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Tagungsband Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens Von der Innovation zur Nachhaltigkeit 15. 16. März Nicolas Apostolopoulos, Ulrike Mußmann, Wolfgang Coy, Andreas Schwill (Hrsg.)

Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

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Page 1: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

ISBN: 978-3-8309-2686-3

Tagungsband

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Veranstaltet im Rahmen des Stiftungs-Verbundkollegs„Informationsgesellschaft“ der Alcatel-Lucent Stiftungfür Kommunikationsforschung

Ausgerichtet vomCenter für Digitale Systeme (CeDiS)der Freien Universität Berlin

In Zusammenarbeit mit derGesellschaft für Medien in derWissenschaft e.V. (GMW)

Grundfragen MultimedialenLehrens und Lernens

Von der Innovation zur Nachhaltigkeit

15. – 16. März

Nicolas Apostolopoulos, Ulrike Mußmann,Wolfgang Coy, Andreas Schwill (Hrsg.)

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Tagungsband

GML2 2012

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Impressum

Herausgeber Nicolas Apostolopoulos, Freie Universität Berlin

Ulrike Mußmann, Freie Universität Berlin

Wolfgang Coy, Humboldt-Universität Berlin

Andreas Schwill, Universität Potsdam

Redaktion Sara Vock, Freie Universität Berlin

Katrin Plank-Sabha, Freie Universität Berlin

Layout & Satz Marco Pardemann, Freie Universität Berlin

Druck Buch- und Offsetdruckerei H. Heenemann, Berlin

Vertrieb Waxmann Verlag GmbH

Postfach 8603, 48046 Münster

www.waxmann.com

ISBN: 978-3-8309-2686-3

Mit freundlicher Unterstützung der Alcatel-Lucent Stiftung für Kommunikationsforschung

Stiftungsbüro

Lorenzstraße 10

70435 Stuttgart

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Nicolas Apostolopoulos, Ulrike Mußmann,

Wolfgang Coy, Andreas Schwill (Hrsg.)

Von der Innovation zur Nachhaltigkeit

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort zum Tagungsband GML2 2012 11

Nicolas Apostolopoulos, Ulrike Mußmann, Wolfgang Coy, Andreas Schwill

Keynotes eScience trifft eLearning: Neue Impulse für 14

Forschungsorientiertes Lernen.

Manfred Wischnewsky

ACTA - eine Geschichte aus den Hinterzimmern der Macht – 16

und was sie für uns bedeutet.

Matthias Spielkamp

Von der Innovation zur Nachhaltigkeit in Lehre und Weiterbildung Open Online Courses als Kursformat? Konzept und Ergebnisse 18

des Kurses „Zukunft des Lernens“ 2011

Claudia Bremer

Ein Leuchtturmprojekt verändert die Kultur der Lehre 34

Peter Lautenschlager, Elisabeth Farmer, Benjamin Wilding, Mirko Reichlin

„Blending culture into e-learning“ – Erprobte Weiterbildungsszenarien 39

in interkulturellen Kontexten

Noëmi Fivat, Brigitte Grote

LeMo-Lernprozessmonitoring auf personalisierenden und nicht 63

personalisierenden Lernplattformen

Liane Beuster, Margarita Elkina, Albrecht Fortenbacher, Leonard Kappe,

Agathe Merceron, Andreas Pursian, Sebastian Schwarzrock, Boris Wenzlaff

Videobasierte Lehrveranstaltungen als neue Lernformate – 77

Erfahrungen und Potentiale

Nadine Dembski, Georg Müller-Christ, Yildiray Ogurol, Alexander Hillmann

eLearning Bauphysik — Nachhaltigkeit durch Flexibilität 94

Karin Gorges, Thomas Bröker

Page 7: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

Testtheoretische Methoden zur automatischen Leistungsdifferenzierung 107

im E-Learning am Beispiel von Orthografietrainer.net

Hans G. Müller

IT-Sicherheitslabor – Ein praxisorientierter Ansatz zur 124

Zusammenarbeit von Hochschule und Industrie in der Lehre

Sebastian Abeck, Robert Reutter, Aleksander Dikanski,

Philipp Schleier, Jürgen Biermann, Ingo Pansa

E-Learning-Strategien: Best Practice oder behutsame 137

Strukturerneuerung?

Reinhard Keil, Christian Schild, Felix Winkelnkemper

Cross Teaching mit interregionalen Lernteams: Szenarien, 156

Werkzeuge und Lerneffekte

Michael Herzog, Elisabeth Katzlinger

Das eTEACHiNG-Programm für Hochschullehrende in Brandenburg. 172

Didaktische und methodische Bausteine einer Weiterbildung.

Cornelia Brückner, Jörg Hafer, Luise Henze

Synergien von E-Learning und E-Research 187

Nadia Juhnke

Empowering the future of Science 195

Daniela Pscheida, Toni Tontchev, Claudia Koschtial

Neue e-learning Ansätze in den Rechtswissenschaften zur 202

Verbindung von Forschung und Lehre

Lydia Scholz, Nadja Kaeding

Universitas: Lehrende lernen von Studierenden im Rahmen 217

des Moduls eTutoring

Simone Henze, Michael Cramer

iStudent - Campusdienste für Studierende im Zeitalter von 235

Smartphones und Pads

Gerrit Kalkbrenner, Timo Lotze, Oliver Neugebauer

Page 8: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

Schule 2.0: E-Learning in Action!?

Verlässliche IT-Infrastruktur für die Anforderungen 248

schulischer IT von morgen

Michael Wilmes, Peter Ganten

MyMobile – Mobiles Lernen mit dem Handy: Herausforderung 261

und Chance für den Unterricht oder das Smartphone als

„digitales Schweizer Taschenmesser“ verstehen

Maren Risch

Freie Bildung: Web 2.0-Tools als Türöffner für die Wirtschaft 275

Boris Kraut

Lernszenarien für die Schule 2.0 281

Marcel Jakoblew, Dominik Niehus, Harald Selke

eXplorarium – eLearning im Unterricht von Anfang an 298

Karin Ernst

Formatives Assessment durch Peer Review? Eine peer-basierte 316

Diagnose- und Lernumgebung für den Mathematikunterricht

(PEDALE)

Kristina Richter, Regina Bruder, Johannes Konert, Stefan Göbel

Sagen aus Oberösterreich 329

Herbert Dutzler

Der „eEducation Berlin Masterplan“ – Einsatz der Digitalen 334

Medien in den Berliner Schulen

Nikolai Neufert

Revolution im Klassenzimmer? Erfindet Apple 357

das Schulbuch wirklich neu?

Andreas Hoffmann, Fritjof Kollmann, Michael Schuhen

Lernarchitekturen gestalten 374

Angela Thiele

Page 9: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

Webbasiert Studieren lernen – Wie E-Learning neue Erfahrung 380

und Chance zur Studienvorbereitung für Schüler in der

gymnasialen Oberstufe sein kann

Sven Hofmann, Wolf Spalteholz

Beiträge der Poster- und Multimediaausstellung

Liste der Ausstellenden 398

Projekt KoMMA online – Kommunikative Mit-mach-Aktionen 401

für Kinder mit Migrationshintergrund

Christine Achenbach, Eika Auschner

LeMo – Lernprozessmonitoring auf personalisierenden 402

und nicht personalisierenden Lernplattformen

Liane Beuster, Margarita Elkina, Albrecht Fortenbacher, Leonard Kappe,

Agathe Merceron, Andreas Pursian, Sebastian Schwarzrock, Boris Wenzlaff

Ein Robotikkurs zur Förderung der Fähigkeiten räumlicher 403

Vorstellung bei Grundschülern

Katja Biermann, Stephan Heldt, Lars Knipping

Das eScience – Forschungsnetzwerk Sachsen 404

Carsten Felden, Klaus Hering, Thomas Köhler, Claudia Koschtial,

Daniela Pscheida, Toni Tontchev

Strategien zur nachhaltigen Umsetzung und Weiterentwicklung 405

multimedialen Lehrens und Lernens an der Universität Hamburg

Silke Günther, Alexander Unger

Hamburger eLearning-Magazin 406

Britta Handke-Gkouveri, Angela Peetz

TuMult: ein Blended-Learning-Verfahren mit der MUMIE 407

Michael Heimann, Katherine Roegner, Ruedi Seiler

Lernszenarien für die Schule 2.0 408

Marcel Jakoblew, Dominik Niehus, Harald Selke

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Virtuelle Mikroskopie in der Lehre - Konzeption und Evaluation 409

didaktischer Szenarien

G. Klauer, S. Rothe, M. Pfeiffer, M. Fingerhut, D. Krömker, P. Dierkes

Schülerinnen und Schüler studieren Werkstoffwissenschaft – 410

Ein E-Learning-Kurs

Christian Klümper, Ute Wegmann, Ulrich Joos, Hans Peter Wiesmann

Multimediale Archive am Center für Digitale Systeme 411

Bernd Körte-Braun

Schule 2.0? Neue Medien in der Lehrendenaus- und -weiterbildung 412

Elke Lackner

Lernraum Berlin - die Lernplattform für Berliner Schulen 413

Gladys Mandok, Karsten Bergmann, Lutz Westphal

Experten für das Lesen – Blended Learning für BibliothekarInnen 414

und Lehrkräfte: Ein Online-Angebot und seine Akzeptanz

Gudrun Marci-Boehncke, Anja Hellenschmidt

UnterrichtsMitschau 2.0 – interaktives Lernen mit 415

Vorlesungsaufzeichnungen im sozialen Kontext

Robert Meyer, Dennis Spitzhorn

Das europäische eTwinning-Netzwerk: Anregungen für 416

Medienprojekte mit Partnerschulen

Nikolai Neufert, Heike Kroll, Christiane Meisenburg, Kai-Uwe Gösicke

Softwareentwicklung spielen?! Simulation und Digital Game-Based 417

Learning in der Software Engineering – Ausbildung

Jöran Pieper

aim – Coach für Medienkompetenzentwicklung 418

Jeannette Rester, Andrea Lampe

NOVICE: Soziales Online-Netzwerk für Veterinärmediziner 419

Elisabeth Schaper, Andrea Tipold, Jan P. Ehlers

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Hybride Lernarrangements im Kontext der Hochschullehre: 420

Implikationen für die Vertrauensbeziehung zwischen

Lehrenden und Lernenden

Martin K.W. Schweer, Karin Siebertz-Reckzeh, Eva Petermann

Online-tutorielle Begleitung der Vorlesung Medienpädagogik 421

Karla Spendrin, Katarina Riesner, Anett Hübner, Julia Glade

Berufliche Weiterbildung im Gartenbau mit dem Online-Kurs FiPs-Net 422

Magdalena Tauch, Thomas Lohrer, Georg Ohmayer

Ferienschule 3.0: Die Schule ist aus, aber das Lernen geht weiter. 423

Herbert Teichmann, José Gutierrez, Ulrike Mußmann

Umwandlung eines Vollzeitstudiengangs zu einem berufsbegleitenden 424

Studiengang an der TH Wildau [FH]

Ulrike Tippe, Susanne Lutz

Programmieren für Kinder 425

Chris Wegmayr

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Nicolas Apostolopoulos, Ulrike Mußmann, Wolfgang Coy, Andreas Schwill

Vorwort

Die Vorteile des E-Learning und seine Wirksamkeit sind an geeignete didakti-

sche Modelle und methodische Konzepte gebunden – der Medieneinsatz führt

keineswegs automatisch zu einer qualitativen Verbesserung der Bildungsar-

beit. Dies betonten bereits die Initiatoren der 1. GML, als sie 2003 die Tagungs-

reihe starteten. Während sich die E-Learning-Akteure in den Anfangsjahren

der GML² vorrangig dem Einsatz digitaler Medien und Technologien zur Ver-

breitung und Bereitstellung von Informationen via Lernplattformen sowie der

Online-Kommunikation per Forum und Chat widmeten, stehen im Zuge der

Entwicklung des Web 2.0 heutzutage Kollaboration, Inhaltserstellung und

Vernetzung mittels Social Software im Fokus der E-Learning-Aktivitäten. Seit

jeher war und ist der Einsatz digitaler Medien in der Lehre mit Hoffnungen auf

eine Reformierung des Bildungssystems verknüpft.

Nach nunmehr zehn Jahren GML² war es 2012 Zeit für einen Rückblick unter

der Fragestellung, welche E-Learning-Initiativen und -Konzepte sich tatsäch-

lich in der Praxis bewährt haben. Gleichzeitig sollte die GML² 2012 Perspekti-

ven eröffnen und richtungsweisende Ideen für das Lehren und Lernen mit

digitalen Medien und Technologien aufzeigen.

Der vorliegende Band enthält über 50 interessante Beiträge, die sich zwei zent-

ralen Themenschwerpunkten widmen. Die Beiträge im Themenbereich „Von

der Innovation zur Nachhaltigkeit in Lehre und Weiterbildung“ veranschaulichen

erfolgreich erprobte Lehr- und Lernszenarien und vermitteln gleichzeitig

wertvolle Anregungen zur Umsetzung zukünftiger Projekte. Dem zunehmen-

den Einsatz digitaler Medien in Forschungsprozessen tragen diejenigen Kon-

zepte Rechnung, die sich der Frage widmen, wie Medien sowohl in der Lehre

(„E-Learning“) als auch in der Forschung („E-Research)“ eingesetzt werden

und wie Synergien zwischen den beiden Feldern geschaffen werden können.

Auf diesem Sektor lassen sich bislang nur erste Schritte erkennen, die Durch-

dringung des Gebiets „Digitale Technologien in Lehre und Forschung“ ist noch

ein Zukunftsfeld.

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Vorwort

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Die Beiträge im Themenbereich „Schule 2.0: E-Learning in Action!?“ geben Im-

pulse für die Förderung der Medienbildung in der Kinder- und Jugendarbeit.

Im Fokus stehen hier Projekte aus der schulischen Bildungsarbeit. Flankierend

werden übergreifende Strategien zur Etablierung von E-Learning an Schulen

vorgestellt sowie deren Weiterentwicklung vor dem Hintergrund einer durch

das Web 2.0 geprägten Lehr- und Lernkultur diskutiert.

An dieser Stelle sei nochmals allen Referierenden und Ausstellenden ganz

herzlich für ihre vielseitigen Beiträge sowie für ihr Engagement während der

Veranstaltung als auch für den Tagungsband gedankt. Ebenso gedankt sei

allen Teilnehmenden für die vielen anregenden Diskussionen und ihr teilweise

langjähriges Interesse an der Tagung. Ein besonderer Dank gilt dem Stiftungs-

Verbundkolleg „Informationsgesellschaft“ der Alcatel-Lucent Stiftung für

Kommunikationsforschung, in dessen Rahmen die GML auch in diesem Jahr

stattfinden konnte. In diesem innovativen Feld, das verschiedene Wissenschaf-

ten zusammenbringt und die Interdisziplinarität des Ansatzes unterstreicht,

gehört Mut und Wille, diese Tagung über einen längeren Zeitraum zu fördern

und ihre Stellung in der wissenschaftlichen Welt zu festigen.

