Der Junior warf das Handtuch. Senior und Mitgesellschafter suchten einen FremdgeschaftsfUhrer, der auch gefunden wurde und sich qualifizierte. Der Junior

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wurde in einem GroBunternehmen tatig. Ob seine Entscheidung endgiiltig ist - er ist einziges Kind, die Erbfolge steht noch aus - bleibt abzuwarten.

Allein mit einem Einarbeitungsplan ist es meistens nicht getan. Sein Inhalt ist ausschlaggebend. Sinnvoller ware es wahrscheinlich gewesen, ein umfassenderes Projekt zu definieren, das der Junior gemeinsam mit einem kleinen Team IOste. Immerhin hatte er nach dem Studium schon drei Jahre in einer Unternehmensbera­tung und zwei Jahre in einem Betrieb der gleichen Branche gearbeitet. Er hatte sich mit kreativen Losungen qualifizieren konnen, an die bisher niemand gedacht hatte. Vielleicht ware es auch moglich gewesen, das Projekt mit der Neufassung einer Konzeption des Untemehmens zu verbinden. Hinzu kam im vorliegenden Fall auch, daB das Verhal tnis von Vater und Sohn nicht belastbar war und daB alte Weggefahrten des Seniors an den Kontroversen beteiligt waren, wie wir an einem anderen Beispiel gesehen haben, eine ungtinstige Konstellation. Das Vater-Sohn-Verhaltnis ist fUr den Ftihrungswechsel ein gravierendes Kriterium. Bei beiden, Senior wie Junior, war die Fahigkeit, sich urn Konsens zu bemtihen, wenig ausgepragt, wohl auch die Toleranz. Ware in diesem Fall die Hilfe eines "neutralen" Dritten wtinschenswert gewesen? Er hatte mehr das Unternehmen im Auge gehabt und das, was in seinem Interesse geschehen sollte.

Die SchluBfolgerung, daB sich das Unternehmen mit seiner Ftihrung, wenn auch vielleicht nur vortibergehend, von der Verkntipfung mit der Familie loste, war fUr das Untemehmen wahrscheinlich die richtige Entscheidung. Der hausliche Friede war wiederhergesteIlt, ein nicht zu unterschatzendes Gut an sich. Bei den urn die Einarbeitung des Juniors entstandenen Kontroversen wurde ins Feld gefUhrt, daB die Kontinuitat der Firma sichergestellt werden mtisse. Das fUhrt zu der Frage: Wann liegt eine Diskontinuitat vor? 1st ein Wechsel der GeschaftsfUhrung eine Diskonti­nuitat, oder der Wechsel auf eine FremdgeschaftsfUhrung? Meines Erachtens kann man von einem Bruch in der Kontinuitat erst sprechen, wenn die Mehrheitsverhalt­nisse in der Gesellschafterversammiung sich andem. Siehe dazu Beispiel am Ende dieser Ziffer unter der Uberschrift "Diskontinuitat erst, wenn neue Gesellschafter­mehrheit".

Primat von Leistung und Fiihrungsbefiihigung

Vakante Ftihrungspositionen, die in Gesellschaften ohne Familienbindungen neu zu besetzen sind, werden nach Leistungskriterien verge ben. Selbst wenn ein Bewerber in der Entscheidungsphase einen Bonus haben konnte, etwa wegen bestimmter Referenzen, werden der Vorgesetzte, der Personalchef und der Personalberater von den Anforderungskriterien ausgehen, die zuvor definiert wurden. Erst danach gehen sie an die Suche nach der Personlichkeit mit den geforderten Qualifikationen. Warum sollte das Familienunternehmen bei der Besetzung der Unternehmensspitze anders vorgehen? Hier ist der Erbe, er soIl Untemehmer sein, unbeschadet von Qualifikationen und Bewahrungen, ohne Rticksicht auf die Situation des Unterneh­mens! Zu einem solchen Vorgehen sagte einmal der Unternehmenschef: "Wissen

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ist Macht! Nichts wissen macht nichts? Das kann doch nicht der richtige Weg sein!" Familienunternehmen verabschieden sich nach meinen Erlebnissen und Beobach­tungen haufiger von der Maxime: " Abstammung vor Qualifikation". Zu viele FaIle hat es gegeben, in denen die Unternehmen nach Erbvorgang im Wettbewerb nicht bestanden haben. Mit Blick auf den nicht qualifizierten Erben hat es dann geheiBen: "Das konnte ja auch nicht gut gehen." Wegen der verfehlten Denk- und Verfahrens­weisen sollte man aber nicht sagen, daB das Ende der Familiengesellschaft gekom­men sei. Besser ist es, die Prioritatenfolge zu andern und den Generationswechsel danach auszurichten.

Die Ablaufe fUr die Vorbereitung des Generationswechsels konnen je nach den individuellen Situationen beim Unternehmen, beim Senior und Junior unterschied­lich sein. Deshalb konnen wir hier keine festen Regeln aufstellen. Primar ist, die "gesundheitliche" Verfassung des Unternehmens zu erhalten oder wiederzuerlan­gen. Der Seniorunternehmer bzw. der Vorganger sollte sich in der Pflicht fUhlen, tiber das Unternehmen nachzudenken wie unter 4.1 beschrieben. Ich wiederhole in geraffter Form:

• 1st die Wettbewerbsfahigkeit des Unternehmens fUr die Dauer der nachfolgenden Generation fundiert? Kann/muB die Produktpalette verbessert werden?

• Sind Strukturen und Organisation zu verbessern, urn die Rentabilitat sicherzu­steIlen?

• MuS Kapital mobilisiert werden - reicht das Schlankmachen des Unternehmens dafUr aus oder sind andere Aktivitaten notwendig?

• Mtissen Verlust16cher gestopft werden?

• Besteht die realistische Chance, innerhalb der Familie Nachfolger zu finden? Mtissen ausgleichende Befahigungen von Fremdmanagern eingebaut werden? Was ist zu tun, wenn potentielle Nachfolger aus der Familie nicht zur VerfUgung stehen?

Der Senior sollte das Ergebnis zu Papier bringen, alternativ damit einen qualifizier­ten Unternehmensberater beauftragen. Er sollte tiber diese Konzeption mit seiner Ehefrau und einem vertrauten Berater sprechen, mit seiner Bank, falls Veranlassung dazu besteht. Es gilt zunachst, Informationen tiber die Konzeption auszutauschen und diese so weit wie moglich abzusichern. Haufig sind erganzende Ausktinfte tiber Entwicklungstendenzen einzuholen, beispielsweise bei Kunden und Lieferanten, beim Fach- bzw. Wirtschaftsverband, bei der Industrie- und Handelskammer, bei anderen Verwaltungsorganen. AnlaBlich dieser Uberlegungen und Gesprache kon­nen auch personelle Fragen bertihrt werden. Aber es ist noch nicht an der Zeit, dazu Stellung zu beziehen, erst recht nicht, sich festzulegen. Auch Personalgesprache mit dem Wunschnachfolger sollten bis zu einem spateren Zeitpunkt zurtickgestellt

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--------------~~-----bleiben. Anderenfalls werden Hoffnungen und Erwartungen geweckt, die wegen der Anforderungen, die das Untemehmen steIlt, sich moglicherweise nicht erftillen lassen. Das kann zuriickschlagen. Denkbar ist, daB aIle Untersuchungen und Ge­sprache gemeinsam mit einem Untemehmensberater stattfinden. Empfehlenswert ist, zwischen den Besprechungen Abstande fUr Denkpausen bis zu den nachsten Steps zu haben. Besteht beim Untemehmen ein Beirat, sollte dieser von Anfang an eingeschaltet werden. Er ist das Organ, mit dem schon die Vorbereitung des Generationswechsels ausfUhrlich besprochen, das Procedere abgestimmt und die vereinbarten Steps jeweils behandelt werden sollten, - neben den obengenannten Aktivitaten. Siehe Ziffer 7.1.

Die Fehler amtsmiider Senioren

In dieser Phase ist also der Senior gefordert. Er sollte den damit verbundenen StreB auf sich nehmen. Das setzt voraus, daB er gesundheitlich in Form ist und dies wiederum, daB er die Aufgaben beizeiten angeht, etwa Anfang 60. - Handelt er nicht wie beschrieben, setzt er den Verlauf des Generationswechsels von Anfang an einem unnotigen Risiko aus. Er gefahrdet sein Lebenswerk. Das sollte er im Interesse des Untemehmens, der Nachfolgeregelung und in seinem eigenen Interesse nicht tun. Wahrend der Phase des Ftihrungswechsels sollte jede Chance fUr einen gelungenen Ubergang genutzt und jede Gefahr frtihzeitig erkannt und abgewehrt werden. 1m folgenden schildere ich ein Szenario, das wegen unzureichender Vorbereitung des Ftihrungswechsels entstand:

Der Untemehmer, Namenstrager des Untemehmens, GeschaftsfUhrer und Min­derheitsgesellschafter, wollte seine Tochter zum Nachfolger machen. Seine Ge­schwister, die tiber die Kapitalmehrheit verfUgten, lehnten die Tochter abo Sie bevollmachtigten einen Rechtsanwalt, Altemativen vorzuschlagen. Dieser zog den Wirtschaftspriifer des Untemehmens hinzu, geboren wurde der Plan einer zwei­kopfigen FremdgeschaftsfUhrung. Der (bisherige) Untemehmer, 70jahrig und amts­miide, stimmte dem Vorschlag zu und iibemahm den Vorsitz des neu gegriindeten Beirats. Die beiden Fremdgeschaftsfiihrer wurden bald gefunden und iibemahmen ihre Funktion ein Jahr spater.

Bis dahin anderte sich die strategische Position des Untemehmens unerwartet zum Nachteil. Kumuliert mit den schon vorhandenen Schwachstellen geriet das Unter­nehmen in eine finanzielle Schieflage, - keine gute Situation fUr die Zeit wahrend und nach dem Generationswechsel. Bckanntlich gibt es eine Kausalkette strategi­scher und finanzieller Ursachen, aus denen eine Fiihrungskrise entsteht, die nicht mehr beherrschbar wird. Dies war hier der Fall. Einer der beiden Geschaftsfiihrer gab auf. Ein nach Monaten neu gebildetes Team packte es auch nicht, das Unter­nehmen ging einen Krebsgang. Eine der wesentlichen Ursachen lag im ungliickli­chen Verlauf der Vorbereitung zum Ftihrungswechsel. Ich mochte sie in Stichworten bewuBt machen:

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• Der Senior (70) war u. a. wegen des unbefriedigenden Verlaufs der Nachfolge­verhandlungen mude geworden.

• Das Untemehmen hatte seit langem mehrere Schwachstellen: Das Produktpro­gramm war einseitig, die Zielgruppe wuchs nicht, eher das Gegenteil war der Fall, Preise konnten wegen der Konzentration im Handel nicht durchgesetzt werden, die Konstruktionen waren veraltet u. a. Dem Senior waren die Schwa­chen bewuBt. Allein schon wegen der eingeschrankten Zukunftsaussichten des Produktprogramms hatte dies in einer Konzeption erfaBt und fur die Nachfolge offengelegt werden mussen. Ein Untemehmensberater mit Schwerpunkt Pro­duktmanagement ware angebracht gewesen.

• Die von den Gesellschaftem bzw. ihrem Bevollmachtigten vorgeschlagenen Geschaftsflihrer waren den Anforderungen nicht gewachsen. Der flir die Produk­tion zustandige Ingenieur verstand nichts von Produktentwicklung und rationel­len Fertigungstechniken, der andere Geschaftsflihrer war Spezialist flir Finanzen und Organisation. Dem Untemehmen fehlte die Marketingsicht.

Der Senioruntemehmer, als Beiratsvorsitzender flir die Geschaftsflihrung nicht mehr zustandig und altersbedingt iiberfordert, sah, wie sein Lebenswerk zerbrach und starb an einem Herzinfarkt. Das Untemehmen wurde flihrungslos.

Auch die folgende Situation entstand wegen der aus Altersgriinden nachlassenden untemehmerischen Aktivitat: Ich empfahl dem Untemehmer (ca. 70), Geschafts­flihrer und Mehrheitsgesellschafter, die Fiihrung seines gut 1000 Mitarbeiter zah­lenden Untemehmens zu einem wesentlichen Teil auf vier Profitcenter zu verlagem, die auf vier verschiedenen Geschaftsfeldem operierten. Diese uberlagerten sich an zahlreichen Stellen, Synergien wurden aber wenig genutzt. Meine Absicht war, den Senior zu entlasten. Die Profitcenter sollten ergebnisorientiert unter delegier­ter Verantwortung von Spartengeschaftsflihrem geleitet werden. Das kam der Effi­zienz der Sparten und damit der Rentabilitat des Gesamtuntemehmens zugute. Die personellen Voraussetzungen waren weitgehend vorhanden. Zur Koordination war eine Untemehmenskonferenz vorgesehen, die auf folgenden Gebieten integrierend wirken sollte: Konzeptionelle Planungen flir die Gruppe, Nutzung von Synergien im Marketing, Vertrieb und Produktion, Wirtschaftlichkeitskontrolle der Sparten (der Controller sollte an den Besprechungen teilnehmen).

Diese Organisation sah ich auch als einen Schritt zur Nachfolgeregelung. Der Untemehmer begriiBte dies, denn sein Sohn befand sich noch in der Ausbildung. So konnte man sich darauf einstellen, flir einige Zeit mit den Geschaftsleitem der Profitcenter auszukommen, ohne eine Entscheidung flir die Gesamtleitung zu treffen, zumindest solange der Senior noch im operativen Geschaft tatig war. Es war eine Interimslosung, wahrend der weitere Schritte zum Generationswechsel vorbe­reitet werden konnten.

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... auch und erst recht bei der Nachfolgeregelung 95

Der schon gealterte Senior hat auch andere Ratgeber. Die geplante Organisation wurde nicht eingefUhrt. Die Chance zur Entlastung des Seniors wurde verpaBt. Bis heute halte ich die Profitcenterorganisation in der beschriebenen Situation als gute ZwischenlOsung fUr die Untemehmensentwicklung, neben dem kurzfristigen Vorteil fUr den Untemehmer. Dem Untemehmen wurden mit der dezentralen Organisation gtinstigere Entwicklungschancen der Sparten geboten, die Spartenleiter wurden stimuliert (gecoacht), sich zu beauftragten Untemehmem zu entwickeln, und fUr den spateren Nachfolger wurde der Einstieg erleichtert. Die altersbedingt nachlas­sende Aktivitat fUhrt dazu, daB notwendiges Handeln unterbleibt.

An anderer Stelle, siehe unten Ziffem 4.3 und 4.4, werden wir uns mit dem wirklichen Grund und vermeintlichen Grtinden befassen, weshalb Junioren nicht an den Start gehen und Senioren nicht weichen. Den Senioruntemehmem in den beiden zuletzt geschilderten Fallen wird nachgesagt, sie kbnnten und wollten sich nicht von ihren Aufgaben trennen. Die Grtinde dtirften tiefer liegen.

• Oft ist sich der Untemehmer der ungtinstigen wirtschaftlichen Situation seines Untemehmens durchaus bewuBt, und auch der Gefahr, daB sich daraus tiber kurz oder lang eine finanzielle Schieflage ergeben kbnnte. Er kennt seine altersbedingt nachlassenden Krafte, findet aber aile in nicht die Kraft zu einer wirksamen Anderung. Die Lbsung ist: Er bleibt im Amt.

• Sind andere, dominierende Interessen im Spiel, kann die Reaktion des Seniors darin bestehen, einfach weiterzumachen. Er tut dies dann aus Sorge urn das Untemehmen.

Der Senioruntemehmer befindet sich in dieser Phase der Vorbereitung des Genera­tionswechsel in einem Spannungsfeld zwischen Ratio und Emotion. Und Emotionen sind beim Mittelstandsuntemehmen haufiger im Spiel als allgemein bekannt. Die Handlungsmaxime: "Erst die Konzeption, dann die Person" schafft auch Klarheit, wenn die Situation von persbnlichen Interessen Dritter tiberlagert wird.

Die Konzeptionen des Seniors mehr als erfiillt

Ein FremdgeschaftsfUhrer, selbst Mitgesellschafter einer GmbH mit Minderheits­anteil, hat das Untemehmen gepragt. Es tragt seine Handschrift. Er mbchte seinen Sohn als eigenen Nachfolger in der Geschaftsftihrung sehen. Nach den Vertragen ist es Aufgabe der Gesellschafter, tiber die Nachfolge in der GeschaftsfUhrung mehrheitlich zu entscheiden. In einem solchen Fall bietet es sich an, den Wunsch des scheidenden Seniors zu berticksichtigen, nicht weniger und nicht mehr.

Es reicht in dieser Situation nicht aus, ein Organigramm mit den bekannten Kastchen zu zeichnen, die letzten Bilanzen zu besprechen und dem Sohn des Geschaftsftihrers ermuntemd zu sagen: "so weitermachen." Auch in dies em Fall ist zu raten, sich mit der Neuformulierung einer Konzeption vor Augen zu halten, wo das Untemehmen

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96 Kapite14

steht, welche Starken und Schwachen es hat und welchen Weg es gehen solI. Dabei kommen personliche Bewertungen zum Ausdruck, tiber die man sich verstandigen muB. Die Vorstellungen, die sich die Gesellschafter und der nachfolgende Ge­schaftsftihrer (spater vielleicht auch Mitgesellschafter) von der Entwicklung des Untemehmens machen, konnen verschieden sein. Sie mtissen aber zumindest auf den gleichen Trendrichtungen aufbauen, die als zukunftsweisend angesehen wer­den. Bei einem Maschinenbauuntemehmen sind es zum Beispiel die Globalisierung des Marketings und Vertriebs, urn die konjunkturellen und strukturell notleidenden Situationen des Heimatlandes und anderer Lander auszugleichen. In der Beklei­dungsindustrie und bei Mobeln ist es das rechtzeitige Erfassen der modischen Trends, in allen Branchen das Anpassen des Kosten- und Leistungsniveaus zum Schritthalten mit der Produktivitatsentwicklung. Es muB erkennbar werden, welche Chancen und Risiken in der Geschaftsentwicklung der kommenden Jahre liegen, wie Wachstum finanziert werden solI u. a. Danach kann die Gesellschafterver­sammlung entscheiden, ob der Sohn des verdienstvollen und jetzt altersbedingt ausscheidenden Geschaftsftihrers der richtige Mann sein wird, das Untemehmen nach den heute erkennbaren Entwicklungen zu steuem. Der Senior, den ich an dieser Stelle vor Augen habe, hat die geschaftspolitischen Richtungen und die strukturellen und organisatorischen Entwicklungen aufgezeigt und der Sohn identifiziert sich damit. Die Gesellschafter akzeptierten seinen Sohn als Geschaftsftihrer. Er hat Erfolg. Dies wiederum motiviert beide, Vater und Sohn.

Die Initiativen zum konzeptionellen Vordenken anlaBlich des Generationswechsels sollten dem Senior zugeordnet werden, wie gesagt, frtihzeitig, wenn er noch tatkraftig und mit Schwung handelt, wahrend der Zeit seiner Geschaftsftihrung. Ein Senior, von mir darauf angesprochen, antwortete: "Der Nachfolger solI sich mit einem Berater seiner Wahl seine eigenen Gedanken tiber die zuktinftige Entwick­lung machen." Das ist richtig, aber warum solI die konzeptionelle Sicht des Seniors nicht einbezogen werden? Und: Zu den konzeptionellen Vorschlagen gehort es auch, die Anforderungen zu definieren, die an die ktinftige Leitung des Untemehmens zu stellen sind. Die Befahigungen und die Eignung des Juniors zur Ftihrung des Untemehmens dtirfen dabei kein Tabu sein. Dazu lieBen sich zahlreiche Beispiele einftigen, der folgende Fall drtickt aber allein schon das aus, was ich sagen will.

Es handelte sich urn die Ftihrungsnachfolge in einem tiberregional bedeutenden Dienstleistungsuntemehmen. Der Senior (65), Komplementar, wollte ktinftig langer auf seinem stidlandischen Besitz verbringen. Er hatte eine schriftliche Konzeption tiber die ktinftige Entwicklung seines Untemehmens mit seinem Sohn als Nachfol­ger verfaBt, die nichts offen lieB. Er bat mich, dazu Stellung zu nehmen. Aus langjahriger Zusammenarbeit kannte ich sein Untemehmen. Der einzige Vorbehalt, den ich vortrug, betraf seinen Sohn, der nach der Konzeption ebenfalls Komplemen­tar werden sollte. Er war ein guter Fachmann der Branche, arbeitete intensiv, gelegentlich tibermenschlich viel. Schwierig war ftir ihn der Umgang mit Manschen, mit Mitarbeitem ebenso wie mit Kunden. Ich schlug vor, ihm einen befahigten langjahrigen Mitarbeiter an die Seite zu stellen, der ihm bei der Akquisition neuer Kunden hilft. Wenn Sohn und vorgeschlagener Mitarbeiter sich in der neuen Rolle

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--------------~~-----wie bisher gut verstehen, sollte mit einer Anderung der Rechtsform des Untemeh­mens - Anwalt und Steuerberater schlugen die Umwandlung in eine GmbH vor­der Mitarbeiter wie sein Sohn Geschaftsfiihrer werden, zum spateren Zeitpunkt auch Mitgesellschafter. So lange sollte die derzeitige Rechtsform der Kommanditgesell­schaft unverandert bleiben. Nach einem ausfiihrlichen Gesprach zwischen Vater und Sohn und einem gemeinsamen Gesprach aller Beteiligten wurde eine sinnvolle Arbeitsteilung vereinbart. Nach zwei Jahren konnten Senior und Junior feststellen, daB diese Arbeitsteilung mit Erfolg praktiziert wurde. Die Konzeption hatte sich mehr als erfiillt. Die Gefahr, daB ein tiichtiger Mitarbeiter bei der Berufung des Juniors zum alleinigen Geschaftsfiihrer ausscheidet, war beseitigt. Bekanntlich sollte in Dienstleistungsuntemehmen tiichtigen Mitarbeitem eine dauerhafte Hei­mat in der Fiihrung geboten werden. Zur Beteiligung von familienfremden Ge­schaftsfiihrem am Kapital kommen wir noch zurUck, siehe Ziffer 6.3.

Der Leser kbnnte auf den Gedanken kommen, kreative Lbsungen fiir die Fiihrungs­nachfolge kbnnten auch von nachgeordneten Fiihrungsebenen inganggesetzt oder sogar durchgesetzt werden. Dies soBte nicht der Fall sein. Mit dem sogenannten "Beliebtheitsfiihrer" sind selten gute Erfahrungen gemacht worden. Die Leistungs­bereitschaft darf nicht einer vermeintlichen Kameradschaft geopfert werden, aus der leicht eine Kameraderie entstehen kann. Die Befahigung, Mitarbeiter auf Arbeitsziele und Leistungen auszurichten, sie zu motivieren, miissen ihren hohen Stellenwert bei den Fiihrungsqualifikationen behalten.

Die richtigen Befiihigungen zusammenspannen

Der Senioruntemehmer spielt bei der Vorbereitung des Generationswechsels eine wichtige Rolle. Er ist es, der die zu dieser Aufgabe benbtigten Erfahrungen ein­schlieBlich seiner Lebenserfahrung mitbringt. Nachfolger diirfen keine Jasager sein, miissen eigene Vorstellungen, Ziele und Arbeitsmethoden haben, aber bei aller Eigenstandigkeit miissen sie stets konsensfahig sein. Der Senior ist in der Lage und so Ute sich in der Pflicht fiihlen, zu priifen, ob der Nachfolger diesen Maximen gerecht wird. Er weiB auch, daB es sinnlos ist, Plane miteinander schmieden zu wollen, wenn iiber Grundsatzliches keine Einigkeit besteht, - in Anlehnung an ein bekanntes Konfuziuszitat. 1m vorliegenden Beispiel hatte der Senior Zweifel, er­kannte aber rasch die Lbsung:

Der Senior (72), Geschaftsfiihrer und Mehrheitsgesellschafter, noch aktiv im ope­rativen Geschaft eines bedeutenden Landmaschinenhandels und Produktionsunter­nehmens, fragte mich anlaBlich einer Organisationsanalyse: "Hat mein Sohn die Befahigung, dieses Untemehmen demnachst alleine zu fiihren?" Zur Erlauterung: Der Sohn war 43, zehn Jahre in unterschiedlichen Funktionen im Untemehmen, derzeit assistierte er dem Senior. Nach volkswirtschaftlichem Studium (ohne Ab­schluB) war er im elterlichen Untemehmen in administrativen Aufgaben tatig: Organisation, Finanzierung, S teuem, Recht. Auf die Frage des Seniors habe ich nicht sofort geantwortet. In einer spateren Besprechung trug ich meine Gedanken zur

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98 Kapitel4

Unternehmenspolitik, den Strategien sowie zur Entwicklung von Strukturen und Organisationsfonnen vor. Der Senior hatte konkrete VorsteUungen tiber die Ent­wicklungen und Ziele fUr die kommenden Jahre. Das Unternehmen hatte Jahre sttinnischer Expansion hinter sich, in denen im Handelsbereich Verkaufsbtiros und Servicestationen an neuen Standorten entstanden waren. Neue Vertriebsprodukte (Maschinen und Anlagen) mit moderneren Arbeitstechniken waren in das Han­delsprogramm aufgenommen worden. Auch der Produktionsbetrieb war mit zusatz­lichen Produkten erweitert. Nun waren Jahre der Konsolidierung angesagt, in denen die Organisation vereinfacht und gefestigt, Ablaufe beschleunigt und die Zahl der Mitarbeiter reduziert werden soUten. In einem Satz: Das Unternehmen soUte schlan­ker werden.

Ais wir tiber die Befahigungen seines Sohnes sprachen, stimmten wir darin tiberein, daB die Zweifel des Seniors bei den Marketing- und Vertriebsaufgaben zutrafen. Das Ordnen und Systematisieren, Planen und Kontrollieren lagen ihm mehr als dynami­sche Ftihrungsaufgaben im Vertrieb. Wir waren uns einig, daB in den nachsten zwei Jahren ein Hochschulabsolvent eingesteUt werden soUte, der moglichst Praktika in Marketing- und Vertriebsaufgaben absolviert hatte und in eine Ftihrungsaufgabe dieses Bereichs von unten her hineinwachsen soUte, in enger Zusammenarbeit mit seinem Sohn. Die beiden soUten zu einem Gespann werden, bei dem sein Sohn die FtihrungsroUe hatte.

Der Senior hat diese Gedanken mit seinem Sohn besprochen. Einvernehmlich konnte schon nach einem guten halben Jahr ein junger Diplornkaufmann mit Schwerpunkt Marketing tatig werden, ca. 30 Jahr alt, dynamisch, mit dem BiB des Vertriebsmannes. Der Senior hat die Zusammenarbeit seines Sohnes mit dem Neuen beobachtet. Daraus wurde tatsachlich ein Gespann. Der Senior hat sich nach zwei J ahren aus der aktiven GeschaftsfUhrung zurtickgezogen.

Ohne Teamfiihigkeit geht es an der Spitze nicht

In bestimmten Situationen kann es an den WeichensteUungen der GeseUschafter liegen, ob der Generationswechsel gelingt oder als MiBerfolg endet. Beim MiBerfolg sind fast immer eskalierende Emotionen beteiligt, wie das folgende Beispiel zeigt:

Der GeschaftsfUhrer, GeseUschafter mit einem Minderheitsanteil, war Generalist mit Schwerpunkt bei Marketing und Vertrieb. Er war trotz seines kleinen Geschafts­anteils unbestritten Mittelpunkt des Unternehmens, mit starker SteUung gegentiber den MitgeseUschaftern. Nicht zu tibersehen war seine altersbedingt nachlassende Aktivitat. Mehrere Alternativen fUr die Nachfolge waren tiberlegt, auch mit den MitgeseUschaftern, aber nichts war entschieden.

Der GeschaftsfUhrer wurde entlastet durch einen befahigten Verwaltungsleiter, Prokurist, der kompetent war im Umgang mit Lieferanten, Banken, Finanzverwal­tung, kompetent auch fUr Aufgaben der Organisation und des Finanz- und Rech-

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--------------~~-----nungswesens des Untemehmens, aber ohne tiefreichendes Wissen und ohne Feeling fUr das Marketing, die Aufgaben des Vertriebs, auch nicht fUr Technik und Produk­tion. Er pflegte die Kommunikation zu den Gesellschaftem, vielleicht waren sie ihm aus diesem Grunde sehr gewogen. Die beim GeschaftsfUhrer altersbedingt entste­henden Freiraume "besetzte" der Prokurist. Sein Ehrgeiz veranlaBte ihn, auch dort Macht auszuiiben, wo sie nur dem Geschaftsfiihrer zustand.

Der SeniorgeschaftsfUhrer erlag den Verletzungen eines Autounfalls. Die Gesell­schafter, die ohne Planungs- und Vorbereitungszeit iiber die kiinftige GeschaftsfUh­rung zu entscheiden hatten, woHten ein Geschaftsfiihrungsgremium. Dies sollte aus dem beschriebenen Verwaltungsleiter, dem Vertriebsleiter sowie dem technischen Leiter gebildet werden. Der Plan wurde in die Tat umgesetzt. Zusatzlich wurde ein Beirat gebildet. Schon nach kurzer Zeit wurde offensichtlich, daB eine Zusammen­arbeit im Geschaftsfiihrungsgremium nicht zustandekam. Der Beirat forderte von der GeschaftsfUhrung eine mehrjahrige Konzeption fUr die Untemehmensentwick­lung. Sie kam nicht, stattdessen brach bald ein Krieg zwischen den Ressorts aus, deren Leiter das Geschaftsfiihrungsgremium bildeten. Angriffs- und Verteidigungs­linien wurden aufgebaut. Intrigen und MiBtrauen vergifteten die Atmosphare, offene Gegnerschaften Iahmten das Untemehmen. Anfanglich war der Beirat bemiiht, in der GeschaftsfUhrung zu schlichten. Das war schon bald nicht mehr praktikabel. Der tiichtige Verwaltungsleiter erwies sich als nicht teamfahig. Niemand im Geschafts­fUhrungsgremium hatte die Gabe, auszugleichen und zu integrieren. Die Gesell­schafter hatten die Weichen falsch gestellt, nicht wegen der Institution des Ge­schaftsfiihrungsgremiums, dies war ein guter Ansatz, vielmehr mit dessen per­soneller Besetzung. Was fehlte, war eine Personlichkeit, die konzeptionell und untemehmerisch befahigt war.

Gefahren zur Diskontinuitiit, wenn neue Gesellschaftermehrheit

Die Konzentration auf das Untemehmen fiihrt hin zu einem Verbinden seiner Vergangenheit mit seiner Zukunft, nach einem englischen Sprichwort: "the link between the past and the future". Das Bindeglied ist die Konzeption des Seniors, fall weise in Zusammenarbeit mit dem Junior, wenn dieser schon bestimmt und verfiigbar ist. Der Generationswechsel in der GeschaftsfUhrung ist keine Diskonti­nuitat, also eine Unterbrechung. Von Diskontinuitat mochte ich erst sprechen, in Anlehnung an de Bono, wenn eine Veranderung eintritt, " die nicht als Teil der natiirlichen Entwicklung einer Situation entsteht," (de Bono [6] Seite 89). Genera­tionswechsel in der GeschaftsfUhrung entsprechen einem natiirlichen Lebensablauf, auch im Untemehmen, sie bedeuten keinen plOtzlichen Knick in einer Kurve. Diskontinuitat kann entstehen, wenn neue Eigentiimer in die Gesellschaft eintreten, vor all em wenn die Anteilsmehrheit der Gesellschafter wechselt. Die neuen Mehr­heiten entscheiden iiber die kiinftigen Untemehmensentwicklungen und -prozesse, die strategischen, finanziellen und strukturellen Konzeptionen, sie haben das Sagen im Grundsatzlichen. Ich mochte dies an einem Beispiel verdeutlichen:

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100 Kapitel4

Das Unternehmen, GmbH mit ca. 400 Mitarbeitern, iiber mehrere Jahre im Abwarts­trend, wurde saniert. Mehrheitsgesellschafter waren Vater und Sohn mit mehreren industriellen Beteiligungen. 1m Zuge der Sanierung liefen veraltete Produktpro­gramme Schritt fiir Schritt aus. Neue Produkte mit modernen Anwendungstechniken traten an ihre Stelle. Die Vertriebssysteme muBten ebenso erneuert werden wie Fertigungsabblaufe und -techniken. Es entstand ein neues Unternehmen. Das be­sondere daran war, daB aIle Umstellungen ohne finanzielle Schieflagen bewaltigt werden konnten. Die gesamte Geschaftsleitung wurde ausgewechselt, einschlieB­lich der beiden Geschaftsfiihrer. Die neue Geschaftsfiihrung bestand aus dem Juniorteilhaber und zwei familienfremden Managern, die iiber eine gute Reputation in der Branche verfiigten. Kein Mitarbeiter, kein Kunde und Lieferant sah in den neuen Produktprogrammen und in dem Wechsel der Geschaftsfiihrung eine Diskon­tinuitat. 1m Gegenteil: Das Unternehmen wurde, nicht zuletzt wegen seiner blen­denden Entwicklung, als zuverlassiger Partner mit Kontinuitat angesehen. Nach den Umstellungen waren bereits mehrere Jahre ins Land gegangen, als die Mehrheits­gesellschafter das Unternehmen verkauften. Dies war fiir die Mitarbeiter des Un­ternehmens und aIle, die im Umfeld mit ihm zusammenarbeiteten, eine gravierende Diskontinuitat. GroBe Kunden und Lieferanten erbaten von der Geschaftsfiihrung Auskiinfte iiber die kiinftige Geschaftspolitik.

Das Unternehmen in den Mittelpunkt der Uberlegungen fiir die Fiihrungsnachfolge zu stellen, hat eine Reihe von Auswirkungen: Der Generationswechsel wird syste­matischer vorbereitet, seine Planung wird zu einem langeren ProzeB, in dem der Erhalt seiner Wettbewerbsfahigkeit, seiner Rentabilitat und des Unternehmenswer­tes obenan stehen. Das Testament zum Ubertragen von Vermogen sowie Neufassun­gen/Anderungen des Gesellschaftsvertrages riicken an das Ende dieses Prozesses, wobei ich davon ausgehe, daB ZwischenlOsungen, "fiir den Notfall", vorliegen.

4.3 Gesucht wird bestimmtes Nachfolgerprofil mit Qualifikation

Ob die Nachfolge des Unternehmers letztlich ein Erfolg wird, steht und fallt mit der Person des Nachfolgers und dessen Qualifikation. Drei Voraussetzungen sollte er erfiillen: fachliche Qualifikationen, spezifisch unternehmerische Denkweisen und Geisteshaltungen sowie bestimmte menschlich/charakterliche Eigenschaften. Dazu kommen muB, wie bei allen Vorgangen, die Manschen und zukiinftige Entwicklun­gen betreffen, das notwendige Quentchen Gliick. Ein sonst sehr erfolgsgewohnter Unternehmer tat nicht den richtigen Griff. Zu viel emotionales, nicht rationales Handeln hatten seine Entscheidung bestimmt.

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... auch und erst recht bei der Nachfolgeregelung 101

Beispiel einer mijJlungenen Nachfolgeentscheidung

Er war ein bekannter Griindungsuntemehmer der Nachkriegszeit, der sein Unter­nehmen wegen des graBen Kapitalbedarfs in eine Aktiengesellschaft (AG) umge­wandelt hatte. Er war von der Untemehmensspitze zurtickgetreten und hatte einen langjahrigen Mitarbeiter zum Vorstandsvorsitzenden gemacht. Dieser war sein Nachfolger. Ihm hatte ich kurz zuvor bei einem langeren Vortrag mit an schlie Bender Diskussion zugehbrt und war danach tiber die Nachfolgeentscheidung sehr tiber­rascht. Der Nachfolger hatte an Stellen, an denen ich als Zuhorer eine sachliche, rationale Begrtindung erwartete, eine eher oberflachliche, verkauferische Argu­mentation gebraucht. Aus bestimmtem wiederkehrendem AniaB traf ich den Griin­dungsuntemehmer, erzahlte ihm von dem Vortrag und merkte Vorbehalte zu seiner Nachfolgeentscheidung an. Obwohl der Nachfolger gentigend generalistisch denke, tiber rational analytische Denkweise verfUge? In der obersten Ftihrungsfunktion sollten Entscheidungen primar nicht durch die Brille des Vertriebsmannes gesehen werden, das konne gefahrlich ftir das Untemehmen werden. Der sonst freundliche Untemehmer zeigte sich argerlich, so kannte ich ihn nicht. Er wies meine Einschran­kungen entschieden zurtick. Grund war nicht etwa der nicht erbetene Ratschlag, er moge die Sache noch einmal tiberdenken - vor ungebetenen Ratschlagen muB sich auch oder besonders der prafessionelle Berater htiten - sondem seine Uberzeugung, daB seine Entscheidung richtig und tiber jeden Zweifel erhaben war.

Bald danach las ich eine Zeitungsnotiz, der besagte Herr X (Nachfolger), habe einen GraBauftrag mit einer naher bezeichneten auslandischen Regierungsstelle abge­schlossen. Der Auftragswert war nicht so hoch, daB es sich gelohnt hatte, dafUr in dem betreffenden Land eine Organisation fUr Wartung und Reparaturen aufzubauen. Spater erfuhr ich, mit dem Geschaft sei ein hoher Verlust verbunden, wie es hieB, ein Managementfehler. Der Mansch ist, wie sich bestatigte, unteilbar. Gefordert war ein Generalist, jemand, der von allem so viel weiB, daB er seine Ressortchefs versteht und damit Strategien formen kann, aber er war ein Mann des Verkaufs, - ohne oder mit zu wenig Sicht fUr das Ganze. Seine Befahigungen waren nicht deckungsgleich mit den Zielen und Anforderungen des Untemehmens. Jedes Untemehmen benotigt in seiner Situation einen bestimmten Typ des Untemehmers, so auch des Nachfol­gers.

Der Grtindungsuntemehmer starb einige Zeit darauf an der Folge eines Herzinfark­tes. Der Nachfolger war, wie das am Aktienkurs abzulesen war, seiner Ftihrungs­aufgabe nicht gewachsen. Das Untemehmen wurde, aus der Sicht der Familie noch rechtzeitig, verkauft und in einen Konzem eingegliedert. Bei Nachfolgeregelungen liegen Erfolg und Nichterfolg, wie in Kapitel 1 festgestellt, dicht beieinander. Von einer einzigen Entscheidung kann es abhangen, ob die Ubergabe zum Erfolg wird.

Das Desaster passierte, obwohl der Grtindungsuntemehmer ein weitblickender Mann war. Der fragliche Mitarbeiter, den er zum Nachfolger machte, verfUgte tiber gute Ausbildungen. Wissen ist aber nicht Konnen. Hat er die benotigten Fahigkeiten gehabt, sie aber nicht entwickeln konnen? Hat er vielleicht zu lange im Schatten

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102 Kapitel 4

seines Meisters gestanden? War er lemfahig geblieben? Damit finden wir den Einstieg zum Thema Ausbildung des Juniors und die Vorbereitung fUr seine Aufga­be. An das Beispiel sehlieBen sieh weitere Fragen an: Sind die Voraussetzungen, die dieser Mann (oder die Frau) an der Spitze des Untemehmens erftillen muB, die gleiehen wie beim Untemehmer in der Personengesellsehaft? 1st Untemehmer gleieh Untemehmer und Familienaktiengesellsehaft gleieh Aktiengesellsehaft?

Die untemehmerisehen Aufgaben des Vorstandsehefs der AG sind deekungsgleieh mit denen der Personengesellsehaft, in einem Fall ergeben sich die gesetzliehen Anforderungen aus dem Aktiengesetz, im anderen Fall aus dem Handelsgesetzbueh. Die gesetzlieh festgelegten Verantwortlichkeiten unterseheiden sieh allerdings: Der Einfaehheit halber beziehe ich mieh auf die reehtliehen Merkmale, die ieh als Ubersieht 1 am SehluB von Kapitel 1 gerafft dargestellt habe. Der Untersehied der untemehmerisehen Aufgaben liegt in der GroBenordnung der Untemehmen. Der Griindungsuntemehmer fangt in der Regel mit einer Einzelfirma oder einer Perso­nengesellsehaft an (OHG, KG). Er kann wenig delegieren, muB vieles selbertun,was er spater Mitarbeitem tibertragen kann. Die AG ist die Gesellsehaftsform, mit der groBere Kapitalausstattungen moglieh sind. Meistens handelt es sieh urn groBere und groBe Untemehmen. Bei den Anforderungen, die an die Ftihrung gestellt werden, ist es gleiehgiiltig, ob sieh die Aktienmehrheit in Handen einer Familie befindet, Aktienpakete im Eigentum anderer Untemehmen oder tiber die Borse breit gestreut sind.

Sollte der Nachfolger studiert haben?

Viele haben heute studiert, aber ieh habe aueh Ttiehtige erlebt, die mit Abitur, teehniseher und/oder kaufmanniseher Lehre und Besueh versehiedenartiger Fortbil­dungsinstitutionen sieh naeh oben gearbeitet haben. Gelegentlich waren sie den Studierten tiberlegen. Diesen Weg habe ieh unter anderem bei Junioren erlebt, deren elterliehes Untemehmen noeh nicht groB, in der vergangenen Generation noeh Handwerksbetrieb war. Sie waren bewuBt nieht zur Universitat gegangen, weil sie nieht tiberqualifiziert erseheinen wollten und deshalb praxisnaher geblieben sind. Das Institut fUr Mittelstandsforsehung stellte in einer Untersuehung tiber das Aus­und Weiterbildungswesen fest, daB "die Akademikerquote der Untemehmersehaft mit ca. 23 Prozent deutlieh niedriger als die bei nieht selbstandigen Ftihrungskraften liegt" ([12] Seite 5).

Mit ihren Hoehsehul- und Universitatsausbildungen treten andere Untemehmerty­pen auf die Btihne als bei der Generation der Vater, bei denen das Studium noeh seltener war. Studienzeiten sind langer geworden, die wissensehaftliehen Faeher vielfaltiger und breiter ange1egt. Einige existierten zu Vaters Zeiten noeh nieht, zum Beispiel die Kommunikationswissensehaften, die strategisehe UntemehmensfUh­rung, Managementlehren. Damit wird der Zugang zur Praxis nieht leichter, eher das Gegenteil ist der Fall. Der Zugang zur Untemehmenspraxis sollte im Interesse des Juniors mit Themen gefunden werden, die dem Untemehmen nutzen. Er sollte nieht

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. . . auch und erst recht bei der Nachfolgeregelung 103 ------------------------~ das Geflihl haben, l' art pour I' art zu betreiben, wenn er nach vorangehenden theoretischen und praktischen Ausbildungen den elterlichen Betrieb betritt. Dann sollte ihm der Gedanke erspart bleiben: Wenn doch diese Zeit nur schon vorbei ware. Und: Wenn man mich doch endlich an richtige Aufgaben heranlieBe. Das Erlemte und das, was Veranlagungen und Neigungen entspricht, sind vielleicht ganzlich andere Themen als das, mit was er "zur Einarbeitung" tatig wird. Deshalb ist flir den Junior im elterlichen Untemehmen anfangs viel Eigensteuerung notwendig, Anleitungen yom Vater sind erwiinscht oder die einer Ersatzpersonlichkeit, die flir einige Monate die Rolle des Tutors iibemimmt.

Eines miiBte der Junior schon nach wenigen Monaten signalisieren, namlich, daB er mehrgleisig und strategisch denken kann, urn sich damit an geschaftspolitische Konzeptionen heranzuarbeiten. Das wird zunachst nur in kleinerem Rahmen der Fall sein. Es braucht auch gar nicht mehr sein. Aber dies sind Zeichen der Eignung und der Veranlagung. "Mehrgleisig" heiBt, daB er zum Beispiel kostensenkende MaBnahmen in der Fertigung mit Wettbewerbsvorteilen im Vertrieb, Qualitat und Preis in Verbindung bringt. Damit ist er bei dem Thema und den Methoden, die ihn als Untemehmer nicht mehr loslassen sollten. Oft habe ich den Eindruck gewonnen, daB Nachfolger in ihrem Denken zuviel mit Verfahren und Ablaufen verhaftet sind, also vereinfachen und rationeller gestalten wollen, zu wenig an Produkte, Kunden, Preise, den Wettbewerb und andere Auswirkungen denken. Der Markt aber ist die wichtigste Grundlage der Untemehmerischen Gestaltung. Ich mochte das Denken in Ablaufen nicht abwerten, es kann gelegentlich wichtig sein. Die untemehmeri­schen Erfolge treten aber mit den gelungenen marktbezogenen Konzeptionen ein, auf Teilgebieten wie in langfristigen Gesamtkonzeptionen. Die dazu benotigten Denkprozesse miissen entwickelt und trainiert werden. Dazu zwei Beispiele.

Zwei Beispiele fur das Entwickeln von strategischem Denken

Der Vater hatte das Untemehmen aus kleinen Anfangen entwickelt und rasch zu ansehnlichen Leistungen und Erfolgen gebracht. DaB der Alteste nach sich an­schlieBender praktischer Tatigkeit in das elterliche Untemehmen eintreten wiirde, daran bestanden bei niemandem Zweifel. Fiir die Eltem und den Sohn war die Nachfolge an der Spitze selbstverstandlich, flir den Sohn nicht etwa eingepflanztes Ziel. Er fiihlte sich berufen, die untemehmerische Tatigkeit war sein eigener Wille. Schon wahrend seiner Studienzeit wiinschte er sich, an wichtigen Besprechungen teilzunehmen, mit bedeutenden Kunden und Lieferanten und engen Mitarbeitem. Er war besonnen, gelegentlich auch kritisch. Hervorzuheben ist: Er dachte in Zusammenhangen, zum Beispiel zwischen Produktgestaltung und Kundenverhal­ten, zwischen Verkaufsstiickzahlen, Auflagestiickzahlen, Lagervorraten, Kapital­bindung und Finanzierung, Rationalitat der Fertigung in Relation zu den Gemein­kosten u. a. Das waren bzw. sind die Denkkombinationen fiir strategisches Denken. Die Zielrichtungen flir die Strategien miissen hinzukommen.

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104 Kapitel 4

Dazu gibt es eine Pointe. Der Sohn studierte nicht etwa Betriebswirtschaft oder ein verwandtes Fach. Er studierte Philosophie und Geschichte. Davon lieB er sich von niemandem abbringen. Der Fall ist selten, er zeigt, daB der Weg zum Unternehmer nicht mit einer bestimmten Studienrichtung verbunden sein muB und nicht von branchenbezogenem Denken bestimmt werden sollte. Die fachlichen Qualifikatio­nen beziehen sich zwar auf die konkreten betrieblichen Ablliufe, aber gleichzeitig auf ein breiter angelegtes ressortubergreifendes Denken, mit dem Prozesse des Einkaufs, der Fertigung und des Vertriebs gebundelt werden sowie das Denken in Strukturen und Organisationsformen, mit denen man seine Ziele umsetzt und erreicht. Dort liegen die Anslitze fUr strategische Ausrichtungen. Leider verungliick­te der befahigte, schon fruh als potentieller Nachfolger qualifizierte Sohn todlich bei einem Autounfall. Der Zweitgeborene, das war erstaunlich, fUllte die Lucke bald aus. Ich komme darauf zurUck.

Auch folgendes Beispiel veranschaulicht strategisches Denken, in das Ziele invol­viert sind. In einem unternehmensinternen Seminar stellte ieh die Frage: Welches ist in der Skala der Kalkulation eines neuen Produktes derjenige Punkt, der ver­gleichsweise fest ist, bestimmend fur andere Positionen der Kalkulation? Der Leiter des Finanz- und Rechnungswesens antwortete: die Personalkosten der Produktion, sie seien am wenigsten beeinfluBbar. Der Vertriebschef: die Vertriebskosten, sie seien so gut wie fix. Der noch in der Vorbereitung auf seine Aufgabe befindliche potentielle N achfolger erkannte die Zusammenhlinge. Seine Antwort war: Dieser Punkt ist der Preis. "Er darf in unserem Fall uber dem Preis eines Vergleiehspro­duktes der Wettbewerber liegen. Wir haben mehr Kompetenz und einen hOheren Marktanteil. Unsere Leistungen mussen auf diesen Preis ausgerichtet werden: die Produktleistungen, die Konstruktion, das Design, die Fertigungsleistung, die Perso­nalkosten, der Einkauf, die Struktur/Organisation, die Kosten des Vertriebs, der Overheads u. a." Die Antwort zeigt ein breit angelegtes strategisches Denken zur Gestaltung wettbewerbsfahiger Produkte. Hier liegt der Kern strategischen Denkens an der Unternehmensspitze. Diese Sieht lliBt sieh leieht auf andere Gebiete ubertra­gen und ausdehnen: die Investitionspolitik, Finanzpolitik, Personalpolitik u. a. Wenn gelegentlich eine zu geringe Flexibilitlit von Unternehmen beklagt wird, liegt eine der Ursachen hliufig in zu wenig ausgeprligtem Training bei bereichsubergrei­fenden Denkprozessen.

