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Geometrie 2.1Jürgen Roth
Geometrie
Homepage zur Veranstaltung: http://www.juergen-roth.de ► Lehre ► Geometrie
Geometrie 2.2Jürgen Roth
Inhaltsverzeichnis
Geometrie
0 Geometrie!?
1 Axiome der Elementargeometrie
2 Kongruenzabbildungen
3 Längen-, Winkel- und Flächenmessungen
4 Elementare Anwendungen
5 Ähnlichkeitsabbildungen
Geometrie 2.3Jürgen Roth
Kapitel 2: Kongruenzabbildungen
Geometrie
Geometrie 2.4Jürgen Roth
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 2: Kongruenzabbildungen2.1 Gruppe der Kongruenzabbildungen
2.2 Kongruenz von Winkeln und Dreiecken
2.3 Gleichsinnige und nicht gleichsinnige Kongruenzabbildungen – Orientierung
2.4 Kleinerrelation und Addition für Längen und Winkelgrößen
2.5 Typen von Kongruenzabbildungen
2.6 Punktspiegelung (Halbdrehung)
2.7 Drehung
2.8 Parallelverschiebung
2.9 Schubspiegelung
Geometrie 2.5Jürgen Roth
2.1 Gruppe der Kongruenzabbildungen
Kapitel 2: Kongruenzabbildungen
Geometrie 2.6Jürgen Roth
Kongruenzabbildung
Definition 2.1Eine Abbildung der Ebene ε auf sich, die geraden-und streckentreu ist, heißt längentreue Abbildung.
Definition 2.2Eine längentreue Abbildung der Ebene ε auf sich heißt Kongruenzabbildung.
Satz 2.1Eine Kongruenzabbildung ϕ : ε → ε der Ebene εauf sich ist durch drei nicht kollineare Punkte A, B, Cund deren Bilder ϕ (A), ϕ (B), ϕ (C) eindeutig bestimmt.
Geometrie 2.7Jürgen Roth
Folgerung
Satz 2.2Eine Kongruenzabbildung der Ebene ε auf sich mit drei nicht kollinearen Fixpunkten ist die Identität idε auf ε.
Beweis(1) Die Identität idε ist eine geraden- und streckentreue
Abbildung der Ebene ε auf sich.(2) Jeder Punkt P der Ebene ε ist Fixpunkt von idε.(3) Nach (I3) enthält die Ebene ε nichtkollineare Punkte P, Q, R.(4) Nach (1), (2) und (3) ist idε eine Kongruenzabbildung
der Ebene ε auf sich mit drei nicht kollinearen Fixpunkten und nach Satz 2.1 ist idε die einzige Kongruenzabbildung mit dieser Eigenschaft.
#
Geometrie 2.8Jürgen Roth
Folgerung
Satz 2.3Wenn A ≠ B und [AB] ≅ [A‘B‘ ] ist, dann gibt es genau zwei Kongruenzabbildungen ϕ1 und ϕ2 der Ebene ε auf sich, die A auf A‘ und B auf B‘ abbilden und die sich nur durch eine Achsenspiegelung an der Geraden g‘ = A‘B‘ unterscheiden, d. h. es gilt: ϕ2 = Sg‘ ∘ ϕ1
BeweisZunächst ist die Existenz von Abbildungen zu zeigen, die unter den Voraussetzungen A ≠ B und [AB] ≅ [A‘B‘ ] den Punkt A auf A‘und B auf B‘ abbilden. 1. Fall: A = A‘ ∧ B = B‘: Hier leisten idε und SAB das gewünschte.2. Fall: O.B.d.A. A ≠ A‘ ∧ B = B‘: Hier leistet die Spiegelung an
der Mittelsenkrechten m = m[AA‘] von [AA‘ ] das gewünschte. • Sm(A) = A‘• Wegen Satz 1.13 und [AB‘] ≅ [A‘B‘ ] gilt: B = B‘ ∈ m
Geometrie 2.9Jürgen Roth
Beweis zu Satz 2.3
3. Fall: A ≠ A‘ ∧ B ≠ B‘:Zunächst Spiegelung an der Mittelsenkrechten m = m[AA‘]von [AA‘ ]. Man erhält: • Sm(A) = A‘ ∧ Sm(B) = B*
Gilt B* ≠ B‘, dann spiegelt manan der Mittelsenkrechten n = m[B*B‘] von [B*B‘]. Man erhält:
• Sn(B*) = B‘• Sn(A‘) = A‘, da wegen
[A‘B*] ≅ [A‘B‘ ] nach Satz 1.13der Punkt A‘ auf n liegt.
Durch die Verkettung ϕ1 = Sn ∘ Sm wird also A auf A‘ und B auf B‘abgebildet.Mit ϕ1 gilt das aber auch für Sg‘ ∘ ϕ1, denn die Spiegelung an g‘ = A‘B‘lässt die Punkte A‘ und B‘ fest und Sg‘ ∘ ϕ1 ≠ ϕ1, weil Sg‘ nicht die Identität auf ε ist.
Geometrie 2.10Jürgen Roth
Beweis zu Satz 2.3
Beweis zu Satz 2.3 (Fortsetzung)Es bleibt zu zeigen, dass es höchstens zwei solche Abbildungen geben kann.
Es sei C ∉ AB gegeben, mit ϕ (A) = A‘, ϕ (B) = B‘, ϕ (C) = C‘,dadurch ist nach Satz 2.1 die Abbildung ϕ eindeutig festgelegt. Es kann nur noch einen weiteren Punkt C‘‘ geben, für den die durch die Längentreue vorgegebenen Kongruenzen [A‘C‘‘ ] ≅ [A‘C‘ ] ≅ [AC] und [B‘C‘‘ ] ≅ [B‘C‘ ] ≅ [BC] gelten.Die beiden gefundenen Bewegungen sind also auch die einzigen längentreuen Abbildungen der Ebene ε auf sich, die A auf A‘ und B auf B‘ abbilden. #
FolgerungEine Halbgerade [AB kann immer mit Hilfe von höchstens zwei Geradenspiegelungen auf eine gegebene andere Halbgerade [A‘B‘ abgebildet werden.
Geometrie 2.11Jürgen Roth
Folgerung
Satz 2.4: DreispiegelungssatzJede Kongruenzabbildung der Ebene ε auf sich ist darstellbar als Verkettung von höchstens drei Geradenspiegelungen.
Beweis(1) Gemäß Satz 2.1 wird ein Dreieck ABC und sein Bild A‘B‘C‘ bei
einer längentreuen Abbildung ϕ betrachtet. Es gilt also A, B, Cnicht kollinear und [A‘C‘ ] ≅ [AC], [A‘B‘ ] ≅ [AB], [B‘C‘ ] ≅ [BC].
(2) Nach Satz 2.3 gibt es genau zwei Kongruenzabbildungen ϕ1 und ϕ2, die A auf A‘ und B auf B‘ so abbilden, dass [A‘B‘ ] ≅ [AB] gilt. Diese beiden Abbildungen unterscheiden sich außerdem nur um die Geradenspiegelung an g‘ = A‘B‘.
(3) Durch ϕ (C) = C‘ ist nach Satz 2.1 die Kongruenzbildung ϕ ein-deutig bestimmt. Also gilt entweder ϕ = ϕ1 oder ϕ = ϕ2 = Sg‘ ∘ ϕ1.
(4) Da sich ϕ1 als Verkettung von höchstens zwei Achsen-spiegelungen darstellen lässt, ist ϕ eine Verkettung von höchstens drei Achsenspiegelungen. #
Geometrie 2.12Jürgen Roth
Beispiel
Geometrie 2.13Jürgen Roth
Beispiel
Geometrie 2.14Jürgen Roth
Beispiel
Geometrie 2.15Jürgen Roth
Beispiel
Geometrie 2.16Jürgen Roth
Folgerung
BemerkungenDer Beweis zu Satz 2.4 zeigt, dass eine Kongruenzabbildung ϕimmer existiert, wenn die Voraussetzungen
[A‘C‘ ] ≅ [AC], [A‘B‘ ] ≅ [AB] und [B‘C‘ ] ≅ [BC]für vorgegebenen Punkte A, B, C sowie A‘, B‘ und C‘ erfüllt sind.
Bei der Ausführung der Kongruenzabbildung ist zunächst durch Spiegelung an der Mittelsenkrechten m = m[AA‘] der Strecke [AA‘ ]der Punkt A auf den Punkt A‘ abzubilden. Dabei wird auch der Punkt B auf den Punkt B‘m und der Punkt C auf C‘m abgebildet.
Anschließend ist der Punkt B‘m durch Spiegelung an der Mittel-senkrechten n = m[B‘ B‘] der Strecke [B‘mB‘ ] auf den Punkt B‘abzubilden. Dabei wird auch der Punkt C‘m auf C‘n abgebildet.
Falls C‘n ≠ C‘ wird abschließend durch Spiegelung an A‘B‘ der Punkt C‘n auf C‘ abgebildet.
m
Geometrie 2.17Jürgen Roth
Folgerung
Satz 2.5Jede Verkettung von endlich vielen Geradenspiegelungenist eine Kongruenzabbildung der Ebene ε auf sich.
BeweisJede Geradenspiegelung bildet nach Satz 1.14 Geraden auf Geraden und nach Satz 1.16 sowie (GS3) Strecken auf kongruente Strecken ab.Wegen der Transitivität der Streckenkongruenz (SK2) gilt dies auch für jede beliebige Verkettung von Achsenspiegelungen. #
BemerkungMan kann damit den Satz 2.4 auch als Aussage über beliebige Verkettungen von Achsenspiegelungen verstehen:Da jede Verkettung von Achsenspiegelungen eine längentreue Abbildung ist, muss sich eine Verkettung beliebig vieler Achsenspiegelungen immer mit Hilfe von höchstens drei Achsenspiegelungen darstellen lassen.
Geometrie 2.18Jürgen Roth
Folgerung
Bemerkung
Eine einzelne Achsenspiegelung Sg besitzt genau eine Fixpunkt-gerade (die Symmetrieachse) und sonst keine weiteren Fixpunkte.
Bei einer Verkettung von zwei Achsenspiegelungen Sh ∘ Sg sind drei Fälle zu unterscheiden:
(1) g = h ⇒ Sh ∘ Sg = idε , d.h. alle Punkte der Ebene ε sind Fixpunkte.
(2) g ∩ h = {P} ⇒ Sh ∘ Sg besitzt mit P genau einen Fixpunkt.
(3) g ∩ h = ∅ ⇒ Sh ∘ Sg besitzt keinen Fixpunkt.
Keiner der drei Fälle kann es also durch eine einzige Achsenspiegelung ersetzt werden.
Eine Verkettung von zwei Achsenspiegelungen kann also nicht durch eine einzelne Achsenspiegelung ersetzt werden!
Geometrie 2.19Jürgen Roth
Gruppenstruktur
Definition 2.3Eine Gruppe (G, ∘) ist ein Paar, bestehend aus einer Menge Gund einer Abbildung ∘ : G × G → G (genannt Gruppenoperation) mit folgenden Eigenschaften:
(G1) Assoziativität∀a, b, c ∈ G (a ∘ b) ∘ c = a ∘ (b ∘ c)
(G2) Existenz eines (links-)neutralen Elements∃e ∈ G ∀a ∈ G e ∘ a = a
(G3) Existenz eines (links-)inversen Elements a–1 zu a∀a ∈ G ∃a–1 ∈ G a–1 ∘ a = e
Geometrie 2.20Jürgen Roth
Folgerungen
Folgerungen aus den „Gruppenaxiomen“
(1) a ∘ a–1 = ed. h. ein linksinverses Element ist auch rechtsinvers.
