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XL .Jahrgang ANZEIGERFURSCHADLINGSKUNDE vereinzgtmit SCHAl)LINGSBEKAMPFUNG Begrundet1925vonGeh .-Rat Prof .Dr .med.et . P hil .Dr .h .c .Dr .h .c .K .Escherich TandProf .Dr .F.Stellwaag MitteilunganunsereLeser! Hierdurchbeehrenwirunsmitzuteilen,dollHerrProfessorDr.SiegfriedBombosch,Ordinariusdes ForstzoologischenInstitutsderGeorg-August-UniversitdtGottingen,Hann .Minden,indieHerausge- bergemeinschaftdes „Anzeiger furSchadlingskunde"eingetretenist . BerlinandHamburg,Januar1967,DieHerausgebergemeinschaft GedankenfiberdasGleielhgewicbtderNaturandeinige andereGrundbegriffe VonK . FRIEDERICHS EskannimLaufderZeitnichtausbleiben,dal3 Grundbegriffe,imvorliegendenFallsolcheder Okologie,amFortschrittderWissenschaftgemes- senandkritischerBetrachtungunterworfenwer- den .DaskannniitzlichseinuntergewissenVor- aussetzungen .Notigistdazu,dal3mandenDin- genaufdenGrundgehtbiszuphilosophischer Durchdringung(wennPhilosophiegrUndlichesand biszuEndeDenkenist),wobeiErkenntnistheorie besonderswichtigist,dennKontroversensindoft ineinererkenntnistheoretischenMeinungsver- schiedenheitbegriindet . DenNaturgebildenliegeninbestimmterSicht Ideenzugrunde,dieinihnenverwirklichtsind anddiedasLebendigeinsichverwirklichtl) .Da- mitistnichtsdarUberausgesagt,obtheseIdeen fursichexistentsindoderdemDingoderWesen immanentandnurinandmitihmgegeben .Natur- wissenschaftlichistvonderletzterenFormder Auffassungauszugehen .Indemwirsieerkennen, werdendieIdeeninunseremDenkenzuBegriffen, dadieNaturkeineBegriffekennt .Deshalbsind biologischeBegriffegrollenteilssoflieflend(dyna- misch),d .h .siesindoftStufenbegriffe,jenach Umstandenerweitertoderverengt ;dieAbgren- zungrichtetsichimEinzelfallnachderAbgren- zungdesvomUntersuchergemeintenGegenstan- des .Dasgiltz .B .vonderBiozonose ;einWaldist einesolche,aberauchdasLebenineinemTeich imWaldandaufderWaldwiese,andandrerseits kanndieUntersuchungzueinersolchendesBioms sicherweitern .DieBestimmungderjeweiligen raumlichenGrenzeeinerBiozonoseistalsovom Untersucherabhangig,wiewohlsienichtinwill- kUrlicherArtmoglichist,sondernobjektiveMerk- malefurdieBegrenzunggegebenseinmussen . DieBiozonoseallgemeinisteinobjektivgegebe- nerBegriff .Wirwerdendaraufnochzuruckkom- men . 1) Nr .7desLiteratur-Verzeichnisses . Heft1 PaulParey Verlagsbuchhandlung Januar1967 EinvielfachabgestufterBegriffist„derMensch" . GemeintseinkanndamitnurdieErscheinungdes MenschenoderderMenschmitLeibandSeele oderderwerdendeoderderalterndeMensch,der MenschineinembestimmtenAugenblickodervon derWiegebiszumGrabeoderimLaufederGe- schichte odergardesErdzeitalters,indenletzt- genanntenFallenalsoeinebewegteFolge .Be- sondersdannkommtmanmitstatisch-begriff- lichemDenkennichtaus,sondernesmullanschau- lichkombinierendesDenken,etwasgeheimnisvoll Intuitiongenannt,hinzukommen,fehltaberdann andwarm .- NeuereUntersuchungenfiberdieKonnexein derBiozonose,dieinengeremZusammenhang miteinanderstehen,alserallgemeinbesteht,sind eineVerfeinerungderKenntnis .Esgibtaberauch (allgemeingesprochen)Analysen,diedieKlarheit nichtodervorlaufig'nichtmehrfordern .Esseian dasWortvon FARADAY erinnert,alsmanihnfragte, wasElektrizitatsei .Erantwortete :,Vorfiinfund- zwanzigJahrenhatteichesIhnennochsagenkon- nen,jetztnichtmehr ."EsgibtalsoGrenzendes BohrensbeiNaturbegriffen .Andrerseitshatdie immerweitergehendeTeilungderMaterieinder Mikrophysik,wiejederweil3,phanomenaleEr- gebnisse,wennsieauch schliefilich fiberdieNa- turwissenschafti1blicherObservanzhinauszufiih- renscheinenindiePhilosophicalsOntologie . GeradedaswillunsalsdergrollteGewinnanEr- kenntnisdabeibediinken . DadieNaturkeineBegriffeandwenigscharfe Grenzenkennt,eigentlichnurdiedesIndividuums, sosindvieleBegriffeunscharf,soderArtbegriff . SieistdieFortpflanzungsgemeinschaft,aberes kommtvor,dal3sieengeroderweiteristalsdie Art .Indel3,wennesauchanGrenzenmangeltin derNaturanddiemeistenvonihnen menschliche Vorstellungen,HilfsmittelunseresVerstandes andzurVerstandigungnotigsind,soentsprechen

Gedanken über das Gleichgewicht der Natur und einige andere Grundbegriffe

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XL. Jahrgang

ANZEIGER FUR SCHADLINGSKUNDEvereinzgt mit

SCHAl)LINGSBEKAM PFUNG

Begrundet 1925 von Geh .-Rat Prof. Dr. med. et . P hil . Dr . h . c . Dr . h . c . K . Escherich T and Prof . Dr. F. Stellwaag

Mitteilung an unsere Leser!Hierdurch beehren wir uns mitzuteilen, doll Herr Professor Dr. Siegfried Bombosch, Ordinarius des

Forstzoologischen Instituts der Georg-August-Universitdt Gottingen, Hann . Minden, in die Herausge-bergemeinschaft des „Anzeiger fur Schadlingskunde" eingetreten ist .

