Goethe - Gesang Der Geister 02

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  • 7/25/2019 Goethe - Gesang Der Geister 02

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    internetloge.de - internetloge.org - Hamburg, Deutschland -Freimaurerei, Freimaurerlogen, Freimaurer

    "Mich lt der Gedanke an den Tod in vlliger Ruhe,denn ich habe die feste berzeugung,

    da unser Geist ein Wesen ist ganz unzerstrbarer Natur;es ist ein fortwirkendes von Ewigkeit zu Ewigkeit.

    Es ist der Sonne hnlich,die blo unsern irdischen Augen unterzugehen scheint,

    die aber eigentlich nie untergeht,sondern unaufhrlich fortleuchtet. "

    Goethe zu Eckermann 1824

    F. B.

    Anmerkungen zu Goethes Gedicht

    "Gesang der Geister ber denWassern"

    (entstanden 1779, verffentlicht 1789)

    Des Menschen SeeleGleicht dem Wasser:Vom Himmel kommt es,Zum Himmel steigt es,Und wieder niederZur Erde mu es,Ewig wechselnd.

    Strmt von der hohen,Steilen FelswandDer reine Strahl,Dann stubt er lieblichIn WolkenwellenZum glatten Fels,

    Im flachen BetteSchleicht er das Wiesental hin,Und in dem glatten SeeWeiden ihr AntlitzAlle Gestirne.

    Wind ist der Welle

    Lieblicher Buhler;Wind mischt vom Grund ausSchumende Wogen.

    Seele des Menschen,Wie gleichst du dem Wasser!Schicksal des Menschen,

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    Und leicht empfangen,Wallt er verschleiernd,LeisrauschendZur Tiefe nieder.

    Ragen Klippen

    Dem Sturz entgegen,Schumt er unmutigStufenweiseZum Abgrund.

    Wie gleichst du dem Wind!

    *

    Gesang der Geister ber den Wassern

    Des Menschen Seele gleicht dem Wasser:Vom Himmel kommt es, zum Himmel steigt es,und wieder nieder zur Erde mu es, ewig wechselnd.

    Strmt von der hohen, steilen Felswand der reine Strahl,dann stubt er lieblich in Wolkenwellen zum glatten Fels,und leicht empfangen, wallt er verschleiernd,leisrauschend zur Tiefe nieder.

    Ragen Klippen dem Sturz entgegen,schumt er unmutig stufenweise zum Abgrund.

    Im flachen Bette schleicht er das Wiesental hin,und in dem glatten See weiden ihr Antlitz alle Gestirne.

    Wind ist der Welle lieblicher Buhler;Wind mischt vom Grund aus schumende Wogen.

    Seele des Menschen, wie gleichst du dem Wasser!Schicksal des Menschen, wie gleichst du dem Wind!

    *

    Anmerkungen zu Entstehung und Hintergrund

    1776 entschliet sich Goethe (1749 - 1832), in Weimar zu bleiben. Er zieht indas Gartenhaus an den Ilmwiesen, das ihm Herzog Karl August von Sachsen-Weimar (1757 - 1828), geschenkt hat. Im Mai 1778 begleitet er Herzog KarlAugust wegen des Bayerischen Erbfolgekrieges (1778/79) nach Berlin und

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    Potsdam und beginnt das Gedicht "Grenzen der Menschheit". 1779 wird Goethezum Geheimen Rat ernannt und bernimmt die Leitung der Kriegs- undWegebaukommission.

    Auf seiner zweiten Schweiz-Reise September 1779 - Januar 1780, diesmalgemeinsam mit dem acht Jahre jngeren Herzog Karl August, kommt Goethe insromantische Tal von Lauterbrunnen. Der berhmte Wasserfall, der Staubbach,der mit nebliger Gischt rund 300 Meter ber dunkle, senkrechte Felswndeherunterfllt, inspirierte Goethe Anfang Oktober 1779 zum Vergleich dermenschlichen Seele mit dem natrlichen Kreislauf des Wassers und desmenschlichen Schicksals mit dem Wind. Damit war der Keim fr das berhmteGedicht gelegt. An Charlotte von Stein schreibt Goethe: "...wir haben denStaubbach bei gutem Wetter zum erstenmal gesehen und der blaue Himmelschien durch. An den Felsenwnden hingen Wolken, selbst das Haupt, wo derStaubbach herunter kommt, war leicht bedeckt. Es ist ein sehr erhabenerGegenstand."