Werdegang auf konkrete Unternehmenssituationen ausrichten

Die Antwort auf die Frage, "ob ich wohl der Riehtige fUr die Aufgabe bin?" sollte fUr den Nachfolger davon abhlingen, ob er vom Unternehmen eine Art Faszination verspiirt. Damit meine ich die Aufgaben und Chancen des Unternehmens am Markt, seine Zielsetzungen, seine Mitarbeiter, nicht etwa die Summe von Gebliuden, Anlagen und Maschinen, also nicht das, was unter den Aktiva in der Bilanz steht. Die Ausstrahlung, die yom Unternehmen ausgeht, soUte den Nachfolger anziehen, so stark auf ihn wirken, daB er bald nach dem Kennenlernen bereit ist, seine Lebensplanung von diesem Unternehmen mitbestimmen zu lassen. Ein Junior sagte

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.. . auch und erst recht bei der Nachfolgeregelung 105

mir: Meine Eltem haben mir bei der Wahl des Studiums freie Hand gelassen, aber ich wollte nur das eine, die Denkzusammenhange kennenlemen, die ich benotige, urn unser Untemehmen (Familie) zu fUhren. Meine Erganzung dazu: Die Denkzu­sammenhange werden wirksam hergestellt und trainiert am lebendigen Geschehen, an lebenden Aufgaben im Untemehmen, also in der Praxis. Deshalb soUte folgender Grundsatz gel ten: Studium ja. Schon deshalb, damit der Junior nicht Nachteile gegenliber klinftigen Mitarbeitem, Beratem u. a. empfindet, die studiert haben. Und er soBte sein Studium mit einem Examen abschlieBen. Promotion ist nicht relevant. Aber dann soUte die Praxis rasch folgen.

Das Studienfach wird mit der klinftigen Berufsrichtung verbunden sein. Philosophie (siehe oben) dlirfte die Ausnahme sein. Ob dann Studium der Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft oder Ingenieurwissenschaften, das soBte abgewogen werden zwi­schen personlichen Neigungen und dem, was zur spateren Weiterentwicklung des U ntemehmens von Bedeutung sein kann. So spricht es zum Beispiel fUr das Studium der Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Marketing, wenn die kommerzieUe Nut­zung der Produkte des Untemehmens im Markt langfristig verstarkt werden soUte. Flir ein Studium der Volkswirtschaft mit Schwerpunkt Finanzen sprache, wenn der Erfolg des Untemehmens stark vom Finanzierungsgeschaft abhangt, fUr die Inge­nieurwissenschaften, wenn aus einer "alten Schmiede" ein modemes Untemehmen gemacht werden solI, zum Beispiel mit Anwendung der Elektronik und Steuerung­stechnik. Damit spreche ich jeweils Entwicklungsprozesse an, die vom Junior eingeleitet und langfristig fortgesetzt werden konnen, - zum Nutzen des Untemeh­mens, aber auch in seinem Interesse. Es erleichtert seinen Einstieg und seinen Weg zur Spitze des Untemehmens.

Schon die Veranlagung des Juniors kann bedeutsam sein. Flir den Verleger zum Beispiel, des sen Sohn Computerfreak ist, kann das eine sehr gute Fligung sein. Besonders Verlage benotigen die elektronische Datenverarbeitung in allen tragen­den Bereichen, in der Redaktion, im Anzeigengeschaft, in der Produktionssteue­rung, in der Abonnentenverwaltung und an mehreren anderen SteUen. AktueUe Software hat im Verlagswesen einen besonders hohen SteUenwert, Marketingstra­tegien und Kostengestaltungen sind ohne intensive Nutzung der EDV nicht mehr denkbar, sie sind wesentlicher Bestandteil der VerlagsfUhrung geworden. Was fUr den Verlag eine herausragende Bedeutung hat, braucht dies fUr Produktionsunter­nehmen nicht immer zu haben. Wichtig ist, daB neben dem Schwerpunktdenken EDV die untemehmerischen Denkweisen entwickelt werden.

Zusammenfassend nochmals: Das Studium ist fUr den klinftigen Untemehmer kein MuB. Eine mehr praktisch ausgerichtete Ausbildung mit Abitur und Lehre kann ebenfaUs die gute Grundlage sein. Letztlich kommt es auf andere Voraussetzungen an, als die, die beim Studium vermittelt werden. Wissen ist noch nicht Konnen. Wenn Studium, dann soUte die Ausbildung in der Praxis zeitlich ebenso lang sein wie die Studienzeit, eher langer. Dies soUte in fremden Untemehmen geschehen, moglichst in Untemehmen der gleichen oder vergleichbaren Branche. Flir Junioren in mit­telstandischen Untemehmen sind die Anforderungen " wettbewerbsbedingt" in den

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beiden letzten Jahrzehnten sprunghaft gestiegen, siehe Kapitel3 Gutachten des IfM, Institut flir Mittelstandsforschung ([11] Seite 40). Die abstrakte Beschaftigung mit dem Lehrstoff an Hochschulen und Universitaten reicht allein nicht aus. Zu Recht stellt das IfM an anderer Stelle fest: "Ftir den Untemehmenserfolg dtirfte aber nicht allein die schulisch erworbene Vorbildung des Untemehmers, sondem auch seine Erfahrung im Umgang mit konkreten Untemehmenssituationen maBgeblich sein ([12] Seite 9). Die Praxis hat selbst bevorzugte Wege entstehen lassen, so die mehrjahrige Mitarbeit in einem freien Beruf, wie Untemehmensberatungen und Wirtschaftsprtifungen, Tatigkeiten in (zum elterlichen Untemehmen) vergleichba­ren Untemehmen, moglichst im Ausland, bevorzugt in den USA. Ich habe oben (KapiteI3) auch GroBuntemehmen genannt, mit Vorbehalt, weil untemehmerisches Denken, wie es ftir mittelstandische Untemehmen notwendig und deshalb zu trainieren ist, flir GroBuntemehmen nicht gerade typisch ist. Allerdings konnen sie dazu beitragen, Wissen tiber Organisationsformen zu erweitem, tiber systematische und perfektionierte ebenso wie tiber btirokratische und verkrustete Ablaufe. Auch dies kann flir den heranwachsenden Untemehmer wichtig sein.

Die genannten Etappen der Ausbildung yom Studium bis zu den ersten beruflichen Tatigkeiten sind darauf auszurichten, ein breites Wissen zu erlangen verbunden mit praktischen Vorgangen. Der Untemehmer, je mehr das Untemehmen wachst, sollte Generalist sein. Das beziehe ich auf die Denkzusammenhange, die ich deshalb hervorgehoben habe. Sie sollen aber nicht nur theoretisch ablaufen, sondem mtissen sich mit methodischen Vorgangen und konkreten Ablaufen verbinden, die man nur aus praktischen Tatigkeiten gewinnen kann. Kapitalbindungen zum Beispiel kann man nur beurteilen, wenn man weiB, an welchen Stellen sie veranderbar sind und mit welchen MaBnahmen; Personalkosten kann man nur unter Kontrolle halten, wenn man Stellenplane und Leistungsvorgaben kennt und weiB, wie man sie erstellt; Bilanzen liest man nur richtig, wenn man sie irgendwann selbst erarbeitet und daran mitgewirkt hat; Ftihrungserfolge kann man bewerten, wenn man beobachtet, was beim Ftihrungsverhalten positiv und was negativ wirkt usw. Der Generalist an der Spitze muB sich mit konkretem Denken auszeichnen, andemfalls ist er, einem Scherzwort folgend, jemand, der von immer mehr immer weniger weiB, und das nur aus der Theorie.

Zwei Beispieie fur die unternehmerische Denkweise und Geisteshaltung

Die Geschichte tiber den Unfalltod des Juniors, der flir die Rolle des Untemehmers so pradestiniert erschien, mochte ich noch fortsetzen. Der Bruder, der Zweit­geborene, stand ftir die Funktion des Stellvertreters und spateren N achfolgers schon bald bereit. Nach technisch/betriebswirtschaftlichem Fachhochschulstudium ging er mehrere Jahre in die USA und war dort in zwei Untemehmen der gleichen Branche, ahnlich dem elterlichen Untemehmen, tatig. Er brachte zahlreiche Anre­gungen mit, die zu Hause verwirklicht wurden. Bald zeigte sich, daB daraus mehr wurde: Ein neues Produktprogramm mit attraktiver Preisgestaltung in einem neuen Marktsegment. Hinzu kamen neue Fertigungsverfahren mit veranderter logistischer

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Gestaltung, die neue kalkulatorische Voraussetzungen schufen. Hier wurden die Starken des Familienunternehmens besonders sichtbar:

• Der Junior konnte sein Wissen aus theoretischer und praktischer Ausbildung unverzliglich im elterlichen Unternehmen anwenden und damit das Unternehmen in seiner strategischen Position deutlich verbessern.

• In ganz kurzer Zeit qualifizierte sich der zweite Sohn fUr die potentielle Nach­folge.

Eigentlich war der Junior, bevor er in die GeschaftsfUhrung aufrlickte, schon eine Art zweiter Grlindungsunternehmer. Ich brauche wohl nicht zu sagen, daB er ein erfolgreicher Unternehmer wurde.

Die unternehmerische Denkweise steHt das Unternehmen in den Mittelpunkt der Arbeit. Dazu gehbren ein hohes Identitats- und VerantwortungsbewuBtsein des Unternehmers. Er ist in das kritische Blickfeld der Offentlichkeit gerUckt, deshalb ist das Sich-verantwortlich-fUhlen des Unternehmers heute wichtiger denn je. Das Denken in Fortschritt, Verantwortung fUr die Mitarbeiter und deren Arbeitsplatze, sozial-gerechtes Verhalten, Rlicksicht auf Umwelt und Gesundheit gehbren zum Unternehmer ebenso wie wirtschaftliches Erfolgsstreben. Es sollte auch beim Generationswechsel dominieren. Dazu ein weiteres Beispiel.

Urn unter Beweis zu steHen, daB er als Nachfolger so dachte, konzentrierte der neue GeschaftsfUhrer an der Spitze eines Holz- und Kunststoffverarbeiters seine Anstren­gungen auf Investitionen im Bereich der Pressen. Neue Ablaufe wurden rationeller gestaltet, Primarziele der UmsteHungen waren jedoch, die Schadstoffausscheidun­gen nachhaltig zu senken, die Unfallgefahren auszuschlieBen, die kbrperlichen Kraftanstrengungen zu reduzieren, also insgesamt menschenwlirdigere Arbeitsplat­ze zu schaffen. Die Fehlzeiten der Mitarbeiter an diesen Arbeitsplatzen, die vorher bei 20 Prozent lagen, wurden im Mittel auf acht Prozent reduziert. Die Fluktuation wurde eingeschankt. Das Beispiel zeigt, daB sich bkonomische und bkologische Verbesserungen nicht ausschlieBen. Aber sie verlangen eine moderne unternehme­rische Geisteshaltung, mit der einseitige Denkweisen liberwunden werden.

Das Berufsziel "Unternehmer" wird auf guter theoretischer Grundlage kombiniert mit bestimmten vorbereitenden praktischen Tatigkeiten erreicht. Das trifft fUr Nachfolger in Familienunternehmen ebenso zu wie fUr beauftragte Unternehmer, wie ich Fremdmanager, familienfremde Geschaftsflihrer zusammenfassend genannt habe. Flir be ide gilt: Sie soli ten schon in jungen Jahren, so frUh wie mbglich, viel von ihrem klinftigen Beruf kennenlernen. An dieser Stelle haben Junioren aus Familienunternehmen einen Vorteil: Sie wachsen in die Unternehmeraufgaben hinein, hbren und sehen das, womit sie spater standig umgehen werden. DaB sich dies in das Gegenteil umkehren kann, kennen wir aus den heute haufigen Argumen­ten des Nachwuchses gegen die Eltern, wenn es zum Generationswechsel kommen solI, siehe unten im gleichen Kapitel unter der Uberschrift "Hat die nachrlickende

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Generation weniger Untemehmergeist?" Dieses Vorteils ist sich die nachfolgende Generation selten bewuBt. Demgegentiber haben junge Leute, die nach ihrer Aus­bildung und ersten beruflichen Stationen das Berufsziel "beauftragter Untemeh­mer" planen, einen anderen Vorteil: Sie konnen eine Branche anvisieren, die ihren Interessen und Neigungen entspricht. Zwar sind die TopfUhrungsrollen als solche tiber die Branchen hinweg sehr ahnlich, oft sogar gleichartig, dabei kann auch die Befahigung helfen, in Analogien zu denken. Aber der Mansch hat Sympathien. Wer sich in Bekleidungsuntemehmen wohlfUhlt, muB es nicht in Untemehmen der Kautschuk- und Gummiverarbeitung. Wer seine ersten beruflichen Schritte in der Holzindustrie gemacht hat, mochte, bevor er zu einem "Holzwurm" wird, vielleicht in eine andere Branche wechseln, weil sie ihn zum Beispiel technologisch mehr interessiert. Auch den Standort des Untemehmens kann er frei wahlen. Nicht ohne Grund haben junge Industrien, wie die Elektroindustrie und Elektronik, attraktive, freizeitorientierte Standorte. Und schlieBlich konnen Fremdmanager, wenn sie in ihrer Aufgabe nicht mehr zufrieden sind, das Untemehmen wechseln, zum Beispiel bei wirtschaftlichem MiBerfolg, personellen Querelen u. a. Der Eigenttimerunter­nehmer ist standort- und firmengebundener.

Der "Richtige" fur diese Konzeption

Unterschiedliche Situationen des Untemehmens verlangen an der Spitze verschie­denartige Untemehmertypen. Welches GlUck also fUr ein Familienuntemehmen, wenn gerade dieser Typ fUr die Nachfolge am Start steht! Verftigbar sind zum Beispiel: Der Typ des Sanierers mit Arbeits- und Erfahrungsschwerpunkten im Bereich des Controllings. Er ware der richtige Mann fUr die Situation des Unter­nehmens, das sich seit Jahren in finanzieller Schieflage befindet. Er kann auch der Typus fUr ein kontrolliertes Wachstum des Untemehmens sein. Verftigbar aus dem groBen Kreis der Familie ist auch ein marktorientierter Manager, der richtige Managertypus, urn ein Untemehmen kundenorientierter, kreativer, innovativer zu gestalten und so seine Expansion im nachsten Jahrzehnt strategisch erfolgreich zu fUhren. Die Erlauterung zeigt, was unter dem Begriff des Untemehmertyps zu verstehen ist, namlich die nattirlichen Veranlagungen und Neigungen, die starker wirken als Ausbildungen,ja diese sogar tiberlagem. Ftir jeden Typus gibt es nattirlich Randgebiete. 1st die Rolle des Finanziers gefragt, wird der Erstbeschriebene diese Aufgabe eher lOsen als der zweite. Dieser sollte aber die Qualifikation besitzen, zu erkennen, ob und wann ein erganzendes Talent notwendig wird, urn Aufgaben zu losen, fUr die er den gestandenen Experten benotigt, siehe unten Ziffer 6.3. In anderen Situationen kann ein Produktionsstratege der "Richtige" an der Spitze sein, zum Beispiel im Maschinen- und speziellen Anlagenbau, wenn Produktinnovatio­nen erste Priori tat haben, rationellere Fertigungstechniken einzuleiten sind und die Produktion insgesamt modemisiert werden solI. Auch er muB erkennen, fUr welches Gebiet er auf der GeschaftsfUhrungsebene moglicherweise einen beauftragten Un­temehmer als ausgleichendes Talent benotigt.

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Die Konzeption (Ziffem 4.1 und 4.2) definiert die Anforderungen, die an den Nachfolgertypus gestellt werden, nicht nur allgemein, sondem konkret im Hinblick auf die geplante Untemehmensentwicklung. Nun wird die Frage gestellt, ob der potentielle Nachfolger die Qualifikation(en) hat, die Konzeption auch umzusetzen? Das theoretische Verstehen und die Umsetzungfahigkeit sind zwei unterschiedliche Dinge. 1st er auch fahig, zu erkennen, wo und wann er die Konzeption verandem und einer neuen Situation anpassen muB? Kann er untemehmerisch konzeptionell denken und handeln?

Die hier beschriebenen Regeln zur Nachfolgersuche gelten selbstverstandlich auch ftir FremdgeschaftsfUhrer. Wenn zum Beispiel die technische Leitung neu zu beset­zen ist, gentigen gute oder sogar ausgezeichnete Kenntnisse in der Verfahrenstechnik der Produktion nicht. Der Gesuchte muB auch Befahigungen zur Produktentwick­lung mitbringen und dort fUhren konnen. Allein die Vermutung, er werde sich in das Arbeitsgebiet Produktentwicklung schon hineinarbeiten, reicht nicht aus. Hier liegt haufig die Grenze von Personalberatem, vor allem der sogenannten Headhunter. Sie analysieren haufig nicht breit und tief genug und stoBen zur Seele des Untemehmens nicht vor. So konnen kreative Losungen verpaBt werden, urn zum Beispiel geeignete Mitarbeiter in den eigenen Reihen zu entdecken. Sie konnen als ausgleichende Talente geeignet sein oder in veranderter Organisation so wirken, daB die vakanten Sachaufgaben gelost werden. Andere Moglichkeiten fUr eine qualifizierte Nachfol­ge sind in die Uberlegungen einzubeziehen: Beauftragte Untemehmer konnen sich als Untemehmertypen erganzen. Es gibt gentigend Beispiele, bei denen das Geheim­nis der gelungenen N achfolgeregelung allein darauf beruht, daB die beiden Person­lichkeiten an der Spitze tiber sich erganzende Anlagen und Befahigungen verfUgen. Wenn solche Chancen ungenutzt bleiben, kann es unter anderem daran liegen, daB ein dritter GeschaftsfUhrer fUr seine Aufgabe ungeeignet war, zum Beispiel ein Intrigant, der die "Befahigung" hat, alles zu zerstOren, was eigenen Interessen zuwiderlauft, siehe unten gleiche Ziffer. Auf die kreativen Losungen aus der Untemehmenssituation heraus kommt es an. Deshalb folgt der Maxime " Erst die Konzeption, dann die Person" die nachste:"Das Unternehmen verlangt ein be­stimmtes Nachfolgerprofil mit Qualifikation".

Nachfolger in aujJerbetrieblichen Seminaren vorbereiten?

Ob die Nachwuchspotentiale mit Hilfe von Seminaren und weiterbildenden Institu­tionen geweckt und gefOrdert werden konnen, kann abschlieBend nicht beurteilt werden. Noch fehlen Erfahrungen. Legt man Erfahrungen auf andcren Gebieten zugrunde, kommt man zu der Erkenntnis, daB hier der Ansatzpunkt liegt, die untemehmensintemen Aktivitaten zum Entwickeln von Ftihrungsnachwuchs und des sen Aufbau zu Spitzenpositionen wirkungsvoll zu unterstiitzen. Dazu berichtet das IfM: " ... Den Erfahrungen der Seminaranbieter zufolge sind die Teilnehmer jedoch tiberwiegend an steuerlichen und rechtlichen Gestaltungsmoglichkeiten der Nachfolge interessiert. Das deutet darauf hin, daB der Nachfolgekandidat oder die Nachfolgekandidatin bereits feststehen. Diese Ergebnisse konnen auch an Hand der

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Gesprache mit den Weiterbildungsexperten belegt werden. Das Interesse der Teil­nehmer richtet sich fast ausschlieBlich auf die praktische Abwicklung der Untemeh­menstibergabe bzw. -tibemahme und auf die relevanten rechtlichen Gestaltungs­moglichkeiten, was wir als Indiz dafUr werten, daB die bisherigen Seminarbesucher sich bereits zur Untemehmenstibemahme entschlossen hatten und entsprechenden Rat benotigten. Wir halten es fUr nahezu ausgeschlossen, daB das bestehende Seminarangebot in der Lage ist, Untemehmerpotential zu erschlieBen. Hierauf ist die Weiterbildungsszene bisher nicht ausgerichtet" ([ 12] Seite 31).

Bei einem ktinftigen Griindungsuntemehmer liegt der primare Ansatz darin, ihm Mut und Handlungswillen zu vermitteln, finanziell selbstiindig zu arbeiten. Daran muB er sich gewohnen. Urn ihm den Ubergang zu erleichtem, konnte er zunachst wahrend eines Teils der Arbeitszeit auf eigene Rechnung arbeiten, wahrend des anderen Teils im Anstellungsverhaltnis bleiben. Der Griindungsuntemehmer wird einen Zeitanteil dazu nutzen, urn Kunden fUr sein Produkt- und Dienstleistungsan­gebot zu gewinnen. Er muB Geschaftsbeziehungen kntipfen und finanzielle Grund­lagen fUr sein Geschaft schaffen. Retissiert er, wird sich zunachst ein kleiner, spater wachsender Betrieb entwickeln. In der heutigen Zeit gesattigter Markte setzt dies meistens voraus, daB der ktinftige Untemehmer Marktliicken entdeckt. Sein Erfolg wird urn so groBer sein, je revolutionarer seine Ideen sind und je aufnahmebereiter der Markt ist fUr seine Leistungen zu akzeptablen Preisen.

Ganz anders ist die Situation bei bestehenden, organisierten Untemehmen. Vorwie­gend auf diese bezieht sich die Managementliicke, die in Kapitel 3 unter der Uberschrift "Ftihrungsnotstand in mittelstandischen Untemehmen?" beschrieben ist. Dort werden Nachfolger benotigt, die tiber Markt- und Branchenkenntnisse sowie organisatorische Befahigungen verftigen, die konzeptionell denken und mit Mitarbeitem gemeinsam Planungen umsetzen, koordinieren und steuem. Diese Denkweisen und Managementpraktiken lassen sich in Seminaren entwickeln und trainieren.

Ftir das Training von ktinftigen Topmanagem mtissen zwei Voraussetzungen ge­schaffen werden: Innerbetrieblich sollten die fUr das Training vorgesehenen Ftih­rungskrafte Gelegenheit erhalten, sich in ressorttibergreifenden Aufgaben zu tiben und zu bewahren, zum Beispiel bei Projektleitungen. AuBerbetrieblich soIl ten sie Forderungsseminare besuchen, die betriebswirtschaftlich-strategisch ausgerichtet sind.

Mit diesen Eigenschaften liegen Nachfolger schief

Gelegentlich kann man, vor allem in landlichen Gebieten, von der "Familienherr­schaft" horen, in einem andem Fall yom Vorrecht des Juniors, seine Ausbildung bis zum Chefim eigenen Untemehmen absolvieren zu konnen (so ein Klient). Dies sind keine qualifizierten AuBerungen und Denkweisen. Auch der Hinweis auf die Mog­lichkeit, sich der beruflichen Verantwortung zu entziehen, muB man wohl hier

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einordnen: "Akademisch ausgebildete Nachkommen favorisierten, wenn es denn schon die Wirtschaft sein muB, eher eine Tatigkeit bei einer Untemehmensberatung. Andere wtirden sich lieber den schonen Ktinsten widmen, sich ihr Erbe auszahlen lassen und auBerstenfalls eine Galerie betreiben." (Die Welt yom 26.10.1996). Den Leistungsdruck, der angeblich von Eigenttimerunternehmern ausgehe, kann man wohl auch nicht verallgemeinem. Ich mochte dies alles nicht tiberbewerten. Mit derartigen offentlichen AuBerungen werden unnotige Gegensatze zu Unternehmen mit familienfremden Geschaftsflihrungen noch verstarkt, die in der Gunst von Bewerbern, auch bei Ftihrungskraften, ohnehin schon einen Bonus haben. Ernster sollte aber genommen werden, daB bei Junioren aus Familienuntemehmen eine gewisse Verantwortungsscheu zu beobachten ist, wie die folgenden Falle deutlich machen:

Der Junior eines groBen Automobilzulieferers, dessen Ausbildung nicht gerade vorbildlich war, hatte zahlreiche positive Eigenschaften. Er war sportlich aktiv, auch bei Sportarten, zu denen Mut gehort, zum Beispiel Fliegen, er reprasentierte gut, engagierte sich aber nur, wenn sein Vater ihn beauftragte. Er mied es, Aufgaben zu ubernehmen, die mit Verantwortung verbunden waren, zum Beispiel, weil zur Vorbereitung Mitarbeiter eingeschaltet wurden. Dann muBte er Weisungen geben und kontrollieren. Er war im wahrsten Sinne des Wortes verantwortungsscheu. Ein anderer Junior, es handelt sich urn ein anderes Unternehmen, identifizierte sich mit seinen Aufgaben nicht. 1m Gegensatz zu dem vorausgegangenen Beispiel verftigte er tiber eine sehr gute Ausbildung, theoretisch wie praktisch. Wenn er bei organisa­torischen Umstellungen in Teamarbeit einbezogen war, hatte man nie das Empfin­den, daB er sich flir die tibemommene Aufgabe wirklich verantwortlich flihlte. Er hatte schnell Grtinde parat, warum dieses und jenes nicht funktionierte. So antwor­tete er beispielsweise anlaBlich einer Umstellung: "Die Mitarbeiter kennen die Ablaufe nicht." Zu seinen Aufgaben gehorte aber, die Ablaufe verstandlich zu machen, er hatte sie eigenhandig geplant. Wenn Mitarbeiter dies dann selbst hOren, zum Beispiel in Projektbesprechungen, werden sie sauer. Der Junior macht sich unbeliebt. Wahrend einer Besprechungspause, als die Teilnehmer in einer groBen Runde zusammenstanden, schwiegen sie sofort, als der Junior hinzutrat.

Verhaltensweisen, die Verantwortungsscheu vermuten lassen, haben ftir den Nach­folger selbst negative Folgen. Denn gerade VerantwortungsbewuBtsein und -bereit­schaft, Identifikation mit der Aufgabe bis hin zu den vereinbarten Zielen und Identifikation mit dem Unternehmen, gerade dies braucht der Unternehmer. Dabei dtirfen keine Lucken und keine Zweifel aufkommen, anderenfalls lauft er Gefahr, das Vertrauen seiner Mitarbeiter zu verlieren.

Nun hat es der Junior haufig nicht leicht, zu zeigen, was in ihm steckt. Er wird sich "nicht zu weit aus dem Fenster hinaushangen", also nicht tiber Dinge reden, von denen er nichts oder noch wenig versteht. Daflir haben Mitarbeiter des Untemeh­mens meistens ein gutes Gesptir. Er sollte so klug sein, sich nicht als "Besserwisser" gegentiber erfahrenen Ftihrungskraften profilieren zu wollen, auch nicht gegenuber dem Senior. Dem Nachfolger steht es nicht zu, zur Schau zu tragen: "Ich bin das

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Untemehmen." Das erinnert an vergangene Zeiten ("L'etat c'est moi"). Heute trifft eher zu: "Ich vertrete das Untemehmen, ich spreche flir das Untemehmen." Hier ist der Senior in einer Phase der Zusammenarbeit gefordert, psychologisch gegebenen­falls einiges zurechtzurticken, siehe Ubersicht 2. Auch Kirst [13] sieht im psycho­logischen Aspekt eine entscheidende Htirde zur Vorbereitung der Nachfolge. Er zahlt die Irrttimer von Nachfolgem in Familienuntemehmen auf: Es ist eben nicht generell einfacher, ein bestehendes Untemehmen mit Erfo1g weiterzuflihren, a1s ein neues aufzubauen. Und Gott gibt nicht demjenigen den Verstand, dem er ein Amt gab. Feh1einschiitzung ist auch, daB der Nachfolger nun alles anders gestalten kanne, "ich kann endlich machen, was ich will."

Junioren, die ihre Berufsentscheidung auBerhalb des Motivs von Faszination und Berufung treffen, liegen schief. Wer herangeht mit zu viel Opportunismus (aufwen­diger Lebensstil), Sozialprestige und Geltungssucht (Cheffunktion mit angesehenen Nebenfunktionen), der Vorstellung yom gesicherten Lebenslauf (mit hohem Ein­kommen und Renten) wird diese Ziele vielleicht erreichen, aber nicht glUcklich. Das trifft nicht nur flir Mitte1standsuntemehmer zu, sondem eben so flir nichtfami1ien­zugeharige Ftihrungskrafte, die in die Funktion des beauftragten Untemehmers aufrticken. Sie erleiden Schiffbruch und mit ihnen die enttauschten Vorganger, nicht selten verbunden mit Schadigungen der Untemehmen.

An dieser Stelle machte ich eine untemehmerische Leistung herausstellen, die aus eigener Kraft erbracht wurde. Sie mage den Untemehmemachwuchs stimu1ieren, Junioren aus Untemehmerfamilien eben so wie spatere beauftragte Untemehmer. Ich zitiere die Stiddeutsche Zeitung yom 28.02.1997:

"Der Prix Veuve Clicquot flir die Untemehmerin des Jahres 1996" geht an Waltraud Reichardt. Das hat eine zwOlfkapfige Jury entschieden, der u. a. der Chefredakteur des Manager Magazins, Wolfgang Kaden, und der Direktor der McKinsey & Company Inc., Helmut Hagemann, angeharen. Die Preistragerin hat sich 1976 selbstandig gemacht und zuerst mit Heimarbeit im Wohnzimmer begonnen. Jetzt ist sie Inhaberin der Reichardt Verpackungstechnik und Geschaftsflihrende Gesell­schafterin der Reichardt Abflill-Logistik GmbH, Erzhausen bei Darmstadt, und verftigt tiber 15000 qm Produktions- und Lagerraume. Ihr Untemehmen, das Sondermengen oder -graBen flir die pharmazeutische und kosmetische Industrie abflillt und verpackt, beschaftigt 45 Mitarbeiter und setzt 15,3 Millionen DM urn. Waltraud Reichardt sieht den Preis als "Auszeichnung flir 20 Jahre unheimlichen Verzicht". Sie bezeichnet sich als diszip1iniert, konservativ und mit "beiden Beinen auf dem Boden" stehend .... Mit dem Preis erinnert das Champagnerhaus Veuve Clicquot an Nicole Clicquot, die im 19. Jahrhundert die von ihrem Schwiegervater gegrtindete Kellerei weltbertihmt machte."

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--------------~~-----Wer als N achfolger ungeeignet ist

Ohne Domen gibt es keine Rosen und ohne harte Arbeit keine Erfolge. Und dazu gehort Ehrgeiz, ein Bruder der Faszination. Ich meine den "gesunden" Ehrgeiz, sachbezogen und fair im Umgang mit den Mitmenschen. Der tibertriebene Ehrgeiz stoBt ab, zerstOrt zwischenmenschliche Beziehungen. So ist der Wunsch des Juniors, bestimmte, naher definierte Statistiken zu erhalten, verstandlich. Wenn er sie aber aus dem Schreibtisch des Controllers personlich herausnimmt, ist das unverstand­lich. Mit tibertrieben Ehrgeizigen ist es schwer, oft unmoglich, zusammenzuarbei­ten, sie wissen alles besser, wollen stets recht haben und glanzen. Das kommt unter anderem in Diskussionsrunden und Teamgesprachen zum Ausdruck, aber auch bei Einzelgesprachen. Ein Chef mit dieser Veranlagung duldet keine andere Stellung­nahme als seine eigene, er zieht das Gesprach an sich und laBt niemanden zu Wort kommen. Auch ereifert er sich und disqualifiziert diejenigen, die dennoch ihre Gedanken vertreten. Diejenigen sind "seine Leute", die unterwtirfig sind. Der tiberzogene Ehrgeiz wird krankhaft, wenn er Andersdenkende angreift und verun­glimpft. Er zieht auch Aufgaben an sich heran, fUr die er nieht kompetent ist. Wenn sie miBlingen, sind es andere, die die Sache verbockt haben. Das sind Verhaltens­weisen, die das Klima zerstoren. Sie passen nicht zu ktinftigen Chefs. Man kann sie aber niemandem abgewohnen, jeder Versuch wtirde scheitem. Es gibt nur eine Entscheidung: Ftir die Nachfolge an der Spitze ist der tiberzogen und krankhaft Ehrgeizige ungeeignet.

Ebenso verhalt es sich mit dem Intriganten. Er ist sehr gewandt, versteht es, als verbindlicher Kollege und Mitarbeiter aufzutreten und sich Freunde zu machen. Er gibt sich als good fellow, ist es aber nicht. Er urteilt bei einem Gesprachspartner tiber den Vorgang negativ, tiber den er beim anderen positiv spricht, so, wie es sein Gesprachspartner horen mochte, und wie er es fUr seine Absichten benotigt. Diese sind undurchsichtig, jedoch stets mit eigenen Interessen verkntipft. Was als sachli­che Argumentation erscheint, enthalt in Wirklichkeit einen mehr oder weniger groBen Vorteil fUr sich selbst, was fair zu sein scheint, ist darauf ausgerichtet, dem anderen zu schaden. Sein Verhalten ist eben "intrigant". Gem redet er "hinter dem Rticken" anderer, ist aalglatt, bei Unwahrheiten nicht zu fassen. Kame er in die Cheffunktion, wtirde es nur kurze Zeit dauem, bis jede Mannschaft auseinanderfallt. Er zerst6rt, was nicht seinen personliehen Interessen dient.

Ich gehe auf diese beiden Typen ein, weil sie bei der Existenz entsprechender Personen in der Ftihrung eine Gefahr fUr den Verlauf des Generationswechsels bedeuten konnen, die nicht unterschatzt werden darf. Quintessenz ist: Hande weg von tiberzogen/krankhaft Ehrgeizigen und von Intriganten. Ais Nachfolger des Eigenttimeruntemehmers sollten sie nicht in Aussieht genom men werden, als be­auftragte Untemehmer kommen sie nicht in Betracht.

Eine weitere Gruppe sollte in diesem Zusammenhang beachtet werden: Manschen, die regelmaBig und langere Zeit Psychopharmaka einnehmen, auch wenn dies nach arztlicher Verordnung und unter Kontrolle geschieht. Ich meine damit die Einnahme

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von Medikamenten, die auf psychische Funktionen wirken sowie artverwandte Behandlungsmethoden (nieht autogenes Training, das ist positiv einzuordnen). Die Betroffenen soil ten in eigenem Interesse keine Toppositionen in Wirtschaftsunter­nehmen anstreben. In der Marktwirtschaft, das liegt im System, sind sie stets Wettbewerbssituationen ausgesetzt, die bei kleineren und mittleren Untemehmen bis zur Untemehmensspitze durchschlagen. Das ist mit StreB verbunden. In der Marktwirtschaft konnen Untemehmer nicht streBfrei leben. Ftihrungskrafte, die Psyehopharmaka einnehmen, reagieren auf StreB anders. Ohne darauf naher einzu­gehen, muB man davon abraten, zu experimentieren. Das liegt im Interesse der Betroffenen selbst und auch der Mitarbeiter. Arzte haben dabei gelegentlich ein Problem. Sie wissen nieht, welche physischen und psyehischen Anforderungen Untemehmer, Gesehaftsflihrer, Vorstande verkraften mtissen und welche Leistun­gen ihnen abverlangt werden.

Zweifel sind auch angesagt bei denen, die an sieh selbst zweifeln. Eine Befahigung, gelegentlich selbstkritisch zu sein, ist positiv. Aber standige Zweifler verbreiten Unsieherheiten und disqualifizieren die Ftihrung, zum Beispiel, wenn beschlossene Investitionen, erteilte Auftrage, getroffene Personalentseheidungen naehtraglieh und wiederholt in Zweifel gezogen werden. Dazu gehOren auch Zweifel an sich selbst: "Ob ich das wohl richtig gemaeht habe mit der Ubemahme der Nachfolge?" Aueh das Fehlen beruflicher Altemativen sollte den potentiellen Naehfolger nieht verleiten, die Cheffunktion anzustreben. Schon gar nicht durfen Angstlichkeit oder Angst im Spiele sein, ob er wohl diese Aufgabe erftillen wird. Dies ist die negative Fortsetzung des Zweifels. Ein Naehfolger muB primar gepragt sein yom Willen, den an ihn gestellten Erwartungen gerecht zu werden. Oem muB er alles andere unter­ordnen, gegebenenfalls auch sieh selbst.

Abstammung plus Qualifikation, Beispiel fur langfristige N achfolgeplanung

Sohne und Toehter von Untemehmem in Familienuntemehmen, die sich auf ihre spatere Ftihrungsaufgabe systematisch, theoretisch und praktisch, vorbereiten, schaffen flir die Ftihrungsnachfolge eine Praferenz flir sieh selbst. Wenn sie schon wahrend der Vorbereitungszeit wichtige Beitrage zur Entwieklung des Untemeh­mens einleiten, dokumentieren sie ihre Eignung schon fruhzeitig. Dann ist es nicht einrnal erforderlieh, daB die Eltem Alleingesellsehafter sind, urn dem Sohn oder der Toehter die Nachfolge qua Testament und Gesellsehaftsvertrag zu siehem. Aber daneben gibt es FaIle, bei denen die Abstammung vor die Qualifikation gesetzt wird. Zunachst berichte ich tiber ein Familienuntemehmen, in dem Junioren mit kluger Politik auf die N achfolge vorbereitet werden.

,,1st Ihr Untemehmen (eine bedeutende Fleischwarenfabik) eine Familiengesell­schaft?" fragte ieh einen der zwei Komplementare, also geschaftsflihrenden Gesell­schaftem einer Kommanditgesellschaft (KG) wahrend einer Organisationsanalyse, die ich mit einem Team durehftihrte. Meine Neugier war geweekt, wei! sein

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Familienname auch der der Firma war. So erfuhr ich, daB das Unternehmen in der dritten Generation von zwei Familienmitgliedem geleitet wurde. Vor wenig en Jahren hatte es 7Sjahriges Bestehen gefeiert. In Kiirze werde seine Tochter in das Unternehmen eintreten, urn sieh auf die Leitung wahrend der nachsten Generation vorzubereiten. Dies alles erzahlte er mit Stolz und ich hatte das Empfinden, daB dazu auch AnlaB bestand. Sein Sohn werde nicht in das Unternehmen kommen, vielleicht ein Neffe. Firmengriinder seien sein GroBvater und dessen Bruder gewesen. Beide Familien hatten laut Gesellschaftsvertrag das Recht, je ein Familienmitglied fiir die Geschaftsfiihrung zu stellen. Wahrend dies in der vorangegangenen Generation so Mtte praktiziert werden kbnnen, sei es nun aber nicht sicher, ob jemand "von der anderen Seite" kame, die Kinder seines Vetters hatten anscheinend andere Interes­sen. Seine Tochter sei sehr interessiert, sie habe Betriebswirtschaft studiert und mache zur Zeit ein Praktikum in einem in der Nahe gelegenen Unternehmen. Er beschrieb mir auch, wie die zulassigen N achfolgen im Gesellschaftsvertrag definiert seien, auch was eintrete, wenn beide Kinder des Vetters keine Neigung haben soli ten , ins Untemehmen zu kommen.

Kurze Zeit spater nahm die Tochter an einer Zwischenbesprechung teil. Es war ein Vergniigen, ihr Interesse und ihr Engagement mitzuerleben. Man muBte sich nicht bemiihen, bei ihr Interesse zu wecken. Die junge Dame nahm Vorschlage zur kiinftigen Organisationsgestaltung begierig auf, man merkte ihr die Dynamik, den analytischen Verstand und auch das Bemiihen urn strategisches Denken an. Wir setzten dann das Gesprachsthema von vor wenigen Tagen iiber die Familiengesell­schaft fort. Ich hatte namlieh die Frage, warum Unternehmen und Familie dort so eng miteinander verkniipft seien. Fiir den Zeitpunkt der Griindung war mir dies verstandlich. Vieles sei in der damaligen Zeit Besonderheit gewesen: Die innerbe­trieblichen Ablaufe von der Schlachtung iiber die Zerlegung bis zur industriellen Herstellung von Frisch- und Raucherwurst, iiberhaupt die industrielle Herstellung von Wurstwaren nach herstellerspezifischen Rezepten, das Bilden von Markenna­men fiir Wurstsorten, urn einige seinerzeit neuartigen industriellen Leistungen zu nennen. Am Anfang mbgen hier und da noch technische Alleinstellungen vorgelegen haben, bis dahin hatte es Schlachtereien nur als Handwerksbetriebe gegeben. Aber all das sei ja in der Gegenwart nieht mehr relevant. Das Schlachten werde in die Schlachthbfe zuriickverlagert, Fleischwarenfabriken gebe es in groBer Zahl, mit traditionellen und neuen Technologien und uneingeschranktem Wettbewerb. Ob es da nicht Vorteile habe, anstelle der Nachfolger aus der Familie Persbnlichkeiten fiir den Geschaftsfiihrerrang auch aus anderen Unternehmen der gleiehen Branche ins Haus zu holen. Ich sprach von familienfremden Managern.

Mein Gesprachspartner gab mir zu verstehen, daB er und sein Vetter auch leitende Mitarbeiter von auBen rekrutieren, aber diese wiirden bestenfalls die Ebene der Prokuristen erreichen. Er kbnne sich fiir sein Untemehmen nur eine Situation vorstellen, die ihn veranlassen kbnnte, die Verfassung als Familiengesellschaft zu verlassen und das nur voriibergehend, namlieh wenn Nachwuchs aus den eigenen Reihen nieht zur Verfiigung stiinde. In diesem Fall miisse aber der Gesellschaftsver­trag geandert werden. "Wir achten schon im friihen Kindesalter darauf, daB die

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Interessen und Neigungen der Kinder auf eine spatere selbstandige Berufstatigkeit ausgerichtet werden und konzentrieren dies dann auf unser Untemehmen. Und dieses Interesse halten wir wach bis die Kinder in das Untemehmen eintreten. Das letzte Wort bei meinen Neffen ist auch noch nicht gesprochen." Denkbar sei auch, daB ein Kind zunachst einen anderen Beruf einschlagt und erst mit spateren Jahren quasi als "Seiteneinsteiger" die Geschaftsfiihrung iibemehme. Das sagte er in Anspielung auf einen bekannten Fall in der Branche. Der (Gesellschafts-)Vertrag sehe im iibrigen eine kurzzeitige interimistische Geschaftsfiihrung durch den ande­ren Familienstamm vor.

Ich bin riickblickend noch beeindruckt von der Sicherheit und Souveranitat, mit der dieser Untemehmer die Familiengesellschaft als eine so gefestigte Institution schil­derte und reprasentierte. Ich muBte an Kurt Pentzlin denken, aus dessen Sicht diese Familiengesellschaft noch nicht anfallig fiir Spannungen war. "Je groBer ein Fam­lienuntemehmen wird, und je mehr Generationen es hinter sich hat, und je mehr familienfremde Fiihrungskrafte schon hinzugezogen werden muBten, urn so starker konnen die Spannungen werden" ([15] Seite 20).

Senior und Nachfolger benotigen emotionale Bindung

Der Untemehmer war ein sachbezogener Arbeiter, der die Faden seines Untemeh­mens in der Hand hielt, aufmerksam die Entwicklung des Fleischwarenmarktes in Deutschland im Auge hatte, genauso in Europa, auch in den europaischen Oststaa­ten, in den USA und im Rest der Welt. Er zitierte den Untemehmensmakler Zimmerer: "Glauben Sie nicht denjenigen, die behaupten, daB Arbeit eine Sache sei, die grundsatzlich delegiert werden konne. Nur was Sie selbst tun oder was Sie wenigstens selbst iiberwachen konnen, wird zuverlassig erledigt ... Wer fiihren will, muB Vorbild sein, und das Fiihren-konnen wird in den nachsten Jahren wieder sehr sehr wichtig. Der Kapitan leitet sein Schiff von der Briicke aus und nicht von der Messe."

Fiir den Untemehmer stand fest: In den nachsten zwei Jahren muBte sein Untemeh­men abspecken, schlanker werden. Bei den Produktprogrammen sollten die Erzeug­nisse in kiirzeren IntervalIen erganzt oder emeuert werden. "SchlieBlich will ich das Feld nicht anderen iiberlassen, die mit der EWU auf den deutschen Markt kommen. Und auch wir wollen einen Anteil am franzosischen Markt gewinnen, und von denen, die rund urn das Mittelmeer sitzen." Dazu muB er sich auf andere Ge­schmacksrichtungen einstellen und neue Absatzwege aufbauen. Dies organisato­risch fiir Vertrieb und Produktion in die Hand zu nehmen, solI die erste Aufgabe der Tochter werden, wenn sie ins Unternehmen kommt. "Unsere interne Organisation werden wir nach dem Resultat der laufenden Untersuchung komplett verandem. So werden wir in der nachsten Generation mitwachsen und bestehen."

Dieser Bericht zeigt emeut, wieviel Kraft im Familienuntemehmen liegen kann, und wieviel Kraft auch verrnittelt wird, wenn der Nachfolger in seine Aufgabe im Alter

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des Heranreifens hineinwachst. Die vorausschauende Personalpolitik, eng ver­kntipft mit strategischen Ftihrungsaufgaben, starken das Untemehmen und konnen der nachsten Generation eine fast elitare Note geben. Wiederum von Bedeutung ist in diesem Fall die tragfahige Beziehung zwischen Vater und Tochter, vergleichbar mit der von Vatem und Sohnen, tiber die ich in anderen Fallen berichtete. Abstam­mung plus Qualifikation starken das Familienuntemehmen, so konnte man zu dem vorangehenden Beispiel zusammenfassend sagen. Yom Untemehmer wird psycho­logisch richtiges Verhalten in vielen Situationen verlangt, bei der Vorbereitung des Nachfolgers ftir seine Aufgaben trifft das im besonderen MaBe zu. Ob es zum gewtinschten Ergebnis ftihrt, hangt von so vielen einzelnen Schritten und Ereignis­sen abo Auch davon, ob bestimmte innere Bindungen bestehen, die unverwundbar und untrennbar sind. Beim Vater-Sohnrrochter-Verhaltnis und Mutter-Sohnrroch­ter-Verhaltnis sind es die tiefverwurzelte Liebe und Zuneigung, verstarkt durch die aneinander bindende Aufgabe. Beim Vorganger zum nichtfamilienzugehorigen Nachfolger und von diesem zum Senior sind es Anerkennung und Sympathie, ebenfalIs verstarkt durch die verbindende Aufgabe. Doch diese emotionalen Bin­dungen konnen falsch bewertet werden, das zeigt das Beispiel des sonst so erfolgs­gewohnten Grtindungsuntemehmers am Anfang dieser Ziffer. Und es gibt zahlreiche andere Anlasse und Situationen, in denen die Nachfolge in Familien- und Nichtfa­miliengesellschaften scheitert. SolI das Untemehmen dann nicht mitgerissen wer­den in den Abwarts strudel , mtissen schon kraftige Halteseile eingezogen sein. Andemfalls ist das Scheitem der Firma vorprogrammiert.

So lassen sich fehlende Qualifikationen nicht ausgleichen

Zahlreiche Schwachen im Topmanagement lassen sich ausgleichen, z. B. das Zau­dem und Zogem. Selbst bei der Qualifikation lassen sich Lticken schlieBen. Aber es gibt Situationen, in denen der Eigenttimeruntemehmer seine Funktion nicht austiben kann, z. B. bei emsthafter Erkrankung. Dazu ein Beispiel:

Der Vater war Mehrheitsgesellschafter eines graBen Untemehmens der Beklei­dungsindustrie, GmbH. Ais er starb, hatte der Sohn alles zu seiner eigenen Vorbe­reitung getan, urn die Nachfolge anzutreten: Betriebswirtschaftliches Studium mit guten Abschli.issen, mehrjahrige Tatigkeit in einer Untemehmensberatung, prak­tische Tatigkeiten im eurapaischen Ausland und Start im vaterlichen Untemeh­men in Assistenzaufgaben, dann als Geschaftsftihrer, zustandig ftir die kaufman­nische Leitung. In dieser Phase erkrankte er, richtiger: eine latente Erkrankung kam zum Ausbruch. Die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitem des Untemehmens litt erheblich und sein Verhalten stOrte bzw. zerstorte das Betriebsklima. Der Vater hat von der Erbveranlagung gewuBt und deshalb einen Testamentsvollstrecker ein­gesetzt, des sen Anordnungen nach seinem Tod Folge zu leisten war. Der Testa­mentsvollstrecker beobachtete die Krankheitsentwicklung und lieB sich tiber die facharztlichen Stellungnahmen informieren. Nach mehreren Jahren kam er zu dem SchluB, den Nachfolger aus der Funktion des Geschaftsftihrers herauszu­lOsen und einen familienfremden Geschaftsftihrer einzusetzen. Ohne Zweifel ent-

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standen dem Untemehmen bis zur AblOsung des erkrankten JuniorgeschaftsfUhrers Schaden. Der Testamentsvollstrecker griff wiederholt ein und trug zur Stabilisierung bei.

Der Gesellschaftsvertrag enthielt keine Bestimmungen, mit denen der Kreis der fUr die GeschaftsfUhrung zugelassenen Familienmitglieder bestimmt wurde. Der Sohn hatte den Gesellschaftsanteil geerbt, er wollte damit eine untemehmerische Tatig­keit verbinden. Der Testamentsvollstrecker, der den Gesellschaftsanteil verwaltete, stimmte dem zu, woHte jedoch sicher sein, daB der Sohn in der Lage war, die untemehmerische Tatigkeit auszuiiben. Er gab zunachst der Abstammung den Vorrang, je mehr aber die Cheffunktion von der Krankheit beeintrachtigt wurde und schlieBlich nicht mehr erfiillt werden konnte, desto mehr riickte fUr ihn die Qua­lifikationsanforderung nach Yom. Riickblickend ware eine familienfremde Ge­schaftsfiihrung von Anfang an die konsequentere und dem Untemehmen dienlichere Lasung gewesen.