Berlin, Mai 2012

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Keynotes

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Manfred Wischnewsky: Universität Bremen, [email protected]

eScience trifft eLearning: Neue Impulse für Forschungsorientiertes Lernen.

„Die moderne Wissens- und Informationsgesellschaft ist geprägt durch die

vielfältigen Möglichkeiten der effizienten Kommunikation und den einfachen

Zugang zu sehr großen Informationsmengen und leistungsfähiger Rechen-

technik. Die Chancen, mit den neuen Methoden in Wissenschaft und Industrie

qualitativ und quantitativ bessere wissenschaftliche Resultate zu erzielen, sind

gestiegen, parallel dazu aber auch die Schwierigkeiten der Beherrschung der

verteilten, dynamischen Systemkomponenten und der neuen Formen von Ko-

operationen“(http://www.pt-it.de/in/escience/). Diese als eScience bekannten

Entwicklungen sind Gegenstand des Vortrages.

eScience (= enhanced Science) bezeichnet hierbei die dynamische und koordi-

nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen

innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist die Bereitstellung

netzbasierter Arbeitsumgebungen, die den gesamten Prozess der Generierung,

Verarbeitung, Verbreitung und Archivierung von Wissen über Organisations-

grenzen hinweg unterstützen. Neben technologischen Aspekten (z.B. die Ent-

wicklung von „Science-Apps“) stehen soziale und wissenschaftspolitische

Aspekte wie der Aufbau neuer Formen der Organisation, Kooperation und

Kommunikation in wissenschaftlichen Kernbereichen im Vordergrund.

Der Nutzen für die Lehre lässt sich am besten unter dem Begriff „forschungs-

orientiertes Lernen“ subsumieren. Forschungsorientiertes Lernen, z.B. im Be-

reich der Geistes- und Sozialwissenschaften, unterstützt die Forschung an gro-

ßen unstrukturierten digitalen Textkorpora und definiert sich durch das

Zusammenspiel zwischen Forschung und Lehre, Entwicklung und Support in

folgenden fünf Bereichen:

(1) eScience/eResearch: Inhalt und Forschungsprozesse, mit denen digitale

Textkorpora erschlossen werden, (2) eServices: Dienste und Tools zur (semi-

)automatischen Analyse von digitalen Textkorpora, (3) eInfrastructure: wie-

derverwendbare Architekturen und Basis-Technologien, (4) eLearning: Lehre

und Qualifizierung im Bereich quantitativer/qualitativer Forschungsverfahren

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Manfred Wischnewsky

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und (5) eCommunity: Netzwerkbildung und virtuelle und interdisziplinäre

Kollaboration und Kooperation.

Forschungs-/problemorientiertes Lernen versteht sich in der Zukunft somit als

methodisches Prinzip zur Integration von Forschungsorientierung in die Lehr-

veranstaltungen unter besonderer Berücksichtigung digitaler Technologien aus

den Bereichen eLearning und eScience. Für Hochschulen sind eLearning und

eScience somit zwei Seiten einer Medaille.

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Matthias Spielkamp: iRights.info, [email protected]

ACTA – eine Geschichte aus den Hinterzimmern der Macht – und was sie für uns bedeutet.

ACTA sieht keine Netzsperren vor. ACTA schreibt nicht vor, dass Internet-

Serviceprovider den Datenverkehr überwachen. ACTA allein würde keine

Internetzensur mit sich bringen. ACTA würde wohl nicht dafür sorgen, dass

unsere Laptops am Flughafen darauf kontrolliert würden, ob wir eine DVD

darauf gespeichert haben, die man nicht rippen darf.

Nicht zuletzt: ACTA ist kein Gesetz. ACTA ist ein internationales Abkommen,

das gerade in der EU in einem komplizierten Prozess zuerst in eine Richtlinie

verwandelt werden müsste, anschließend in nationale Gesetze. Bis das, was in

ACTA festgehalten ist, bei uns ankommt, wird die Gesetzgebung also noch

mehrfach demokratisch kontrolliert. Kein Grund zur Aufregung also?

Doch. ACTA ist auf eine Art zustande gekommen, die jeden Demokraten das

fürchten lehren muss. Die Formulierungen des Abkommens sind so wachs-

weich, dass sie Tür und Tor öffnen für weitere Einschränkungen unserer Frei-

heiten. Und: Weder ist ACTA vom Tisch, noch wird es das letzte Abkommen

dieser Art sein. Was also haben wir durch ACTA tatsächlich zu befürchten,

und warum ist es nur eine Bedrohung im Regulierungssystem für „geistiges

Eigentum“?

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Von der Innovation zur Nachhaltigkeit in Lehre und Weiterbildung

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Claudia Bremer: Goethe-Universität Frankfurt, [email protected]

Open Online Courses als Kursformat? Konzept und Ergebnisse des Kurses „Zukunft des Lernens“ 2011

Zusammenfassung 2011 starteten studiumdigitale, die zentrale eLearning-Einrichtung der Univer-

sität Frankfurt/M, und der Weiterbildungsblogger Jochen Robes den ersten

deutschsprachigen Open Online Course unter dem Titel „Die Zukunft des

Lernens“1. In 14 Wochen wurden in wöchentlichem Rhythmus 14 Themen

behandelt, die sich rund um den Einsatz verschiedener Technologien in Bil-

dungsprozessen und auch das Kursformat selbst drehten. Dieser Beitrag stellt

die Bezüge des Open Online Courses zu seiner Herkunft und den ersten Kur-

sen dieser Art in Kanada und USA her, bezieht sich auf die theoretischen und

konzeptionellen Fundierungen dieses Ansatzes und stellt die Ergebnisse aus

dem Kursverlauf und der abschließenden Befragung der Teilnehmenden vor.

Einleitung 2007 bot David Wiley einen wiki-basierten Kurs unter dem Titel Open Ed Sylla-

bus an, in welchem er verschiedene Themen der Open Education behandelte.2

Dies gilt als Vorläufer oder erste Initiative von Open Online Courses, die dann

stärker bekannt wurden durch einen Kurs, den George Siemens und Stephen

Downes an 2008 von der Universität Manitoba aus anboten, der sich dem The-

ma Connectivism & Connective Knowledge widmete und der unter dem Kürzel

CCK08 bald zum Markenzeichen für das Format wurde. Im diesem Zusam-

menhang und durch eine Publikation von George Siemens wurde der Begriff

des Connectivismus erstmals bekannt, auf dessen konzeptionellen Überlegun-

gen sich Open Courses oftmals beziehen. Inzwischen wurde das Format von

vielen Bildungsakteuren aufgegriffen und man findet unter dem Begriff

MOOCs (Massive Open Courses) zahlreiche Angebote zu den verschiedensten

Themen. MOOC haben teilweise mehrere tausend Teilnehmende: beispielswei-

se führten Hochschullehrende der Universität Stanford einen Open Course

zum Thema künstliche Intelligenz durch, zu dem sich 160.000 Interessierte

1 Der Open Course fand auch unter Kooperation mit der Gesellschaft für Medien in der

Wissenschaft und dem Zentrum für Lehrerbildung der Universität Frankfurt statt. 2 http://www.opencontent.org/wiki/index.php?title=Intro_Open_Ed_Syllabus

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anmeldeten, von denen ca. 20.000 Teilnehmende den Kurs auch tatsächlich

abschlossen und eine Bestätigung der Veranstalter erhielten. Dass in diesem

Fall nicht die Universität selbst die Zertifizierung ausstellte, sondern die Hoch-

schullehrenden, war ein Umstand, der auch die Frage nach dem Wert einer

solchen Bescheinigung zur Diskussion stellte. So äußerte sich der in USA zum

Thema Bildungsmedien bekannte Blogger Michael Feldstein z.B. in der online

Zeitung Inside Higher Ed: “Wenn einzelne Hochschullehrende damit beginnen,

die studentischen Leistungen zu zertifizieren, dann stellt dies die Struktur einer

Hochschule in sich in Frage.”3 Ein wichtiger Aspekt, der von Inside Higher Ed in

diesem Zusammenhang auch diskutiert wurde, war die Frage, ob kleinere

Bildungsinstitutionen überhaupt jemals eine ausreichende Masse an Interes-

sierten zu einem Thema gewinnen können, um einen MOOC durchzuführen.

Schaut man sich zurzeit im Bereich der Open Online Courses um, so verbleiben

viele in den Themenbereichen Bildung und Technologien und verlassen bisher

nur selten dieses Feld4. Beispiele für MOOC sind der Kurs PLENK - Personal

Learning Environments Networks and Knowledge5, der im Herbst 2010 stattfand,

die Wiederauflage des ersten Kurses Connectivism and Connective Knowledge, der

2011 inzwischen im dritten Durchgang stattfand, der Kurs LAK11 - Learning and

Knowledge Analytics aus dem Frühjahr 20116 und der Kurs Change: Education,

Learning, and Technology! vom Herbst 20117. Im Sommer 2011 endlich fand der

erste deutschsprachige Open Online Course zum Thema Zukunft des Lernens

statt, über dessen Verlauf und Ergebnisse später noch tiefer eingegangen wird.8

Was ist ein Open Online Course? Ein Open Online Course ist ein ‚offener Kurs‘ der rein im Netz stattfindet. Da-

bei ist Offenheit eins der wesentlichen Kennzeichen: Jede/r Interessierte kann

kostenfrei teilnehmen, es gibt keine Beschränkung, keine Zulassungsbedin-

gungen und – je nach Kursformat – auch keine formalen Lernziele. Das bedeu-

tet, dass der/die Teilnehmer/in selbst bestimmt, wie viel er oder sie einbringen

3 http://www.insidehighered.com/news/2012/01/24/stanford-open-course-instructors-spin-

profit-company 4 Siehe einen Überblick zu Beispielen von MOOCs in Wikipedia unter:

http://en.wikipedia.org/wiki/Massive_open_online_course#Examples_of_MOOCs 5 http://connect.downes.ca/ 6 http://www.learninganalytics.net/?p=28 7 http://change.mooc.ca/ 8 www.opencourse2011.de

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Open Online Courses als Kursformat?

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möchte. Die Beteiligung kann dabei von Mitlesen im Kursblog bis zum Betrei-

ben eines eigenen Blogs oder der Mitwirkung in anderen Medienformaten

reichen.

Auch die technische Infrastruktur des Open Courses ist offen und dezentral.

Neben einer Hauptseite, die aus einem Blog oder Wiki bestehen kann und wel-

che Beiträge der Veranstalter und Teilnehmenden sammelt, entstehen Beiträge

auf anderen Plattformen, die die Lernenden einbringen: ihr eigener Blog, eine

Facebook-Seite, Twitterkanäle und -beiträge, Videobeiträge in YouTube, Audi-

oBoo-Beiträge usw.

Die Inhalte eines Open Courses folgen einem Curriculum, in dem verschiedene

Themen aufgegriffen werden. Manchmal ist jede Woche einem anderen Thema

gewidmet, manchmal passiert dies im zweiwöchigen Rhythmus. Neben Beiträ-

gen von den Veranstaltern, Experten und Gastreferenten greifen auch Teil-

nehmende das Thema aktiv auf und diskutieren es in ihren Blogs und in ande-

ren Medien. Damit ist ein Open Course für Teilnehmende einerseits die ideale

Gelegenheit, sich mit diesen Werkzeugen vertraut zu machen und erste Erfah-

rungen mit Blogs und Twitter zu sammeln, andrerseits unterstützt das Format

die offene Diskussion der Teilnehmenden, indem sie ihr Wissen kooperativ

und im Austausch mit anderen diskursiv entwickeln.

Die Rolle der Veranstalter in einem Open Course besteht darin, durch eine

Agenda und Wochenthemen den Verlauf zu strukturieren, die technische Inf-

rastruktur, zumindest soweit sie die zentralen Anlaufstellen betrifft, bereitzu-

stellen, die Beiträge der Teilnehmenden zu bündeln und einen Überblick zu

geben. Dies umfasst z.B. Wochenzusammenfassung als Newsletter, das Setzen

von Impulsen im Blog oder Wiki, die Beantwortung von Fragen in verschiede-

nen Medien, die Betreuung der Gastreferenten und ggf. die Moderation von

Live-Videositzungen, die anschließend als Aufzeichnungen ins Netz gestellt

werden.

Hintergrund: Konnektivismus Im Kontext der Open Online Courses wird häufig der Ansatz des Konnekti-

vismus diskutiert. Anfangs als Lerntheorie bezeichnet, und dadurch auch eini-

ger Kritik ausgesetzt, wurde dieser Anspruch inzwischen etwas aufgehoben

und heute vielmehr als konzeptioneller Ansatz betrachtet. Unabhängig von

dieser Definition ist es durchaus lohnenswert, den Beitrag des Konnektivismus

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Claudia Bremer

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in Bezug auf moderne lerntheoretische Ansätze in den Blick zu nehmen und

dabei die Rolle von Web 2.0 Technologien im Rahmen zu Bildungsprozessen

zu beleuchten.

Laut dem von George Siemens in seinem im International Journal of Instructional

Technology and Distance Learning 2005 erschienenen Beitrag Connectivism: A

Learning Theory for the Digital Age9 ist Lernen darauf ausgerichtet, Informatio-

nen miteinander zu verknüpfen. Die Vernetzung und Verbindung von Infor-

mationen wird bei ihm zur zentralen Metapher für Lernen, wobei er hierzu den

Begriff Knoten einführt.10 Knoten können Personen sein, aber auch Quellen wie

z.B. Bücher, Internetseiten oder Grafiken. Lernen besteht dann aus dem Pro-

zess, Verbindungen von Knoten aufzubauen. In seinem Verständnis von Ler-

nen legt er Wert darauf, dass wir wissen WO etwas zu finden ist, gegenüber

einem WISSEN WIE oder WISSEN WAS anderer Lernansätze. Nach ihm wird

das Wissen, wo etwas zu finden ist, wenn man es braucht, im Anbetracht des

so rasant anwachsenden Informationsberges immer wichtiger. Für Siemens

(2005) ist diese Art von Wissen wichtiger, als unser aktueller Wissensstand.

Lernen findet für ihn „nicht notwendigerweise nur in uns selbst statt, sondern

kann auch außerhalb von uns liegen“ und „obliegt nicht komplett der Kontrol-

le des einzelnen“ (Siemens 2005). Zudem betrachtet er im Hinblick auf die

Menge der in den weltweiten Netzwerken verfügbaren Informationen, die

Fähigkeit, wichtige von unwichtigen Informationen zu unterscheiden, als uner-

lässlich. Aufbauend auf dieser Betrachtung definierte er verschiedene Prinzi-

pien des Konnektivismus (Siemens 2005):

Lernen ist ein Prozess der Verknüpfung spezialisierter Knoten und Infor-

mationsquellen.

Lernen kann auch außerhalb von Menschen stattfinden.

Um Lernen zu ermöglichen, ist das Pflegen und Erhalten von Verbindun-

gen ausschlaggebend.

Die Fähigkeit, Verbindungen zwischen Gebieten, Ideen und Konzepten zu

sehen, ist eine Kernkompetenz.