Berlin and Hamburg, Januar 1967, Die Herausgebergemeinschaft

Gedanken fiber das Gleielhgewicbt der Natur and einigeandere Grundbegriffe

Von K . FRIEDERICHS

Es kann im Lauf der Zeit nicht ausbleiben, dal3Grundbegriffe, im vorliegenden Fall solche derOkologie, am Fortschritt der Wissenschaft gemes-sen and kritischer Betrachtung unterworfen wer-den. Das kann niitzlich sein unter gewissen Vor-aussetzungen . Notig ist dazu, dal3 man den Din-gen auf den Grund geht bis zu philosophischerDurchdringung (wenn Philosophie grUndliches andbis zu Ende Denken ist), wobei Erkenntnistheoriebesonders wichtig ist, denn Kontroversen sind oftin einer erkenntnistheoretischen Meinungsver-schiedenheit begriindet .Den Naturgebilden liegen in bestimmter Sicht

I d e e n zugrunde, die in ihnen verwirklicht sindand die das Lebendige in sich verwirklichtl) . Da-mit ist nichts darUber ausgesagt, ob these Ideenfur sich existent sind oder dem Ding oder Wesenimmanent and nur in and mit ihm gegeben . Natur-wissenschaftlich ist von der letzteren Form derAuffassung auszugehen . Indem wir sie erkennen,werden die Ideen in unserem Denken zu Begriffen,da die Natur keine Begriffe kennt . Deshalb sindbiologische Begriffe grollenteils so flieflend (dyna-misch), d. h. sie sind oft Stufenbegriffe, je nachUmstanden erweitert oder verengt ; die Abgren-zung richtet sich im Einzelfall nach der Abgren-zung des vom Untersucher gemeinten Gegenstan-des. Das gilt z . B. von der Biozonose ; ein Wald isteine solche, aber auch das Leben in einem Teichim Wald and auf der Waldwiese, and andrerseitskann die Untersuchung zu einer solchen des Biomssich erweitern . Die Bestimmung der jeweiligenraumlichen Grenze einer Biozonose ist also vomUntersucher abhangig, wiewohl sie nicht in will-kUrlicher Art moglich ist, sondern objektive Merk-male fur die Begrenzung gegeben sein mussen .Die Biozonose allgemein ist ein objektiv gegebe-ner Begriff. Wir werden darauf noch zuruckkom-men.

1 ) Nr . 7 des Literatur-Verzeichnisses .

Heft 1

Paul PareyVerlagsbuchhandlung

Januar 1967

Ein vielfach abgestufter Begriff ist „der Mensch" .Gemeint sein kann damit nur die Erscheinung desMenschen oder der Mensch mit Leib and Seeleoder der werdende oder der alternde Mensch, derMensch in einem bestimmten Augenblick oder vonder Wiege bis zum Grabe oder im Laufe der Ge-schichte oder gar des Erdzeitalters, in den letzt-genannten Fallen also eine bewegte Folge . Be-sonders dann kommt man mit statisch-begriff-lichem Denken nicht aus, sondern es mull anschau-lich kombinierendes Denken, etwas geheimnisvollIntuition genannt, hinzukommen, fehlt aber dannand warm. -Neuere Untersuchungen fiber die Konnexe in

der Biozonose, die in engerem Zusammenhangmiteinander stehen, als er allgemein besteht, sindeine Verfeinerung der Kenntnis. Es gibt aber auch(allgemein gesprochen) Analysen, die die Klarheitnicht oder vorlaufig 'nicht mehr fordern . Es sei andas Wort von FARADAY erinnert, als man ihn fragte,was Elektrizitat sei . Er antwortete : ,Vor fiinfund-zwanzig Jahren hatte ich es Ihnen noch sagen kon-nen, jetzt nicht mehr ." Es gibt also Grenzen desBohrens bei Naturbegriffen. Andrerseits hat dieimmer weiter gehende Teilung der Materie in derMikrophysik, wie jeder weil3, phanomenale Er-gebnisse, wenn sie auch schliefilich fiber die Na-turwissenschaft i1blicher Observanz hinauszufiih-ren scheinen in die Philosophic als Ontologie .Gerade das will uns als der grollte Gewinn an Er-kenntnis dabei bediinken .Da die Natur keine Begriffe and wenig scharfe

Grenzen kennt, eigentlich nur die des Individuums,so sind viele Begriffe unscharf, so der Artbegriff .Sie ist die Fortpflanzungsgemeinschaft, aber eskommt vor, dal3 sie enger oder weiter ist als dieArt. Indel3, wenn es auch an Grenzen mangelt inder Natur and die meisten von ihnen menschlicheVorstellungen, Hilfsmittel unseres Verstandesand zur Verstandigung notig sind, so entsprechen

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K. FRIEDERICHS : Gedanken fiber das Gleichgewicht der Natur

ihnen doch, wie schon gesagt, I d e e n, die den Na-turgebilden and Naturerscheinungen zugrundeliegen. Der ,Bauplan" einer Tiergruppe wird trotzdieser Bezeichnung meist als ein rein kausales Er-gebnis aufgefaBt oder doch behandelt . U . E . liegtaber eine (im Lauf der Evolution sich wandelndeoder abgeloste) Idee zugrunde .

Diese Einleitung ist notig fur manches Folgende .Dynamik des Denkens ist unentbehrlich zum min-desten fur allgemeine Fragen . -

Die Verhaltnisse komplizieren sick vollends,wenn Natur in Frage kommt, die anthropogenverandert and von Grund aus umgestaltet wordenist, wie heute in der Regel . Vermutlich hat dastreffliche Buch des Ehepaares MILNE fiber dasGleichgewicht in der Natur den AnstoB gegeben,daB die Berechtigung der Anwendung dieses Be-griffes auf anthropogene Landschaften in der Ver-sammlung der Deutschen Gesellschaft fur ange-wandte Entomologie 1965 erortert and von demReferenten verneint wurde . Dies wiederum warder AnlaB, das der Herausgeber dieser Zeitschriftdem Verfasser nahelegte, sich dazu zu auBern, washiermit an dieser Stelle geschehen soil, da dasProblem grundwichtig fur den Pflanzenschutz ist .Vorerst aber mag bei dieser Gelegenheit ein Blickauf einige andere okologische Grundbegriffe ge-worfen werden .

Zunachst handelt es sich nicht um einen Begriff,sondern um einen Namen. Als der Verfasser inden dreiBiger Jahren das Gefiige einer Landschaftoder das einer Biozonose mit ihrem Biotop als,,Zon" begrifflich zusammenfaBte, dabei ungluck-licherweise zugleich ,Holozbn" zur Wahl stellend,anstatt die letztere Bezeichnung auf das Gesamt-leben nebst Umwelt zu beschranken (wofur sieheute noch passend rein mag), fand zwar der Be-griff Eingang in das Schrifttum, aber der Namenicht, obgleich er zugleich zu Zusammensetzungenwie „Abiozbn" (Boden + Klima = Biotop) and,,Merozon" sehr geeignet and bisher durch keinganz treffendes Wort ersetzt ist . Denn die Bezeich-nung ,Ukosystem", die sich eingebii.rgert hat, istinsofern nicht eindeutig, als z . B, auch das Gefi gedes Individuums mit seiner Umwelt (das ,Mono-zon") ein Okosystem ist, die Biozonose ohne denBiotop ebenfalls usw. Aber man kann das Oko-system dieser mit dem Biotop als das Okosystemsensu stricto gelten lessen, and das sei hiermit inrealistischer Anpassung an das Gegebene emp-fohlen, dies um so mehr, als man auch sonst der-gleichen Ungenauigkeiten im Ausdruck in derBiologie konstatieren kann . Es scheint, daB in ge-wissen Fallen vdlliger Prazision in gewissen Aus-driicken ein innerer Widerstand des Gefiihls ent-gegensteht, z . B. ist der Ausdruck ,Mutante" fureine bereits mutierte Form nicht prazis, es muBtelogisch ,Mutat" heiBen, aber das mochte pedan-tisch erscheinen .Hierbei kann auch auf nationale Eigentumlich-

keiten der okologischen Nomenklatur hingewie-sen werden, wie z. B, auf den Ausdruck Nische",der bei uns denjenigen Komplex von Faktoren be-

