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Evangelisch-Lutherische E. Felix Moser Paul-Gerhardt Gemeinde Pastor Hamburg-Winterhude in der Gottesdienst zum Sonntag Okuli 28. Februar 2016 Predigttext: Epheser 5,1-8 So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem liebli- chen Geruch. Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung. Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger - das sind Götzendiener - ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes. Lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehor- sams. Darum seid nicht ihre Mitgenossen. Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts. Liebe Gemeinde! „Nehmt euch Gott zum Vorbild!“ – Das hat‘s in sich. Das klingt nach – zumal es in eine ganz aktuelle Diskussion trifft. Es wird wieder über Werte gestritten und in diesem Zusammenhang auch über Vorbilder. Das war lange Zeit tabu; es könnte ja die freie Entwicklung der Kinder beeinträchtigen. Vor fünfzig Jahren aber, erinnere ich mich, gehörte das zu den beliebtesten Aufsatzthemen: Was oder wer ist dein Vorbild? Heute wird der Verlust allzu vieler Werte be- klagt. Da erlebt die Vorbild-Diskussion ihr Come-back. Da einzusteigen erweist sich aber als schwierig. Machen Sie mal den Versuch, Konfirman- den nach ihren Vorbildern zu fragen! Die Antworten sind eher verwirrend. Mit einer Vielzahl der Namen können Vertreter einer älteren Generation wenig anfangen: Musiker und Bands, Filmstars und Fußballer, Kultfiguren der Jugendszene werden da genannt. Offenbar ist die Entscheidung, wer als Vorbild gilt, stark von Modeströmungen abhängig; also auch ein Ge- nerationenproblem. Das gleiche gilt nämlich auch umgekehrt: Als ich den Konfirmanden eine Liste möglicher Vorbilder austeilte, musste ich erst mal bei etlichen Namen erklären, um wen es sich handelt. Sieger nach Punkten wurden schließlich Albert Einstein und ein Filmschau- spieler, Jesus landete immerhin auf Platz drei. Viele lächeln, wenn sie das hören. Als Erwachsener beschäftigt man sich mit dieser Frage nicht so sehr. Das ist doch eher was für Heranwachsende. Die sind dabei, sich selbst zu fin- den; dafür brauchen sie Vorbilder, an denen sie sich orientieren können. Und doch – es lohnt, auch mal zu schauen, wie Erwachsene so eine Frage entscheiden. Um die Jahrtau- sendwende hat man in den USA den Versuch mit einer vergleichbaren Frage gestartet: Wer, glauben Sie, kommt sicher in den Himmel? Unangefochten auf Platz eins war Mutter The- resa; schwieriger schon die Plätze zwei und drei; die wurden belegt von einer in den USA sehr bekannten Fernsehmoderatorin und dem Basketballspieler Michael Jordan. Was macht die beiden eigentlich so vorbildhaft; was qualifiziert sie gar zu einem Platz im Himmel?

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Evangelisch-Lutherische E. Felix Moser Paul-Gerhardt Gemeinde Pastor Hamburg-Winterhude in der

Gottesdienst zum Sonntag Okuli

28. Februar 2016

Predigttext: Epheser 5,1-8

So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem liebli-chen Geruch. Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung. Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger - das sind Götzendiener - ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes. Lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehor-sams. Darum seid nicht ihre Mitgenossen. Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts.

Liebe Gemeinde!

„Nehmt euch Gott zum Vorbild!“ – Das hat‘s in sich. Das klingt nach – zumal es in eine ganz aktuelle Diskussion trifft. Es wird wieder über Werte gestritten und in diesem Zusammenhang auch über Vorbilder. Das war lange Zeit tabu; es könnte ja die freie Entwicklung der Kinder beeinträchtigen. Vor fünfzig Jahren aber, erinnere ich mich, gehörte das zu den beliebtesten Aufsatzthemen: Was oder wer ist dein Vorbild? Heute wird der Verlust allzu vieler Werte be-klagt. Da erlebt die Vorbild-Diskussion ihr Come-back.

Da einzusteigen erweist sich aber als schwierig. Machen Sie mal den Versuch, Konfirman-den nach ihren Vorbildern zu fragen! Die Antworten sind eher verwirrend. Mit einer Vielzahl der Namen können Vertreter einer älteren Generation wenig anfangen: Musiker und Bands, Filmstars und Fußballer, Kultfiguren der Jugendszene werden da genannt. Offenbar ist die Entscheidung, wer als Vorbild gilt, stark von Modeströmungen abhängig; also auch ein Ge-nerationenproblem. Das gleiche gilt nämlich auch umgekehrt: Als ich den Konfirmanden eine Liste möglicher Vorbilder austeilte, musste ich erst mal bei etlichen Namen erklären, um wen es sich handelt. Sieger nach Punkten wurden schließlich Albert Einstein und ein Filmschau-spieler, Jesus landete immerhin auf Platz drei.