Die Aktualität des Wissens ist das Ziel konnektivistischer Lernaktivitäten.

9 http://www.itdl.org/Journal/Jan_05/article01.htm 10 http://www.astd.org/LC/2005/1105_seimens.htm

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Open Online Courses als Kursformat?

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Auch die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen gehört zum Lernprozess. D.h.

auch die Entscheidung, was man lernt und die Beurteilung der verfügbaren

Informationen gehören dazu und genau dies verändert sich permanent. D.h.

was heute als wichtig und relevant wahrgenommen wird, kann sich morgen

schon aufgrund anderer Informationen, die für die Entscheidung relevant sind,

verändern.

Kritiker des Konnektivismus betonen, dass er eine Fundierung auf Basis bishe-

riger Veröffentlichungen zum Thema Lerntheorien vermissen lässt und sich

auch nicht auf vorangegangene Arbeiten wie z.B. Wengers communities of prac-

tice bezieht, in welchen Gruppenmitglieder voneinander lernen, indem sie

Informationen und Erfahrungen austauschen (Wenger 1998). Doch auch wenn

viele den Konnektivismus nicht gerade als neue Lerntheorie betrachten, so

betonen beispielsweise Kop und Hill (2008), dass er doch eine wichtige Rolle in

der Entwicklung und Entstehung neuerer pädagogischer Ansätze spielt, in

denen die Kontrolle vom Lehrer mehr und mehr zu einem autonomen Lerner

hin wächst.

Der Open Course Zukunft des Lernens Struktur und Umsetzung Der Open Course “Zukunft des Lernens” startete im Mai und thematisierte

über 14 Wochen hinweg wöchentlich ein neues Thema, welches von mobilem

Lernen über spielbasiertes Lernen, Microlearning, Medienkompetenzen bis hin

zum Lernen in sozialen Netzwerken reichte. Zum Kursstart hatten sich ca. 900

Interessierte angemeldet. Die Struktur des Kurses sah montags einen Eröff-

nungsbeitrag durch die Veranstalter vor, mittwochs eine einstündige moderier-

te Videosession in Adobe Connect mit jeweils einem oder zwei Experten sowie

freitags eine Zusammenfassung durch die Veranstalter, welche als Blogbeitrag

und Newsletter bereitstand. Die Platzierung des Live-Events in die Mitte der

Woche war bewusst gewählt, denn die Beteiligung der und Diskussion zwi-

schen den Teilnehmenden ist zentrales Element eines Open Online Courses.

Die Teilnehmenden sollten selbst in die Themendiskussion einsteigen, bevor

die Expertenbeiträge erfolgten (eine Entscheidung, die sich auch aufgrund

früherer Untersuchungen im Hinblick auf Expertenbeteiligungen in Foren

begründen lässt vgl. Hesse & Giovis 1997; Bremer 1999). Zur Vorbereitung und

vor allem auch für die Teilnehmenden, die eher mit mehr Input versorgt wer-

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Claudia Bremer

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den wollten, standen Literaturhinweise, Links auf online Texte und in einigen

Fällen auch vorab schon die Beiträge wie z.B. Foliensätze oder Vortragsauf-

zeichnungen der Experten bereit.

An den einzelnen Live-Sitzungen nahmen durchschnittlich ca. 20 bis 60 Perso-

nen direkt in den Virtual Classroom Sessions mit Adobe Connect teil, ein ande-

rer Teil verfolgte die Beiträge live auf einem parallel geschalteten Ustream-

Kanal, der jedoch keine aktive Beteiligung zuließ. Da die Vorträge und Diskus-

sionen auch aufgezeichnet wurden (in Abbildung 1 als record views bezeichnet),

rief eine große Zahl an Teilnehmenden die Beiträge nachträglich ab, was die

Abrufstatistik in Abbildung 1 veranschaulicht:

Abb. 1: Abruf der Live-Expertenbeiträge und Aufzeichnungen im Wochenverlauf

Die Beteiligung der Teilnehmenden an den Live-Sessions erfolgte meist per

Fragen und Kommentaren im Chatfenster. Audiobeiträge der Teilnehmenden

wurden nur vereinzelt genutzt und wenn, dann häufig nur nach intensiver

Aufforderung durch die Moderatoren.

Das Format, das die Expertenbeiträge einnahmen, variierte im Verlauf des

Kurses. Während anfangs verstärkt Vorträge gehalten wurden, stellten spätere

Referenten ihre Folien oder ganze Vortragsaufzeichnungen vorab ins Netz und

fassten in der Live-Session nur die wesentlichen Thesen nochmals zusammen,

um anschließend in eine Diskussion mit den Teilnehmenden einzusteigen, die

den Vortrag meist im Chat kommentierten, dort Fragen oder z.B. Linktipps

Page 25: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

Open Online Courses als Kursformat?

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einstellten. In einer der Live-Sessions diskutierten zwei Experten miteinander,

einer mit theoretischem, wissenschaftlichem Hintergrund, eine mit eher prakti-

schem Bezug zum Unternehmensalltag. So war auch zu beobachten, dass die

eingeladenen Experten selbst den Verlauf des Open Courses zum Teil mit ver-

folgten und sich methodische Gedanken um die Gestaltung ihrer Sitzung

machten – vergleichbar mit einer öffentlichen Ringvorlesung, in der die Refe-

renten jede Woche die Formate der Vorredner verfolgen und methodisch auf-

bauend darauf neue Experimente wagen. Interessant war dann ein Versuch in

der achten Woche, konsequent die Wissensvermittlung in die Vorbereitung zu

verlagern und in der Live-Session selbst parallel in fünf vorbereiteten Ether-

pad-Räumen synchron miteinander zu diskutieren und so Aussagen entwi-

ckeln zu lassen. Ein Experiment, das gewagt war, zum Teil an technischen

Hürden scheiterte, da jeder Etherpad-Raum nur maximal 15 Teilnehmende

zuließ, was vorher nicht bekannt war, aber dennoch ein wichtiger Meilenstein

in dem Kurs war. Dies gilt vor allem, da die methodische Variation nochmals

verstärkt Aufmerksamkeit und Aktivität auf das Kursgeschehen lenkte, was in

dem zum Teil um eine Woche zeitlich verschobenen Beitragsverlauf in der

Wochenstatistik ablesbar ist (s. Abb. 2), da sich die Diskussion des Events noch

in die Folgewoche erstreckte. Wichtig kann im Rahmen eines solchen Kurses

ggf. eine solche Dramaturgie und methodische Variation des Beitragsformats

sein, um den Teilnehmenden Abwechslung in der Gestaltung zu bieten und

erneut Aufmerksamkeit auf das Kursformat zu lenken.

Abb. 2: Abrufe und Beteiligungen in verschiedenen Medien im Wochenverlauf

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Claudia Bremer

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Die Beteiligung der Teilnehmenden neben den Live-Sessions reduzierte sich

nicht nur auf Blogbeiträge in deren eigenen Blogs, sondern umfasste Audio-

und Videobeiträge, eine online Zeitung, eigene Etherpad-Initiativen und viele

andere Formate. Vor allem Twitter zeichnete sich als eins der beliebtesten

Kommunikationsmedien aus, wie das Ergebnis einer abschließenden Befra-

gung zeigte, an der 65 Teilnehmende mitmachten (Abb. 6).

Technische Infrastruktur Neben den schon erwähnten Live-Sessions auf der Basis von AdobeConnect

und Bereitstellung der Aufzeichnungen in einem Ustream-Kanal wurden alle

anderen Aktivitäten der Veranstalter auf Basis eines Blogs durchgeführt sowie

einmal wöchentlich dem Versand eines Newsletters. Ein wesentliches techni-

sches Tool, das die Durchführung eines Open Course ermöglicht, ist der Ein-

satz eines so genannten Aggregators, der die Beiträge der aktiven Teilnehmen-

den aus ihren eigenen Blogs automatisch in dem Hauptblog des Kurses

zusammenträgt. Dazu meldeten die Teilnehmenden ihren Blog, den sie zum

Aggregieren bereitstellen wollten, bei dem Veranstalter an und kennzeichneten

Beiträge mit einem so genannten Hashtag, in diesem Fall #opco12. Die geblogg-

ten Beiträge wurden dann automatisch in dem Hauptblog der Veranstalter

chronologisch aufgelistet. Der Newsletter, der am Ende der Woche an die an-

gemeldeten Teilnehmenden versandt wurde, bestand aus einer automatisierten

Zusammenfassung der Blogbeiträge der Woche sowie einer kurzen inhaltlichen

Zusammenfassung durch den Moderator. Zusätzlich zu den genannten Tools

richteten die Veranstalter noch einen Twitter-Kanal ein und führten abschlie-

ßend eine online Befragung durch.

Befragungsergebnisse Inhalte der abschließenden Befragung waren zum einen die Zusammensetzung

der Teilnehmerstruktur wie auch die Mediennutzung durch die Teilnehmen-

den, deren Motivation zur Teilnahme, deren Beschäftigungssituation, die in

den Kurs investierte Zeit usw. Viele der Fragen entstanden im Kursverlauf, so

dass mit Hilfe der Befragung Hypothesen der Veranstalter überprüft und Be-

obachtungen verifiziert oder widerlegt werden konnten. Die Besonderheit der

Befragung war, dass im Rahmen der letzten Wochen des Open Online Courses

schon unter den Teilnehmenden der Verlauf und das Veranstaltungsformat

intensiv diskutiert wurden. Aufgrund dieser Beobachtung des augenscheinli-

chen Interesses einiger Teilnehmenden, die intensiv in die Diskussion über die

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Open Online Courses als Kursformat?

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Kursstruktur involviert waren, entstand die Idee, diese auch in die Gestaltung

der Befragung mit einzubeziehen, so dass der Fragebogen öffentlich in Ether-

pad diskutiert und editiert wurden, bevor die Befragung umgesetzt wurde. An

der abschließenden Befragung nahmen 65 Teilnehmende teil, von denen 50.8%

weiblich, 49,2% männlich waren (n=61), ebenso viele Prozent (49,2%) hatten

keine Kinder (n=59) (Eine Hypothese der Veranstalter war, dass im Hinblick

auf die eingesetzte Zeit, womöglich die meisten Teilnehmenden keine oder

schon recht erwachsene Kinder hatten, was in der durch die Teilnehmenden im

Etherpad eingebrachte Frage nach dem Alter der Kinder sich später auch größ-

tenteils bestätigte). In Bezug auf die Beschäftigungssituation waren 43,5% an-

gestellt oder Beamte, 24,5% in einer Bildungseinrichtung und 14,5% freiberuf-

lich tätig, nur 8,1% Studierende, aber immerhin ebenso viele Rentnerinnen

dabei (s. Abb. 3, n=62%). Die Altersgruppen setzen sich wie in Abbildung 4

dargestellt zusammen: der Großteil der Teilnehmenden (36,5%) stammte aus

der Altersgruppe der 35-44 Jährigen (n=63).

Abb. 3: Verteilung nach Beschäftigungsverhältnissen (n=62)

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Claudia Bremer

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Abb. 4: Verteilung nach Altersgruppen (n=63)

Die Interessenslage zur Teilnahme an Open Course setzte sich wie folgt zu-

sammen (Mehrfachnennungen waren hier möglich): 84,4% nahmen aus Spaß

und Interesse teil (50% trifft vollkommen zu, 34,4 % trifft zu), 84% aus Interesse

am Thema, wobei das Interesse am Format insgesamt niedriger war als das

Interesse am Thema. Ebenso waren Wochenthemen und Referenten nicht ganz

so ausschlaggebend für die Teilnahme wie das Gesamtthema Zukunft des Ler-

nens. Blickt man dagegen auf die freien Kommentare in der Rubrik „Folgendes

hat mir gefallen“, so wurde dort im Rückblick dann auch oft explizit der Aus-

tausch in der Community und das Experimentieren mit dem Format und den

technischen Tools genannt.

Wie oben schon erwähnt, setzte sich bei der Nutzung von Tools für die eigene

Teilnahme vor allem Twitter durch (s. Abb. 5), wobei bei der Nutzung der von

den Veranstaltern bereitgestellten Tools vor allem der Kursblog die wichtigste

Rolle übernahm. 42,2% der 63 Befragten schrieben eigene Blogbeiträge und

kommentierten Beiträge anderer, doch nur 9% eröffneten extra für den Open

Course einen Blog – anzunehmen ist, dass die meisten, die sich aktiv mit einem

Blog beteiligten, diesen wohl auch vorher schon hatten – was 37% der Befrag-

ten in der expliziten Frage nach einen Blog auch bejahten. 64% twitterten selbst

und 47% nutzten Etherpad.

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Open Online Courses als Kursformat?

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Abb. 5: Befragungsergebnis zur Mediennutzung (n=64)

Schaut man dagegen an, welche Medien die Veranstalter für den Kurs genutzt

haben, so spielen neben Kursblog und Homepage die Videoaufzeichnungen

der Live-Sessions (U-Stream) eine wichtigste Rolle:

Abb. 6: Befragungsergebnis zu Medien der Veranstalter (n=64)

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Betrachtet man die Bewertungen in den Freitextkommentare im Rahmen der

online Befragung, so sticht die höchst unterschiedliche Beurteilung des Kurses

in Bezug auf die Offenheit des Kurses ins Auge. Es seien hier zwei vollkommen

konträre Beurteilungen einander anhand von Zitaten gegenübergestellt, um

diese Diskrepanz deutlich zu machen:

„Aus meiner Sicht widerspricht die Veranstaltung allen didaktischen Grundsätzen.

Unklare Zielgruppe, unklare Vorbildung, Leute, die den Kurs offenbar für ihre Marke-

tingzwecke nutzen, Teilnehmende, die gerne einfach nur schreiben ohne erkennbaren

Gehalt. Abgesehen davon findet Lernen nicht auf dem Marktplatz statt. Wie komm

man auf solche Ideen? Es gibt aus gutem Grund geschlossene Räume dafür.“

„Gut fand ich, dass es keine vorgegebenen Lernziele gab, ich also ausschließlich nach

meinen Interessen vorgehen konnte. Und das hat einerseits meine Neugierde geweckt,

auch zu Themen, die ich normalerweise nicht auf dem Radar hatte (z.B. lebenslanges

Lernen) - und mir andererseits die Freiheit der Auseinandersetzung mit den vielfälti-

gen Äußerungen anderer Teilnehmer verschafft. Dabei fällt mir auf, dass das bei forma-

len Lern-Settings aus arbeitsökonomischen Gründen weitgehend wegfällt: Ich konzent-

riere mich dort streng nur auf die Themen und Texte, die für das Erreichen des

vorgegebenen Zieles unbedingt notwendig sind. Deshalb war der Opco ein für mich

sehr erhellendes Beispiel, bei dem ich das Gefühl habe, wesentlich mehr mit weniger

Zeiteinsatz gelernt zu haben, als in Lernsituationen mit konkreten am Ende geprüften

Lernzielen.“

Einen ganz herzlichen Dank an die Veranstalter: Ich habe jetzt persönlich erfahren

können, dass es für die persönliche Entwicklung viel hilfreicher ist, lernanregende

Rahmenbedingungen zu setzen (wozu auch das wöchentliche Takten zählt), als Lern-

ziele vorzugeben und abzuprüfen, oder den Lernweg dorthin vorzuzeichnen.