(2) a ∘ e = ad. h. ein linksneutrales Element ist auch rechtsneutral
(3) ∃!e ∈ G ∀a ∈ G e ∘ a = ad. h. eindeutige Existenz eines neutralen Elements
(4) ∀a ∈ G ∃!a–1 ∈ G a–1 ∘ a = ed. h. eindeutige Existenz eines inversen Elements
(5) e–1 = e; (a–1) –1 = a; (a ∘ b) –1 = b–1 ∘ a–1
Eigenschaften der Inversen
(6) ∃!x ∈ G x ∘ a = b; ∃!y ∈ G a ∘ y = bEindeutige Lösbarkeit von Gleichungen
Geometrie 2.21Jürgen Roth
Folgerungen
Beweis(1) a ∘ a–1 = e ∘ (a ∘ a–1)
= ((a–1) –1 ∘ a–1) ∘ (a ∘ a–1) = (a–1) –1 ∘ (a–1 ∘ (a ∘ a–1)) = (a–1) –1 ∘ ((a–1 ∘ a) ∘ a–1)= (a–1) –1 ∘ (e ∘ a–1) = (a–1) –1 ∘ a–1
= e#
(2) a ∘ e = a ∘ (a–1 ∘ a) = (a ∘ a–1) ∘ a= e ∘ a= a
#
(G2)
(G3)
(G1)
(G1)
(G3)
(G2)
(G3)
(G3)
(G1)
(1)
(G2)
Geometrie 2.22Jürgen Roth
Folgerung
Satz 2.6: Gruppe der KongruenzabbildungenDie Menge K aller Kongruenzabbildungen einer Ebene ε auf sich bildet zusammen mit der Verkettung ∘ : K × K → K eine Gruppe. Kurz: (K, ∘) ist eine Gruppe.
Beweis (Übungsaufgabe)
BemerkungDie Symmetrieeigenschaften spezieller Figuren lassen sich durch jeweils zugehörige Untergruppen der Gruppe der Kongruenzabbildungen (K, ∘) beschreiben.Als Hilfsmittel für spätere Überlegungen gibt der folgende Satz ein Kriterium für die Untergruppeneigenschaft einer Teilmenge U von G bzgl. der in (G, ∘) erklärten Verknüpfung an.
Geometrie 2.23Jürgen Roth
Folgerung
Satz 2.7: Untergruppenkriterium(G, ∘) ist eine Gruppe und U ⊆ G. (U, ∘) ist genau dann eine Untergruppe von (G, ∘), wenn gilt:
∀x, y ∈ U x ∘ y ∈ U ∧ ∀x ∈ U x–1 ∈ U
Bemerkung
In diesem Untergruppenkriterium wird also gefordert, dass Ubzgl. der in G geltenden Verknüpfung ∘ abgeschlossen ist undmit jedem Element auch dessen inverses Element enthält.
Man prüft leicht nach, dass die beiden übrigen Gruppenaxiome dann von selbst erfüllt sind und dass auch umgekehrt für jede Untergruppe das Kriterium des Satzes 2.7 erfüllt sein muss.
Geometrie 2.24Jürgen Roth
2.2 Kongruenz vonWinkeln und Dreiecken
Kapitel 2: Kongruenzabbildungen
Geometrie 2.25Jürgen Roth
Kongruenz von Figuren
Definition 2.4Eine Figur F1 heißt genau dann kongruent zu einer Figur F2, wenn es eine Kongruenzabbildung ϕ gibt, die F1 auf F2 abbildet.
F1 ≅ F2 :⇔ ∃ϕ ∈ K ϕ (F1) = F2
BemerkungDiese Definition passt zur axiomatisch festgelegten Strecken-kongruenz, denn eine einzelne Geradenspiegelung bildet Strecken auf kongruente Strecken ab. Da jede Kongruenzabbildung sich als Verkettung von höchsten drei Geradenspiegelungen darstellen lässt [Satz 2.4] und die Streckenkongruenz transitiv ist [(SK2)], bildet auch jede Kongruenzabbildung Strecken auf kongruente Strecken ab.Umgekehrt wurde mit Satz 2.3 bewiesen, dass zu kongruenten Strecken [AB] ≅ [A‘B‘ ] immer auch eine Kongruenzabbildung existiert, die [AB] auf [A‘B‘ ] abbildet.
Geometrie 2.26Jürgen Roth
Folgerungen
BemerkungDie Relation „ist kongruent zu“ aus Definition 2.4 ist eine Äquivalenzrelation.
ReflexivitätDie Identität ist eine Kongruenzabbildung und bildet jede Figur auf sich selbst ab. Damit ist jede Figur zu sich selbst kongruent.
SymmetrieZu jeder Kongruenzabbildung ϕ gibt es nach Satz 2.6 eine inverse Kongruenzabbildung ϕ –1. Damit gilt mit F1 ≅ F2 , d. h. ϕ(F1) = F2 auch immer F2 ≅ F1, d. h. ϕ –1(F2) = F1.
TransitivitätBildet die Kongruenzabbildung ϕ die Figur F1 auf die Figur F2 ab und die Kongruenzabbildung ψ die Figur F2 auf die Figur F3 ab, dann bildet die Kongruenzabbildung ψ ∘ ϕ die Figur F1 auf die Figur F3 ab.
Geometrie 2.27Jürgen Roth
Folgerungen
BemerkungenDefinition 2.4 angewandt auf Winkel führt zu folgender Aussage:
Zwei Winkel α und β heißen genau dann kongruent zueinander, wenn es eine Kongruenzabbildung gibt, die α auf β abbildet.Dies gilt unabhängig davon, ob man unter α nur eine Menge bestehend aus zwei Halbgeraden versteht oder einen orientierten Winkel mit zugeordnetem Winkelfeld.
Definition 2.4 angewandt auf Dreiecke führt zu folgender Aussage:Zwei Dreiecke ABC und A‘B‘C‘ heißen genau dann kongruent zueinander, wenn es eine Kongruenz-abbildung ϕ gibt mit ϕ (ABC) = A‘B‘C‘.
Das Abtragen von Strecken auf kongruente Strecken musste axiomatisch gefordert werden. Eine entsprechende Aussage über das Abtragen von Winkeln kann nun bewiesen werden.
Geometrie 2.28Jürgen Roth
Folgerung
Satz 2.8: Eindeutigkeit der WinkelabtragungIst in einer Ebene ε der Winkel ∠(gS, hS) weder ein gestreckter Winkel, noch ein Nullwinkel und ist g‘S‘ eine beliebige Halbgerade, dann gibt es in jeder der beiden von g‘ in ε bestimmten Halbebenen genau eine Halbgerade h‘(S‘) bzw h*(S‘), so dass gilt:
∠(gS, hS) ≅ ∠(g‘S‘, h‘S‘) ≅ ∠(g‘S‘, h*S‘)
BeweisNach Satz 2.3 gibt es genau zwei Kongruenzabbildungen, die gS auf g‘S‘ abbilden und die sich durch eine Spiegelung an der Geraden g‘ unterscheiden.Die Bilder von hS bei diesen Abbildungen seien die Halbgeraden h‘S‘ und h*S‘ . Sie sind eindeutig bestimmt und da ∠(gS, hS) weder gestreckt noch der Nullwinkel ist, fallen h‘S‘ und h*S‘ nicht mit g‘zusammen, sondern liegen nach Satz 1.25 in verschiedenen Halbebenen bzgl. g‘. #
Geometrie 2.29Jürgen Roth
Folgerungen
P
P‘
QQ‘
Q*
Geometrie 2.30Jürgen Roth
Folgerung
BemerkungenAuf Seite 1.81 wurde die Symmetrieachse zweier Halbgeraden gS und hS als Winkelhalbierende bezeichnet. Diese Bezeichnung erhält durch die Verallgemeinerung des Kongruenzbegriffs nachträglich seine Berechtigung:
Wenn eine Gerade w die Symmetrieachse von gS und hSist, dann bedeutet das:
Die Winkel ∠(gS, wS) und ∠(wS, hS) sind kongruent.Ein Winkel wird durch seine Winkelhalbierendein zwei kongruente Winkel „zerlegt“.
Zwischen der Kongruenz von Strecken und Winkeln und der Kongruenz von Dreiecken bestehen enge Beziehungen. Wird auf den beiden Schenkeln eines Winkels jeweils eine Strecke abgetragen, so entsteht ein Dreieck, das in der Schreibweise ∠ASB von Winkeln bereits verwendet wurde.
Geometrie 2.31Jürgen Roth
Kongruenzsätze für Dreiecke
Satz 2.9: Kongruenzsatz SSSGilt für zwei Dreiecke ABC und A‘B‘C‘ in einer Ebene ε , dass die drei Paare entsprechender Seiten kongruent sind, d. h.
[A‘C‘ ] ≅ [AC] ∧ [A‘B‘ ] ≅ [AB] ∧ [B‘C‘ ] ≅ [BC],dann sind ABC und A‘B‘C‘ kongruent zueinander.
BemerkungenZwei Figuren sind zueinander kongruent, wenn es ein Kongruenz-abbildung gibt, die die eine Figur auf die andere abbildet.Satz 2.9 wurde bereits im Rahmen des Beweises des Dreispiegelungssatzes 2.4 bewiesen.Die Abkürzung „SSS“ steht für „Seite – Seite – Seite“ und entsprechend im Satz 2.10 „SWS“ für „Seite – Winkel – Seite“, also für die paarweise kongruenten Teilstücke, aus denen sich jeweils die Kongruenz der Dreiecke ergibt.
Geometrie 2.32Jürgen Roth
Kongruenzsätze für Dreiecke
Satz 2.10: Kongruenzsatz SWSGilt für zwei Dreiecke ABC und A‘B‘C‘ in einer Ebene ε , dass zwei Paare entsprechender Seiten und die von den Seiten jeweils eingeschlossenen Winkel kongruent sind, dann sind ABC und A‘B‘C‘ kongruent zueinander.
BemerkungEin „von zwei Seiten eingeschlossener Winkel“ ist ein Innenwinkel, auf dessen Schenkeln die beiden Dreiecksseiten liegen.
BeweisIdee: Es ist gezeigt, dass ABC und A‘B‘C‘ kongruent zueinander sind, wenn es gelingt eine Kongruenzabbildung anzugeben, die das Dreieck ABC auf das Dreieck A‘B‘C‘ abbildet. O.B.d.A. sind A und A‘ die Scheitel der im Satz 2.10 genannten Winkel (Andernfalls die Eckpunkte der Dreiecke umbenennen!).
Geometrie 2.33Jürgen Roth
Beweis zu Satz 2.10Fortsetzung
Beweis zu Satz 2.10 (Fortsetzung)Da ∠B‘A‘C‘ ≅ ∠BAC ist, gibt es nach Definition 2.4 eine Kongruenzabbildung ϕ die ∠BAC auf ∠B‘A‘C‘ abbildet.Es gelte weiterhin ϕ (B) = B* und ϕ (C) = C*. Ist B‘ = B* und C‘ = C*, dann ist ϕ bereits die gesuchte Kongruenzabbildung, die ABC auf A‘B‘C‘ abbildet.B* könnte aber auch auf der Halbgeraden [A‘C‘ liegen und C* auf der Halbgeraden [A‘B‘.In diesem Fall spiegelt man noch an der eindeutig bestimmten Winkelhalbierenden w des Winkels ∠B‘A‘C‘und erhält mit Sw ∘ ϕ die gesuchte Kongruenzabbildung, die das Dreieck ABC auf das Dreieck A‘B‘C‘ abbildet.Damit sind die Dreiecke ABC und A‘B‘C‘ kongruent.