Ein anderer Fall: Es handelt sich urn die technische Leitung einer Kommanditge­sellschaft, treffender gesagt urn den technischen Leiter im GeschaftsfUhrerrang. Dieser sollte eigentlich Komplementar sein, kann es aber nicht, weil der Gesell­schaftsvertrag den alleinigen Komplementar fUr eine andere Fiihrungsfunktion vorsieht. So entschied die Gesellschafterversammlung, einen Kommanditisten zum technischen Leiter zu machen. Lange Zeit hatte es fUr die Rentabilitat des Unter­nehmens ausgereicht, in konventioneHer Art zu rationalisieren, urn mit der allge­meinen Produktivitatsentwicklung Schritt zu halten. Das Untemehmen verfiigt, das muB man erganzen, iiber eine qualifizierte Arbeitsvorbereitung, unter bewahrter Leitung. Seit Beginn der 90er Jahre geniigt dies auch fUr dieses Untemehmen nicht mehr, fUr bestimmte Produktbereiche werden Anlagen mit neuen Technologien und ProzeBablaufen benatigt, urn Gewinne zu erzielen. Der technische Leiter ist, wie nach mehreren J ahren festzustellen ist, dieser Aufgabe nicht gewachsen. Aber in der Gesellschafterversammlung gilt: Abstammung vor Qualifikation, die Familie will unter sich bleiben.

An dies em Punkt scheiden sich die Geister: Die einen sagen, es handele sich urn einen privatwirtschaftlichen Vorgang, der niemand auBerhalb der Gesellschafter etwas angehe. Andere sehen darin die Ursache, daB Arbeitsplatze gefahrdet sind und verloren gehen. Auf vielen Gebieten haben wir in unserem Gemeinwesen Regeln, in denen sich Eigentiimer zwischen Freiheit und Verpflichtung gegeniiber der Gemeinschaft entscheiden miissen. Die Beteiligten, vomehmlich die Gesellschafter des Untemehrnens, sollten sich auch in dies em Fall des sen bewuBt sein. Allerdings ist kaum zu erwarten, daB sie ohne eine iiberzeugend vermittelnde Hand zu einer akzeptablen, ausgleichenden Lasung finden.

Die beiden letzten FaIle sind nicht alltaglich. Man kann davon ausgehen, daB es sich urn Einzelf<ille handelt. Sie sollten aber nicht unterschatzt werden, sie ziehen namlich Kreise: Verunsicherte Mitarbeiter drehen derartigen Untemehmen ihren Riicken, meistens die tiichtigen. Und gedanklich werden die negativen Beispiele auf

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--------------~~-----andere mittelstandische Untemehmen iibertragen, ohne daB dort vergleichbare Gefahren lauem. So friih wie maglich sollten deshalb erkennbare Unsicherheiten im Keirn erstickt werden.

Hat die nachrilckende Generation weniger Unternehmergeist?

Haufig ist zu haren, Kinder aus Untemehmerfamilien wollen nicht in das elterliche Untemehmen eintreten, sie bevorzugen andere Berufe. Anfangs habe ich in konkre­ten EinzelHillen gefragt: Warum? - Darauf harte ich mehrfach die gleichen oder ahnliche Griinde: Der Vater sei zu dominierend, da verlare man schon bei der Einarbeitung die Lust. - Die Kinder machten einen Beruf selbst wahlen, ohne Entscheidungszwang fiir nur eine Richtung, namlich Untemehmer zu werden und das elterliche Untemehmen zu leiten. - Mit Vaters Beruf sei zu viel Arbeit und StreB verbunden, zu viel Verzicht auf Freizeit, das habe man lange genug bei den Eltem beobachtet und in der Familie selbst erleben miissen. Es handelte sich nicht urn Tachter und Sahne mit einem Defizit an Ausbildung. Sie steckten entweder noch im Studium oder arbeiteten bereits in anderen Untemehmen. Sie hatten auch eine gewisse Reife des Denkens und des Ausdrucks erlangt. Nachdem ich gleiche oder ahnliche Antworten wiederholt harte, habe ich mich gefragt, warum die Zuriickhal­tung gegeniiber der Nachfolgeschaft des Vaters nicht anders formuliert wurde. Vielleicht lagen in Wirklichkeit ganz andere Griinde vor. Waren es Abwehr- und Schutzbegriindungen? Die Bindungen zwischen Eltem und Kindem sind aber im allgemeinen so ausgepragt, daB Schutzerklarungen von Kindem nicht lange auf­rechterhalten werden kannen. Vielleicht steckt in Wahrheit auch eine Beziehung zum anderen Geschlecht dahinter, zur Freundin oder zum Freund, die egozentrisch gerarbt ist.

Ein ruhiges Gesprach der Eltem mit allen Kindem oder mit der betroffenen Tochter bzw. dem Sohn sollte das Thema aus dem negativen Denkbereich mit negativen Stellungnahmen in den positiven Denkbereich befardem. Das Ego der Kinder im positiven Denkbereich sollte verstarkt werden. Dann kannten ihre Stellungnahmen etwa so ausfaIlen, wie ich es erlebt habe: Der Vater ist ja sehr (zu) dominierend, das macht mir einen solchen Schritt nicht leicht. Ich folge dennoch seinem (Nach­folge- )Wunsch, aber er mage mir dabei helfen, indem er mit mir und den Fiihrungs­kraften einen Einarbeitungsplan aufsteIlt, Zwischenbesprechungen durchfiihrt und meine weiteren Funktionen festlegt. Sollte er das nicht tun, werde ich mir eine andere Stelle suchen. Das hat der Vater akzeptiert. - Und beim nachsten Argument: Lieber wiirde ich ja meinem eigenen Berufswunsch folgen, namlich ... werden. Aber ich weiB, daB aIle Berufe ihre Sonnen- und Schattenseiten haben, so auch beim Untemehmer. Ich habe meinem Vater gesagt, daB ich die Aufgabe ganz anders anfassen werde als er. Ich werde mich der Produktgestaltung seIber widmen und dem damit verbundenen Marketing, auch in anderen Landem. Dort werde ich die Kooperationspartner selbst suchen und Filialen eraffnen. Reisen und andere Lander machen mir SpaB, so kann ich Pflichten und eigene Interessen verbinden. Fiir die Tagesarbeiten im Biiro werde ich mir einen guten Mitarbeiter zulegen. - Und zum

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letzten Argument: Zuviel Arbeit, StreB und Verzicht auf Freizeit? - Warum nicht so?: Ich habe meinen Eltern schon gesagt, daB sie selbst fUr meine Berufsentschei­dung kein gutes Beispiel gegeben haben. Sie haben im letzten Jahr nur eine Woche Urlaub gemacht und auf der Hin- und Rtickreise noch mehrere Kunden besucht. Und die viele Post, die nachgeschickt wurde ... In den vergangenen Jahren war das nicht viel anders. Ich weiB heute schon, das werde ich, wenn ich die Nachfolge antrete, anders organisieren, so, daB ich mit meiner Familie vier geschlossene Wochen Urlaub machen kann. Ich habe mit Vater vereinbart, daB er mich, solange er rtistig ist, fUr diese Zeit vertreten wird.

Die Schutzbehauptungen der Junioren verdecken andere Grtinde, die tiefer sitzen. Da ist zunachst die Einstellung, in wenig Zeit viel Geld verdienen zu wollen. Man braucht dies ja zur Finanzierung der Freizeit. In anderen Fallen konnen es auch wirtschaftliche oder finanzielle Schwierigkeiten sein, die im Zuge der letzten Jahre eingetreten und fUr Tochter oder Sohne bedrtickend sind. Vielleicht bahnen sich diese Schwierigkeiten erst an, und da angehende Nachfolger noch nicht tiber ausreichende Berufserfahrung verftigen, fehlt es an Wissen, mit we1chen techni­schen und organisatorischen Veranderungen sie zum Beispiel die Produktprogram­me und Strukturen des Unternehmens rentabel gestalten konnen. DaB sie sich mit den Eltern auf Gesprache dazu nicht einlassen mogen, darf man ihnen nieht vertibeln. Sie sind mit ihrem Wissen und ihren Argumenten noch nicht sattelfest. So weichen sie beim Thema Nachfolge auf Schutzbehauptungen aus. Hier konnte ein SchuB Unternehmergeist helfen. Urn ihn zu fordern, habe ich wiehtige Sanierungs­und Konsolidierungsthemen in Kapitel 2 dieses Buches vorangestellt, Hausaufga­ben des Seniors fUr den Generationswechsel, die gemeinsam mit Junioren angegan­gen werden konnten. An diesen Hausaufgaben fUhrt ohnehin kein Weg vorbei. Mit Unternehmergeist konnen sie gelOst und bewaltigt werden. Dazu kann man sich auch spezielle Hilfen ins Haus holen, in Person eines familienfremden Mitgeschafts­fUhrers oder in Gestalt eines Unternehmensberaters, vielleicht ist beides ratsam. Der Unternehmergeist kann starker sein als Bataillone, er kann Berge versetzen. Dazu ein Beispiel:

Mit einem der beiden Junioren - er war GeschaftsfUhrer im elterlichen Unterneh­men, die Eltern hatten sich zurtickgezogen - fUhrte ich ein Zwischengesprach tiber die veranderte interne Organisation. Dabei erfuhr ich yom Besuch seines alteren Bruders aus den USA. Wir sollten uns kennenlernen. Es war ein unvorbereitetes Treffen. Mein Interesse war verstandlieh, immerhin hatte der Bruder in den USA aus kleinen Anfangen heraus einen Betrieb entwickelt, der sich selbst trug. Der Standort USA hatte schon immer eine Qualitat fUr sich. Der Kern lag im deutschen Unternehmen. Seine Marktgeltung beschrankte sieh auf Deutschland, in geringem Umfang auf angrenzende europaische Lander. Es wurde yom jtingeren Bruder geleitet. Der Altere aus den USA und ich sprachen tiber dieses und jenes, urn sich kennenzulernen. SchlieBlich fragte ich ihn, worin er in der kommenden Generation seinen Beitrag zur Entwicklung des Gesamtunternehmens sehe. "Haben Sie schon Vorstellungen dartiber und wie wollen Sie sie verwirklichen?" Ohne Zogern ant­wortete er: "Ich mochte aus diesem Unternehmen ein Unternehmen von internatio-

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naler Bedeutung machen." Man merkte es ihm an, daB er diesen Gedanken und dieses Ziel schon lange in sich trug. Nur Fremden gegentiber hatte er das wohl noch nieht geauBert. Was er we iter dazu sagte, war schon Konzeption und Programm zugleich. In der gleichen Nacht, so erfuhr ich spater, haben die beiden Bruder Plane geschmiedet. Dies ist ein klassisches Beispiel fUr Unternehmergeist. Was wichtig ist: Das Ziel wurde erreicht, es wurde die Gemeinschaftsleistung eines Ftihrung­steams.

Fur den Fuhrungswechsel die richtigen Schritte set zen

Unternehmergeist kann sich entfalten, wenn Vertrauen in die Zukunft besteht. Sollten vielleicht heute Grunde vorliegen, die den Unternehmergeist und Unterneh­mermut bremsen, weil Vertrauen in die Zukunft fehlt? Vielleicht bel as ten auch wirtschaftliche und politische Unsicherheiten. Und Unsicherheiten muB man mit besonderer Vorsicht begegnen, wenn die Eigenkapitaldecke, wie in mittel standi­schen Unternehmen, knapp ist. Riehtig ist, daB viele Bewegungen im Gange sind, die Unsicherheiten in sich tragen, Bewegungen, die im Interesse einer geordneten Wirtschaftsentwicklung konsolidiert, mindestens kalkulierbarer sein sollten. Dazu zahle ich ohne Anspruch auf Vollstandigkeit und Gewichtung: die hohen Personal­kosten in Deutschland, ungezahlte Reformen, die begonnen und nicht zu Ende gebracht sind, der Beginn sozialer Instabilitat in Deutschland mit noch unabsehba­ren Folgen, der we iter zunehmende globale Wettbewerb, die UngewiBheit der Markte in Mittelost- und Osteuropa einschlieBlich RuBland, die politischen Unwag­barkeiten dort, der weiter zunehmende Wettbewerb in Verbindung mit der fortschrei­tenden europaischen Integration, die einheitliche europaische Wahrung mit einer vollig neuen Wahrungsverfassung. Darin stecken viele Ungereimtheiten, auch in der zeitlichen Folge. Zu viel solI zu schnell verandert werden. Zweifellos kein idealer Nahrboden fUr Untenehmergeist und Unternehmermut. Aber konnen diese Ereignisse so nachhaltig wirken, daB Nachfolger sich davon beeindrucken lassen? Dies sollte man wohl verneinen. Vielmehr dtirfte es darauf ankommen, fUr die Generationswechsel die richtigen Schritte zu setzen und Fehler, Irrttimer und Versaumnisse auszuschalten. Denn neben Risiken liegen auch Chancen. Man denke daran, daB zu den mittelost- und osteuropaischen Landern in absehbarer Zeit Onlineverbindungen bestehen werden und sich Marktpotentiale entwickeln konnen. Das braucht Zeit, wird es aber ermoglichen, wirtschaftlich interessante und tragfa­hige Strukturen aufzubauen. Diese Perspektiven solI ten bei der nachruckenden Generation dazu beitragen, die nachste Etappe des Unternehmens mit Unternehmer­geist und -mut anzugehen. Dazu noch ein Beispiel. Die Stiddeutsche Zeitung vom 29./30./31. Marz 1997 berichtet tiber ein bayerisches Unternehmen wie folgt:

"Von ihrer Ausbildung her bilden die beiden Bruder eine geradzu ideale Doppel­spitze als Steuermanner auf der Kommandobrucke eines Pharmaunternehmens ... Es war wohl die Familienraison, die beide schlieBlich zum Gltick in ihrer oberbaye­rischen Heimat zwang, als der Vater sich aus dem Vorlaufer der heutigen Firma X zuruckzog ...

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Aber auch in ihrem "neuen" Job als Unternehmer stehen beide ihren Mann, wie die gesunde Entwicklung der jungen Firma X, das ein Aktienkapital von 164 Millionen DM hat, beweist. 1m vergangenen Jahr wuchs der weltweite Gruppenumsatz, einschlieBlich aller Beteiligungen, von 530 Millionen auf rund 700 Millionen DM. Davon stammen bereits an die 170 Millionen DM aus dem Ausland ... Bis zur Jahrtausendwende solI das Geschiiftsvolumen mindestens auf eine Milliarde DM ansteigen. Diese GroBe sei namlich notig, urn im Wettlauf mit den Pharamriesen mithalten zu konnen, die sich gerade erst in jtingerer Zeit mit wahren Elefanten­hochzeiten zu milliardenschweren Konzernen global vereinigt haben (Anmerkung: gemeint ist wohl die Vereinigung von Sandoz und Ciba Geigy zur Novartis). Und ftir das nachste Jahrtausend, das ja gar nicht mehr so weit entfernt ist, faBt das Familienunternehmen dann auch den Gang an die Borse ins Auge. Finanziell untermauert werden die Wachstumsplane durch den EntschluB der Inhaber, aIle Gewinne in der Firma zu belassen, urn so gentigend Spielraum ftir Investitionen und eigene Entwicklungen zu schaffen.

"Einen gewaltigen Investitionsbrocken hat die Firma X bereits in der jtingeren Vergangenheit geschultert: Von der ... tibernahmen die Bayern in Magdeburg den Betrieb und ein Grundstiick von 30 Hektar. 1m Januar 1992 wurde dort der Grund­stein zum Neubau gelegt ... Das Unternehmen ist he ute der groBte Arbeitgeber Magdeburgs ... Da von dem riesigen Areal erst 80 000 qm bebaut sind, dtirften einer ktinftigen Expansion - man denke nur an die potentiellen Markte in Osteuropa -raumlich so schnell keine Grenzen gesetzt sein ... Joint Ventures bestehen bereits in Frankreich, Italien, Portugal und Spanien, Vertriebsgesellschaften arbeiten in den Niederlanden, in Polen und bald auch in GroBbritannien ... "

4.4 Der Senior stellt die Weichen

Der Seniorunternehmer, der viele Jahre die Geschafte des Unternehmens gefiihrt hat und sich auf die Betriebstibergabe vorbereitet, sieht sich mit einer Reihe von Themen konfrontiert. Er scheint berufen, die Nachfolgevorbereitungen federftih­rend in die Hand zu nehmen. Vermutlich wird er sich dazu mit den Mitgesellschaf­tern verstandigen, tiber die Art und Weise, wie er dies vorhat und mit welcher Vorgehensfolge. Denkbar ist ja, wenn die Mehrheit der Gesellschaftsanteile bei jemand anderem liegt, daB zum Beispiel der Mehrheitsgesellschafter die Aufgabe tibemehmen will. Moglicherweise kommt auch ein anderer Gesellschafter in Be­tracht. Wesentlich scheint mir zu sein, sich auf eine Personlichkeit zu einigen. Dariiber sollten die Gesellschafter einen BeschluB fassen. Eine Personlichkeit ist deshalb zweckmaBig, weil zahlreiche Aktivitaten einzuleiten, zu koordinieren und Ergebnisse zu integrieren sind. Ein Gremium, etwa die Gesellschafterversammlung, ware nicht geeignet, schon aus zeitlichen Grunden. Sie ist entscheidendes Gremium,

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falls die Satzung nicht etwas anderes bestimmt, zum Beispiel wenn die Nachfolge­regelung auf den Beirat delegiert ist.

Den Generationswechsel sollte jemand vorbereiten, der die Chancen des Untemeh­mens aus markt - und untemehmensstrategischen Perspektiven beurteilen und daraus Konzeptionen ableiten kann. Diese wiederum sind mit den Leistungsanforderungen, die an den Nachfolger gestellt werden, und mit dessen Profil zu verbinden. Und daraus sind moglicherweise auch veranderte strukturelle und organisatorische Ge­staltungen zu entwickeln mit SchluBfolgerungen zur rechtlichen und steuerlichen Seite. Bei Familiengesellschaften ist es notwendig, vertraut zu sein mit den spezi­fischen Denkweisen dieser Untemehmensform. Denjenigen, del' diese Aufgabe iibernimmt, konnte man nennen: Bevollmiichtigterfiir die Vorbereitung der Nach­folge, oda kurz: Bevollmiichtigterfiir die Nachfolge. Er ware der Gesellschafter­versammlung verantwortlieh, soIlte dies nieht praktikabel sein, zum Beispiel weil die ZahI der Gesellsehafter zu groB ist, einem anderen Gremium, zum Beispiel dem Beirat. Mit ihm wlirde er seine Vorgehensweise abstimmen und festlegen und ihm wlirde er auch berichten. Die Funktion konnte auch einem erfahrenen AuBenstehen­den libertragen werden, zum Beispiel einem Untemehmensberater, Wirtschaftsprli­fer oder Anwalt. Favorisieren wlirde ieh den Untemehmensberater mit langjahrigen Erfahrungen in der Strategieberatung und Personalberatung in mittelstandischen Untemehmen, einen AIlroundberater, siehe unten Ziffer 7.2. Der Jurist und der Wirtschaftsprlifer soIlten dann zu zivil-, geseIlschafts- und steuerrechtlichen Kon­sultationen hinzugezogen werden.

Neue Denkweisen beim Generationswechsel

Dieses Buch pladiert an einigen Stellen fUr veranderte Denkweisen, die ieh hier knapp zusammenfassen moehte. Am Anfang steht die Frage: Stimmt die Konzeption des Untemehmens noch? Dazu ist seine strategische Position zu analysieren und sind strategisehe Zielrichtungen zu bestimmen. Daneben liegen gleich Uberlegun­gen wie: Mit welchem Aufwand sind notwendige Veranderungen verbunden, wer finanziert ihn, welche Rentabilitat wird erreicht. Dann folgt die Maxime, daB bei der Auswahl des Naehfolgers sein Profil, die Qualifikation und Kompetenz fUr die Flihrung das Primat haben soIlten. Sind gleiche Qualifikationsmerkmale vorhanden in Ausbildung, Praxis und Bewahrungen, soIlte dem Familienmitglied selbstver­standlich im Vergleich zu familienfremden Bewerbem Praferenzen eingeraumt werden. SoIlte dies nieht der Fall sein, soIlte familienfremden Kandidaten der Vorzug gegeben werden. Das bedeutet das Abkoppeln der Person des NachfoIgers von der Familienzugehorigkeit, der vielleicht aus Tradition und Gesellsehaftsver­tragen bisher Priori tat zuerkannt wurde, - das Hinwenden zu primar untemehme­risch fachlicher Kompetenz bei der Flihrung des Untemehmens. "Erst die Konzep­tion, dann die Person." Die Konzeption ergibt: "Gesucht wird ein bestimmtes Nachfolgeprofil mit Qualifikation". Urn die Ressoureen des Untemehmens auszu­schopfen, sollten die kreativen Mogliehkeiten genutzt werden , urn mit leistungsfa­higeren Organisationen effizientere Flihrungen zu bilden, auch mit untemehmen-

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sintemen Losungen, siehe unten Ziffer 6.3. Die Rechtsfonnen sollten leistungsfa­higen Strukturen und Organisationen entsprechen, vor familiarer Tradition. Bei so gravierend verandertem Denken mochte ich die damit verbundenen prozessualen Themen des vorangehenden Absatzes nicht weiter behandeln und dies nicht noch mit Funktionsbezeichnungen und -beschreibungen befrachten. Die Praxis wird Losungen herausbilden, die einfach und praktikabel sind, und ich mochte es zu­nachst bei der Benennung des Seniors belassen, der sich diesen Themen widmet. Ich reihe diese nun in knapper Zusammenfassung aneinander. Sie sind aus den vorangehenden Beispielen und Kommentaren abgeleitet.

Den Generationswechsel ilberschaubar machen

Ziel der Uberlegungen und Planungen ist es, das Untemehmen als eigenstandige Einheit beim Generationswechsel zu erhalten und weiter zu entwickeln, losgelOst von den sachlichen und personellen Verkntipfungen zu den Erbvorgangen der Familie.

• Zunachst sollten Schieflagen und Schwachstellen im Untemehmen beseitigt werden, siehe dazu Kapitel 2. Die Produktivitat des Untemehmens sollte den aktuellen Anforderungen entsprechen. Sodann ist die Konzeption des Untemeh­mens zu tiberdenken und gegebenenfalls neu zu definieren, siehe dazu Ziffem 4.1 und4.2.

• Kommen diese Uberlegungen zu dem Ergebnis, daB das Untemehmen in der nachfolgenden Generation voraussichtlich nicht bestehen kann, soIl ten aIle Be­teiligten erwagen, ob sie einen Nachfolger suchen und die Anstrengungen und den Aufwand des Generationswechsels tiberhaupt auf sich nehmen wollen. Vemeinen sie es, ist eine interimistische Ftihrung zu bestimmen und der recht­zeitige Verkauf einzuleiten.

(Ftir den Verkauf des Untemehmens ist eine gesonderte Planung zu erstellen. Er gehort nicht zum Thema dieses Buches. Wichtig ist, eine Vorstellung tiber den Wert des Untemehmens zu entwickeln. Der Nutzen flir einen potentiellen Kaufer steht im Vordergrund, nicht, was im Untemehmen an Maschinen und Anlagen investiert wurde. Wichtig ist zum Beispiel: Welchen Wert haben Vertriebswege, Verkaufsorganisation, Handelsmarken?)

• SoIl das Untemehmen mit einem Generationswechsel fortgesetzt werden, ist zu priifen, welche MaBnahmen einzuleiten sind, mit denen seine Leistungen und die Rentabilitat verbessert werden. Die in Kapitel 2 beschriebenen Schritte zur Reorganisation sind Anleitungen zur Selbsthilfe. Moglicherweise sind andere MaBnahmen zu treffen bzw. Strategien anzuwenden. Auf die tatsachliche Wett­bewerbsposition des Untemehmens kommt es an. Dies sind die Uberlegungen, die ich an anderer Stelle als "Hausaufgaben des Seniors" bezeichnet habe.

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• Bei Fortsetzung des Unternehmens mit Generationswechsel kann die Frage entstehen, ob das einzelne Familienmitglied weiter zum Unternehmen stehen will oder eine Trennung in Aussicht genommen werden soBte, wenn die Vertrage es zulassen.

• SchlieBlich soBte iiberlegt werden, ob dem Unternehmen fUr Investitionen sowie technische und organisatorische Veranderungen Kapital zugefUhrt werden sollte, urn so die Rentabilitat zu erhohen. Eine Finanzierungsplanung wird notwendig, moglicherwiese auch eine veranderte Rechtsform, Ziffern 6.1 und 6.2.

• Alle Beteiligten konnen aus diesen Zusammenhangen realistischer einschatzen, ob der Kronprinz der Familie die Qualifikationen und Kompetenz zur Fiihrung des Unternehmens besitzt und ob sie einer anderen Personlichkeit aus der Familie den Vorzug geben. Vielleicht reicht erganzend ein ausgleichendes Talent aus, das in einem FremdgeschaftsfUhrer gefunden werden kann, siehe Ziffer 6.3. Diese personelle Kombination von Familienmitglied und Fremdmanager an der Spitze wiirde die Kontinuitat des Unternehmens in besonderer Weise unterstreichen. Auch andere kreative Losungen sollten gepriift werden, mit denen interne Orga­nisations- und Leistungsverbesserungen und effiziente Fiihrungsnachfolgen ver­kniipft werden, siehe unten Ziffer 6.2.

• Aus der Konzeption konnen Anforderungsprofile fUr die erwiinschten Qualifika­tionen der Fiihrungskrafte aus Familie und fUr Nichtfamilienmitglieder abgeleitet werden.

• Die Beteiligten konnen auch abwagen, ob fUr die Dauer der nachsten Generati­on(en) Eigentum und UnternehmensfUhrung sinnvollerweise getrennt werden und familienfremde Personlichkeiten in die GeschaftsfUhrung berufen werden sollten. Auch dies kann zu einer neuen Rechtsform fUhren, siehe Ziffer 6.1.

In dem Unternehmen als eigenstandige Einheit, dessen Zukunft gesondert gestaltet wird, 10sgelOst von den sachlichen und personellen Verkniipfungen zu den Erbvor­gangen innerhalb der Familie, liegt der Ansatz zu Losungen, die dem einzigen Ziel dienen: der gesunden Weiterentwicklung des Unternehmens. Das alles ist urn so wichtiger, je groBer der Vermogensanteil der Unternehmen am Gesamtvermogen ist.

Der Senior und seine Mitarbeiter sollten sich mit diesen Themen zunachst ganz auf den Generationswechsel konzentrieren. Sie haben in den vor ihnen liegenden drei bis vier Jahren, also bis zu dem angestrebten Ubergabetermin, absolute Prioritat. Schon deshalb, weil die Resultate der Untersuchungen und Veranderungen dem Unternehmen und seiner Rentabilitat zugute kommen, die Chancen guter Marktent­wicklungen vergroBern und den Start fUr den Nachfolger verbessern. Themen, die nicht unmittelbar dem Gelingen des Generationswechsels dienen, sollten auf den Zeitpunkt nach dem Ubergang auf den Nachfolger verschoben werden. Sie mogen fUr den spateren Verlauf der Unternehmensentwicklung interessieren und sogar

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126 Kapitel 4

wichtig sein, zum Beispiel eine veranderte Rechtsform oder die Installation eines Beirats. Aber zunachst ist Konzentration auf den Ftihrungswechsel ratsam. Deshalb sind hier die Schritte bis zum Generationswechsel in den Kapiteln 1 bis 5 behandelt und die anderen Themen, die bis nach Ubergang der Ftihrung warten konnen, in den Kapiteln 6 bis 10. Sie konnen dann wichtig werden flir die weitere Untemehmen­sentwicklung.

Beispiel fur den Stufenplan

Der Leitfaden zum Vorbereiten der Nachfolge liest sich wie ein umfangreiches Aufgabenpaket. 1m Einzelfall kann dies auch daraus werden. Haufig, vor allem wenn der gesunde Manschenverstand beteiligt ist und rational statt emotional gehandelt wird, schrumpft der Leitfaden auf einige wichtige Eckpunkte zusammen. Dazu folgendes Beispiel:

Das Familienuntemehmen wurde urspriinglich von Tochter und Sohn geflihrt, beide waren Komplementare einer Kommanditgesellschaft (KG), die Seniorin Komman­ditistin mit Mehrheit der Anteile. Wegen unterschiedlicher Auffassungen zur Kon­zeption und zu Ftihrungsmethoden schied der Sohn aus der Geschaftsflihrung aus und wurde Kommanditist. Die Juniorin, danach alleinige Geschaftsflihrerin, Di­plornkauffrau, hatte Erfolg. Nach einigen Jahren entstanden bei ihr Zweifel, ob sie das Untemehmen auf Dauer den Konzentrationsbewegungen in ihrer Branche entziehen konnte. Auch die Position der alleinigen Geschaftsflihrung erschien langfristig nicht haltbar, ein zusatzlicher Geschaftsflihrer als beauftragter Untemeh­mer, ausgleichendes Talent flir die Leitung der Produktion, wurde erwogen. Die Seniorin, wie bisher Mehrheitsgesellschafterin, und ihre Kinder priiften auch den Verkauf. Eines Tages entschlossen sie sich zu diesem Schritt. Dabei hat vermutlich die Uberlegung mitgespielt, daB die Geschwister die friiheren Differenzen in der Geschaftsflihrung nach dem Erbgang als gemeinsame Gesellschafter wieder auszu­tragen hatten und: beide Erben sind kinderlos. Sie gingen mit dieser Entscheidung auch Uberlegungen aus dem Wege, in den Betrieb weiter zu investieren, urn Leistungen und Rentabilitat zu verbessem. Das ware unvermeidbar geworden, urn wettbewerbsfahig zu bleiben und die Nase yom zu behalten.

Seniorin, Tochter und Sohn hatten, bevor die Aktivitaten flir den Verkauf eingeleitet wurden, folgenden Plan:

1. Gesprache tiber den Verkauf des Untemehmens (von der Tochter vorzubereiten und gemeinsam mit der Mutter zu flihren),

2. Positives Ergebnis zu 1. vorausgesetzt: Abzweigen eines Vermogenswertes (Wertpapiere, Immobilien) zur Versorgung der Mutter (zu besprechen mit Jurist und Wirtschaftspriifer) und Aufteilung des Restvermogens (Wertpapiere, Immo­bilien) zwischen beiden Kindem unter Beriicksichtigung steuerlich gtinstiger Losungen (zu besprechen mit Jurist und Wirtschaftsprtifer),

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... auch und erst recht bei der Nachfolgeregelung 127

3. Verlauf der Verkaufsabsichten negativ:

3.1 Umwandlung des Untemehmens in eine GmbH, der Kapitalanteil des Sohnes soll 35 Prozent, der Kapitalanteil der Tochter 65 Prozent betragen. Die Mutter scheidet als Gesellschafterin aus (zu besprechen mit Untemehmensberater, Wirtschaftsprtifer und Jurist),

3.2 Erganzend zur Tochter wird ein zweiter Geschaftsftihrer (beauftragter Unter­nehmer) eingesetzt mit Schwerpunkt der technischen Leitung (zu besprechen mit Untemehmensberater),

3.3 Verteilung Wertpapiere und Immobilien wie Punkt 2, ohne Verkaufserlos.

Nach dem Verkauf des Untemehmens war ftir Seniorin und Kinder der Nettoerlos aus dem Untemehmensverkauf ebenso problemlos zu behandeln wie Bankkonten, Wertpapiere und bewertetes Grundvermogen. Nicht anders sollte es sein, wenn das Untemehmen nicht verkauft, sondem von einem Nachfolger weitergeftihrt wird. Beim Familienmitglied folgen frtiher oder spater Erbansprtiche und -vorgange. Dariiber wird der potentielle Eigentiimer sprechen wollen, zu Recht. Er mochte wissen, woran er ist. Fiir die Vererbung der Geschaftsanteile gibt es Altemativen. Leitlinie ftir die Erbiibertragungen sollte sein: Der oder die zur Geschaftsftihrung berufenen Gesellschafter sollten freie Hand behalten, urn die Fiihrung des Unter­nehmens stbrungsfrei zu gewahrleisten. Er will/sie wollen sich nicht argem tiber das Hineinreden von Mitgesellschaftem, Querelen und auf die Dauer unzumutbaren Verhaltensweisen. In unserem Beispiel sollte dies mit der Anteilsmehrheit der Tochter beim Wechsel der Rechtsform erreicht werden.

So saUte auch vermieden werden, daB die kiinftige Geschaftsftihrung Zweckbiind­nissen anderer Gesellschafter ausgesetzt wird. So weit wie moglich soU ten spatere taktische Manover durch sinnvolle Ordnung der Eigentumsverhaltnisse ausge­schlossen werden. Mit dieser Maxime saUte die kiinftige Geschaftsftihrung erleich­tert werden. Wie? - Das kann nur im Einzelfall beurteilt und entschieden werden, wenn die Rechtsform und die Struktur des Gesellschaftskapitals zugrunde gelegt werden, urn abzuwagen, mit welchen Betragen aus Bankguthaben, Wertpapierde­pots, Grundstiicken fUr andere Erbberechtigte ein Ausgleich geschaffen werden kann, wenn sie beim Erben eines Geschaftsanteils nicht oder eingeschrankt beteiligt werden. Weichende Erben sollten sich bewuBt sein, daB das Fiihren von Untemeh­men schwieriger geworden ist und daB man mit iiberhOhten Forderungen und uneinsichtigem Verhalten beim kiinftigen Untemehmer seine Motivation einschran­ken kann. Man muB sich klar dariiber sein, daB die Quellen der Vermogen, namlich die Gewinne der Untemehmen, erhalten werden und nicht versiegen sollen. Der Irrtum jener Familien, die jetzt Kasse machen, ist, zu verges sen, daB das Pendel auch wieder zur anderen Seite ausschlagt, also der Verkauflangfristig nicht die giinstigere Losung darsteUen muS.

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128 Kapitel 4

Der unabhiingige Senior ist stark

In vielen, vielleicht den meisten Hillen, hat der Senior zu dieser Zeit viele Triimpfe in seiner Hand. Er kennt die verdeckten und offenen Machtkampfe der Vergangen­he it und kann sie im Interesse einer erfolgreichen Fiihrung des Untemehmens fUr die nachste Generation vielleicht entscharfen. Er besitzt Manschenkenntnis, die man bei ihm unterstellen darf, und einen realistischen SchuB an MiBtrauen, urn spatere Storungen fUr die GeschaftsfUhrung sogar auszuschlieBen. Diese liegen in der Luft, wenn Gesellschafter beteiligt sind, die sich dem Untemehmen nicht (mehr) verbun­den fUhlen. Ein entfemt verwandter Familienangehoriger hat nach Siiddeutschland geheiratet, das Untemehmen liegt bei oder in Hamburg, er mochte verkaufen. Oft ist von Familienmitgliedem im Gesellschaftsvertrag gefordert, daB sie ihren Gesell­schaftsanteil nicht an einen AuBenstehenden verkaufen, wenn sie ihn nicht vorher anderen FamilienangehOrigen angeboten haben (Anbietezwang). Wenn MitgeseU­schafter dann nicht bereit sind, den geforderten Preis zu bezahlen, sind KonsteUa­tionen in der GeseUschafterversammlung programmiert, die die GeschaftsfUhrung "bei passender Gelegenheit" behindem konnen. Zum Beispiel benotigt die Ge­schaftsfUhrung die Zustimmung der GeseUschafter fUr Investitionen, die die GeseU­schafter verweigem konnen. GeseUschafter, die wegen des Anbietezwanges nicht verkaufen konnten, sehen nun die Chance fiir einen Handel. Urn nicht unter Druck zu geraten, hat es sich bewahrt, daB die in der Geschaftsleitung tatigen Gesellschaf­ter Anteile pas siver Familienmitglieder iibemehmen. Gelegentlich werden solche GeseUschafter aus einem Firmenfond mit Teilbetragen "abgefunden", sie nehmen dann an der weiteren Entwicklung des Untemehmens nicht mehr teil. - Siehe hierzu auch Ziffer 6.2 Stichwort: Kapitalbeteiligungsgesellschaft. Gesellschafter, die we­gen des Anbietezwanges in ihren VerauBerungsbemiihungen erfolglos blieben, konnen dann geradezu "kreativ" werden mit Griinden und Argumenten, die angeb­lich fiir den Verkauf des Untemehmens sprechen. Auf langere Zeit wirken diese Argumente wie Bakterien und Viren, die anstecken. Der Senior, der die Fiihrungs­nachfolge vorbereitet, soUte Verhandlungsstarken dazu nutzen, derartige Eigeninte­ressen fUr die Zukunft auszuschlieBen.

Der Senior soUte sich der RoUe bewuBt sein, daB er fUr seine Nachfolge eine Art "Konigsmacher" ist, derjenige, der die Weichen dafUr steUt, wer zum N achfolger berufen werden soU. Sein Beitrag wird dazu nicht besser, wenn er die Entscheidung hinausschiebt, und sie letztendlich, weil er zu lange gewartet hat, anderen iiberlaBt, zum Beispiel der Ehefrau oder einem TestamentvoUstrecker. Der Senior benotigt fUr seine Vorbereitungen viel Zeit und er moge sich auch diese Zeit nehmen, aber nicht zu lang.

Eines der wichtigen Themen wird fUr ihn sein: Wer iibemimmt die Vorbereitungen und nach deren Entscheidung (Gesellschafterversammlung, Beirat) die DurchfUh­rung der Teilabschnitte? Bei dieser Frage kann der Rat kompetenter Fachleute besonders gefragt sein. Der Senior soUte beriicksichtigen, daB viele Aufgaben bzw. Abschnitte des Gesamtplanes interdisziplinar sind: Die Entwicklung des Untemeh­mens, also konzeptioneUe Veranderungen oder ganzlich neue Konzeptionen, ver-

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langt die volkswirtschaftlichlbetriebswirtschaftlich/technische Sieht. Damit hangen die Finanzierungsaufgaben zusammen. Die Ftihrung des Unternehmens ist unter personellen und juristischen Aspekten zu sehen. In viele Bereiche reichen die steuerlichen Uberlegungen hinein. Niemand kennt die Fakts und Zusammenhange so gut wie der Seniorunternehmer. Er sollte sich dessen bewuBt sein und sich im Interesse des Unternehmens engagieren.

Allerdings muB der Senior "unabhangig" sein. Mit Kleinigkeiten werden Gesell­schafter und andere Beteiligte seinen EinfluB nicht schmal ern konnen. Wohl aber konnen sich Fahrlassigkeiten und andere Ereignisse negativ auswirken, bei denen der Senior in der Vergangenheit die Interessen und das Prestige anderer verletzt hat, z. B. bei der Ehefrau wegen einer Geliebten, bei Mitgesellschaftern wegen tiberhoh­ter Entnahmen, Spesen und anderer Vorteilsnahmen.

Die Fiihrung des Unternehmens sichern

Bei seinen Uberlegungen wird der Senior vor der Frage stehen, welche Erfolgschan­cen mit verschiedenartigen Ftihrungsstrukturen verbunden sein konnen und wo die Starken und Schwachen liegen. Sie treffen flir familienzugehOrige wie flir famili­enfremde Geschaftsflihrer zu:

• Beim Ubergang der Ftihrung auf eine familienzugehorige Person ist es zwingend erforderlich, daB diese tiber generalistische Befahigungen verftigt, ohne einseitig fachliche Ausrichtung. Hat er zum Beispiel das einseitige Profil eines Verwal­tungsfachmannes, wtirde er ein ausgleichendes Talent neben sich zum Beispiel flir Marketing und Vertrieb benotigen. Das Niveau eines Mitarbeiters flir den Verkauf wtirde wahrscheinlieh nicht ausreichen. Es mtiBte sich schon urn eine Personlichkeit handeln, die das Unternehmen konzeptionell auf Marketing- und Vertriebsziele ausrichtet, bei den Produkten eben so wie bei den Absatzwegen und Zielgruppen. 1st der familienzugehorige Nachfolger lernfahig, konnte er in das Profil des Generalisten einschlieBlich des Marketing- und Vertriebsmannes hin­einwachsen. Mit dem notigen Willen ist vieles moglich. Die Risiken waren flir das Untemehmen in dieser Phase groB. DaB eine einzelne Personlichkeit Nach­folger wird, wird bei den kleineren Untemehmen der Normalfall sein. Betriebs­groBen sind sehr branchenabhangig, das haben wir schon festgestellt.

• Bei groBeren Unternehmen ist es schon denkbar, daB zwei qualifizierte Famili­enangehOrige als Nachfolger in Betracht kommen, zum Beispiel Geschwister, Vettern, Cousinen. Voraussetzung ist nieht nur gutes personliehes Verstehen, die passende Chemie, sondern eine sinnvolle Arbeitsteilung. Sind zum Beispiel beide passionierte Marketing- und Vertriebsstrategen, tatig auf verschiedenen Ge­schaftsfeldern, mtissen sie freie Bahn flir ihre Arbeit haben, sich also nieht behindern. Einer konnte auch Vertriebsexperte, der andere Produktionsexperte sein, einschlieBlich allen Zulieferungen. Die Praxis zeigt, daB auch diese zweite Alternative ausgezeichnet funktionieren kann. Bewahrt hat sich beim Zweier-

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team familienzugehoriger Personlichkeiten ein erganzendes Talent als Fremdge­schaftsfUhrer, der in die GesamtgeschaftsfUhrung aufgenommen wird. Wie "er­ganzendes Talent" schon sagt, ist dies dort angebracht, wo die beiden familien­zugehorigen Nachfolger Lticken haben, die in fehlender Veranlagung und Nei­gung oder in der Ausbildung liegen. Vielleicht ftihlen sie sich in ihrem Metier auch so engagiert und gebunden, daB sie sich mit einem weiteren Feld nicht befassen wollen. Auch in diesem Fall ist fUr den Dritten der GeschaftsfUhrerrang relevant, ein nachgeordneter Mitarbeiter wtirde die Erwartungen nicht erftillen. Uber die fachlichen Leistungen hinaus mtiBte der/die Dritte koordinierende und integrierende Befahigungen mitbringen. Der Senior sollte in diesem Fall vor Augen haben, was die Konzeption hinsichtlich Zielen, benotigtem Zeiteinsatz und Sicherheit fUr die Entwicklung des Untemehmens verlangt. So waren im FaIle eines Konsolidierungskurses Marketingbefahigungen fehl am Platz, konnen Gift sein. Die Konzeption ist nicht nur Grundlage der Planungen und MaBnah­men, sondem auch der Personalentscheidungen.

• Wenn die Verhandlungen mit familienzugehorigen Kandidaten unbefriedigend verlaufen, riicken Uberlegungen nach yom, Losungen mit familienfremden Per­sonlichkeiten zu finden. Auch hier steht das Anforderungsprofil obenan, das sich aus der Konzeption ergibt. Primar sind zu beriicksichtigen: die fachliche Kom­petenz, die untemehmerische Dynamik und die Frage nach der Loyalitat. Haufig wird bei dem Losungsansatz der FremdgeschaftsfUhrung auch die Rechtsform des Untemehmens zur Diskussion stehen, mit der GeschaftsfUhrung und Eigen­tum am Untemehmen trennbar sind. Siehe Ziffer 6.1.

• 1m Zusammenhang mit der grundsatzlichen Entscheidung, wer Nachfolger wer­den solI (Familienmitglied, beauftragter Untemehmer, sich erganzende Losun­gen) wird der Senior auch tiber das Timing fUr die Schritte zur Nachfolgeregelung nachdenken. Er wird bestrebt sein, seinen Nachfolger bald im Untemehmen zu haben, vor allem wenn seine Schularbeiten umfangreicher sind, also die MaBnah­men zu verbesserter Produktivitat sowie das Uberpriifen der Konzeption und Umsetzungen dazu hohen personlichen Einsatz verlangen. In jedem Fall ware es fUr das Untemehmen vorteilhaft, ja in bestimmten Situationen sogar notwendig, daB diese Aufgaben yom Senior und Junior gemeinsam angefaBt werden. Beide sollten beim Timing aufeinander zugehen. Haufig ist, wie bereits festgestellt, Eile geboten. Aber dabei sollte der Senior darauf bedacht sein, mit den von ihm getroffenen Entscheidungen die Bewegungsfreiheit des Nachfolgers nach des sen Amtstibemahme nicht zu behindem.

Dem Leser wird aufgefallen sein, daB in mehreren Beispielen dieses Buches die Untemehmerfunktion bereits tibemommen wurde, bevor Erbvorgange juristische geregelt wurden und Vermogenstibertragungen stattfanden. So berichtete ich, daB die Gesellschaftsvertrage neu gefaBt und testamentarische Verftigungen getroffen wurden erst ca. zwei Jahre spater, nachdem der familienzugehorige Junior bereits geschaftsfUhrend tatig war. Dann wurde juristisch das bestatigt, was bei der Unter­nehmensfUhrung schon Realitat war. Ich bin mir bewuBt, daB der Ubergang der

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Untemehmerfunktion sowie von Vermogen, auch von Gesellschaftsanteilen, sehr individuell zu handhaben sind, es kommt sehr auf die Struktur und auf die GroBenordnungen der Erbvermogen an. Aber das Trennen dieser beiden Themen, auch in zeitlicher Hinsicht, liegt aus mehreren Grunden auf der Hand: Der Junior tibemimmt zunachst die Geschaftsfiihrung, nicht mehr und nicht weniger. So kann er in seine Aufgaben in einer Art Erprobungszeit hineinwachsen. Die rechtliche Behandlung sollte man mit Anwalt und Wirtschaftsprtifer/Steuerberater besprechen, damit die fiir die bestehende Rechtsform richtigen Formalien erftillt werden. Mog­licherweise kann die Rechtsform, die ohnehin geandert werden solI, auf die Anfor­derungen der Nachfolge schon frtihzeitiger ausgerichtet werden und: Der familien­zugehorige Junior benotigt in der Regel keinen so ausfiihrlichen Vertrag wie der Fremdgeschaftsfiihrer. Die Ftihrung des Untemehmens kommt auf diese Weise ehestmoglich in sichere Hande. Der Senior kann sich - nach individueller Verein­barung -langsam zurtickziehen. Ich gehe von einem Rtickzug im Verlauf von zwei bis drei Jahren aus. Ein Gentleman Agreement moge den Junior vor einem back­seat-driving, Ftihren vom Rticksitz, schtitzen. Der Junior kann den Senior in dieser Zeit konsultieren, beide sind ja im Dienst. Beide konnen die Schwachen des Untemehmens beseitigen, soweit bisher nicht geschehen. Die (Mit-)Gesellschafter wissen, daB somit Ftihrungsliicken nicht eintreten, "aIles unter KontroIle". Siehe Ubersicht 2 am SchluB von Kapitel 1.

FamilienzugehOrige Nachfolger, vor allem Kinder, werden mit Erblassem anlaBlich der Gesprache tiber die Nachfolge auch tiber die Erbtibertragungen der Vermogens­werte sprechen. Ich sehe das als selbstverstandlich an, denn der Untemehmemach­folger ladt sich in erster Linie Arbeit, Pflichten und Verantwortung auf. Der Junior sollte nicht auf sofortige Vermogenstibertragungen drangen, sondem testamentari­schen Verfiigungen vertrauen. Aus der Rolle des Gesellschafters kann der Vater ihm gegentiber Mitgesellschaftem, Mitarbeitem, Beratem und anderen moglicherweise besser helfen. Die Jahre, in denen der Junior "nur" Geschaftsfiihrer ist, konnen eine unbeschwerte Lehrzeit sein, nicht Leerzeit.

Bei MBO- und MBI-Losungen auf unternehmerische Befiihigungen achten

Das Management-Buy-Out (MBO) und das Management-Buy-In (MBI) sind eine Kombination von VerkauflKauf mit gleichzeitiger Ubertragung;Ubemahme der Ftihrung des Untemehmens, bedeuten also den Erwerb eines bestehenden Unter­nehmens durch denjenigen, der als Kapitaleigner auch die Geschaftsfiihrung tiber­nehmen will. Frtiher mehr bei Handwerksbetrieben, Handelsgeschaften und freien Berufen praktiziert, handelt es sich zwischenzeitlich urn Formen, die auch bei kleinen und mittelgroBen Industrieuntemehmen angewendet werden. Beim MBO sind es Ftihrungskrafte des Untemehmens, die, je nach Rechtsform, das Untemeh­men als Ganzes (Einzeluntemehmen) oder die Geschaftsanteile (Kommanditanteile, GmbH-Anteile) erwerben, beim MBI sind es Exteme. Auch eine Mischung von MBO und MBI wird praktiziert.

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"Eine Umfrage unter 2000 kleineren Unternehmen in Baden-Wtirttemberg ergab, daB bei einem Drittel der Betriebe, die nur einen Familienangehorigen beschaftigen, eine interne Nachfolge ins Auge gefaBt wird. Ihr Anteil steigt mit der Zahl der mitarbeitenden Familienangehorigen

• bei zwei Angehorigen auf 55 Prozent.

• bei drei Angehorigen auf 58 Prozent,

• bei vier Angehorigen auf 61 Prozent.

so J ochen Kienbaum, Vorsitzender der Geschaftsflihrung von Kienbaum und Partner sowie Vizeprasident des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater BDU e. V. in der BDU-Depesche, Juli 1996. Die Zahlen wei sen darauf hin, daB die FamilienangehOrigen wohl jeweils einen Mitarbeiter ihres Arbeitsbereichs flir eine Nachfolge im Auge haben. Dies wtirde bedeuten, daB die fachbereichsbezogenen Qualifikationen primar sind, nicht die unternehmerischen Befahigungen. Kienbaum dazu weiter: ,,1m Vergleich zu GroBunternehmen zeigt sich bei mittelstandischen Betrieben, daB neben der stark familienorientierten Unternehmenskultur sowie der mangelnden Bindungskraft von externen Managern, die Gefahrdung vor allem in der Ftihrungsbefahigung und im Ftihrungsstilliegen." Man darf demnach von MBO nicht zuviel erwarten.