Dies zeigt, dass das Open Course Format einfach nicht für jeden geeignet ist

und manche Lernende stärker vorgegebene Strukturen und Lernziele bevorzu-

gen, während andere gerade durch die Offenheit motiviert werden und es

schaffen, sich eigene Ziele zu setzen und sich zu strukturieren. Die lässt vermu-

ten, dass neben der für die Teilnahme bereitstehenden Zeit eventuell auch As-

pekte wie die Fähigkeit zum eigenen Zeitmanagement, zur Selbstorganisation

wesentlichen Einfluss auf die Beurteilung des Kursformates haben und auch

den Umgang mit der Unübersichtlichkeit beeinflussen.

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Open Online Courses als Kursformat?

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Während sich jedoch die wahrgenommene Unübersichtlichkeit des Kurses

durch die anwachsenden Beiträge durch die Freitextkommentare durch zog

und es auch den Veranstaltern so erging, dass fast nicht mehr möglich war, alle

Teilnehmerbeiträge zu lesen, hat sich dies in der entsprechenden Bewertung im

Fragebogen nicht ganz so extrem niedergeschlagen:

Abb. 7: Befragungsergebnis zur Beurteilung der Infrastruktur (n=64)

Trotzdem haben die Veranstalter für zukünftige Kurse hier Maßnahmen vorbe-

reitet, eine größere Übersichtlichkeit herzustellen, die im Fazit nochmals vorge-

stellt werden. Interessant ist in diesem Hinblick auch der Aspekt Zeit.

Die Antwort nach der für den Open Course aufgebrachte Zeit lag bei den Teil-

nehmenden, die den Fragebogen beantworteten, bei größtenteils unter einer

Stunde pro Woche wie Abbildung 8 zeigt.

Abb. 8: In den Open Course investierte Zeit (n=63)

Auch hier verdeutlich ein Freitextkommentar die Problematik, das viele Teil-

nehmende gerne die aufgrund des Kursformats ausufernde Menge an Beiträ-

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gen, Hinweisen, Links usw. wahrgenommen hätten, dies aber aus Zeitgründen

einfach nicht schafften:

“Habe mich gewundert, wie es andere Teilnehmer schafften so produktiv/aktiv am opco

teilnehmen zu können. Hätte das auch gerne tun wollen, konnte aber die Zeit/Energie

dafür nicht finden.“

Qualitative Beobachtungen aus dem Teilnehmerverhalten während dem Open

Course zeigten zudem, dass sich vor allem ErwachsenenbildnerInnen, Referen-

ten und Trainerinnen sehr aktiv beteiligten und mit eigenen Beiträgen in Er-

scheinung traten, ebenso wie einzelne in Hochschulen im Bereich eLearning

beschäftigte Personen. Zurückhaltender verhielten sich dagegen LehrerInnen,

die eher eine beobachtende Rolle einnahmen wie auch eine Gruppe von Wis-

senschaftlerInnen, denen die Diskussionen zum Teil zu wenig empirisch gesi-

chert waren und sich zu sehr auf empirisch nicht fundierte Praxiserfahrungen

und Einzelerfahrungen beriefen. Auch die Zahl der studentischen Beteiligung

war trotz der Option, Credit Points an der Universität Frankfurt zu erwerben,

recht niedrig: nur zwei Studierende nahmen dieses Angebot in Anspruch,

wünschten jedoch, in geschlossenen Kursumgebungen zu bloggen wie z.B. in

Ning und nicht direkt mit ihren Beiträgen an die Öffentlichkeit zu treten, was

auch erfüllt wurde. Begleitet wurde die studentische Teilnahme durch ein Prä-

senztutorium, das sich ca. ein- bis zweimal im Monat traf. Gleichzeitig nahmen

jedoch auch Studierende teil, die in medienaffinen Studiengängen an anderen

Universitäten eingeschrieben waren und den Open Course als extrem große

Chance bewerteten, mit Praktikern und Experten direkt in Kontakt treten und

diskutieren zu dürfen, wie sie mehrfach auch verbal bestätigten.

Fazit und Ausblick Aufgrund dieser ersten Beobachtungen lässt sich die eingangs gemachte These,

dass aktuell ein Open Online Course vor allem ein Format ist, das im Kontext

von Bildungs- und Technologiethemen seine Heimat findet, vorerst bestätigen,

was aber nicht bedeutet, dass sich dies nicht in den nächsten Jahren verändern

könnte. Nur bisher eignet das Format sich nicht, Medienkompetenz von Grund

auf aufzubauen; die meisten Teilnehmenden brachten eine gewisse Medien-

kompetenz mit. Teilnehmende ohne eigenen Blog nahmen oftmals eher be-

obachtend teil und verhielten sich zurückhaltend. Dabei leben Open Online

Courses jedoch von der aktiven Teilnahme. Die Rolle der Veranstalter verän-

dert sich dabei komplett: man wird eher Informationsanbieter und Gestalter,

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Open Online Courses als Kursformat?

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weniger kann man direkt durch den Kurs führen. Die entstehenden Beiträge

sind so zahlreich und vielfältig, so dass sie kaum überblickbar bleiben. Auf-

grund dieser Erfahrungen haben die Veranstalter gemeinsam mit e-

teaching.org und dem Multimedia Kontor Hamburg in einem weiteren Open

Online Course in 2012 vor, folgende Verbesserungsmöglichkeiten zu erproben:

eine längere Zeitspanne von zwei Wochen je Thema soll die zeitliche Taktung

entspannen. Zugleich sollen Blogbeiträge im Kursblog stärker in die einzelnen

Themen kategorisiert werden, um eine stärkere Wiederauffindbarkeit zu ge-

währleisten. Um Neulingen den Einstieg zu erleichtern, wird im Blog eine

Sandbox zum Erproben von Beiträgen angeboten und ggf. die Rolle von Mento-

ren eingeführt, die Neulinge begleiten und ggf. Hilfe bei der Nutzung techni-

scher Tools geben. Zudem wird die Moderation verstärkt und mehr inhaltliche

Zusammenfassungen angeboten wie auch neben Credit Points Teilnahmebestä-

tigungen vergeben und erstmalig im deutschsprachigen Raum mit der Vergabe

von Online Badges, einer Form der online Dokumentation und des Nachweises

von Kompetenzzuwächsen, experimentiert. Potentiale die hier liegen, sind

sicherlich in der Öffnung von Hochschulen und Universitäten für den Weiter-

bildungsbereich zu finden, wie auch in der Erprobung offenerer Lernformen.

Referenzen Bremer, Claudia (1999): Die Virtuelle Konferenz "Lernen und Bildung in der

Wissensgesellschaft“. In: C. Bremer, M. Fechter (Hrsg.). Die Virtuelle Konfe-

renz. Neue Möglichkeiten der politischen Kommunikation, Essen: Klartext.

Hesse, Friedrich W.; Christos Giovis (1997). Struktur und Verlauf aktiver und

passiver Partizipation beim netzbasierten Lernen in virtuellen Seminaren. In:

Unterrichtswissenschaft, 25, S. 34 –55.

Kop, Rita; Adrian Hill (2008). Connectivism: Learning theory of the future or

vestige of the past? In: The International Review of Research in Open and Distance

Learning, Vol 9, No 3.

Siemens, George (2005). Connectivism: A Learning Theory for the Digital Age.

In: International Journal of Instructional Technology and Distance Learning, Vol. 2

No. 1, Jan 2005 http://www.itdl.org/Journal/Jan_05/article01.htm [2.2.2012]

Wenger, Etienne (1998). Communities of Practice: Learning, Meaning, and

Identity. Cambridge: Cambridge University Press.

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Claudia Bremer

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Vita Claudia Bremer ist Geschäftsführerin von studiumdigitale, der zentralen eLearn-

ing-Einrichtung der Goethe-Universität Frankfurt/Main. Von 2005- 2008 koor-

dinierte sie das Projekt megadigitale zur hochschulweiten Organisationsent-

wicklung zur Einführung von eLearning an der Universität Frankfurt/M. Seit

2005 koordiniert sie auch das Projekt Lehr@mt, „Medienkompetenz in allen

drei Phasen der Hessischen Lehrerbildung“, ein Kooperationsprojekt der Uni-

versität mit dem Amt für Lehrerbildung, das vom Hessischen Kultusministeri-

um gefördert wird, sowie das Medienkompetenzzertifikat für Lehramtsstudie-

rende am Zentrum für Lehrerbildung, jetzt Akademie für Bildungsforschung

und Lehrerbildung der Universität Frankfurt.

In weiteren Projekten wie z.B. im Projekt Uni:prise, gefördert im Rahmen des

Programms Wissenschaftsökonomie, untersucht sie gemeinsam mit den Uni-

versitäten Dortmund und Magdeburg Geschäftsmodelle an Universitäten und

begleitet seit 2009 das Teilprojekt „Neue Medien im Hessencampus“ in Koope-

ration mit dem Hessischen Volkshochschulverband für das Hessische Kultus-

ministerium. Sie befasst sich vor allem mit Fragen der Organisationsentwick-

lung, Qualifizierung von Lehrenden rund um eLearning und der Beratung von

Unternehmen und Bildungseinrichtungen rund um den Einsatz neuer Medien.

Informationen: www.studiumdigitale.uni-frankfurt.de

Page 35: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

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Peter Lautenschlager, Elisabeth Farmer, Benjamin Wilding, Mirko Reichlin:

Universität Zürich, [email protected]

Ein Leuchtturmprojekt verändert die Kultur der Lehre

Zusammenfassung Der folgenden Artikel beschreibt, wie das Projekt „eCF – Get involved in Cor-

porate Finance“ die Kultur der Lehre am Institut für Banking und Finance der

Universität Zürich grundlegend veränderte. Nachfolgend wird zunächst das

Projekt vorgestellt und anschliessend aufgezeigt, wie das Projekt nachhaltig

weitergeführt und verbessert werden konnte und die über die Jahre gewonne-

nen Erkenntnisse nun auf Gesamtinstitutsebene einen Mehrwert schaffen.

Ziele und antizipierter Mehrwert des Projekts „eCF – Get Involved in Corporate Finance“ Das Projekt wurde im Jahr 2000 als Swiss Virtual Campus-Projekt am Institut

für Banking und Finance der Universität Zürich ins Leben gerufen. Eines der

zentralen Ziele des Projekts war es, die Qualität der Lehre in einer Grosslehr-

veranstaltung (mehr als 200 Studierende) im Bereich Corporate Finance zu

verbessern, indem die Studierenden eingebunden und involviert, sowie opti-

male Betreuung und hochqualitative Selbstlernmaterialen bereitgestellt wur-

den. Mithilfe einer Neugestaltung der Vorlesung, die basierend auf einem

Blended Learning Konzept vorgenommen wurde, sollte neben den fachlichen

Kompetenzen, durch verstärkte und praxisnahe Anwendung des Stoffs, das

selbständige Denken und lösungsorientierte Arbeiten gefördert werden. Aus-

serdem wurde durch das Bearbeiten praxisorientierter Fallstudien in Klein-

gruppen der Transfer der theoretischen Konzepte in Praxiswissen gefördert

und die Arbeit in Teams geübt. Schliesslich wurde durch den Einsatz von

eLearning-Elementen und Online-Foren das Ziel angestrebt, die Studierenden

in die Nutzung von neuen Medien im Lernprozess einzuführen.

Konzept und Umsetzung Das Blended Learning Konzept des Projekts, welches im Jahr 2006 mit dem

Medida-Prix ausgezeichnet wurde, setzt sich im Wesentlichen aus folgenden

vier Bausteinen zusammen:

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Peter Lautenschlager, Elisabeth Farmer, Benjamin Wilding, Mirko Reichlin

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Selbststudium Den Lernenden wird ein Medienmix an unterschiedlichen Selbstlernmateria-

lien über die Lernplattform der Universität Zürich (OLAT) zur Verfügung

gestellt. Mittels eines Online-Lernpfads wird dabei der Inhalt in einzelne Lern-

schritte strukturiert. Als Lernmaterialien kommen dabei sowohl das traditio-

nelle Lehrbuch als auch multimediale und interaktive Elemente zum Einsatz,

insbesondere Flash-Animationen, Schätz- und Multiple-Choice-Fragen zur

Lernkontrolle sowie kleinere Fallstudien zur Lösung praxisnaher Problemstel-

lungen.

Online-Coaching Die Betreuung der Studierenden während ihres Lernprozesses spielt eine zent-

rale Rolle im Lernkonzept. Sie findet in Online-Foren statt, in welchen Fragen

werktags innerhalb von 24 Stunden durch wissenschaftliche Assistierende und

Studierende höheren Semesters beantwortet werden. Der Einsatz dieses asyn-

chronen Kommunikationskanals erlaubt es, die zeitliche und örtliche Flexibili-

tät der Studierenden zu wahren und gleichzeitig eine optimale Betreuung an-

zubieten.

Fallstudienbearbeitung im Team In Kleingruppen werden praxisorientierte Fallstudien bearbeitet, wodurch die

im Selbststudium erlernten und in der Vorlesung vermittelten Theorien in

einen anwendungsorientierten Kontext gestellt werden können. Wie die Evalu-

ationsergebnisse zeigen, hat der Praxisbezug eine stark motivierende Wirkung

auf das Lernverhalten der Studierenden und der gemeinsame Lösungsprozess

im Team gibt Anlass zu intensiven inhaltlichen Diskussionen.

Präsenzveranstaltungen Inhaltlich stehen in der Vorlesung im Hörsaal statt der klassischen Stoffver-

mittlung mittels Frontalunterricht vermehrt die Thematisierung aktueller Pra-

xisbeispiele, die Würdigung des theoretischen Stoffes sowie der verstärkte

Dialog zwischen Studierenden und Dozierenden im Vordergrund. Die Prä-

senzveranstaltungen werden aufgezeichnet und als Video zur Verfügung ge-

stellt, wodurch die zeitliche und örtliche Flexibilität der Studierenden nicht

eingeschränkt wird.

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Ein Leuchtturmprojekt verändert die Kultur der Lehre

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Der Corporate Finance-Kurs, für den dieses Blended Learning-Konzept entwi-

ckelt wurde, wird seit 2001 jährlich und aktuell bei rund 400 Studierenden

erfolgreich sowie mit sehr gutem Feedback eingesetzt.

Organisatorische Integration, ständige Evaluation und Weiterentwicklung

sowie nachhaltige Finanzierung als Schlüssel zum Erfolg

Das mit dem Medida-Prix ausgezeichnete Konzept war in der Projektphase für

eine einzelne Lehrveranstaltung entwickelt worden. Diese Lehrveranstaltung

ist seit dem Jahr 2004 in den regulären Studienbetrieb der Universität Zürich

im Rahmen des Bachelor-Studiums integriert, sowie durch die Nutzung der

strategischen Lernplattform OLAT auch nachhaltig in die technischen Abläufe

der Universität eingebunden. Durch konstante Evaluation des Kurses wurde

das Konzept laufend geschärft.