zeichnet, der das Leben einer Art an der betreffen-den Stelle ermoglicht. Im angels achsischen Sprach-bereich scheint das Wort „Nische" anders ge-braucht zu werden; wir haben alle Ursache, an deruns gewohnten, praktisch sehr brauchbaren Be-deutung festzuhalten .In Japan scheint man statt unseres „Oko-

systems" von „Biozonose" zu sprechen and stattunserer „Biozonose" von Okosystem2 ) . Solche na-tionalen Eigentumlichkeiten lassen sich offenbarschwer vermeiden and werden den Kundigen we-nig storen. Von einem weiteren Beispiel solcherArt soil in anderem Zusammenhang unten dieRede sein .Etwas anderes : Nicht geht es an, das Okosystem

als Biozonose zu bezeichnen, womit der Biotopeinfach wegfallt (13, 14) . DaB das nicht angeht, er-kennt man, indem man z. B. sich vor Augen halt,daB seibstverstandlich sowohl in der Wissenschaftwie in der Umgangssprache die Bevolkerung etwavon Liibeck von dem Raum Ltibeck unterschiedenwerden mull, dementsprechend auch die Biozonosevom Biotop .

Was fuhrt zu jener unmoglichen Simplifikationdes Okosystems zur „Biozonose"? Dafur wird gel-tend gema.cht, es gabe kein Gleichgewicht der Bio-

o e fur and in sich and andrerseits des Abio-s des Biotops fiir sich, sondern nur ein gemein-

hes in beiden zusammen, das Gleichge-Okosystems. Aufs groBe

Ga e spharischenVorgange, iefs, Tempe-raturgefalle, nicht zu . Sie I sich unab-hangig von belebten Faktoren. A er das Stand-ortklim.a, die ortliche Variante des allgemeinenKlimas, allerdings wird durch belebte Faktorenstarkstens bestimmt, and andrerseits funkt in dieSelbstregelung der Biozonose das Wetter dauerndhinein. Aucth sind beide Arten von Selbstregulie-rung besonders stark verzahnt durch die Wande-rung von Stoffen mit der Ernahrung von Lebe-wesen, indem sie letztlich aus dem Boden and beiPflanzen vor allem direkt aus der Atmospherestammen and im Kreislauf von Werden, Lebens-lauf and Vergehen zur Erde and in die Atmo-sphere zur- ckgelangen. So kommt es also nicht zueiner Gleichgewichtsregelung von Biotop and Bio-zonose je fiir sich. Unter bestimmten Umstandenmag es sie aber innerhalb der Biozonose geben .In Tropengebieten ohne ausgesprochene Regen-zeit, wo infolgedessen das Klima wenig schwankt,ist vermutlich die Biozonose in der Lage sich selbststandig zu regulieren . Man beachte hierzu auchdie Art der Fluktuationen von Saugetier-Popula-tionen, wo sie sich ungehindert vermehren kon-nen. Im hohen Norden bewegt sich die Vermeh-rung bis zu einem Maximum ; dann erfolgt Abfallzu einem Minimum, ohne EinfluB des Klimas, zu-folge intra- and interspezifischer Beziehungen .Wir behaupten daher: Die Biozonose hat poten-tiell uberall die Fahigkeit zu eigener Regulierungihres Gleichgewichts, faktisch aber in der Regel

2) Nr. 12 des Literatur •Verzeichnisses .

K. FRIEDE1UCHS : Gedanken fiber das Gleichgewicht der Natur

nicht, weil sie eines grolleren Gleichgewichts-systems, mit diesem verflochten ist, selbst aberauch ein solches System von Wirkungen and Ge-genwirkungen3) .

Von jener Seite wird auch geltend gemacht, dieBiozonose konne nicht als Ganzes zum Biotop inBeziehung gesetzt werden. Das ist leicht zu wider-legen. Man weiB, daB ursprunglich nicht von Le-ben bewohntes Gelande erst durch die Besiedelungzum Biotop geformt wird durch die Succession derBiozonose bis zur Klimax . Andrerseits ist die all-mahlich eintretende Veranderung des Gelandes,seiner Bodenbeschaffenheit and seines Klimas mitdem Resultat eines Standortklimas bestimmendfur die Beschaffenheit der Biozonose . Wer kannverkennen, daB z. B . die Wiiste die Beschaffenheitaller ihrer Bewohner bestimmt, bei den Pflanzensogar einen ubereinstimmenden Habitus, wah-rend die Tierarten sich zwar in verschiedenerWeise gegen das lebensfeindliche Klima schiitzen,namlich der Straull durch grole Schnelligkeit, dieDurststrecken zu uberwinden befahigt, die Mehr-zahl der Tiere durch nachtliche Aktivitat alsSchutz gegen die sengende Sonne, Insekten andReptilien auch durch Pigmentierung usw . Immerist es der extremste Faktor, der die Beschaffenheitder Biozonose als eines Ganzen bestimmt, das sieist, indem die Tierarten nicht nur auf den Extrem-faktor, in der Wiiste also auf starkste Sonnen-strahlung and auf Trockenheit abgestimmt sind,sondern auch aufeinander . Genau so tragen dieTiere der Tiefsee ein gemeinschaftliches Geprage,das sick aus dem Druck der Wassersaule uberihnen, dem Dunkel and dem Fehlen einer Pflan-zenwelt erklart .

Dies geniigt im Grunde zu zeigen, wie Biozo-nose and Biotop als Ganzes zueinander in Bezie-hung gesetzt werden konnen. Aber betrachten wirnoch dasselbe an einem Beispiel in unserer ge-mal3igten Zone, einem Vergleich von reinem Kie-fernwald and Mischwald im norddeutschen Flach-land. Der Ausgangspunkt des Vergleichs weisteine Verschiedenheit auf: Auch der Mischwaldkann auf Sandboden stehen, aber dieser mull mehrWasser enthalten als fur die Kiefern ausreicht .Zwischen diesen kann bei hochsommerlicher Hitzedie relative Luftfeuchtigkeit bis 25°/o absinken, dieHitze so stark werden, daB sie Arbeiten darin nurin frtihen and spaten Tagesstunden zulallt andaufsteigende Regenwolken, die herbeiziehen, ein-fach auflost . Nachts wird es kiihl, weil die Tages-warme nicht in den trockenen Boden abgeleitetwird, sondern in den Luftraum nach oben ent-weicht .Anders im Mischwald . Hier kann der feuchte

Boden Tageswarme in sich aufnehmen and nachtsteilweise zuruckgeben ; auch sorgt eine reichlicheVerdunstung aus den Blattspreiten fur Abkiihlungand frische Luft. Es herrscht deshalb ein ausge-glichenes Bestandsklima . Dieses ist in beiden ver-glichenen Fallen wesentlich veranlait durch dieBiota, in erster Linie durch die Pflanzenwelt, in

3) Genauer in Nr. 8 des Literatur-Verzeichnisses, S . 125 ff.