    Der Begriff "Staubbach" bezeichnet einen Bach oder Sturzbach mit so starkem

    Geflle, da das Wasser sich durch schnelle Fliegeschwindigkeit beimAuftreffen auf Felshindernisse in einen Nebel aus feinen Wassertrpfchenverwandelt. Vor allem in Verbindung mit der beim Staubbach-Wasserfallregelmig auftretenden Thermik wird, lange bevor der Wasserfall den Grunderreicht, ein Teil des zerstubten Wassers in alle Richtungen fortgetragen undsieht dabei wie eine aufgewirbelte Staubwolke aus, was dem Wasserfall denNamen gegeben hat.

    Auf der Rckreise erfolgt ein Besuch der Stuttgarter Karlsschule(Militrakademie), deren Schler Schiller (1759 - 1805) damals war. Am 7.Januar 1780 kehren Goethe und Karl August von ihrer zweiten Schweizer Reise

    nach Weimar zurck, auf der beide nach langen Gesprchen den Entschlugefat hatten, sich in den Freimaurerbund aufnehmen zu lassen. Im Alter von47 Jahren schrieb Lessing (1729 - 1781, 1771 aufgenommen in die Loge "Zu dendrei Rosen" in Hamburg ) die ersten drei Geprche von "Ernst und Falk -Gesprche fr Freymurer", die 1778 anonym erschienen. Da Lessing anGoethe vorab eine Abschrift verschickte, kann daher davon ausgegangenwerden, da diese Schrift Gegenstand in den Reisegesprchen ber dieFreimaurerei zwischen Goethe und Herzog Karl August war. Auch waren zudiesem Zeitpunkt mehrere Verrterschriften bereits verffentlicht worden. Mitanderen Worten: Goethe konnte sich aufgrund der dort verffentlichten Ritualedurchaus schon mit der freimaurerischen Betrachtungsweise der Transzendenzauseinandergesetzt haben, welche die Diskrepanz zwischen Augenblick undDauer, Endlichkeit und Ewigkeit symbolhaft in das Bewutsein ruft.

    In seinem Gedicht "Gesang der Geister" beschreibt Goethe einenReinkarnationskreislauf der Seele des Menschen zwischen Himmel und Erde.Bereits im Juli 1776 formulierte er in einem Gedicht an Charlotte von Stein(1742-1827):

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    Sag, was will das Schicksal uns bereiten?Sag, wie band es uns so rein genau?Ach, Du warst in abgelebten ZeitenMeine Schwester oder meine Frau...

    Auf Goethes Bitte gab Charlotte von Stein eine Abschrift vom Gedicht "Gesangder Geister" an seinen Freund Carl Ludwig von Knebel (1744 - 1834, Jurist,Altertumswissenschaftler) weiter. Sie merkte aber dabei an: "Dieser Gesang istnicht ganz Ihre und meine Religion. Die Wasser mgen auch in ihrerAtmosphre auf- und absteigen, aber unsere Seelen kann ich mir nicht andersals in die unendlichen Welten der ewigen Schpfung verkettet denken."

    In "Meine Religion - Mein politischer Glaube - zwei vertrauliche Reden von J. W.Goethe"hat Wilhelm Bode (Ernst Siegfried Mittler und Sohn. KniglicheHofbuchhandlung, Berlin 1899) aus verschiedenen Schriften Aussagen Goetheszu seiner Religionsauffassung in einer fiktiven Rede zusammengestellt. Hierfinden wir auf den Seiten 16 und 17 die Aussage:

    Ich bin gewi, wie Sie mich hier sehen, schon tausendmal dagewesenund hoffe wohl noch tausendmal wiederzukommen. Erinnerung ansolche frhere Existenz haben wir freilich sehr selten und dunkel, nurzuweilen erleuchtet uns ein genialer Blitz etwas davon. Ich mu wohlunter Kaiser Hadrian schon einmal dagewesen sein, deswegen ziehtmich alles Rmische so an und kmmt mir so heimisch vor; unserFreund Boissere stammt aus dem fnfzehnten Jahrhundert und waram Niederrhein daheim. Eine unbegreiflich innige Freundschaft, diemich mit einer angesehenen Frau unserer Kreises lange verband,habe ich mir in ihrer ganzen Art nie anders als durch

    Seelenwanderung erklren knnen. Ja, wir mssen einst Mann undWeib gewesen sein, sagte ich mir oft. Und ich bat die Gtter, wenn ichnoch einmal auf die Welt komme, sollten sie mich nur einmal lebenlassen und diese liebe Gefhrtin sollte jene Freundin sein, die vorlngst verschwundenen Zeiten schon mir Gattin gewesen. Es mgendas ja Trume gewesen sein, wie sie liebende Seelen so gern erfinden,aber fest und bestndig ist mein Glaube: dieses sichtbare Daseinzwischen Geburt und Tod ist nicht Alles!

