Upload
isold-strohm
View
109
Download
1
Embed Size (px)
Citation preview
Flüssigkeit und Ernährung 1
Ernährung und Flüssigkeit
Dr. Susanne RollerPalliativstation St. Johannes von Gott
Krankenhaus Barmherzige Brüder München
Flüssigkeit und Ernährung 2
Grundsätze zur Sterbebegleitung
Basisbetreuung: Menschenwürdige Unterbringung, Zuwendung, Körperpflege, Lindern von Schmerzen, Atemnot und Übelkeit sowie Stillen von Hunger und Durst.
Flüssigkeit und Ernährung 3
Fallbeispiel Teil 1
• 60 j. Pat., Kolonkarzinom, bekannte Lebermetastasen, Ehefrau versorgt ihn zuhause.
• Die Ehefrau klagt: „Er isst mir nichts mehr, dabei koche ich schon immer sein Leibgericht.“
• Der Patient berichtet, dass er „kaum Hunger hat und gerne etwas essen würde.“
Flüssigkeit und Ernährung 5
Ernährung bei Kranken
• Steigerung der Lebensqualität
• Aufrechterhalten der Körperfunktionen
• Steigerung der Immunität
• Verbesserung der Pflegemöglichkeiten
• Verringern der Komplikationen
Flüssigkeit und Ernährung 6
„Verhungern“ und „Verdursten“
• Hunger/Durst: subjektive Empfindungen
• palliativmedizinische Erfahrung– in der Sterbephase i.d.R. kein Appetit, kein
Hunger – Durst: korreliert nicht mit der
Flüssigkeitszufuhr– Mundpflege, kein Sauerstoff
Flüssigkeit und Ernährung 7
Ärztliches Handeln
• Aufgabe des Arztes ist es,• unter Beachtung des
Selbstbestimmungsrechtes des Patienten• Leben zu erhalten, Gesundheit zu schützen
und wieder herzustellen• sowie Leiden zu lindern• und Sterbenden bis zum Tod beizustehen.
Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung
Flüssigkeit und Ernährung 8
Therapiebegrenzung
So gibt es Situationen, in denen sonst angemessene Diagnostik und Therapieverfahren nicht mehr angezeigt und Begrenzung geboten sein kann.
Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung
Flüssigkeit und Ernährung 9
Verantwortung des Arztes
Art und Ausmaß einer Behandlung sind gemäß der medizinischen Indikation vom Arzt zu verantworten
Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung
Flüssigkeit und Ernährung 10
EAPC-Richtlinien
• Therapieziel definieren
• Entscheidung Treffen
• Regelmäßige Reevaluation des Patienten, der Entscheidung und der aktuellen Therapieindikation
Flüssigkeit und Ernährung 11
Fragen zum Essen
• Hat der Mensch Hunger?
• Welche Symptome sollen sich bessern?
• Was ist das Ziel dieses Menschen?
• Lebenserwartung?
• Alternativen?
Flüssigkeit und Ernährung 13
„Liebe geht durch den Magen“
• Ängste der Angehörigen– „Wir können ihn doch nicht verhungern
lassen“
• Aufklären– Energiebedarf, Reserven, Getränke
• Alternativen zeigen– Mundpflege, Massage, Vorlesen, ...
Flüssigkeit und Ernährung 14
Essen ist kein „Muss“
• Energiebedarf
• Stoffwechselumstellung
• Reserven
• Getränke
• Handlungsalternativen
• Mundpflege
Flüssigkeit und Ernährung 15
Alte Ernährungsweisheiten
• Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht.
• Ein guter Koch ist ein guter Arzt.
• Besser eigenes Brot als fremder Braten.
• Ein freundlich Angesicht ist das halbe Zugemüse.
• Kumpane (cum pane – der das Brot mit mir teilt)
Flüssigkeit und Ernährung 16
Flüssigkeit und Ernährung 17
Ernährungsberatung
• Per os• Wunschkost• Kleine Portionen• Kühl, frisch, weich• Selbstgemacht• Getränke
• In Gesellschaft• Symptomkontrolle• Erwartungen• Medikamentöse
Appetitsteigerung– Kortison– Canabis
Flüssigkeit und Ernährung 18
Fallbeispiel Teil 2
• Seit einigen Tagen kann der Pat. nichts mehr bei sich behalten, selbst Wasser wird erbrochen.
