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296 | Phys. Unserer Zeit | 6/2006 (37) www.phiuz.de © 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim MAGAZIN | PHYSIK GESTERN UND HEUTE | Fragliche Teilchen: Felix Ehrenhafts Subelektronen Der Wiener Physikprofessor Felix Ehrenhaft (1879 – 1952) publizierte ab 1909 Arbeiten zur Bestimmung der quantisierten Elementarladung. Seine Experimente ergaben Werte, die weit unterhalb des von Millikan bestimmten Wertes der Elementarladung lagen. Als Konsequenz formu- lierte Ehrenhaft die Existenz von Subelektronen. Nachdem sich Ehrenhaft mit der Erforschung von Metallkolloiden einen Namen gemacht hatte, verwen- dete er entsprechende Teilchen auch in seinen Experimenten zur Bestim- mung der elektrischen Elementar- ladung. Diese Forschungsarbeiten nahmen er und Millikan unabhängig voneinander auf, dennoch sind die von beiden verwendeten Versuchs- aufbauten prinzipiell vergleichbar (Physik in unserer Zeit 2006, 37 (5), 227). Auch Ehrenhaft beobachtete kleine geladene Partikel in dem Feld eines Plattenkondensators. Allerdings war Ehrenhafts experi- menteller Aufwand deutlich größer als der Millikans. So verwendete er für die Beobachtungen ein so ge- nanntes Ultramikroskop nach Sieden- topf und Zsigmondy, das sich zur Beobachtung von submikroskopi- schen Partikeln eignete. Damit konnte Ehrenhaft das ihm bereits aus seinen früheren Forschungen ver- traute Quecksilberkolloid verwen- den, das er im Lichtbogen herstellte und mittels aufwändig getrockneten Stickstoffs in die Apparatur spülte. In seiner ersten Veröffentlichung zu diesen Messungen kam Ehrenhaft noch auf einen Wert der Elementar- ladung, der den theoretischen Erwar- tungen entsprach. Dann aber kam er zu dem Ergebnis, dass es auch noch kleinere Ladungen gab. Daraus fol- gerte er, dass Elektronen nicht die Träger der kleinsten elektrischen Ladung sein konnten und es „Sub- elektronen“ geben müsse. Ehrenhaft machte eine Reihe von Messungen, bei denen sich zunächst ein Drittel der Elementarladung als Ergebnis ergab, während er in den Veröffentlichungen der folgenden Jahre sogar Werte von einem Tau- sendstel der Elementarladung angab. Mit derartigen Resultaten stand er keineswegs allein, weitere Forscher seines Instituts kamen zu vergleich- baren Ergebnissen. Neben der Empfindlichkeit der Apparaturen besteht ein wesent- licher Unterschied zwischen Milli- kans und Ehrenhafts Arbeiten in der Auswertung: Ehrenhaft wertete jeden seiner Messwerte individuell aus, außerdem verwarf er auch keinen seiner Messwerte (oder die seiner Mitarbeiter). Millikan dagegen mittel- te die Messungen an einem Tropfen und betrachtete diese Werte als individuelle. Gleichzeitig schloss er einige Messwerte in seinen ersten Publikationen auch explizit aus. Ehrenhaft wertete im Laufe der Diskussion dann auch Millikans Messwerte nach seinen Prinzipien aus und kam erneut zu Werten, die mit einer Elementarladung nicht vereinbar waren. Ehrenhafts Arbeiten wurden zwar anfangs diskutiert, allerdings zeigte sich recht bald, dass Ehrenhaft keine Unterstützung erhielt. Dennoch publizierte er bis in die 1940er-Jahre hinein noch Arbeiten, in denen er seine These der Subelektronen ver- trat. Zu diesem Zeitpunkt hatte er aus Wien bereits über England in die USA flüchten müssen. Literatur [1] G. Holton, Subelektronen, Vorausannah- men und die Debatte Millikan – Ehrenhaft, in: G. Holton (Hrsg.), Die Physik Einsteins und seiner Zeit, Suhrkamp, Frankfurt 1981, S. 50. [2] A. Makus, Blätter für Technikgeschichte 2002, 64, 25. Peter Heering, Uni Augsburg, Andreas Makus, Uni Oldenburg Abb. 1 Ehrenhafts Versuchsaufbau aus dem Jahre 1914 zur Messung der Elementar- ladung an der Universität Wien. Diese Experimente hat Andreas Makus an der Universität Oldenburg mit den Originalgeräten nachvollzogen.