Viele lächeln, wenn sie das hören. Als Erwachsener beschäftigt man sich mit dieser Frage nicht so sehr. Das ist doch eher was für Heranwachsende. Die sind dabei, sich selbst zu fin-den; dafür brauchen sie Vorbilder, an denen sie sich orientieren können. Und doch – es lohnt, auch mal zu schauen, wie Erwachsene so eine Frage entscheiden. Um die Jahrtau-sendwende hat man in den USA den Versuch mit einer vergleichbaren Frage gestartet: Wer, glauben Sie, kommt sicher in den Himmel? Unangefochten auf Platz eins war Mutter The-resa; schwieriger schon die Plätze zwei und drei; die wurden belegt von einer in den USA sehr bekannten Fernsehmoderatorin und dem Basketballspieler Michael Jordan. Was macht die beiden eigentlich so vorbildhaft; was qualifiziert sie gar zu einem Platz im Himmel?

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Evangelisch-Lutherische Seite 2 E. Felix Moser Paul-Gerhardt Gemeinde Pastor Hamburg-Winterhude Predigt am 28.02.16

In diesen Tagen überrascht uns das Fernsehen mit einer neuen Serie. Der Titel macht neu-gierig: „Ewige Helden“. Was ist für die ein „Held“ (ein Vorbild), frage ich mich. Noch dazu ein „ewiger“?! Die Antwort ist ernüchternd: Es handelt sich um Sportler, die in verschiedenen Wettkämpfen gegeneinander antreten müssen; ausnahmslos Sportler „von gestern“. Das al-lein reicht wohl für das Wörtchen „ewig“, mit dem ich ganz anderes verbinde. Ist es das: also, was einen heute zum Vorbild macht? Möglichst lange fit zu bleiben?

In der genannten Umfrage in den USA gibt es noch ein auffallendes Ergebnis. Dass Mutter Theresa in den Himmel kommt, darüber sind sich nämlich 79 Prozent der Befragten einig. Noch auffallender aber ein zweites: dass sie selbst in den Himmel kommen, glauben immer-hin 86 Prozent.

Das freut den Lutheraner, der weiß, dass Gott die Liebe ist und damit in jedem Fall ein gnä-diger Richter. Das hat aber gar nicht den Ausschlag gegeben! Die meisten der Befragten zeigen ein stolzes Selbstbewusstsein. Sie sind streng, wenn es darum geht, andere zu beur-teilen. Im Blick auf sich selbst aber ausgesprochen unkritisch. Man lässt sich nicht gern et-was von irgendwelchen Autoritäten sagen, schließlich ist man kein Kind mehr!

Hat Paulus da überhaupt noch eine Chance, sich Gehör zu verschaffen? Er holt hier ja ganz schön aus! Unzucht, Ausschweifungen, Habgier, Gemeinheit, Dummheit, Geschwätz … Die Liste dessen, was er geißelt, ist lang.

Ich bin sicher, auch seine Gemeinde in Ephesos wird ganz schön zu knacken gehabt haben an seinen deutlichen Worten. Die Ausflüchte heute klingen ähnlich: • Das machen alle so; da kann man sich gar nicht raushalten • Ein kleiner Seitensprung, was ist das schon? • Alle Lebensformen ändern sich so schnell. Soll doch jeder machen, womit er glücklich ist • Maximaler Genuss ist das, was zählt • Carpe diem! Schöpfe deine Möglichkeiten aus!

Was Paulus entgegengehalten wird, ist das (Aus-)leben einer großen Freiheit. Gerade heute! Wahrscheinlich hat es nie zuvor eine Zeit gegeben, die in der persönlichen Lebensführung eine größere Freiheit zuließ.