Die Variante ist das MBI. Auch hier sollten die Erwartungen (noch) nicht zu hoch gesteckt werden, wie das folgende Beispiel zeigt: Bei einem bekannten Familienun­ternehmen mittlerer GroBe, Marktflihrer auf seinem Gebiet, hatten sich viele Jahre mehrere Unternehmensberater versucht. Die Rentabilitatsschwelle wurde aber nie erreicht, gelegentlich wurde eine schwarze Null geschrieben. Auch die letzte Nach­folgegeneration, familienzugehorige Geschaftsflihrer, schaffte die Wende nicht. Das Traditionsunternehmen war in Gefahr. Mit Vermittlung offentlicher Stellen wurden vier Unternehmer gefunden, die bereit waren, als Gesellschafter einzutreten und eine Art Auffangkonsortium zu bilden. Einer von ihnen tibernahm die Gesamtge­schaftsflihrung. Er ftihrt sein eigenes Unternehmen mit Erfolg, hat dort vieles delegiert. Er ist Topmanager, verfligt also tiber die Anforderungen, die man an den MBI-Unternehmer stellt. Nach ca. zwei Jahren fragte ich einen der vier neuen Gesellschafter anlaBlich einer privaten Zusammenkunft, welche Erfahrungen und Ergebnisse bei dem fraglichen MBI-Engagement vorliegen. "Wir konnten die Verluste mit konservativen MaBnahmen der Rationalisierung stoppen. Das werten wir als Erfolg. Der Durchbruch muB aber noch kommen, vor allem mit neuen Produkten." Ein Unternehmen aus der Zone von Unwirtschaftlichkeit und Verlusten heraus in eine Zone von Effizienz und Gewinn zu flihren, benotigt neben Ftihrungs­starken und Zuflihrung von Kapital auch Zeit. Aber reichen konventionelle Ratio­nalisierungsmaBnahmen zur Sanierung aus? Schon in den 70er Jahren waren mit konventionellen Methoden verbesserte Wirtschaftlichkeit und Rentabilitat selten noch erzielbar. Aktuellere Instrumente dtirften ntitzlicher sein, siehe Ubersicht 3 am SchluB von Kapitel 2.

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MBI-Losungen nehmen in letzter Zeit zu, wohl deshalb, weil

• N achfolgen sich haufiger nicht ohne frisches Kapital regeln lassen. Aufwand und StreB des Generationswechsels machen nur einen Sinn, wenn sich das Unterneh­men strategisch neu orientiert. Und dazu muB investiert und umstrukturiert werden .

• MBI-Unternehmer tiber Kapital verftigen, etwa aus dem Verkauf eigener Unter­nehmen und aus hohen Einktinften in frUheren FUhrungspositionen sowie aus Abfindungen. Sie wollen sich wieder unternehmerisch betatigen und unterneh­merische Verantwortung tragen, weil der Ruhestand nicht ihrer Mantalitat ent­spricht.

MBI-Losungen gehoren gedanklich, wenigstens zum Teil, in den Bereich des Verkaufs von Unternehmen. Ein Generationswechsel in dem hier behandelten Sinne findet nicht statL Die Nachfolge in der FUhrung geht auf den Erwerber des Unter­nehmens oder von Geschaftsanteilen Uber. Ich erwahne deshalb MBO und MBI nicht bei den zentralen Themen des Generationswechsels, der Konzeption und dem Nachfolger, sondern bei den Aufgaben des Seniors. Dieser ist es, der moglicherweise den MBI- und MBO-Unternehmer in die Nachfolgeregelung einbeziehen kann, weil andere Wege nicht gangbar sind. Hier muB man auch Kapitalbeteiligungsgesell­schaften erwahnen. Beide, MBI/MBO-Unternehmer und Kapitalbeteiligungs­gesellschaften konnen gemeinsam dazu beitragen, gute Unternehmenskonzeptionen zu verwirklichen. In kreativen Unternehmen, in denen auch Ftihrungspotentiale schlummern, wird eher eine MBO-Losung zum Zuge kommen, weil die betreffen­den Mitarbeiter tiber Unternehmens- und Marktkenntnisse verftigen. So entstehen Organisations- und Finanzierungsformen, mit denen eine Zusammenftihrung von Geschaftsftihrung/Management mit Kapital verbunden sind, eine gegenteilige Be­wegung zu dem seit langem bestehenden Trend, Management und Kapital zu trennen. Wir kommen in Verbindung mit Kapitalbeteiligungsgesellschaften unter Ziffer 6.2 auf das Thema zurUck.

Bei allen Uberlegungen wird sich der Senior zunachst auf zwei Themen konzentrie­ren: Welche Zukunft hat das Unternehmen? - Wer soil Nachfolger werden? - Alle anderen Themen schlieBen sich folgerichtig an. Planungen, Konzeptionen und Programme, die dem Erhalt und der Weiterentwicklung des Unternehmens dienen, sind im Kapitel 2 sowie in den Ziffern 4.1 und 4.2 ausfUhrlich behandelt, Profil und Qualifikationen des Nachfolgers bzw. der Nachfolger in Ziffer 4.3. Es ertibrigt sich deshalb, hier weiter auf die Uberlegungen und Planungen des Seniors einzugehen. Er liefert damit einen gravierenden Beitrag ftir die Weiterentwicklung des Unter­nehmens sowie den Erhalt des Familienvermogens. Zu vielen Veranderungen sind die Unternehmen ausgesetzt, auf zu vielen Gebieten geraten sie unter Druck, als daB dieser Themenkomplex vor dem anstehenden Generationswechsel vernachlassigt werden dtirfte.

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Uber die Person des Nachfolgers solIe sehr konsequent nachgedacht werden. Ob Familienangehoriger, nahe oder entfernt, Familienfremder, aus dem Unternehmen kommend oder von auBen, mannlich oder weiblich, dies alles ist fUr die Nachfolge gleichgtiltig, wenn der Nachfolger oder die Nachfolgerin fUr die Situation des Unternehmens der richtige Typus ist und die benotigten Qualifikationen mitbringt. Fiir zahlreiche Unternehmer bedeutet das, ein in Familienunternehmen bisher vorhandenes Denkrnuster zu verlassen. Sie wiirden anderenfalls die Existenz des Unternehmens aufs Spiel setzen. An einigen Stellen dieses Buches wurde deutlich, daB Kinder aus der Unternehmerfamilie hervorragend qualifiziert sein konnen und dies auch schon friihzeitig zeigen. Dann sollte es keinen Zweifel geben, daB diese Kinder die Nachfolge antreten. Urn sie fUr die Aufgabe vorzubereiten, sollten Regeln beachtet werden: Das Universitatsstudium, so gut es als theoretische Grundlage sein mag, sollte nicht iiberbewertet werden. Die betriebliche Ausbildung in fremden und im eigenen Unternehmen sind wichtiger. 1m Ergebnis muB der Nachfolger zum unternehmerisch konzeptionellen Denken und Handeln kommen. Der familienfrem­de beauftragte Unternehmer sollte dariiber schon verfiigen, wenn er engagiert wird. Er sollte es woanders auch bewiesen haben. Der Senior ist bei seinen Uberlegungen und Planungen auch Gefahren ausgesetzt, denen er sich bewuBt sein sollte. Dazu einige Beispiele.

Wunschdenken schliigt zuriick

Gesetzt den Fall, eines oder mehrere seiner Kinder sind Kandidaten fUr die Nach­folge. Der Senior konnte die Schwachen der eigenen Kinder im Vergleich zu alternativen Bewerbern, wenn er sie iiberhaupt erkennt, zu gering, und ihre Fahig­keiten zu hoch einschatzen. Auf diese Weise konnte er einem Wunschdenken unterliegen. Das ist gefahrlich. Was hatte er davon? Er wiirde im Vergleich zu alternativen Kandidaten einen Prestigeerfolg verbuchen, nicht mehr. Die Wirklich­keit holt den iiberschatzten Kandidaten schnell ein. Die Tochter/der Sohn wiirde einem gefahrlichen StreB ausgesetzt. Der Erfolg und moglicherweise sogar der Bestand des Unternehmens wiirden aufs Spiel gesetzt, und nicht zuletzt wiirde auch die Gesundheit des Kindes gefahrdet. Das gleiche kann iibrigens beim familienfrem­den GeschaftsfUhrer eintreten. Ich habe das leider schon erlebt: Man hat diesen strebsamen, tiichtigen und der Familie ergebenen Mitarbeiter im eigenen Hause heranwachsen sehen, auf der zweiten Ebene war er der beste. Aufgeriickt auf die GeschaftsfUhrerebene wurde er krank an Magen, Nieren und Herz. Er starb an Konflikten mit sich selbst, war nicht gewohnt, sich seiner Haut zu wehren, wie es auf der GeschaftsfUhrerebene gelegentlich notwendig ist. Der Senior bzw. der Vorganger sollten einen befahigten Personalberater hinzuziehen, auf jeden Fall, wenn es urn familienzugehOrige Nachfolger geht. Auch Chirurgen sollen ihre Familienangehorigen nicht selbst operieren.

Wunschdenken des Seniors ware es auch, den familienzugehOrigen Nachfolgekan­didaten fiir die Fiihrungsnachfolge gewinnen zu wollen, der sich interessiert zeigt, aber in Wirklichkeit gar nicht "einsteigen" will. Der Kandidat entlockt dem Senior

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gunstige Vertragsbedingungen, zunachst fUr die GeschaftsfUhrung, auch schon fUr ein Rahmenangebot zur spateren Ubemahme von Geschaftsanteilen, - unterstellen wir, daB dazu Anwalt und Wirtschaftsprufer schon eingeschaltet sind. Die Verhand­lung en werden iiber mehrere Monate gefUhrt, bis der Senior erkennen muB, daB der N achfolgekandidat taktiert, vielleicht nur seinen Marktwert kennenlemen will, in Wirklichkeit an einem Engagement iiberhaupt nicht interessiert ist. Vielleicht ver­handelt er ja zu gleicher Zeit an anderer Stelle, wo er sich urn die Funktion des familienfremden GeschaftsfUhrers bewirbt oder urn eine Vorstandsposition einer Aktiengesellschaft. In solchen Situationen ist der kuhle Kopf des Seniors gefordert. Das offene Wort kann hilfreich sein, urn den taktierenden Kandidaten auf die Bahn der seriO sen VerhandlungsfUhrung zu bringen. Taktiert der Nachfolgekandidat zu viel und zeigt er zu wenig Bereitschaft, sich auch festzulegen, kann man die Verhandlungen getrost beenden. Opportunismus zahlt sich nicht aus, man verliert nur Zeit.

Wie aus dem vergangenen Jahrhundert erscheint folgende Einstellung:Der Unter­nehmer gab mir zu verstehen, sein Sohn habe die von mir geforderten Qualifikatio­nen nicht. Er benotige keine Denkfahigkeiten zum Analysieren, er brauche auch keine Fahigkeiten fUr Konzeptionen. Das Untemehmen habe ein Produktprogramm, namlich Schleif- und andere Spezialmaschinen (Beispiel). Ihr Einsatz und die technischen Funktionen werden von technischen und kaufmannischen Mitarbeitem beherrscht, die 25 Jahre und Ianger im Untemehmen tatig sind, eingespielte Mann­schaften. "Mein Sohn kann ohne Vorbehalte hier Nachfolger werden. Was ihm fehlt, das tun seine Mitarbeiter fUr ihn." Auch ein "ausgleichendes Talent" als Mitge­schaftsfUhrer kame fUr sein Untemehmen aus dem gleichen Grunde nicht in Be­tracht.

Wo die Qualifikationen der Fuhrung in Frage zu stellen sind oder Lucken bei Qualifikationen bestehen, ist fur das Untemehmen Gefahr in Verzug. Vielleicht konnte man in der Vergangenheit gelegentlich davon ausgehen, daB qualifiziertere Mitarbeiter der zweiten Fiihrungsebene die Qualifikationsschwachen an der Spitze ausgleichen. Bei der nachfolgenden Generation sollte eine andere Maxime in den Vordergrund treten: Die Spitze muB mit einer oder mehreren TopfUhrungsperson­lichkeit(en) besetzt sein. Nur dann kann erwartet werden, daB die Veranderungen, die in Kapitel 2 aufgezeigt sind, bewaltigt werden. Nur dann wird auch gewahrlei­stet, daB auf der nachfolgenden Ebene wiederum Mitarbeiter mit sachlichen und personlichen Kompetenzen zur VerfUgung stehen. Bekanntlich haben erstklassige Fiihrungskrafte auch Interesse an erstklassigen Mitarbeitem. Demgegeniiber mogen weniger qualifizierte Mitarbeiter nicht gem erstklassige Mitarbeiter. Diese haben ja mehr Konnen und Wissen als sie selbst. Deshalb bevorzugen sie Drittrangige (Peter-Prinzip). Zweitrangige Chefs reduzieren schon deshalb die Qualitat des gesamten Untemehmens.

Yom gefahrlichen Wunschdenken des Seniors zuruck zum Untemehmen, das, herausgelOst aus den sachlichen und personellen Verkniipfungen der Erbgange der Familie, fUr den Generationswechsel eine eigene geschlossene Einheit darstellt.

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136 Kapitel 4

Wenn man sie erhalten will, sind sie anders zu behandeln als Immobilien und Wertpapierdepots. Untemehmen stellen nur dann einen Wert dar, wenn sie profes­sionell gefiihrt werden und mit attraktiven Produkten und hoher Leistungseffizienz wettbewerbsfahig bleiben. Anwalte wissen auch zu berichten, daB Eltem gelegent­lich mehreren Kindem das Untemehmen iibertragen wollten aus Griinden der "Gerechtigkeit", und vielleicht, weil aIle Kinder darin tatig sind oder waren. Wir brauchen uns mit dieser Konstellation nicht zu befassen, denn es ist unstreitig, daB der Erfolg des Untemehmens von der durchdachten Konzeption, Fiihrung und den geeigneten Personlichkeiten abhangt. Wachst das schon groBe Untemehrnen weiter, kann das AniaB zum Wechsel der Rechtsform werden. Aktiengesellschaften konnen Verantwortlichkeiten in der Fiihrung we it aufsplitten, ohne daB die Gesamtfiihrung ineffizient wird.

Den Zeitpunkt der Trennung nicht verpassen

Die Nachfolge im Untemehmen sollte friihzeitig geregelt werden. Die Phase von drei bis vier J ahren Zur Vorbereitung des Generationswechsels sollte deshalb spate­stens mit dem 60jahrigen Geburtstag des Seniors beginnen, so kann er den Fiih­rungswechsel bis 65 vollzogen haben und dann selbst als Mitglied des Beirates oder Aufsichtsrates oder deren Vorsitzender fungieren.

Gelegentlich wird gefragt: Mit welchem Alter sollte der Nachfolger sein Amt iibemehmen? Man muB dann erganzend fragen: Und mit welchem Alter sollte der Senior ausscheiden? HinzufUgen mochte ich: Wie lange ist die Periode einer Generation? Es wird darauf ankommen, ob der Senior mit Lebensalter 65. abtritt und ob der Junior mit 35 oder 40 kommt. Rein rechnerisch ware in diesen Fallen die langere Peri ode 30 Jahre (65 minus 35) und die kiirzere Periode 25 Jahre (65 minus 40). In Familienuntemehmen neigt man dazu, familienzugehorige Nachfol­ger schon in jiingeren Lebensjahren in die Leitung zu holen, familienfremde in fortgeschrittenerem Alter. Sie sollen ihre Befahigungen schon an anderer Stelle bewiesen haben. In Nichtfamilienuntemehmen wird der Gestandene bevorzugt. Familienzugehorige Nachfolger sollten etwa 35 Jahre alt sein, bevor sie in die GeschaftsfUhrung aufriicken. Ich gehe fUr die Dauer einer Generation von 25 bis 30 Jahren aus. Langere Dienstzeiten bringen eben so wenig wie kiirzere einen Wettbe­werbsvorteil. Dem Mehr an Erfahrung kann auch ein VerschleiB in der Aufgabe gegeniiber stehen, Erfahrungen konnen aus zuviel vergangenheitsbezogenem und zu wenig prospektiven Denken bestehen. Kiirzere Dienstzeiten bedeuten prozentual langere Einarbeitszeit. Nicht vergessen darf man auch, was der Einzelne fUr den Erhalt seiner geistigen und korperlichen Leistungsfahigkeit tut, viel Positives, viel Negatives?

Die Griinde fiir ein langes Verbleiben des Seniors in seinem Amt sind haufig nicht verstandlich. Handelt es sich vergleichbar mit den Junioren urn Schutzbehauptun­gen, also Erklarungen, mit denen die wahren Griinde des Verbleibs verdeckt werden? Siehe dazu auch Ziffer 4.3. Was solI es heiBen: Er will sich nicht trennen von lieb

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... auch und erst recht bei der Nachfolgeregelung 137

gewordenen Aufgaben? Ich kann das nicht nachvollziehen. Wenn Mitgesellschafter oder der Beirat mit ihm rechtzeitig vereinbaren, zu einem bestimmten Zeitpunkt konzeptionelle Anpassungen fUr das Untemehmen vorzubereiten, wird der Senior danach verfahren. Er wird dann auch, gegebenenfalls mit Untersttitzung eines Untemehmensberaters, die zahlreichen Verhandlungen zur Vorbereitung des Wech­sels an der Spitze fUhren. Man kann ihm in den genannten Gremien bewuBt machen, daB auf diesem Wege die zweckdienlichsten Lasungen zustandekommen, vor aHem fUr das Untemehmen. Hat er das Bediirfnis, weiter mitzuarbeiten, gibt es dafUr Beratervertrage und Sonderfunktionen in vielen Spielarten, er kann sie selbst konzipieren. Man kann dem Senior nur immer wieder raten, seinen Riickzug aus der aktiven, operativen GeschaftsfUhrung spatestens mit den genannten Lebensjah­ren einzuleiten. Uberschreitet er sie, lauft er Gefahr, daB andere die Situation nutzen, um ihre eigenen Interessen ins Spiel zu bringen. Ais ich einem Senior riet, er mage seinen Riickzug im Verlauf von ca. einem Jahr vorsehen, war seine Reaktion: "Ich fUhle mich enttauscht". Man muB dazu bemerken, daB ich zuvor dazu beigetragen hatte, die Verlustquellen in seinem Untemehmen in MillionenhOhe zu beseitigen. Das erkannte er ohne Vorbehalt an. Kopfschiittelnd lehnte er meinen Vorschlag zum Riickzug abo Bald darauf, anlaBlich eines privaten Zusammenseins, bemerkte er gegeniiber Dritten: "Er hatte ja so recht". Gab es Interessen, ihn als eine Art Gallionsfigur an der Spitze des Untemehmens zu halten? Wenn das der Fall war, lieB er es sich gefallen.

Auch wird gesagt, es sei dem Untemehmer nach einem arbeitsreichen Leben nicht zuzumuten, sich mit einem bestimmten Lebensalter zur Ruhe zu setzen. Das liefe darauf hinaus, daB er sich quasi auf seinen eigenen Tod vorbereiten und sich damit auseinandersetzen solIe. Auch das ist nicht nachvollziehbar. Der altemde Untemeh­mer denkt real, nachlassende geistige und korperliche Krafte stellt er selbst fest. Er weiB auch, angenehme Seiten des Lebens, wie Reisen, Ausfliige, Aufenthalte in komfortablen Hotels, kulturelle Veranstaltungen zu nutzen, um die geistige und korperliche Fitness zu erhalten. Es ist so, wie bei anderen Anlassen: Die Fakten werden festgestellt, danach werden Begriindungen fUr sie gesucht. Fakten kannen aHerdings in wirtschaftlichen und finanziellen Vorgangen des Untemehmens be­griindet sein und die Ursachen bilden, daB der Senioruntemehmer nicht weicht. Er weiB, solange er das Steuer in der Hand hat, wird dem Untemehmen nichts passieren. Aber was ist, wenn er es nicht mehr in der Hand hat? Das sind fUr mittelstandische Untemehmen in wirtschaftlich schwierigen Situationen die Falle, in denen der Senior selbst seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Hat er sie aber abgeliefert, wird er bereit sein, sich zuriickzuziehen. Hat er sie noch nicht gemacht, muB das im Interesse des Untemehmens rasch nachgeholt werden.

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138 Kapitel 4

Ubersicht zu Kapitel 4

Gedankliche Grundlage zur Entwicklung der Konzeption

Kongruenz bedeutet ausgewogene Konzeption

Inkongruenz: - zu viele Ziele

bei zu geringem Krafteeinsatz

- zu wenig Ziele bei ilberh6htem Krafteeinsatz

Ubersicht 8

Ziele / Strategien

Strukturen / Organisation

Manpower / Qual ifikation

Ziele / Strategien

Strukturen / Organisation

Manpower / Qualifikation

Ziele / Strategien

Strukturen / Organisation

Manpower / Qualifikation

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5 Die richtigen Schritte zum Ftihrungswechsel, Checklisten

Damit mochte ich die bisherigen AusfUhrungen zusammenfassen. Zunachst einige Maximen, die fUr das Gelingen des Stabwechsels in Familienunternehmen wichtig sind: Die Fiihrungsnachfolge sollte von den person lichen Erbgangen, vor allem in der zeitlichen FoIge, abgekoppelt werden. Das Eigentum am Unternehmen (ganz oder teil weise) soll te friihestens ein bis zwei Jahre nach Obertragung der Geschafts­fUhrung auf den Nachfolger iibergehen. Der Nachfolger sollte im Sattel sitzen. Dann sollten die Verhandlungen zur juristischen und steuerlichen Gestaltung in bezug auf Unternehmen und Unternehmer gefUhrt werden. Der Generationswechsel sollte fUr alle Beteiligten iiberschaubar gemacht werden. Die Vorgehensweise sollte vor all em zwischen den Gesellschaftern beraten und vereinbart werden. Sie sind finanziell beteiligt und in die Risiken der Unternehmensentwicklung eingebunden. Sie sollten deshalb an grundsatzlichen Entscheidungen mitwirken und Vertrauen in die kiinftige Entwicklung des Unternehmens haben konnen. Auch in Familienunternehmen sollten Leistung und Befahigung der Abstammung und dem Verwandtschaftsgrad vorangestellt werden. Die Vorbereitungen des Generationswechsels sollten drei bis vier Jahre vor Obergang der Verantwortung auf die neue Fiihrung in Angriff genommen und die Aufgaben und Verantwortlichkeiten fUr die Schritte zum Fiih­rungswechsel eindeutig zugeordnet werden. Zu beachten ist, daB die Kontinuitat des Unternehmens im Markt, zu den Kunden sowie zu den Mitarbeitern erhalten bleibt.

Die wichtigsten Schritte fiir den Generationswechsel, die fiir Familien- und Nicht­familiengesellschaften gleichermaBen gelten, sind:

I. Primar sind die bestehenden Rentabilitatsschwachen zu beseitigen, versaumte Produktivitatsfortschritte sind rasch nachzuholen. Das sind Schularbeiten des Seniorunternehmers, bei Nichtfamilienunternehmen des Vorgangers.

2. Die bisherige Konzeption des Unternehmens ist griindlich zu priifen. Konzep­tionsschwachen sind auszugleichen. Wenn erforderlich, ist die konzeptionelle Planung neu auszurichten. Alternativen sind in die Oberlegungen einzubezie­hen. Wichtig ist, die Wettbewerbsfahigkeit des Unternehmens fUr die Peri ode der nachsten Generation, soweit iiberschaubar, sicherzustellen. Kommt eine Entscheidung nicht zustande, sollte ein Berater hinzugezogen werden.

3. Die kiinftige konzeptioneUe Ausrichtung des Untemehmens sollte in dem zustandigen Entscheidungsgremium (Gesellschafterversammlung, Beirat, Auf­sichtsrat) unter allen Betroffenen griindlich behandelt werden. Wenn dariiber Klarheit besteht, kann iiber die kiinftige Fiihrung beraten werden, die Profile der Personlichkeit( en) und die Zusammensetzung der Fiihrung. Dann, aber auch erst dann, sollten Oberlegungen zu den in Betracht kommenden Personlichkeiten angestellt werden. Kommt das Entscheidungsgremium nicht zu klaren Resulta-

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140 Kapitel5

ten, sollte auch hier ein Berater hinzugezogen werden. Ein Abgleiten in emo­tionale Diskussionen ist zu verhindern.

4. Sehen die Beteiligten keine oder wenig Chancen flir das Unternehmen in der nachsten Generation und erscheinen neue konzeptionelle Ausrichtungen zu aufwendig, sollte das Auslaufen des Unternehmens ins Auge gefaBt werden. Dazu wird ein Abwickler benotigt, kein Nachfolger.

5. Die konzeptionellen Neuausrichtungen sind durch Finanzplanungen abzusi­chern.

6. Fiir die innerbetrieblichen Veranderungen (Produktivitatsverbesserungen und Konzeptionsveranderungen) sind Projektgruppen zu bilden. Dazu gehOrt auch das LoslOsen von iiberholten Konzeptionen. Aus erfolgreichen Projektleitern konnen spater beauftragte Unternehmer werden.

7. Bei der Suche nach dem Nachfolger ist wichtig, daB er die Anforderungen der Unternehmenskonzeption erfiiIlt. Kompromisse sollten nicht eingegangen wer­den. Primat haben die unternehmerischen Befahigungen.

8. Der oder die Nachfolger sind griindlich einzuarbeiten, vor allem so weitgehend wie moglich in die Ablaufe der Basis (dies ist eine Frage der GroBenordnung).

9. Prioritaten haben aIle Aktivitaten, die unmittelbar zum Gelingen des Genera­tionswechsels beitragen. AIle anderen Themen sollten zuriickgestellt werden bis der Neue fest im Sattel sitzt.

10. Wird vor dem Generationswechsel ein Beirat gebildet, ist zu priifen, ob dieser bestimmte Funktionen der Gesellschafterversammlung iibernehmen solI, auch zum Thema Generationswechsel.

Wer setzt diese Schritte urn?

Die zehn Schritte werden im Folgenden dem Entscheidungsgremium bzw. den handelnden Personen zugeordnet: Gesellschafterversammlung, Seniorunterneh­merNorganger sowie Nachfolger.

Gesellschafterversammlung.' MaBgebend flir die Rollenverteilung und Vorgehens­weise ist der Gesellschaftsvertrag/die Satzung. Weicht die folgende Checkliste in einzelnen Punkten davon ab und solI nach der Checkliste verfahren werden, ist dariiber ein BeschluB zu fassen.

1. Den Beirat als beratendes Organ beteiligen oder die Zustandigkeit auf ihn delegieren.

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Die richtigen Schritte zum Fiihrungswechsel, Checklisten 141

2. Uber die VorschHige des Senioruntemehmers bzw. des beauftragten Untemeh­mers zur Weiterentwicklung/Neuausrichtung der Konzeption beraten, Altema­tiven behandeln. Kommt ein BeschluB nicht zustande, einen kompetenten Be­rater hinzuziehen. Danach iiber die konzeptionelle Neuausrichtung des Unter­nehmens sowie die damit verbundenen Zeitplanungen entscheiden. Was soll innerhalb der nachsten drei bis vier Jahre unter Fiihrung des SeniorsNorgangers verwirklicht werden, was nach Ubergabe der Untemehmensfiihrung an den Nachfolger?

3. In Verbindung mit Punkt 2: Beratung und Entscheidung der Finanzplanung.

4. In Verbindung mit Punkten 1 und 2: Gesprache mit Gesellschaftem fiihren, die die Investitionen, die der Produktivitatsverbesserung dienen, sowie konzeptio­nelle Neuausrichtungen nicht akzeptieren. Verhandlungsfiihrer bestimmen.

5. Uber die kiinftige Fiihrung des Untemehmens beraten und entscheiden: Profil des Nachfolgers, Familienmitglied oder Fremdgeschaftsfiihrer? Wenn im Inter­esse der Entscheidung ratsam, Beauftragung eines befahigten Beraters.

6. Wenn im Zusammenhang mit Punkten 1 bis 5 erforderlich, Anderungen des Gesellschaftsvertrages und/oder der Rechtsform sind. Dabei (Familien-)EinfluB auf kiinftige geschaftspolitische Entscheidungen festlegen.

7. Vereinbaren, wer die Verhandlungen zur rechtlichen Gestaltung des GeseU­schaftsvertrages zu gegebener Zeit fiihrt.

8. Vereinbaren, wer die Personalgesprache mit dem/den Nachfolger(n) fiihrt und die Vorauswahl treffen soU, Referenzen einholt u. a. (Vorsitzender der GeseU­schafterversammlung, Beirat, Aufsichtsrat?).

9. Personalentscheidung zum N achfolger bzw. Mitwirkung daran (vor Vertragsab­schluB), Mitwirkung an den wesentlichen Punkten des Vertrages mit dem Nachfolger.

10. Bei Riickkehr eines familienzugehorigen Geschaftsfiihrers in die Untemeh­mensfiihrung: Mitwirkung an der Entscheidung iiber Funktionen, Kompetenzen und Organigramm.

Seniorunternehmerlbeauftragter Unternehmer: Deren Rolle liegt zunachst in der griindlichen eigenen Vorbereitung sowie der Information des Entscheidungsgremi­urns. Fiir den geschaftsfiihrenden Eigentiimeruntemehmer (Senior) gilt auch die Checkliste des Entscheidungsgremiums (siehe oben). 1st er Mehrheitsgesellschafter, wird er die dort genannten Handlungen vomehmen und die Gesprache selbst fiihren.

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142 Kapitel5

1. Schieflagen und Schwachstellen im Unternehmen beseitigen. Siehe dazu Kapitel 2. Potentiale erzielbarer Kostensenkungen und Leistungsverbesserungen schat­zen. Projektplanungen erstellen und tiberwachen (Schularbeiten des Seniors).

2. Erarbeiten von Vorschlagen fUr das Wachstum des Unternehmens sowie Weiter­entwicklungINeuausrichtung der Konzeption: Produkte, Ziele, Strategien, Wett­bewerbssituation (= Ertragsentwicklung), Strukturen, Organisation, Personal, Investitionen (= Kostenentwicklung). Zeitplanungen dazu.

3. Finanzierungsplan erstellen und mit Finanzinstituten abstimmen.

4. Resultat der Prtifungen und Vorschlage zu Punkt 2 in einem Bericht fUr das Entscheidungsgremium zusammenfassen. Vortrag und Beratung im Entschei­dungsgremium, Mitwirkung an der Entscheidungsfindung. Wenn im Interesse der Entscheidung ratsam: Vorschlag eines kompetenten Beraters.

5. Suche eines potentiellen Beraters, Ftihren vorbereitender Gesprache.

6. Nach BeschluBfassung im Entscheidungsgremium zu Punkt 4: Vorschlage tiber ktinftige Ftihrung. Wenn im Interesse der Entscheidung ratsam, auch hierzu Vorschlag eines kompetenten Beraters.

7. Suche eines potentiellen Beraters zu Punkt 6.

8. Umsetzung der BeschlUsse des Entscheidungsgremiums, dazu Erstellen eines in Teilbereiche gegliederten Planes, in dem die Verantwortlichkeiten bestimmt sind. Fortschrittskontrolle mit Berichten an das Entscheidungsgremium.

Potentieller Nachfolger: Er sollte aIle Fragen fUr sich beantworten. Wenn er will, kann er die Antworten mit null - eins - zwei auspunkten und seine Antworten insgesamt gewichten.

1. Wie bewerte ich die Branche, nach eigenem Werdegang und Interesse? uninteressant = 0 Interessant = 1 faszinierend = 2

2. Wie bewerte ich das Unternehmen fUr mich? uninteressant interessant faszinierend

3. Identifiziere ich mich mit der Unternehmenskonzeption? nicht teilweise eher ganz

4. Besteht nach meiner Einschatzung Nachholbedarf fUr Investitionen, Rationali­sierung (Produktivitatsfortschritt), Marketing, Personalentwicklung (einzeln beantworten) viel wenig eher nicht

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Die richtigen Schritte zum Ftihrungswechsel, Checklisten 143

5. 1st die Kapitalausstattung des Untemehmens ausreichend, auch flir die kon­zeptionelle Weiterentwicklung? unzureichend ausreichend eher gut

6. 1st der LiquidiHitsstatus des Untemehmens in Ordnung? unzureichend ausreichend eher gut

7. Mein erster Eindruck tiber die mir unmittelbar unterstellten Mitarbeiter schwach qualifiziert gut qualifiziert

8. Wie bewerte ich die Chancen flir die Untemehmensentwicklung? geringe Chancen unsichere eher gute

9. Mein erster Eindruck tiber die Zusammenarbeit mit Aufsichtsgremium, Beirat, Aufsichtsrat (aus Schilderung des Vorgangers)

10. Entsprechen die finanziellen Bedingungen meines Vertrages meinen Erwartun­gen?

An Hand dieser Checkliste k6nnen auch beide, potentieller Nachfolger und Beauf­tragter flir die Personalsuche, ihre Bewertungen offen besprechen.

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6 Was ist langfristig das Beste fur das Untemehmen?

In diesem Abschnitt werden Nachfolgeregelungen in Hingerfristige Zusammenhan­ge gestellt.

Die Rechtsform des Unternehmens

Die Untemehmer beginnen oft als Einzeluntemehmer oder mit einer Rechtsform der Personengesellschaft: der Gesellschaft btirgerlichen Rechts (GbR), auch BGB­Gesellschaft genannt, der offenen Handelsgesellschaft (OHG). Beiden ist gemein­sam, daB jeder Gesellschafter unmittelbar, solidarisch und unbeschrankt mit seinem gesamten Geschafts- und Privatvermogen fi.ir die Schulden der Gesellschaft haftet. Nachdem das Geschaft sich erfolgreich entwickelt hat, wandeln Untemehmer die Gesellschaft in eine Kommanditgesellschaft KG oder eine Gesellschaft mit be­schrankter Haftung GmbH urn. Als Zwischen16sung wird oft die GmbH & Co. KG gewahlt. Aber auch der Start mit einer Rechtsform der Kapitalgesellschaft, zum Beispiel der GmbH, ist denkbar. Seit Jahren kann man den Trend beobachten - dort machen sich auch Beratungen und die Steuerschraube bemerkbar - sich daran zu orientieren, welche Konstruktion aus steuerlichen Grunden gtinstiger sei. So etwa die Betriebsaufspaltung, eine formalrechtliche Trennung des betrieblich genutzten Anlagevermogens von den Arbeitsfunktionen des Untemehmens, der Betriebsge­sellschaft. Die Besitzgesellschaft wird dann meistens in der Rechtsform einer Personengesellschaft geftihrt, die operative Betriebsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Rechtsbedeutung kommt nur diesen beiden Gesellschaften zu, nicht der Betriebsaufspaltung, die kein eigenes Rechtsinstitut begrtindet, siehe dazu auch Riedel ([16] Seite 86). Derartige Praktiken konnen gefahrlich sein, weillangfristig andere Fakten ftir den Erfolg des Untemehmens bestimmend sind wie die Produk­tivitat und die Rentabilitat des eingesetzten Kapitals, die Produktprogramme und das Wachstum, die Strategien und die Qualifikation des Managements, urn einige wichtige Antriebskrafte fi.ir die Entwicklung des Untemehmens zu nennen. Demge­gentiber sind steuerliche Aspekte zweitrangig, Fehler sollte man sieh allerdings dort nicht erlauben. Rechtsformen solI ten stets nur nach sehr grtindlichen Uberlegungen geandert werden.

Bei welchen konzeptionellen Zielen sollte anlaBlich der Nachfolgeregelung tiber Rechtsformen nachgedacht werden? Die gleiehe Frage stellt sich bei Themen der Finanzierung, die mit neuen Konzeptionen verbunden sein konnen. Dies sind Themen der Ziffer 6.1. Beim Thema Rechtsform denkt man zunachst an juristische und steuerrechtliche Gestaltungen. Dies ist auch die Sieht, aus der Nachfolgerege­lungen in der Literatur primar behandelt werden. Unter der Voraussetzung, daB die Konzeption des Untemehmens nicht verandert wird ("weiter so wie bisher") und der N achfolger bestimmt ist, ist das vielleicht auch folgerichtig und zweckmaBig. Aber diese Voraussetzungen liegen immer seltener vor. Die Kapitaleigner mtissen

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146 Kapitel6

sich anHiBlich der drastischen Veranderungen im gesamten Umfeld die Frage vorlegen, ob das Unternehmen flir die nachfolgende Generation noch gesieherte Chancen des Uberlebens hat, und ob gentigend Kapital verftigbar ist, es gegebenen­falls nachhaltig zu starken und ob das Management bei weitgehenden Veranderun­gen gentigend qualifiziert und kompetent ist. Das Thema Unternehmensnachfolge und Nachfolger wird primar zum Thema der Strategie der Anleger/Gesellschafter und damit der Unternehmensplanung und Managementpraxis. Siehe hierzu Ziffer 7.3. Deshalb werden hier aktuelle strategische Ziele und Organisationsentwieklun­gen in Zusammenhang mit Rechtsformen gebracht. Langfristthemen sind auch: Wie werden ehemals zentral gelenkte Unternehmenseinheiten in dezentrale Gliederun­gen umgeformt? Ein Thema, das nicht auf den Generationswechsel konzentriert ist, aber haufig wird der jtingeren Generation bewuBt, daB die Strukturen zum Beispiel des Auslandsgeschafts im Zuge der Globalisierung weitgehend verandert werden mtissen und nieht selten sogar dringender Handlungsbedarf besteht. Ferner: Was ist zu tun, urn ein Unternehmen mit verkrusteten Strukturen und erstarrter Organisation zur Rentabilitat zuruckzuflihren? Bestehen Chancen, die Gesamtorganisation so umzukrempeln, daB das Unternehmen flir die nachfolgende Generation erhalten bleibt? Das in Ziffer 6.2 behandelte Beispiel zeigt, daB derartige Komplettverande­rungen es sogar ermoglichen, personelle und finanzielle Spielraume zur Ubernahme eines vergleiehbaren Unternehmens zu schaffen.

Schon seit geraumer Zeit werden Produkt - und Marktsegmente, die organisatorisch in eigenstandigen Betriebseinheiten zusammengefaBt sind, auch in gesonderte Rechtsformen eingebunden. Solche Untemehmen konnen auch zugekauft sein, urn sie mit eigenen Betriebsabteilungen zu fusionieren. Mit den globaler werdenden Markten und zunehmenden Konkurrenzierungen werden solche Untemehmen, wenn sie nicht zum Kemgeschaft gehoren, haufig verkauft. Vor allem Konzemun­temehmen richten ihre Strategien darauf aus, sieh von Untemehmenseinheiten zu trennen, die am Rande ihrer Produkt- und Marktinteressen liegen, also nicht zum Kemgeschaft gehoren. Aus den Verkaufserlosen finanzieren sie den Neuerwerb von Untemehmen im Bereich ihrer Kerngeschafte, eine Folge der Strategien zum Schlankerwerden und zu mehr Marktstarke und besserer Wettbewerbsposition.

Mehr Manager am Kapital beteiligen?

Dabei ist ein Phanomen zu beobachten: Die neu erworbenen Unternehmen erzielen unter der Leitung des neuen Eigenttimers nicht selten einen deutliehen Anstieg des Untemehmensergebnisses. Wahrend die Konzemzentralen bisher die Politik ver­folgten, Kapital und Management zu trennen, zum Beispiel anlaBlich des Erwerbs von Familienunternehmen, neigen Erwerber nun gelegentlich dazu, Management und Kapital zu vereinen. Bei dem am Kapital beteiligten Management wird eine starkere untemehmerische Motivation vermutet, die sieh ergebnisverbessemd aus­wirken solI, wie in Familienuntemehmen. Bei diesen Unternehmen wird man davon ausgehen konnen, daB sie auf die Dauer nur bestehen werden, wenn frisches Kapital zugeftihrt wird. Das wissen auch die Verkaufer, und deswegen verauBem sie ihr

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Was ist langfristig das Beste fUr das Unternehmen? 147

Unternehmen. Haufig bieten Kapitalbeteiligungsgesellschaften Hilfe, urn mit inter­nen Fuhrungskraften (MBO) und Externen (MBI) eine Nachfolge zu schaffen. Wahrend in Familienunternehmen Kapital und Management immer mehr getrennt werden, kommt es in solchen Unternehmen zu einer Gegenbewegung, Kapital und Management werden zusammengefUhrt. Ob es sich hier urn einen Trend handelt, ist noch nicht zu sagen.

Die Konzeption, die hier vorangestellt wurde, sollte beim Generationswechsel wie ein ReiBverschluB wirken, mit ihr werden die Zukunft des Unternehmens mit seiner Vergangenheit verkniipft. Abweichungen und gar Fehlentwicklungen sind auch mit der besten Konzeption nicht auszuschlieBen, schon deshalb nicht, weil Annahmen und Plandaten nicht mit Sicherheit eintreten werden. Die Erfahrung lehrt aber, daB die systematisch erstellte Konzeption abweichende Entwicklungen reduziert. Man sollte die Pramissen der Konzeption beobachten und diese sowie die Konzeption gegebenenfalls der tatsachlichen Entwicklung anpassen. Man sollte das in Abstan­den priifen, zum Beispiel jahrlich, urn festzustellen, ob Konzeptionen auf Teilgebie­ten verbessert, noch tragfiihiger gemacht werden konnen. Ganz oben auf der Prioritatenskala aber steht die Tragfiihigkeit des Managements.

Das heutige Interesse am "Kasse-machen" ist kurzfristig gedacht, in gewissem Sinne eine kurze Sicht, also kurzsichtig? Was kommt denn nach dem Verkauf? Neues Geld machen aus Geld- und Kapitalanlagen? In einer Situation der USA, die der heutigen in Deutschland entsprach, sagte der legendare Chrysler-Chef Iacocca, er verstehe den Sinn nieht, aus Geld Geld machen zu wollen. Damit konne man keine Produktivitat verbessern, die Wettbewerbsfahigkeit der Produkte nicht erhOhen, keine Arbeitsplatze schaffen. Nun, das "Kasse-machen", das zur Zeit "in" ist, wird an einem Standort wie Deutschland auf die Dauer weniger attraktiv werden. Hohe Produktivitat, Wettbewerbsfiihigkeit der Produkte, hohe Kaufkraft u. a. werden fUr Unternehmen und Unternehmer wieder wichtiger und interessanter werden fUr industrielle und kommerzielle Aktivitaten, trendgerechte Strategien der Unterneh­men vorausgesetzt. Bekanntlich schlagt das Pendel einmal zur einen, das nachste Mal zur anderen Seite aus. Und dann werden die echten Unternehmer, deren Bliek weit nach vorn geht, ihre Nachfolge mit Umsicht planen, Eigenttimerunternehmer eben so wie Fremdmanager.

6.1 Rechtsfonnen als Instrumente der Untemehmensstrategie

Gesellschaftsvertrage/Satzungen beziehen sich auf bestimmte Rechtsformen. Wenn der Senior das Familienunternehmen auf den Junior iibertragt, mussen zwei wichtige Dokumente gepriift werden: Der Gesellschaftsvertrag und das Testament. Die personliche Situation des Nachfolgers weicht wahrscheinlich von der des Vorgan­gers zivil-, gesellschafts-, erb- und nicht zuletzt steuerrechtlieh abo In diesem

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Zusammenhang liegt das Thema Rechtsform mit auf dem Tisch. Dabei spielen Vorgange eine Rolle, die anHiBlich des Generationswechsels zwingend zu behandeln sind, zum Beispiel der Gtiterstand, Haftungsfragen. Andere konnen bei der Nach­folgeregelung interessant sein, mtissen aber nicht zwingend berticksichtigt werden, zum Beispiel Ausgliederungen von Sparten zu rechtlich gesonderten Einheiten.

Erfahrene Anwalte und Wirtschaftsprtifer wissen von Fallen mit schlimmen Folgen zu berichten, wenn die zwingend notwendigen Prtifungen anlaBlich des Genera­tionswechsels nicht stattgefunden haben. So wurden nicht zu Ende gedachte Rege­lungen dokumentiert, gesellschaftsrechtliche Bestimmungen und testamentarische Verftigungen waren nicht identisch, gelegentlich widersprechen sie sich. Der ur­sprtingliche Gesellschaftsvertrag ist moglicherweise Jahrzehnte alt, spatere Be­schltisse der Gesellschafterversammlungen wurden nicht eingearbeitet, die Testa­mente der Beteiligten, zu unterschiedlichen Zeiten verfaBt, wurden mit dem Gesell­schaftsvertrag nicht harmonisiert ... es gibt viele Ursachen, die mit menschlichen Fehlem begrtindet werden.

Die Literatur zum Thema "Nachfolge" befaBt sich schwerpunktmaBig mit den juristischen einschlieBlich steuerrechtlichen Themen. Verstandlich ist es deshalb, daB generell die juristische und steuerrechtliche Betrachtung dominiert. Eigentlich erst seit den weitreichenden und einschneidenden wirtschaftlichen Veranderungen der Gegenwart (Kapitell und 2) wird bewuBt, daB die Nachfolge primar ein Ereignis der langfristigen Untemehmensplanung, der Strategie der Kapitaleigner und der Managementpraxis der untemehmerisch tatigen Gesellschafter geworden ist bzw. sein sollte, also ein Baustein, von dem man frtihzeitig weiB, wann man ihn benotigt und wie er beschaffen sein sollte, damit er sich in das Mauerwerk einftigt.

Weniger bildhaft sagt Kirst ([13] Seite 86): "In Ihrer Planung der Nachfolge spielt die Wahl der geeigneten Rechtsform eine zentrale Rolle. So wie bei einer Untemeh­mensgrtindung entscheidet auch die gesellschaftsrechtliche Gestaltung maBgeblich tiber den Verlauf und die Resultate der Untemehmensentwicklung. Es gilt der gleiche Grundsatz: Keine Rechtsform ist ideal. Jede hat ihre Vor- und Nachteile. Die Entscheidung, welche konkret in Ihrer Situation die richtige ist, laBt sich nicht pauschal treffen. Schon gar nicht mit dem Blick auf den bekannten Untemehmer X, der es ja schlieBlich auch so gemacht hat." Kirst halt die Wahl der geeigneten Rechtsform bei Anderung im Zuge der Untemehmensentwicklung ftir schwieriger als bei der Grtindung. "Die Auswirkungen Ihrer Entscheidung sind gravierender und nachhaltiger. Letzteres deswegen, wei I oft keine Zeit bleibt, getroffene Rege­lungen zu korrigieren, oder weil das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Eine falsche Entscheidung Ihrerseits, und Ihr Lebenswerk geht eines Tages mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Liquidation. Am gefahrdetsten sind Einzeluntemehmen und Personengesellschaften."

Die meisten Untemehmer gehen beim Thema Nachfolger und den damit zusam­menhangenden rechtlichen Gestaltungen wegen der betont juristischen und steuer­rechtlichen Themen unmittelbar zum Rechtsanwalt und Wirtschaftsprtifer/Steuer-

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berater. Bei diesen Gesprachen wird dem Unternehmer vielleicht bewuBt, daB er nicht nur juristischen Rat benotigt. Er muB zunachst einmal selbst wissen, welche Ziele er hat, die fUr ihn machbar sind. Er muB wissen, was er will. Anwalt und Wirtschaftsprlifer mtissen das von ihm wissen. Er muB eine Konzeption parat haben. Gegebenenfalls werden Jurist und Wirtschaftsprlifer die Sprache auf die Entwick­lung des Unternehmens und seine Zukunftsperspektiven lenken. Das reicht aber oft nicht aus. Was sie wissen sollten, sind konkrete durchdachte strukturelle, organisa­torische und personelle Uberlegungen zum Untemehmen, die in direktem und indirektem Zusammenhang mit der Nachfolge stehen. Sie mtissen tiber die strate­gischen Zielrichtungen des Untemehmers informiert werden, daraus folgen Fragen der Haftung, der Finanzierung und personellen Ftihrungsgestaltung. Nur dann konnen sie zur rechtlichen und steuerrechtlichen Gestaltung Rat geben. Ein einfa­ches Beispiel moge das deutlich machen:

KG oder GmbH?

Das Ergebnis einer Besprechung von Anwalt, Wirtschaftsprtifer, Klient und Unter­nehmensberater war, daB die Firma des Klienten von einer Personengesellschaft, namlich einer Kommanditgesellschaft (KG), in eine Kapitalgesellschaft, eine Ge­sellschaft mit beschrankter Haftung (GmbH) umgewandelt werden solI. Dazu gab es drei Anlasse:

• Das Untemehmen (Maschinenbau) wachst seit mehreren Jahren in Folge und der Untemehmer will, urn sich zu entlasten, neben sich einen Ingenieur als zweiten GeschaftsfUhrer einsetzen. Er selbst ist Diplomkaufmann (56).

• Ein befreundeter Untemehmer ist interessiert, sich an seinem Untemehmen finanziell zu beteiligen. Sie haben haufiger gleiche Kunden und konnten sich im Vertrieb "die Balle zuwerfen". Zudem wtirde dem Untemehmen eine Auf­stockung des Kapitals aus einer Beteiligung gut tun. Dann konnte eine Entwick­lungsabteilung aufgebaut, einige Mitarbeiter standig in einem Team fUr Produkt­entwicklung eingesetzt werden. Bisher hat er die Kosten daftir gescheut. Diese Art der empirischen Weiterentwicklung von Produkten eroffnet zusatzliche Ver­kaufschancen, so daB der Kapitaleinsatz lohnend wird.