Gleichzeitig sollten Wege und Mittel gefunden werden, die notwendigen Res-

sourcen für die Instandhaltung und Weiterentwicklung langfristig sicherzustel-

len. Im Jahr 2003 wurde deshalb, parallel zum regulären Studiumsbetrieb, ein

Pilotprojekt im Bereich der Weiterbildung gestartet, für das der Inhalt des Kur-

ses wie auch die gebotene Flexibilität, gepaart mit einem ausgezeichneten Be-

treuungsgrad, geeignet schien. Auch hier traf man ein aktuelles Bedürfnis. Das

Weiterbildungsangebot wurde vom Markt sehr positiv aufgenommen, was

ständig steigende Teilnehmerzahlen belegen. Durch die Einnahmen aus der

Weiterbildung konnte die Erhaltung und ständige Entwicklung des eLearning

Angebots am Institut sichergestellt werden. Was mit dem Angebot eines Ein-

zelkurses für die Weiterbildung begann, präsentiert sich heute als modular

buchbares Programm mit der Möglichkeit, verschiedene Abschlüsse von einem

CAS (Certificate of Advanced Studies), über DAS (Diploma of Advanced Stu-

dies) bis hin zum MAS (Master of Advanced) in Finance zu erlangen.

Bis im Jahre 2011 wurde das Blended Learning Konzept, oder Teile davon, auf

weitere Grosslehrveranstaltung inner- und ausserhalb des Instituts sowie auf

kleinere Kurse für Drittanbieter übertragen, so dass heute jährlich über 2500

Studierende und 175 Weiterbildungsteilnehmende das Angebot nutzen.

Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der Anzahl der betreuten Studie-

renden und Weiterbildungsteilnehmenden in den mit eLearning unterstützen

Lehrveranstaltungen des Instituts für Banking und Finance seit Beginn des

Projekts im Jahr 2000.

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Peter Lautenschlager, Elisabeth Farmer, Benjamin Wilding, Mirko Reichlin

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Aktuell wird das Projektteam organisatorisch in den regulären Betrieb des

Instituts übergeführt. Unter dem Namen „Teaching Center“ hat die neue Or-

ganisationseinheit am Institut für Banking und Finance als Hauptanliegen die

Förderung und Unterstützung der Lehre, insbesondere von eLearning-

Projekten für Studierende sowie Teilnehmende der Weiterbildungsprogramme.

Die Finanzierung des Teaching Center erfolgt durch Einnahmen aus Weiterbil-

dungsprogrammen des Instituts, welche im Gegenzug verschiedene Blended

Learning Kurse des Teaching Centers nutzen und gegen Entgelt anbieten kön-

nen.

Fazit Zwölf Jahre nach dem Start des Projekts, welches sich an der Universität Zü-

rich im Laufe der Zeit zu einem Leuchtturmprojekt entwickelt und die Kultur

der Lehre nachhaltig verändert hat, konnte mit der Gründung des Teaching

Center eine curriculare, technische und organisatorische Einbettung von

eLearning-Veranstaltungen im regulären Betrieb erreicht werden. Durch die

Finanzierung über die Weiterbildungsprogramme ist der Betrieb weitgehend

unabhängig von allfälliger staatlicher Projektfinanzierung, wodurch ein nach-

haltiger Fortbestand gewährleistet ist.

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Ein Leuchtturmprojekt verändert die Kultur der Lehre

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Vita Elisabeth Farmer, [email protected], Wissenschaftliche Mitarbeiterin

am Institut für Banking und Finance der Universität Zürich und Leiterin des

Teaching Center des Instituts.

Dr. Peter Lautenschlager, [email protected] , Geschäftsführer und

Head E-Learning des Instituts für Banking und Finance der Universität Zürich

und Projektleiter des Projekts „eCF – Get involved in Corporate Finance“.

Mirko Reichlin, [email protected], Studentischer Mitarbeiter am Institut

für Banking und Finance der Universität Zürich und Teammitglied des

Teaching Center des Instituts.

Benjamin Wilding, [email protected], Wissenschaftlicher Mitarbeiter

am Institut für Banking und Finance der Universität Zürich und Geschäftsfüh-

rer des IBF Weiterbildungsprogramm ins Finance.

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Noëmi Fivat: Freie Universität Berlin, [email protected]

Brigitte Grote: Freie Universität Berlin, [email protected]

„Blending culture into e-learning“ – Erprobte Weiterbildungsszenarien in interkulturellen Kontexten

Zusammenfassung Internationale Projekte zur Entwicklung und Etablierung neuer Studiengänge

setzen vermehrt auf die Einbindung innovativer Lehr-/Lernformen. Dies erfor-

dert eine Qualifizierung der Dozent/innen zum E-Learning. Hierbei wird häu-

fig auf bewährte Weiterbildungsformate zurückgegriffen, die in neuen kultu-

rellen Kontexten aufgrund divergierender Annahmen zu Lern- und

Kommunikationsformen jedoch nur in Teilen zum erwarteten Lernerfolg füh-

ren. Dieser Beitrag beschreibt anhand eines Fallbeispiels der Freien Universität

Berlin die Schwierigkeiten bei der Übertragung eines erprobten Weiterbil-

dungsformats in einen internationalen Kontext, stellt Ausgangsmodell und das

angepasste Design der Qualifizierungsmaßnahme vor, diskutiert die Bedeu-

tung kultureller Besonderheiten bei der Gestaltung von E-Learning Arrange-

ments, und benennt Faktoren für einen erfolgreichen Transfer.

E-Learning-Qualifizierung in interkulturellen Kontexten Internationale Projekte zur Entwicklung und Etablierung neuer Studiengänge

setzen vermehrt auf die Einbindung innovativer Lehr-/Lernformen. Dieses

impliziert häufig die Nutzung von Lerntechnologien, um ein Blended Learning

Szenario zu realisieren und mediengestützte Lernformen zu ermöglichen. So

wird z.B. im EU-Projekt Diploma in Public Policy and Child Rights (DPPCR)1 ein

neuer berufsbegleitender Studiengang als Blended Learning Angebot in Ägyp-

ten und Jordanien aufgebaut, im DAAD-Projekt E-Learning Network Integrated

Watershed Management2 werden Online-Lernmodule zur Einbindung in Studi-

enangebote in Zentralasien und Ostafrika entwickelt und der internationale

Masterstudiengang European Master in Childhood Studies and Children’s Rights

(EMCR)3 wird mit E-Learning Elementen angeboten. Um den Projekterfolg zu

1 Vgl. http://dppcr.wordpress.com/ [08.03.2012] 2 Vgl. http://www.geo.fu-berlin.de/en/geog/fachrichtungen/physgeog/forschung/ integrat-

ed_watershed_management/index.html [08.03.2012] 3 Vgl. http://www.fu-berlin.de/emcr [08.03.2012]

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„Blending culture into e-learning“

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garantieren, benötigen die verantwortlichen Dozent/innen zusätzlich zu fachli-

chem und didaktischem Wissen fundierte Kenntnisse und Fertigkeiten zur

Entwicklung und Umsetzung der E-Learning Szenarien. Da dieses nicht immer

vorausgesetzt werden kann, sehen solche Projekte zumeist Arbeitspakete mit

Maßnahmen zur Qualifizierung der Dozent/innen vor. Deren Umsetzung liegt

in der Regel in der Verantwortung von Projektpartnern, die bereits über er-

probte Weiterbildungsformate zum Thema E-Learning in der Hochschule ver-

fügen. Bei der Konzeption und der Gestaltung der Qualifizierungsmaßnahmen

werden in den internationalen Projekten auf diese Good Practice Beispiele

zurückgegriffen.

Zu bedenken ist allerdings, dass Good Practice Beispiele in Bildungskontexten

nicht in jedem Fall einfach zu übertragen sind. Good Practice Beispiele sind in

sich schlüssige Konzepte mit einem Anspruch auf Vorbildcharakter, die als

Anregung und zur Nachahmung bei ähnlichen Rahmenbedingungen und

Lernzielen herangezogen werden können, die aber immer in Abhängigkeit von

dem didaktischen Design und den Rahmenbedingungen betrachtet werden

müssen (Rinn & Wedekind, 2002). So zeigte sich, dass Formate, die sich an der

Freien Universität Berlin in der E-Learning Weiterbildung bewährt haben, bei

Zielgruppen mit vergleichbaren Lernzielen und Lerninhalten, jedoch anderem

kulturellen Hintergrund, nur in Teilen reproduzierbar waren. Vor allem unter-

schiedliche Annahmen hinsichtlich der Rollen von Lehrenden und Lernenden,

und damit einhergehend Erwartungen an die Ausgestaltung von Lern- und

Kommunikationsprozessen in E-Learning Arrangements, beeinflussten den

Erfolg des Good Practice Modells nachhaltig. Erprobte Weiterbildungsformate

zum E-Learning können also immer nur im Sinne von empfehlenswerten Bei-

spielen als Ausgangspunkt für die zu entwickelnden Qualifizierungsmaßnah-

men in interkulturellen Kontexten dienen. Welcher Art die Unterschiede sein

können und wie sie sich auf den Lernerfolg in E-Learning Arrangements aus-

wirken können, wurde bereits in verschiedenen Studien angedeutet (vgl. u.a.

Olaniran, 2009; Rutherford &Kerr, 2008; Tapanes et al., 2008; Uzuner, 2009).

Doch was bedeutet dies für die Übertragbarkeit eines erprobten Weiterbil-

dungsformats zum E-Learning in einen anderen kulturellen Kontext und was

sind hierbei die Erfolgsfaktoren?

Dieser Beitrag ist in erster Linie ein Bericht aus der Praxis: Anhand eines Fall-

beispiels, des EU-Projekts Diploma in Public Policy and Child Rights (DPPCR), in

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Noëmi Fivat, Brigitte Grote

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dem die Dozent/innen des Diploms aus Ägypten und Jordanien zum Einsatz

von E-Learning in der Lehre qualifiziert werden sollen, werden Erfahrungen

bei der Übertragung eines Good Practice Beispiels in einem interkulturellen

Kontext beschrieben und Schlussfolgerungen, die für ähnliche Projekte gelten

können, diskutiert. In Abschnitt 2 wird zunächst das Ausgangsmodell, das

Good Practice Beispiel der Freien Universität Berlin zur Qualifizierung von

Lehrenden zum Blended Learning präsentiert. Abschnitt 3 stellt das Projekt

DPPCR mit seinen E-Learning Komponenten und den Anforderungen an die

E-Kompetenzen dar, Dozent/innen im DPPCR-Programm vor, und beschreibt

den Verlauf der Fortbildungen. In Abschnitt 4 werden, nach einem Überblick

über den Stand der Forschung zu interkulturellen Aspekten des E-Learning,

unter Einbeziehung der Eindrücke aus dem DPPCR-Projekt und den Erfahrun-

gen der Teilnehmenden, kulturell bedingte Gründe für die beobachteten

Schwierigkeiten herausgearbeitet. Der Beitrag schließt mit einer Diskussion

und den lessons learned in Abschnitt 5.

Good Practice Beispiel zur E-Kompetenzentwicklung an der Freien Universität Berlin Der Einsatz Neuer Medien in der Hochschullehre wird an der Freien Universi-

tät Berlin seit vielen Jahren konsequent umgesetzt (vgl. Apostolopoulos, 2007).

Den Lehrenden wird hierbei gemeinhin eine zentrale Rolle zugeschrieben: Nur

wenn die Lehrenden über „Kenntnisse, Fertigkeiten und Einstellungen [....] zur

Entwicklung, Einführung und Nutzung innovativer Formen von E-Learning in

der Lehre“ (Kerres, 2007, S. 246) verfügen, und sie darüber hinaus motiviert

sind, diese auch einzusetzen, dann können sich die neuen Lehr- und Lernfor-

men dauerhaft in der Hochschullehre etablieren (vgl. Grote & Dietz, 2008). In

Anlehnung an den Begriff der Kompetenzentwicklung, wie er im bildungswis-

senschaftlichen Kontext verwendet wird (z.B. Erpenbeck & Sauter, 2007), wer-

den diese Kenntnisse und Fertigkeiten als E-Kompetenzen und deren Entwick-

lung als E-Kompetenzentwicklung bezeichnet. 4 Um die entsprechenden

Kompetenzen bei den Lehrenden zu entwickeln, gibt es an der Freien Universi-

4 Der Begriff „E-Kompetenz“ erhält in der Literatur unterschiedliche Interpretationen; Unter-

schiede gibt es vor allem hinsichtlich der Benennung und Unterscheidung der unter dem

Obergriff „E-Kompetenz“ zusammengefassten Kompetenzbereiche. Die Bereiche sind dabei

nicht trennscharf (vgl. hierzu z.B. Kerres et al., 2005; Riedel et al., 2011). Wir orientieren uns

im Folgenden an Kerres et al., 2005 (vgl. auch Grote & Dietz, 2008).

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„Blending culture into e-learning“

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tät Berlin eine Reihe von direkten und indirekten Maßnahmen, u.a. ein um-

fangreiches Schulungsangebot zu allen Aspekten des E-Learning in der Hoch-

schullehre (vgl. Grote & Dietz, 2008).5 Die Angebote richten sich an Hochschul-

lehrer/innen und wissenschaftliche Mitarbeiter/innen, die digitale Medien in

der Hochschule einsetzen möchten, und sind in ihrer Umsetzung durch starke

Teilnehmerorientierung und engen Praxisbezug geprägt.

Anhand des seit 2007 angebotenen Lehrgangs E-Teaching – Hochschullehre ge-

stalten mit Neuen Medien und Web 2.0 6 sollen konstitutive Elemente und metho-

disch-didaktische Ausrichtung der E-Learning Weiterbildungen an der Freien

Universität Berlin erläutert werden (vgl. Grote & Dietz, 2008; Grote & Cordes,

2009). Über ein ganzes Semester begleitet der Lehrgang E-Teaching E-Learning

Lehrende bei der Konzeption, Durchführung und Auswertung einer Lehrver-

anstaltung mit Blended Learning Szenario. Der Lehrgang selbst ist als Blended

Learning Angebot mit einem Wechsel von Präsenz- und Online-Phasen konzi-

piert (vgl. Abb. 1). Jedes der fünf inhaltlichen Module (vgl. Module A-E in Abb.

1) beginnt mit einer Präsenzveranstaltung zur Vermittlung technisch-

inhaltlicher Grundlagen. Die sich anschließende Online-Phase dient der Vertie-

fung der Inhalte und dem Transfer des Gelernten auf die eigene Lehrsituation.

Hierbei werden die Teilnehmenden teletutoriell betreut. In dem ein Modul

abschließenden Workshop werden die Ergebnisse diskutiert und reflektiert.