    Kein Wesen kann zu nichts zerfallen!Das Ewige regt sich fort in allen,

    Am Sein erhalte dich beglckt!Das Sein ist ewig; denn GesetzeBewahren die lebend'gen Schtze,Aus welchen sich das All geschmckt.

    (Quellen:Ich bin ... wiederzukommen, (Seite 16) zu Falk 1813. [ Erinnerung ...

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    nicht Alles, S. 16, 17 - Einschiebung Bode]. Vgl. zu Boissere 1815,Brief an Wieland vom April 1776 und Brief an Frau von Stein vomMrz 1779. Kein Wesen ... geschmckt, (S. 17) Vermchtnis in "Gottund Welt.")

    Ernst Kurtzahn (* 1879 Knigsberg, + 1939 Hamburg, Schiffbau-Ingenieur,staatl. Gewerbe-Lehrer, esoterischer Schriftsteller, Freimaurer) stellt in seinemBuch "DER TAROT, die kabbalistische Methode der Zukunftserforschung alsSchlssel zum Okkultismus"eine ergnzende Verknpfung zwischen GoethesGedicht "Das Gttliche", welches 1782 entstanden und 1783 im "TiefurterJournal" verffentlicht wurde, und dem "Gesang der Geister" her, und erffnetdamit einen interessanten Blickwinkel:

    Hat nun die Astrologie mit ihren Lehren von dem durch dieGestirnstnde im Augenblick der Geburt oder Zeugung eines jedenWesens unverrckbar festgelegten Lebensplan Recht - und sie hatRecht, da die Gestirneinflsse dauernd weiter auf ihr Gebildeeinwirken - dann sind wir Menschen nur Schauspielern vergleichbar,

    die eine gegebene Rolle gut oder (meistens leider) schlecht bis zumdes fteren bitteren und tragischen Ende spielen mssen, ob wir eswollen oder nicht!

    Unser herrlicher Goethe drckt das unbertroffen aus in seinemGedicht "Das Gttliche":

    Nach ewigen, eh'rnen,groen Gesetzenmssenwir alle

    unseres DaseinsKreise vollenden.

    und in Ergnzung dazu im "Gesang der Geister ber den Wassern":

    Des Menschen Seelegleicht dem Wasservom Himmel kommt eszum Himmel steigt esund wieder niederzur Erde mu esewig wechselnd!

    Auch Lessing berhrte das Thema der Reinkarnation in seinergeschichtstheologischen Schrift "Erziehung des Menschengeschlechts",verffentlicht als komplette Schrift ( 1-100) 1780, innerhalb seinerAuseinandersetzung mit dem Hauptpastor Goeze:

    . 93. Nicht anders! Eben die Bahn, auf welcher das Geschlecht zu

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    seiner Vollkommenheit gelangt, muss jeder einzelne Mensch (derfrher, der spter) erst durchlaufen haben. - "In einem und ebendemselben Leben durchlaufen haben? Kann er in eben demselbenLeben ein sinnlicher Jude und ein geistiger Christ gewesen seyn?Kann er in eben demselben Leben beyde berhohlet haben?"

    . 94. Das wohl nun nicht! - Aber warum knnte jeder einzelne

    Mensch auch nicht mehr als einmal auf dieser Welt vorhandengewesen seyn?

    . 95. Ist diese Hypothese darum so lcherlich, weil sie die lteste ist?weil der menschliche Verstand, ehe ihn die Sophisterey der Schulezerstreut und geschwcht hatte, sogleich darauf verfiel?

    . 96. Warum knnte auch ich nicht hier bereits einmal alle dieSchritte zu meiner Vervollkommung gethan haben, welche bloszeitliche Strafen und Belohnungen den Menschen bringen knnen?

    . 97. Und warum nicht ein andermal alle die, welche zu thun, uns dieAussichten in ewige Belohnungen, so mchtig helfen?

    . 98. Warum sollte ich nicht so oft wiederkommen, als ich neueKenntnisse, neue Fertigkeiten zu erlangen geschickt bin? Bringe ichauf Einmal so viel weg, dass es der Mhe wieder zu kommen etwanicht lohnet?