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Geometrie 2.34Jürgen Roth
Beweis zu Satz 2.10Fortsetzung
[AB] ≅ [A‘B‘][AC] ≅ [A‘C‘]∠BAC ≅ ∠B‘A‘C‘
Geometrie 2.35Jürgen Roth
Kongruenzsätze für Dreiecke
Satz 2.11: Kongruenzsatz WSWGilt für zwei Dreiecke ABC und A‘B‘C‘ in einer Ebene ε , dass ein Paar entsprechender Seiten und die Paare der jeweils an diesen Seiten anliegenden Winkel kongruent sind, dann sind ABC und A‘B‘C‘ kongruent zueinander.
BeweisO.B.d.A. sei [AB] ≅ [A‘B‘ ], ∠CAB ≅ ∠C‘A‘B‘ und ∠ABC ≅ ∠A‘B‘C‘ (Andernfalls die Eckpunkte der Dreiecke umbenennen!). Wegen [AB] ≅ [A‘B‘ ] gibt es nach Satz 2.3 eine Kongruenzabbildung ϕ, mit ϕ (A) = A‘ und ϕ (B) = B‘.Es gelte weiterhin ϕ (C) = C*. Damit folgt nach Definition 2.4:
∠CAB ≅ ∠C*A‘B‘ und ∠ABC ≅ ∠A‘B‘C*,weil mit ϕ eine Kongruenzabbildung existiert, die die Winkel aufeinander abbildet.
Geometrie 2.36Jürgen Roth
Beweis zu Satz 2.11Fortsetzung
Beweis zu Satz 2.11: Kongruenzsatz WSW (Fortsetzung)1. Fall: C* liegt bzgl. A‘B‘ in derselben Halbebene wie C‘.
Dann gilt wegen Satz 2.8 (Eindeutigkeit der Winkelabtragung):[A‘C* = [A‘C‘ und [B‘C* = [B‘C‘.
Also muss C* als Schnittpunkt von [A‘C* und [B‘C* gleich C‘ sein.Damit ist mit Satz 2.1 die Kongruenzabbildung ϕ eindeutig bestimmt. Sie bildet das Dreieck ABC auf das Dreieck A‘B‘C‘ ab.Nach Definition 2.4 sind die Dreiecke ABC und A‘B‘C‘ kongruent.
2. Fall: C* und C‘ liegen bzgl. A‘B‘ in verschiedenen HalbebenenMan spiegelt C* an A‘B‘ und es gilt SA‘B‘(C*) = C**.Nach den selben Überlegungen wie im 1. Fall muss dann C** als Schnittpunkt von [A‘C** und [B‘C** gleich C‘ sein. SA‘B‘ ∘ ϕ bildet also das Dreieck ABC auf das Dreieck A‘B‘C‘ ab.
#
Geometrie 2.37Jürgen Roth
Beweis zu Satz 2.11Fortsetzung
∠ ∠
∠ ∠
Geometrie 2.38Jürgen Roth
Kongruenzsätze für Dreiecke
Satz 2.11a: Kongruenzsatz SsWGilt für zwei Dreiecke ABC und A‘B‘C‘ in einer Ebene ε , dass zwei Paare entsprechender Seiten und das Paar der den größeren der beiden Seiten gegenüberliegenden Winkel kongruent sind, dann sind ABC und A‘B‘C‘ kongruent zueinander.
BemerkungAussagen über die Kongruenz von Dreiecken treten in den Elementen des Euklid und auch in den Grundlagen der Geometrie von Hilbert an Stelle der hier gewählten Spiegelungsaxiome.Dies macht deutlich, dass man die Geometrie axiomatisch sowohl über die Kongruenz von Dreiecken als auch über Geradenspiegelungen aufbauen kann.Unabhängig davon sind die Kongruenzsätze für viele elementargeometrischen Anwendungen ein wichtiges und unverzichtbares Beweismittel.
Geometrie 2.39Jürgen Roth
2.3 Gleichsinnige und nicht gleichsinnige Kongruenz-abbildungen – Orientierung
Kapitel 2: Kongruenzabbildungen
Geometrie 2.40Jürgen Roth
Einführung
BemerkungMit dem Dreispiegelungssatz (Satz 2.4) wurde bewiesen, dass sich jede Kongruenzabbildung durch die Verkettung von höchstens drei Achsenspiegelungen ersetzen lässt.Es fehlt noch der Nachweis, dass es überhaupt Kongruenz-abbildungen gibt, zu deren Ersetzung man drei Achsen-spiegelungen benötigt. Die Schubspiegelungen werden sich als solche Kongruenzabbildungen erweisen.Es muss gezeigt werden, dass Verkettungen einer ungeradenAnzahl von Achsenspiegelungen (nicht gleichsinnige Kongruenz-abbildungen) nicht die selben Abbildungen ergeben können wie Verkettungen einer geraden Anzahl von Achsenspiegelungen (gleichsinnige Kongruenzabbildungen).Erst mit Hilfe der gleichsinnigen Kongruenzabbildungen lässt sich der Begriff des Umlaufsinns von Dreiecken, Polygonen und Winkeln genauer fassen.
Geometrie 2.41Jürgen Roth
Reduktionssatz für drei Achsenspiegelungen
Satz 2.12: Reduktionssatz für drei AchsenspiegelungEine Verkettung von drei Spiegelungen an Geraden in der Ebene ε, die zueinander parallel sind oder sich in genau einem Punkt schneiden, lässt sich durch eine Achsenspiegelung ersetzen.∀g, h, k ⊂ ε g || h || k ∨ g ∩ h ∩ k = {S} ⇒ ∃m ⊂ ε Sk ∘ Sh ∘ Sg = Sm
BeweisFür die drei Geraden g, h, k gelte g ≠ h, da sonst sofort folgt: m = k. Beweisidee: Es wird gezeigt, dass es eine Gerade m gibt, mit
Sh ∘ Sg = Sk ∘ Sm
Daraus ergibt sich durch Verkettung mit Sk sofort die Behauptung.
Geometrie 2.42Jürgen Roth
Beweis zu Satz 2.12Fortsetzung
Beweis zu Satz 2.12 (Fortsetzung)1. Fall: g || h || k
Es werden zwei Punkte P und Q gewählt, deren Bilder nach den Spiegelungen an g, h und k auf die Gerade k fallen. Es gelte also:
P‘ = (Sk ∘ Sh ∘ Sg)(P)
Q‘ = (Sk ∘ Sh ∘ Sg)(Q) = Sk((Sh ∘ Sg)(Q)) = (Sh ∘ Sg)(Q)
Wegen g || h || k und damit g || P‘Q‘ muss wegen der Parallelen-treue der Achsenspiegelungen (Satz 1.17) auch g || PQ gelten.Wenn m die Symmetrieachse der Punkte P und P‘ bzw. Q und Q‘ist, dann ist Sm(P) = P‘ und Sm(Q) = Q‘.Nach Satz 2.3 können sich die Abbildungen Sh ∘ Sg und Smhöchstens um die Achsenspiegelung SP‘Q‘ = Sk unterscheiden.Da eine Spiegelung nicht gleich der Verkettung zweier Spiegelung-en sein kann (vgl. S. 2.18), muss gelten: Sh ∘ Sg = Sk ∘ Sm
∈ k
∈ k
∈ k
∈ k
= Sk((Sh ∘ Sg)(P)) = (Sh ∘ Sg)(P)
Geometrie 2.43Jürgen Roth
Beweis zu Satz 2.12Fortsetzung
Beweis zu Satz 2.12 (Fortsetzung)2. Fall: g ∩ h ∩ k = {S}
P ≠ S sei ein Punkt, dessen Bild nach den Spiegelungen an g, hund k auf die Gerade k fällt. Es gelte also:
P‘ = (Sk ∘ Sh ∘ Sg)(P)
Da S ein Fixpunkt von Sh ∘ Sg ist, gilt wegen (GS3): [SP] ≅ [SP‘ ].Damit muss wegen Satz 1.13 die Symmetrieachse m von P und P‘durch S verlaufen. Folglich gilt:
Sm(P) = P‘ = (Sh ∘ Sg)(P) ∧ Sm(S) = S = (Sh ∘ Sg)(S)Nach Satz 2.3 können sich die Abbildungen Sh ∘ Sg und Smhöchstens um die Achsenspiegelung SSP‘ = Sk unterscheiden.Da eine Spiegelung nicht gleich der Verkettung zweier Spiegelung-en sein kann (vgl. S. 2.18), muss gelten: Sh ∘ Sg = Sk ∘ Sm
In beiden Fällen folgt (Verkettung mit Sk): Sk ∘ Sh ∘ Sg = Sm #
∈ k ∈ k
= Sk((Sh ∘ Sg)(P)) = (Sh ∘ Sg)(P)
Geometrie 2.44Jürgen Roth
Beweis zu Satz 2.12Fortsetzung
Geometrie 2.45Jürgen Roth
Beweis zu Satz 2.12Fortsetzung
m = m[PP‘]
Geometrie 2.46Jürgen Roth
Folgerung
BemerkungEine einfache Umformung des Satzes 2.12 (Reduktionssatz für drei Achsenspiegelungen) führt zu folgendem Satz:
Satz 2.13∀g, h, k ⊂ ε ( g || h || k ∨ g ∩ h ∩ k = {S} )
⇒ ( ∃m ⊂ ε Sh ∘ Sg = Sk ∘ Sm ∧ ∃n ⊂ ε Sh ∘ Sg = Sn ∘ Sk )
Beweis∀g, h, k ⊂ ε g || h || k ∨ g ∩ h ∩ k = {S}
⇒ ∃m ⊂ ε Sk ∘ Sh ∘ Sg = Sm ∧ ∃n ⊂ ε Sh ∘ Sg ∘ Sk = Sn
⇒ ∃m ⊂ ε Sk ∘ Sk ∘ Sh ∘ Sg = Sk ∘ Sm ∧ ∃n ⊂ ε Sh∘Sg∘Sk∘Sk = Sn∘Sk
⇒ ∃m ⊂ ε idε ∘ Sh ∘ Sg = Sk ∘ Sm ∧ ∃n ⊂ ε Sh ∘ Sg ∘ idε = Sn ∘ Sk
⇒ ∃m ⊂ ε Sh ∘ Sg = Sk ∘ Sm ∧ ∃n ⊂ ε Sh ∘ Sg = Sn ∘ Sk
Satz 2.12
Verkettung
mit Sk
Satz 1.15
Satz 2.6
(G2) #
Geometrie 2.47Jürgen Roth
Reduktionssatz für vier Achsenspiegelungen
Satz 2.14: Reduktionssatz für vier AchsenspiegelungenEine Verkettung von vier Achsenspiegelungen in einer Ebene ε , lässt sich immer durch die Verkettung von genau zwei Achsenspiegelungen ersetzen.
BeweisSm ∘ Sk ∘ Sh ∘ Sg sei die Verkettung der vier Geradenspiegelungen.
1. Fall: Sind zwei aufeinanderfolgende Achsenspiegelungen identisch, also Spiegelungen an derselben Geraden (z. B. g = h) dann bilden sie zusammen die identische Abbildung und die Ver-kettung besteht nur noch aus zwei Abbildungen (im Bsp. Sm ∘ Sk).2. Fall: Gilt für drei aufeinanderfolgende Abbildungen die Voraussetzung des Reduktionssatzes für drei Achsenspiegelung (alle zueinander parallel oder alle schneiden sich im selben Punkt) dann lassen sie sich durch eine einzige Achsenspiegelung erset-zen und die Verkettung besteht nur noch aus zwei Abbildungen.