• Der Untemehmer stellt sich vor, sich bis Lebensalter Mitte 60 aus dem operativen Geschaft zurtickzuziehen. Er und seine Ehefrau sind kinderlos. Er konnte nach Ende seiner beruflichen Tatigkeit mit dem Unternehmen noch verbunden bleiben. Spater, falls er frliher verstirbt, konnten seine Ehefrau sowie seine erbenden Neffen und Nichten nach seinem Tode Nutzen aus dem Untemehmen ziehen.

So wird nun der Untemehmer GeschaftsfUhrer und Mehrheitsgesellschafter seiner Firma, die Ehefrau seine Mitgesellschafterin. Der Untemehmer hat das HerauslOsen seiner Person aus der GeschaftsfUhrung einbezogen in die langfristige Strategiepla­nung fUr das Untemehmen. Anzumerken ist noch, daB er vor seinem Ausscheiden,

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also wahrend der nachsten Jahre, noch einen zweiten GeschaftsfUhrer ftir einen bestimmten Produkt- und Kundenbereich einsetzen will, der sich in den letzten Jahren besonders gut entwickelt. Bei seinem Ausscheiden will er mit der GmbH einen Beratervertrag abschlieBen, urn fall weise Sonderauftrage durchzufUhren, unter anderem fUr den Entwicklungsbereieh und anwendungstechnische Beratun­gen, die er, weil dort seine Veranlagungen und Neigungen liegen, auch im Interesse des Wachstums der Firma selbst bearbeiten mochte. Bei Bewahrung konnte einer der FremdgeschaftsfUhrer spater zum Mitgesellschafter gemacht werden, vielleicht sind auch beide dazu befahigt. Der personliche Konsens muB vorliegen und aus der Praxis bestatigt sein, das sind Uberlegungen fUr die weitere Zukunft.

Warum ist in diesem Fall die Rechtsform der GmbH vorteilhafter als die der bisherigen KG? Nach dem Gesetz werden die OHG und die KG beim Tod eines Gesellschafters automatisch aufgelOst, ausgenommen sind die Falle des Todes des Kommanditisten und des stillen Gesellschafters. Dann bleiben die Gesellschaften bestehen. Diese gesetzliehe Regelung wird ausgeschlossen, wenn der Gesellschafts­vertrag vorsieht, die Gesellschaft fortzusetzen. Dazu sind in der Rechtsprechung Vertragsgestaltungen entwiekelt worden. Bei der Personengesellschaft entsteht insofem die gleiche Situation wie beim Einzeluntemehmen. In beiden Situationen geht der NachlaB auf den oder die Erben tiber. Werden mehrere Personen Erben, entsteht eine Erbengemeinschaft. Diese kann tiber den Geschaftsanteil an einem Untemehmen bzw. das Einzeluntemehmen nur gemeinsam entscheiden. Untemeh­merisch sinnvolle Entscheidungen kommen in der Erbengemeinschaft kaum zustan­de. Die frtihzeitige konzeptionelle Planung schlieBt diese Entwicklungen deshalb aus.

Mehr Handlungsspielraum mit der Kapitalgesellschaft

Kapitalgesellschaften sind aus der Sieht der Nachfolge unkomplizierter. Gesell­schaftsanteile lassen sich ohne Schwierigkeiten tibertragen, zum Beispiel auf einen neu eintretenden Gesellschafter oder den bewahrten Geschaftsftihrer. Die Kapital­gesellschaft ist eine eigene juristische Person, ein fremder Dritter. Die Haftung der GmbH ist auf das Gesellschaftsvermogen beschrlinkt und schtitzt somit das Privat­vermogen der Gesellschafter vor eventuellen Schadensersatzansprtichen und Pro­dukthaftungsrisiken. Zu beachten ist, daB Banken bei der Kreditvergabe haufig neben den dingliehen Sicherheiten zusatzlich Btirgschaften verlangen, mit denen die personliehe Mithaftung der Gesellschafter einbezogen wird. Ftihrung und Ei­gentum/Kapital sind getrennt. In dem genannten Beispiel behalt der kinderlose Untemehmer das Eigentum an der GmbH, wenn er als GeschaftsfUhrer ausscheidet und beruft fUr die Geschaftsftihrung einen Nachfolger. Die GmbH ist aufUntemeh­menskontinuitat angelegt. Sie ist gerade dann die bevorzugte Gesellschaftsform, wenn der Wunsch nach eigener Betatigung in der GeschaftsfUhrung fehlt. Diese und die Aktiengesellschaft lassen aber auch Moglichkeiten zu, in den Gesellschaftsver­tragen bzw. Satzungen Bestimmungen aufzunehmen, mit denen die in der Ge­schaftsftihrung nicht tatigen Gesellschafter, zum Beispiel Familienmitglieder, in

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grundsatzlichen Bereichen an der Gestaltung des Unternehmens mitwirken wollen, siehe unter gleicher Ziffer "Die Familiengesellschaft als Kapitalgesellschaft". Auch Teilhaber, wie in unserem Beispiel der befreundete Unternehmer, bevorzugt sie, weil Rechte und Pflichten sich aus Gesetz und Satzung ergeben.

Erganzend dazu Riedel ([ 16] Seite 72): "Die prinzipielle Unterscheidung zwischen Personen- und Kapitalgesellschaft basiert auf den Anfangen des Gesellschaftsrech­tes im vergangenen lahrhundert - und so antiquiert sind auch manche noch heute giiltigen gesetzlichen Bestimmungen. Dies kann man sich sehr anschaulich an der Vererbbarkeit von Gesellschaftsanteilen beziehungsweise einer Gesellschafterstel­lung deutlich machen. Eine Fragestellung, der gerade im Zusammenhang mit dem Generationswechsel im Unternehmen eine zentrale Bedeutung zukommt und die mit unangenehmen Konsequenzen verbunden sein kann."

Die Personengesellschaft zieht Grenzen, schon wenn es urn den Ausbau der Unter­nehmensfiihrung geht. Dazu ein Beispiel: Das Unternehmen wurde in der Rechts­form der KG gefiihrt. Der alleinige Komplementar wollte wegen der erfreulichen Expansion des Unternehmens ktinftig mehr delegieren. Zwei befahigte Mitarbeiter standen ihm zur Verftigung, der Gesamtvertriebsleiter sowie der technische Leiter, die er be ide zu Mitgeschaftsfiihrern berufen wollte. Dies konnte er nicht, weil er als alleiniger Komplementar einziger Geschaftsfiihrer des Unternehmens war. An der alleinigen Komplementlirfunktion sollte nicht geriittelt werden. Dieser alleinige Komplementlir baute spater einen der S6hne systematisch zu seinem Nachfolger auf. Er wurde exzellent vorbereitet. Alles schien gut zu laufen. Ais er eine Funktion tibernehmen sollte, fiir die er Kompetenzen der Geschaftsfiihrung ben6tigte (Ein­kaufsleitung), muBte sich der Vater von seinen Mitgesellschaftern sagen lassen, sie hatten zwar nichts einzuwenden gegen die Tatigkeit des Sohnes im Unternehmen, nicht einverstanden waren sie allerdings, wenn der Sohn Nachfolger des Vaters als Komplementar werden solIe. Die Mitgesellschafter, Kommanditisten, verfiigen tiber die Kapitalmehrheit und verwiesen auf den Gesellschaftsvertrag, der keine Bestim­mungen tiber die Nachfolge des Komplementars enthalt. Uns interessiert an der geschilderten Situation, daB die GmbH auch in diesem FaIle weitergehende Hand­lungsspielraume zugunsten des Sohnes zugelassen hatte. So hatte erGeschaftsfiihrer sein k6nnen, auch temporar, ohne die herausragende Position des Vollhafters inne­zuhaben.

Mehr Handlungsspielraum bietet die Kapitalgesellschaft auch den Dienstleistungs­unternehmen. Bekanntlich mtissen Dienstleister wie Ingeieurbtiros ihren Mitarbei­tern M6glichkeiten bieten, sich personell zu entfalten. Hierarchien sind deshalb stOrend und unerwtinscht. Der alleinige Gesellschafter der X-Beratungs-GmbH zweigte aus diesem Grunde einen bestimmten Kapitalbetrag zur Ubergabe;Ober­nahme von Gesellschaftsanteilen an der GmbH ftir leitende Mitarbeiter ab, urn daraus langfristige Partnerschaften zu begriinden. Reizvoll fiir die Mitarbeiter wurde dies, als die Gewinnsituation des Unternehmens tiberdurchschnittlich gut wurde. Dies war der Fall, als Auftrage fiir die Entwicklung von EDV-Programmen mit

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hohen Honoraren abgewickelt wurden. Das gleiche lag in einem anderen Fall mit der Neuentwicklung von Produkten vor.

Die GmbH & Co. KG: eine Sonderform

Sie ist eine beliebte Rechtsform der Familiengesellschaft. An die Stelle des vollhaf­tenden Gesellschafters der KG tritt die GmbH. Sie ist in dieser Funktion zwar Vollhafter, als juristische Person haftet sie jedoch nur mit ihrem Stamrnkapital, wirkt also haftungsbegrenzend. Der Komplementlir der KG ist in der Hohe des Stamm­kapitals der GmbH bei der Haftung beschrankt, sie bleibt aber eine Personengesell­schaft (Riedel [ 16] Seite 72). Der klassische Fall ist die personen- und beteiligungs­gleiche GmbH & Co. KG. Kennzeichnend ist, daB die Gesellschafter der GmbH und die Kommanditisten der KG identisch sind und in beiden Gesellschaften die gleichen Beteiligungsquoten haben. Sie verftigen dann in beiden Gesellschaften tiber den gleichen GesellschaftereinfluB. Wenn dies gewollt ist, verlangt es ange­sichts der unterschiedlichen rechtlichen Strukturen beider Gesellschaften sorgfaltig gestaltete Gesellschaftsvertrage.

Andere Erscheinungsformen der GmbH & Co. KG ermoglichen weitere Gestaltun­gen, zum Beispiel bei der nicht personen- und beteiligungsgleichen Gesellschaft. Bei ihr sind die Gesellschafter der GmbH und die Komrnanditisten der KG entweder verschiedene Personen, oder die GmbH und die KG haben unterschiedliche Betei­ligungsverhaltnisse. So kann der EinfluB auf die Geschaftspolitik von der Art der Beteiligung (GmbH undloder KG) und ihrer Hohe mitbestimmt werden. Die GmbH & Co. KG kann durchaus eine praktikable Gesellschaftsverfassung sein, wenn ein qualifizierter Nachfolger aus der Familie nicht vorhanden ist und ein familienfrem­der Manager oder mehrere in der Geschaftsfiihrung folgen soll(en). Auch kann der familienzugehOrige Unternehmer, der innerhalb der GmbH als Geschaftsfiihrer fungiert, einen Fremdmanager zum weiteren Geschaftsfiihrer berufen, z. B. als "ausgleichendes Talent", siehe unten Ziffer 6.3. Die Gesellschafter der GmbH sind in der Wahl ihrer Geschaftsfiihrer nach dem Gesetz frei. "Die Bestellung der Geschaftsfiihrer erfolgt entweder im GmbH-Gesellschaftsvertrag oder durch einen MehrheitsbeschluB der GmbH-Gesellschafter, soweit der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ... Die Zustimmung der Kommanditisten der GmbH & Co. KG ist fiir die Bestellung des GmbH-Geschaftsfiihrers nicht erforderlich. Wohl kann aber der Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG den Kommanditisten die Mitwirkung bei der Bestellung und Abberufung des GmbH-Geschaftsftihrers ein­raumen." (Bronner/Rux/Wagner [3] Seite 101) Das Mitwirkungsrecht der Komman­ditisten wird aus der gesellschaftlichen Treuepflicht der Komplementar-GmbH gegentiber den Kommanditisten abgeleitet. So kann also ein Fremdmanagement eingesetzt werden, der oder die Geschaftsfiihrer der GmbH erhalten einen Anstel­lungsvertrag.

Die Wahl der Gesellschaftsform ist in der Relation zur GroBenordnung des Unter­nehmens zu sehen. Hat das Geschaft einen kleinen Rahmen, wird der Griindungs-

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untemehmer es zunachst in der Rechtsform des Einzeluntemehmens und der Per­sonengesellschaft betreiben. Mit dem Wachsen seines Untemehmens entstehen Fragen der Haftung, der Finanzierung und spater auch der Nachfolge, die AniaB zu Umwandlungen in eine Kapitalgesellschaft, in unserem ersten Beispiel in die GmbH, geben konnen. Bei weiterem Wachstum kann die Aktiengesellschaft (AG) zur Diskussion stehen. Hier sind es neben der weitergehenden Unabhangigkeit bei der Besetzung der Fiihrungpositionen vor allem Finanzierungsfragen, die AniaB sein konnen, die Rechtsform zu verandem. Siehe Ubersicht I "Rechtliche Merkmale fUr Personen- und Kapitalgesellschaften am SchluB von Kapitel 1.

Dynamik mit rich tiger Rechtsjorm

Mit 49 Prozent ist die GmbH & Co. KG die meist angewendete Rechtsform der Familiengesellschaften, stellt die Studie des Instituts fUr Mittelstandsforschung IfM-Materialien Nr. 109 ([11] Seite 8). fest. Riedel spricht yom Cosi-van-tutte-Prin­zip, frei nach Mozart: So machen es doch aIle ([16] Seite 11). Die GmbH & Co. KG bietet eindeutige Vorteile bei der Haftungsbeschrankung. Stimmt es aber auch, daB sie als Rechtsform betont steuergiinstig ist? Rechtsformen werden phantasielos nachgeahmt. Sind die Anfangsstadien des Untemehmens iiberwunden, findet man den besten Weg zur zweckmaBigen Rechtsform des Untemehmens, wenn man dies an seinen Zielen orientiert. Der Untemehmer sollte dann vor Augen haben, we1che Ziele er im Rahmen seiner Konzeption verfolgt und we1che Strukturen er dazu benotigt. In Anlehnung an den schon bekannten Grundsatz: Erst die Konzeption, dann die Person, miiBte es hier heiBen: Erst die Konzeption, dann die Rechtsform. Selbstverstandlich miissen Haftungsfragen und steuerliche Optimierungen mit die­sen Zielen in Einklang gebracht werden. Drei Aufgaben und Ziele soIl ten mit der geeigneten Rechtsform erreicht werden:

• Sie sollte es zulassen, daB Untemehmen wachsen konnen, ohne von ihrer Verfas­sung dabei behindert zu werden.

• Sie sollte die Zufiihrung von Eigenkapital ermoglichen, urn Wachstum finanzie­ren zu konnen.

• Die Untemehmens- und Managementstrukturen soIl ten sich so gestalten lassen, daB sie deckungsgleich sind mit strategischen Zielen.

Stichwortartig zusammengefaBt: frei fUr Wachstum, Finanzierung und zielorientier­te Fiihrung. Innerhalb der Kapitalgesellschaften wird - entsprechende GroBe vor­ausgesetzt - die AG dabei Vorteile bieten. Hierzu ein Beispiel:

Bei einer Organisationsanalyse in einer groBen GmbH, die ich, obwohl von Fremdmanagement gefiihrt, als Familiengesellschaft bezeichnen mochte, Maschi­nenbau, ca. 2000 Beschaftigte, wurde folgendes festgestellt: Die Chancen des Exports wurden nicht so genutzt, wie es nach der Marktsituation moglich war. Die

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verkliuferische Prlisenz sollte im Inland konzentriert und reduziert, im Export ausgeweitet werden. Dazu wurden PI line entwickelt. Auch Montagekapazitliten sollten im Interesse der Kundennlihe im Ausland geschaffen werden. Diese MaBnah­men verlangten finanzielle Vorleistungen. Mit den Vorschlligen wurde die Relation von Eigen- und Fremdkapital angesprochen, das Untemehmen litt an zu wenig Eigenkapital. Derartige Finanzierungsfragen entstehen nicht nur als Folge schlech­ter Geschliftsentwicklung, sie konnen, wie im geschilderten Fall, auch bei positiver Untemehmensentwicklung dazu flihren, daB die finanzielle Bewegungsfreiheit nicht ausreicht, urn Chancen genugend zu nutzen.

Die Geschliftsflihrung war von den vorgeschlagenen Verlinderungen und Zielen uberzeugt, diese standen jedoch im Gegensatz zu Beschlussen der Gesellschafter­versammlung und den von den Gesellschaftem verfolgten geschliftspolitischen Zielen. Eigenkapital konnte aus Gesellschaftsmitteln der Gewinnsituation entspre­chend nur unzureichend aufgestockt werden. Die Gesellschafter waren nicht bereit, dem Untemehmen Eigenkapital zuzuflihren. Langfristige Bankkredite hatten ihre Obergrenze erreicht. Ich stellte deshalb die Frage: "Warum werden Sie nicht Aktiengesellschaft? Die GroBe des Untemehmens und die strategischen Ziele sprechen flir diese Gesellschaftsform. So wurden auch Sie Ihre strategische Position verbessem. "

Die FamiliengeselischaJt als KapitalgeselischaJt (GmbH und AG)

Die Gesellschafter zeigten sich aufgeschlossen und es wurden verschiedene Model­Ie vorbereitet. Fur Familiengesellschaften, die in der Rechtsform der Kapitalgesell­schaft betrieben werden, wird nicht nur die Fuhrungsnachfolge wegen der klaren gesetzlichen Regelungen erleichtert. Auch die Finanzierung kann eine so zentrale, untemehmenspolitische Bedeutung gewinnen, daB dies fur die Rechtsform bestim­mend wird, hier flir die Aktiengesellschaft spricht. Selbst die Aktiengesellschaft kann weiter den Charakter der Familiengesellschaft haben. Die Frage nach der Familiengesellschaft hlitte ich schon mit Bezug auf die GmbH stellen konnen: Wie wir aus Kapitell wissen, ist die Definition zur Familiengesellschaft unterschiedlich. Pentzlin geht im Gegensatz zu anderen von der aktiven Mitarbeit des Untemehmers in der Geschliftsflihrung aus. Kurt Pentzlin: "Wenn im folgenden von Familienun­temehmen die Rede sein wird, so wird in erster Linie an solche Untemehmen gedacht, deren Kapital ganz oder doch zu einem entscheidend groBen Teile sich (noch) im Familienbesitz befindet und in denen ein (oder mehrere) Vertreter der besitzenden Familie das Untemehmen leitet (oder aktiv in der Firmenleitung mitar­beitet)" ([15] Seiten 8 und 9). Er begrtindet das spliter mit der stlirkeren Motivation des Untemehmers. Anders bei verschiedenen Autoren: " ... , urn von einem Famili­enuntemehmen sprechen zu konnen, ist es notig, daB der zur Familie gehOrende Personenkreis dem Unternehmen das Geprlige gibt. .... , ausschlaggebend ist, daB der FamilieneinfluB deutlich wird und so stark ist, daB er letztlich die Zielsetzung des Untemehmens bestimmen kann" (Schtirmann/Korfgen [17] Seiten 2 und 3).

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Obwohl das Familienuntemehmen mit der Definition von Pentzlin eindeutiger charakterisiert wird, dtirfte man im Fall unserer GmbH doch weiter von einer Familiengesellschaft sprechen. Die Gesellschafter haben namlich im Untemehmen Institutionen geschaffen, die es ihnen tiber die Gesellschafterversammlung hinaus ermoglichen, an Entscheidungen mitzuwirken, die geschiiftspolitisch relevant sind. So besteht der Beirat ausschlieBlich aus Familienmitgliedem, er hat sich als eine "kleine Gesellschafterversammlung" etabliert. Er tagt in zweimonatigen Interval­len. Und die Gesellschafter haben einen standigen Bevollmachtigten eingesetzt, der sie gegentiber der GeschaftsfOhrung vertritt. Die fortlaufende Kommunikation zwischen Beirat, Bevollmachtigten und GeschiiftsfOhrung wird mit einem durch­dachten Berichtswesen hergestellt. Dies alles scheint mir dafOr zu sprechen, daB ein dominierender EinfluB der Familie vorliegt und man trotz der familienfremden GeschaftsfOhrung von Familiengesellschaft sprechen kann.

Die Vorteile der Aktiengesellschaft

Zu vermuten ist, daB die Zahl der Aktiengesellschaften in den nachsten Jahren weiter ansteigen wird, auch bei den Familienuntemehmen. Zur Zeit sind es nur gut fOnf Prozent, die nach der Studie des Instituts fOr Mittelstandsforschung ([11] Seite 8) als Aktiengesellschaften betrieben werden. Vor allem die besseren Voraussetzungen zur Ftihrung der Untemehmen mit familienfremden Vorstiinden sowie die Versor­gung des Untemehmens mit Eigenkapital werden diese Entwicklung begtinstigen. Der Anteil der Aktien, der tiber die Borse gestreut wird, kann modifiziert werden, so daB Eigenkapital praktisch unbegrenzt zur VerfOgung steht. Nicht unwesentlich tragt der Name des Untemehmens dazu bei. Handelt es sich urn bekannte konsum­nahe Untemehmen, deren Namen gleichlautend sind mit den Namen der Produkte, verbessert das die Chancen zur borsennotierten Publikumsgesellschaft. Diese Un­temehmen haben schon bei der ersten Kursnotierung sowie bei der Kursentwicklung einen nicht unerheblichen Bonus. Eines muB man aber jedem Untemehmen, das diesen Weg gehen will, mitgeben: fOr den Borsengang ist das Untemehmen nur reif, wenn in mehreren Jahren in Folge eine gute Rentabilitat oberhalb des Branchen­durchschnitts ausgewiesen wurde. Die strategische Wettbewerbsposition, also die Position im Vergleich zu Wettbewerbem, sollte sehr gut sein. Die langfristige Konzeption muB tiberzeugen und fOr die nachsten Jahre sehr konkret sein. Das Untemehmen sollte die strategischen, strukturellen und organisatorischen Verande­rungen, die in Kapitel 2 behandelt sind, aus eigener Kraft bewaltigt haben. Aktien­kaufer investieren in die Zukunft eines Untemehmens, in Sanierungskonzepte nur bei allerersten Adressen. Das Untemehmen muB sich auch auf eine qualifizierte Publizitat einstellen. Das steht im Gegensatz zum Verhalten vieler Familiengesell­schaften, die in der Vergangenheit eher publizitatsscheu gewesen sind.

Zur borsennotierten Aktiengesellschaft mochte ich auf eine Gefahr aufmerksam machen: Nach dem Borsengang seines Untemehmens sagte mir der Untemehmer: "Das hatte ich nie gedacht, wir schwimmen im Geld." Danach traf er unverstandli­che Entscheidungen: Er baute vieWiltige Sportanlagen fOr die Belegschaft, errich-

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tete einen auf Erweiterung angelegten Verwaltungsbau. Das Untemehmen verftigte tiber einen am Markt hervorragend eingeftihrten Namen, erzielte ein KGV von tiber 30, also ein hohes Kurs-Gewinn-Verhaltnis (KGV zeigt an, mit we1chem Vielfachen des Jahresgewinns die Aktie an der Borse gehandelt wird). Die mit der Borsenein­fUhrung gewonnene Liquiditat verdeckte Unwirtschaftlichkeiten und Verluste. Das Untemehmen wurde einige Jahre spater von einem Wettbewerber tibemommen.

Wichtigste Vorteile der AG im Vergleich zur GmbH sind:

• klarer dreistufiger Aufbau (Aktionare, Aufsichtsrat, Vorstand),

• strickte Trennung von Management und Kapital,

• leichtere Beteiligung weiterer Gesellschafter,

• Erleichterung in der Kapitalbeschaffung,

• variable Ausgestaltung von Aktien,

• SeriOsitat und Akzeptanz gegentiber Geschaftspartnem,

• hohes intemationales Ansehen.

"Die Strukturmerkmale der AG bieten gerade im Zusammenhang mit einer Nach­folgeregelung auBerst interessante Perspektiven. Da der Generationswechsel im Untemehmen meist mit einem strukturellen Wandel und einer Neuausrichtung im Untemehmen verbunden ist, bietet sich dieser Zeitpunkt haufig fUr den Schritt in die AG besonders gut an." (Riedel [16] Seite 81)

Die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA)

Sie ist besonders interessant fUr marktbekannte konsumnahe Untemehmen mit starken Marken- und Programmnamen, die identisch sind mit den Namen des in der Ftihrung aktiv tatigen Untemehmers. Vielleicht ist der Name sogar Gattungsbegriff geworden. Dies darf durch die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft nicht nach­teilig beeintrachtigt werden oder gar verloren gehen. 1m Gegenteil: Die Bedeutung am Markt sollte, wenn moglich, noch unterstrichen werden. Dies kann mit der Rechtsform der KGaA bewirkt werden, einer Mischform zwischen AG und KG. Die KGaA ist als Gesellschaftstyp zum einen wie eine AG eine juristische Person mit einem in Aktien zerlegten Grundkapital. An ihm ist ein Teil der Gesellschafter beteiligt, ohne personlich fUr die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften (Kommanditaktionare). Zum anderen hat sie wie die KG einen oder mehrere personlich haftende Gesellschafter, die mit ihrem Vermogen fUr die Verbindlich­keiten der Gesellschaft einstehen. Dies sollten der oder die Namenstrager der Produkte und Marken sein. Das Rechtsverhaltnis der personlich haftenden Gesell-

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schafter bestimmt sich weitgehend nach den Vorschriften des HGB tiber die KG (§§ 161 ff. HGB). Anders als bei der AG wird die KGaA nicht von einem durch den Aufsichtsrat bestellten Vorstand, sondem von einem oder mehreren persbnlich haftenden Gesellschafter(n) geleitet. So kann Kapital tiber die Bbrse beschafft werden und dabei die Ftihrung des Untemehmens in den bisherigen, familiar vertrauten Handen bleiben. Aus der Sicht der Kommanditaktionare hat das Unter­nehmen als Ganzes einen Vertrauensbonus, auch wenn die Berufung des Vorstandes durch den Aufsichtsrat entf,illt und dessen Rechte eingeschrankt sind.

Diese KGaA ist vor kurzem weiterentwickelt worden. Nach neuester Rechtsspre­chung des Bundesgerichtshof (BGH) kann auch eine juristische Person Komple­mentar sein. Dies war einige Zeit umstritten, nunmehr ist die Rechtsform der GmbH & Co. KGaA zulassig (AZ BGH II ZB 11/96, vom 24.02.1997). Aus der Begrtindung des BGH zitiert das Handelsblatt vom 21.05.1997 wie folgt: "Der BGH halt Bedenken aus der Sicht des Glaubigerschutzes ftir unbegrtindet, auch wenn bei der GmbH & Co. KGaA kein persbnlich haftender Gesellschafter mehr mit seinem gesamten privaten Vermbgen - also unbegrenzt - einzustehen hat. Heutzutage sei vielmehr die wirtschaftliche Bonitat einer Gesellschaft von der von den Komman­ditaktionaren aufgebrachten Kapitalausstattung abhangig. Auch das Argument, nur die unbeschrankte persbnliche Haftung einer natiirlichen Person rechtfertige die Unabhangigkeit des Komplementars von der Wahl durch den Aufsichtsrat und die ungleich geringeren Rechte des Aufsichtsrats zur Kontrolle seiner GeschaftsfUh­rung, entkraftet der BGH mit dem Hinweis auf die Gestaltungsfreiheit der Wirt­schaft. Es mtisse "dem anlagesuchenden Publikum tiberlassen bleiben, ohne gesell­schaftsrechtliche Bevormundung seIber zu entscheiden, ob es sich an einer solchen Gesellschaft beteiligen wolle".

Damit erleichtert der BGH den Untemehmen, ihre Rechtsform nach eigenen Zielen auszurichten: Die Komplementare kbnnen selbst GeschaftsfUhrer der GmbH sein, aber auch andere Personen zu Geschiiftsftihrem bestimmen, die als beauftragte Untemehmer fungieren, gleichzeitig kann die Kapitalbasis des Untemehmens ver­breitert werden. Hier noch einmal die drei Aufgaben und Zieie, die mit der geeig­neten Rechtsform erreicht werden sollen, stichwortartig zusammengefaBt: frei fUr Wachstum, Finanzierung und zielorientierte Ftihrung. Wie gesagt, werden nach Erhebungen des liM ([11])) 49 Prozent der mittelstandischen Untemehmen in der Rechtsform der GmbH & Co. KG und 16 Prozent als KG geftihrt. Das zitierte Urteil des BGH erlaubt diesen Gesellschaften ktinftig, ihr Management zu verstarken und Kapital tiber die Bbrse zu mobilisieren, ohne klassische Aktiengesellschaft zu werden. Ftir Familienuntemehmen wird damit eine wesentliche Voraussetzung geschaffen, ihr Eigenkapital aufzustocken, urn sich europaweit und weltweit unter­nehmerisch zu betatigen. Sie kbnnen ihren Kunden als Zulieferer an neue Standorte folgen, Produktionsstandorte neu bestimmen, urn Kostenvorteile zu erzielen und gieichzeitig neue Markte erschlieBen, sie kbnnen mehr Geld in die Produktentwick­lung stecken und zusatzliche Ambitionen entwickeln, neue Markte auch auBerhalb Deutschlands zu erschlieBen, urn nur einige Beispiele zu nennen.

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Selbstiindige Unternehmen in Unternehmen

Die Grundausrichtungen der Rechtsform sollten also dem strategischen Kurs ent­sprechen. In zahlreichen Untemehmen wird der strategische Kurs von kleinen Einheiten des Untemehmens bestimmt. Sie werden mit Rechtsformen gefiihrt, die auf diese Einheiten zugeschnitten sind, meistens GmbHs. Bei derartigen Gestal­tungsabsichten sind vorher differenzierte Untersuchungen notwendig: Welches sind die Ziele fiir einzelne Produkte und Produktgruppen bzw. welches sollten die Ziele eigentlich sein? - Lassen sich diese in Untemehmenseinheiten so einordnen, daB eine Produktgruppe mit einer rechtlichen Einheit identisch wird? - Was konnte aus der Gesamtfiihrung des Untemehmens ausgegliedert und in gesondert gefiihrte Einheiten delegiert werden? - Wie verandert sich die derzeitige Organisation einschlieBlich der Fiihrung? - Welche Motivationen solI en aktiviert und welche ausgeschlossen werden? - Wie werden Risiken abgefangen? usw. Diese hier skiz­zierte Entwicklung ergibt sich auch daraus, daB groBe Nichtfamilienuntemehmen Marktnischen entdecken, die bisher zur Untemehmenspolitik von mittelstandischen Untemehmen gehorten.

Auch zahlreiche mittelstandische Untemehmen machen bei dieser Entwicklung mit. Sie haben bestimmte Produktgruppen zu eigenstandigen Einheiten entwickelt, zum Beispiel

• Kiichenmobel in Untemehmen der Hausgerateindustrie,

• Objektmobel bei Mobelherstellem,

• bestimmte Sparten in der Bekleidungsindustrie, zum Beispiel Sportsweare, Her­renoberbekleidung,

• bekannte Marken bei Nahrungsmittelherstellem.

Schon immer konnte man die Ertragskraft dieser Produktgruppen mit traditionellen Methoden der innerbetrieblichen Kostenrechnung messen, noch wirksamer wird dies aber, wenn die strukturell und organisatorisch ausgegliederten Einheiten mit eigener Geschaftsfiihrung operativ tatig sind. Einkauf, Produktion und Vertrieb liegen dabei meistens in der Hand eines beauftragten Untemehmers. Die Geschafts­fiihrung der kleinen Einheit wirkt auf Kosten und Leistungen ein, so daB zum Beispiel Leerzeiten reduziert, mengenabhangige Preisstellungen genutzt, Produkte und Sortimente variiert werden, urn so die Rentabilitat zu steigem. Die organisato­rischen und rechtlichen Gestaltungen sind unabhangig von der Rechtsform des Gesamtuntemehmens. Sie werden so vorgenommen, daB einzelne Einheiten abge­trennt, sprich: verkauft werden konnen, wenn die Situation dazu AnlaB geben sollte. Wir werden darauf unter Ziffer 6.2 noch zuriickkommen.

Die letzten Beispiele stehen nicht in direkter Verbindung mit dem Generationswech­sel, miissen es aber auch nicht. Moglich ist ja, daB iiber Rechtsformen in Verbindung

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mit Strategieaktivitaten unabhangig yom Generationswechsel nachgedacht wird. Die hier skizzierten Organisationsformen konnen dann nach dem Generationswech­sel in die Planungen einflieBen, zumal sie den Denkweisen der jungen Generation vielfach entsprechen. 1m Grundsatz ahnlich, namlich die Rechtsform als Mittel der Strategie zu verwenden, ist das folgende Beispiel zu sehen:

Synergien nicht ilberschiitzen

Mit der Planung einer organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Neustruktu­rierung waren drei Untemehmen, GmbHs, entstanden, die auf verschiedenen Ge­schaftsfeldem arbeiten solIen. Nun wurde gepriift, ob eine gemeinsame Zentrale gebildet werden solI. Welche Rechtsform solIte sie haben? Die drei GmbHs waren noch mittelstandisch strukturiert, bis vor wenigen lahren von Eigentiimeruntemeh­mem allein gefUhrt. Diese hielten noch Anteile am Gesellschaftskapital. Manage­ment und Kapital waren getrennt worden. Mogliche Synergien waren nun aber de facto nicht so wesentlich, wie man zuvor angenommen hatte und wie sie haufig erzielbar sind. Schwierig war, sie in Mark und Pfennig auszudriicken und sie zu realisieren. Erste Absicht war, einen starken Zentralbereich zu schaffen, mit einer Untemehmensgesamtplanung, zentraler Finanzabteilung sowie zentralen Diensten fUr die drei Geschaftsbereiche, die GmbHs. Die Priifung ergab aber, daB das anfanglich starkere Synergiestreben zuriickgestellt werden konnte zugunsten einer groBeren operativen Freiheit der einzelnen Geschaftsbereiche. Aus dieser Erkennt­nis wurde als Dach eine AG gegriindet, die als Holding fungiert. Sie hat ein sehr kleines personelIes Volumen, solI das Beteiligungskapital an den Einzelgesellschaf­ten verwalten, das von der AG erworben werden solI. Die AG wird bei den GmbHs die Kooperation mit Wettbewerbem fOrdem. Dort erhofft man sich davon langerfri­stig eine verbesserte Wettbewerbsposition. Diese GmbHs sollen ihr Know-how nutzen, Marktnischen offenzulegen, urn mit mittelstandischer Denkweise koopera­tiv mit Wettbewerbem zusammenzuarbeiten und so die Zahl der Beteiligungsgesell­schaften zu erhOhen. Technologie und Synergien waren bekanntlich Zauberformeln, mit denen Diversifikationspolitik begriindet wurde, aus der in der Praxis aber nichts Konkretes entstand. Der Fall Mercedes-Benz ist noch in lebhafter Erinnerung. Dies solI mit der beschriebenen Struktur vermieden werden.

6.2 Tragfahige Fiihrungen aus den Strukturen entwickeln

Europaweites Wachstum und Globalisierung sind nicht nur Entwicklungen bei groBen intemationalen Konzemen. Auch mittelstandische Untemehmen miissen gleiche Wege gehen, wenn sie weiter mithalten wollen. So berichten schon zahlrei­che Zulieferer von weltweit hoheren Wachstumsraten als in Deutschland. "Das Untemehmen kann Arbeitsplatze in Deutschland nicht garantieren, aber die Chan-

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cen fiir ihren Erhalt hier sind urn so groBer, je sHirker das Geschaft im Ausland ausgeweitet wird" zitiert das Handelsblatt in seiner Ausgabe yom 01.02.1997 den Vorsitzenden der Geschaftsfiihrung eines Elektrountemehmens. Die Geschaftser­gebnisse seien wegen des Preisverfalls fiir Kraftfahrzeugausriistung und Kommu­nikationstechnik in Deutschland riicklaufig. Da aber die Arbeitskosten in Deutsch­land weiter steigen, heiBt das in der Konsequenz, daB weitere Fertigungen ins Ausland verlagert werden. Die Auslandsanteile am Gesamtumsatz bei mittel standi­schen Zulieferem liegen heute schon oft tiber 50 Prozent. Das gleiche trifft fiir konsumnahe Hersteller zu, zum Beispiel bei Bekleidung und Hausgeraten. Nicht nur die hohen Arbeitskosten fiir Verarbeitungsbetriebe in Deutschland mit mehr als 50,- DM/Std. (im Vergleich dazu USA ca. 35,- DM/Std. und GroBbritannien 22,­DM/Std.) sind die Ursache, sondem auch die Kosten fiir hochwertige Fachkrafte. "Durch die intemationale Expansion ist der Auslandsanteil am Umsatz in den letzten beiden lahren von 42 auf zur Zeit 60 Prozent gestiegen. Er wird weiter zunehmen. (Stiddeutsche Zeitung yom 14.05.1997)." So wachsen diese Untemeh­men im Ausland und nehmen Stagnation und Rtickgang im Inland in Kauf. Trends mit gigantischem AusmaB werden sichtbar. Nach dem Bericht der deutschen Bun­desbank fiir April 1997 erhohte sich das deutsche Untemehmensvermogen im Ausland von Ende 1993 bis Ende 1995 urn 53 Milliarden DM auf 362 Milliarden DM. Die Summe setzt sich aus Anteilen an Firmen und konzemintemen Krediten zusammen. 1m selben Zeitraum erhohten Auslander ihre Investitionen in Deutsch­land urn 47 Milliarden DM auf 271 Milliarden DM. Auslandische Investoren hatten sich 1994 und 1995 eher zuriickgehalten. Ais Griinde dazu nennt die Bundesbank neben unflexiblen Strukturen am Arbeitsmarkt und einer hohen Abgabenbelastung vor aHem den tibermaBigen Anstieg der Lohnkosten in Deutschland. Ftir den Erwerb von Beteiligungen hatten Auslander zwischen Ende 1993 und Ende 1995 netto nur 17,5 Milliarden DM an neuen Mitteln aufgenommen, wahrend deutsche Investoren in diesem Zeitraum mit 70 Milliarden viermal so viel ausgegeben hatten.

Alternative Fiihrungsstrukturen: die Konzeption "sucht" die kompetente Fiihrung

Die Struktur folgt der Strategie, stellt Chandler bereits 1978 fest ([5]) Erganzend dazu Btihner: "Strategie wird durch Struktur umgesetzt. Strategie und Struktur beeinflussen sich dabei wechselseitig. So hat die Umsetzung einer Diversifikations­strategie zur Einfiihrung der Geschaftsbereichsorganisation gefiihrt, die ihrerseits dann eine diversifikationspolitische Ausuferung gefOrdert und zum Ausbau von breit diversifizierten Konglomeraten gefiihrt hat." (Btihner [4] Seite 101) Strategie wird auch im Ausland durch Struktur umgesetzt. Urn dies deutlich zu machen, hier ein Beispiel tiber ein Untemehmen, dessen Strukturen sich nachhaltig veranderten. Es ist Familienaktiengesellschaft, die Mutter des Vorstandsvorsitzenden ist Mehrheits­aktionarin, die Familie halt 90 Prozent der Aktien. Nicht nur PublikumsgeseHschaf­ten nehmen an der Intemationalisierung tei!. Der Vorsitzende: Mit der raumlichen Diversiftkation von Produktion und Vertrieb seien die Produktprogramme breiter geworden, unterschiedlich wegen der kontinentalen Anforderungen. "Unsere frii-

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here zentralistische Linie haben wir verlassen mtissen. AIle Untemehmen unserer Gruppe wissen, welches Untemehmen welche Fertigprodukte liefert." Die Zentrale trifft heute nur noch wenige Entscheidungen grundsatzlicher Art, und diese werden sogar in der Regel gemeinsam mit den Untemehmen der Gruppe erarbeitet, so daB abgestimmte Konzeptionen zustande kommen, zum Beispiel fUr die Fertigung von Komponenten. Das operative Geschaft ist auf die Auslandsgesellschaften verlagert, vom Angebot bis zur Lieferung. Konzeptionell abgestimmt werden Produkte und Liefermarkte, Kapazitaten und Investitionen, die Finanzierungsplanungen, Perso­nalentscheidungen, die die GeschaftsfUhrungen betreffen, Konzeptionen ein­schlieBIich deren Fortschreibung und Planungsrechnungen. Die zentralen Btiros, die noch vor zehn Jahren voll besetzt waren, sind ausgedtinnt. Ein immenser Struktur­wandel ist sichtbar vollzogen.

1m Ausland Fiihrungsrisiken einschriinken

Auf die Frage nach der Besetzung der Ftihrungsspitzen der auslandischen Unter­nehmen, dem Ftihrungswechsel und Nachfolgen, erklarte der Vorsitzende: "Der Erste in unserem Tochteruntemehmen ist stets aus unserer Organisation hervorge­gangen, mit langjahrigen Bindungen an das Stammhaus. Die Filhrungskrafte der zweiten Reihe kommen haufig aus dem betreffenden Land. Wenn Familienmitglie­der sich ftir Geschaftsftihrungen auBerhalb Deutschlands interessiert zeigen, ist dies kein besonderes Thema. Auch nicht bei den groBeren Tochtergesellschaften in der Nahe von attraktiven Platzen wie Paris, New York, Los Angeles, Tokio. Die Ent­scheidungen dazu werden yom Gesamtvorstand nach gleichen Kriterien getroffen wie bei Fremdmanagem." Er schilderte, daB es eine kleine Gruppe von Ftihrungs­kraften gebe, familienzugehorige und familienfremde, ftir die langfristige Personal­planungen besttinden. Das seien diejenigen, die den Marschallstab im Tomister trtigen. Sie werden in verschiedenen Stationen im In- und Ausland eingesetzt, im Vertrieb, Produktentwicklung, Produktion, Verwaltung u. a., die Ttichtigsten haben Chancen, einmal einem Zentralbereich vorzustehen. Uber sie wilrde einmal jahrlich dem Aufsichtsrat berichtet.

Resumee der Informationen:

• Je mehr das Untemehmen global gewachsen ist, desto mehr wurden Entschei­dungskompetenzen der Zentrale auf Tochteruntemehmen tibertragen. Das konti­nentale operative Geschaft verlagerte sich total auf die GeschaftsfUhrungen der einzelnen Untemehmen und dieser Trend hat die bisherige Struktur schon nach wenigen Jahren verandert. Der frtiher stark besetzte Exportbereich bedient nur noch wenige europaische Lander.

• Mit den deregulierten Strukturen und Organisationen wuchsen die sachlichen und personellen Kompetenzen der Einzeluntemehmen, der Wissenstransfer ist nach wenigen Jahren vollzogen.

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162 Kapitel 6

• Aus einer ehemals dirigistischen Zentrale ist ein kleines Team von vier Vorstands­mitgliedem entstanden, die je einem Zentralbereich vorstehen. Sie fungieren auf ihren Reisen primar als Berater, zwei von ihnen sind Familienmitglieder. Ihre Aufgabe ist es, das Gesamtuntemehmen im Griff zu behalten, aber eben mit ganzlich veranderten Fiihrungsmethoden. "Aber ohne gelegentlich den Willen des Vorstandes deutlich zu machen und dann durchzusetzen, geht es nicht."

• Bei den Konzeptionen der Einzeluntemehmen stehen Wachstum und langfristige Rentabilitat auf der Bewertungsskala oben. Sie haben den starksten EinfluB auf die Entscheidungen, zum Beispiel bei Investitionen. Familienangehorige und Nichtfamilienmitglieder unterliegen den gleichen personellen Bewertungskrite­rien. Nach der Grundsatzentscheidung, nach der das Untemehmen weltweit expandiert, hat sich dies" von selbst" ergeben. Aufsichtsrat und Vorstand haben die Personalpolitik zur Fiihrung der Auslandsgesellschaften festgelegt. Die Gleichstellung familienzugehOriger und familienfremder Vorstande bzw. Ge­schaftsfiihrungen im Ausland wird als ein Akt der Selbstbeschrankung angese­hen, wie er auch auf anderen Gebieten praktiziert wird, zum Beispiel in der Dividendenpolitik.

Dieses Beispiel macht deutlich, warum familienfremde Fiihrungskrafte Strukturen bevorzugen, wie sie hier geschildert sind. Sie fiihlen sich nicht allein auf sich gestellt, nehmen teil an einem permanent lebendigen Training und sind trotzdem als Manager selbstandig. Sie haben auch nicht einen Eigentiimeruntemehmer oder familienzugehorige (Mit-)Eigentiimer neben sich, von denen sie sich beobachtet und moglicherweise kontrolliert fiihlen (Zitat eines Vorstandes des Untemehmens).

Noch zogerlich werden Schritte in die osteuropaischen Staaten gesetzt. Die mit dortigen Untemehmen geschlossenen joint ventures enthalten haufig begrenzte Kapitalbeteiligungen, die an definierte Investitionen gebunden sind, auch an Kon­trollen des operativen Managements. Kapitaleinlagen mit Investitionsbindung, Coaching und Controlling diirften die richtigen Schritte der ersten Engagements sein, im Handel auch Methoden des Franchisings. Funktionen des Topmanagements setzen voraus, daB das "System Marktwirtschaft" funktioniert, einschlieBlich den Denkweisen der Manschen, die dazu ihre Zeit benotigen.

Eine erstarrte Organisation zum Leben erwecken

Wie bereits gesagt, neigen Erwerber von Untemehmen dazu, Manager am Kapital zu beteiligen. Produktivitat und Rentabilitat sollen unter der Fiihrung von Fremdma­nagem haufiger nachgelassen haben, eine Folge der Trennung von Kapital und Management. Das entspricht zahlreichen eigenen Erlebnissen. Kreative Entwick­lungen der Organisation unterblieben. Man muB beriicksichtigen, daB Strukturen und Organisationsformen heute schon als veraltet gelten konnen, die vor zehn J ahren noch als leistungsHihig und gut qualifiziert wurden. Fehlt zum Beispiel eine EDV­gestiitzte Produktionssteuerung, entstehen aufgeblahte Ablaufe, werden die verfiig-

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Was ist langfristig das Beste flir das Untemehmen? 163

baren Laufzeiten hoehmodemer Masehinen nieht ihrem Leistungesvermogen ent­spreehend genutzt, und Fertigungsabteilungen arbeiten trotz modemer masehineller Ausstattung mit zu hohem Personalaufwand. Dies und einiges mehr wurde im folgenden Fall der Muttergesellsehaft bewuBt. Sie hatte, das muBte man aueh erkennen, das Toehteruntemehmen nieht im notwendigen Umfang beaufsiehtigt. Die ausgewiesenen Verluste veranlaBten sie, unmittelbar naeh dem Generations­weehsel die Organisation und Leistung des Untemehmens tiberprtifen zu lassen. Der Generationsweehsel war vollzogen, die Vorganger, beauftragte Untemehmer, waren naeh 30 Jahren aus ihrem Amt gesehieden. Die Naehfolger, von Vorgangem und Muttergesellsehaft ausgewahlt, hatten eine Sehonzeit von 100 Tagen. Zwei kamen von auBen, einer aus der zweiten Ebene des Untemehmens.

Gibt es flir einen U ntemehmensberater etwas, was mehr fesseln konnte, als vor einer strukturell und organisatoriseh logisehen Untemehmensgliederung zu stehen, die jedoeh nieht wirtsehaftlieh arbeitet und die so gestaltet werden soIl, daB sie effizient wird? Wenn die Produktpalette marktkonform ist und Vertrieb und Markt sieh im Aufwartstrend positiv entwiekeln, muB, wenn das Untemehmensergebnis seit Ian­gerer Zeit negativ ist, irgendwo im Untemehmen Sand im Getriebe steeken. Wo steekt er? Die Senioren, die in den Ruhestand gegangen waren, hatten Produktion und Verwaltung auf dem organisatorisehen Level von vor 20 Jahren belassen. Sie hatten versaumt, die Organisation effizienter zu machen, trotz erheblieher Investi­tionen, die aussehlieBlieh der Modemisierung gedient hatten. Die Produktivitatsent­wieklungen der Gesamtwirtsehaft waren an dem Untemehmen vorbeigegangen. Notwendig ist in dieser Situation eine umfassende Analyse der Organisation. Ich hatte sie mit einem mehrkopfigen Team soeben beendet und den Berieht tiber die Ergebnisse abgegeben. Er sollte Grundlage einer umfassenden Reorganisation werden, unter der Regie der Naehfolger, so stand es im Auf trag. Die Feststellungen und Vorsehlage waren wahrend der Untersuehungszeit mit den Ftihrungskraften und Mitarbeitem in Arbeitsgruppen gemeinsam erarbeitet worden. Die Untemehmens­struktur und -organisation sollte danaeh sehrittweise geandert werden. N aeh unseren Analysen konnten erhebliehe Kostensenkungen erzielt werden, wir hatten realisti­sehe Vorsehlage gemaeht, die Zahl der Besehaftigten des Untemehmens urn mehr als zehn Prozent zu senken, bei gleiehzeitiger Erhohung des AusstoBes ebenfalls urn zehn Prozent.