• Stuhlgang war vor wenigen Tagen eine kleine Portion, seither keine Darmentleerung mehr.
• Die Ehefrau hat Angst, dass ihr Mann jetzt verhungert.
Flüssigkeit und Ernährung 19
Ileus
• Diagnose Ileus– Magenausgangsstenose– Peritonealkarzinose
• Therapieziel Symptomkontrolle?
• „Tun Sie alles, damit dieses Erbrechen aufhört, ich möchte doch noch ein bisschen leben“
Symptome
• Erbrechen– Übelkeit
• Schmerzen– Krampfartig
• Exsiccose– Resorptionsstörung
Therapieoptionen
• ?
Flüssigkeit und Ernährung 22
Therapieplanung
• Operation– I.v.-Flüssigkeit– Magensonde– Ggf. Antibiose
• Konservativ– Therapie der
einzelnen Symptome– „Ruhigstellen“ des
Darms
Prävalenz
• In Palliativstationen/Hospizen 15%• Tumorbezogen
– Alle Tumorerkrankungen 5%– Ovarialkarzinom 5 – 45%– Kolo-Rektale Karzinome 5 – 25%
• Lokalisation– Dünndarm 61%, Dickdarm 33%– Mehrere Lokalisationen 20%
Symptome
• Hauptsymptome– Übelkeit– Erbrechen
• Nebensymptome– Diarrhoe– Obstipation– Kachexie– Singultus– Meteorismus– Anorexie
Symptome
Lokalisation Erbrechen Schmerzen Blähungen
Magenausgang +++ unverdaut
+ -
Dünndarm + ++ Epigastrium +
Kolon (++) spät + paraumbilical +++
Therapieentscheidung
OP indiziert
Magensonde
i.v. Flüssigkeit
Keine OP geplant
Symptomorientiert
Symptomorientierte Therapie
• Antiemese
• Analgesie
• Nahrung nach Wunsch
• Trinken bzw. Eiswürfel
• Mundpflege
Magensonde und i.v.Flüssigkeit nur selten nötig
Ileus und Nahrungsaufnahme
• Wunschkost zur Wunschzeit!
• Leichte, flüssige Kost bevorzugt
• Mundpflege (Kauen)
• Parenterale Flüssigkeitsgabe bei Durst (Versuch mit 500 – 1000 ml)
• Kein Nachweis einer Verbesserung der LQ oder Lebensverlängerung
Antiemese
• Haloperidol (Mittel der Wahl)
• Dimenhydrinat
• Dexamethason
• MCP (Prokinetikum) nur, wenn inkomplette Obstruktion oder funktionelle Störung
Flüssigkeit und Ernährung 30
Parenterale Gabe
• Spritzenpumpe i.v. oder s.c.– Metamizol– Buscopan– Morphin– Haloperidol– Dimenhydrinat– MCP nur bei inkompletter Obstruktion
Flüssigkeit und Ernährung 31
Parenterale Gabe
• Spritzenpumpe i.v. oder s.c.– Metamizol 5 g– Buscopan bis 380 mg– Morphin 10 mg nach Klinik– Haloperidol 2,5 – 5 mg– Dimenhydrinat 100 – 200 mg
Flüssigkeit und Ernährung 32
PEG
• Endoskopische Anlage zur Sekretableitung bei hohem Verschluss
• Trinken möglich (LQ)• Relative Kontraindikation (Diaphanie)
– Aszites– Peritonealkarzinose– Tumorinfitration in den Magen
Transkutane Ablaufsonde
• Schwerkranker Patient mit hohem GI-Verschluss
• Übelkeit, Erbrechen, abdominelle Schmerzen, Retentionsmagen
• Magensonde/Endoskopie nicht möglich
• Symptomatische Therapie erfolglos
Hutchinson, Pall Med 2008
Transdermaler Magenablauf
Vergleichbar einem suprapubischen Blasenkatheter
Flüssigkeit und Ernährung 35
PEG
• Das Legen einer Ernährungssonde ist in jedem Fall ein Eingriff, der die Zustimmung des Patienten (oder seines Vertreters) voraussetzt