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sehr geringem Mafle durch die Tierwelt, aber mitihr, durch das Ganze der Biota .Genug hiervon . Es ist ziemlich selbstverstand-

lich, „aber nichts ist weniger selbstverstandlich alsdas Selbstverstandliche" . Ohne Unterscheidungvon Biotop and Biozonose ist keine okologischeAnalyse moglich. Solche unterscheidet innerhalbdes allgemeinen Gleichgewichts des Okosystemsviele einzelne Gleichgewichte, z . B. den Kreislaufdes Wassers and zwischen einer Insektenpopu-lation and ihren Parasiten . Auch unser Orga-nismus hat neben seinem allgemeinen Gleich-gewicht, vielmehr innerhalb desselben, Einzel-gleichgewichte, z . B . im Nervensystem das vonSympathicus and Vagus, ferner der Blutzucker-spiegel . Das Faktum, daB das Gl . der Biozonoseimmer oder in der Regel mit Faktoren des Abio-zons (= Biotop) unlosbar verkniipft ist, and auchumgekehrt, ist so wenig ein Grund, auf den Begriffdes Biotops zu verzichten and unter dem BegriffBiozonose das gesamte Okosystem zu verstehen,wie wir auf die Einzelgleichgewichte in der Ana-lyse verzichten konnen .

Einfach stellte man sich die Regelung der Biozo-nose vor, als die Okologie noch in den Kinder-schuhen steckte ; die Mitwirkung unbelebter Fak-toren fand keine hinreichende Bewertung, bisBODENHEIMER sie unterstrich, dabei iffier das ZielhinausschieBend, indem er nur these Regelunganerkannte . Es ist typisch, daB der Neuerer seinenFund uberbewertet and ausdehnt, bis die Kritikihm seine Grenzen setzt, die im erwahnten Fallvon seiten des Verfassers erfolgte (4, 5) . Der psy-chologisch begriindete Vorgang der Uberbewer-tung wiederholt sich oft ; vielleicht liegt er auchbei der Unterbewertung des Begriffes „Biotop"zugunsten der Biozonose vor, indem deren Ver-treter die Berichtigung des Begriffes „Hebitat" 4)gelungen war . Schwenke stellte mit Recht fest, daBdas Hebitat, wie es der Verfasser auffalte (5), nam-lich immer als einen Bestandteil des Biotops, zu er-ganzen sei durch die Feststellung, daB die Bezie-hung des Lebewesens zu seinem Hebitat auch einebiozonotische sein konne, z . B. die Mistel auf demBaumzweig, Ekto- and Entoparasiten, daB alsodas Hebitat, allgemein gesprochen, Teil des Oko-systems sei, nicht des Biotops oder der Biozonoseallein . Uberbewertung dieser Korrektur konntedie Begriffe Biozonose and Biotop, vor allemletzteren, ins Wanken bringen, aber der Biotopist einfach and klar das Abiozon (Boden andAtmosphere, Topographie), alles Unbelebte imOkosystem. Es hangt nicht notwendig raumlichzusammen, denn es gehoren dazu auch der Mulmoder das Wasser in Baumhohlen .Haben wir, da das Wort „Hebitat" im Engli-

schen in anderer Bedeutung gebraucht wird, Ver-anlassung einen anderen Ausdruck fur unser,,Hebitat" zu suchen? Wir meinen : nicht. UnserHebitatbegriff ist sehr praktisch, um z . B. auszu-

4) Habitat = der Ort, wo etch ein Tier regelmaBig aufhalt (Vogel :Nest, Singwarte ; Spinne = Netz ; phytophages Insekt : hutterptlanze) .Im angel sachsischen Sprachbereich hat Hebitat die Bedeutung vonBiotop (Standort) .

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K. FRIEOERicxs : Gedanken fiber das Gleichgewicht der Natur

drucken, dal3 eine Insektenart sich im oberstenTed der Baumkrone aufzuhalten pflegt oder anderen Sonnenseite, dal3 das Gemeinschaftsnestder Ringelspinnerraupen auf der Rinde liegt . Esware auch schwer, unseren Ausdruck dafiir zuersetzen, ein anderes treffendes zu finden .Soviel hiervon . - Nun noch ein Wort zu der

Idee, die von einer Seite geauf3ert worden ist (13),die Begriffe Biozonose und Biota zu verwerfen alskiinstliche Produkte unseres Verstandes . Wirhaben das schon oben gestreift . Freilich, die Naturist ein Kontinuum, wir sagten schon, dal3 sie keineBegriffe kennt. Aber wo bliebe ohne solche dieAnalyse dieses Kontinuums? Die Analyse istihrem Wesen nach abstrakt, indem sie Teile ge-danklich isoliert, die im konkreten Ganzen engmiteinander verflochten sind . Die Synthese (Syn-opsis) ist im Gegensatz dazu weitgehend kon-kret. Das gewohnliche Untersuchungsziel ist dieAnalyse, meistens - leider - ohne nachfolgendeSynthese, d . h. ohne Wiederherstellung des Gan-zen. Das gilt freilich am wenigsten fur die Oko-logie, aber auch sie ist grof3enteils Analyse, unddie Synthese - als Beschreibung des Ganzen -ist auf das Ergebnis der vorhergegangenen Ana-lyse angewiesen, macht sie zu genauerem Ver-stehen des Ganzen nutzbar und kann dabei dievorhergegangene Zerlegung nicht vollstandig ge-danklich ri ckgangig machen, denn so fordert esdie Beschreibung, weil sie linear fortschreitet,wahrend das zu beschreibende Ganze drei- hisvieldimensional ist .

Nicht der geringste Beweggrund, die Wirklich-keit derBiozonose zu leugnen, scheint zu sein, dal3,wie da behauptet, das Tier nicht einen Biotop odereine Biozonose als solche aufsuche und bewohne,sich nicht daran orientiere, sondern an dem Vor-handensein seiner Nische und dal3 die Existenzeiner Pflanze nicht (direkt) vom Biotop, sondernvon einer geeigneten Nische abhange . Das ist alsRegel unbestreitbar . Als nach dem Kriege kur-hessische Forsten durch rilcksichtslosen Einschlagstark aufgelichtet waren, jedoch ohne Kahlhieb,so dal3 sie Wald blieben, wanderte in sie massen-haft das Wiesenschaumkraut ein . Unter den be-sonderen klimatischen Verhaltnissen des GlatzerBerglandes und auch wohl anderswo in Mittel-gebirgen beschrankt sich Anemone nemorosa nichtauf den Wald, sondern ist auch auf Wiesen zufinden. Aber folgendes darf nicht iibersehen wer-den. Die Nische kann aus dem ganzen Okosystembestehen, z. B. fur Regenwurmer, fur viele Lauf-kafer des Waldes, die des speziellen Standort-klimas bediirfen, und das gilt z . B . auch fur dieAnemone-Arten unserer Walder. In der erwahn-ten Ausnahme kommt der gesamte Wiesenbiotophinzu. Fur die Gartenamsel ist Nische der Gesamt-biotop, das Gartengelande, ahnlich fur die Wald-amsel der Wald . Fur Greifvogel ist ihr Bereichschwer abzugrenzen, fur das Wild ebenfalls .Aullerdem aber wird oft die Nische durch dasOkosystem geformt oder erganzt oder ist nurinnerhalb seiner eine solche . Die Nische fur be-

stimmte Neorophorus-Arten ist nicht durch einAas irgendwo gegeben, sondern sie bruten in ver-schiedenen Landschaftsteilen (nach Mosebach) jenach der Art, wobei Unterschiede der Bodenfeuch-tigkeit in Abhangigkeit von dem Okosystem, dasTemperaturgefalle u. a. maligebend sein mogen .lJberhaupt sind es oft das Bestandsklima und dieBodenbeschaffenheit, auch die Biozonose, die dieNische schaffen .