Geometrie 2.48Jürgen Roth
Reduktionssatz für vier Achsenspiegelungen
Beweis von Satz 2.14 (Fortsetzung)Sm ∘ Sk ∘ Sh ∘ Sg sei die Verkettung der vier Geradenspiegelungen.Idee: Zwei der vier Spiegelungen durch zwei geeignete andere
ersetzen, so dass anschließend für drei aufeinanderfolgende Spiegelungen die Voraussetzungen von Satz 2.12 erfüllt sind.
3. Fall: g ∩ h = {P} ∧ k ∩ m = {Q}k‘ = PQ, und m‘ ist die nach Satz 2.13 eindeutig existierende Gerade, für die Sm ∘ Sk = Sm‘ ∘ Sk‘ ist.Dann gilt: Sm ∘ Sk ∘ Sh ∘ Sg = Sm‘ ∘ Sk‘ ∘ Sh ∘ Sg
Die Geraden g, h, k‘ schneiden sich alle im Punkt P und erfüllen folglich die Voraussetzung von Satz 2.12 (Reduktionssatz für drei Achsenspiegelungen). Sie lassen sich also durch eine einzige Achsenspiegelung ersetzen. Die Verkettung von vier Achsenspiegelung ist damit durch die Verkettung von zwei Achsenspiegelungen ersetzt.
Geometrie 2.49Jürgen Roth
Reduktionssatz für vier Achsenspiegelungen
Geometrie 2.50Jürgen Roth
Reduktionssatz für vier Achsenspiegelungen
Beweis von Satz 2.14 (Fortsetzung)4. Fall: g ∩ h = {P} ∧ k ∩ m = ∅ (d. h. k, m sind echt parallel)Man wähle k‘ so, dass k‘ ||k und P ∈ k‘. m‘ ist die nach Satz 2.13 eindeutig existierende Gerade, für die Sm ∘ Sk = Sm‘ ∘ Sk‘ ist.Dann gilt: Sm ∘ Sk ∘ Sh ∘ Sg = Sm‘ ∘ Sk‘ ∘ Sh ∘ Sg
Die Geraden g, h, k‘ schneiden sich alle im Punkt P und erfüllen folglich die Voraussetzung von Satz 2.12 (Reduktionssatz für drei Achsenspiegelungen). Sie lassen sich also durch eine einzige Achsenspiegelung ersetzen. Die Verkettung von vier Achsenspiegelung ist damit durch die Verkettung von zwei Achsenspiegelungen ersetzt.5. Fall: g ∩ h = ∅ ∧ k ∩ m = {Q} (d. h. g, h sind echt parallel)Man wähle h‘ so, dass h‘ ||h und Q ∈ h‘. g‘ ist die nach Satz 2.13 eindeutig existierende Gerade, für die Sh ∘ Sg = Sh‘ ∘ Sg‘ ist.Der Rest erfolgt analog zum 4. Fall.
Geometrie 2.51Jürgen Roth
Reduktionssatz für vier Achsenspiegelungen
Geometrie 2.52Jürgen Roth
Reduktionssatz für vier Achsenspiegelungen
Beweis von Satz 2.14 (Fortsetzung)6. Fall: g ∩ h = ∅ ∧ k ∩ m = ∅
(d. h. g, h sind echt parallel und k, m sind echt parallel)h und k werden so durch zwei Achsen h‘ und k‘ ersetzt, dass Sk ∘ Sh = Sk‘ ∘ Sh‘ ist und sich die Geraden g und h‘ in einem Punkt P schneiden und die Geraden k‘ und m sich in einem Punkt Qschneiden. Auf die Verkettung Sm ∘ Sk‘ ∘ Sh‘ ∘ Sg lässt sich dann der 3. Fall anwenden. #
BemerkungAus Satz 2.14 folgt direkt: Jede Verkettung aus einer geradenAnzahl von Geradenspiegelungen ist mit Hilfe der Verkettung von genau zwei Geradenspiegelungen darstellbar.Begründung: Wenn man vier Achsenspiegelungen durch zwei ersetzt, verringert sich die Gesamtzahl um 2. Bei einer Verkettung von 2n Achsenspiegelungen verringert sich die Anzahl der Spiegelungen nach n – 1 solchen Schritten auf 2n – 2⋅(n – 1) = 2.
Geometrie 2.53Jürgen Roth
Reduktionssatz für vier Achsenspiegelungen
Geometrie 2.54Jürgen Roth
Folgerung
BemerkungEine Verkettung von zwei Achsenspiegelungen kann
wegen der Fixpunkteigenschaften nicht durch eine einzelne Achsenspiegelung (vgl. Seite 2.18) undwegen Satz 2.14 auch nicht durch drei Achsenspiegelungen ersetzt werden.Wäre nämlich
Sk ∘ Sh ∘ Sg = Sn ∘ Sm
so ergäbe sich nach Verkettung mit Sn die GleichungSn ∘ Sk ∘ Sh ∘ Sg = Sm
Hier ist die linke Seite nach Satz 2.14 durch die Verkettung von zwei Achsenspiegelungen ersetzbar. Diese können aber wegen der Fixpunkteigenschaften nicht gleich einer einzelnen Achsenspiegelung sein (vgl. Seite 2.18).
Geometrie 2.55Jürgen Roth
Gleichsinnige Kongruenzabbildungen
BemerkungAus dem bisher Erarbeiteten folgt, dass man Kongruenzabbildung-en in Klassen einteilen kann, die sich daraus ergeben, ob die Kon-gruenzabbildungen durch die Verkettung einer geraden oder einer ungeraden Anzahl von Achsenspiegelungen ersetzen werden können.
Definition 2.5Eine Kongruenzabbildung der Ebene ε auf sich heißt genau dann gleichsinnig, wenn sie als Verkettung einer geraden Anzahl von Achsenspiegelungen darstellbar ist.
BemerkungDie Verkettung zweier gleichsinniger Kongruenzabbildungen ist wieder als Verkettung einer geraden Anzahl von Achsenspiege-lungen darstellbar. Dies gilt auch für die Umkehrabbildung einer solchen Abbildung. Dies beweist mit Satz 2.7 folgenden Satz:
Geometrie 2.56Jürgen Roth
Gleichsinnige Kongruenzabbildungen
Satz 2.15: Untergruppe der gleichsinnigen KongruenzabbildungenDie Menge der gleichsinnigen Kongruenzabbildungen Kg bildet bzgl. der in K geltenden Verkettung eine Untergruppe der Gruppe (K, ∘).Kurz: (Kg, ∘) ist eine Untergruppe von (K, ∘).
BezeichnungenKongruenzabbildungen werden gelegentlich auch als Bewegungen bezeichnet.Gleichsinnige Kongruenzabbildungen werden auch als echte Bewegungen bezeichnet.Ungleichsinnige Kongruenzabbildungen werden auch als Umwendungen bezeichnet. Diese Bezeichnung geht darauf zurück, dass man eine Geradenspiegelung im Raum als Wenden (Klappen) um eine Achse auffassen kann.
Geometrie 2.57Jürgen Roth
Achsenspiegelung als „Klappen“ oder „Umwenden“ im Raum
Geometrie 2.58Jürgen Roth
Orientierung / Umlaufsinn
BemerkungDie Auffassung einer Geradenspiegelung als Wenden oder Klappen um die Achse im Raum korrespondiert mit der anschaulichen Erfahrung, dass sich der Umlaufsinn bzw. die Orientierung einer Geometrischen Figur bei einer Geradenspiegelung umkehrt und entsprechend bei einer Verkettung einer geraden Anzahl von Achsenspiegelungen erhalten bleibt.
Geometrie 2.59Jürgen Roth
Orientierung beim Dreieck
Definition 2.6Eine Dreieck ABC heißt orientiert, wenn eine zyklische Reihen-folge für seine Eckpunkte gegeben ist. Ein orientiertes Dreieck mit der Eckenfolge A → B → C wird kurz mit (ABC) bezeichnet.
BemerkungenEs kann nur genau zwei verschiedene Orientierungen geben:
Argument 1:Durchläuft man von A aus die Strecke [AB]auf g und will zur Ecke C weiterlaufen, dann muss man g verlassen und hat nur zwei Möglichkeiten: C kann nur in einer der beiden Halbebenen bzgl. g liegen.Argument 2: Da es nur sechs verschiedene Anordnungen der drei Eckpunkte gibt, kann es wegen (ABC) = (CAB) = (BCA) ∧ (ACB) = (BAC) = (CBA) für ein Dreieck nur zwei verschiedene Orientierungen geben.
Geometrie 2.60Jürgen Roth
Orientierung vergleichen
Definition 2.7Zwei orientierte Dreiecke (A1B1C1) und (A2B2C2) einer Ebene εheißen genau dann gleichorientiert, wenn es eine gleichsinnigeKongruenzabbildung ϕ gibt, für die gilt:
ϕ ([A1B1) = [A2B2 ∧ ϕ (C1) ∈ A2B2C2+
Bemerkungenϕ (C1) ∈ A2B2C2
+ bedeutet, dass ϕ (C1) in derselben Halbebene bezüglich der Geraden A2B2 liegt, wie C2.Es gibt genau eine gleichsinnige Kongruenzabbildung ϕmit ϕ ([A1B1) = [A2B2, denn es gibt nach Satz 2.3 genau zwei Kongruenzabbildungen die [A1B1 auf [A2B2 abbilden und die sich durch eine Achsenspiegelung unterscheiden. Genau eine davon ist gleichsinnig.
Geometrie 2.61Jürgen Roth
Orientierung vergleichen
Geometrie 2.62Jürgen Roth
Orientierung
Satz 2.16Die Relation „gleichorientiert“ ist eine Äquivalenzrelationauf der Menge der orientierten Dreiecke der Ebene ε.
BemerkungenAlle bisherigen Aussagen über orientierte Dreiecke lassen sich auf konvexe, einfach geschlossene Polygone übertragen, weil sie bzgl. der Stützgerade einer Seite „ganz“ in einer Halbebene liegen.
Definition 2.8Zwei orientierte Winkel α und β einer Ebene ε heißen genau dann gleichorientiert, wenn es eine gleichsinnige Kongruenz-abbildung ϕ gibt, für die gilt:
ϕ (β ) hat denselben Erstschenkel wie α ∧Wϕ(β ) ⊆ Wα ∨ Wα ⊆ Wϕ (β )
Geometrie 2.63Jürgen Roth
Orientierung
FolgerungenFür nichtüberstumpfe orientierte Winkel ∢BAC und ∢EDF gilt:∢BAC und ∢EDF sind genau dann gleichorientiert, wenn die Dreiecke (ABC) und (DEF) gleichorientiert sind.Für alle orientierten Dreiecke, deren eine Seite auf einer Geraden g liegt und für alle orientierten Winkel, die einen gemeinsamen ersten Schenkel auf g haben, ist die Orientierung durch eine der beiden Halbebenen von g bestimmt. In dieser Halbebene liegen die dritten Eckpunkte der Dreiecke bzw. die zweiten Schenkel der Winkel.Dies verdeutlicht noch einmal, dass für Winkel wie für Dreiecke nur zwei Orientierungen möglich sind und diese Orientierungen bei gleichsinnigen Kongruenzabbildungen erhalten bleiben und bei nicht gleichsinnigen Kongruenzabbildungen umgekehrt werden.Zur Unterscheidung der beiden Orientierungen nennt man die Orientierung gegen den Uhrzeigersinn mathematisch positiv.
Geometrie 2.64Jürgen Roth
Orientierung vergleichen
Definition 2.9In der Ebene ε sei die Gerade g mit P, Q ∈ g durch die Festlegung P < Q orientiert. Es sei
gk eine beliebige Parallel zu g,h eine Gerade, die g in P und gk in Pk schneidet,Qk ein weiterer Punkt von gk mit Pk < Qk.
Die Geraden g und gk heißen genau dann gleichorientiert, wenn die Punkte Q und Qk in derselben Halbebene bzgl. h liegen.