Erganzend noeh einige Informationen in Stiehworten: Es handelte sieh urn das ca. 1200 Mitarbeiter zahlende Untemehmen X der Elektroteehnik, GmbH. Gesellsehaf­ter waren seit der Grtindung mehrere Untemehmerfamilien in Folge. Der derzeitige alleinige Gesellsehafter hatte das Untemehmen in Zeiten wirtsehaftlieher Sehwie­rigkeiten tibemommen und mit einer Kapitalspritze modemisiert. Er hatte einen Aufsiehtsrat gebildet und diesen mit Familienmitgliedem und Ftihrungskraften seines eigenen Untemehmens besetzt. Aueh sonst bestand ein reger Personal- und Erfahrungsaustauseh. Das Toehteruntemehmen X wuehs von Jahr zu Jahr, man war zufrieden, wohl aueh, weil anfangs eine angemessene Rendite erwirtsehaftet wurde. Die Gewinne blieben bei der Toehter flir Investitionen und zur Finanzierung des Waehstums stehen. Aber seit mehreren Jahren blieben Gewinne aus, und dann traten

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in mehreren Jahren in Folge Verluste ein. So entstanden bei der MuttergeseUschaft Zweifel, ob die neue Geschaftsfiihrung ausreichend befahigt sei, die Resultate der Organisationspriifung wie vereinbart in eigener Verantwortung umzusetzen. Neue Risiken soUten nicht eingegangen werden. Deshalb wurde ich beauftragt, auch die Fiihrung neu zu konzipieren und die Reorganisation beratend zu begleiten. So entstand die Frage: Auf welchem intemen Wege konnte eine andere Fiihrungsmann­schaft aufgebaut werden oder soUte man die dazu benotigten Personlichkeiten von auBen gewinnen? Wahrend der Priifung dieser Frage liefen die MaBnahmen der Reorganisation auf zahlreichen Gebieten an. Fiir aIle Projekte waren Verantwort­lichkeiten vereinbart worden. Die Mitarbeiter waren hochmotiviert. Sie waren sich bewuBt, daB unter den bisherigen Seniorgeschaftsfiihrem die Dynamik verlorenge­gangen war. Eile war geboten, urn die Geduld der MuttergeseUschaft nicht zu strapazieren. Die eingesetzten Projektleiter hatten an den Konzeptionen mitgewirkt, so waren sie in der Lage, die Veranderungen leichter umzusetzen. Sie wurden von auBen nur geringfiigig unterstiitzt. Folgende Projekte wurden parallel verwirklicht:

• eine wirksamere Fertigungssteuerung, EDV-gestiitzt,

• ein wirksameres System der innerbetrieblichen Logistik, bei gleichzeitigem Abbau der innerbetrieblichen Lager,

• eine gestraffte Organisation in VertriebsauBendienst und Kundendienst,

• eine gestraffte Arbeitsweise der Fertigungsplanung und betrieblichen Leistungs­kontrolle,

• eine effizientere Arbeitsweise der Produktentwicklung,

• der Abbau der allgemeinen Dienste.

Es zeigte sich einmal mehr, daB die Funktion des Projektleiters ein vorziigliches Training fiir Mitarbeiter mit Fiihrungsbefahigungen ist. AUe Projekte lagen in der Fiihrungsverantwortung von Projektleitem, die sehr engagiert arbeiteten und sich fiir kiinftige Fiihrungsaufgaben im Untemehmen qualifizierten. Dafiir sollten sie bald Gelegenheit erhalten, was sie nicht wuBten, als die Projekte noch liefen. Das Untemehmen wurde vollig umgekrempelt. Die leistungsfahigeren Organisations­formen ermoglichten es, biirokratische Ablaufe, Kontrollen und mittlere Fiihrungs­ebenen abzubauen. Diese organisatorischen und damit verbundenen personellen Veranderungen waren das Kemstiick, mit dem die effizienteren Strukturen erreicht werden sollten und nach zwei Jahren erreicht worden sind. Das angepeilte Kosten­senkungsvolumen wurde nicht nur erreicht, sondem iiberschritten. Deutschland befand sich in einem Boom, so daB die Auftragsbiicher voll waren und der AusstoB in der prognostizierten Hohe erreicht wurde. Das Untemehmen hatte einen Schutz­engel.

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Und nun kam ein Zusatzeffekt: Zur gleichen Zeit verhandelte die Muttergesellschaft tiber den Kauf eines Unternehmens Y, das einer verwandten Branche angehorte, ahnlich in GroBe und Struktur. Das Unternehmen X wendete nun die Methoden zur Kostensenkung an, die zu dem beschriebenen Ergebnis geftihrt hatten, urn das Unternehmen Y fUr eine Fusion vorzubereiten. Das wurde den bewahrten Projekt­leitern tibertragen. Das Unternehmen X tibernahm die Fiihrerschaft, ebenso der dreikopfige Vorstand, nunmehr fUr das fusionierte Gesamtunternehmen. Der Vor­stand war ausschlieBlich aus internen Fiihrungskraften gebildet worden. Das fusio­nierte Unternehmen wurde borsennotierte Aktiengesellschaft.

Kapitalbeteiligungsgesellschaften: Ubernahme mit MBO und MBI und Finanzierung

Schon zum friiheren Zeitpunkt sprachen wir tiber MBO- und MBI-Losungen zur Regelung der Nachfolge, siehe Ziffer 4.4. Es handelt sich dabei grundsatzlich urn den Verkauf des Unternehmens an neue Eigentiimer. MBO- und MBI-Losungen unter Einschaltung von Kapitalbeteiligungsgesellschaften sollen sicherstellen, den Interessen des ausscheidenden Unternehmers und des oder der Erwerber gerecht zu werden und das Unternehmen zu erhalten. Wir stellten fest, daB der Verkaufsvorgang abseits von unserem Kernthema liegt, das auf ein planmaBiges Vorbereiten der Fiihrungsnachfolge ausgerichtet ist. An dieser Stelle mochte ich aber dennoch darauf zuriickkommen, weil im Laufe der letzten Jahre mit Hilfe der Beteiligungs­geseUschaften Finanzierungsformen entwickelt wurden, die es ermoglichen, die Unternehmen in schwierigen Situationen zu erhalten, denen sie sich haufig gegen­tibersehen und wie sie in diesem Buch beschrieben wurden. Sie miissen wachsen, europaisch und global, ihre Strukturen verandern, schlanker, rentabler, schneller und flexibler werden, neue Produkte entwickeln und einfUhren u. a. Das muB finanziert werden, moglicherweise auBerhalb der traditionellen Finanzierungsformen der Banken, wie Kreditfinanzierungen mit Grundschuld. Und fUr die Borse ist das Unternehmen noch nicht reif. Haufig stehen diese MaBnahmen im Zusammenhang mit dem Generationswechsel, aber vielleicht ist der Nachfolger noch nicht in Sicht. Kapitalbeteiligungsgesellschaften konnen Losungen schaffen, die nicht nur MBO­und MBI-Kaufer einschlieBen, sondern auch in- und auslandische kompetente Anleger und bisherige Kapitaleigner einbinden.

Beim Management-Buy-Out (MBO) kaufen sich interne Ftihrungskrafte ins Unter­nehmen ein, beim Management-Buy-In (MBI) sind es Externe, zum Beispiel aus anderen Unternehmen ausgeschiedene Ftihrungskrafte. Zunachst eine Vorbemer­kung zur Arbeitweise von Kapitalbeteiligungsgesellschaften: Die Beteiligungsge­sellschaften, die meistens mit starken Finanzpartnern als Gesellschafter verbunden sind, stellen Eigenkapital und kapitalahnliche Mittel zur Verfiigung. Haufig werden Vorschaltgesellschaften verwendet. Sie erwarten dafUr eine fUr sie interessante Verzinsung. Sie sehen ihr Engagement zeitlich begrenzt, in der Praxis nicht unter fUnf Jahren, maximal bis zu zwolf Jahren, nur in Ausnahmen dariiber. Sie streben dabei meistens keine Mehrheit im Unternehmen an. Die GeschaftsfUhrung liegt

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eindeutig beim Unternehmer. Aber es gibt auch Gesellschaften, vielleicht seltener, die eine Gesellschafterstellung mit Mehrheit der Stimmen anstreben.

Zur Gruppe der Finanzbeteiligungsgesellschaften zahlt ein Institut, das gezielt mittelstandische Unternehmen in bestimmten Situationen Hilfen bei der Finanzie­rung bietet, zum Beispiel zur Finanzierung des Wachstums, urn fundierte Konzep­tionen zu sichern. Ferner stellt es Kapital zur Verfugung, urn Innovationen im friihen Stadium zu finanzieren, neue Produkte, neue Produktionsverfahren, MarkteinfUh­rungen, Hilfestellungen fUr innovative Existenzgriinder und junge Unternehmen. Finanzierungsziele konnen weiter sein: Briickenfinanzierungen, urn Lucken bis zum mittel- oder langfristig geplanten Borsengang zu iiberbriicken, auch Turn-around­Situationen, die bei der Umsetzung von RestrukturierungsmaBnahmen entstehen konnen. Auf das vorangegangene Beispiel nehme ich Bezug, wobei es allerdings fraglich erscheint, ob dies eine Finanzierungsaufgabe fur eine Beteiligungsgesell­schaft sein konnte, weil die RestrukturierungsmaBnahmen auBerordentlich groB waren, das Unternehmen wurde vollig umgekrempelt. Last but not least sind die Unternehmensnachfolgen gemeinsam mit MBO und MBI wesentlicher Teil der Finanzierungsaktivitaten dieses Instituts.

Dies sind die Schritte zur Umsetzung

Der Unternehmer, der verkaufen will, sucht einen institutionellen Investor, eben eine Kapitalbeteiligungsgesellschaft. Er sucht ferner, moglicherweise auch gemeinsam mit der Kapitalbeteiligungsgesellschaft, den MBI-Manager oder/und verhandelt mit einem beflihigten Mitarbeiter seines Unternehmens, den er in eine Nachfolgerege­lung einbeziehen mochte (MBO-Manager). Beteiligt werden kann auch ein Mitglied der bisherigen Unternehmerfamilie oder der gesamte Familienstamm, vielleicht verbunden in einer eigenen Gesellschaft. Die Kapitalbeteiligungsgesellschaft for­miert eine neue Gesellschaftergruppe: Sie tritt selbst darin ein und bindet den oder die neue(n) Managergesellschafter und andere Gesellschafter zu einer gemeinsamen Ubernahme mit ein. Sie entwickelt das Finanzierungskonzept dazu, das auf die Unternehmenssituation zugeschnitten ist. Auch Sondersituationen konnen auftre­ten, zum Beispiel, wenn Abfindungen fUr weichende Erben oder ausscheidende Gesellschafter aufzubringen sind. Dies konnte den finanziellen Spielraum fUr die Zukunft einengen und existenzbedrohend fUr das Unternehmen werden.

Bei der Finanzierung des Verkaufs spielt oft der Preis eine wichtige Rolle, er ist aber vielleicht nicht immer ausschlaggebend fUr die Vertragsparteien, weil von der Beteiligungsgesellschaft wichtige Beratungs- und Kontrollfunktionen ubernommen werden, wie das Controlling, Beratungen zur Unternehmensbewertung und mogli­cherweise eine Mitwirkung im Beirat. Ziel der Beteiligungsgesellschaft ist es, das eingebrachte Kapital angemessen zu verzinsen. Sie will das Unternehmen in der festgelegten Zeit so fordern, daB es nach ihrem Engagement aus eigenen Kraften weiterarbeiten kann, mit erprobtem Management und konsolidierter Gesellschafter­und Kapitalstruktur.

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Der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Eine der Kemfragen ist, ob die fiihrungs­und kapitalmaBigen Veranderungen Risiken auf angestammten Markten auslOsen und welche Risiken auf neuen Markten entstehen und ob sie tiberschaubar sind. So kann der Erwerber zwar einen vorhandenen Kundenstamm tibemehmen. Aber er tragt ein erhohtes Risiko mit der Verpflichtung, in vorhandene Vertrage, Kundenfor­derungen und eventuelle Schadensersatzansprtiche einzutreten. Die Durststrecken mtissen richtig abgeschatzt werden. Ob in dieser Zeit bereits so viel verdient wird, daB sich das Eigenkapital nach den Vorstellungen der Beteiligungsgesellschaft verzinst, muB gut tiberlegt werden. Das Hinzuziehen eines Untemehmensberaters oder Wirtschaftsprtifers bietet sich an.

Ein Kapitalbeteiligungsinstitut, das aus staatlichen Mitteln gefOrdert wird, bietet seine Leistungen in einem Merkblatt zusammenfassend wie folgt an: "Eigenkapi­talbeteiligungen der X-Beteiligungsgesellschaft bieten zahlreiche Vorteile: Sie er­hohen das haftende Eigenkapital und sichem damit den Bestand des Untemehmens. Erst durch eine ausreichende Eigenkapitalbasis konnen schwierige Phasen (Expan­sion, Investitionen, Nachfolge) in einem sich verscharfenden Wettbewerb sicher durchgestanden werden. Gleichzeitig wird die Kreditwtirdigkeit des Untemehmens bei Banken gestarkt, da die Beteiligung Vertrauen in die Stabilitat des Untemehmens schafft. Ein weiterer Vorteil ist, daB das Untemehmen unabhangig bleibt, weil die X-Beteiligungsgesellschaft nur Minderheitsbeteiligungen eingeht."

Kapitalbeteiligung als Anerkennung der Leistung

Das Einbinden von Geschaftsfiihrungen in das Untemehmensrisiko, also das Zu­sammenfiihren von Geschaftsfiihrung und Kapital, scheint zuzunehmen. Werden angestellte Geschaftsfiihrer ihrem Untemehmerauftrag nicht gerecht? In Pressebe­richten und bei anderen Anlassen wird die untemehmerische Qualifikation von Fremdmanagem gelegentlich angezweifelt. Das heiSt, es fehle ihnen das Quentchen an Eigenmotivation, das Eigenttimeruntemehmer zu tiberlegenen Leistungen und Erfolgen bringt. 1st es aber wirlich ein Trend, Ftihrungsnachfolger am Kapital zu beteiligen, wie es aus dem Beispiel oben und vergleichbaren Fallen abgeleitet werden konnte? Oder handelt es sich urn eine Modeerscheinung, die ausgelost wurde von Untemehmensverkaufen, zum Beispiel von Konzemen, die sich schlan­ker machen, und von Investoren, die mit der Rendite unzufrieden sind. Auf der Kauferseite steht Kapital fiir derartige Beteiligungen zur Verfiigung, zum Beispiel bei ehemaligen Fremdgeschaftsfiihrem, die hohe Abfindungen erhalten haben. Von beiden Seiten kann eine Meinungswelle tiber den angeblichen Vorteil des Zusam­menfiihrens von Kapital und Geschaftsfiihrung in Gang gesetzt worden sein. Wie aber liegen die Fakten langfristig?

Die Frage konzentriert sich auf Untemehmen in der Rechtsform von Kapitalgesell­schaften und dort auf GmbHs. Viele Geschaftsfiihrer werden ihrer Aufgabe als beauftragte Untemehmer ohne Kapitalbeteiligung gut, sogar hervorragend gerecht. Die Quellen ihrer Motivation liegen an anderen Stellen: In der Bindung zum

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168 Kapitel 6

Unternehmen, in dem vielleicht der Vater schon tatig war, in dem sie ihren berufli­chen Aufstieg erlebten, in der Bindung zur Belegschaft, zu Kunden und Lieferanten, die sie personlich kennen, in der Freude tiber das Wachstum des Unternehmens, das sie zu ihrem Leben zahlen wie ihre Familie. Wtirde eine Kapitalbeteiligung zur Diskussion stehen, wtirden sie sich tiber einen kleinen Anteil glticklich schatzen, sie mtiBten den Kaufpreis aus ihren Beztigen aufbringen konnen, weil sie meistens selbst nicht tiber entsprechende Vermogen verftigen. Aber viele von ihnen waren dazu bereit, weil sie die Beteiligung als eine hohe Anerkennung ihrer Leistungen werten wtirden. Das heiBt, daB die ergebniserhohende Wirkung einer Kapitalbetei­ligung tiberschatzt werden konnte. Sie mtiBte aus mehreren Jahren in Folge festge­stellt werden. Kurzfristig lassen sich Reserven auskehren, und dam it ware ein Trend nicht auszumachen. Es bestehen keine Zweifel an der ZweckmaBigkeit, einen Teil der Fremdmanagervergtitungen in variab1er Form zu leisten. Die Beteiligung am Bilanzergebnis ist dabei die solideste Form. Und bei der Rechtsform der AG lassen sich Zusatzvergtitungen auf einfache Weise mit Aktientibertragungen erzielen, wie dies bei den Belegschaftsaktien schon der Fall ist. Ftihrungskraften wie Geschafts­fUhrern konnen Aktienoptionen zu Sonderkonditionen vertraglich zugesagt werden, so daB sie an Wertsteigerungen der Aktien ihres Unternehmens teilhaben. Das ist in den USA eine seit langem angewendete Methode.

Strategische Allianzen veriindern Strukturen

Auf vielen Gebieten gibt es Strategische Allianzen: Banken gemeinsam mit Versi­cherungen und Bausparkassen zur Nutzung des Verkaufs der Leistungen am Bank­schalter; bei Herstellern, urn Verkaufsorganisationen bei gleichen Zielgruppen zu nutzen; im Handel, urn Verkaufsflachen fUr bestimmte Markenprodukte zu nutzen u. a. Die Grenzen zum Franchising und anderen Arten des joint venture sind flieBend. Die Gefahr, daB btirokratische Ablaufe entstehen ebenso wie der wachsen­de Kapitalbedarf der Wertschopfungsketten konnen zu neuen Strukturen und Orga­nisationsformen fUhren. Besonders deutlich wird das bei den Fluggesellschaften. Flugzeuge werden gel east, die Wartung durch Fremdfirmen erbracht, die Passagier­und Gepackbetreuung von lokalen Servicegesellschaften tibernommen, und die Flugrouten werden durch glob ale Allianzen vereinbart. Nur so ist es moglich, daB Zusammenschltisse, zum Beispiel Lufthansa mit United Airlines, ohne oder mit vergleichsweise niedrigen Kapitalbeteiligungen gestaltet werden konnen.

Strategische Allianzen zahlen sich aus, wenn der 1eistungsempfangende Partner tiber so viel Marktstarke verftigt, daB er die vereinbarten Leistungen auch durchsetzen und notfalls den leistenden Partner wechseln kann. Andernfalls konnte die Konzep­tion Schiffbruch erleiden. Der leistende Partner muB Zuverlassigkeit zum Bestand­teil seiner Politik machen. Wenn diese Voraussetzungen bestehen, ist die strategische Partnerschaft auch fUr mittelgroBe Unternehmen ein hervorragendes Instrument, organisatorische und personelle Erstarrungen zu tiberwinden und Kapital freizuset­zen. Auch sie ist keine spezifische MaBnahme im Zusammenhang mit dem Gene­rationswechsel. Sie kann jedoch bei konzeptionellen Neuorientierungen gerade zu

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diesem Zeitpunkt eine wichtige Rolle spielen, zum Beispiel bei der Ausweitung der Vertriebsorganisation in Europa.

Konzeptionen (noch) tragfiihiger machen - eine stiindige Aufgabe

Zu jeder Konzeption kann es Erganzungen geben, die sie wirksamer machen. Dies sollte bei den jahrlichen Uberpriifungen durchdacht werden.

• Zunachst einmal soUte, wenn Wachstum, Rendite und Kapitalbindung unbefrie­digend sind, gepriift werden, ob MaBnahmen angewendet werden sollten/miissen, wie ich sie in Kapitel 2 gerafft dargestellt habe. Vielleicht treffen friihere Unter­suchungen nicht mehr zu, so daB neue Ansatzpunkte bestehen.

• 1m Hause von Zulieferem sollte iiberlegt werden, ob die Produktentwicklung verstarkt werden kbnnte, urn damit die Bindungen zu den Zulieferungskunden nachhaltig zu verbessem. Die Erfahrungen zeigen, daB hier der Ansatzpunkt zu besseren Geschaftserfolgen liegen kann.

• Untemehmen modisch beeinfluBter Branchen wie Bekleidung, Mbbel, Ge­brauchsgegenstande sind in ihren Geschaftserfolgen abhangig yom Design. 1m Rahmen der Produktentwicklung spielt es eine bedeutende Rolle. Hier sollte der Hebel angesetzt werden. Die Kapazitaten fUr Modell- und Musterwerkstatten sollten auBerhalb der Entwicklungszeiten zur Herstellung hochwertiger Produkte genutzt werden.

• Bei Investitionsgiitem sollten primar die Konstruktionen vereinfacht und damit die Zahl der Bauteile reduziert werden. Weitere Ansatze liegen in der verringerten Fertigungstiefe (altemativ Fremdbezug), der Konzentration der Lieferanten so­wie bei zusatzlichen/neuen Anwendungsgebieten der Fertigprodukte.

• Der regelmaBige Leistungsvergleich von Eigenfertigung und Fremdbezug, in den unterschiedliche Niedriglohnlander einbezogen werden, kann helfen, Kosten nachhaltig zu senken.

• Auch die Diversifikation bestimmter Produkte und im Gegensatz dazu Speziali­sierungen kbnnen in bestimmten Situationen wirksame Erganzungen der Kon­zeption darstellen.

Eine Untemehmerleistung kann auch darin bestehen, in schwierigen Zeiten das Wachstum des Untemehmens nicht auf begrenzte Mbglichkeiten einzuengen, die in dieser Situation haufig vorliegen. Wachstum hat Prioritat. Vier Wege der Finanzie­rung wurden in den vorangegangenen Beispielen aufgezeigt:

• Das Wachsen des Untemehmens in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft, bevorzugt der Aktiengesellschaft, urn die Kapitalbasis zu erhOhen.

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170 Kapitel 6

• Die VerauBerung von Geschaftsanteilen an Erwerber, die in das Untemehmen als (Mit-)Eigenttimer und GeschaftsfUhrer eintreten, moglicherweise gemeinsam mit einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft (MBO und MBI).

• Das Freisetzen von Finanzmitteln, die wegen tiberholter Strukturen und Organi­sationen im Untemehmen unnotig gebunden sind.

• Das Freisetzen von Finanzmitteln aus strategischen Allianzen.

6.3 Randelt der Nachfolger als Untemehmer?

Die Beispiele von 6.2 zeigen das AusmaB der sich vollziehenden strukturellen Veranderungen. Ftihrungen und Ftihrungsstrukturen sind darin einbezogen, sie sind oft Dreh- und Angelpunkt. Von ihnen mtissen die wesentlichen Impulse ausgehen. Die Untemehmen mtissen, urn handlungsfahig zu bleiben, auch finanziell schlanker werden, rentabler, schneller und flexibler. N ur so konnen sie die vor uns liegenden schwierigen Zeiten tiberleben. Eine wichtige EinfluBgroBe geht von der Globalisie­rung aus. Der heimische Markt und selbst die europaischen Markte werden kleiner, in Jahrzehnten zu klein ftir die dann vorhandenen Kapazitaten. Eine andere Ein­fluBgroBe geht von der untemehmensintemen Organisation aus. Bleibt sie zurtick, veraltet und erstarrt das Untemehmen. Ein wiederum anderer Impact kommt vom Kapitalbedarf, der mit dem Wachstum des Untemehmens, notwendigen Modemi­sierungen und effizienteren Strukturen und Organisationsformen wesentlich groBer geworden ist. Ftihrungen zu starken, ist deshalb primare Aufgabe, die untemehme­rische Sicht ist gefordert.

Langfristige unternehmerisehe Sieht notwendig

Untemehmerische Denkweisen und Geisteshaltungen sind Grundlagen fUr unter­nehmerisches Handeln. Hier drei Voraussetzungen, die nicht nur fUr die Personlich­keit des Untemehmers sondem fUr alle Mitglieder seiner Ftihrungsmannschaft gelten:

• Die Handlungsspielraume mtissen richtig abgesteckt sein. Damit beziehe ich mich auf Daten und Informationen tiber den Markt, die Trends, Strategien sowie die intemen Plandaten.

• Die subjektiven Voraussetzungen der Handelnden: Damit denke ich an die Fahigkeiten zur Planung und Umsetzung sowie Emotionen, wie Teamfahigkeit, Willensbildung, Zivi1courage, die den Aufgaben adaquat sein mtissen.

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Was ist langfristig das Beste fUr das Untemehmen? 171

• Ziele, Planungen und strategische Umsetzungen sind auf gemeinschaftliche Aufgaben auszurichten. ~

Diese Forderungen konnten als untemehmerische Binsenweisheiten gelten. Sie werden aber in der Praxis vielfach ignoriert.

Bei systematischer Vorgehensweise, die den Generationswechsel sicherer gestaltet, konnen Generationsfolgen zu einer langen Kette werden,jede Generation ein Glied einer Kette sein. Der Untemehmer sollte sich befreien von der kurzen Sicht. Europa ist wie die USA die Heimat industrieller und kommerzieller Leistungen, in der marktkonforme Untemehmen immer wieder neue Chancen haben. Die Ftihrungen mtissen dazu die Trends erkennen. Die Positionen der Untemehmen konnen sich andem. In der vorausgehenden Zeit noch ein kleines Familienuntemehmen, kann es zu einem Untemehmen in einem Verbund unter dem Dach einer Holding werden, vielleicht auch einer Familienholding oder aber Teil eines anonymen Konzems. Es wird dort vertraut mit leistungsfahigeren Organisationssystemen, besseren Marke­tingmethoden, hoheren Leistungen und besseren Controllingmethoden. Irgendwann dreht der Wind. Das Untemehmen gewinnt seine Selbstandigkeit zurtick. Seine Marktposition und seine gesamtwirtschaftliche Einbindung haben sich geandert, aber das Kapital kann ganz oder teilweise in der Hand der gleichen Eigner geblieben sein. In einem der Beispiele des Buches wollte die Muttergesellschaft das Unter­nehmen verkaufen, bevor sie sich entschloB, es in eigener Regie zu sanieren. Das vorherige Fremdmanagement hatte nicht oder zu wenig untemehmerisch gehandelt, Verluste waren die Folge. Nachdem das Untemehmen mit Erfolg saniert wurde, kaufte es nun den vorherigen Kaufinteressenten und fusionierte dessen Untemeh­men mit dem eigenen, inzwischen sanierten. Ein anderes Beispiel fUr untemehme­risches Handeln: Das Familienuntemehmen wurde mit dem Verkauf einem intema­tionalen Chemiekonzem eingegliedert. Die Familie behielt eine ansehnliche Kapi­talbeteiligung. Vor kurzem zog sie wieder in die GeschaftsfUhrung ein, die ihren Sitz in Mtinchen hat. Sie nimmt dort eine wesentliche Funktion wahr, aus der sie auf die Strategien zur Untemehmensentwicklung einwirken kann.

Die Kemfrage ist, zu erkennen und abzuwagen "was ist langfristig das Beste fUr das Untemehmen?" Das kann man moglicherweise nur tiber die Dauer mehrerer Generationen bewerten. Dem 30 bis 35jahrigen Nachfolger erscheinen 25 bis 30 Amtsjahre als lang, er hat sie ja noch vor sich. Dem 60 bis 65jahrigen Vorganger erscheinen sie rtickblickend kurz. Eigentiimer sollten die Unabhangigkeit haben, die Antwort mit Gelassenheit zu geben, ohne in Hektik Kasse machen zu wollen. Die Frage darf nie spat gestellt werden, vor allem nicht zu spat. Aber auch dann gibt es noch Wege, Versaumtes nachzuholen, wenn es rasch und mit kompetenter Hand geschieht. Ftir die bevorstehenden Generationswechsel, sagen wir in den nachsten zehn Jahren, ist es wichtig, den Untemehmen eine ausreichend breit angelegte Ftihrung zu geben, mit Kapital zu starken, beides mit dem Ziel, das Untemehmen in Organisation und Leistung rundum gesund zu machen: schlank, rentabel, schnell und flexibel. Danach die Konzeption anpassen an das veranderte Umfeld. Die Rechtsformen konnen sie noch starker zur Wirkung kommen lassen, wie in Zif-

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172 Kapitel 6

fer 6.2 beschrieben. Derweil wird das Untemehmen fit fUr den nachsten Genera­tionswechsel.

Beispiel: das "ausgleichende Talent" in der Fiihrung

Nach dem Golfspiel sagte mir me in Gesprachspartner: "Wenn ich ab Mittag nicht auf den Golfplatz gehen kann, habe ich me in U ntemehmen nicht richtig organisiert." Ich stellte die Gegenfrage, ob er denn jeden N achmittag zum Golfen gehe. Er bejahte das, fUgte aber zogerlicher hinzu, manchmal habe er kein gutes Gewissen, die Firma so friih zu verlassen. Er delegiere dann auch schon mal Dinge, die er eigentlich nicht delegieren sollte. Ich wuBte, daB er und sein Bruder vor kurzem die Nachfolge des Vaters in einem Bekleidungsuntemehmen angetreten hatten, mein Gesprachspartner als kaufmannischer Leiter, sein Bruder als Leiter der Produktion. Beide waren, wie er mir sagte, zu je 50 Prozent am Untemehmen beteiligt. Hatte er ein Freizeit­syndrom? Ich empfahl ihm, sich gelegentlich mit dem Untemehmer X in Verbindung zu setzen, urn sich zu informieren, wie sich die UntemehmensfUhrung dort organi­siert hat. Die beiden Untemehmen gehorten verschiedenen Branchen an, hatten vergleichbare BetriebsgroBen, die Untemehmer waren in der gleichen Altersgruppe und hatten ahnliche Freizeitinteressen. Dort war ein befahigter Mitarbeiter zum MitgeschaftsfUhrer gemacht worden. Dies verfolgte den Zweck, das Geschaft unabhangiger zu machen von der Anwesenheit der beiden Eigentiimeruntemehmer und zusatzliche Kapazitat in der GeschaftsfUhrung zu schaffen. Ais Nebeneffekt wollten die beiden Untemehmer Zeit fUr ihre zeitaufwendigen Hobbies gewinnen.

Ich wollte einen Rat zu ahnlicher Organisation nicht von mir aus geben. Mein Gesprachspartner sollte sein Geschaft wegen des Golfspiels nicht mit zusatzlichen Kosten (fUr den Fremdmanager) belasten. Golf ist zwar ein schOnes Hobby, aber nur eine schone Nebensachlichkeit. Mein Gesprachspartner yom Golfplatz hat sich schon bald mit seinem Untemehmerkollegen in Verbindung gesetzt. Ais wir uns wiedersahen, erzahlte er mir, daB er und sein Bruder zur gleichen Losung, namlich Einsatz eines Fremdmanagers, neigen. Sie wiirden ihre derzeitige Struktur der Fiihrung (zwei Bereiche: kaufmannische und technische Leitung) beibehalten wol­len, wiirden aber emsthaft erwagen, aus beiden Bereichen die administrativen Aufgaben herauszu16sen und in einem gesonderten Verwaltungsbereich zusammen­zufassen (in dem anderen Untemehmen bestand eine Spartenorganisation). "Das Bestechende daran ist, daB damit eine Fiihrungskompetenz eingerichtet wird, die stets im Untemehmen prasent ist. Ich gewinne Zeit fUr meine Kundenbesuche, me in Bruder fiir Reisen zu Lieferanten einschlieBlich zeitaufwendigen Reisen nach Femost und wir beide fUr unsere Hobbies." Der Zweck wird nur erreicht, das sagte ich ihm, wenn der Fremdmanager den Rang des MitgeschaftsfUhrers erhalt, also nicht als Sekretar und Prokurist ins Vorzimmer gesetzt wird.

Nach meinen Erlebnissen halt eine Zusammenarbeit von Eigentiimeruntemehmem gemeinsam mit FremdgeschaftsfUhrem langfristig, wenn zwischen den Manschen eine personliche Bindung besteht, die iiber die gemeinsame Arbeit hinausreicht.

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Was ist langfristig das Beste fiir das Unternehmen? 173 ------------~~~~--~

Dann kam meinem jungen Golffreund eine gliickliche Idee: Ein ehemaliger Stu­dienkollege war interessiert, die Funktion des Verwaltungsleiters im Rang des Geschaftsfiihrers zu tibernehmen. Wie ich spater von ihm harte, hat sich dieser rasch eingearbeitet, und es entwickelte sich ein sachlich und menschlich harmonisches Miteinander. Das vermeintliche Freizeitsyndrom hat er bald tiber Bord geworfen. "Von Ausnahmen abgesehen kann ich das meinen Mitgeschaftsfiihrern doch nicht zumuten." Aus der Zusammenarbeit ist noch zu berichten: Das dreikapfige Team trifft sich jeweils montags, gelegentlich auch samstags, urn sich fiir das operative Geschaft abzustimmen, sachlich und terminlich. Auch konzeptionelle Planungen werden gemeinsam erarbeitet. So ist jeder informiert: Jeder der beiden Brtider tiber den Bereich des anderen sowie tiber wichtige Vorgange der Administration, der Dritte im Bunde tiber Vorgange und Vorhaben in den Bereichen der beiden anderen.

Das Zusammenfassen von Aufgaben aus dem Verwaltungsbereich bietet sich in vergleichbaren Fallen bevorzugt an. So werden EDV, Finanzen, Rechnungswesen, Personal, Controlling in eine Hand gelegt, fallweise mehr. Auch andere Aufgaben und Verantwortungsbereiche sind, immer aus der Sicht der Gesamtstruktur des Unternehmens und der Untemehmensfiihrung gesehen, denkbar: der Marketing­und Vertriebsmanager, der Manager Technik und Produktion, der Sanierer, urn die wichtigsten Funktionen fiir einen erganzenden beauftragten Untemehmer zu nen­nen, erganzend zu dem oder den geschaftsfiihrend tatigen Eigentiimeruntemeh­mer(n). So entsteht ein Team, das den Anforderungen des Unternehmens voll entspricht. Die Zusammenarbeit bleibt harmonisch, wenn die fachliche Kompetenz des Fremdgeschaftsfiihrers erganzt wird von menschlichen Sympathien. Dazu ist wichtig: "Der Fremde" muB tiber untemehmerische Denkweise und Befahigung verftigen, darf sich nicht im Detail verlieren und der Typ des Erbsenzahlers sein. Eine Beteiligung am Stammkapital der GmbH oder als Mitgesellschafter in anderen Rechtsformen tragt dazu bei, das Arbeitsverhaltnis zu festigen. Sie ist ein Zeichen der Anerkennung und gibt dem Fremdgeschaftsfiihrer zusatzliche Sicherheit. Die Kapitalbeteiligung braucht nicht hoch zu sein, fiinf bis zehn Prozent erftillen diesen Zweck. Bei einer haheren Beteiligung wtirde ein wichtiger Nebeneffekt verloren­gehen, der mit dem Fremdgeschaftsfiihrer neben einem oder zwei Eigentiimerun­ternehmem verbunden sein sollte: seine Rolle des Katalysators. Er ist in der Lage, Entscheidungen der Geschaftsfiihrung an Mitarbeiter und Belegschaft so bekannt­zugeben und zu interpretieren, daB sie dort die gewtinschte Akzeptanz finden. Das ist bei Erklarungen des Eigentiimerunternehmers nicht immer sicher, zum Beispiel, wenn er aus einer StreBsituation reagiert oder agiert.

Diese person ellen Ftihrungskonstruktionen haben sich zumeist bewahrt. Ich habe diesen Fremdgeschaftsfiihrer neben einem oder zwei Eigentiimeruntemehmem als "ausgleichendes Talent" bezeichnet, wegen seiner besonderen fachlichen Kompe­tenz und Rolle als Katalysator. Derartige Lasungen sind stets im Zusammenhang mit dem Generationswechsel entstanden, gelegentlich, wie in unserem Beispiel, kurze Zeit danach. Die Geschaftsfiihrung muB im konzeptionell/strategischen Be­reich ebenso wie im operativen Geschaft auch nach dem Generationswechsel ein sicherer Pol des Unternehmens sein und bleiben.

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7 Planungen absichem mit Beirat und Beratem

Untemehmen, die nach dem Gesetz einen Aufsichtsrat haben - das sind Aktienge­sellschaften und unter bestimmten Voraussetzungen die GmbHs - haben mit dies em Gremium gleichzeitig eine Beratungsinstitution. Auf welchen Gebieten, das kann in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag sowie in Geschaftsordnungen festgelegt sein. Sie konnen auch ein zusatzliches Beratungsgremium geschaffen haben. In den letzten zehn bis 20 Jahren haben nun Untemehmen aller Rechtsformen, also auch Personengesellschaften, zunehmend Beratungsgremien institutionalisiert. Sie nen­nen sich Beirate, gelegentlich auch Verwaltungsrate. Das Arbeitsspektrum, das ihnen durch Satzung und andere Statu ten vorgegeben ist, geht haufig tiber das der Aufsichts- und Beratungsorgane von Aktiengesellschaften hinaus. Die Qualifikati­on des Beirats ganz allgemein und so auch bei der Beratung zum Generationswech­sel hangt im wesentlichen von der Qualifikation seiner Mitglieder abo 1m Vorder­grund stehen dabei weniger fachspezifische Fragen, sondem die Befahigung, unter­nehmerisch universell denken zu konnen. Das Beiratsmitglied ist gefordert, als eine Art Allroundberater zu fungieren.

Dort liegt auch der Zusammenhang zum Untemehmensberater. Er kann der "gebo­rene" Berater flir den Generationswechsel werden, wenn er die Befahigungen zu einem wirklichen Allroundberater mitbringt und tiber bestimmte charakterliche Anlagen verfligt. Er muB namlich beim Ubergang des Untemehmens yom Vorganger zum Nachfolger neben fachlichen Hilfen, zum Beispiel bei der Einrichtung der veranderten Ftihrung, zahlreiche, zum Teil sehr personliche Gesprache flihren. Dazu benotigt er Vertrauen. Das setzt voraus, daB er taktvoll und verschwiegen ist, sehr verantwortungsbewuBt denkt und handelt und absolut verlaBlich ist. Die speziell auf den Generationswechsel ausgerichtete Beratung, in der die betriebswirtschaftlich strategischen Gestaltungen, die Untemehmensentwicklung sowie Ftihrungs- und Managementplanungen und -praktiken im Mittelpunkt stehen, werden in Kapitel 9 behandelt.

Auf weitere Beratungen, die zum Generationswechsel unerIaBlich sind, wird hier nur kurz eingegangen. Denn das Buch beschaftigt sich konzentriert mit den Nach­folgeregelungen, die sich auf Untemehmen beziehen. Dabei werden Fragen des Gesellschaftsrechts und, was Erbvorgange betrifft, des Zivil- und Erbrechts sowie steuerrechtliche Fragen angesprochen. Dort flihle ich mich nicht zustandig. AuBer­dem gibt es Bestimmungen, mit denen unerlaubte Rechtsberatungen verhindert werden sollen. Dieser Bereich von Beratungen anlaBlich des Generationswechsels sollte Fachleuten tiberlassen werden, gemeint sind Rechtsanwalte, Wirtschaftsprti­fer, Steuerberater. Damit umreiBe ich die Themen, die in dies em Buch bewuBt nicht behandelt werden, aber es erscheint mir notwendig, auf die Verkntipfungen hinzu­weisen. Gelegentlich kommt bei Untemehmem anlaBlich der Erbvorgange eine krankhafte Angst zum Ausdruck, Steuem urn jeden Preis zu sparen, eine Art Steuerphobie. Sie tun sich dabei moglicherweise selbst weh, wenn ihre Entschei-

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dungen im Widerspruch stehen zur geordneten Untemehmensfiihrung und organi­satorisch giinstigen Lasungen fiir ein effizient arbeitendes Untemehmen.

Es gibt immer einen besseren Weg

Dieses Beraterbonmot kann auch der Firmenbeirat geltend machen. Er sollte es, wenn Gefahren auftreten, auch deutlich sagen. Dazu ein Beispiel: Ich hatte dem Senior, der unerwartet gestorben war, und seiner Frau zugesagt, vier Jahre im neu gegriindeten Beirat mitzuwirken. Konkretes dazu war nicht besprochen. Ais der Beirat erstmals zusammentrat, stellte ich folgendes fest: Die interimistisch einge­setzten Geschaftsfiihrer waren alte Weggefahrten des verstorbenen Seniors. Der eine war seit 20 Jahren Betriebsleiter, nannte sich (gem) technischer Leiter, der andere war Verkaufer bei groBen und wichtigen Kunden, mit Titel Verkaufsleiter. Die Ehefrau hatte darauf bestanden, daB beide Herren Geschaftsfiihrer wurden und diese Funktion so lange ausiiben, bis der Sohn fiir die Geschaftsfiihrung fit sein wiirde. Der Hausanwalt, der die Umwandlung in eine GmbH vorbereitet hatte, vertrat die Auffassung, daB die eingearbeiteten, langgedienten Prokuristen fiir die InterimslO­sung geeigneter seien als ein Fremdgeschaftsfiihrer. Traf das zu? Und auBerdem kanne der neu gegriindete Beirat die Geschaftsfiihrung stiitzen. War er dazu in der Lage?

Mit diesen personellen Entscheidungen zum Generationswechsel konnte ich mich nicht anfreunden, auch nicht fiir die Ubergangszeit. Ob der Sohn die fachlichen Voraussetzungen fiir die Gesamtleitung mitbringen oder entwickeln wiirde, war noch zweifelhaft. Er hatte den guten Willen, aber an der Ausbildung fehlte einiges, und die Fahigkeit, sich durchzusetzen, muBte er noch beweisen. Eine Lasung mit einem Fremdgeschaftsfiihrer, dem der Junior assistierte, ware tragfahiger gewesen.

Der Umsatz stagnierte seit zwei Jahren, aber die Rendite war noch gut. Bestimmte Produktprogramme lagen (noch) gut im Markt. Wie wiirde sich das Ergebnis entwickeln, wenn diese Programme riicklaufig wiirden? Die Produktentwicklung wurde nach meiner Einschatzung nicht emsthaft und umsichtig genug betrieben, man arbeitete fiir ein einziges Marktsegment. Es war zu erwarten, daB sich die Umsatze dort reduzieren wiirden, schon deshalb, weil die Kauferschicht alter wurde und ausstirbt und die Jungen andere Kaufgewohnheiten haben werden. Das Preis­niveau erschien mir zu hoch. Die sogenannte Kostenfiihrerschaft, der sich die Geschaftsfiihrung riihmte, war mir suspekt. Die Strategie muBte insgesamt eine andere Richtung bekommen: Ein neues zusatzliches Marktsegment mit zusatzli­chern Verbraucherpotential muBte angegangen werden - darauf ausgerichtete Pro­gramme mit deutlich abgesenktem Preisniveau und Kostenstrukturen waren zu schaffen - dazu muBte gepriift werden, we1che Leistungsreserven im Maschinen­park und bei den Montagen steckten, vielleicht muBte kiinftig mehr zugekauft und damit auch gepriift werden, ob geeignete Lieferanten in Niedriglohnlandem zu finden waren, - nicht zuletzt muBten auch die Gemeinkosten durchforstet und gedriickt werden.

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Planungen absichem mit Beirat und Beratem 177

Das Beispiel zeigt, wie verflochten Themen der Ftihrung und der Fachbereiche sind. Hier muBte der Beirat offen Plagge zeigen. Er tat es nicht. Argumente des einzelnen Beiratmitglieds reichen nicht aus. Dem Untemehmen ist nicht damit gedient, wenn Beiratsmitglieder aus personlicher Rticksicht den besseren Weg verschweigen. Noch eine Lebensweisheit kommt hinzu: "Wer nicht horen will, muB fUhlen." So ging es dem hier besprochenen Untemehmen, richtiger: der Ehefrau des verstorbe­nen Untemehmers, jetzt Mehrheitsgesellschafterin. Die Umsatzeinbrtiche kamen frtiher als erwartet. Es folgten Schieflagen und ein nicht aufzuhaltender Krebsgang. Die von mir vorgeschlagenen konzeptionellen Anderungen wurden halbherzig in Angriff genommen. Die GeschaftsfUhrung war ratIos.

7.1 Der Beirat: Zusammensetzung und Aufgaben

Ein Untemehmen, das "fit fUr die Nachfolge" ist, sollte einen Beirat haben. Er ist, wie wir sehen werden, fUr den Untemehmer und den (Fremd-)GeschaftsfUhrer ein ausgezeichnetes Organ, urn seine Planungen, seine Geschaftspolitik sowie zahlrei­che andere Entscheidungen grundsatzlicher Art sicherer zu machen. Dabei denke ich nicht an kleine Untemehmen, aber Betriebe mit mehr als 100 bis 150 Mitarbei­tern und mehr als 30 bis 45 Millionen DM Umsatz sollten schon daran denken, einen Beirat zu installieren. In Familienuntemehmen ist der Beirat gerade dann von Vorteil, wenn die GeschaftsfUhrung auf ein Fremdmanagement tibergeleitet wird. Die Gesellschafter, die nicht in der GeschaftsfUhrung mitwirken und ihr nicht nahestehen, konnen so eher erwarten, daB

• die GeschaftsfUhrung zu konzeptioneller Arbeitsweise angehalten wird,

• erfolgsversprechende Konzeptionen entstehen, die langfristig angelegt sind und Wachs tum erwarten lassen,

• die Geschaftsergebnisse von einem fachgerechten Controlling tiberwacht wer­den,

urn nur einige wichtige Themen zu nennen. Der Beirat kann also eine Doppel­funktion erftillen: beratende Mitwirkung bei Entscheidungsvorbereitungen der Ge­schaftsfUhrung und eine Absicherung der Planungen zur Untemehmensentwicklung im Interesse der Gesellschafter. Er kann auch derjenige sein, der im Interesse der Gesellschafter rechtzeitig die Notbremse zieht. Bevor wir das Thema Beirat mit Bezug zum Generationswechsel behandeln, moge man mir erlauben, einige Vor­bemerkungen zum Beirat generell zu machen. Er sollte bestimmten Qualifika­tionsanforderungen entsprechen, urn beim Generationswechsel wirklich helfen zu konnen.

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178 Kapitel 7

Ein wirkliches Beratungs- und Kontrollgremium schaffen

Flir die Flihrung seines Untemehmens benotigt der Untemehmer Spezialisten, zum Beispiel flir die Leitung der Produktentwieklung, der Produktion, des Vertriebs usw. Dazu braucht er selbst die Hihigkeit, von jedem Spezialgebiet so viel zu verstehen, daB er sich mit dem Spezialisten verstandigen und selbst koordinieren kann. Das Blindeln findet auf allen Gebieten und mit allen Gebieten statt, die Produktentwick­lung mit Investitionen, mit Verkaufsplanungen usw. Ais Untemehmer benotigt er eine universelle Sieht. Aber reiehen seine Kommunikationen mit Spezialisten aus? Man kann wohl davon ausgehen, daB die Zeit der einsamen Entschllisse auch bei Untemehmem vorbei ist. Entscheidungen sind Ergebnisse von Teamberatungen geworden.

Haufig ist festzustellen, daB flir den Untemehmer vergleichsweise wenig Gelegen­heit besteht, sich vor wichtigen Entscheidungen mit ebenfalls universell denkenden Personlichkeiten zu beraten. "Vergleiehsweise" deshalb, weil andere Berufe glin­stigere Voraussetzungen bieten, zum Beispiel Krankenhauser flir die leitenden Arzte, staatliche und kommunale Verwaltungen u. a. Wohlverstanden, ieh spreche von Untemehmen typisch mittelstandischer GroBe, nieht von GroBuntemehmen. Denn wenn es sich urn Aktiengesellschaften handelt, besteht bei dem mehrkopfigen Vorstand Gelegenheit zu grtindlicher Diskussion. Diese ist sogar yom Gesetz gewollt: "Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind samtliche Vorstands­mitglieder nur gemeinschaftlich zur Geschaftsflihrung befugt. Die Satzung oder die Geschaftsordnung des Vorstands kann Abweiehendes bestimmen; es kann jedoch nicht bestimmt werden, daB ein oder mehrere Vorstandsmitglieder Meinungsver­schiedenheiten im Vorstand gegen die Mehrheit seiner Mitglieder entscheiden," § 77 Akt.G. Die gemeinschaftliche Geschaftsflihrung setzt die gemeinschaftliche Beratung und damit Diskussion voraus.

Kluge Untemehmer nutzten die aus anderen Anlassen bestehenden Kontakte, urn sie flir ihre geschaftspolitischen Uberlegungen zu nutzen. Allgemeine, breiter an­gelegte Themen wie Marktentwicklungen, Einfllisse der Politik u. a. konnen flir das Untemehmen relevant sein. Flir diese grundsatzlichen Themen ist ein Gesprachs­forum nlitzlich. Lange bestehende Einzelkontakte wurden institutionalisiert. So sind vermutlich die ersten Beiratsgremien entstanden, in der Besetzung mit Hausanwalt, Leiter der ortliehen Filiale des Geldinstituts, lokal tatiger Mediziner, wenn dies flir Produkte des Untemehmens relevant war usw. Darin mogen die Grtinde liegen, weshalb Untemehmer die Idee rasch aufgenommen haben, flir ihre Untemehmen Beirate zu institutionalisieren, auch mittelstandische Untemehmen, die nur im FaIle der AG generell und bei der GmbH ab einer bestimmten GroBe yom Gesetz verpflichtet sind, Aufsichtsrate einzurichten. Das Betriebsverfassungsgesetz schreibt den Aufsichtsrat bei der GmbH mit mehr als 500 Mitarbeitem vor. In dieser Situation ist es zweckmaBig, sich intensiv mit den Beiraten der Familienuntemeh­men zu befassen, zumal viele Untemehmen noch auf dem Wege sind, aus einem Debattierklub ein wirkliches Beratungs- und Kontrollgremium zu machen und dazu

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Informationen benOtigen. Man muB sich daruber klar werden, welche Moglichkei­ten der Beirat bietet, und welche Grenzen ihm gezogen sind.

Prinzipiell ist ein Beirat in Familienuntemehmen zu begruBen. Bei seiner Einset­zung sollten aber einige Dinge beriicksichtigt werden:

• Situation A: Diejenigen Beirate sind die besten und wirkungsvollsten, deren Untemehmen iiber eine tiichtige Geschaftsfiihrung verfiigt. Nicht etwa, wei! sie dort weniger benotigt und gefordert wiirden, sondem wegen des fruchtbaren Dialogs. Selbst dort kommt es sehr auf die Qualifikation der einzelnen Beirats­mitglieder an und auf die Art und Weise, wie in dem Gremium Regie gefiihrt wird.