Es ist aber nicht ausschlaggebend fur die oko-logische Auffassung (sondern nur ein Aspektneben anderen), wie das einzelne Lebewesendirekt zu seiner Umwelt steht und sick darinorientiert aus seiner Froschperspektive heraus,ohne die indirekten Zusammenhange seiner Exi-stenz zu erkennen, sondern der okologische Unter-sucher sieht das grope Geflecht der Faktorengleichsam aus der Vogelperspektive und entwirrtes in Gedanken .

Wir haben schon oben gesagt, dal3 die Biozonose(und der Biotop) als ein System durch Wechselwir-kung eine konkrete Einheit ist. Ware das Oko-system mit seinen zwei HauptkategorienBiozonoseund Biotop Abstraktion, so ware das ohne prak-tische Bedeutung fur den Gebrauch dieser Katego-rien. Die wesenhafte Vorstellung des konkretenGanzen auien und innen ist zwar letztes Ziel derWissenschaft, denn die Wahrheit ist das Ganze .Dieses Wort des Philosophen Hegel ist unbedingtrichtig, mag man sonst von seinen Gedanken hal-ten, was man will. Aber es gibt keine Wissenschaftohne Abstraktionen. Indessen, die Biozonose undder Biotop sowie ihr Ganzes, das Okosystem, sinds e h r w i r k l i c h . Die Biozonose - es gentigt, unsnur mit dieser zu beschaftigen - hat ihre Wirk-lichkeit dadurch, dal3 apes Sein Beziehungist . Nichts ist absolut isoliert denkbar, es ist nurmit allem anderen moglich . Die meisten der ineiner Biozonose vertretenen Arten haben sich imVerlauf der Erdzeit in gegenseitiger Anpassungherausgebildet . Die Biozonose ist also ein Systemdurch Wechselwirkung. Das ist im Einzelfall oftkaum noch sichtbar, z . B. hat der Fuchs mit demZitronenfalter offenbar keine direkten Beziehun-gen, und viele Maschen des grollen Netzwerkesder Biozonose endigen blind . Das andert nichtsan der objektiven Faktizitat des dynamischen Sy-stems, das wir Biozonose nennen .

Diese kritischen Betrachtungen sind groitenteilseine Wiederholung. Es gibt Sachverhalte, derenwiederholte Betonung angebracht ist, um ihnenhinreichend Publizitat zu verleihen .

,,Freilich", sagte GoETxa : „eine falsche Lehre lalltsick nicht widerlegen, denn sie ruht ja auf derUberzeugung, deli das Falsche wahr sei . Aber dasGegenteil kann, darf und mul3 man wiederholt aus-sprechen ."

Bei dieser Gelegenheit sei die auch von anderenSeiten erfolgte Warnung vor ungehemmter Ver-mehrung der okologischen Fachausdriicke wieder-holt. Fine Umschreibung des Sachverhaltes istnicht selten vorzuziehen . Fortwahrend entstehteine Menge unnotiger neuer Ausdri cke, nicht

K. FRIEDERICUS : Gedanken uber das Gleichgewicht der Natur

weiter beachtet, als dali sie zum Ballast in derLiteratur werden, oft als Synonyme . Freilich be-steht dabei kein Gesetz strenger Prioritat, einschwacher Ausdruck kann durch einen besserenersetzt werden, aber von solchem Fall abgesehen,mull eine Selbstkontrolle der Autoren verlangtwerden. Neuerungen der Nomenklatur gehorenim allgemeinen nicht in Spezialuntersuchungen,sondern sind dem Monographen zu i berlassen(wenn man dabei unter ,Monographie" Zusam-menfassungen oder Untersuchung grollerBereiche,die dann notwendig auch Zusammenfassung ist,versteht) . Der Monograph aber bedarf zu gluck-licher Neubenennung Phantasie and Sprachgefi hldafiir hinreichenden Malles . Ausdriicke wie etwa,,Biogeftige" sollten nicht vorkommen ; es mulltenaturlich entweder Biosystem oder Lebensgefiigeheillen . (Aber was ist das? Es kann allerlei be-deuten .)

Es mag unfolgerichtig erscheinen, wenn hierbeizugleich auf zwei vom Verfasser vor nicht langerZeit vorgeschlagene neue Fachausdri cke wieder-holt hingewiesen wird . Aber selbstverstandlichgibt es Neuerungen dieser Art, die Anspruch dar-auf machen di rfen, als berechtigt and vorteilhaftzu gelten . Hingewiesen sei auf das Wort ,Stabili-ment" fur alles das von einem Lebewesen Veran-lalite, was seine Existenz stabilisiert : die von derwurzelnden Pflanze geschaffene Krumelstrukturdes Bodens, die Streuschicht des Waldes, das Netzder Spinnen, das Nest des Vogels, die Vorrats-kammer des Hamsters, Kleidung and Behausungdes Menschen 5 ), sein Wegenetz, seine Beforde-rungsmittel and Maschinen . Ein anderer Ausdruck :O r g a n o i d e konnen die nicht belebten Teileeines Organismus genannt werden, wie die aullereSchale einer Zwiebel, unsere Epidermis, Haareand Klauen, Zahnschmelz . Es handelt sich immerum die Grenze zur Umwelt . Verfasser hofft, dalizum mindesten der Ausdruck „Stabiliment" eineLiicke ausfallt .Das eigentliche Thema dieser Uberlegungen,

das Gleichgewicht der Natur, ist ein soselbstverstandlicher Begriff, dali es auch der Um-gangssprache vertraut ist . Es hat ein betrachtlichesAlter ; die alteste Erwahnung, die dem Verfasserbekannt ist, findet man in EMANUEL SWEDENBORGSBuch uber „Himmel and Holle" (17) . Nachdem ervon einem Gleichgewicht zwischen Himmel andHolle (Gut and Bose) gesprochen hat, fahrt erforth)

,,In der natiirlichen Welt besteht ein Gleich-gewicht bei Allem and Jedem ; im allgemeinenselbst in den Atmospharen, in welchen die unternruckwirken and widerstehen, inwieweit die obe-ren wirken and herabdriicken ; in der naturlichenWelt besteht auch ein Gleichgewicht zwischenWarme and Kalte, zwischen Licht and Schatten,and zwischen Trockenem and Nassem ; die mittlereTemperatur ist das Gleichgewicht ; es besteht auch

5) Kunstwerke stehen au8erhalb des Gegenstandes der Okologie,e gehoren einer hoheren Ebene an .

6) Auf 5.564 der deutsrhen Ausgabe . Die lateinische ersehien1758 .