• Eine liegende PEG muss nicht zur Ernährung benutzt werden
Flüssigkeit und Ernährung 36
PEG bei fortgeschrittener Demenz
(Finucane et al., JAMA 1999; GIllick, NEJM 2000)
• Studien zeigen keinen Hinweis auf– Lebensverlängerung– Verbesserung des Ernährungsstatus– Verbesserung der Lebensqualität– Verbesserte Wundheilung bei Dekubitus– Verringerung der Aspirationsgefahr
Flüssigkeit und Ernährung 37
Nebenwirkung der PEG(Finucane et al., JAMA 1999; GIllick, NEJM 2000)
• Infektionen (lokal und systemisch)
• Verlust der Freude am Essen
• Verringerung der pflegerischen Zuwendung
Flüssigkeit und Ernährung 38
Indikation für PEG
• Neurologische Erkrankungen mit Schluckstörung
• Stenosen im Oesophagus
• Ablauf-PEG (Ileus)
Flüssigkeit und Ernährung 39
Keine Indikation für PEG
• Langsames Schlucken
• Fehlender Hunger
• Tumorkachexie
• Rascher Progress einer fortschreitenden, zum Tode führenden Erkrankung
Flüssigkeit und Ernährung 40
Kontraindikation für PEG
• Fehlendes Einverständnis
• Gerinnungsstörung
• Peritonitis
• Aszites
• Magenkarzinom
• Tumore im Epigastrium
Flüssigkeit und Ernährung 41
Probleme
• Einlagern - Dekubitus
• Anregen der gastrointestinalen Sekretion
• Erbrechen, Diarrhoe
• Volumenbelastung
• DK notwendig
• Hirndruck
Flüssigkeit und Ernährung 42
Probleme
• Weckt falsche Hoffnungen
• Bindet Zeit, Aufmerksamkeit und Kosten
• Ist Zeichen der Unfähigkeit, Sterben zu zulassen
Flüssigkeit und Ernährung 43
Fallbeispiel Teil 3
• Der Patient ist nach mehreren Tagen inzwischen bettlägerig, klinisch Zeichen des Leberversagens mit Gelbsucht, Wasseransammlung im Bauch, Gewichtsabnahme und Schläfrigkeit.
• Aus früheren Gesprächen ist bekannt, dass er zuhause sterben will.
• Die Ehefrau begrüßt mit der Frage „Wird mein Mann jetzt verdursten?“
Flüssigkeit und Ernährung 44
Geistige Nahrung
Krankensalbung - Nahrung für Körper,
Seele und Geist
Flüssigkeit und Ernährung 45
Wasser des Lebens
Wenn er davon trinkt,so wird er wieder gesund.
Flüssigkeit und Ernährung 46
Durst bei Sterbenden
Wenn einer alt wird und nicht mehr trinkt, soll man ihm das Grab schaufeln
Spanisches Sprichwort
Flüssigkeit und Ernährung 47
Twycross 1988
„Der Patient ist sehr schwach, zumeist bettlägerig, schläfrig für lange Perioden mit stark limitierter Konzentrationszeit. Es besteht zunehmendes Desinteresse an Nahrung und an Flüssigkeit“.
Flüssigkeit und Ernährung 48
„Mich dürstet“
• Was will der sterbende Mensch?– „Mich dürstet“
• Was braucht der sterbende Mensch?– Flüssigkeit – Schmerzmittel („Galle“)– Leid (mit) tragen (helfen)– Sedierung („Wein“)
Flüssigkeit und Ernährung 49
Terminale Flüssigkeitsgabe
• Eine einmal begonnene Flüssigkeitsgabe/Ernährung kann und darf auch wieder beendet werden
• Laborwerte helfen nicht weiter bei der Entscheidung
Flüssigkeit und Ernährung 50
Ängste der Angehörigen
• Wir können ihn doch nicht verhungern lassen
• Aber der Doktor hat gesagt ...