Paulus würde dem wahrscheinlich ohne Probleme zustimmen, aber er hätte auch eine tref-fende Antwort parat. Den Ephesern gegenüber spricht er von der „Macht der Finsternis“, der Kehrseite der Freiheit. Für uns und unsere Zeit muss das übersetzt werden. Einer, der das vor einigen Jahren getan hat, ist Johannes Rau, der ehemalige Bundespräsident. Immer wieder hat er über das Maßhalten, das Einhalten des Maßes in der Freiheit nachgedacht. Einmal schreibt er: „Wenn wir so tun, als seien unsere Möglichkeiten grenzenlos, überfordern wir uns selber. Dann verlieren wir das menschliche Maß … Wir müssen immer wieder wagen und entscheiden, welche Möglichkeiten unser Leben wirklich freier machen und welche Mög-lichkeiten uns bloß neuen Zwängen unterwerfen oder gar ins Leben anderer eingreifen.“

Ja, so könnte die von Gott gewollte Menschlichkeit aussehen. Habgier zum Beispiel – ganz negativ belegt, wenn’s ums Private geht. Im öffentlichen Leben heute aber wie selbstver-ständlich akzeptiert: das ist doch der Motor, der unsere Gesellschaft, vor allem unserer Wirt-schaft in Gang hält. Immer mehr besitzen; fit und schön bleiben, sind die obersten Maximen. Alle leben davon – die Banken, die Versicherungen, die Möbelindustrie, die Fitness- und Modebranche … „Cool“ aussehen, „schöner wohnen“, zeigen wollen, was und wer man ist – das sind die Gesichter der Habgier in unserer Zeit! Natürlich werden dafür Grenzen über-schritten, Maßlosigkeit gelebt und gepredigt, und das geschieht (wenn wir uns mal die Mühe machen, genauer hinzuschauen) stets auf Kosten anderer.

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Evangelisch-Lutherische Seite 3 E. Felix Moser Paul-Gerhardt Gemeinde Pastor Hamburg-Winterhude Predigt am 28.02.16

„Mach’s wie Gott, werde Mensch“, lese ich auf einer Geburtstagskarte. Das zeigt die andere Richtung auf: bei jeder Entscheidung im Leben, bei jedem Nutzen meiner Freiheit muss ich gründlich prüfen, welche Folgen das für andere hat.

Weniger klar ist das beim zweiten: „schandbare Worte, närrische Dinge oder Scherze“ auf Kosten anderer sollen wir meiden. Die Alte Kirche hatte dafür einen Sammelbegriff: „Zun-gensünden“. Das kennt heute keiner mehr, und ich glaube, mit dem Wort ist das verloren gegangen, was es bezeichnet.

„Zungensünde“ meint natürlich das Lügen und die üble Nachrede, aber nicht nur. Paulus meint auch das dumme Geschwätz, die vielen leeren Worte, die gemacht werden, und das, was ich einmal die „neue Schamlosigkeit“ nennen möchte. In allen Medien werden für die Quote ständig die Grenzen des Anstands überschritten. Wir werden als Leser und Zuschau-er wie selbstverständlich zu Voyeuren gemacht; werden hineingezogen in private Räume, die doch eigentlich zum Schutz der Personen zu achten sind.

Das neueste: Menschen bekommen monatlich einige Tausend Euro – nur dafür, dass sie ihre ganze Wohnung mit Kameras ausstatten lassen. Einen privaten Raum gibt es nicht mehr, keinerlei Rückzugsmöglichkeiten. Alles, wirklich alles, was in den eigenen vier Wän-den passiert, wird direkt übertragen und kann von anonymen Usern per Internet live verfolgt werden. Das Geld macht’s möglich: Viele, vor allem aus sozial schwachen Schichten, stellen sich tatsächlich dafür zur Verfügung. Noch einmal: Solche Grenzenlosigkeit hat mit Freiheit nichts mehr zu tun.

Paulus will Grenzen aufzeigen, um echte Freiheit zu ermöglichen; dazu gehören auch die freien Räume. Das sollen die Räume sein, die frei sind von leerem Gerede; wo ich die Chan-ce habe, mich als Gottes Geschöpf zu erleben, unverwechselbar und einzigartig; wo ich frei wählen kann, mit wem ich mich umgebe oder ob ich ganz allein sein möchte. Eigentlich ist das selbstverständlich – und doch müssen wir es uns sagen lassen. „Liebe Kinder“ spricht uns Paulus an und mahnt uns tatsächlich wir Unmündige.

„Liebe Kinder“ ist aber ein Ehrentitel. Unter dem Vorzeichen „Liebe“ fällt es nicht schwer, selbst Ermahnungen anzunehmen. Denn dahinter steht keine Affenliebe, keinerlei Klam-mern. Dahinter steht Gottes großes Ja zu uns: Das, was echte Liebe möglich macht.

Amen.