• Situation B: Unbefriedigend ist es demgegeniiber, wenn Beirate mit weniger qualifizierten, eher mittelmaBigen Geschaftsfiihrungen zusammenarbeiten. Zu­viel Zeit wird dann mit Themen vertan, bei denen es den Geschaftsfiihrungen an Wissen, Methodenkenntnis, Umsetzungsfahigkeit u. a. fehlt. So kommen keine Beratungsgesprache zustande. Ais Beiratsmitglied fiihlt man sich fehl am Platze und sogar miBbraucht.

• Situation C: Unbefriedigend sind die Ergebnisse auch, wenn sich im Gremium des Beirats mehrere Mitglieder mit zu einseitiger Berufsausrichtung befinden, zum Beispiel ein Patentanwalt, ein mit dem Untemehmer verwandter Entwick­lungschef u. a. und diese vielleicht eigenen Interessen nachgehen. Auch hier kommen keine wirklichen Beratungsgesprache zustande.

• Situation D: Unbefriedigend arbeiten auch Beirate, die zu kleinen Gesellschaf­terversammlungen umfunktioniert werden. In diesem Fall wurde in der Gesell­schafterversammlung entschieden, daB der Beirat ausschlieBlich aus Gesell­schaftem bestehen solI. Hier besteht die permanente Gefahr, daB sich die Inter­essenlagen der Gesellschafter im kleineren Kreis fortsetzen. Das belastet die Sacharbeit.

Beiriite in der Praxis - Vor- und Nachteile

Das Beratungsgremium "Beirat" kann zu einer hervorragenden Gesprachsp!attform werden, urn der Geschaftsfiihrung mehr Entscheidungssicherheit bei wichtigen Themen zu vermitteln. Ein Untemehmer driickte dies in einer Beiratssitzung einmal so aus: "Wir haben das Thema ... in der Geschaftsfiihrung sehr griindlich durch­dacht, und wir sind zu folgendem Ergebnis gekommen ... Vor unserer abschlieBen­den Entscheidung wollten wir aber gem von Ihnen hOren, wie Sie dariiber denken, auch deswegen, weil Sie einen ahnlichen Fall schon an anderer Stelle erlebt haben konnen und Ihre Erfahrungen damit gemacht haben. Sollten Sie unsere Absichten iiberwiegend negativ beurteilen, werden wir selbst kritisch genug sein, urn unsere Einschatzung gegebenenfalls zu revidieren ... " Es war ein Beirat der Situation A.

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Die Beiratsmitglieder waren gut motiviert und steuerten ihre Beitrage zur Lasung der vorgelegten FaIle gem bei. Auf die Geisteshaltung der Geschaftsftihrung kommt es an und diese ist eine Folge der professionellen Qualifikation. Wie sagte doch der Bankier Ftirstenberg in einem Scherzwort? "Wenn der Vorstand/die Geschaftsftih­rung gut ist, bleibt der Aufsichtsrat machtlos, ist er schlecht, bleibt er hilflos."

Es wurde klar, daB die Qualifikation der Geschaftsftihrung ausschlaggebend daftir ist, ob der Beirat zur Geschaftspolitik, zur Untemehmensplanung und -entwicklung entsprechend seiner Zweckbestimmung wirksam beitragen kann. 1m Beirat eines anderen Untemehmens erlebte ich namlich zur gleichen Zeit, daB die Geschaftsftih­rer mit Stellungnahmen der Beiratsmitglieder nichts anzufangen wuBten. Wie im Beirat festzustellen war, hatten sie ihre Arbeitsbereiche organisatorisch nicht im Griff, ihnen fehlten Methodenkenntnisse, zielorientiertes, strategisches Denken, ressorttibergreifende Denkweisen und Denken in Altemativen. Der Beirat dort war bemtiht, davon anlaBlich praktischer Vorgange einiges zu vermitteln. Das war hachst unbefriedigend. Die betreffenden Geschaftsftihrer dachten in Kategorien des Klein­klein, befaBten sich mit zu vielen Detailvorgangen. Restimee war ftir mich: Der Beirat kann in derartigen Situationen fallweise Informationen und Kommentare geben, nicht aber zu haufig "Nachhilfestunden" ftir Unwissenheit und Unfahigkeit. Das geht nicht gut. Die Geschaftsftihrer argumentieren eines Tages: "Wir konnen Ihnen (Beirat) nichts recht machen", zeigen sich beleidigt, demotiviert und frustriert. Der Beirat verliert seinerseits Motivation und Freude zur Mitarbeit. SchlieBlich kann er ja nur raten und empfehlen. Er kann zuriicktreten, aber wem ist damit gedient? Er mtiBte schon Mitglieder mit beriihmten Namen haben, wenn yom Rticktritt ein Signal ausgehen sollte. Hier liegen die Grenzen des Beirats.

Die Organisation des Beirats

Urn die Qualitat der Zusammenarbeit zu beurteilen, sollte man einen kurzen Blick auf die Arbeitsweise des Beirates werfen. Haufig werden die Beiratsmitglieder anhand friihzeitiger Einladungen und mit Informationen auf die Themen der Sitzung vorbereitet. Sie haben so die Moglichkeit, die Themen zu durchdenken. Dies erwartet auch die Geschaftsftihrung, beriicksichtigt aber gelegentlich nicht, daB die Beiratsmitglieder einen vollen Terminkalender und wenig Zeit haben, sich vorzu­bereiten. So kommt es vor, daB die Mitglieder sich erst bei der Anfahrt mit den betreffenden Themen befassen. Auch kommt es vor, daB Themen ad hoc aufgenom­men werden. Von dem Mitglied wird erwartet, daB er tiber Arbeitspraxis verftigt, die ihn in die Lage versetzt, seine Stellungnahme kurzzeitig dennoch abzugeben. Er muB das Thema "abklopfen", indem er die Ausgangs- und Zielsituation (nochmals) definiert. Er muB die Moglichkeiten der Lasung aus einer Reihe von Blickwinkeln mit Varianten behandeln und Prognosen mit Altemativen entwickeln kannen. Es wird eine moglichst universelle Denkweise mit untemehmerischem Touch erwartet, nicht ein geschliffener Vortrag, aber eine Antwort, die Hand und FuB hat. Sind dabei strategische Altemativen angebracht, muB er gerade diese Denkweise beherrschen und zum Ausdruck bringen. Das Beiratsmitglied muB eben, das solI damit zum

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Planungen absichem mit Beirat und Beratem 181

Ausdruck gebracht werden, tiber gentigend Arbeitspraxis und Format verftigen, zu Fragen der GeschliftsfUhrung Stellung zu nehmen, auch wenn der Terminkalender ihm nicht gentigend Zeit zur Vorbereitung gelassen hatte.

Wenig befriedigend sind auch Situationen, in denen Beiratsmitglieder selbst AniaB zur Kritik geben. Vor allem dann, wenn mit ihren Vorschlligen Eigeninteressen deutlich sptirbar werden. Der Untemehmer, der dies ebenfalls erkennt, will dem betreffenden Beiratsmitglied gegentiber vielleicht gefallig sein und stimmt solchen Vorschlligen im Interesse harmonischer Zusammenarbeit zu. Der Untemehmer sollte sich aber bewuBt sein, daB das Beiratsgremium keine Plattform fUr solche Gunsterweisungen ist. Darunter leidet die Sacharbeit, und andere Beiratsmitglieder werden frustriert. Ich mochte nichts dagegen einwenden, daB Beiratsmitglieder gelegentlich Auftrlige fUr das Untemehmen ausfUhren. Dies sollte aber sachlich notwendig und aus der Diskussion des Beirats als BeschluB entstanden sein. Dann kommt hliufig die Frage: Wer tut es nun? Ftir unzullissig halte ich es, daB Beirats­mitglieder von sich aus das Gremium benutzen, urn Vorschllige zu unterbreiten, die dem eigenen Geschlift dienen.

Aus dem Gesagten geht hervor, daB der im Grundsatz positiv zu bewertenden Institution gelegentlich Korsettstangen eingezogen werden sollten, urn die Voraus­setzungen zu verbessem, zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit der Geschlifts­fUhrung zu gelangen:

Zunlichst einmal ist die personelle Besetzung von ausschlaggebender Bedeutung. Gefragt sind unabhangige Personlichkeiten ohne Eigeninteressen, wie Wirtschafts­prtifer, Rechtsanwlilte, Untemehmensberater, Banker, Untemehmerkollegen, last but not least: der Senioruntemehmer. Ich meine nicht den jlihrlich tlitigen Ab­schluBpriifer, nicht den Hausanwalt, nicht den Rationalisierungsberater, mit dem man hliufiger zusammenarbeitet, nicht den Leiter der ortlichen Filiale des Geldin­stituts, nicht den Untemehmer, der das Untemehmen gem kaufen wtirde. Nicht das personlich gute Verstehen des Untemehmers mit dies en ihm vertrauten Personen sollte maBgebend fUr eine Beiratsmitgliedschaft werden. Dazu ist ein Beirat nicht da. Ausnahmen konnen die Regel bestlitigen. Die neutrale, distanzierte Sicht zum Gesamtuntemehmen ist gefragt. Der Untemehmer gewinnt entsprechende Person­lichkeiten, indem er selbst Kontakte kntipft oder tiber einen ihm vertrauten integren Berater kntipfen lliBt. Die Mitglieder sollten dann durch den Untemehmer oder die Gesellschafterversammlung berufen werden. Der Beirat sollte mindestens aus drei Mitgliedem und seine Amtsdauer aus mindestens drei J ahren bestehen. Er sollte Organ des Untemehmens werden.

Aufgaben und Geschiiftsordnung

Sodann muB sichergestellt werden, daB sich die Themen, mit denen sich der Beirat befaBt, auf bestimmte fUr das Untemehmen wichtige Bereiche erstrecken. FUr eine Institutionalisierung des Beirats als Organ der Gesellschaft ist es wichtig, diese im

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Gesellschaftsvertrag zu verankem. So kann der Beirat auch Schiedsgerichtsfunktio­nen tibemehmen, wenn unterschiedliche oder gar sich widersprechende Stellung­nahmen und Entscheidungen zwischen Geschaftsftihrung und Gesellschafterver­sammlung vorliegen. Zu den Aufgaben und Kompetenzen des Beirats sollten gehoren: Beratungen und Anregungen zur Geschaftspolitik, zu den langfristig verfolgten Strategien sowie zur Strukturierung des Untemehmens. Sodann sind einige Bereiche zu nennen, zu denen der Beirat obligatorisch Stellung nehmen sollte, dies sind: Erwerb, VerauBerung und Belastung von Grundstticken, Erwerb und VerauBerung von Beteiligungen, Aufnahme und Gewahrung von Krediten, wenn diese tiber den normalen geschaftlichen Rahmen hinausgehen, Investitionen, Grtindung von Tochtergesellschaften. Starker eingebunden sein sollte der Beirat in Fragen der Untemehmensftihrung, Ftihrungsorganisation und Untemehmenspla­nungen. Dazu zahle ich Beratungen und fallweise weitergehende exekutive Mitwir­kungen bei der Bestellung und Abberufung von Geschaftsftihrem und Prokuristen, Mitwirkungen bei der Regelung der Ftihrungsnachfolge, wobei wegen der Unter­schiede von Untemehmen zu Untemehmen nahere Vereinbarungen mit dem Unter­nehmer bzw. den Gesellschaftem und Geschaftsftihrem situationsbezogen zu treffen sind. Ferner eine Information und Diskussion tiber die jahrlich aufzustellenden Budgets und langfristigen Planungsrechnungen. Dem Beirat sollte ein Recht auf Auskunft und Untersuchung gegeben werden. Nicht selten tibertragt die Gesell­schafterversammlung Funktionen von sich auf den Beirat, daraus ergibt sich die Notwendigkeit, daB der Beirat in der jahrlichen Gesellschafterversammlung seine Entlastung beantragt. Er kann noch weitergehend in die Gesellschaft involviert werden, zum Beispiel kann der Vorsitzende des Beirats den Vorsitz der Gesellschaf­terversamrnlung ftihren. Selbstverstandlich kann das auch umgekehrt der Fall sein, oder der Beirat kann seinen Vorsitzenden aus seiner Mitte wahlen.

Die Sachinhalte zu dieser Aufzahlung konnen in den Statuten nattirlich unterschied­lich definiert werden. Hier empfiehlt es sich, die beabsichtigten Zwecke im Auge zu behalten, weniger subjekte Vorstellungen der beteiligten Personlichkeiten. Der selbstbewuBte Untemehmer zum Beispiel wird die eben verwendeten Formulierun­gen bevorzugen, also: "Beratungen und Anregungen zur ... ". Der beauftragte Untemehmer, der sich gelegentlich vielleicht gem hinter dem Beirat verstecken mochte, wird zu Formulierungen neigen wie: "Der Beirat tiberwacht und berat die Geschaftsftihrung. In folgenden Fallen bedarf die Geschaftsftihrung der vorherigen Zustimmung des Beirates" ... "Zustimmung" ist hier im juristischen Sinn § 182 BGB gemeint.

Der Beirat sollte sich selbst eine Geschaftsordnung geben, in der festgelegt werden: die Haufigkeit der Beiratssitzungen, zum Beispiel viermal jahrlich, eine Formulie­rung tiber den Zwang zur Aussprache (kein Nickergremium), die Wahl des Vorsit­zenden, die Formalitaten der Einladung, BeschluBfassung und Protokoll, die Ver­pflichtung zur Verschwiegenheit, die Vergtitung.

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Moglichkeiten und Grenzen des Beirats bei der Nachfolgeregelung

Wie schon gesagt, sind die organisatorischen Voraussetzungen und Motive, Beirate einzusetzen, von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Das Interesse an wirklich vertiefenden Beratungen bis hin zur Alibifunktion sind denkbar. Man tut gut daran, den Unternehmer oder wer sonst sich der Vorbereitung einer Beiratsin­stitution widmet, tiber die Anforderungskriterien zu informieren und den Dingen dann zunachst ihren Lauf zu lassen. Der Beirat soIl ja ein Beratungsorgan der Geschaftsflihrung werden. Die Betroffenen mtissen ihre Erfahrungen selbst machen, so auch im folgenden Fall:

Ais ich dem Untemehmer in einem Vorgesprach die hier skizzierten Anforderungen an den Beirat schilderte, sagte er mir schon zu den in Aussicht genommenden Personlichkeiten seine anderslautende Meinung: Er denke insbesondere an den ortlichen Leiter des Geldinstitutes X und auch an den Leiter der Kreditabteilung der GroBbank Y, wei I er zu diesen einen guten personlichen Kontakt unterhalte. Er flihle sich den genannten Personen gegentiber verpflichtet. Er denke femer an seinen langjahrigen Steuerberater und an mich. Trotz meiner Vorbehalte nahm ich an den ersten Sitzungen des Beirats teil. Immerhin handelte es sich urn ein Unternehmen mit tiber 1000 Mitarbeitem. Die Sitzungen verliefen, wie von mir vermutet, auBerst unbefriedigend. 1m Vordergrund standen die Kreditlinien, alternative Finanzierun­gen, Bankkonditionen. Ftir das Untemehmen aktuelle geschiiftspolitische Themen wurden ignoriert, wie neue Produkte flir die Zusammenarbeit mit Kunden, Quali­tatsanforderungen und -audits. Der Steuerberater schwieg. Es war die Situation C. Die vereinbarten Vergtitungen waren hinausgeworfenes Geld. Der Untemehmer muB es wohl ebenso empfunden haben, denn schon nach der zweiten Sitzung lieB er sich durch einen Prokuristen vertreten. Der Beirat wurde bald darauf suspendiert und ist nie wieder zum Leben erwacht. So war es gut, daB die Dauer der Berufung des Beirates nicht fixiert und auch keine weiteren Formalitaten vorbereitet waren. Denkt man an die Mitwirkung des Beirats beim Generationswechsel, wird man bei diesem Beispiel feststellen mtissen, daB das Gremium wohl dazu nicht befahigt gewesen ware. Es war ja noch nicht einmal geeignet, als Feigenblatt zu fungieren, falls der Untemehmer vielleicht daran gedacht haben sollte.

Es geht auch anders

Bessere Ergebnisse wurden im folgenden Fall erzielt, auch wenn der Beirat sich noch in der Grtindungsphase befand: Das Gremium bestand aus dem Hausanwalt, dem Konzernvorstand einer Bank und mir. Den Vorsitz filhrte der Mehrheitsgesell­schafter. Der Geschiiftsflihrer der GmbH (Fremdgeschaftsftihrer) schied aus. Ge­sucht wurde sein Nachfolger. Nach Abstimmung mit dem erstmals zusammengetre­tenen Beirat wurde die vakante Position in zwei tiberregionalen Tageszeitungen ausgeschrieben. Darin wurde auch die Konzeption des Unternehmens knapp darge­stellt. Der noch amtierende GmbH-Geschiiftsflihrer hatte selbst einen moglichen Kandidaten im Auge, der branchenkundig war, und, gemessen an seinem Werde-

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gang, gute Voraussetzungen mitbrachte. Die drei Bewerber stellten sich im Beirat vor. Die beiden tiber Zeitungsinserate ermittelten Bewerber wurden positiv beurteilt. Der Beirat votierte jedoch einstimmig flir den yom Geschaftsflihrer vorgeschlage­nen Nachfolger. Der Mehrheitsgesellschafter flihrte bald danach ausflihrliche Tele­fongesprache mit den yom Bewerber angegebenen Referenzen, der amtierende Geschaftsflihrer und ich stimmten den Geschliftsftihrervertrag abo Nach dessen U nterzeichnung wurde auf der nachsten Beiratssitzung das Datum des Ausscheidens des bisherigen Geschliftsflihrers vereinbart. So einfach und problemlos kann eine Nachfolgeregelung zustandekommen. Aus dem Beiratsgremium, dessen erste Handlung darin bestand, an der Nachfolgeregelung ftir den ausscheidenden Ge­schaftsftihrer mitzuwirken, wurde ein gutes Team. Der Nachfolger hat sich schon bald mit guten Erfolgen qualifiziert, eine Situation A.

Ein fast klassischer Fall ist der folgende: Als personlich Haftender, Mehrheitsge­sellschafter, war er mehr als 30 Jahre sehr erfolgreich. Nun waren seine beiden Sohne, beide Mitte 30, mit ihrer Ausbildung so weit, daB sie seine Nachfolge antreten konnten. Leicht zu erkennen war, daB sie das Zeug dazu hatten, das Untemehmen zu flihren. Nach einjahriger Assistenz bei ihrem Vater wurde der eine Nachfolger des Marketing- und Vertriebsleiters, der andere Nachfolger des techni­schen Leiters. Das gute Timing sollte die Dberleitung erleichtem. Der Vater arbeitete mit seinen beiden Sohnen ein Jahr zusammen. Dann zog er sich aus der Geschafts­ftihrung zurtick und tibemahm den Vorsitz des neu gegrtindeten Beirats. Aus der KG wurde eine GmbH & Co. KG, die Sohne wurden Geschaftsflihrer der GmbH. 1m Vorgesprach riet ich dem Senior, aufmerksam darauf zu achten, seinen Sohnen gentigend Handlungsspielraume zu lassen. Er war bzw. ist ein beHihigter Manager, sehr engagiert, aber, wie das eben bei so1chen Personlichkeiten gelegentlich ist, mit autoritliren Ztigen. So kam es zunachst zu atmosphlirischen Storungen, spater zum Krach. Der Senior regierte yom Stuhl des Beiratsvorsitzenden ebenso we iter wie zuvor als Komplementar. Back seat driving nennen dies die US-Amerikaner. Nun, die Beteiligten waren so umsichtig, jemanden zum Schlichten zu holen, der die Sache psychologisch durchschaute und der auch dem Senior sagte (und sagen durfte), was dieser als Beiratsvorsitzender tun und nicht tun darf, zumal es sich urn seine Kinder handelte. Der Jemand war ein Untemehmensberater, der tiber psycho­logische Stlirken verftigt. Die tibrigen Beiratsmitglieder untersttitzten ihn, scheuten aber selbst das offene Wort mit ihrem Vorsitzenden.

In Fallen, in denen der Senior zu einem ahnlichen Verhalten neigt, sollte frtihzeitig sichergestellt werden, daB der "Alte" nicht in eine Art "Obergeschliftsftihrer" verfallt. Er selbst sollte sehr bewuBt darauf achten, die neuen Geschaftsflihrer nicht zu unterlaufen. Schon mancher "Neue" hat unter diesem Eindruck das Handtuch geworfen. In einem anderen Fall hat sich der ehemalige geschaftsftihrende Gesell­schafter, nun in der Funktion des Beiratsvorsitzenden, die Briefe der Geschliftsftih­rer und seiner engeren Mitarbeiter zuleiten lassen, es waren wochentlich Berge, aus denen er die Informationen bezog, nach denen er auf die neuen Geschliftsftihrer einwirkte. Dies zeugt nicht von Umsicht und Vertrauen, und flir das Tagesgeschaft ist der Beiratsvorsitzende nicht zustlindig.

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Planungen absichem mit Beirat und Beratem 185 --------------~~--~-Beispiel/iir einen hiljlosen Beirat

Obwohl in Abhandlungen und Vortragen tiber Ftihrungsfragen in mittelstandischen Untemehmen nie versaumt wird, daraufhinzuweisen, daB Beirate neutral, unabhan­gig und Fachleute sein soIl ten, trifft man doch in der Praxis auf Gremien, in denen Gesellschafter dominieren. Dies ist auch bei einem Klienten der Fall, der sich in der Rolle des Komplementars befindet. Er verfiigt damit tiber eine starke Position, aber andere GesellschaftersHimme haben das fiinfkopfige Organ Beirat zum Gegenge­wicht entwickelt. Eine Situation D. In der Praxis lauft das so ab: Der Komplementar ladt den Beirat mit der Tagesordnung ein. Die Mitglieder des Beirats treffen sich am Abend vor der Sitzung, vereinbaren die Besprechungsziele und -ergebnisse. Am nachsten Tag bemtiht sich der Komplementar in jedem Einzelfall urn Verbtindete, die seinen geschaftspolitischen Kurs untersttitzen. Machtkampfe! 1m BewuBtsein, daB dieses Verfahren in der nachsten Generation geandert werden solI, wird tiber die Nachfolge und die ktinftige Rechtsform bereits mehrere Jahre verhandelt, ohne daB ein Ergebnis in Sicht ist. In dieser Situation kame eigentlich einem Beirat die Rolle des Koordinierungs- und vielleicht auch des Schlichtungsgremiums zu. Mit dieser Moglichkeit hat aber anscheinend bei der Grtindung des Beirats vor vielen Jahren niemand gerechnet. Das Beispiel zeigt, wie schwierig es ist, im nachhinein gravierende organisatorische und personelle Veranderungen vorzunehmen. Es fehlt dann auch die Einsicht, eine einzelne Personlichkeit, zum Beispiel einen Untemeh­mensberater, Wirtschaftsprtifer oder Anwalt zu beauftragen, der die Situation psy­chologisch entwirrt, ftir sachbezogene und emotionsfreie Diskussionen sorgt und die Interessen aller Beteiligten objektiv und fair ausgleicht. Ich wtirde zum Unter­nehmensberater neigen, weil er eher tiber die vor all em benotigten psychologischen Starken verftigen sollte und wird. Siehe Ziffer 7.2.

Der Beirat als LiickenbiifJer

Es gibt Situationen, in denen rasch gehandelt werden sollte, urn Verluste im Untemehmen zu vermeiden. Ich meine jetzt nicht den eben geschilderten Fall, auf den diese Feststellung ebenfalls zutrafe. Ich denke an den plOtz lichen unerwarteten Tod des Seniors, bevor die Nachfolge (endgtiltig) geordnet ist. 1st zum Beispiel eine Fremdgeschaftsfiihrung eingesetzt, die sich als nicht ausreichend qualifiziert er­weist, konnte dies wahrend der Einarbeitungszeit noch verdeckt bleiben und erst zum spateren Zeitpunkt offenkundig werden. Stirbt der Senior in dieser Situation, kommen die Mangel und Lticken schneller ans Tageslicht. Die dann entstehende Situation soUte ein Beirat mit umsichtigen Hilfestellungen tiberbrticken. Welche Altemativen hat er?

• Er kann Beiratssitzungen in ktirzeren Intervallen durchftihren und einzelne Beiratsmitglieder konnten den oder die Geschaftsfiihrer, wenn zweckmaBig, untersttitzen, zum Beispiel bei wichtigen Verhandlungen.

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• Intern konnen Ftihrungskrafte der zweiten Ebene starker herangezogen werden. Ein Beiratsmitglied konnte, wenn ihm dies aus zeitlichen Grunden moglich ist, das Ftihrungsvakuum nach auBen ausflillen. Das ist eine sehr theoretische An­nahme. Die meisten Beiratsmitglieder sind voll im Geschirr.

• Es wird eine interimistische Geschaftsflihrung eingesetzt, zu denken ist wieder­urn an die zweite Ftihrungsebene, die so lange amtiert, bis eine neue Geschafts­flihrung extern gefunden ist. Auch das ist theoretisch, denn moglicherweise verliert man spater einen enttauschten tiichtigen Mitarbeiter.

• Das Engagieren eines Freiberuflers mit zeitlich limitiertem Vertrag. Darin konnen Risiken stecken, zum Beispiel das Opfern von Betriebsgeheimnissen. Von Vorteil ware es, wenn diese Rolle von einem Unternehmensberater tibernommen wtirde, der Mitglied des Beirats ist.

Mit der externen Suche nach einem Nachfolger wird zweckmaBigerweise ein Personalberater beauftragt, vielleicht auch ein Headhunter, urn die Suchzeit zu verktirzen. Den Auf trag dazu sollte der Beiratsvorsitzende erteilen, zu dem der Berater den Kontakt halt und dem er berichtet. Der Beirat ist so lange in einer miBlichen Situation, bis eine neue Geschaftsflihrung gefunden ist, die den Anforde­rungen der Unternehmensflihrung entspricht. Er kommt im FaIle des plotzlichen Todes bei unvorbereiteter Nachfolge sowie bei Interimslosungen in eine Art Lticken­btiBerrolle und somit in eine Situation, die flir ihn so unangenehm und belastend sein kann wie die Situation B, vielleicht schlimmer. So liegt es primar im Interesse des Unternehmers und des Unternehmens, daB der Beirat sich beizeiten bemtiht und darin auch nicht nachlaBt, die Qualifikation der Geschaftsflihrung und ihrer Stell­vertretung zu verbessern. Dazu benotigen die Beiratsmitglieder nicht nur die Unter­sttitzung des Unternehmers, sondern auch Fingerspitzengeflihl und gelegentlich auch Zivilcourage. Der Beirat kann sich nur auf diese Weise vor der beschriebenen miBlichen Situation schiitzen.

Ahnlich wie oben geschildert verlief der folgende Fall, bei dem der Beirat von alternativen interimistischen Losungen absah, anstelle dessen die Geschaftsflihrer verstarkt unterstiitzte: Das Geschaftsflihrerteam, das nach dem Tode des Unterneh­mers eingesetzt war, wurde nach Auffassung des Beirats seinen Aufgaben nicht gerecht. Es fehlten Denkweisen und Praktiken des strategischen Marketings und die unternehmerische Gesamtsicht. Der Beirat vereinbarte mit den Gesellschaftern, einen Marketing- und Vertriebsleiter einzustellen, der als beauftragter Unternehmer in die Gesamtleitung des Unternehmens hineinwachsen sollte. Der Neue schlug sich in den Aufgaben der Marketing- und Vertriebsleitung gut, wuchs aber an seinen Mitgeschaftsflihrern nicht vorbei, qualifizierte sich nicht flir die Gesamtgeschafts­flihrung. Der zweite Schritt zur N achfolgeregelung war damit miBlungen. Der Beirat zog die Notbremse. Er riet den Gesellschaftern zum Verkauf des Unternehmens, der bald danach stattfand.

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Dieses Beispiel bestatigt noch einmal:

• Ausschlaggebend fUr Erfolg und MiBerfolg der Nachfolgeregelung ist die Fiih­rungsqualifikation der (neuen) GeschaftsfUhrung. SoUte dies im ersten Anlauf nicht erreicht werden, wird dies nach ca. ein bis zwei J ahren festgestellt werden kbnnen. Alarmierend soUte unter anderem sein, wenn bewahrte Mitarbeiter wegen des neuen Vorgesetzten abwandem. Andere Wamzeichen sind zum Bei­spiel, wenn der Neue sich die Gunst Dritter verschafft, indem er finanzielle Vorteile gewahrt, seine Selbstdarstellung in der Offentlichkeit iibertreibt, iiber­zogenes Prestige entwickelt u. a. In derartigen Fallen bietet ein qualifizierter Beirat die Mbglichkeit, die Situation "aufzufangen", voriibergehend zu stabili­sieren, nicht weniger aber auch nicht mehr. Er fungiert als eine Art Sicherheits­netz. Aber er darf sich nicht als GeschaftsfUhrungsorgan miBbrauchen lassen.

• Der Beirat sollte dann sein ganzes Gewicht darauf legen, die Mangel der Ge­schaftsfUhrung zu beheben. Gegebenenfalls soUte er bewirken, daB familienzu­gehbrige GeschaftsfUhrer sich erganzen mit beauftragten Untemehmem. Das ist die Stunde des kompetenten Beirats. Treten dann aber weitere Fiihrungsschwa­chen und Qualifikationsmangel auf, sollte er mit den Gesellschaftem die geeig­neten MaBnahmen ergreifen, die Geschaftsftihrung in kurzer Zeit zu emeuem.

• MiBlingt dieser zweite Schritt, bekommt also auch eine neu rekrutierte Geschafts­fUhrung das Untemehmen ebenfalls nicht in Griff, soUte ziigig der Verkauf angestrebt werden. Die Gefahren fUr das Untemehmen sind in dieser Phase zu groB. So kbnnen Vermbgensverluste der Gesellschafter zumindest eingeschrankt werden.

7.2 Untemehmensberater vorschalten

Mit jedem Fiihrungswechsel sind Gefahren fUr das Untemehmen verbunden, die grbBeren Gefahrenquellen bestehen beim Generationswechsel, vielleicht die grbB­ten, die der Vorganger bzw. Senioruntemehmer wahrend seiner Amtszeit erlebt hat. Schon in Kapitel 1 stellten wir fest: Viele Generationswechsel gelingen nicht. Dies ist auf sachliche und psychologische Fehler zuruckzufUhren, auch methodische, die bei der Planung und bei einzelnen Schritten der Durchftihrung gemacht werden. Alte Siinden haben lange Schatten, wie ein englisches Sprichwort sagt. Vielleicht sind es Versaumnisse und Fehler der Vergangenheit, gepaart mit Emotionen, die den Fiih­rungswechsel erschweren und scheitem lassen. Das Ereignis des Generationswech­sels ist so schwerwiegend, daB es sich anbietet, einen Untemehmensberater hinzu­zuziehen, vielleicht schon bei Klarung der Frage: Stimmt die Konzeption des Untemehmens noch? Mbglicherweise erst spater, wenn Vorganger bzw. Senior bei ihren Schularbeiten auf sachliche und psychologische Schwierigkeiten stoBen.

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Berticksichtigen sollte man auch, daB fur den Senior und andere Beteiligte eine Reihe von MaBnahmen einmalig ist und bleiben wird, zum Beispiel eine Entschei­dung vorzubereiten, ob fUr die nlichste Generation eine GeschliftsfUhrung mit Fremdmanagem eingesetzt und wie diese strukturiert werden soll. Dabei sind die wirtschaftliche Entwicklung des Untemehmens sowie allgemein wirtschaftliche Trends zu berticksichtigen, eben die Konzeption, die aus gegenwlirtiger Sicht eine Vorschau fUr das nlichste Jahrzehnt und mehr darstellt. Werden die Weichen mit einer FremdgeschliftsfUhrung richtig gestellt? Die Schwierigkeit besteht darin, abzuschlitzen, wie gegenwlirtig getroffene Entscheidungen sich in dieser Zukunfts­phase auswirken werden.

Beim Generationswechsel gibt es vergleichsweise weniger, was aus Erfahrung oder Routine getan werden kann. Das sind beim Untemehmensberater "ubliche" Vorglin­ge. Er ist gewohnt, in Analogien zu denken, in Strategien, Strukturen, Organisatio­nen u. a., unabhlingig von Branchen. Gleiche oder lihnliche Fehler wurden sich nicht wiederholen. Wohlgemerkt: ich spreche von dem Unternehmen beim Generations­wechsel, nicht von den Erbvorglingen und Vermogensubertragungen, die bei Fami­liengesellschaften zuslitzlich anstehen. Weitere Grtinde sprechen fur das Einschalten des Untemehmensberaters: Der FremdgeschliftsfUhrer ebenso wie der Seniorunter­nehmer bereiten ihr eigenes Ausscheiden vor. Es betrifft sie also personlich. Das bewegt sie emotional mehr als andere Entscheidungen und auch ungleich mehr als andere Personen, die diesen Vorgang mit Abstand erleben. Wo Emotionen im Spiel sind, wird der Verstand getrtibt. Und gerade beim Generationswechsel ist Rationa­litlit geboten. AuBerdem: Chefs konnen normalerweise eingreifen, urn Planungen zu korregieren. Das konnen sie nach dem eigenen Ausscheiden nicht mehr, weder bei Investitionen noch bei technischen und organisatorischen Verlinderungen, zum Beispiel wenn die Konzeption nicht gestimmt hat. Das wurde der Nachfolger nicht akzeptieren. "Der betriebsfremde Berater kann daher fur den Untemehmer beson­ders nutzlich sein, allerdings nur dann, wenn er bestimmte Voraussetzungen erfullt. Gemeint sind dabei sowohl fachliche als auch charakterliche Voraussetzungen. "Die wichtigste fachliche Bedingung ist wohl die, daB er stets das Neueste weiB, und zwar als Spezialberater oder als Allroundberater." Immer mehr setzt sich die Erkenntnis durch, daB man heute im Wirtschaftsleben nicht mehr durch die Kenntnisse erfolg­reich sein kann, die man einmal gelemt hat, sondem durch die, die man spliter hinzugelemt hat. Das Zulemen ist fUr den vielbeschliftigten Untemehmer sehr schwer. Fur den Untemehmensberater ist es nicht nur leichter, fUr ibn ist es lebensnotwendig". (Kurt Pentzlin [15] Seite 134)

In den Kapiteln 4 bis 6 kann sich der Leser informieren, was zur Vorbereitung und zum Durchsteuem des Generationswechsels zu analysieren und welches Vorgehen zweckmliBig ist. Die daran Beteiligten und, falls man meinem Vorschlag folgt, der Untemehmensberater sollten sich dazu im konkreten Fall zunlichst selbst ein Bild machen. Das wirft die Frage auf: Welches ist der richtige Berater?

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Aufgaben eines Beraters beim Generationswechsel

Es stellen sich zwei Aufgabenkomplexe, die eng verknupft sind.

Erster Aufgabenbereich: Die Konzeption des Unternehmens mit der Kernfrage, ob das Unternehmen, so wie es da liegt und steht, in der nachfolgenden Generation im Wettbewerb bestehen kann. Was ist gegebenenfalls zu tun, urn die Oberlebenschan­cen zu verbessern, zum Beispiel mit leistungserhohenden Investitionen, struktu­rell/organisatorischen MaBnahmen?

Zweiter Aufgabenbereich: Die Fuhrung des Unternehmens in der nachsten Genera­tion. Hier muB moglicherweise zwischen Familienunternehmen und Nichtfamili­enunternehmen unterschieden werden, vielleicht aber auch nicht. Moglich ist, daB das Unternehmen schon seit einer oder in mehreren Generationen von Fremdmana­gem gefUhrt wird und aus verschiedenen Grunden daran etwas Gravierendes veran­dert werden solI. Bestehen fUr das Familienunternehmen demnachst wieder reali­stische Chancen fUr eine Nachfolge aus der Familie, die den Anforderungen des Unternehmens gerecht wird? Oder sollten alternative Losungen gefunden werden, moglicherweise mit einem "ausgleichenden Talent", siehe Ziffer 6.3. Diese Bera­tungsaufgabe schlieBt Gesprache und Verhandlungen mit Gesellschaftern, Fremdge­schaftsfUhrern, juristischen Beratern und anderen ein.

Denkbar ist, den ersten Aufgabenbereich einem Spezialberater, den zweiten einem Allroundberater zu ubertragen. Es ist aber durchaus moglich, daB beide Bereiche von einem Allroundberater bearbeitet werden. Fur den ersten Bereich wird der Berater dann in der Regel ein Team bilden, in dem der Vorganger/Senior und unternehmensinterne Mitarbeiter mitwirken. Er kann in Abstimmung mit dem Auftraggeber auch den Spezialberater hinzuziehen. Der zweite Aufgabenbereich, der gemeinsam mit dem Vorganger behandelt werden kann, ist dann mehr eine Angelegenheit des Allroundberaters. Denkbar ist, daB zwei Berater einer Beratungs­gesellschaft tatig werden, Spezialberater sowie Allroundberater, die koordiniert arbeiten.

Die Antwort auf die Frage "Wer ist der richtige Berater fUr den Generationswech­sel?" ist nun nicht so schwierig, wie vielleicht vermutet. Der Vorganger oder ein Gesellschafter sollte Gesprache mit drei Beratern fUhren, moglichst auf drei Tage verteilt. Aus diesen Gespriichen ist derjenige herauszuJiltern, der sich in das Unternehmen am besten hineindenken konnte. Den Gesprachen sollte jeweils eine Betriebsbegehung vorausgehen. Beim "Hineindenken" habe ich nicht nur das Rationale im Auge, sondern auch den bildhaften, intuitiven DenkprozeB. Mit den Tatigkeiten von Beratern sind Veranderungen verbunden. Das liegt im Beruf. Wiirde nicht an andere Ziele und mogliche bessere Wege gedacht, wurde der Berater nicht gerufen. Yom befahigten Berater wird erwartet, daB er diese Vorstellungen in Realitaten umwandelt, ein SchloB konstruiert, das zuvor LuftschloB war. Deshalb stehen VerantwortungsbewuBtsein und Zuverlassigkeit bei den charakterlichen An-

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forderungen an den Berater obenan. Man muB sich auf das verlassen konnen, was er voraussagt, zur Sacharbeit eben so wie bei Termin- und Kostenplanungen.

Wo der Spezialberater der richtige ist

Zu den wichtigsten Spezialgebieten der Beratung fUr das Untemehmen zahlen: Management und Personal (Beratungen zur Gestaltung der Flihrung, Strategiebera­tungen, Personalsuche, personaltechnische Beratungen wie Incentives), Marketing und Vertrieb (Beratungen fUr Produkte, Werbung, Verkaufsorganisation und -fOrde­rung), elektronische Datenverarbeitung und Informatik, insbesondere die Vemet­zung der Einsatzgebiete, Technik und Produktion (Beratungen zur Verfahrenstech­nik, Automatisierung, Fertigungssteuerung). Die meisten Untemehmer wissen urn die Schwierigkeit, die QualifIkation von Beratem wahrend einer ersten, relativ kurzen Begegnung zu erkennen. Der Berater muB das Sachthema als solches beherrschen und sein bildhaft intuitives Denken in Verbindung mit der Zielvorstel­lung deutlich machen. Er muB die Aufgabe auch in groBere Zusammenhange einbetten, den Zusammenhang zu Untemehmenszielen und -strategien herstellen und gedanklich die Manschen einbeziehen, die die von ihm entwickelten Konzep­tionen verwirklichen werden. Sie mlissen die Ablaufe verstehen. Bei den vorge­schlagenen Gesprachen sind solche "Berater" zu eliminieren, die nichts anderes wollen, als vorgefertigte, standardisierte Systeme zu verkaufen. Sie treten gem als Spezialberater auf einem der bezeichneten Gebiete auf. Mit Beratung hat das in Wirklichkeit nichts zu tun. Aber schwarze Schafe gibt es liberall. Selbst bei Anwal­ten werden gelegentlich Standardvertrage ausgefertigt, bei denen der Klient nicht feststellt, daB es sich urn Serienware aus dem Computer handelt und nicht urn individuelle MaBanfertigung.

Priidestiniert beim Generationswechsel: der Allroundberater

Nun ist bei den Untemehmensberatungen ein Wandel eingetreten. Ich spreche von der Akzeptanz durch die UntemehmensfUhrungen. Zunachst war dies bei den Spezialberatungen der Fall, die die Untemehmen vermehrt heranzogen, weil sie ihre eigenen Stabe bei jeder Rezession verkleinerten. In den letzten Jahren haben universelle Beratungen zugenommen, die der Untemehmer personlich nutzt. Sie lassen sich damit charakterisieren, daB sie untemehmensintem bereichslibergrei­fend wirken, das Untemehmen als Ganzes sehen und seine Verankerung in die wichtigsten Markte fUr Waren, Dienste und Finanzen. Die allgemeine Entwicklung geht mehr zu dieser Allroundberatung liber. Der Untemehmensberater mit unter­nehmerischer Sicht wird permanenter Gesprachspartner fUr den Untemehmer. Sei­ner Denkweise und seinem Erfahrungspotential entspricht es, die zum Generations­wechsel zu stellenden konzeptionellen Fragen zu beantworten:

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__________ ....... P_l;.:.a~nu,;;n~gen absichern mit Beirat und Beratern 191

• Stimmt die Konzeption des Unternehmens? Was ist zu tun, urn die Wettbewerbs­fahigkeit so zu verbessern, daB das Unternehmen in der nachfolgenden Genera­tion bestehen kann? Siehe dazu Ziffern 4.1 bis 4.4.

• Kann und muB das Unternehmen zuvor rentabler werden und mit welchen MaBnahmen? Lohnt sich der Einsatz? Sind das Schlankmachen und andere interne MaBnahmen ausreichend? Siehe Kapitel 2. MuB Kapital hinzugeflihrt werden, wenn ja, wie?

• Besteht bei Familiengesellschaften die realistische Chance, innerhalb der Familie eine Nachfolgelosung zu finden und wenn nicht, welche Alternative ist fur das Unternehmen der beste Weg fur die Nachfolge?

Mit seinen Erfahrungen und Befahigungen im Umgang mit Manschen wird der Allroundberater die Akzeptanz bei Gesellschaftern, aber auch bei AuBenstehenden wie Hausbank und anderen Kapitalgebern finden, urn dabei zu helfen, die notwen­digen Weichenstellungen vorzubereiten und die Umsetzung spater beratend zu begleiten. Auch flir diesen Beratertyp gilt: Man erkennt den "Richtigen" an seiner Fahigkeit, sich in die Aufgabe, die ihm gestellt wird, in kurzer Zeit tief und breit hineinzudenken.

Zwei Beispieie fur verspiitete Beratung

1m folgenden Fall hatte der Junior das Unternehmen wohl nicht iibernommen, wenn der Seniorunternehmer vor Abfassung seines Testaments einen Unternehmensbera­ter hinzugezogen hatte. Das Unternehmen hatte einen guten Namen, fertigte eine sehr gute Qualitat, es arbeitete mit einem nicht kostspieligen Vertrieb. Der junge Unternehmer (Diplomkaufmann) fragte mich kurz nach der Ubernahme, was er andern konne und miisse, urn die Wettbewerbsfahigkeit des Unternehmens zu verbessern. Er auBerte auch Zweifel, ob sich der Aufwand daflir "auszahlen" wiirde. Schon anlaBlich der Betriebsbegehung konnte ich ihm sagen, daB er wegen des veralteten, mehrstockigen Fabrikbaues mit zu hohen Gemeinkosten in der Fertigung arbeite und daB auch Maschinen und Montageablaufe erneuerungsbediirftig seien. Daflir benotige er andere raumliche Voraussetzungen. Wie ausflihrlichere Untersu­chungen bestatigten, konnten in den vorhandenen Raumen Leistungssteigerungen erzielt werden, aber nicht ausreichend, urn in einen flir das Unternehmen giinstige­ren Trend zu kommen. Der Break-even konnte von einem Umsatz von ca. 50 Millionen auf 65 Millionen DM nach vom verlegt werden, bei zu wenig Rentabili­tatsverbesserung flir Investitionen von ca. 3 Millionen DM. Der junge Unternehmer hat den Betrieb, der an der HauptstraBe einer Kleinstadt lag, bald verkaufen konnen.

Ein anderer Fall: Zwei Bruder betrieben ihre selbstandigen Unternehmen in der gleichen Branche, der altere flihrte das elterliche Unternehmen, der jiingere das von ihm gegrundete, das zwischenzeitlich annahernd die gleiche GroBe erreicht hatte. Die Bruder kooperierten auf zahlreichen Gebieten, zum Beispiel im Einkauf. So

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bauten sie ein gemeinsames Werk ftir bestimmte Vorprodukte, das aber nicht nur fUr die eigenen Untemehmen sondem auch fUr Dritte produzierte. Jeder der beiden Bruder war an dem gemeinsamen Werk mit je 50 Prozent beteiligt, einer GmbH, die von zwei tiichtigen Fremdmanagem gefUhrt wurde. Eines Tages vereinbarten die Bruder, daB einem Sohn (von einem der Bruder) die Leitung des gemeinsamen Untemehmens tibertragen werden solIe, dazu gab es GrUnde, die im privaten Bereich lagen, hier aber keine Rolle spielen. Der betreffende Sohn sollte auf dem Wege der vorweggenommenen Erbfolge Erbe des Geschaftsanteils seines Familienstammes werden. Es dauerte nur wenige Wochen bis zur Ktindigung von einem der Fremdge­schaftsfUhrer. Es war der Ingenieur, der Macher im Untemehmen, der mit dem Sohn nicht zusammenarbeiten wollte. Ich wurde gebeten, mit den Beteiligten zu verhan­deln. Ziel war es, die Ktindigung rUckgangig zu machen und den Konsens wieder­herzustellen. Die Bemtihungen waren umsonst, der Sohn und der Ingenieur waren zu verschiedenartig veranlagt. Der Untemehmensberater sollte eingeschaltet wer­den, bevor Nachfolgeentscheidungen getroffen werden.

Wer gibt hilfreiche Informationen zur Suche des Beraters?

Ftir den Untemehmer stellt sich die Frage, wie er die Namen von drei Beratem erfahrt, mit denen er, folgt er meinem Vorschlag, personliche Gesprache fUhren wtirde. Diese sollten tiber Referenzen und andere Reputationen verftigen. Sind Berater gut, sind sie meistens voll beschaftigt und zurUckhaltend mit Eigenwerbung. Einige Berufsorganisationen lassen die Eigenwerbung nur eingeschrankt zu, zum Beispiel das Institut der WirtschaftsprUfer. Bei den Untemehmensberatem, die sich einen Namen gemacht haben, ist es vonjeher die Von-Mund-zu-Mund-Propaganda, die ihnen die meisten Auftrage bringt. Unabhangig davon sollte der Untemehmer, auf der Suche nach dem qualifizierten Berater, Rtickfrage halten bei kompetenten Institutionen. Dazu gehOren die Industrie- und Handelskammem, branchenbezoge­ne Fach- und Wirtschaftsverbande sowie die Zusammenschltisse der Berater selbst. Diese verftigen tiberwiegend tiber Dateien, aus denen die Beratungsgebiete ihrer Mitglieder hervorgehen. Bei den genannten Spezialberatungen eben so wie bei den Allroundberatungen sind die Management- und Personalberater angesprochen. Sie konnten auch die Beratungspartner ftir Nachfolgeberatungen werden, wie ich sie in Kapitel 9 vorschlage. Management- und Personalberater sind im Bundesverband Deutscher Untemehmensberater BDU e. v., Bonn, zusammengeschlossen. Dort kann der Untemehmer erfahren, welche Berater und Beratungsgesellschaften fUr welche Aufgaben kompetent sind.

Noch einmal zurUck zu den beiden fUr den Generationswechsel in Betracht kom­menden Beratertypen, dem Spezialberater und dem Allroundberater. Ihr Verhaltnis zueinander laBt sich nicht immer scharf abgrenzen. Es gibt weiche, flieBende Obergange. Wem man letztendlich den Vorzug geben sollte, hangt yom Einzelfall ab, davon, wo der Beratungsschwerpunkt zu erwarten ist. Ein Spezialberater im Marketing und Vertrieb, der fUr die Untemehmenskonzeption der richtige sein mag, wird so geschickt in seinen Verhandlungen sein, daB er auch in die Nachfolgege-

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Planungen absichem mit Beirat und Beratem 193

spr::iche eingeschaltet werden kann. Nur wenn diese diffiziler werden, zum Beispiel die 1nteressen der verschiedenen FamiliensUimme und -mitglieder zu erkunden und in Einklang zu bring en sind, auch mit den finanziellen und personellen Verflechtun­gen, diirfte doch der Allroundberater der richtigere sein. Zu so1chen Fragen sind spezielle Erfahrungen und Verhandlungsroutinen erforderlich.