Fragliche Teilchen: Felix Ehrenhafts Subelektronen

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296 | Phys. Unserer Zeit | 6/2006 (37) www.phiuz.de © 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

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PH YS I K G E S T E R N U N D H EU T E |Fragliche Teilchen: Felix EhrenhaftsSubelektronen

Der Wiener Physikprofessor Felix Ehrenhaft (1879 – 1952) publizierteab 1909 Arbeiten zur Bestimmung der quantisierten Elementarladung.Seine Experimente ergaben Werte, die weit unterhalb des von Millikanbestimmten Wertes der Elementarladung lagen. Als Konsequenz formu-lierte Ehrenhaft die Existenz von Subelektronen.

Nachdem sich Ehrenhaft mit derErforschung von Metallkolloideneinen Namen gemacht hatte, verwen-dete er entsprechende Teilchen auchin seinen Experimenten zur Bestim-mung der elektrischen Elementar-ladung. Diese Forschungsarbeitennahmen er und Millikan unabhängigvoneinander auf, dennoch sind dievon beiden verwendeten Versuchs-aufbauten prinzipiell vergleichbar(Physik in unserer Zeit 2006, 37 (5),227). Auch Ehrenhaft beobachtetekleine geladene Partikel in dem Feldeines Plattenkondensators.

Allerdings war Ehrenhafts experi-menteller Aufwand deutlich größerals der Millikans. So verwendete erfür die Beobachtungen ein so ge-nanntes Ultramikroskop nach Sieden-topf und Zsigmondy, das sich zurBeobachtung von submikroskopi-schen Partikeln eignete. Damit

konnte Ehrenhaft das ihm bereits ausseinen früheren Forschungen ver-traute Quecksilberkolloid verwen-den, das er im Lichtbogen herstellteund mittels aufwändig getrocknetenStickstoffs in die Apparatur spülte.

In seiner ersten Veröffentlichungzu diesen Messungen kam Ehrenhaftnoch auf einen Wert der Elementar-ladung, der den theoretischen Erwar-tungen entsprach. Dann aber kam erzu dem Ergebnis, dass es auch nochkleinere Ladungen gab. Daraus fol-gerte er, dass Elektronen nicht dieTräger der kleinsten elektrischenLadung sein konnten und es „Sub-elektronen“ geben müsse.

Ehrenhaft machte eine Reihe vonMessungen, bei denen sich zunächstein Drittel der Elementarladung alsErgebnis ergab, während er in denVeröffentlichungen der folgendenJahre sogar Werte von einem Tau-

sendstel der Elementarladung angab.Mit derartigen Resultaten stand erkeineswegs allein, weitere Forscherseines Instituts kamen zu vergleich-baren Ergebnissen.

Neben der Empfindlichkeit derApparaturen besteht ein wesent-licher Unterschied zwischen Milli-kans und Ehrenhafts Arbeiten in derAuswertung: Ehrenhaft wertete jedenseiner Messwerte individuell aus,außerdem verwarf er auch keinenseiner Messwerte (oder die seinerMitarbeiter). Millikan dagegen mittel-te die Messungen an einem Tropfenund betrachtete diese Werte alsindividuelle. Gleichzeitig schloss ereinige Messwerte in seinen erstenPublikationen auch explizit aus.

Ehrenhaft wertete im Laufe derDiskussion dann auch MillikansMesswerte nach seinen Prinzipienaus und kam erneut zu Werten, diemit einer Elementarladung nichtvereinbar waren.

Ehrenhafts Arbeiten wurden zwaranfangs diskutiert, allerdings zeigtesich recht bald, dass Ehrenhaft keineUnterstützung erhielt. Dennochpublizierte er bis in die 1940er-Jahrehinein noch Arbeiten, in denen erseine These der Subelektronen ver-trat. Zu diesem Zeitpunkt hatte eraus Wien bereits über England in dieUSA flüchten müssen.

Literatur[1] G. Holton, Subelektronen, Vorausannah-

men und die Debatte Millikan – Ehrenhaft,in: G. Holton (Hrsg.), Die Physik Einsteinsund seiner Zeit, Suhrkamp, Frankfurt1981, S. 50.

[2] A. Makus, Blätter für Technikgeschichte22000022, 64, 25.

Peter Heering, Uni Augsburg,Andreas Makus, Uni Oldenburg

Abb. 1 Ehrenhafts Versuchsaufbau aus dem Jahre 1914 zur Messung der Elementar-ladung an der Universität Wien. Diese Experimente hat Andreas Makus an derUniversität Oldenburg mit den Originalgeräten nachvollzogen.