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ein Gleichgewicht zwischen allen Subjekten derNaturreiche, deren es drei sind, namlich dasMineralreich, das Pflanzenreich, and das Tierreich ;denn ohne Gleichgewicht in ihnen entsteht andbesteht nichts; es ist aberall wie ein wirkendesStreben von einer Seite and ein ruckwirkendesvon der andern. Alle Entstehung and alle Wir-kung geschieht im Gleichgewicht, sie geschiehtaber dadurch, dal3 sie eine Kraft treibt and dieandere sich treiben lallt, oder dali die eine Krafttreibend einwirkt and die andere aufnimmt anddemgemal3 nachgibt . . . "

Da steht noch manches Lesenswerte zur Sache,das nachlesen mag, wen es interessiert . An SWEDEN-EORGS Beschreibung des Gleichgewichtes derNaturhaben wir Heutigen naturlich dieses and jenes imEinzelnen auszusetzen. Man kann davon absehenand kurz iiberblicken, was modern Gleichgewichtbedeutet. Es ist eine standige Veranderung ;bleibend sind nur (in der Regel and fur lange Zeit)die F a k t o r e n, die aufeinander wirken . Und die-ses eben ist die Bedeutung des zur Erorterung ste-henden Begriffes, dal3 die Faktoren zwar zum Teillokal einander ausschalten konnen, etwa durchi berstarke Verfolgung eines Beutetieres, and dabKatastrophen fur Zeit and auf begrenztem Raumein Chaos schaffen konnen, z. B . Sturmflut, Erd-beben, Vulkanausbruch . Auf grollerem Raum be-trachtet aber erhalten sich die Faktoren, schlieieneinander nicht aus; so bilden sie durch Wirkungand Gegenwirkung ein System mit Selbstregulie-rung, ein s t a t i o n a r e s System, and das natiir-liche Ganze der Welt ist dieses System . Im Laufegeologischer Zeitraume verandern sich die Fak-toren oder ihr Verhaltnis zueinander . Gruppen vonLebewesen sterben aus, neue entstehen. Diesesalles halt nach dem Prinzip von Werden and Ver-gehen den Weltprozell in Gang . Die Naturgesetzeand Faktoren sind dabei aufeinander eingestellt,sonst konnten sie gar nicht da sein . Auf Grundihrer stellt sich in aller Veranderung immer wie-der ein irgendwie geartetes Gleichgewicht ein .Der Begriff Gleichgewicht ist eben einer jenerflieienden Begriffe, von denen wir oben sprachen .Er besagt etwas anderes je nach der Erdzeit anddem Raum, auf den er bezogen ist .Damit ist auch die Frage beantwortet, oh unter

den Verhaltnissen der Hochzivilisation von heutevon einem Gleichgewicht die Rede sein kann : Esbesteht immer irgendein Gleichgewicht. So auchSwedenborg. Er begann den betreffenden Ab-schnitt: „Es mull, damit etwas existiere, alles imGleichgewicht sein, ohne Gleichgewicht gibt eskein Wirken and Gegenwirken ."Und auf S. 568

. . Denn alles and jedesWeltall, das heist sowohl in der nati rlichen a sin der geistigen Welt, besteht durch das Gleich-gewicht ; dal3 dem so ist, kann jeder verniinftigeMensch erkennen . . . "

So ist es. Solange i berhaupt etwas existiert,besteht ein Gleichgewicht and umgekehrt . D a sGleichgewicht ist nichts anderes alsdie kosmische Ordnung aufgrund der

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K . FRIEDERICHS : Gedanken fiber das Gleichgewicht der Natur

Nat urges e t z e , die wir Menschlein nicht ver-andern konnen. Ohne ein Gleichgewichtder Natur waren wir nicht mehr .

Eire Gleichgewicht besteht also irgendwie immer .Es wurde auch bestehen, wenn alles Leben aufunserem Planeten erloschen ware ; es bestandd imChaos, bevor Leben auftrat. Es wirkt auch in unse-ren Garten, so kiinstlich sie sired : Eine reiche Vo-geiwelt tummelt sich vor unseren Augen, Hum-meln und Schwirrfliegen, oft auch Bienen, befruch-ten Blumen, auch einige Vanessen und WeiBlingefliegen, vielleicht sind auch Kafer der GattungCantharis (Telephorus) haufig, deren Larven sichunter dem Rasen entwickeln konnen ; Blattlausefehlen nirgends, und daze kommt das Heer derweiteren Schadlinge . Jedes yam Menschen unab-sichtlich oder wie insbesondere die Kulturpflanzein die Biozonose eingefiihrte Floren- oder Faunen-element wird £rtiher oiler spater in das Gleich-gewicht, in das Lebensgeflecht an Ort und Stelle,einbezogen; man denke an den allmahlichen Uber-gang von phytophagen Insekten auf die Zucker-rube .Freilich das reicht nicht aus, z . B. die Kultur-

pflanze dauernd und aus deren eigener Kraft alsElement des Gleichgewichts zu erhalten . Auch istjene vorhin erwahnte Gartenfauna nur ein Restdes naturlichen Gleichgewichtes. In der Haupt-sache wird dieses bestehende Gleichgewicht durchdie bewuBte Tatigkeit des Menschen aufrecht-erhalten. Die Leistungen der Natur werden vonihm einerseits iiberhoht in Gestalt von schon her-ausgeziichteten Zierpflanzen, Haustierrassen, diegegeniiber ihrem Ursprung in einer fur den Men-schen vorteilhaften Weise verandert sind ; in Ge-stalt des Verkehrsnetzes und derMaschinen, derenPrinzip immer ist, die Tatigkeit eines unserer Or-gane verstarkt zu leisten ; in Gestalt von Bauwer-ken und mancherlei anderem Stabiliment . Ande-rerseits ist die menschliche Tatigkeit der Naturpraktisch feindlich his zur Bedrohung und Aus-loschung vieler natiirlicher Arten von Existenz ;selbst die nichtlebende Natur wird mehr und mehrbeeintrachtigt durch kiinstliche Gewasser oder dieBeseitigung natiirlich.er, durch Bodenbewegungenaller Art, durch Land- und Forstwirtschaft undIndustrie . Verbrennungsprozesse schaffen Dunst-glocken fiber GroBstadten, verpesten die Luft etc .Das in unserer Hochzivilisation bestehende

Gleichgewicht ist also nur zum Teil naturlich, d . h .unbewuBt wirkend und sich erhaltend, zum ande-ren Teil ist es Menschenwerk. Wo er seine Handdavon zoge, wurde sich bekanntlich schnell einvollstandig nadirliches Gleichgewicht herstellen .

Man spricht von „Storungen" des Gl . Was istdas? Nicht sind es im allgemeinen die extremenSchwankungen etwa des Massenwechsels, so un-erwunscht sie dem Menschen oft sein mogen, Siegleichen sich im Laufe der Zeit aus, Storungenliegen vor, wenn das Bestehen eines Gleichge-wichtsfaktors bedroht oder ausgeloscht ist, z . B.eine Art ausgerottet, die andere in Schach halt,etwa Greifvogel . Die Grenze zu extremen Schwan-

kungen ist aber flieBend . Wenn ein Faktor aufsehr groBen Strecken fur langere Zeit wegfalltoder zu gering ist, anderswo sich erhalt und mitder Zeit in seinem ganzen Bereich wieder in Wir-kung tritt, so ist das zwar eine Schwankung, aberauch eine Storung . Die Diirreperioden in Australienkonnen als Beispiel dafiir gelten .Aber Storung kann auch imHinzukommen eines

Faktors bestehen. Landfremde Arten, eingefuhrt,sind bekanntermaBen Ursachen groBer Storungenin vielen Fallen. Je artenarmer eine Biozonose ist,um so leichter wird sie auf these Weise gestort,wie z. B . Siidsee-Inseln. Isolierung, etwa Land-ferne einer Insel in langer Erdzeit, bringt leicht dasEintreten solcher grof er Storungen mit sick .