    . 99. Darum nicht? - Oder, weil ich es vergesse, dass ich schon dagewesen? Wohl mir, dass ich das vergesse. Die Erinnerung meinervorigen Zustnde, wrde mir nur einen schlechten Gebrauch des

    gegenwrtigen zu machen erlauben. Und was ich auf itzt vergessenmuss, habe ich denn das auf ewig vergessen?

    . 100. Oder, weil so zu viel Zeit fr mich verloren gehen wrde? -Verloren? - Und was habe ich denn zu versumen? Ist nicht die ganzeEwigkeit mein?

    Franz Schubert (1797 - 1828), der Goethe sehr verehrte, whrend dieser ihnberhaupt nicht beachtete, vertonte das Gedicht. 1816 entstand ein Fragmentfr Bariton und Klavier, 1817 ein Fragment fr Chor, 1820 ein weiteresFragment fr vier Mnnerstimmen und Klavier und 1821 schlielich das Werk

    fr vier Tenre, vier Bsse und Streicherquintett. Die Premiere fand im groenffentlichen Rahmen am 7 Mrz 1821 in Wien statt, wobei das Werkdurchgefiel.

    Anmerkungen zu einigen Begriffen

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    (Nach Paul Fischer, Goethe-Wortschatz - ein sprachgeschichtliches Wrterbuchzu Goethes smtlichen Werken, Emil Rohmkopf Verlag, Leipzig 1929)

    Buhle, mittelhochdeutsch buole und lternhochdeutsch "Buhle" fr beideGeschlechter geltend; a) der Buhle = Geliebter b) die Buhle = Geliebte.

    Geist, westgermanisches Wort = belebende Grundkraft im Menschen

    (ursprnglich wohl = Erregtheit); 1. Im Gegensatz zu ueren Einwirkungen =ursprngliche innere Anlage, treibende innere Kraft. 2. Das innere Leben imGegensatz zum rein krperlichen Wirken. 3. In personifizierender bertragungauf berirdische krperliche Weliche Wesen wie sonst, besonders oft im "Faust".4. = Inbegriff es Denkens und Fhlens im Menschen. 5. = denkender Mensch,denkendes Wesen. 6. Innerer Sinn, Vorstellungsart; a) von einzelnen = innereStimme; b) von Gemeinschaften = innere Beschaffenheit. 7. In der lterenChemie (seit der zweiten Hlfte des 16. Jahrhunderts) im Sinne dessptlateinischen spiritus, franzsisch esprit = Essenz, das ist Kraftauszug ausKrutern und Frchten, mit der alten Mehrzahl Geiste.

    Mensch, hoch- und niederdeutsche Weiterbildung von "Mann"; nicht seltenvollerer Bedeutung. a) unter Hervorhebung der Schwche menschlichenWesens = bloer, dem Irrtum oder Mangel an Geduld unterworfener Mensch; b)in steigerndem Sinne = wirklicher Mensch; Mensch, wie er sein mu.

    Schicksal(seit Beginn des 18. Jahrhunderts; im 17. Jahrhundert in der Form"Schicksel") = Fgung, Geschick; a) das hohe Schicksal = die Fgung hhererGewalten, der man sich unterwerfen mu; b) vom Geschick des einzelnen =Lebensglck, Lebensstellung.

    Seele, die, germeingermanisches Wort von dunkler Herkunft, ursprnglich als

    ein vom Krper unabhngiges Wesen betrachtet, das beim leiblichen Todediesen verlt und selbstndig weiterlebt; namentlich seit Luthers Vorgangebezeichnet es die in einem Wesen waltende Grundkraft des eigentlichen Lebens,insbesondere das, worin sich dieses Wesens eigentmliche Art des Empfindensund Strebens ausspricht.

    Anmerkungen zu Form und Inhalt

    Das Gedicht besteht aus 6 Strophen unterschiedlicher Lnge:

    die erste hat 7,die zweite 10,die dritte und die vierte 5,und die letzten zwei Strophen haben 4 Verse.

    Das Gedicht hat keine Reime und keinen eingeprgten Rhythmus.

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    Goethe beschreibt im Basisvergleich "Wasser - Seele" in der ersten Strophe denKreislauf der Reinkarnation. Das Gedicht endet mit zwei Ausrufen (Vers 33 und35), die die These der Reinkarnation zusammenfassen, verifizieren undunterstreichen.