Während der Module A-D entwickeln die Teilnehmer/innen ein Blended Lear-

ning Konzept für eine eigene Lehrveranstaltung und erstellen das dazu benö-

tigte Online-Lernmaterial; in Modul E (während der Vorlesungszeit) setzen sie

das Konzept unter Verwendung des erstellten digitalen Materials im regulären

Lehrbetrieb um und reflektieren kontinuierlich ihre mediengestützte Lehre.

Dem dualen Ansatz folgend sind Anwendungen und Methoden des E-

Learning nicht nur Gegenstand der Weiterbildung, sondern werden gleichzei-

tig zur Gestaltung der Lehr- und Lernaktivitäten im Lehrgang eingesetzt. Die-

ses ist methodisch-didaktisch motiviert: Dem in der Weiterbildung verbreiteten

und erprobten Ansatz des handlungsorientierten Lernens folgend (vgl. u.a.

Erpenbeck, Sauter 2007) werden Einsatzformen, die theoretisch beschrieben

werden (vgl. Module und Inhalte in Abb. 1), in den Weiterbildungen den Teil-

5 Für eine Übersicht über die Angebote zur E-Kompetenzentwicklung an der Freien Universi-

tät Berlin vgl. http://www.e-learning.fu-berlin.de/schulungen/index.html [08.03.2012] 6 Vgl. http://www.e-learning.fu-berlin.de/schulungen/e-teaching/index.html [08.03.2012]

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nehmer/innen erfahrbar gemacht, so dass deren Möglichkeiten und Grenzen

unmittelbar erlebbar sind (vgl. Werkzeuge, Abb. 1). So wird z.B. im Anschluss

an die Einführung in Wiki-Nutzung und kollaboratives Lernen ein Wiki im

Lehrgang zur gemeinsamen Dokumentation von Arbeitsergebnissen und zur

Erarbeitung von Inhalten genutzt. Durch das eigene Erleben von E-Learning

werden vor allem Sozial- und Selbstkompetenz ausgebaut und nachhaltiges

Lernen gefördert (vgl. Erpenbeck & Sauter 2007, S.139).

Abb. 1: Lehrgang E-Teaching – Inhalte und Werkzeuge

Lernerzentrierte Lernformen, selbstorganisiertes Lernen und eine hohe Teil-

nehmeraktivierung charakterisieren das konstruktivistische Lerndesign dieses

Qualifizierungsprogramms. Die Selbstreflektion sowie das gemeinsame Reflek-

tieren von Lernergebnissen und –erfahrungen haben ebenfalls einen hohen

Stellenwert, gegeben u.a. durch ein gemeinsames Lerntagebuch und durch die

Übernahme der Online-Moderation des Lehrgangs für einen begrenzten Zeit-

raum. Im Rahmen des Lehrgangs erproben sich die Teilnehmer/innen so in der

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„Blending culture into e-learning“

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Rolle der Lehrenden und sammeln praktische Erfahrungen für die Umsetzung

des eigenen Bildungsangebots.

Der Aufbau und die methodische Umsetzung der Fortbildungen zur E-

Kompetenzentwicklung an der Freien Universität Berlin, exemplarisch anhand

des Lehrgangs E-Teaching erläutert, haben sich in der Praxis bewährt: Wir be-

obachten bei den Teilnehmer/innen einen nachhaltigen Lernerfolg, so sind z.B.

Teilnehmer/innen als Multiplikator/innen in den Fachbereichen aktiv. Der gro-

ße Zuspruch zu Veranstaltungen dieses Formats begründet sich vor allem in

dem engen Praxisbezug und der starken Teilnehmerorientierung (vgl. auch

Grote, Dietz 2008). Die kontinuierliche Arbeit am eigenen Projekt garantiert

eine individuell erfahrbare Relevanz des Themas für den eigenen Lehralltag

und eine Verknüpfung mit der eigenen Lehrsituation. Die proaktive prozess-

begleitende Betreuung in der Präsenz und in den Online-Phasen und somit die

direkte Rückkoppelung im Falle von Schwierigkeiten tragen ebenfalls zur ho-

hen Akzeptanz bei. Die Weiterbildungsformate zum E-Learning scheinen den

Ansprüchen an ein Good Practice zu genügen: Sie sind wohl durchdachte und

erprobte Konzepte, die als Erfolgsmodell zur Nachahmung bei ähnlichen

Rahmenbedingungen und Lernzielen geeignet sind.7

Fallstudie: E-Kompetenzentwicklung im Rahmen des Projekts DPPCR Im EU-Projekt DPPCR schienen auf den ersten Blick vergleichbare Lernziele

und Lerninhalte gegeben zu sein: Auch hier bestand die Notwendigkeit, Do-

zent/innen Kenntnisse und Fertigkeiten zum erfolgreichen Einsatz von E-

Learning in der Hochschullehre zu vermitteln, und auch hier sollte die Qualifi-

zierungsmaßnahme selbst als Blended Learning Arrangement realisiert wer-

den.

7 Zertifikatslehrgänge zum E-Learning werden mit ähnlichen Szenarien an vielen Hochschu-

len umgesetzt, z.B. seit 2005 Online-Lehre Lernen (TU Berlin, http://www2.tu-

berlin.de/zek/wb/onlinelehre/oll_kurs.html), seit 2009 E-Kompetenz (HTW Berlin,

http://ekompetenz.htw-berlin.de/lehre/), seit 2007 e-TEACHing (Uni Potsdam,

http://www.uni-potsdam.de/agelearning/eteaching/), Universität Zürich (Volk & Keller,

2009). Andere Modelle mit vergleichbarer methodisch-didaktischer Ausrichtung (z.B. Uni-

versität Frankfurt, österreichische Universitäten) ermöglichen den kumulativen Erwerb ei-

nes E-Learning Zertifikats. Ein ähnliches Blended Learning Modell schlagen Erpenbeck &

Sauter (2007) für mehrwöchige Veranstaltungen in der beruflichen Weiterbildung vor.

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Blended Learning im Diploma in Public Policy and Child Rights (DPPCR) Ziel des von der EU geförderten Projekts DPPCR der Tempus IV Förderlinie

(2010-2013) ist der Aufbau berufsbegleitender Qualifizierungsprogramme im

Bereich Politik und Kinderrechte in Ägypten und Jordanien. Ausgehend von

einem ersten Testmodul, welches vom UNICEF Länderbüro für Ägypten in

Zusammenarbeit mit der Universität Kairo entwickelt wurde und auf große

Resonanz bei den Studierenden stieß, wurde das EU-Projekt DPPCR zur Ent-

wicklung eines einjährigen Diplomprogramms zu diesem Thema entworfen.

Das DPPCR-Konsortium umfasst insgesamt zwölf Partner in Europa, Nordaf-

rika und dem Nahen Osten.8 Die Projektkoordination liegt bei der Universität

Kairo; die Freie Universität Berlin, die seit 2007 den European Master in Child-

hood Studies and Children’s Rights anbietet, ist für die Koordination der euro-

päischen Partner verantwortlich. Während die europäischen Universitäten,

NROs und UNICEF eine eher beratende Funktion haben und vor allem Veran-

staltungen zum Wissenstransfer organisieren, implementieren die vier Pro-

jektuniversitäten in Ägypten und Jordanien den berufsbegleitenden Studien-

gang „Diploma in Public Policy and Child Rights“ (DPPCR) an den Standorten

Kairo, Assiut, Amman und Zarqa. Während der Projektlaufzeit wird das ein-

jährige DPPCR-Programm zweimal an jeder Universität durchgeführt. Es ist

geplant, das Diplom nach Auslaufen der Förderung 2013 als Angebot der vier

Universitäten zu verstetigen.

Projektziel ist nicht nur der inhaltliche Aufbau des DPPCR-Programms, son-

dern auch die Einbindung innovativer Lernformen und moderner Technolo-

gien sowie die Etablierung des Programms als Blended Learning Arrangement.

Hierzu bedarf es der Kompetenzentwicklung der im Diplom unterrichtenden

Dozent/innen aus Ägypten und Jordanien im Bereich E-Learning: Durch eine

Kombination von Trainings, Workshops und ergänzenden Online-Phasen sol-

len sie Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben, E-Learning in der Lehre im Sin-

ne des Anreicherungskonzepts (und später evtl. des Integrationskonzepts)

umzusetzen. Zusätzlich werden E-Learning Technologien im Projekt zum Auf-

8 Weitere Projektpartner sind neben den drei Genannten die Bristol University, University of

Maastricht, International Institute of Social Studies (ISS) in Den Haag, die NRO Research in

Practice in Dartington, die Internationale Akademie (INA) an der Freien Universität Berlin,

Asyut University in Ägypten sowie die University of Jordan, die Hashemite University und

UNICEF Jordanien.

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bau einer Sammlung von Lehr-/Lernmaterialien und zur Vernetzung der Leh-

renden und Studierenden der vier Partneruniversitäten genutzt.

Maßnahmen zur E-Kompetenzentwicklung im DPPCR-Projekt Im DPPCR-Projekt wird die E-Kompetenzentwicklung der Projektteilneh-

mer/innen durch ein Bündel an Maßnahmen im Arbeitspaket Training E-

Learning umgesetzt. Die erforderlichen E-Kompetenzen der DPPCR-

Dozent/innen wurden, dem Ansatz von Kerres et al. (2005) folgend, aus den

spezifischen Bedingungen des Projekts, den strategischen Zielen und den situa-

tiven Rahmenbedingungen abgeleitet. Dieses sind zum einen die Implementie-

rung des DPPCR-Programms als Blended Learning Angebot, zum anderen die

gemeinsame inhaltliche Konzeption der acht Module des DPPCR-Programms,

die aufgrund der räumlichen Distanz zum Großteil online erfolgen soll. Zur

Beschreibung der Anforderungen unterscheiden wir nach Kerres et al. (2005)

die vier Kompetenzbereiche Sachkompetenz, mit den Unterbereichen Medien-

kompetenz und Methodenkompetenz, sowie Sozialkompetenz und Selbstkom-

petenz. Um sowohl Blended Learning und Online-Kollaboration bei räumlich

verteilten Projektpartnern bewältigen zu können, sind folgende E-

Kompetenzen erforderlich:

Medienkompetenz: Sicherer Umgang mit den eingesetzten E-Learning Tech-

nologien9, d.h. der Lernplattform Blackboard der Freien Universität Berlin

(gemeinsame Lernplattform im DPPCR-Programm), der Blackboard Con-

tent Collection (Sammlung von Lehr-/Lernmaterial), des FU-Wikis (Pro-

jektkoordination und Curriculumsentwicklung) und des FU-Blogsystems

(Außendarstellung).

Methodenkompetenz: Grundlegende Kenntnisse des didaktischen Potentials

der Lernplattform sowie die Fähigkeit zur Entwicklung eines Blended

Learning Konzepts für die eigenen Kurse im DPPCR-Programm, der Ge-

staltung von teilnehmerorientierten Lernaktivitäten und der didaktischen

Aufbereitung des Lernmaterials für die Verwendung im E-Learning. Nut-

9 Lernplattform Blackboard der Freien Universität Berlin: http://lms.fu-berlin.de; Wiki-

System der Freien Universität Berlin: http://wikis.fu-berlin.de; Blog-System der Freien Uni-

versität Berlin: http://blogs.fu-berlin.de [alle 08.03.2012]

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zung der E-Learning Technologien zur Kommunikation und Kollaboration

im Lehr-/Lernkontext und auf der Arbeitsebene.

Sozialkompetenz: Fähigkeit zur teletutoriellen Betreuung (Gestalten und

Moderieren von netzbasierten Kommunikationsprozessen) und zum kol-

laborativen Arbeiten.

Selbstkompetenz: Sicherer Umgang mit der veränderten Rolle der Lehren-

den.

Da sowohl die Anforderungen an die E-Kompetenzen der Dozent/innen, die

Zielsetzung der Maßnahmen, d.h. die Qualifizierung zur Durchführung eines

Blended Learning Angebots, als auch die zu vermittelnden Inhalte mit denen

des Lehrgangs E-Teaching vergleichbar sind, erfolgte die konkrete Ausgestal-

tung und Umsetzung der Qualifizierungsmaßnahmen im DDPCR-Projekt un-

ter Rückgriff auf das Good Practice Modell der Freien Universität. Einige An-

passungen waren aufgrund anderer Rahmenbedingungen erforderlich: Bedingt

durch die größere räumliche Distanz wurde in der Qualifizierung der DPPCR-

Dozent/innen die Anzahl der Präsenztreffen reduziert. Daraus folgten zum

einen längere Online-Phasen und somit eine Zunahme der Bedeutung der tele-

tutoriellen Betreuung, zum anderen eine Ausdehnung der Präsenztreffen, um

Präsenzzeiten analog zum Good Practice E-Teaching zur Verfügung zu haben.

Die grundlegenden methodisch-didaktischen Prinzipien wie dualer Ansatz mit

Fokus auf handlungsorientiertem, kollaborativem und reflektierendem Lernen

(vgl. Abschnitt 2) wurden beibehalten; einzig auf den Perspektivwechsel wur-

de aufgrund der erschwerten Betreuungssituation während der langen Online-

Phasen verzichtet.

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Abb. 2: Blended Learning Weiterbildung für die Dozent/innen im DPPCR-Projekt

Abbildung 2 zeigt das Blended Learning Konzept für die Qualifizierung der

Dozent/innen des DPPCR-Programms. Zentrales Element sind zwei einwöchi-

ge Trainings im ersten Projektjahr in Berlin, die sich an die Projektverantwortli-

chen der Universitäten in Ägypten und Jordanien (zukünftige Multiplika-

tor/innen vor Ort) sowie die Dozent/innen richteten. Inhalte dieser Trainings

sind zum einen der Aufbau grundlegender Medienkompetenz und Einführung

in das Thema E-Learning (1. Training) sowie Entwicklung der Methoden- und

Sozialkompetenz (2. Training, vgl. Abb. 2). In den dazwischen liegenden Onli-

ne-Phasen werden die Inhalte vertieft, neue Inhalte kollaborativ erarbeitet, und

auf die Lehrsituation, d.h. die eigenen DPPCR-Module, übertragen. Die

DPPCR-Dozent/innen werden in dieser Phase teletutoriell betreut. Je zwei

Workshops im 2. und 3. Projektjahr – parallel zum Unterrichten der DPPCR

Module durch die Dozent/innen – zum Stand der Umsetzung, zum Austausch

und zur Reflektion der Erfahrungen in Lehre und Projektarbeit vervollständi-

gen das Maßnahmenpaket.