Geometrie 2.65Jürgen Roth
Pfeile
Definition 2.10Ein Pfeil ist ein geordnetes Paar von Punkten.Sind zwei Punkte P und Q gegeben, dann wird der Pfeil PQ := (P, Q) Gegenpfeil des Pfeils QP := (Q, P) genannt.
Definition 2.11Zwei Pfeile P1Q1 und P2Q2 bzw. Halbgeraden [P1Q1 und [P2Q2auf zueinander parallelen Trägergeraden heißen genau dann gleichorientiert, wenn bei gleicher Orientierung der Trägergeraden gilt: P1 < Q1 ⇔ P2 < Q2
Andernfalls heißen die Pfeile oder Halbgeraden entgegengesetzt orientiert.
Geometrie 2.66Jürgen Roth
Pfeile
gleichorientiertePfeile
Entgegengesetzt orientierte Pfeile
Geometrie 2.67Jürgen Roth
Pfeile und Halbgeraden
Bemerkungen
Wegen der streng linearen Anordnung der Punkte einer Geraden, gibt es nur genau zwei Orientierungen für alle Halbgeraden bzw. alle Pfeile auf parallelen Trägergeraden.
Bezogen auf eine solche Parallelenschar ist die Relation „gleichorientiert“ eine Äquivalenzrelation.
An einem Gegenbeispiel kann man sich leicht klar machen, dass es sinnlos wäre, den Orientierungsvergleich auf den Fall nicht paralleler Trägergeraden auszudehnen. Dies würde zu einer nicht transitiven Relation führen, also auf einen Widerspruch zum üblichen Verständnis von „gleich“ im Wort „gleichorientiert“.
Geometrie 2.68Jürgen Roth
Folgerung
Satz 2.17Für vier Geraden g, h, k und m der Ebene ε mit Sh ∘ Sg = Sm ∘ Sk gilt:
a) Ist g ∩ h ∩ k ∩ m = {A}, dann gibt es nicht überstumpfe Winkel ∢(gA, hA) und ∢(kA, mA), die gleich-orientiert und kongruent sind.
b) Ist g || h || k || m und ist seine Senkrechte zu diesen Geraden, die g in A, h in B, k in C und m in D schneidet, dann sind die Pfeile AB und CD gleichorientiert und kongruent.
Geometrie 2.69Jürgen Roth
Folgerung
Beweis von Satz 2.17a: (Beweis von Satz 2.17b analog)(1) Es gilt: g ∩ h ∩ k ∩ m = {A} ∧ Sh ∘ Sg = Sm ∘ Sk
(2) Betrachte P ∈ gA und Q ∈ kA mit [AP] ≅ [AQ].(3) w ist die Symmetrieachse von P und Q.(4) Wegen (2), (3) und Satz 1.13 ist A ∈ w.(5) (Sk ∘ Sw)(P) = Sk(Sw(P)) = Sk(Q) = Q(6) Mit (1) folgt: (Sh ∘ Sg)(P) = (Sm ∘ Sk)(P) = P‘ ∧
(Sh ∘ Sg)(Q) = (Sm ∘ Sk)(Q) = Q‘(7) Aus (3), (2) und (6) ergibt sich:
(Sh ∘ Sg ∘ Sw)(Q) = P‘(8) Da Sh ∘ Sg ∘ Sw nach Satz 2.12
eine Achsenspiegelung ist folgt:(Sh ∘ Sg ∘ Sw)(P‘) = Q
(9) Wegen Sh ∘ Sg = Sm ∘ Sk gilt dann:(Sm ∘ Sk ∘ Sw)(P‘) = Q
Q∈k(3)
Geometrie 2.70Jürgen Roth
Folgerung
(9) (6)
Beweis von Satz 2.17a:(9) (Sm ∘ Sk ∘ Sw)(P‘) = Q(10) Daraus folgt:
(Sm ∘ Sm ∘ Sk ∘ Sw)(P‘) = (Sk ∘ Sw)(P‘)und(Sm ∘ Sm ∘ Sk ∘ Sw)(P‘)
= Sm((Sm ∘ Sk ∘ Sw)(P‘))= Sm(Q) = Q‘
also (Sk ∘ Sw)(P‘) = Q‘(11) Es folgt: (Sk ∘ Sw)(PAP‘) = (QAQ‘),
wobei (PAP‘) und (QAQ‘) gleichorientiert sind.Damit gilt auch: ∢(PAP‘) ≅ ∢(QAQ‘) und gleichorientiert [S. 2.63]
(12) Da h die Winkelhalbierende von ∢(PAP‘) und m die Winkel-halbierende von ∢(QAQ‘) ist, gilt auch (Sk ∘ Sw)(h) = m.
(13) Also ist ∢(gA, hA) gleichorientiert und kongruent zu ∢(kA, mA). #
Geometrie 2.71Jürgen Roth
2.4 Kleinerrelation und Addition für Längen und Winkelgrößen
Kapitel 2: Kongruenzabbildungen
Geometrie 2.72Jürgen Roth
Kleinerrelation für Streckenlängen
Definition 2.12Die Länge |PQ| der Strecke [PQ] mit P ≠ Qheißt genau dann kleiner als die Länge |AB|der Strecke [AB], wenn es einen Punkt Cgibt mit A-C-B und [PQ] ≅ [AC].Man schreibt dann: |PQ| < |AB|
Satz 2.18Die Relation „<“ ist eine strenge Ordnungsrelation für Streckenlängen. Es gilt also für beliebige Punkte A, B, C, D, E, F ∈ P:
|AB| < |CD| ⇒ ¬(|CD| < |AB|) (Asymmetrie)|AB| < |CD| ∧ |CD| < |EF| ⇒ |AB| < |EF| (Transitivität)
Anmerkung:Asymmetrie umfasst Antisymmetrie und Irreflexivität.
Geometrie 2.73Jürgen Roth
Addition für Streckenlängen
Definition 2.13Sind A, B, C drei kollineare Punkte mit A-B-C, dann ist |AC| die Summe der Streckenlängen |AB| und |BC|.Man schreibt: |AB| + |BC| = |AC|Für |PP|, die Länge der Nullstrecke, gilt:
|AB| + |PP| = |PP| + |AB| = |AB|
Satz 2.19Die Menge L aller Streckenlängen bildet bzgl. der Addition eine kommutative Halbgruppe (L, +), es gilt also für alle Streckenlängen |AB|, |CD|, |EF| ∈ L:
|AB| + |CD| ∈ L (Abgeschlossenheit)(|AB| + |CD|) + |EF| = |AB| + (|CD| + |EF|) (Assoziativität)|AB| + |CD| = |CD| + |AB| (Kommutativität)
Geometrie 2.74Jürgen Roth
Beziehung von Kleinerrelation & Addition für Streckenlängen
Satz 2.20Die Relation |AB| < |CD| gilt genau dann, wenn es eine Streckenlänge |PQ| mit P ≠ Q gibt, so dass gilt:
|AB| + |PQ| = |CD|
Bemerkung
Für die Längen lässt sich das Vervielfachen einer Größe mit einer natürlichen Zahl durch fortgesetzte Addition erklären. Damit erhalten Ausdrücke wie „doppelt so lang wie“ und „dreifache Länge“ eine wohldefinierte Bedeutung.
Da jede Strecke einen Mittelpunkt besitzt, ist für jede Streckeauch erklärt, was unter der Hälfte, einem Viertel oder einem Achtel der Streckenlänge zu verstehen ist.
Geometrie 2.75Jürgen Roth
Kleinerrelation für Winkel
Definition 2.14Ein Winkel α heißt genau dann kleiner als ein Winkel β, wenn es eine Kongruenzabbildung ϕ gibt, die α so abbildet, dass gilt:
ϕ (α ) hat denselben ersten Schenkel wie β undϕ (Wα ) ⊂ Wβ
Man schreibt kurz: α < β
Definition 2.15Die Größe eines Winkels α ist die Äquivalenzklassealler zu α kongruenten Winkel.Man schreibt |α | für die Größe eines Winkels α. Häufig wird allerdings auch die Größe eines Winkels α mit α bezeichnet. Was gemeint ist, ergibt sich dann aus dem Zusammenhang.
Wα
ϕ (Wα)
Wβ
Geometrie 2.76Jürgen Roth
Addition von Winkelgrößen gleichorientierter Winkel
Definition 2.16Die Größe eines Winkels α ist genau dann kleiner als die Größe eines Winkels β, wenn für die Winkel gilt: α < β
Definition 2.17Sind ∢(gA, hA) und ∢(hA, kA) zwei gleich-orientierte Winkel, dann ist die Größe des genauso orientierten Winkels ∢(gA, kA) die Summe der beiden Winkelgrößen.
|∢(gA, hA)| + |∢(hA, kA)| = |∢(gA, kA)|
Satz 2.21Die Menge aller positiv (negativ) orientierten Winkelgrößen bildet bezüglich der Addition eine Gruppe.
Geometrie 2.77Jürgen Roth
Addition von Winkelgrößen gleichorientierter Winkel
b) Assoziativität d) Inverses Element zu αKomplementärer
gleichorientierter Winkel α*
c) Neutrales ElementNullwinkel
a) AbgeschlossenheitFolgt aus Definition 2.17
Beweisidee zu Satz 2.21:
Geometrie 2.78Jürgen Roth
Addition von Winkelgrößen beliebiger Winkel
Definition 2.18Sind ∢(gA, hA) und ∢(hA, kA) beliebig orientierte Winkel, dann heißt die Größe des Winkels ∢(gA, kA), der wie der größere der beiden Winkel orientiert ist, Summe der beiden Winkelgrößen |∢(gA, hA)| und |∢(hA, kA)|.
|∢(gA, hA)| + |∢(hA, kA)| = |∢(gA, kA)|
Geometrie 2.79Jürgen Roth
Addition von Winkelgrößen beliebiger Winkel
Kein eindeutig bestimmtes inverses Element zu α
Nicht assoziativ
Satz 2.22Die Addition von Winkelgrößen ist kommutativ.Für alle Winkelgrößen α und β gilt immer: α + β = β + α
(α + β ) + γ ≠ α + (β + γ )
Geometrie 2.80Jürgen Roth
Folgerungen
BemerkungJeder Nebenwinkel eines Innenwinkels eines Dreiecks heißt Außenwinkel des Dreiecks.
Satz 2.23Ein Außenwinkel eines Dreiecks ist immer größer als jeder Innenwinkel, der nicht sein Nebenwinkel ist.
Beweis
Da E im Winkelfeld von β‘ liegt (Warum?) gilt mit Definition 2.14 γ' < β' und damit wegen γ ≅ γ' auch γ < β'.Analog für die anderen Winkel. #
Geometrie 2.81Jürgen Roth
Folgerungen
Satz 2.24In einem Dreieck liegt immer die größere Seite dem größeren Winkel gegenüber und umgekehrt.