Das alles ist wenig problematisch . Die Pro-blematik beginnt erst mit der Aufgabe, diemenschliche Tatigkeit in das Gleichgewicht derNatur okologisch und praktisch so einzuordnen,wie es dam menschlichen Interesse entspricht, seiter nicht meter, wie in Urzeiten ein Faktor nebenden anderen in dem groBen System ist, schon da-mals freilich unterschieden von, alien anderen Fak-toren durch die bewuBt gezielte Art seiner Mit-wirkung, die Zwecke verfolgt, wahrend in derNatur alles Zweck und Mittel zugleich ist . Nichtnotig auszufiihren, wie die wachsende Macht desMenschen gegeniiber der Natur ihn befahigte, sichihr gegenuberzustellen und in einern gewissenMaBe uber sie . Zugleich aber bleibt er in der Naturverwurzelt, selbst Natur und. ihr unentrinnbarverhaftet, so daB alle seine MaBnahmen ihr gegen-i ber ihn selbst mittreffen. Daraus entspringt einesder groBten Probleme unserer Zeit .Wir miissen Agrarprodukte mehr und mehr

schaffen und die Technisierung mehr und mehrausdehnen. Aber wir haben Ursache, von denResten naturlichen Gleichgewichts so viel als mog-lich zu erhalten, weil d.as Schwinden von Artenden Menschen seelisch armer macht . Die unver-kiinstelte Natur konnte zum Marchen von einerentschwundenen Zeit werden, wie die Drachen derVorzeit schon lange . Man weiB, wie kontaktarm inbezug auf die lebende Natur der verstadterteMensch ist, Gleichwohl bedarf auch er fur seineigenes leib-seelisches Gleichgewicht eines Aus-gleichs fur die Turbulenz seiner Arbeitstage inden Ferien inmitten der Natur, wobei es ihm aller-dings wohl wenig darauf anzukommen pflegt,wieviel wirkliche Natur er erlebt, und oft genugiibertragt er die Unruhe seiner Tage dahin, wo ersich erholen sollte . Weiterhin bedurfen wir furunsere leibliche Gesundheit der Reste von Natur,man kann sagen, eines Gleichgewichts zwischenNatur und dern Menschenwerk, Wald z. B. (auchwenig naturlich) wirkt luftreinigend, und gesundesTrinkwasser mull aus einigermaBen naturlichenWasserreservoiren bezogen werden 7) .Wer antlers denkt, kann auf den Gedanken .

kommen, man konne den Zwangslaufigkeiten der

I Allerdings wird heute versucht, aus unrelnem wasser Trink-wasser zu gewinnen, aber ein vdlliger Ersatz let das schwerlich .

K. FRIEDERICHS : Gedanken uber das Gleichgewicht der Natur

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agrarischen und technischen Produktion sich ein-fach beugen und eine Welt des Menschen schaffen,in der „der Mensch dann immer nur noch sichselbst begegnet" (HEISENBERG) . Man brauchte also,heil3t es dann wohl auch, bei Bekampfung vonSchadlingen keine Ri cksicht auf den Rest der Bio-zonose zu nehmen .

Glucklicherweise besteht im allgemeinen dieEinsicht, daf3 der Mensch und alles Leben vor demExtrem der Verkunstlichung seiner Umwelt be-wahrt werden mull. So gebietet es nicht nur dieRilcksicht auf die seelische und korperliche Ge-sundheit des Menschen, sondern auch die wert-volle Hilfe, die aus der Biozonose gegen Schad-linge erwachst und, nicht am wenigsten, die Ehr-furcht vor dem Leben der Schopfung . Auch scheintuns nicht ausgemacht, daB restlose Rationalisie-rung ein wirtschaftlich giinstigeres Ergebnis habenwiirde . Das mull sich noch zeigen . Man hat in Tei-len Nordamerikas die landwirtschaftliche Inten-sivierung so weit getrieben, daB man die ver-schwundenen Hummeln kiinstlich wieder fordernmuBte, da es an Bliitenbefruchtung gebrach . Viel-leicht ist auch noch nicht das letzte Wort ge-sprochen fiber die Folgen, die radikale Unkraut-bekampfung auf die Dauer fur den Ertrag hat,wenn auch niemand etwas gegen die Beseitigungvon Diesteln und Quecken hat,

Fur die angewandte Entomologie besteht ihreAufgabe zur Sache offenbar in integrierter Schad-lingsbekampfung und Einschrankung der che-mischen auf das jeweils notwendige Mali und mitPrimat und Vorantreiben der biozonotischen Re-gelung .Das jedermann Aufgegebene aber ist groller,

unermeBlich viel groBer . Alle niitzlichen Anstren-gungen zugunsten der Verhinderung einer zu weitgehenden Denaturierung unserer Welt rind ver-geblich, wenn es nicht gelingt, der Bevolkerungs-zunahme der Menschenwelt entgegenzuwirken .Diese Lawine hangt drohend fiber der ganzen be-wohnten Welt und selbst uber den nichtbewohn-ten Teilen der Welt, weil alles gierig ergriffenwird und nichts davor sicher ist . Kommt dieseLawine ins Rollen, so droht sie alles zu verschiit-ten, nichts ware vor ihr sicher, denn Not kenntkein Gebot, und Uberdruck sprengt die Grenzenseiner Ausdehnung.Wir kennen die Folgen einer Gradation von

Schadlingen . Sie ist nicht nur ihrem Substrat, son-dern auch dem Insekt selbst verderblich . Die Uber-vermehrung des Menschen liegt nicht auf demgleichen Niveau wie eine Insektengradation, aberim quantitativen Aspekt und seinen Folgen stim-men sie i berein .

Was dagegen praktisch zu tun ist, weiB bis jetztnoch niemand genau, wobei erschwerend hinzu-kommt, dal ein Volk mit schwacherer Vermehrungals ein anderes diesem gegentiber ins Hintertref-fen gerat. Aber es kann nicht iibersehen werden,daB fur diese Aufgabe des Natur- und Lebens-schutzes Krafte am Werke rind, die helfen wol-

len 8) . Z. B, aullert sich das in einer in Arbeit be-findlichen Revision der Moraltheologie in dieserBeziehung. Uberhaupt wird den Menschen mehrund mehr klar, daB wir in einer Ubergangszeitleben, bevor „St . Michael alles neu macht" . Die zuerwartenden Wandlungen Bind ungeheuer vielgroller als sie einst die Renaissance brachte, eben-falls eine Zeit groflter Verwirrung, wie heute .Aber jetzt ist die ganze Welt davon ergriffen .Gehen wir noch weiter zuriick, so ist die Zeitwendeum Christi Geburt vergleichbar, das Neue abernoch fern .