    Das Gedicht ist gedanklich in drei Teile (Sinnspruch - Naturbeschreibung -Sinnspruch) gegliedert: Die Naturbeschreibung (Strophen 2 - 5) wird durchSinnsprche gerahmt, die in Form einer Kreuzstellung (rhetorische Figur), -"des Menschen Seele" - "Seele des Menschen" - angelegt sind. Auf diese Artwird eine Steigerung von einer sachlichen Feststellung hin zu einerbewundernden Bekrftigung (Ausruf) verdeutlicht. Am Schluss erweitertGoethe seine Betrachtung um den Aspekt des Schicksals: "Schicksal desMenschen, wie gleichst du dem Wind!" Die wiederholende Parallelisierung inder letzten Strophe "wie gleichst du" verleiht den abschlieendenFeststellungen noch einmal besondere Betonung. Freie Rhythmen, Sprngeber Zeilen und Strophen sowie Verben der Bewegung (wallen, strmen,stuben, schumen, schleichen u. a.) dienen der Darstellung des flieendenWassers. Stabreime und Halbreime erzeugen lautmalerische Wirkung.

    Die Eingebundenheit der menschlichen Existenz in unabnderliche Ablufe wirdim Gedicht bildhaft zum Ausdruck gebracht. Zur Ausdeutung lassen sichSinnsprche in den Strophen 1 und 6 erkennen:

    Vergleich der Seele des Menschen mit dem Kreislauf des Wassers, dasimmer wieder vom Himmel kommt und dorthin zurckkehrt (Strophe 1)Vergleich des Schicksals des Menschen mit dem Wind (Strophe 6)

    Die Zusammenfhrung der Bilder von Wasser und Wind beginnt schon inStrophe 5. Symbolhaft beschreibend stehen Naturvorgnge fr die

    verschiedenen Phasen des Lebens:

    Bild des Kreislaufs zwischen Himmel und Erde: Stand des Menschenzwischen irdischem Naturwesen und gttlichen GeistwesenBild des Wasserfalls: Jugend, hohe LeistungsfhigkeitBild Wandlung in Schleier: knstlerisches Schaffen, MetamorphoseBild der verlangsamten Bewegung: lter-WerdenBild der Klippen: Widerstnde, die es zu umschiffen gilt und die SubstanzkostenBild des wilden Gebirgsbachs: Widerstnde und Gefahren fhren in denAbgrund

    Bild der gespiegelten Gestirne: Begegnung des Menschen mit derTranszendenz und der Ewigkeit.Bild des Windes und des Wassers: Hhen und Tiefen im menschlichenLeben gleichen den vom Wind erzeugten Wogen, Vernderungen desDaseins des Menschen durch uere Einflsse

    Anmerkungen zu Goethe und dem Pantheismus

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    Der Begriff "Pantheismus" entstand in Anlehnung an John Tolands (englischerPhilosoph, * 30. 11. 1670 Redcastle, Irland, + 11. 3. 1722 Putney bei London)Werk "Pantheistikon", welches 1720 erschien. Pantheismus leitet sich aus demgriechischen "pan" = "alles", "ganz" und "thes" = Gott ab. Es ist einephilosophisch-theologische Lehre, also keinesfalls eine Religion sondern dieAnsicht, nach der Gott in allen Dingen existiert. Gott und Welt gelten alsidentisch (Allgottlehre). Man kann sich das auch als eine unpersnliche geistigeKraft vorstellen, die mit dem Weltganzen identisch ist. PantheistischeStrmungen finden sich schon in der Antike bei Xenophanes (* um 570 inKolophon, + um 470 v. Chr.) und Parmenides (* 515 v. Chr. in Elea, + ca. 445 v.Chr).

    Einen Zugang zum Pantheismus fand Goethe ab 1773 ber das Werk BaruchSpinozas (* 24. November 1632 in Amsterdam, + 21. Februar 1677 in DenHaag), der Gott in der gesamten Natur manifestiert sah. Materie und Geist sindfr ihn zwei Seiten einer einheitlichen, ewigen Gott-Natur, die im Menschenzum Bewutsein ihrer selbst kommt. Goethe entwickelte mystische undpansophische Vorstellungen, die man z. B. im Werther oder im Faustnachweisen kann. Auch der Titel des Gedichtes "Gesang der Geister ber denWassern" weist auf eine naturmagische Vorstellung von der Belebtheit derNatur hin.

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    Goethe 1779

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