Beweisa) O.B.d.A. zu zeigen: |BC| < |AB| ⇒ α < γ
|BC| < |AB|
⇒ ∃D∈[AB] A-D-B ∧ [DB] ≅ [BC]
⇒ B ∈ m[DC] = m
⇒ Sm(δ ) = δ ‘ ⇒ δ ≅ δ ‘ (*)
Da [CD im Winkelfeld von γ liegt, folgt mit Def. 2.14 δ < γund wegen (*) auch δ ‘ < γ (**). Nach Satz 2.23 gilt: α < δ ‘ (+)
Mit (+) und (**) folgt: α < γ #
Def. 2.12
Satz 1.13
Geometrie 2.82Jürgen Roth
Folgerungen
Beweis zu 2.24 (Fortsetzung)b) O.B.d.A. zu zeigen: α < γ ⇒ |BC| < |AB|
Annahme: α < γ ∧ |AB| ≤ |BC|1. Fall:|AB| < |BC| ⇒ γ < α Widerspruch zur Voraussetzung α < γ
2. Fall:|AB| = |BC|
⇒ B ∈ m[AC] = n
⇒ Sn(γ ) = α
⇒ γ ≅ α Widerspruch zur Voraussetzung α < γ
Also ist die Annahme falsch und deren Gegenteil, dieAussage α < γ ⇒ |BC| < |AB| ist richtig. #
Satz 1.13
a)
Geometrie 2.83Jürgen Roth
Folgerungen: Kreis
Definition 2.19Ist ein Punkt M der Ebene ε und eine Streckenlänge r gegeben, dann heißt die Punktmenge k(M, r ) := {P ∈ ε | |MP| = r } Kreisum den Mittelpunkt M mit dem Radius r. Die Punktmenge ki(M, r ) := {P ∈ ε | |MP| < r } heißt Inneres, die Punktmenge ka(M, r ) := {P ∈ ε | |MP| > r } heißt Äußeresdes Kreises k(M, r ).
BezeichnungenDie Gerade PQ durch zwei verschiedene Punkte P und Q eines Kreises heißt Sekante, die Strecke [PQ] auf der Sekanten heißt Sehne des Kreises. Eine Sekante, die durch den Kreismittelpunkt verläuft heißt Zentrale, die zugehörige Sehne heißt Durchmesser.Eine Gerade, die genau einen Punkt mit dem Kreis gemeinsam hat heißt Tangente, der gemeinsame Punkt heißt Berührpunkt.
Geometrie 2.84Jürgen Roth
Folgerungen: Kreis
Satz 2.25Ein Kreis k(M, r) wird durch jede Geradenspiegelung an einer seiner Zentralen auf sich selbst abgebildet.
Satz 2.26Die Mittelsenkrechte jeder Sehne eines Kreises k(M, r) verläuft durch den Kreismittelpunkt M.
Satz 2.27Ein Kreis ist durch drei verschiedene, nicht kollineare Punkte eindeutig bestimmt. (Hinweis: Mittelpunkt und Radius)
Satz 2.28Die drei Mittelsenkrechten der Seiten eines Dreiecks schneiden sich in einem Punkt, dem Umkreismittelpunkt.
BeweiseÜbungs-aufgaben
Geometrie 2.85Jürgen Roth
Folgerungen: Kreis
Satz 2.29a) Die Mittelpunkte aller Kreise, die sich in zwei Punkten P und Q
schneiden, liegen auf der Mittelsenkrechten m[PQ] von [PQ].
b) Zwei verschiedene Kreise schneiden sich in höchstens zwei Punkten.
c) Eine Gerade und ein Kreis schneiden sich in höchstens zwei Punkten.
Beweisa) P, Q ∈ k(M, r)
⇒ |MP| = |MQ| = r⇒ [MP] ≅ [MQ]⇒ M ∈ m[PQ], der Symmetrieachse von P und Q.⇒ ∀n∈N (P, Q ∈ kn(Mn, rn) ⇒ Mn ∈ m[PQ]) #
Def. 2.19
Def. 1.15
Satz 1.13
b) Übungsaufgabec) Übungsaufgabe
Geometrie 2.86Jürgen Roth
2.5 Typen von Kongruenzabbildungen
Kapitel 2: Kongruenzabbildungen
Geometrie 2.87Jürgen Roth
Typen von Kongruenzabbildungen
BemerkungenMit dem Dreispiegelungssatz (Satz 2.4) wurde bewiesen, dass sich jede Kongruenz-abbildung durch die Verkettung von höchstens drei Geraden-spiegelungen ersetzen lässt.Die Kongruenzabbildungen können in
gleichsinnige Kongruenz-abbildungen, die alle als Verkettung von genau zwei Geradenspiegelungendarstellbar sind (Verschie-bungen, Drehungen und als Spezialfall Punktspiegelung-en) und
ungleichsinnige Kongru-enzabbildungen, also die Geradenspiegelungen und die Verkettungen aus drei Geradenspiegelungen(Schubspiegelungen)
unterteilt werden.Bei den gleichsinnigen Kongruenzabbildungen können die beiden Geraden parallel sein (Verschiebung) oder sich schneiden (Drehung). Falls sie sich schneiden ist noch der Sonderfall möglich, dass sie senkrecht aufeinander stehen (Punktspiegelung).Es gibt also insgesamt 5 Typen von Kongruenzabbildungen.
Geometrie 2.88Jürgen Roth
α2
Typen von Kongruenzabbildungen
A
A′
g
A
A′
Z
A
α
A'
A*
A′
s
v→
v→
v→ A
A'A
Z
v→Geradenspiegelung
Drehung
Punktspiegelung
ParallelverschiebungSchub-spiegelung
α
Geometrie 2.89Jürgen Roth
2.6 Punktspiegelung (Halbdrehung)
Kapitel 2: Kongruenzabbildungen
Geometrie 2.90Jürgen Roth
Punktspiegelung(Halbdrehung)
P
P ′
Z
Definition 2.20Eine Abbildung PZ der Ebene ε auf sich heißt genau dann Punktspiegelung (Halbdrehung), wenn sie
genau einen Fixpunkt Z besitzt und jedem Punkt P den Bildpunkt P‘ so zuordnet, dass Z der Mittelpunkt der Strecke [PP‘ ] ist.
Z heißt das Zentrum der Punktspiegelung PZ.
Satz 2.30a) Die Verkettung Sh ∘ Sg zweier Geradenspiege-
lungen Sg und Sh an zueinander senkrechten Geraden g und h mit dem Schnittpunkt Z ist gleich der Punktspiegelung PZ am Schnittpunkt Z.
b) Jede Punktspiegelung PZ ist darstellbar als Ver-kettung von zwei Geradenspiegelungen an zuein-ander senkrechten Geraden, die sich in Z schneiden.
Geometrie 2.91Jürgen Roth
Punktspiegelung(Halbdrehung)
Beweis von Satz 2.30g ⊥ h ∧ g ∩ h = {Z}
Zu zeigen: ∀P ∈ ε (Sh ∘ Sg)(P) = PZ(P)
1. Fall: P = Z⇒ (Sh ∘ Sg)(P) = Sh(Sg(P))
= Sh(P) = P = PZ(P)
2. Fall: P ∈ g \{Z}
⇒ P‘ = (Sh ∘ Sg)(P)
= Sh(Sg(P)) = Sh(P)
⇒ P‘ = Sh(P) ∈ g
⇒ [PZ] ≅ [P‘Z] ∧ P-Z-P‘
⇒ P‘ = PZ(P)
3. Fall: P ∉ g∧ i = PZ, d.h. P ∈ i \{Z}
⇒ ∃k ⊂ ε ∧ Z∈ k Sh ∘ Sg = Sk ∘ Si
⇒ k ⊥ i
⇒ P‘ = (Sh ∘ Sg)(P)
= (Sk ∘ Si)(P)
= Sk(Si(P)) = Sk(P)
⇒ P‘ = Sk(P) ∈ i
⇒ [PZ] ≅ [P‘Z] ∧ P-Z-P‘
⇒ P‘ = PZ(P)
#
P ∈ g P ∈ h Def.2.20
g ⊥ hDef. 1.19Satz 1.13Satz 1.25Def. 2.20
Satz 2.13
P ∈ g
P ∈ i
k ⊥ iDef. 1.19Satz 1.13Satz 1.25Def. 2.20
Satz 2.17a
Geometrie 2.92Jürgen Roth
Eigenschaften der Punktspiegelung
BemerkungDa jede Strecke [PQ] genau einen Mittelpunkt besitzt, gilt:
Satz 2.31Zu zwei Punkten P und Q gibt es genau eine Punktspiegelung, die P auf Q abbildet.
Satz 2.32Die Punktspiegelung ist eine involutorische Abbildung, d. h. sie ist zu sich selbst invers.
BeweisZ ist Mittelpunkt der Strecke [PP‘ ] und PZ(P) = P‘.Wegen [PP‘ ] = [P‘P] kann auch P‘ als Urbild betrachtet werden und es gilt mit Definition 2.20: PZ(P‘ ) = P. Damit ergibt sich:∀P ∈ ε (PZ ∘ PZ)(P) = PZ(PZ(P)) = PZ(P‘ ) = P ⇔ PZ ∘ PZ = idε #
Geometrie 2.93Jürgen Roth
Eigenschaften der Punktspiegelung
Satz 2.33In einer Verkettung Sh ∘ Sg sind die beiden GeradenspiegelungenSh und Sg genau dann vertauschbar, wenn g = h oder g ⊥ h ist.Kurz: Sh ∘ Sg = Sg ∘ Sh ⇔ g = h ∨ g ⊥ h
Satz 2.34Punktspiegelungen sind geradentreu, längentreu und winkelmaßtreu.
BeweisDiese Eigenschaften ergeben sich sofort aus Satz 2.30 und den Eigenschaften der Geradenspiegelung.
Bemerkungd(P, g) ist der Abstand von einem Punkt P zu einer Geraden g.Das von P auf g gefällte Lot schneidet g im Lotfußpunkt F. Es gilt: d(P, g) = |PF|
Geometrie 2.94Jürgen Roth
Eigenschaften der Punktspiegelung
Satz 2.35: Eigenschaften der PunktspiegelungFür jede Punktspiegelung PZ in der Ebene ε gilt:a) Jede Gerade durch das Zentrum Z ist Fixgerade.b) Eine beliebige Gerade g wird auf eine
zu g parallele Gerade g‘ abgebildet.c) Eine Gerade g und ihre Bildgerade g‘ sind
entgegengesetzt orientiert und haben denselben Abstand vom Zentrum Z.
d) Ein Pfeil AB wird auf einen kongruenten und entgegengesetzt orientierten Pfeil A‘B‘ abgebildet.
Beweisa) Übungsaufgabeb) Übungsaufgabe
Geometrie 2.95Jürgen Roth
Eigenschaften der Punktspiegelung
Beweis zu Satz 2.35cDie Punktspiegelung PZ wird durch die Verkettung Sb ∘ Sa ersetzt mita ⊥ g und folglich b || g. F ist Fußpunkt des Lotes von Z auf gund P ein Punkt auf g mit P ≠ F und F < P.Sa(g) = g ∧ Sb(g) = g‘Sa(P) = P‘a < F = Sa(F), d. h. die Orientierung hat sich geändert.Sb(P‘a) = P‘ < F‘ = Sb(F)Die Bildgerade g‘ ist also entgegengesetzt zu g orientiert.Wegen [ZF] ≅ [ZF‘ ] ergibt sich außerdem:
d(Z, g) = |ZF| = |ZF‘ | = d(Z, g‘) #Bemerkung: Die Umkehrung der Orientierung für Pfeile und die Kongruenz von Pfeil und Bildpfeil (Satz 2.35d) lässt sich direkt aus obigem Beweis folgern.
Geometrie 2.96Jürgen Roth
Folgerungen
Definition 2.21Ein Viereck in einer Ebene ε, bei dem gegenüberliegende Seiten auf paarweise parallelen Trägergeraden liegen, heißt Parallelogramm.
Definition 2.22Eine Figur heißt genau dann punktsymmetrisch, wenn sie durch eine Punktspiegelung auf sich selbst abgebildet werden kann.
Satz 2.36Ein Parallelogramm ist punktsymmetrisch bzgl. des Diagonalenschnittpunkts als Zentrum.
Bemerkung: Es lässt sich auch zeigen, dass jedes punktsymmetri-sche Viereck ein Parallelogramm ist.