Wie das Good Practice Modell zu „Work in Progress“ wurde Entgegen der anfänglichen Erwartungen bewährte sich das in Abbildung 2

beschriebene Blended Learning Konzept zur E-Kompetenzentwicklung der

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Dozent/innen und Projektmitglieder, welches auf das Good Practice der Freien

Universität Berlin aufbaute, nur in Teilen: Die im Good Practice erfolgreich

erprobten Lehr-/Lernmethoden und Blended Learning Szenarien führten nicht

immer zum erwarteten Lernerfolg. Vor allem zeigten sich zwischen Präsenz-

und Onlinephasen erhebliche Unterschiede im Lern- und Kommunikations-

verhalten. In den Präsenzveranstaltungen wurden gute Erfahrungen mit allen

Lehr-/Lernformen gemacht, aktivierende und teilnehmerorientierte Lernme-

thoden sowie kollaboratives Arbeiten wurden wie im Ausgangsmodell prakti-

ziert, die Lehrenden agierten vor allem als Moderatoren der Lernprozesse. Es

wurden E-Learning Werkzeuge zur Gestaltung der Lernaktivitäten eingesetzt,

und intensiv und konstruktiv an den Lerninhalten gearbeitet. In den sich an-

schließenden Online-Phasen wurden dagegen weder Aktivitäten aus der Prä-

senz fortgesetzt noch neue Aktivitäten aufgegriffen. Dieses manifestierte sich in

einer fehlenden Selbstorganisation der Gruppen, einer geringen Beteiligung im

Wiki und wenigen Beiträgen und Fragen im Blog und im Forum. Kollaborative

Arbeitsformen wie z.B. die gemeinsame Entwicklung des DPPCR-Curriculums

im Wiki wurden nicht angenommen, hier reduzierte sich die Beteiligung am

Wiki auf das initiale Einstellen einer inhaltlichen Skizze pro Modul, ohne dass

die Texte weiter diskutiert oder bearbeitet wurden. Der Austausch erfolgte in

den Online-Phasen vor allem über E-Mail und war weniger inhaltlicher als

administrativer Art. Das Ziel, die inhaltliche Arbeit auch zwischen den Prä-

senztreffen fortzusetzen und dafür die neuen webbasierten Werkzeuge zu

nutzen, wurde nicht erreicht.

Ein weiterer Punkt, an dem sich Ausgangs- und DPPCR-Modell stark unter-

schieden, war das Kommunikationsverhalten der Beteiligten. In den Präsenz-

schulungen erfolgte die Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden

und in der Gruppe konstruktiv und unproblematisch. Es gab klare Absprachen

und ein kooperatives Miteinander. In den Online-Phasen hingegen war es

schwer, den Gesprächsfaden aufrecht zu erhalten und einen kontinuierlichen

Diskurs über neue Initiativen, offene Punkte oder Vorschläge zu führen sowie

verbindliche Absprachen zu treffen. Wichtig ist hier anzumerken, dass sich die

Schwierigkeiten in der Kommunikation nicht nur im Kontext der E-Learning

Trainings, sondern auch in anderen Projektaktivitäten wie z.B. der Organisati-

on und Durchführung von begleitenden Veranstaltungen zeigten. Geringe

Partizipation und Kommunikation im virtuellen Raum erschwerten generell

das Lernen und Arbeiten und somit das Erreichen der Lernziele in den Online-

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Phasen. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit E-Learning und Blended

Learning fand fast ausschließlich in den Präsenzphasen statt, die Aktivitäten in

den Online-Phasen wurden aufgrund der nicht überwindbar scheinenden

Schwierigkeiten im Projektverlauf zunehmend reduziert.

Weitere Umstände, die nicht in direktem Zusammenhang zum gewählten

Blended Learning Format stehen, erschwerten den erfolgreichen Transfer des

Good Practice Modells in den DPPCR-Kontext. So deckte sich die Gruppe der

Teilnehmer/innen an den Trainings nicht mit der Zielgruppe der Weiterbil-

dung, d.h. nicht nur Dozent/innen des DPPCR nahmen an den ersten zwei

Schulungen in Berlin teil, sondern in der Mehrzahl Projektverantwortliche

ohne Lehrverpflichtung im Lehrgang. Da Letztere die Werkzeuge nicht selber

implementieren und auch nicht wie angenommen als Multiplikator/innen an

ihren Universitäten agierten, kam es an mehreren Partneruniversitäten zu einer

zeitlich verzögerten Umsetzung des Gelernten vor Ort. Auch die geringe Betei-

ligung an inhaltlichen Diskussionen in den Online-Phasen mag in Teilen der

Zusammensetzung der Teilnehmergruppe geschuldet sein. Da darüber hinaus

die Teilnehmergruppe an den Maßnahmen zur E-Kompetenzentwicklung nicht

konstant war, konnte nicht immer auf die Inhalte des vorherigen Trainings

aufgebaut werden. Ein weiterer Unterschied betrifft die Beweggründe für die

Teilnahme an den Qualifizierungsmaßnahmen: Der Lehrgang E-Teaching wird

aus persönlichem Interesse an mediengestützter Lehre besucht, während im

DPPCR-Kontext vor allem strategische Überlegungen (Verbesserung der Er-

folgsaussichten des Projektantrags) entscheidend für die Implementierung des

DPPCR-Programms als Blended Learning Arrangement war, und somit eher

von einer extrinsischen Motivation für die Teilnahme auszugehen ist. Schließ-

lich waren die Rahmenbedingungen vor Ort, d.h. technische und organisatori-

sche Infrastruktur, an den Partneruniversitäten sehr unterschiedlich, was die

Umsetzung des Good Practice in den DPPCR-Kontext negativ beeinflusste.

Die Grundannahme, dass das erprobte Weiterbildungsformat der Freien Uni-

versität Berlin aufgrund vergleichbarer Inhalte und Lernziele ohne große An-

passungen in den DPPCR-Kontext übertragbar ist, wurde durch den Projekt-

verlauf widerlegt. Das Erfolgsmodell, welches als Orientierungsrahmen dienen

sollte, musste in seinen Annahmen und seiner Ausrichtung hinterfragt werden:

Aus dem „Good Practice“ wurde „work in progress“.

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Erklärungsversuche: Erprobte Weiterbildungsformate in interkulturellen Kontexten Weshalb verliefen Lernverhalten, Kommunikationsprozesse und Beteiligung

an Online-Aktivitäten im DPPCR-Kontext trotz vergleichbarer Lernziele und

Inhalte so anders als in dem erprobten Weiterbildungsformat? Sind es die doch

in Teilen unterschiedlichen Rahmenbedingungen, die die Übertragbarkeit er-

schwerten, oder sind es kulturelle Unterschiede in Kommunikation und Lern-

verhalten? Die Erfahrungen aus dem Projekt DPPCR, die Eindrücke aus ande-

ren internationalen Projekten sowie die einschlägige Literatur zu

interkulturellem E-Learning (vgl. u.a. Olaniran, 2009; Uzuner, 2009; Rutherford

& Kerr, 2008) legen den Schluss nahe, dass Letztere eine nicht zu unterschät-

zende Rolle spielen und dass divergierende Erwartungen der beteiligten Kul-

turkreise an Lernverhalten und Kommunikationsabläufe sowie deren Zusam-

menspiel im E-Learning Design für die beobachteten Schwierigkeiten

mitverantwortlich sein können (vgl. auch Olaniran, 2009, S.263). Doch welcher

Art sind die Unterschiede und wie kann deren Kenntnis helfen, Missverständ-

nisse zu vermeiden? Was muss bei der Übertragung eines Good Practice im E-

Learning in andere (kulturelle) Kontexte beachtet werden, damit es weiterhin

ein Erfolgsmodell bleibt?

Stand der Forschung Zahlreiche aktuelle Studien befassen sich mit E-Learning in interkulturellen

Lernarrangements und diskutieren die Auswirkungen kultureller Besonderhei-

ten auf das E-Learning. Einen guten Überblick über Unterschiede im Online-

Lernverhalten in verschiedenen Kulturkreisen geben Uzuner (2009), Ru-

therford & Kerr (2008), Olaniran (2009) und Tapanes et al. (2009). Uzuner (2009)

betrachtet vor allem den kulturellen Einfluss auf das Lernverhalten der Studie-

renden und das Engagement in asynchronen Lernnetzwerken, während Ola-

niran (2009) das Zusammenspiel von Kulturkreis und Web 2.0 Nutzung thema-

tisiert. Einige wenige Arbeiten widmen sich explizit dem E-Learning im

arabischen Raum: Dirani &Yoon (2009) diskutiert den Stand des E-Learning in

der arabischen Welt und die Akzeptanz von Online-basierten Studiengängen.

Maalawi et al. (2006) und Dirani & Yoon (2009) beschreiben u.a. die Rezeption

des E-Learning in arabischen Ländern. Aufschlussreich ist hier auch Al-Harthi

(2005), der das Lern- und Kommunikationsverhalten von arabischen Studie-

renden in Online-Kursen an US-amerikanischen Universitäten untersucht.

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All diesen Arbeiten liegt die Annahme zugrunde, dass unterschiedliche Kul-

turkreise Besonderheiten und für sie typische Orientierungen haben, die die

Angehörigen einer Kultur prägen und ihre Identität bestimmen. Diese wirken

sich auch auf die Akzeptanz von E-Learning als Lernform und auf das Verhal-

ten der am Lernprozess beteiligten im virtuellen Raum aus, vgl. u.a. Olaniran

(2009, S. 263), Uzuner (2009, S.1), Al-Harthi (2005, S.3). Zur Beschreibung der

kulturspezifischen Besonderheiten nimmt das Gros der Studien auf Hall

(1976)10 oder auf Hofstedes Dimensionen nationaler Kulturen (u.a. Hofstede,

1996, Hofstede & Hofstede, 2011) Bezug, die genutzt werden können, um Un-

terschiede zwischen Kulturkreisen zu beschreiben.11 Low-context vs high-context

nach Hall (1976) wird herangezogen, um unterschiedliches Kommunikations-

verhalten und daraus resultierende Missverständnisse zu erklären, Hofstedes

(1996, 2011) Kulturdimensionen Machtdistanz (PDI)12 und Unsicherheitsvermei-

dung (UAI)13, um Rollenverständnis und Kommunikationsverhalten zu moti-

10 E.T. Hall (1976) unterscheidet die drei Kulturdimensionen Verhältnis zur Zeit: monochron vs.

polychron; Einstellung zum Raum: Nähe vs. Distanz (personal space); Kommunikationsstil:

low-context vs. high-context. 11 Nach Hofstede & Hofstede (2011), Hofstede (1996) ist Kultur die „mentale Software“, die in

einem Sozialisationsprozess „programmiert“ wird. Diese kollektive Programmierung un-

terscheidet die Mitglieder einer Kultur von denen einer anderen. Hofstede und später Bond

destillierten aus den Antworten einer umfangreichen empirischen Studie mit dem Ziel, eine

Charakterisierung zur Beschreibung kulturell bedingter Eigenarten zu finden, fünf bestim-

mende Dimensionen zur Beschreibung von Kulturen heraus: Machtdistanz (PDI), Individu-

alismus und Kollektivismus (IDV), Maskulinität und Femininität (MAS), Unsicherheits-

vermeidung (UAI), längerfristig gegenüber kurzfristiger Orientierung (LTO). Diese sind bis

heute in vielfältigen Abwandlungen fortgeführt worden (siehe u.a. Triandis, 1988; Trom-

penaars, 1994), und wurden für 76 Länder bzw. regionale Gruppen analysiert. Vgl. auch das

Online-Portal National Cultural Dimensions (http://geert-hofstede.com/national-culture.html. 12 Die Machtdistanz definiert „das Ausmaß, bis zu welchem die weniger mächtigen Mitglie-

der von Institutionen bzw. Organisationen eines Landes erwarten und akzeptieren, dass

Macht ungleich verteilt ist“ (Hofstede & Hofstede 2011, S. 57). 13 „Unsicherheitsvermeidung lässt sich daher definieren als der Grad, bis zu dem die Mitglie-

der einer Kultur sich durch uneindeutige oder unbekannte Situationen bedroht fühlen. Die-

ses Gefühl drückt sich u.a. in nervösem Stress und einem Bedürfnis nach Vorhersehbarkeit

aus: Ein Bedürfnis nach geschriebenen und ungeschriebenen Regeln.“ (Hofstede & Hofste-

de 2011, S. 220)

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Noëmi Fivat, Brigitte Grote

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vieren, sowie Individualismus vs. Kollektivismus (IDV)14, um unterschiedliches

Verhalten in kollaborativen E-Learning Szenarien zu motivieren, vgl. auch

Wang (2007, S. 295), Uzuner (2009). So begründet z.B. Olaniran (2009) die Web

2.0-Nutzung in unterschiedlichen Kulturen mit differierenden Ausprägungen

der Dimensionen Machtdistanz und low-context vs. high-context; Tapanes et al.

(2009) motiviert kulturspezifisches Verhalten im E-Learning mit den Ausprä-

gungen der kulturellen Dimensionen Individualismus vs. Kollektivismus und

der Unsicherheitsvermeidung, und Olaniran (2009, S. 262) bemerkt: „These

cultural categories [high-context culture, power distance culture] have implica-

tions for both implicit and explicit communication and learning tendencies, in

addition to a cultural group´s willingness to use technology.”

Die oben genannten Arbeiten zu kulturbedingten Besonderheiten im E-Lear-

ning rezipieren vor allem Hall und Hofstede; mikroanalytische Untersuchun-

gen, die man insbesondere in ethnographischen und kulturanthropologischen

Detailanalysen findet, werden dahingehend kaum berücksichtigt. Ebenso wird

in den Studien ausgeblendet, dass vor allem Hofstedes Kulturdimensionen

nicht unumstritten sind (vgl. u.a. Bolten, 2007). Kritiker wie Bolten (2007) mer-

ken an, dass die Kategorisierung die Gefahr der Übergeneralisierung in sich

trägt, da abstrakte Durchschnittswerte keinen Aufschluss auf das Verhalten

einzelner Individuen in einem bestimmten Kontext zulassen und somit stereo-

typisches Denken und Handeln begünstigen. Die Grundannahme homogener

kultureller Identitäten blendet darüber hinaus intrakulturelle Vielfalt aus, das

zugrunde liegende Konzept der Nationalstaaten wird als zumindest indirekt

kulturbewertend eingeschätzt. Die Arbeit mit Kulturdimensionen hat demnach

allenfalls beschreibende, nicht aber erklärende Funktion, da die Dimensionen

lediglich eine virtuelle und abstrakte Realität beschreiben. Ungeachtet der be-

rechtigten Kritik, kann ein Blick auf die Kulturdimensionen dennoch helfen,

eine erste Sensibilisierung für kulturelle Unterschiede zu erreichen, und Berei-

che aufzuzeigen, die einer genaueren Betrachtung bedürfen.

14 „Individualismus beschreibt Gesellschaften, in denen die Bindungen zwischen den Indivi-

duen locker sind; man erwartet von jedem, dass er für sich selbst und für seine unmittelbare

Familie sorgt. Sein Gegenstück, der Kollektivismus, beschreibt Gesellschaften, in denen der

Mensch von Geburt an in starke, geschlossene Wir-Gruppen integriert ist, die ihn ein Leben

lang schützen und dafür bedingungslose Loyalität verlangen.“ (Hofstede & Hofstede 2011,

S. 97).

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„Blending culture into e-learning“

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Kulturell bedingte Unterschiede: Lehrgang E-Teaching vs. DPPCR-Fortbildungen Viele unserer Erfahrungen und Schwierigkeiten bei der Übertragung der er-

probten mediengestützten Weiterbildungsformate zum E-Learning in andere

kulturelle Kontexte sind in der Literatur bereits thematisiert worden. Die Lite-

ratur liefert hier Erklärungsansätze für das beobachtete Verhalten und für

Missverständnisse zwischen den beteiligten Kulturkreisen, d.h. im Fallbeispiel

zwischen den deutschen Dozent/innen und den arabischen Teilnehmer/innen.

