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Winni war ein Mann der leisen Töne mit dem Ohr an der konzertanten Vielfalt der berechtigten Stimmen des Ungehörten. Er hat als Künstler nie daran geglaubt, daß man die Realität mit den epochalen Mitteln von Stein, Stahl und eimerweise Farbe ins unumstößlich Richtige übersetzen kann, sondern daß die Dinge in ihrer Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit bei tiefer Betrachtung in eine vielstoffliche Feingliedrigkeit zerspringen und sich ohne tonare und klanglich beatmete Umsetzung nicht darstellen lassen, auch wenn wir uns heute als Gesellschaft danach sehnen, für die wichtigsten existenziellen Fragen auch in der Kunst handstreichartig Antworten zu bekommen. So führt uns dieser Künstler und Mensch schmerzlich vor Augen, daß wir als Gesellschaft es zwar verstanden haben, alle Realität in ihre kleinsten Strukturen zu zerlegen, daß wir aber ohne tiefe Empfindung und Liebe nicht in der Lage sein werden, zukünftiges Leben erträglich, richtig grundiert, sinnstiftend und frei zu gestalten. Entscheidend ist nicht der große Hieb, sondern das feinnervige Sichöffnen, was unendlich schwer, aber – und das ist sein Beispiel - nicht unmöglich ist. Es ging ihm in seinem Werk immer darum, Ähnlichkeiten, Übergängen, strukturell Grundsätzlichem nach zu spüren und bei dieser Suche Schönheit und Vollkommenheit niemals auszuschließen. Das Erbe seines künstlerischen Schaffens muß auch sein, daß sich die Gesellschaft darüber im Klaren zu sein hat, daß, wenn Künstler, - und das ist eine nicht zu übersehende Tendenz – nur nach den Gesetzen des Marktes vermessen werden, nur noch die Maßstäbe der reinen Effizienz angelegt werden, wir eines grundlegenden und wichtigen Pfeilers von Forschung und Entwicklung verlustig gehen, Menschen verlieren, die rastlos und getrieben für uns alle darum ringen, immer wieder Brücken zu schlagen von wahrgenommener Realität zu Lebensästhetik und Spiritualität. Winni war als Künstler ein unermüdlicher Forscher, der uns allen die Möglichkeit gibt, immer wieder im Universum seiner Bildwelten Navigationsvorschläge zu finden, um mit Unerklärlichem, Unausweichlichem und Unversöhnlichem besser fertig zu werden.

Grabrede Gregor

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zum Tode Winfried Schmitz Linkweiler

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Page 1: Grabrede Gregor

Winni war ein Mann der leisen Töne mit dem Ohr an der konzertanten Vielfalt der berechtigten Stimmen des Ungehörten. Er hat als Künstler nie daran geglaubt, daß man die Realität mit den epochalen Mitteln von Stein, Stahl und eimerweise Farbe ins unumstößlich Richtige übersetzen kann, sondern daß die Dinge in ihrer Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit bei tiefer Betrachtung in eine vielstoffliche Feingliedrigkeit zerspringen und sich ohne tonare und klanglich beatmete Umsetzung nicht darstellen lassen, auch wenn wir uns heute als Gesellschaft danach sehnen, für die wichtigsten existenziellen Fragen auch in der Kunst handstreichartig Antworten zu bekommen. So führt uns dieser Künstler und Mensch schmerzlich vor Augen, daß wir als Gesellschaft es zwar verstanden haben, alle Realität in ihre kleinsten Strukturen zu zerlegen, daß wir aber ohne tiefe Empfindung und Liebe nicht in der Lage sein werden, zukünftiges Leben erträglich, richtig grundiert, sinnstiftend und frei zu gestalten. Entscheidend ist nicht der große Hieb, sondern das feinnervige Sichöffnen, was unendlich schwer, aber – und das ist sein Beispiel - nicht unmöglich ist. Es ging ihm in seinem Werk immer darum, Ähnlichkeiten, Übergängen, strukturell Grundsätzlichem nach zu spüren und bei dieser Suche Schönheit und Vollkommenheit niemals auszuschließen. Das Erbe seines künstlerischen Schaffens muß auch sein, daß sich die Gesellschaft darüber im Klaren zu sein hat, daß, wenn Künstler, - und das ist eine nicht zu übersehende Tendenz – nur nach den Gesetzen des Marktes vermessen werden, nur noch die Maßstäbe der reinen Effizienz angelegt werden, wir eines grundlegenden und wichtigen Pfeilers von Forschung und Entwicklung verlustig gehen, Menschen verlieren, die rastlos und getrieben für uns alle darum ringen, immer wieder Brücken zu schlagen von wahrgenommener Realität zu Lebensästhetik und Spiritualität. Winni war als Künstler ein unermüdlicher Forscher, der uns allen die Möglichkeit gibt, immer wieder im Universum seiner Bildwelten Navigationsvorschläge zu finden, um mit Unerklärlichem, Unausweichlichem und Unversöhnlichem besser fertig zu werden.