Geometrie 2.97Jürgen Roth
Folgerungen
Beweis zu Satz 2.36ABCD ist ein Parallelogramm und Zder Mittelpunkt seiner Diagonale [AC].⇒ PZ(A) = C⇒ PZ(C) = A (PZ ist involutorisch.)
⇒ PZ(AB) || AB ∧ C ∈ PZ(AB)⇒ PZ(AB) = CD (*)Analog folgt:
PZ(CB) = AD (**)B ∈ AB ∩ CB⇒ PZ(B) ∈ PZ(AB) ∩ PZ(CB) = CD ∩ AD = {D}⇒ PZ(B) = D⇒ PZ(D) = B⇒ PZ(ABCD) = ABCD #
Def. 2.20
Satz 2.32
Satz 2.35b
P-Satz 1.23
CD || AB
(*)
(**)
Satz 2.32 ⇒ Z = M[BD]
Satz 2.34
Satz 2.34
Geometrie 2.98Jürgen Roth
Folgerungen
Satz 2.37In jedem Parallelogramm gilt:a) Gegenüberliegenden Seiten sind kongruent.b) Die Diagonalen halbieren sich.c) Die gegenüberliegenden Innenwinkelwinkel sind kongruent.
Beweise: ÜbungsaufgabenBemerkung
Es gelten auch die Umkehrungen, d. h. jedes Viereck, das eine der drei im Satz genannten Eigenschaften besitzt, ist ein Parallelogramm.
Satz 2.38Ein orientiertes Viereck (ABCD) ist genau dann ein Parallelogramm, wenn die Pfeile AB und CDkongruent und entgegengesetzt orientiert sind.
Beweis zu Satz 2.38:Übungsaufgabe
Geometrie 2.99Jürgen Roth
Folgerungen
Satz 2.39: Satz von der Mittelparallelen im Dreiecka) Ist (ABC) ein Dreieck, M der Mittelpunkt der
Seite [AC], und g die Parallele zu AB durch M, dann gilt:
g trifft die Seite [BC] in ihrem Mittelpunkt N.|MN| ist halb so lang wie |AB|.
b) Die Gerade durch die Mittelpunkte zweier Dreiecksseiten ist parallel zur Trägergeraden der dritten Dreiecksseite.
Beweisa) g ∩ ]AC[ = {M} ∧ g || AB
⇒ ∃N ∈ ]BC[ g ∩ ]BC[ = {N}⇒ PM(C) = A ∧ PM(N) = N‘ ∈ g⇒ PM([CN]) = [AN‘ ]⇒ AN‘ ||CN ∧ [AN‘ ] ≅ [CN] (*)
(AP)/Satz 1.5
M = M[AC]
Satz 2.35a
⇒ ABNN‘ ist ein Parallelogramm.
Satz 2.34
Satz 2.35b
Geometrie 2.100Jürgen Roth
Folgerungen
Beweis zu Satz 2.39 (Fortsetzung) ⇒ ABNN‘ ist ein Parallelogramm.⇒ [AN‘ ] ≅ [BN] ∧ [AB] ≅ [NN‘ ] (**)Mit (*) ergibt sich:[AN‘ ] ≅ [BN] ∧ [AN‘ ] ≅ [CN]⇒ [CN] ≅ [BN]⇒ N ist der Mittelpunkt von [BC].Wegen PM(N) = N‘ gilt: [MN] ≅ [MN‘ ]⇒ |MN| = ½ |NN‘ | = ½ |AB|
#b) Annahme: (ABC) Dreieck ∧ M = M[AC] ∧ MM[BC] || AB
∃g ⊂ ε M ∈ g ∧ g || AB (P-Satz 1.23: Starkes Parallelenaxiom)
⇒ g ∩ [BC] = {N}, mit N = M[BC]
⇒ MM[BC] = g || AB Widerspruch zur Ann. MM[BC] || AB #
(**)
N∈]BC[
a)
Satz 2.37a
Geometrie 2.101Jürgen Roth
2.7 DrehungKapitel 2: Kongruenzabbildungen
Geometrie 2.102Jürgen Roth
Drehung
Definition 2.23Eine Abbildung DZ,α der Ebene ε auf sich heißt genau dann Drehung (Rotation), wenn sie
einen Fixpunkt Z besitzt und jedem Punkt P ≠ Z den Bildpunkt P‘ so zuordnet, dass gilt: |ZP| = |ZP‘ | ∧ |∢PZP‘ | = α
Z heißt das Zentrum und α der Drehwinkel der Drehung DZ,α.
BemerkungenDer Drehsinn bei Drehungen ist, wenn nicht anders angegeben, immer mathematisch positiv (gegen den Uhrzeigersinn).Der Begriff „Drehwinkel“ bezeichnet die Winkelgröße eines positiv orientierten Winkels.
Geometrie 2.103Jürgen Roth
Drehung
BemerkungenSpezialfälle der DrehungIst bei einer Drehung DZ,α in der Ebene ε der Drehwinkel α
der Nullwinkel, dann ist P‘ = P und DZ,α = idε ist die Identität.ein gestreckter Winkel, dann gilt P-Z-P‘ und wegen |ZP| = |ZP‘| ist Z der Mittelpunkt von [PP‘]. Dies entspricht der Definition der Punktspiegelung PZ.
Schnittwinkel zweier Geraden g und h.Schneiden sich zwei Geraden g und h, dann bezeichnet ∢(g, h) die beiden positiv orientierten, höchstens stumpfen Winkel, deren Erstschenkel auf g und deren Zweitschenkel auf h liegt.Als Scheitelwinkel sind die beiden Winkel kongruent. Ihre Winkelgröße wird mit |∢(g, h)| bezeichnet. Die Winkelgrößen |∢(g, h)| und |∢(h, g)| ergänzen sich zu einem gestreckten Winkel.
∢(g, h)∢(g, h)
∢(h, g)
∢(h, g)
Geometrie 2.104Jürgen Roth
α2
Drehung
Satz 2.40a) Die Verkettung Sh ∘ Sg zweier Geraden-
spiegelungen Sg und Sh deren Achsen gund h sich im Punkt Z schneiden, ist eine Drehung, deren Drehwinkel gleich dem doppelten Schnittwinkel der beiden Achsen ist.g ∩ h = {Z} ∧ |∢(g, h)| = α ⇒ Sh ∘ Sg = DZ,2α
b) Jede Drehung DZ,α ist darstellbar als Verkettung von zwei Geradenspiegelungen, deren Achsen sich im Drehzentrum Z schneiden und deren Schnittwinkel halb so groß ist wie der Drehwinkel α.
Beweis zu a)Sei P‘ = (Sh ∘ Sg)(P). Zu zeigen ist:(Sh ∘ Sg)(Z) = Z ∧ ∀P ∈ ε\{Z} |ZP| = |ZP‘ | ∧ ∀P ∈ ε\{Z} |∢PZP‘ | = 2|∢(g, h)|
A
α
A'
Z
Geometrie 2.105Jürgen Roth
Drehung
Beweis zu Satz 2.40a (Fortsetzung)i. (Sh ∘ Sg)(Z) = Sh(Sg(Z)) = Sh(Z) = Zii. ∀P ∈ ε\{Z} Sg(P) =: P‘g ∧ Sh(P‘g) = P‘
⇒ [ZP] ≅ [ZP‘g] ∧ [ZP‘g] ≅ [ZP‘ ]⇒ [ZP] ≅ [ZP‘ ]
iii. Zu zeigen ist: ∀P ∈ ε\{Z} |∢PZP‘ | = 2|∢(g, h)|1. Fall: P ∈ g
⇒ P‘ = (Sh ∘ Sg)(P) = Sh(Sg(P)) = Sh(P)2. Fall: P = Q ∉ g ∧ k = QZ, d.h. Q ∈ k \{Z}
⇒ ∃m ⊂ ε ∧ Z ∈ m Sh ∘ Sg = Sm ∘ Sk
⇒ Q‘ = (Sh ∘ Sg)(Q) = (Sm ∘ Sk)(Q) = Sm(Sk(Q)) = Sm(Q)⇒ |∢QZQ‘ | = 2 ⋅ |∢(k, m)| = 2 ⋅ |∢(g, h)|
⇒ Sh ∘ Sg = DZ,2|∢(g, h)| #
Z ∈ g Z ∈ h
Z ∈ g ∩ h
Satz 1.13(SK2) Def. 1.15
Def. 2.4
Satz 2.13 ⇒ |∢(g, h)| = |∢(k, m)| (*)Satz 2.17a
Q ∈ k
⇒ |∢PZP‘ | = 2|∢(g, h)|
Def. 2.4 (*)
⇒ |ZP| = | ZP‘ |
i. ii. iii.
Geometrie 2.106Jürgen Roth
Drehung
Beweis zu Satz 2.40bGegeben: DZ,α
Wähle zwei Geraden g und hmit g ∩ h = {Z} und |∢(g, h)| = ½ α.
⇒ Sh ∘ Sg = DZ,α
#
BemerkungDa die erste Achse g frei gewählt werden kann, gibt es beliebig viele Möglichkeiten eine Drehung durch die Verkettung zweier Achsenspiegelungen zu ersetzen. Dies kann für Anwendungen wichtig sein.
Satz 2.40a
Geometrie 2.107Jürgen Roth
Eigenschaften der Drehung
Satz 2.41: Eigenschaften der Drehung a) Eine Drehung ist geradentreu, längentreu und winkelmaßtreu.b) Eine von der Identität verschiedene Drehung besitzt
neben ihrem Drehzentrum keine weiteren Fixpunkte.c) Außer der Identität und der Halbdrehung,
besitzt keine Drehung eine Fixgerade.
Beweis
a) Übungsaufgabe
b) Übungsaufgabe
c) 1. Fall: Z ∈ gEin Punkt P ∈ g \{Z} wird genau dann auf g abgebildet, wenn der Drehwinkel ∢PZP‘ der Nullwinkel oder ein gestreckter Winkel ist.
Geometrie 2.108Jürgen Roth
Eigenschaften der Drehung
Beweis zu Satz 2.41c (Fortsetzung)2. Fall: Z ∉ gF ist der Fußpunkt des von Z auf ggefällten Lots und F ≠ P ∈ g.Annahme: g ist Fixgerade.
⇒ P‘ = DZ,α(P) ∈ g⇒ |ZP| = |ZP‘ |⇒ P‘ = SZF(P)⇒ ∀Q ∈ g\{P, F} Q‘ = SZF(Q)⇒ [PQ und [P‘Q‘ sind als Bild und Urbild der
Geradenspiegelung SZF entgegengesetzt orientiert.Widerspruch zur Tatsache, dass jede Drehung sich als Verkettung von zwei Geradenspiegelungen darstellen lässt. Dies ist eine die Orientierung erhaltende Abbildung.
#
Def. 2.23
Def. 1.15/Satz 1.13
Satz 1.21
Geometrie 2.109Jürgen Roth
Inverse Drehung
Satz 2.42: Inverse Drehung Die zur Drehung DZ,α inverse Abbildungist die Drehung um Z mit dem zu αgleichorientierten komplementären Winkel α*.Kurz: (DZ,α)−1 = DZ,α*
Bemerkungidε = (DZ,α)−1 ∘ DZ,α = DZ,α* ∘ DZ,α
BeweisDZ,α = Sh ∘ Sg ∧ g ∩ h = {Z} ∧ |∢(g, h)| = ½ α(DZ,α)−1 = (Sh ∘ Sg)−1 = Sg ∘ Sh
Sg ∘ Sh = DZ,2⋅|∢(h, g)|
Da ∢(g, h) und ∢(h, g) sich zu einem gestreckten Winkel ergänzen, sind α und α* zueinander komplementäre, gleichorientierte Winkel.