7.3 Die juristischen und steuerrechtlichen Gestaltungen

Gesellschaftsvertrage, Unternehmertestamente, Erbvertrage, die in Familienunter­nehmen mit dem Generationswechsel verbunden sind, werden in diesem Buch nicht behandelt. Dies ist und bleibt Aufgabe von Erbrechtsexperten, Steuerexperten usw. Das Buch setzt den Hebel an anderer Stelle an: bei den Voraussetzungen zum Uberleben der Untemehmen und den Nachfolgeplanungen, die so realistisch und durchftihrbar sein sollten, daB die notwendigen juristischen Dokumentationen, soweit sie Untemehmen betreffen, sich auf sicherer Grundlage bewegen. Das ist, wie die erschreckend groBe Zahl der miBlingenden Nachfolgen zeigen, heute nur eingeschrankt der Fall. Daraus wird der SchluB gezogen, daB unzulangliche Testa­mente und Erbvertrage vorgelegen haben. Auch andere juristisch begrtindete Ent­schuldigungen werden genannt, wie nicht mit Gesellschaftsvertragen harmonisierte Testamente u. a. 1ch kann mir nicht denken, daB die fehllaufenden Nachfolgen und Untemehmensiibergaben mit Griinden aus dem juristischen Bereich zu erklaren sind.

DaB Untemehmer oft erst in fortgeschrittenem Alter Testamente aufsetzen und Erbvertrage schlieBen, hielt ich, als ich zum ersten Mal davon erfuhr, ftir einen unangebrachten Scherz. 1m Laufe der Zeit harte ich ahnliche AuBerungen von Untemehmem selbst. Ich machte aber unterstellen, daB interimistische Verftigungen ftir den unvorhergesehenen Notfall fast immer bestehen. Es bleibt allerdings die Frage, ob diese Testamente noch der jeweiligen Situation entsprechen, also zeit- und interessengerecht sind. Uberrascht hat mich ein Ergebnis der ArallAutohaus-Studie, daB zwar mit zunehmendem Lebensalter die Zahl der vorhandenen Testamente und Erbvertrage steige, jedoch noch in der Gruppe der tiber 55jahrigen Untemehmer mehr als ein Drittel keine Nachfolgeregelung getroffen haben sollen (Riedel [16] Seite 129). Auch situationsgerechte Testamente kannen bekanntlich Konfliktpoten­tiale enthalten. Formulierungen waren nicht grtindlich genug, beim Aufsetzen des Testaments waren neuere Richtungen der Rechtsprechung nicht gelaufig u. a. Auf jeden Fall handelt es sich urn eine anspruchsvolle Materie. luristisch fundierte Kenntnisse der Gesetze und der jeweils neuesten Rechtsprechung sind Vorausset­zungen, folgenschwere Fehler zu vermeiden. Man hart gelegentlich von so1chen Fallen, wie bei dem sogenannten " Berliner Testament", bei dem die Ehepartner sich gegenseitig als Erben bestimmen, daB unerwartet zweimal Erbschaftssteuer zu entrichten war (ein Eltemteil plus Kinder), daB ftir pflichtteilberechtigte Kinder

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unnotig hohe Ansprtiche anfielen, vermeidbare Erbengemeinschaften entstanden u. a. Dies alles ist hier nicht unser Thema. Man kann dem U ntemehmer nur dringend raten, sich schon in jiingeren J ahren einem Experten fUr Erbrecht anzuvertrauen und Testament sowie Gesellschaftsvertrage in angemessenen Zeitabstanden aktualisie­ren zu lassen.

Die Untemehmen, die Bestandteil des Untemehmertestaments sind, sollten stets gesondert und konzentriert behandelt werden. Primar sind die Wettbewerbsfahigkeit und die Fiihrung des Untemehmens sicherzustellen. Beides ist bei traditioneller Vorgehensweise haufig gefahrdet und in Frage gestellt. Dazu sind grtindliehe Untersuchungen notwendig - bei den sich rasch und nachbaltig andemden Markten, Technologien und Kostenstrukturen mehr denn je. Dort liegen die Schwierigkeiten fUr den Generationswechsel, der deshalb von langer Hand vorbereitet werden sollte. Es macht keinen Sinn, bei Nachfolge- und Erbplanungen von Umstanden und Verhaltnissen auszugehen, die betriebswirtschaftlieh nicht tragfahig oder als nieht realistisch einzuschatzen sind. Es macht keinen Sinn, Vertrage zu gestalten, bei denen betriebswirtschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungen zu dem SchluB fiihren: "das wird nicht funktionieren", mogen die Testamente und Vertrage noch so gut gestaltet und ausformuliert sein. Ich darf dies anhand einiger Beispiele in Erinnerung rufen:

• Die alteste Tochter iibemimmt die Leitung des im letzten Jahrzehnt so erfolgrei­chen Untemehmens. Der Vater hat die Fiihrung erst kurz vor seinem Tode abgegeben. Ais die Tochter ihre Fiihrungsfunktion iibemimmt und gleichzeitig ihr Erbe antritt, stellt sie nach kurzer Zeit fest, daB die Wettbewerbsposition des Untemehmens sich in den letzten beiden Jahren radikal verschlechtert hat: Stark gestiegene Herstellkosten, hohe Importe aus Niedriglohnlandem, unzureichende eigene Produktentwicklungen, Ausscheiden von Fiihrungskraften. Das lOst bei ihr die Frage aus: "Hatten wir dem Untemehmen nicht vor Jahren schon eine andere Ausrichtung geben miissen? Seinerzeit konnte man doch schon sehen, daB unsere Konzeption nieht mehr stimmt." Das Untemehmen war seit langem iiberreif fUr den Generationswechsel. Die Tochter stellt fest, daB das Untemeh­men zu hoch bewertet ist und sie zu hohe Ausgleichszahlungen an ihre Miterben zu leisten hat. Konsequenz ist, daB der Tochter eine FortfUhrung des Untemeh­mens erschwert wird, wenn nieht unmoglich erscheint, bevor sie in die Leitung richtig einsteigt.

• Die Witwe des unerwartet verstorbenen Untemehmers solI das Untemehmen erben. Nach Vorstellung des verstorbenen Ehemannes solI sie es mit dem Proku­risten weiterfiihren. Dies wird nur funktionieren, wenn die Ehefrau die Unter­nehmerfunktion voll und ganz erfiillt, auch was Arbeitszeit und -einsatz betrifft. Es funktioniert nicht, wenn die Ehefrau sich gelegentlich "urn das Geschaft kiimmert", in Wirklichkeit aber der gut eingearbeitete Prokurist die wirkliehe Untemehmerfunktion iibemehmen solI. Die tiichtigen Weggefahrten von Unter­nehmem werden nach deren Tod nur in seltenen Ausnahmefallen qualifizierte Nachfolger. Sie waren (meistens) "gute zweite Leute". Ihnen fehlt die untemeh-

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merische Kreativitat, die auch in kleineren Unternehmen unverzichtbar ist, auch die eigenstandige Dynamik, urn nur wenige wichtige Eigenschaften zu nennen. Die getroffene N achfolgeregelung mag theoretisch richtig sein, ist aber meistens nicht praktikabel und kann zum Desaster fUhren.

• Ein Team solI den personlich haftenden Gesellschafter beim Generationswechsel ablosen, bestehend aus den bisherigen Chefs der Verwaltung, der Produktion und des Vertriebs. Die Gesellschafter, die diesen BeschluB gefaBt haben, sind von der Qualifikation der Teammitglieder iiberzeugt. Sie haben schlieBlich viele Jahre mit dem Unternehmer erfolgreich zusammengearbeitet. Was sie nicht wissen und unzutreffend bewerten, ist: die unternehmerischen Leistungen gingen aus­schlieBlich von dem verstorbenen Unternehmer aus, sein konzeptionelles Denken fUr Produkte, Vertrieb und Produktion waren erfolgsentscheidend, ebenso seine Entscheidungen im personellen und finanziellen Bereich. Die Mitarbeiter waren fUr den Untemehmer gute Ratgeber und qualifiziert fUr Exekutivaufgaben, sie hatten aber keine Qualifikation fUr bereichsiibergreifende Aufgaben und Ziele, konnten nicht in ganzheitlichen Strategien und MaBnahmen agieren. Das groBe mittelstandische Untemehmen muBte schon nach ein paar Jahren einen Krebs­gang gehen und konnte wegen der fehlerhaften Fiihrungskonstruktion nicht gehalten werden, trotz Beratung von Experten bei der Abfassung der Gesell­schaftsvertrage.

Die Situationen sind aus Beispielen dieses Buches herausgegriffen, man kann sie in groBer Zahl fortsetzen. Testamente und Gesellschaftsvertrage sollten eben, wie das auch der zahlreichen juristischen Literatur zu entnehmen ist, realitatsnah sein. Die Gefahren sind groBer geworden. Die Beratung sollte/muB an anderer Stelle einset­zen. Zweifellos sind erbrechtliche Ubertragungen in Familienunternehmen ein Rechtsvorgang. Der Generationswechsel mit seinen vieWiltigen Vorbereitungen zur Existenzerhaltung des Unternehmens sowie zum Sattelfest-machen des Nachfolgers enthalt wohl eine Reihe rechtserheblicher Vorgange, ist aber selbst kein Rechtsvor­gang. Deshalb sind auch gesonderte Beratungsgebiete angesprochen, in der Reihe des zeitlichen Ablaufs: des Unternehmensberaters, des Wirtschaftspriifers, des AnwaltslNotars. Sie sind an bestimmten Punkten koordinationsbediirftig. Urn den Generationswechsel sicherer zu gestalten, wird in den vorangegangenen Kapiteln eine veranderte Vorgehensweise vorgeschlagen: "Erst die Konzeption, dann die Person" und "Unternehmen sucht bestimmtes Nachfolgerprofil mit Qualifikation". Bezogen auf die Kurzformel der vier Ws "wer, was, wann, wie" (Riedel [16] Seite 127), sollte immer dann, wenn bei der Vererbung ein Unternehmen einbezogen ist, die Reihenfolge anders lauten: "was, wann, wie, wer".

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8 Testamentsvollstreckung - mehr Sicherheit fur das Untemehmen?

In vielen Unternehmertestamenten solI sich der Satz befinden: "Sollte eines meiner Kinder dieses Testament anfechten, so erhalt es nur den Pflichtteil." Es ist eine Drohung: Wenn Du nicht tust, was ich will, bekommst Du weniger. Ais ich den Satz zum ersten Mal las, war ich gespannt, ob eines der drei erbenden Kinder sich mbglicherweise mit dem Pflichtteil zufrieden gab. Auch das ware ein ansehnlicher Betrag gewesen. Aber man arrangierte sich. Die Krbte, die die betreffenden Erben schlucken sollen, sind der oder die Testamentsvollstrecker (TV).

Die Testamentsvollstreckung (TV g) ist eine Rechtseinrichtung des Erbrechts. Der TV hat, wie die Bezeichnung sagt, die testamentarischen Verftigungen des Erblas­sers, soweit sie rechtsgiiltig sind, auszufiihren bzw. ausfiihren zu lassen. Die Griinde und Ziele der TV g kbnnen vielfaltig sein. Sie kbnnen die Abwicklung und Verwal­tung des N achlasses vereinfachen, das Teilen und Verteilen erleichtern, den N achlaB vor geschaftlich unerfahrenen und bbswilligen Erben schtitzen, die Absicht verfol­gen, die Unternehmen zu sichern, die Bestandteil des Vermbgens sind. Der Erblasser kann in seinem Testament einen Dauer-TV einsetzen, der auf die ktinftige Entwick­lung des Nachlasses einwirken solI. Welche Motive er hat, derartiges nicht mit den Beteiligten selbst zu besprechen, urn dies dann im Testament festzulegen und stattdessen den Umweg tiber einen Dritten wahlt, mag dahingestellt bleiben. Der Dauer-TV wirkt in die Zukunft hinein. Haegele/Winkler [10] unterscheiden folgen­de Arten von TVg:

a) Abwicklungs-TV g (Ausfiihrung des letzten Willens des Erblassers, Abwicklung der schwebenden Geschafte, bei mehreren Erben NachlaBauseinandersetzung) nach § 2204 BGB. Dies ist wohl die typische Form der TVg.

b) Dauer-TV g nach § 2209 Satz 1 Halbs. 2 BGB. Der Erblasser kann den Wirkungs­kreis des TV so erweitern, daB er ihm die Verwaltung des Nachlasses auch fiir die Zeit nach der Erledigung seiner sonstigen Aufgaben tibertragt. 1m Zusam­menhang damit steht die

c) Verwaltungs-TV g nach § 2209 Satz 1 Halbs. 1 BGB. 1m Gegensatz zur Abwick­lungsvollstreckung, die der Erledigung der Funktionen laut a) dient, ist die Verwaltungsvollstreckung auf die Nutzbarmachung des verwalteten Vermbgens und auf das Erzielen von Ertragen ausgerichtet. "Wahrend sonst die Verwaltung neben der Abwicklung und Auseinandersetzung eine der miteinander zusam­menhangenden Aufgaben des TV darstellt, die mit der Erledigung jener Aufgabe endet, bedeutet die Dauervollstreckung eine zeitliche Verlangerung der Voll­streckungstatigkeit, die eine Art "fiirsorgliche Bevormundung" der Erben dar­stellt." Siehe auch Palandt/Edenhofer zu § 2209 BGB Rz 2. Hier liegt im Grundsatz eine unternehmerische Aufgabe vor.

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198 Kapitel 8

d) Nacherben-TV g nach 2222 BGB. Sie erfaBt die Vor- und Nacherbschaft oder nur die Vorerbschaft oder nur die Nacherbschaft.

e) Verrnlichtnis-TVg nach § 2223 BGB,

f) TVg mit beschrlinktem Aufgabenlcreis nach 2208 BGB.

Bei den zu a) bis c) und f) genannten TVg-Arten kann die TVg sowohl fiir Vor- wie fUr Nacherben in Betracht kommen.

Das Erbrecht und somit auch die TV g stellen im Zusammenhang mit dem Handels­und Gesellschaftsrecht eine komplizierte Materie dar. Was dort konzipiert und dokumentiert wird, sollte immer mit wirklichen Experten besprochen und geregelt werden. Wichtig ist unter anderem, daB testamentarische Verfiigungen und gesell­schaftsrechtliche Bestimmungen iibereinstimmen miissen. Testament und Gesell­schaftsvertrag dtirfen sich also in erbrechtlichen Regelungen nicht iiberschneiden.

Aus dieser allgemeinen Obersicht greife ich nun einige Punkte heraus, die fUr die konzeptiven Gestaltungen der Untemehmen und Nachfolge im Zuge des Generati­onswechsels wichtig erscheinen. Ich gehe davon aus, daB die Untemehmen und wesentliche Beteiligungen daran einen groBen oder den iiberwiegenden Teil des Verrnogens ausmachen. Die TV g kann hier durchaus eine sinnvolle und zweckmliBi­ge Vorgehensweise sein, urn dem Willen der Erblasser gerecht zu werden, vor allem wenn die zuktinftige Entwicklung nicht iiberschaubar ist, beladen mit UngewiBhei­ten. Aber es ist moglich und notwendig, klar zu definieren, was der oder die TV tun sollen, urn dem Willen des Erblassers gerecht zu werden. Es reicht nicht aus, lediglich zu sagen: "Es wird TV g angeordnet." Wenn man aus dem Rathaus kommt, ist man bekanntlich schlauer, wie ein Sprichwort sagt. So kann man, wenn man nachtrliglich ein Resiimee zieht, feststellen, daB es fUr aIle Beteiligten zweckmliBi­gere Wege gegeben hlitte, dem Willen des Erblassers zu entsprechen: fUr die Untemehmen, die Mitgesellschafter, die Erben und auch fUr die TV. Die Schwierig­keiten entstehen, wenn vor dem Tod des Untemehmers so gut wie nichts in die Zukunft Weisendes vorbereitet und festgelegt wird, weder Konzeptionelles fUr die Untemehmen noch zur personellen Gestaltung der Fiihrungen. Der Gedanke, man habe ja einen TV eingesetzt, der zur richtigen Zeit schon das Notwendige veranlas­sen wird, mag fUr Erblasser, Mitgesellschafter u. a. beruhigend sein. Er steht aber im Gegensatz zu den Anregungen dieses Buches: "Erst die Konzeption, dann die Person" und: "Das Untemehmen verlangt bestimmtes Nachfolgerprofil mit Quali­fikation". Dies sind Maximen fUr die Schularbeiten, die von Vorglingem vor Ende ihrer Amtszeit angefertigt werden sollten. Die aus der Praxis gewonnenen Erfah­rungen veranlassen mich, an einigen TVg-Flillen darzustellen, wo die Probleme liegen und wie sie zweckmliBiger behandelt werden.

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Testamentsvo11streckung - mehr Sicherheit fUr das Untemehmen? 199

Testamentsvollstreckung in Unternehmen: Vorteile und Grenzen

Erster Fall: Der Griindungsuntemehmer, der aus einer kleinen Werkstatt in 30 Jahren ein ansehnliches mittelgroBes Untemehmen gemacht hat, zweifelt, ob sich sein Sohn fUr die Fiihrung dieses Untemehmens eignet. Bei Abfassung seines letzten Testaments - er starb bald darauf - studierte der Sohn noch. In den Augen des Vaters war er ein Playboy. Der Vater, der das Testament gemeinsam mit seinem Steuerbe­rater aufsetzt, will, daB der Sohn sein Studium zunachst abschlieBt und sich dann spatestens mit Vo11endung des 30. Lebensjahres entscheidet, ob er das Untemehmen iibemehmen und fUhren will. Andemfa11s solI das Untemehmen verauBert werden. Der Untemehmer setzt seinen Steuerberater als a11einigen TV ein, der das Amt innehaben solI, bis der Sohn das 33. Lebensjahr vo11endet hat. Die Firma ist Einzeluntemehmen.

Zweiter Fall: Der Vater, der mit seinem Anwalt und seinem Wirtschaftspriifer das Testament neu gefaBt hat, setzt seine drei Kinder zu Vorerben ein, Nacherben sol1en deren eheliche Abkommlinge sein. Damit wird die TVg 30 Jahre iiberschreiten, die nach BGB langste Zeit der TV g. Sie kann nach § 2210 BGB unter bestimmten Voraussetzungen langer sein, was in diesem Fall wegen der Nacherbenregelung zutreffen kann. Eines der Kinder, das zur Fiihrung des Untemehmens pradestiniert erscheint, erkrankt noch vor der Obemahme der Untemehmerfunktion. Die Erkran­kung ist derartig, daB es sich der Belastung und dem StreB nicht aussetzen solI und kann, die mit der Fiihrung des Untemehmens verbunden sein werden. Der Erblasser setzt nach Rat von Wirtschaftspriifer und Anwalt einen TV ein.

Dritter Fall: Ein Erblasser, der an einem Untemehmen mehrheitlich beteiligt ist und es seit mehreren Jahrzehnten fUhrt, weiB bei der Abfassung seines Testamentes noch nicht, welchem Familienangehorigen er nach seinem Tode die Fiihrung des Unter­nehmens iibertragen kann. Mit seiner Leitung solI eine wesentliche Kapitalbeteili­gung verbunden werden. Die beiden vorrangig in Betracht kommenden Kinder sind in Berufen tatig, die eine gute Grundlage fUr die Nachfolge des Vaters sein wiirden. Der eine ist Wirtschaftspriifer, der andere (angeste11ter) Geschaftsfiihrer. Beide zeigen sich aber standig desinteressiert. Der Untemehmer wo11te zunachst seinen anwaltlichen Berater beauftragen, nach seinem Tode einen geeigneten Nachfolger zu suchen. Diese Aufgabe konnte der Anwalt nicht iibemehmen, da nach § 2065 BGB der Erblasser es nicht einem Dritten iibertragen kann, zu entscheiden, welche Person eine Zuwendung erhalten solI. Nach der Rechtsprechung ist es jedoch moglich, daB der Erblasser in der letztwi11igen Verfiigung von der Nominierung des Erben absehen kann, wenn der zu benennende Erbe aus einem bestimmten eng begrenzten Personenkreis nach sachlichen Gesichtspunkten ausgewahlt wird (siehe dazu Haegele/Winkler [10] Seite 232). Der Erblasser setzte einen TV ein, der nach seinem Tode entscheidet, welches seiner Kinder und altemativ ein namentlich genannter Verwandter das Untemehmen weiterfiihren wird. Wenn diese zum gege­benen Zeitpunkt nicht bereit sind, das Untemehmen zu fUhren, solI es verauBert werden.

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200 Kapitel 8

Den Hillen kann entnommen werden, daB die TV g in der Wirtschaftspraxis und somit im Handels- und Gesellschaftsrecht erhebliche Bedeutung haben. Der Erb­lasser hat dem TV im ersten Fall eine klare Weisung erteilt: Mein Sohn soll sein Leben iiberdenken. Mit 30 ist er alt genug dazu. Will er dann mein Lebenswerk weiterfiihren, soll er es tun, will er es nicht, TV bitte verkaufe das Untemehmen. So weit so gut. Die rechtliche ZuHissigkeit der Anordnung einer TV g fUr ein Einzelun­temehmen und eine Personengesellschaft ist aber nach der hochstrichterlichen Rechtsprechung problematisch. Dazu Riedel: "Begriindet wird dies von der Recht­sprechung mit dem personalistischen Charakter der Personengesellschaft, der nach dem gesetzlichen Leitbild auf der personlichen Haftung der Gesellschafter und der grundsatzlichen Uniibertragbarkeit der Gesellschaftsanteile beruhe. Man kann diese Rechtsprechung antiquiert finden. Fact ist jedoch, daB demgegeniiber die auf eine GmbH oder AG bezogene Testamentsvollstreckung problemlos angeordnet werden kann. Bei der Personengesellschaft sind hingegen gegebenenfalls aufwendige und rechtlich riskante Treuhandlosungen zu konzipieren, urn doch noch zu dem ge­wiinschten Ergebnis zu kommen" ([16] Seite 75).

1m zweiten Fall ist der Boden in anderer Weise fUr die TV g unsicher. An die Spitze eines Untemehmens gehort eine Personlichkeit mit bestimmtem Profil und be­stimmten Qualifikationen. Sollte der Erblasser in dem TV vorrangig den Berater des Erben gesehen haben, kann der TV, wenn dieser sich auf die Funktion der Beratung beschrankt, im Untemehmen gravierende Schaden nicht verrneiden. Si­tuationsbezogen miissen in jedem Untemehmen auch harte MaBnahmen mit Kon­sequenz durchgesetzt werden. Davon kann die Existenz des Untemehmens abhan­gen. Beratung kann hilfreich sein, gewahrleistet aber die Umsetzung der MaBnah­men nicht. So wiirde der TV dem Untemehmen durch unterlassenes Handeln schaden, auch dem Erben, wenn Dividenden ausbleiben und Verrnogensverluste eintreten. Ein beauftragter Untemehmer als ausgleichendes Talent kam in dies em Fall nicht in Betracht, weil damit personelle Schwierigkeiten an anderer Stelle ausgelost wurden. Der Wille des Erblassers muBte in der testamentarischen Verfii­gung klarer und eindeutiger zum Ausdruck kommen, welche Entscheidungsbefug­nisse der TV haben sollte. Noch besser ware gewesen, den Untemehmer schon im Rahmen seiner Schularbeiten zu veranlassen, die GeschaftsfUhrung fUr die Zeit nach seinem Ausscheiden zu ordnen. Auch im dritten Fall hatte eine Nachfolge zu Lebzeiten des Seniors mit einer FremdgeschaftsfUhrung geregelt werden konnen und sollen. Wegen der Haltung der Sohne blieb er bis zu seinem Tode im Amt. Das ist dem Untemehmen wegen seiner altersbedingt nachlassenden Aktivitat nicht bekommen. Schauen wir uns an, wie es in den drei Fallen weiterging.

1m ersten Fall: Der Steuerberater, der mir den Fall schilderte und das Amt vor kurzem iibemommen hatte, richtete sich darauf ein, das Untemehmen zu verkaufen, nachdem der Sohn das 30. Lebensjahr vollendete. Daraufhatte er sich mit dem Sohn verstandigt. Er sagte mir, vorher wolle er "die Braut noch etwas schon machen". Er beauftragte mich, zu priifen, an welchen Stellen im Untemehmen Leistungsreserven bestehen, wie groB sie waren, wo die Organisation verbessert und die Fiihrung vielleicht effizienter gestaltet werden konnten u. a. Der Auftrag war umfassend,

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Testamentsvollstreckung - mehr Sicherheit fUr das Untemehmen? 201

betraf aIle Untemehmensbereiche. Ich war tiberrascht tiber die unabhangige Art des TV bei der Auftragserteilung, vermutet hatte ich, daB er mein Angebot zunachst mit dem Erben besprechen wtirde. Auf meine Frage erlauterte er mir, daB er das Geschaft (Einzeluntemehmen) in eigener Haftung und Verantwortung fUhre (neben seiner Steuerberaterpraxis), als Treuhander des Erben. Er trage zur Zeit das Geschaftsrisi­ko. Die Analyse, die ich mit meinem Team durchfUhrte, endete mit einem guten Ergebnis. Es drtickte sich nach den Umsetzungen in den Folgejahren in sehr guten Untemehmensergebnissen aus, den besten der Firmengeschichte. Ais das Untemeh­men nach zwei Jahren verkauft wurde, tibertrug sich das auf den Verkaufspreis. Erganzende Anmerkung zur Rechtsposition des TV: Er hatte sein Amt auch unter dem Namen des Erben als dessen Bevollmachtigter fUhren konnen. Der Steuerbe­rater, der hier tatig wurde, ist in seiner Denkweise Untemehmer und handelte entsprechend. Aber wer konnte schon vorhersagen, ob fUr das Untemehmen Ver­kaufschancen bestanden? Vor der Reorganisation waren sie gering.

1m zweiten Fall: Der Sohn wollte sich zunachst tiber seine Erkrankung hinwegset­zen. Schon wahrend einer Erprobungszeit hatte er vergleichsweise hohe Verluste zu verantworten. Ais dann der Vater starb und der TV die GeschaftsfUhrung des Untemehmens ordnete, respektierte er zunachst den Willen des Erben, sich ge­schaftsfUhrend zu engagieren und beobachtete ihn in der GeschaftsfUhrung. Er tibte eine "fUrsorgliche Bevormundung" aus, wie oben beschrieben. Wahrend der fol­genden Jahre muBte der TV erkennen, daB der Erbe physisch und psychisch dem StreB nicht gewachsen war, die die Aufgaben der GeschaftsfUhrung ihm abverlang­ten. Er tiberzeugte ihn, daB es fUr ihn und das Untemehmen zweckmaBiger sei, sich aus seiner Funktion zuruckzuziehen. Man muBte sich auch die Frage stellen, ob man die Ftihrung des Untemehmens, das einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor der Regi­on darstellt, einem psychisch erkrankten Erben tiberlassen darf. Wenn der Vater von den gesundheitlichen Schwierigkeiten seines Sohnes gewuBt hat, und dies war hier der Fall, muBte im FaIle der angeordneten TV g die Befugnis des TV klar und unmiBverstandlich definiert sein. Ein befahigter FremdgeschaftsfUhrer und ein Aufsichtsgremium, in dem der TV mitwirkte, waren wirksamer gewesen.

1m dritten Fall: Der TV kann laut § 2065 Satz 2 nicht bestimmen, wer eine Zuwendung erhalten solI, hier die Beteiligung am Untemehmen. Zulassig ist nach der Rechtsprechung, den zu benennenden Erben aus einem eng begrenzten Kreis von Personen nach sachlichen Gesichtspunkten von einem Dritten auswahlen zu lassen. Voraussetzung ist aber, daB der Erblasser Angaben gemacht hat, "die es jeder mit gentigender Sachkunde ausgestatteten Person ermoglicht, den Bedachten auf­grund dieser Angaben zu bezeichnen, ohne daB ihr eigenes Ermessen dabei bestim­mend oder mitbestimmend ist", NJW 1955, 100 siehe Haegele/Winkler [10] Seite 232. Der TV zog mich zu den Gesprachen hinzu, die er mit den potentiellen Nachfolgem fUhrte. Beide Kinder bekundeten Interesse, in das Untemehmen ein­zutreten. Sie lieBen erkennen, daB ihre fruhere Abneigung auf unzureichender Berufs- und Lebenserfahrung beruhte. Aber nun waren die Junioren schon urn die 50! Der fUr das Untenehmen geeignetere Nachfolger war der jtingere. Aus meinen

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202 Kapitel 8

Gesprachen gewann ich den Eindruck, daB auch hier das Einsetzen einer Fremdge­schaftsfiihrung der zweckmaBigere Weg gewesen ware.

Die Bedeutung der TV gals Abwicklungsvollstreckung, Regeltypus der TV g, wird in keiner Weise in Frage gestellt. Auch die Dauer- und Verwaltungs-TV g kann in bestimmten Situationen berechtigt und notwendig sein. Aber auf das Wie kommt es an. Sie sollte vor den testamentarischen Verftigungen zweck- und zielbezogen definiert werden. Diese Forderung wtirde erftillt werden, wenn der TV dafiir Sorge zu tragen hat, dem Unternehmen eine realistische Konzeption sowie eine kompe­tente Ftihrung zu geben. Und daB er dies aUein oder mit einem Kontrollorgan zu tiberwachen hat. Aber diese Konzeption k6nnte schon vor dem Ableben des Seniors ersteUt und in Zeitabstanden yom TV aktualisiert werden. Eben dies soUte mit dem Senior vereinbart werden, bevor dieser aus dem Amt scheidet, nach M6glichkeit soUte die Ftihrung bis zum Ausscheiden des Seniors restrukturiert und tragfahig geworden sein. Die TV g sollte auch dem Senior, ich denke an den dritten Fall, nicht AnlaB geben, in seiner Unternehmerfunktion bis fast zu seinem Tode auszuharren. Der Unternehmer soUte zur rechten Zeit, spatestens mit Lebensalter 60, in diesem Sinne aktiv werden, siehe oben Ziffer 4.4.

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9 Nachfolgeberatungen von Generation zu Generation

Vorganger, Nachfolger und Berater sind aufgefordert, sich besonders verantwor­tungsbewuBt zu verhalten, wenn beim Vermogensiibergang im Rahmen des Gene­rationswechsels Untemehmen eingeschlossen sind. Primat sollte dann aus der Sicht des Erblassers das Untemehmen haben. Es lei stet einen Dienst an und in der Gemeinschaft, es gibt Mitarbeitem Arbeit und Verdienstmoglichkeit, es hat Anteil an der Struktur und strukturellen Entwicklung der Region. Das Ego und die Interessen einzelner Familienangehoriger solI ten hinter diesen Facts zuriickstehen oder mit diesen harmonisiert werden. Auf vielen Gebieten haben wir in unserem Gemeinwesen Regeln, in denen sich Eigentiimer zwischen Freiheit und Verpflich­tung gegeniiber der Gemeinschaft entscheiden miissen, haufig wird eine iiberzeu­gend vermittelnde Hand notwendig sein. Aus der in den letzten J ahren fUr mittel stan­dische Untemehmen entstandenen schwierigen wirtschaftlichen Situation, siehe Kapitel lund 2, sollte sich eine umfassendere Nachfolgeberatung entwickeln.

Juristen und Wirtschaftspriifer werden dazu vielleicht spontan sagen: "Die iiben wir doch aus!" Sollten sie sie wirklich ausiiben, verstehe ich die in Kapitell behandelten Fehlschlage des Generationswechsels nicht. Sie iiben zweifellos den juristischen Teil der Beratungen aus, iiberwiegend dann, wenn der Nachfolger feststeht, der aus erbrechtlichen Griinden handelt. Die Beratung, die ich anspreche, sollte aber an weiter yom liegenden Punkten ansetzen, viel friihzeitiger: Was ist zu tun, urn sicherzustellen, daB aller Voraussicht nach das Untemehmen fUr die Nachfolgege­neration erfolgreich bleibt? Das bedeutet, daB die Konzeption des Untemehmens zu iiberdenken ist. Welches ist fUr dieses Untemehmen, und speziell nur fUr dieses, die Konzeption, urn Marktnischen zu finden, Produkte, Organisation und Fertigungs­leistung zu verbessem, Kapitalbindungen zu reduzieren, Rentabilitat sicherzustel­len, gegeniiber heute schlanker, rent abler, schneller, flexibler? Was muB das Unter­nehmen im Hinblick auf veranderte Ziele neu strukturieren und organisieren, und wie muB es das tun? Woher kommt die dazu benotigte Kreativitat? Wie ist die Fiihrung zu gestalten, welche Anforderungen werden an sie gestellt und wie muB die Fiihrung besetzt werden? Welche finanziellen Voraussetzungen sind dazu not­wendig, wie werden sie geschaffen? Entstehen Zweifel, ob das Untemehmen in der nachfolgenden Generation iiberhaupt gehalten werden kann, was ist dann zu tun? 1st es sinnvolI, den Aufwand, die Anstrengungen und die Risiken des Generations­wechsels in Kauf zu nehmen? Die Zeiten sind zu schwierig und die Risiken zu groB, urn zu sagen: "Probieren wir's mal!" Usw., usw. Und schlieBlich: Wie sollte bzw. muB unter diesen Pramissen der Generationswechsel ablaufen? Danach sind The­men und Praktiken von Anwalt und Wirtschaftspriifer gefragt.

Wird diese Vorgehensweise zur Handlungsmaxime, wird man davon ausgehen konnen, daB sich die heutigen Schwierigkeiten mittel standi scher Untemehmen in einer Reihe von Jahren auflosen. Sie werden dann auch den Trends des Wachstums

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204 Kapitel 9

folgen konnen: europaweit und globaler werden und fusionieren konnen, urn groBe­re Einheiten zu schaffen.

Nun leben wir in einer freiheitliehen marktwirtsehaftliehen Ordnung, in der die Initiativen dieser Entwicklung von den Untemehmem ausgehen mussen. Ihnen stehen dazu Mitstreiter zur Verfugung. Fur die hier besehriebenen Aufgaben und Ziele sind es Unternehmensberater. Dort sollten sieh Berater flir eine "Naehfolge­beratung" qualifizieren, die dann in ihrem Wirkungsfeld flir alle Unternehmen und deren Gesellschafter tatig sein werden, also nieht nur flir mittelstandisehe Unter­nehmen. Wie in Kapitel 1 festgestellt, unterscheiden sieh die Situationen in Fami­lien- und Nichtfamilienuntemehmen nieht wesentlieh voneinander. Der gravierende Unterschied liegt beim Eigentum, das nach dem Fuhrungsweehsel ubertragen werden sollte, nieht gleiehzeitig. Das flihrt zu der Frage, ob die Untemehmensbe­rater auf diese Aufgaben vorbereitet sind. Bejahen moehte ieh dies fur den All­roundberater, flir den Spezialberater mit Einsehrankungen, weil dieser leicht die breitere, integrierende Gesamtsieht vemaehlassigt. Die Begriffe sind in Ziffer 7.2 ausflihrlieh besproehen. Ich bin uberzeugt, daB in einigen Jahren eine ausreichende Zahl qualifizierter Berater vorhanden sein wird, die den Anforderungen der Unter­nehmensflihrungen beim Generationsweehsel gerecht werden.

Beratungsaufgaben klar dejinieren

An mehreren Stellen wurde hier darauf hingewiesen, daB Beratungen zum Genera­tionswechsel den Untemehmenssituationen entsprechend versehiedenartig sein werden. Es wird also wiehtig sein, sie fur einen geordneten Ablauf YOTher in jedem Einzelfall klar zu definieren, zum Beispiel:

• Das Erstellen/Aktualisieren der Untemehmenskonzeption flir einen ubersehau­baren Zeitraum der naehfolgenden Generation. ("Erst die Konzeption, dann die Person.")

• Das Erstellen der Konzeption flir die kunftige Fuhrungsstruktur sowie das An­forderungsprofil flir den oder die gesuehten Nachfolger. ("Das Untemehmen verlangt bestimmtes Naehfolgeprofil mit Qualifikation.")

• Erlauterung/Abstimmung dieser Konzeption(en) vor den Fuhrungsgremien des Untemehmens wie Gesellschafterversammlung, Aufsiehtsrat, Beirat. Erlaute­rung bei internen Gremien wie Betriebsrat u. a.

• Naehfolgende Hilfen bei der Umsetzung der Konzeption(en): ...

• Mitwirkung bei der Suehe des familienzugehorigen Naehfolgers und/oder Fremdgesehaftsflihrers. Dazu sind folgende Leistungen zu erbringen ...

• Beratung bei der Einarbeitung des/der Nachfolger(s).

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Nachfolgeberatungen von Generation zu Generation 205

• Mitwirkung an anderen Gesprachen, die anlaBlich des Generationswechsels zu flihren sind, zum Beispiel mit Banken und anderen Finanzierungsinstituten, juristischen Beratem u. a .

. .. und in Generationen denken

Eigentlimeruntemehmer und beauftragte Untemehmer sollten diese auf den nachst­folgenden Generationswechsel bezogenen Aufgaben zunachst als ein geschnlirtes Paket flir sich betrachten. Dann kommt ein langfristiger Aspekt im Hinblick auf eine weitere Zusammenarbeit hinzu: 1m Leben des Untemehmens gibt es Entscheidun­gen grundsatzlicher Art, die sich auf den nachsten Generationswechsel positiv und solche, die sich negativ auswirken. Nehmen wir zum Beispiel den Kauf eines anderen Untemehmens: Wie wird er sich auf die Entwicklung des eigenen Unter­nehmens auswirken? Bekanntlich steckt ein angefaulter Apfel den gesunden an, ein gesunder macht aber den fauIen nicht gesund. Was ist beim Erwerb eines anderen Untemehmens flir das eigene gesunde Untemehmen zu erwarten? Wie wirkt sich die Entscheidung auf den nachsten Generationswechsel aus? Zahlreiche Beispiele gibt es dazu aus der Zeit, in der volkseigene Untemehmen der ehemaligen DDR von westdeutschen Untemehmen erworben wurden. Die westdeutschen Untemehmen haben sich wiederholt daran "verschluckt", hatten Vermogensverluste, bisherige Gewinne versiegten mit der Folge, daB Nachfolgen uninteressant und Erbvorgange eher belastend geworden sind. - Oder nehmen wir die Verlagerung eines Untemeh­mensteiles in ein Niedriglohnland. Welche Auswirkungen sind flir die klinftige Untemehmensstruktur zu erwarten, wird sich dies auf den nachsten Generations­wechsel auswirken und wie? Ich nenne dies Langfristberatung, mit der die Folgen flir den nachsten Generationswechsel abgewogen und in erkennbaren Konsequen­zen durchdacht werden: Es gibt zahlreiche solcher FaIle, die sich in einer Generation schicksalhaft auf die nachste Generation auswirken. Flir den Untemehmer ist es liberlegenswert, schon zu solchen Anlassen seinen Nachfolgeberater hinzuzuziehen.

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10 Das Unternehmen weiterentwickeln - SchluBwort

Nach vollzogenem Ftihrungswechsel sollte das Untemehmen bald dynamische Krafte entwickeln. Der Neue ist aber gut beraten, die Ftihrungsmannschaft nicht im Schnellverfahren zu verandem. Die bekannten 100 Tage Schonzeit sollte er in Anspruch nehmen, urn die wichtigsten personellen Planungen vorzubereiten und erste Ziele und Projekte anzupeilen. Haufig sind auch noch nicht aIle MaBnahmen der konzeptionellen Veranderungen verwirklicht. Der Neue hat daran vielleicht schon mit dem Vorganger gemeinsam gearbeitet. Dies zu Ende zu fUhren, hat Prioritat. Einiges will er vielleicht auch modifizieren, nachdem er dies mit den Gesellschaftem vereinbart hat.

Jetzt ist es an der Zeit, sich mit Themen zu befassen, die fUr das Untemehmen langerfristig relevant sind. Vielleicht wurden sie anlaBlich der Uberlegungen zu den Schritten des Ftihrungswechsels bereits angedacht, dann aber zunachst ausgeklam­mert, siehe zusammenfassend Kapitel 5. Nun kann es an der Zeit sein, sich den langerfristigen Themen der Kapitel6 bis 9 des Buches mehr zu widmen. Diese lassen sich wie folgt zusammen:

1. Die Rechtsform der Untemehmen sollte primar auf die strategischen Zielrich­tungen ausgerichtet werden. In der heutigen und noch bevorstehenden Situation sollten die Untemehmen sich nicht einengen, vielmehr sollten sie mit ihrer Rechtsform Entwicklungsspielraume schaffen, urn sich frei zu machen fUr mehr Wachstum, eine zweckmaBige Finanzierung und eine leistungsfahige Ftihrung.

2. Die oberen Ftihrungsebenen sollten breit angelegt sein, Ftihrungsteams sollten entstehen. Von ihnen wird groBraumiges (Europa) und globales Wachstum initiiert. Nachgeordnete Ftihrungsebenen konnen eingeschrankt werden. Vieles kann durch Systeme ersetzt werden, an der Basis sollte eigenverantwortlich gehandelt werden. Die Ftihrung ist der Dreh- und Angelpunkt fUr den Erfolg. An der Seite des Eigenttimeruntemehmers hat sich der beauftragte Untemehmer bewahrt, als ausgleichendes Talent.

3. Es kann sich lohnen, Traditionsuntemehmen vollig umzugestalten und zu emeu­em. Damit konnen personelle und finanzielle Ressourcen erschlossen und Spiel­raume fUr ztigiges und rasches Wachstum gewonnen werden.

4. Kapitaibeteiligungsgesellschaften konnen Eigenkapital zufUhren und das Ma­nagement organisieren. Sie tiben das Controlling aus und geben andere Hilfen, bis sich das Untemehmen aus eigener Kraft tragt, sich vielleicht dann mit eigenem Borsengang qualifiziert.

5. Untemehmen sollten einen Beirat haben. Dessen Kompetenz ist so gut wie die Qualifikation der Beiratsmitglieder. Der Beirat sollte schon den Generations-

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208 Kapitel 10

wechsel planen und helfen, ihn zu vollziehen. Seine wichtigste Aufgabe bleibt danach, flir ein leistungsfahiges Management zu sorgen.

6. Flihrungsmitglieder des Topmanagements sollten flir konzeptionelle Planungen und die Strategien der Umsetzung das Wissen und die Erfahrungen des Allround­beraters nutzen. Beim Generationswechsel kann er mit seiner distanzierten, emotionsfreien Sicht zu einem harmonischen Verlauf beitragen. In der Folgezeit kann er an einer langfristigen Untemehmens- und Nachfolgeplanung von Gene­ration zu Generation mitwirken, die dem Untemehmen Sicherheit verleiht.

7. Testamentsvollstreckungen machen Untemehmen, die beim Generationswech­sel vererbt werden, von sich aus nicht sicherer. Auf klare Definitionen des Auftrags und der Befugnisse des TV kommt es an, wenn Schaden vom Unter­nehmen, den (Mit -)Gesellschaftem und den Mitarbeitem abgewendet werden solI. Der Testamentsvollstrecker sollte nicht als Feuerwehrmann fungieren. Seine Aufgabe ist es, die konzeptionellen Planungen zu kontrollieren und gege­benenfalls anzupassen.

Noch nie haben Untemehmen und deren Flihrungen in Friedenszeiten kurzfristig, Schlag auf Schlag, so viele Veranderungen und Unbilden im Umfeld verarbeiten mlissen wie es seit einigen Jahren der Fall ist. Viele retten die Vermagen mit dem Verkauf des Untemehmens, haufig vor dem bevorstehenden Generationswechsel. Andere geben auf, werden insolvent oder schlieBen still die Pforten. Die Mehrzahl der Untemehmer ist bereit, sich flir den Erhalt der Untemehmen einzusetzen. Mage dieses Buch dazu beitragen, daB die Untemehmer flir den kommenden Generations­wechsel die richtigen Schritte dazu setzen.

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Das Untemehmen weiterentwickeln - SchluBwort 209

Literaturverzeichnis

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[2] BOSENBERG, DIRK/METZEN, HEINZ, Lean Management, modeme indu­strie, Landsberg/Lech 1992

[3] BRONNER, HERBERT/RUX, HANS-JOACHIM/WAGNER, HEIDEMA­RIE, Die GmbH & Co. KG, Haufe, Freiburg 1996

[4] BOHNER, ROLF, Das Management-Wert-Konzept, Schaffer, Stuttgart 1990

[5] CHANDLER, A. D., Strategy and Structure, Cambridge, Mass. 1978

[6] DE BONO, EDWARD, Laterales Denken fiir Fiihrungskrafte, Mc Graw Hill, Hamburg 1986

[7] DE BONO, EDWARD, Chancen, Econ, Diisseldorf 1989

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[9] HAMMER, MICHAEL/CHAMPY, JAMES, Business Reengineering, Cam­pus, Frankfurt am Main 1994

[10] HAEGELE, KARL/WINKLER, KARL, Der Testamentsvollstrecker, Wal­halla, Bonn 1996

[11] INSTITUT FOR MITTELSTANDSFORSCHUNG, Generationswechsel im Mittelstand, ifm-Materialien Nr. 109, Bonn 1995

[12] INSTITUT FOR MITTELSTANDSFORSCHUNG, Der Beitrag des Aus- und Weiterbildungswesens zur ErschlieBung von Nachfolgerpotential, ifm-Mate­rialien Nr. 112, Bonn 1995

[13] KIRST, UWE, Untemehmensnachfolge, Luchterhand, Neuwied 1996

[14] LOYE, DAVID, Gehim, Geist und Vision, Sphinx, Basel 1986, Lizenzausgabe Rowohlt Taschenbuch 1988

[15] PENTZLIN, KURT, Die Zukunft des Familienuntemehmens, Econ, Diissel­dorf 1976

[16] RIEDEL, HANNSPETER, Untemehmensnachfolge regeln, Gabler, Wiesba­den 1996

[17] SCHURMANN, WALTER/KORFGEN, KURT, Familienuntemehmen auf dem Weg zur Bbrse, C. H. Beck, Miinchen 1987

[18] WOMACK, JAMES P./JONES, DANIEL T./ROOS, DANIEL, Die zweite Revolution in der Autoindustrie, Campus, Frankfurt am Main 1992

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210 Kapitel 10

Verzeichnis der Ubersichten

1 Rechtliche Merkmale flir Personen- und Kapitalgesellschaften ................. S. 33

2 Untemehmenstibergabe an Nachfolger - Zeitablliufe ..... ........... ................. S. 34

3 Schritt halten mit der Produktivitlitsentwicklung Strategien zur Produktivitlitssteigerung in flinf Jahrzehnten ..... .................. S. 55

4 Konventionelle und simultane Produktentwicklung, Ablliufe bis zur Serienproduktion .............. .......... ... .......... ........ .. ......... ... ..... S. 56

5 Vertriebskosten Muster zur Ermittlung der Vertriebsspanne ......... .................. .. ... ........ S. 57 oben

6 Beispiel "Retrograde Kalkulation" ................................................... S. 57 unten

7 Vertriebskosten in mehreren Geschliftsfeldem Muster zur Ermittlung der Vertriebskosten und Soll-Herstellkosten .......... S. 58

8 Gedankliche Grundlage zur Entwicklung der Konzeption ........................ S. 138

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Der Autor

Dr. Siegfried SchrOder ist Untemehmensberater mit Sitz in MUnchen. Er konzen­trierte seine Aktivitaten auf die Allroundberatung des Topmanagements mit Schwer­punkten der Strategie- und Nachfolgeberatung. Bis 1987 war er geschaftsflihrender Gesellschafter der Dr. SchrOder und Partner Untemehmensberatung in Bielefeld, ein Team von Spezialberatem mit bis zu 25 Mitarbeitem. Daneben gehorte er zahlreichen Aufsichts-, Beirats- und FUhrungsgremien der Wirtschaft an. Besonders am Herzen lag ihm das Betriebswirtschaftliche Seminar der Industrie- und Handels­kammer Ostwestfalen zu Bielefeld, eine Institution zur Weiterbildung von FUh­rungskraften. Sie geht auf seine Initiative zurUck, er leitete sie Uber zehn Jahre. Neben seinem beruflichen Engagement war er neun Jahre lang Mitglied des Vor­standes des Bundesverbandes Deutscher Untemehmensberater (BDU), Bonn, davon sechs Jahre Vorsitzender des Vorstandes bis 1978, dann Vorsitzender des Beirats bis 1981 und bis heute Ehrenmitglied des BDU.

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Weitere Fachliteratur

Hans von Bergen / Beat Bouquet Unternehmen Oberlebens­fihig machen Zukunft und Erfolg als Organismus-Unternehmen 164 Seiten, 48,- OM

Gerhard Bernau Mit der richtigen I nformationsverarbeitung auf Erfolgskurs Checklisten, Hilfen und Empfehlungen fOr Unternehmer 232 Seiten 78,- OM

Axel Gasche Mergers & Acquisitions im Mittelstand Unternehmen und Beteiligungen geziehlt kaufen und verkaufen 199 Seiten, 89,- OM

Nico U. Helling Strategieorientierte Unternehmensbewertung Instrumente und Techniken 168 Seiten, 68,- OM

Albert Preis Strategisches Controlling Mit System Chancen und Risiken frOhzeitig erkennen 184 Seiten, 68,- OM

Hannspeter Riedel Unternehmensnachfolge regeln Strategien und Checklisten fOr den erfolgreichen Generationswechsel 2. Auflage, 195 Seiten, 58,- OM

Uwe Stoltenberg / Michael Funke Betriebliches Cko-Controlling Leitfaden fOr die Praxis 224 Seiten, 68,- OM

Jarn F. Voigt Unternehmensbewertung und Potentialanalyse Chancen und Risiken von Unternehmen treffsicher bewerten 160 Seiten, 48,- OM

Ludwig Waldherr / Hedy Fuchs-Waldherr Mobilmachung im Mittelstand Wie Sie Ihre Organisation fit machen 135 Seiten, 48,- OM

Rudolf Wimmer u.a. Familienunternehmen -Auslaufmodell oder Erfolgstyp 349 Seiten, 78,- OM

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