• Medien (Terry Schiavo)
„Das Gegenteil von gut ist gut gemeint“
Flüssigkeit und Ernährung 52
Terminale Dehydration
• Durst und Mundtrockenheit dürfen nicht gleichgesetzt werden
• Mundpflege kann den Durst lindern
• Die meisten Sterbenden können schluckweise trinken
• Aufklärung nimmt die Angst vor dem „Verdursten“
Flüssigkeit und Ernährung 53
Das Gespräch mit den Angehörigen
• Aufklären– Energiebedarf
• In Ruhe ca. 300 – 400 kcal
– Flüssigkeitsbedarf• Meist 500 ml ausreichend
– Trinken ist auch Nahrung• Bier, Saft, Milch, süßen Tee
– Reserven
Flüssigkeit und Ernährung 54
Terminale Dehydration
• Haut• Niere• Magendarmtrakt• Körperflüssigkeiten• Elektrolyte• Psyche
• Weniger Ödeme• Weniger
Ausscheidung• Weniger Ergüsse• Weniger Schmerz-
wahrnehmung• Mehr Obstipation
Flüssigkeit und Ernährung 55
Flüssigkeit und Ernährung 56
Terminale Flüssigkeitsgabe
• Versuch über 3-5 Tage
• 500 ml NaCl
• Subkutan
• Symptomorientiert
Flüssigkeit und Ernährung 57
Therapieziel Palliativmedizin
Optimal statt maximal
Flüssigkeit und Ernährung 58
Flüssigkeit und Ernährung 59
Terminale Flüssigkeitsgabe
• Oral
• Sonden (nasal, oral, PEG)
• Katheter (peripher, zentral)
• Subkutan
• Rektal
Flüssigkeit und Ernährung 60
Das Gespräch mit den Angehörigen
• Alternativen zeigen– Mundpflege
• Liebe geht durch den Magen
– Hautpflege• Berühren
– Seelenpflege• An-gehören
Flüssigkeit und Ernährung 62
Mundpflegemittel
• Sekt, Bier, Wein, Tee, Kaffee, Saft, Cola
• Ananas, Pfirsich, Mango, Papaya
• Speck, Butter, Mandelöl, Sahne
• Gummibären, Geleefrüchte
• Sahneeis, SafteiswürfelAlles, was der Patient mag
Angehörige einbeziehen
Flüssigkeit und Ernährung 63
Ungeeignete Mundpflegemittel
• Glycerin
• Salbei
• Pfefferminze
• Infusionen
• Parenterale Ernährung
Flüssigkeit und Ernährung 64
Alternativen
• Dasein und Zuhören
• Vorlesen, Musik
• Massage (Aromatherapie)
• Haut-und Körperpflege
• Gespräche über den Sinn des Lebens
Flüssigkeit und Ernährung 65
Vorausschauend Klären
• Erwartungen an das verbleibende Leben
• Wünsche des Patienten bei Bewusstlosigkeit
• Aufhören ist schwerer als gar nicht erst anfangen
Flüssigkeit und Ernährung 66
Palliativ Handeln
• Absetzen– Medikamente, Infusionen, Kontrollen,
Prophylaxen
• Umsetzen– Subkutane Gabe, 24-Stunden-Gabe
• Sichern und Planen– Bedarfsmedikamente, Notfallplan
Flüssigkeit und Ernährung 67
Terminale Dehydration
• Geschehen (zu)-lassen
• Den nahen Tod akzeptieren
• Leiden lindern
• Komplikationen mindern
• Nicht Anbinden
• Zeit und Ressourcen „sinnvoll“ nützen
Flüssigkeit und Ernährung 68
ApokryphenJesus Sirach 41, 1 - 4
(1) Oh Tod, wie bitter bist du, wenn an dich gedenket ein Mensch, der gute Tage und genug hat, und ohne Sorge lebt (2) und dem es wohl geht in allen Dingen und der noch essen mag!
(3) Oh Tod, wie wohl tust du dem Dürftigen, (4) der da schwach und alt ist, der in allen Sorgen steckt und nichts Bessres zu hoffen noch zu erwarten hat!
Guten Abend