Z
∢(g, h)
∢(g, h)
∢(h, g)
∢(h, g)
#
Geometrie 2.110Jürgen Roth
2.8 (Parallel-)VerschiebungKapitel 2: Kongruenzabbildungen
Geometrie 2.111Jürgen Roth
Parallelverschiebung
Definition 2.24Eine Abbildung der Ebene ε auf sich heißt genau dann (Parallel-)Verschiebung (Translation), wenn für alle Punkte P ∈ ε und die zugehörigen Bildpunkte P‘ die Pfeile PP‘ kongruent und gleichorientiert sind.
BemerkungenAuch die Identität idε ist eine Verschiebung mit dem Nullpfeil als Verschiebungspfeil.
Definition 2.25Der Vektor PP‘ ist die Äquivalenzklasse aller zum Pfeil PP‘ kongruenten und gleichorientierten Pfeile.
Geometrie 2.112Jürgen Roth
Verschiebungsvektor
BemerkungenDie Relation „kongruent und gleichorientiert“ ist eine Äquivalenzrelation auf der Menge aller Pfeile.Die Länge eines Vektors ist die Länge eines zugehörigen Pfeils, also die Länge der von Anfangs- und Endpunkt des Pfeils festgelegten Strecke.Unter der Richtung eines Vektors versteht man Richtung und Orientierung der zugehörigen Pfeile.Ist RS ein zu PQ kongruenter und gleichorientierter Pfeil, dann kann man den Vektor PQ auch mit RS bezeichnen. Es gilt dann PQ = RS, auch wenn die Pfeile PQ und RS verschieden sind.Nach Definition 2.24 gehört zu jeder Verschiebung genau ein Vektor und umgekehrt. Der Verschiebungsvektor wird allgemein mit v bezeichnet, die zugehörige Verschiebung – der Bezeichnung Translation entsprechend – mit Tv.
Geometrie 2.113Jürgen Roth
Verschiebung
Satz 2.43 Zu zwei Punkten P und Q gibt es genau eine Verschiebung Tv, die P auf Q abbildet.
Beweis1. Fall: P = Qidε ist die einzige Verschiebung die P auf Q abbildet, weil alle anderen Verschiebungen keinen Fixpunkt besitzen.2. Fall: P ≠ QDurch P und Q wird genau ein Pfeil PQ festgelegt. Entsprechend gibt es genau einen Vektor v = PQ der als Verschiebungsvektor der Verschiebung in Frage kommt, die P auf Q abbildet. #
Geometrie 2.114Jürgen Roth
Vektoren
BemerkungenIm Gegensatz zur Geradenspiegelung und Punktspiegelung ist die Verschiebung nicht involutorisch. (Tv ∘ Tv = T2v ≠ idε)Wenn der zu AB gehörige Vektor v = ABist, dann ist der zu BA gehörige VektorBA der Gegenvektor zu AB: − v = BA(T−v ∘ Tv = idε)d(h, g) ist der Abstand zweier zueinander paralleler Geraden g und h. Fällt man von einem beliebigen Punkt P ∈ g ein Lot auf hund ist F ∈ h der zugehörige Lotfußpunkt, dann gilt: d(g, h) = |PF|Der zum Pfeil PF gehörende Vektor PF = (g, h) heißt Abstands-vektor des Parallelenpaars (g, h). Der Vektor FP = (h, g) ist Gegenvektor von (g, h). Man kann also schreiben: (h, g) = − (g, h)
Geometrie 2.115Jürgen Roth
Folgerungen
Satz 2.44a) Die Verkettung Sh ∘ Sg zweier Geradenspiegelungen Sg und Sh
mit g || h ist eine Verschiebung Tv mit v = 2 ⋅ (g, h).g || h ⇒ Sh ∘ Sg = T2 ⋅ (g, h)
b) Jede Verschiebung Tv ist darstellbar als Verkettung von zwei Geradenspie-gelungen Sg und Sh mit den Achsen gund h, deren Abstandsvektor (g, h)die gleiche Richtung und die halbe Länge von v hat. (g, h) = ½ ⋅ v
Beweisa) Sei P‘ = (Sh ∘ Sg)(P).
⇒ ∃k, m ⊂ ε Sh ∘ Sg = Sm ∘ Sk ∧ P ∈ k ∧ (g, h) = (k, m) ⇒ P‘ = (Sh ∘ Sg)(P) = (Sm ∘ Sk)(P) = Sm(Sk(P)) = Sm(P)
v A'A
gh
(g, h)
Satz 2.13
Satz 2.17bP ∈ k
Geometrie 2.116Jürgen Roth
Folgerungen
Beweis zu Satz 2.44 (Fortsetzung)[PP‘ ] ∩ m = {Q}⇒ [PQ] ≅ [QP‘ ] ∧ P-Q-P‘⇒ PQ = QP‘⇒ PP‘ = 2⋅PQMit PQ = (k, m) und (g, h) = (k, m) ergibt sich:
v = PP‘ = 2⋅PQ = 2⋅(k, m) = 2⋅(g, h)⇒ Sh ∘ Sg = T2 ⋅ (g, h)
#b) Gegeben: TAB
Wähle zwei parallele Geraden g und hmit g ⊥ AB und (g, h) = ½ ⋅ AB.⇒ Sh ∘ Sg = TAB
#
Satz 1.13
Satz 1.25
Satz 2.44a
Geometrie 2.117Jürgen Roth
Folgerungen
Satz 2.45a) Die Verkettung PN ∘ PM zweier Punktspiegelungen
PM und PN ist eine Verschiebung Tv mit v = 2 ⋅MN.b) Jede Verschiebung Tv ist darstellbar als Verkettung
von zwei Punktspiegelungen PM und PN, deren Zentren M und N einen Vektor MN definieren, mit MN = ½ ⋅ v.
Beweisa) Sei g ⊥ MN mit g ∩ MN = {M}
und h ⊥ MN mit h ∩ MN = {N}
⇒ PN ∘ PM = (Sh ∘ SMN) ∘ (SMN ∘ Sg) = Sh ∘ (SMN ∘ SMN) ∘ Sg
= Sh ∘ idε ∘ Sg
= Sh ∘ Sg
Satz 2.6/(G1)
Satz 2.30b
Satz 1.15
Satz 2.6/(G2)
⇒ g ||hSatz 1.22
= T2 ⋅ (g, h)Satz 2.44a = T2 ⋅MN #
Geometrie 2.118Jürgen Roth
Folgerungen
Beweis zu Satz 2.45bb) Sei Tv mit Tv(P) = P‘ gegeben und Q = M[PP‘ ].
⇒ PQ = ½ ⋅ PP‘⇒ PQ ∘ PP = TPP‘ = Tv
#
BemerkungEine Verschiebung kann also sowohl als Verkettung von zwei Punktspiegelungen als auch als Verkettung von zwei Achsenspiegelungen dargestellt werden. In jedem Fall kann das Zentrum der ersten Punktspiegelung bzw. die Achse der ersten Geradenspiegelung frei gewählt werden!!
a)
Geometrie 2.119Jürgen Roth
Folgerungen
Satz 2.46: Eigenschaften der Verschiebunga) Eine Verschiebung ist geradentreu, längentreu & winkelmaßtreu.b) Eine Verschiebung bildet Geraden auf parallele Geraden ab.c) Alle zum Verschiebungsvektor parallele Geraden sind
Fixgeraden der Verschiebung.d) Eine Verschiebung, die nicht die Nullverschiebung ist,
besitzt keinen Fixpunkt.
Beweise: Übungsaufgaben
Satz 2.47: Charakteristische Eigenschaften von Verschiebungen\idε
Eine bijektive Abbildung ϕ : ε → ε der Ebene ε auf sich, die jede Gerade auf eine parallele Gerade abbildet und keinen Fixpunkt besitzt,
ist eine Verschiebung.
Geometrie 2.120Jürgen Roth
2.9 SchubspiegelungKapitel 2: Kongruenzabbildungen
Geometrie 2.121Jürgen Roth
Schubspiegelung
Definition 2.26Eine Abbildung der Ebene ε auf sich heißt genau dann Schubspiegelung (Gleitspiegelung) Gg,v, wenn sie die Verkettung einer Achsenspiegelung aneiner Geraden g mit einer Verschiebungmit Verschiebungsvektor v in Richtung g ist.Die Gerade g wird Schubspiegelungsachse genannt.
A*
A′
g
v→
A
Geometrie 2.122Jürgen Roth
Folgerungen
Satz 2.48Eine Verkettung von drei Geradenspiegelungen, die nicht durch eine einzige Geradenspiegelung ersetzt werden kann, ist eine Schubspiegelung Gk,v. Es gilt Gk,v = Sk ∘ Sh ∘ Sg mit g || h ∧ h ⊥ k ∧ v = 2 ⋅ (g, h).
http://www.didmath.ewf.uni-erlangen.de/Homepage/Hartmann/Ubersichtsdarstellungen/Verkettung%20von%20Achsenspiegelungen5.swf
g h
k
Geometrie 2.123Jürgen Roth
Folgerungen
Satz 2.49Bei einer Schubspiegelung sind die Geradenspiegelung an der Achse und die Verschiebung in Richtung der Achse vertauschbar.
BeweisGk,v = Sk ∘ Tv mit Tv = Sh ∘ Sg ∧ g || h ∧ h ⊥ k ∧ v = 2 ⋅ (g, h)Gk,v = Sk ∘ Tv = Sk ∘ Sh ∘ Sg
= Sh ∘ Sk ∘ Sg
= Sh ∘ Sg ∘ Sk
= Tv ∘ Sk
#
BemerkungGk,v = Sk ∘ Tv = Sk ∘ Sh ∘ Sg = PM ∘ Sg
h ⊥ k ∧ Satz 2.33
g ⊥ k ∧ Satz 2.33
Tv(A)
A′
k
v→
A
v→Sk(A)
g h
M
h ∩ k = {M}
Geometrie 2.124Jürgen Roth
Folgerungen
BemerkungDie Identität kann als Verschiebung mit dem Nullvektor als Verschiebungsvektor aufgefasst werden. Dementsprechend ist eine Geradenspiegelung ein Spezialfall einer Schubspiegelung!Folglich gilt:
Satz 2.50Jede ungleichsinnige Kongruenzabbildung ist eine Schubspiegelung.
BezeichnungenGeradenspiegelungen werden auch als uneigentliche Schubspiegelungen bezeichnet.Eine eigentliche Schubspiegelung ist jede Schubspiegelung, die keine Geradenspiegelung ist, die also eine echte Verschiebung enthält.
Geometrie 2.125Jürgen Roth
Folgerungen
Satz 2.51: Eigenschaften der Schubspiegelunga) Schubspiegelungen sind geraden-, längen und winkelmaßtreu.b) Bei einer Schubspiegelung werden
• achsenparallele Geraden auf gleichorientierte parallele Geraden • zur Achse senkrechte Geraden auf um den Vektor v verschobene
und entgegengesetzt orientierte Geraden abgebildet.
b) Bei einer Schubspiegelung wird die Verbindungsstrecke [PP‘ ] eines Punkts P und seines Bildpunkts P‘ von der Schubspiegelungsachse halbiert.
c) Für das Inverse der Schubspiegelung Gg, v = Sg ∘ Tv gilt:(Gg, v ) −1 = (Sg ∘ Tv ) −1 = (Tv) −1 ∘ (Sg) −1 = T −v ∘ Sg = Sg ∘ T −v = Gg, −v
Satz 2.52: Eigenschaften der eigentlichen Schubspiegelunga) Eine eigentliche Schubspiegelung (eS) besitzt keinen Fixpunkt.b) Die Schubspiegelachse ist die einzige Fixgerade einer eS.