Zur drohenden Bevolkerungsexplosion sei nochgesagt, daB in gewissen technisch unterentwickel-ten, dabei iibervolkerten Landern jetzt schon einZustand erreicht ist, in dem das Leben nicht rechtlebenswert daselbst erscheint, besonders durchdas Hungern. Aber es ist auch schlimm, wenn dieMenschen einander nicht aus dem Wege gehenkonnen. Entwicklungshilfe schafft Nahrung nichtausreichend, weil die Bevolkerungszunahme dasPlus der Produktion verschlingt und, wenigstenszunachst, die Vermehrung sogar begunstigt .

In der freien Natur ist der Vermehrung eineGrenze gesetzt, weil das Vermehrungspotentialeine Funktion der Bevolkerungsdichte ist . BeimMenschen ist dieses Grundgesetz ebenfalls inKraft, aber iiberlagert durch seine geistigen Fahig-keiten. Die natiirliche Grenze der Vermehrungliegt iiberdies so hoch, daB sie den Lebensansprii-chen des Menschen entgegensteht, der nicht nurleben, sondern menschenwurdig leben will .

Ob die zu erwartende neue Welt, die wir unsvergeistigter vorstellen als die jetzige, durch ge-waltige Katastrophen hindurch erkennbar werdenwird oder ob die Vernunft dazu genilgen wird,das liegt im SchoB der Zukunft . Alles in Allem einGrund zur Entmutigung? Wir meinen : nein, son-dern zu Vorsicht, Umsicht und Rucksichtnahme,mit dem BewuBtsein, daB wir nichts aus uns kon-nen, sondern alles „von oben" empfangen, darumaber auch hoffen diirfen .Die Natur ermoglicht starke Vermehrung auf

engem Raum (soziale Insekten) durch den Sozia-lismus und hat damit auch dem Menschen e i n e nWeg gezeigt. Sozialismus ist in einer ubervolker-ten Welt notig und in Ubung, aber er ist nur einPrinzip neben anderen, das, auf die Spitze getrie-ben, nicht gliicklich macht, sondern den Menschenzum Status einer Ameise entwurdigt . Deren so-ziale Niltzlichkeit erreicht der einzelne Menschals Vollindividuum, das er ist, nicht . Andrerseitskann er sie individuell iiberhohen (in gewissenBerufen) indem er seine Individualitat mehr oderweniger aufopfert . Als allgemeine Haltung wirddies von sozialistischer Staatsideologie vergeblicherstrebt, weil es der menschlichen Natur wider-strebt .Neben Sozialis

hat die Natur bei Uberkerung den Ausweg der Auswanderung (mit oft

") Nicht nur dem Naturschutz, sondern vor allem dem Schutz desMenschen vor sick selbst : Weltbund zum Schutze des Lebens, Sek-tion Deutschland, Frankfurt a . M . und Zeitschr . Das Leben" .

8 A, KRIEG : Wirkung von Bacillus thuringiensis var. thuringiensis-Exotoxin

tragischen Folgen fur die Auswandernden) . Fur dieweltweite menschliche Uberv6lkerung hat theseArt ortlicher Herstellung eines Gleichgewichtsoffenbar (trotz gewisser Verschiebungen) geringezweckmaBige Bedeutung . - Soziale Lebensweiseand Auswanderung pflegen verbunden zu sein :Schwarmende Ameisen and Termiten, Bienen-schwarme .Wir haben unser Thema in seiner fundamen-

talen Bedeutung fur den Menschen im groBtenZusammenhang erortert, well in so allgemeinenFragen nur dadurch Ganzwahrheiten erkennbarwerden, andernfalls nur Halbwahrheiten, and wirkonnen es damit verantworten . Wir nehmen zumSchluB Bezug auf bestehende Bestrebungen zumSchutz der Natur and des L e b e n s , die jede Be-achtung and Forderung verdienen .

Nachschrift :Erst nachtraglich erhielt der Verfasser Kenntnis

von der in der Dokumentation unter Nr . 2 aufge-fiihrten Broschiire von K . BUCHWALD, die das groBeProblem vollstandig and ausfiihrlich behandeltand der weiteste Verbreitung zu wunschen ist.

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i.Jber die Wirkung von Bacillus thuringiensis var.thuringiensis-Exotoxin auf Wachsmotten-Raupen

(Galleries mellonella)Von A . KRIEG

Eine hitzestabile and dialysierbare Fraktion mitinsektiziden Eigenschaften 1st im Kulturmedium„aktiver Stamme° von Bacillus thuringiensis var.thuringiensis nachweisbar. Eine Diskussion istzur Zeit daruber im Gange, ob diese Wirkung vonKultur-Filtraten bzw. -Uberstanden auf ein ein-ziges Toxin (SICKER and KRIEG 1966) zurii.ckgefiihrtwerden kann oder nicht (MECHALAS and BEYER

1963 ; BURGERJON 1965 ; CANTWELL and Mitarb, 1965) .Die in diesem Zusammenhang vertretene Mei-nung, daB qualitativ verschiedene Exotoxineexistieren, die durch ein verschiedenes Wirkungs-spektrum charakterisiert seien, ist anfedrtbar,well die Untersucher ihre Praparate weder einemadaquaten Vergleich unterworfen noch an dengleichen Versuchstier-Arten vergleichend getestethaben .

Diese Arbeit mage einen Beitrag zur Kontro-verse um das Wirkungsspektrum von Exotoxin-

araten darstellen, in der speziell das Ver-halten von Galleries mellonella gepruft wurde .

MaterialDie zum Test verwendeten Raupen stammen

aus einer gesunden, synchronisierten Laborato-riumszucht von G . mellonella . Das Exotoxin-Pra-parat wurde aus Submers-Kulturen eines „akti-

ven" Stammes von B . thuringiensis var. thurin-giensis nach bewahrtem Rezept (KRIEG 1966)gewonnen. Nach eigenen Biotests wirkt diesesExotoxin gegen Lepidopteren (Flutella maculi-pennis), Dipteren (Drosophila melanogaster) andHymenopteren (Apis mellifera),

TechnikNach 6stiindigem Hungern bekamen je 20 Rau-

pen (L 5) von G. mellonella Exotoxin-L6sung (1 : 2verdiinnt) zum Trinken angeboten . AnschlieBendwurden sie auf unbehandeltes Futter (Bienen-waben) gesetzt and bei 20 . . . 24' C gehalten . DieAuswertung erfolgte nach der Endmortalitat, d . h .der Anzahl der Tiere, die das Imaginalstadiumerreichten .

Ergeb eWahrend in der unbehandelten Kontrolle keine

Tiere starben (bei einer Irrtumswahrscheinlich-keit von 5 °/o, Konfidenzgrenzen 00 = 00 < 17 °/o),trat in zwei Versuchsansatzen eine Mortalitat von45 his 80°/o (Konfidenzgrenzen 23 < 45 < 69°/°and 56 < 80 < 95°/0) auf . G. mellonella ist somitnicht unempfindlich gegenuber der Exotoxin-Fraktion von B . thuringiensis, sie reagiert aberrelativ trage (t5° zwischen 10 and 30 Tagen) aufdie Behandlung .