Zunächst beeinflussen Rahmenbedingungen, die losgelöst von der konkreten

Blended Learning Weiterbildungsmaßnahme in dem Zielkulturkreis existieren,

den erfolgreichen Transfer des Good Practice Beispiels. In der Literatur wird

hier vor allem der geringe Status des E-Learning in der arabischen Welt ge-

nannt (u.a. Dirani & Yoon, 2009; Maalawi et al., 2006), welcher direkte Auswir-

kungen auf die Akzeptanz des E-Learning und in Folge auf die Motivation und

Partizipation der Teilnehmer/innen haben könnte: “For instance, in high power

distance cultures, people tend to view technology systems as a threat to their

existence and to traditional learning methods. […]. This threat creates anxiety

and negative feelings toward theses technologies.” (Olaniran 2009, S. 267).

Hinzu kommen als hemmende Faktoren die Rahmenbedingungen vor Ort, wie

z.B. Probleme mit technischer Infrastruktur oder Unterstützung seitens der

Universität. Ebenso bedingen der unterschiedliche Umgang mit Hierarchien im

Allgemeinen in beiden beteiligten Kulturkreisen sowie kulturbedingte Diver-

genzen im Kommunikationsverhalten, welche sich im virtuellen Raum mit

seiner Reduzierung auf den verbalen Kommunikationskanal verstärken (vgl.

Olaniran, 2009; Uzuner, 2009), den Erfolg der Übertragbarkeit.

Bezogen auf das Blended-Learning Arrangement sind es im Wesentlichen die

unterschiedlichen Grundannahmen in den beteiligten Kulturkreisen hinsicht-

lich adäquater Verhaltensweisen von Lehrenden und Lernenden, ihres Rollen-

verständnisses, etablierter Lehr-/Lernformen, der Online-Kommunikation,

sowie der Online-Kollaboration, die den Erfolg des Transfers determinieren.

Dem Lehrgangsdesign des Good Practice Beispiels E-Teaching liegen diesbe-

züglich Annahmen zugrunde, die sich aus der Sozialisation der deutschen

Dozent/innen hinsichtlich Lehren und Lernen begründen, die sich aber offen-

sichtlich nicht mit denen der Teilnehmer/innen decken und so zu den geschil-

derten Schwierigkeiten und Missverständnissen führten. Wie in Abschnitt 2

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Noëmi Fivat, Brigitte Grote

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beschrieben, setzt das E-Teaching Modell vor allem auf lernerzentrierte Me-

thoden mit einer hohen Teilnehmeraktivierung. Die Lehrenden verstehen sich

nicht als Initiator/innen des Lernprozesses, sondern als Moderator/innen und

Begleiter/innen. Die Lernenden sind annähernd gleichberechtigte Partner im

Lernprozess; von ihnen wird aktive Partizipation, Eigeninitiative, Selbstorgani-

sation und Teamfähigkeit erwartet. Dieses scheint jedoch im Widerspruch zu

den Erwartungen der Lernenden im arabischen Raum zu stehen. Dirani &

Yoon (2009, S. 11) beobachten z.B. eine „presence of strong instructional prac-

tices“, welchem in der Regel ein lehrerzentriertes Lernarrangement mit einer

ausgeprägten Ungleichheit zwischen Lehrenden und Lernenden zugrunde

liegt. Lernende „expect teachers to set the tone, and determine the direction for

how students learn. Consequently, teachers are viewed as subject matter au-

thority figures and it is primarily a teacher´s job to impart knowledge upon

students […]. Anything short of this would be perceived to be incompetent

behaviour on behalf of the instructor” (Olaniran 2009, S. 262). Selbst- und

Fremdbild der Dozent/innen der DPPCR-Weiterbildungen weichen hier deut-

lich voneinander ab. Olaniran (2009) und Tapanes et al. (2008) sehen die Grün-

de für die Lehrerzentrierung in einer großen Machtdistanz in den arabischen

Kulturen, d.h. einer hohen Akzeptanz hierarchischer Strukturen. Die unsiche-

ren Situationen, die das selbstbestimmte E-Learning mit sich bringt, gehen mit

einer Verunsicherung einher, welche laut Al-Harthi (2005) die hohe Unsicher-

heitsvermeidung in der arabischen Kultur reflektiert.

Kollaboratives Arbeiten im Wiki ist ein wesentliches Gestaltungsmerkmal des

Ausgangsmodells und wird im Good Practice Beispiel in der Präsenz zur Si-

cherung von Arbeitsergebnissen, vor allem aber in den Online-Phasen zur

gemeinsamen Erarbeitung von Lerninhalten verwendet. Dieses konstruktivisti-

sche Lernparadigma steht im Gegensatz zu dem instruktionalen Lernparadig-

ma im arabischen Kulturkreis, und so ist es nicht verwunderlich, dass die kol-

laborativen Lernaktivitäten im Netz im DPPCR-Kontext nur bedingt

erfolgreich waren (vgl. Abschnitt 3.3). In der Literatur wird in diesem Zusam-

menhang zum einen auf Hofstedes Dimensionen der Machtdistanz und Unsi-

cherheitsvermeidung verwiesen, die im arabischen Raum deutlicher ausge-

prägt sind als beispielsweise in Deutschland. Dieses kollidiert mit der eher

unstrukturierten und partizipativen Lernumgebung des Web 2.0. Zum anderen

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„Blending culture into e-learning“

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wird die orale Tradition der arabischen Kulturen hervorgehoben, die schriftli-

che Partizipation nicht in dem Maße wie z.B. westliche Kulturen praktizieren.15

Diese divergierenden Verhaltenweisen beeinflussen nicht nur das Arbeiten mit

Web 2.0 Anwendungen, sondern den gesamten Kommunikationsprozess: Das

Design des Ausgangsmodells E-Teaching geht von einer kontinuierlichen Teil-

habe an den Kommunikationsprozessen in den Online-Phasen aus, und von

der Nutzung der verfügbaren Kommunikationsinstrumente (Forum, E-Mail,

Blog, Wiki) zur aktiven Gestaltung der Kommunikationsprozesse. Unterschie-

de im Online-Kommunikationsverhalten, wie in Abschnitt 3.3 diskutiert, wer-

den in der Literatur häufig mit Halls Kulturdimension low-context culture (u.a.

Deutschland) und high-context culture (u.a. arabischer Raum) erklärt. In high-

context cultures nimmt die nonverbale Kommunikation und indirekte Anspra-

che eine dominante Rolle ein. E-Learning verlangt aufgrund der Reduzierung

auf den verbalen Kanal nach einer eindeutigen und direkten Ausdrucksweise

und steht somit der low-context culture näher (vgl. Al-Harthi, 2005, S. 2). Miss-

verständnisse entstehen, wenn beide beteiligten Kulturkreise ihre Kommunika-

tionsnormen zugrunde legen. Wird z.B. von den Mitgliedern der high-context

culture aus Höflichkeit oder Vermeidung einer direkten Konfrontation ein

Thema im virtuellen Raum nicht angesprochen bzw. keine Position bezogen,

kann es von den Mitgliedern der low-context culture aufgrund anderer Erwar-

tungen an die Online-Kommunikation als Desinteresse ausgelegt werden. Wei-

tere nicht kulturell bedingte Faktoren, die das Kommunikationsverhalten in

der E-Learning Weiterbildung beeinflussen können, sind der Grad der Beherr-

schung der eingesetzten Technologien sowie der Sprache der Weiterbildungen

(Englisch), sowie die soziale Kompetenz in der Nutzung der Kommunikati-

onsmedien. Schließlich werden auch generelle Vorbehalte bei der Bearbeitung

der Inhalte Dritter, grundlegend für eine kollaborative Wiki-Arbeit, angeführt

(u.a. Uzuner, 2009). Olaniran (2009, S. 269) schlussfolgert daher: „Web 2.0 may

not be suitable for cross-cultural interaction due to the differences in learning

styles and value preferences.”

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass Schwierigkeiten bei der Über-

tragung eines Good Practice Beispiels in Bildungskontexten auf jeden Fall dann

15 “The read/write web that characterizes social software and e-learning is more tailored to the

written traditions of individualistic cultures; whereas collectivistic cultures foster a more

oral tradition“ (Olaniran 2009, S. 262).

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Noëmi Fivat, Brigitte Grote

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auftreten, wenn “the instructor´s pedagogical values are not compatible with

the student´s assumptions on how teaching should be done” (Uzuner 2009, S.

2), wie im DPPCR-Fallbeispiel zu beobachten war. Die Inkompatibilität der

Vorstellungen von Lehren und Lernen wird im E-Learning Kontext noch ver-

stärkt, denn “e-learning is not just introducing new technology for learning,

but also a new way of thinking about learning” (Maalawi et al., 2006). Zwei

Phänomene liegen zugrunde: Divergierende Grundannahmen zum Lernverhal-

ten einerseits, und der durch die Nutzung von E-Learning erzwungene Wandel

in der Lernkultur andererseits. Dieses mag auch die Unterschiede bei der Über-

tragbarkeit des erprobten Weiterbildungsszenarios hinsichtlich der Präsenz-

und Online-Phasen erklären: In den Präsenztreffen wurden die lernerzentrier-

ten Lernformen des Ausgangsmodells umgesetzt, die Präsenzsituation half

hier, eventuell vorliegende abweichende Vorstellungen kooperativ zu lösen. Im

virtuellen Raum, in dem technologische Hürden, fehlende Orientierungsrah-

men und reduzierte Kommunikationskanäle hinzukamen, waren die Unter-

schiede nicht mehr zu überbrücken.

Lessons learned und Ausblick Die Ausgestaltung und Umsetzung der Qualifizierungsmaßnahmen zum E-

Learning im DPPCR-Projekt erfolgte unter Rückgriff auf erprobte Weiterbil-

dungsformate der Freien Universität Berlin. Kulturellen Besonderheiten wurde

aufgrund ähnlicher Lerninhalte und Lernziele und der Tatsache, dass alle Teil-

nehmer/innen längere Zeit an anglo-amerikanischen Universitäten tätig waren,

zunächst eine marginale Rolle zugewiesen. So wurden auch die dem Good

Practice Modell zugrunde liegenden Erwartungen hinsichtlich des Verhaltens

in Lehr-/Lernprozessen auf die neue Zielgruppe übertragen. Diese Einschät-

zung erwies sich jedoch als undifferenziert: Die teilweise Inkompatibilität der

Annahmen der beteiligten Kulturkreise hinsichtlich des Lern- und Kommuni-

kationsverhaltens in E-Learning-Arrangements begründen das Gros der

Schwierigkeiten und Missverständnisse in der Umsetzung der Qualifizie-

rungsmaßnahmen im Projekt. Andere Faktoren, wie z.B. die sich kontinuierlich

ändernde Zusammensetzung der Zielgruppe, die Rahmenbedingungen vor Ort

und die eher extrinsische Motivation für die Teilnahme, erschwerten zusätzlich

den Transfer des Good Practice Modells in den DPPCR-Kontext. Interessant

aus Sicht des DPPCR-Projekts und der anderen internationalen Projekte, in

denen E-Learning Weiterbildungsformate in neue kulturelle Kontexte übertra-

gen werden, sind zunächst die kulturell bedingten Erfolgsfaktoren, denn auf

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„Blending culture into e-learning“

58

diese können die Lehrenden in der Gestaltung der Qualifizierungsmaßnahme

direkt Einfluss nehmen.

Was lässt sich aus den beschriebenen Erfahrungen für zukünftige Projekte

ableiten? Ein zentraler Erfolgsfaktor ist, dass nicht „students are expected to

step out of their own culture and temporarily enter into the culture of the in-

structor“ (Moore, 2006, S. 1), wie im Fallbeispiel DPPCR aufgrund einer Fehl-

einschätzung der Zielgruppe zunächst geschehen. Vielmehr sollten frühzeitig

die im E-Learning Kontext relevanten Eigenarten der beteiligten Kulturkreise

identifiziert und in der Planung der Blended Learning Weiterbildung berück-

sichtigt werden. Dieses bedeutet zunächst, die Annahmen zu (Online-) Lernen

und (Online-) Kommunikation, die dem erprobten Ausgangsmodell zugrunde

liegen, explizit zu machen. Dem anschließen sollte sich eine Auseinanderset-

zung mit den Annahmen der weiteren beteiligten Kulturkreise zu den E-

Learning relevanten Themen, z.B. durch Literaturrecherche oder Einbindung

eines interkulturellen Coachs. Eine Sensibilisierung für kulturelle Unterschiede

im (Online-) Lernen ist – wie die Erfahrungen zeigen – in multikulturellen

Blended Learning Szenarien unterlässlich, um Lernbereitschaft und Lernerfolg

zu garantieren, und sollte auf jeden Fall begleitend zum Transfer des erprobten

Weiterbildungsformats erfolgen.

Einigen der im DPPCR-Projekt beobachteten Schwierigkeiten konnte damit

begegnet werden, die Lern- und Kommunikationsformen in der Qualifizie-

rungsmaßnahme den Erwartungen der neuen Zielgruppe hinsichtlich der Aus-

gestaltung des Lernarrangements anzupassen. So z.B. wurden kollaborative

Arbeitsformen aus den Online-Phasen in die Präsenzveranstaltungen verlagert;

in den Online-Phasen kamen vermehrt lernerzentrierte, instruktive Lernformen

und individuelle Lernaktivitäten zum Einsatz. Bei der Gestaltung der Online-

Kommunikationsprozesse wurde die Perspektive der high context culture be-

rücksichtigt. Andere Probleme im DPPCR-Kontext, wie beispielsweise der

Qualifizierung und Erreichung der primären Zielgruppe (die Dozent/innen)

wurden gelöst, indem im 2. und 3. Projektjahr die Präsenzschulungen an die

Universitäten vor Ort in Ägypten und Jordanien verlegt wurden. Damit sind

die Dozent/innen direkt angesprochen und miteinander vernetzt worden; die

Lernziele konnten erreicht werden.

Zusätzlich, neben den direkt den Lernprozess beeinflussenden Faktoren, soll-

ten im Vorfeld auch die Rahmenbedingungen vor Ort eruiert werden, z.B.

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Noëmi Fivat, Brigitte Grote

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Ansehen von E-Learning in den jeweiligen Ländern, die Hierarchien an Uni-

versitäten, die Motivation der Teilnehmenden, technische Infrastruktur vor

Ort, Vorerfahrungen mit E-Learning, usw. Diese sind zwar nur bedingt beein-

flussbar, sind aber maßgebend für den Erfolg der Qualifizierungsmaßnahme

und daher in der Planung zu berücksichtigen. Im DPPCR-Kontext erwies sich

insbesondere die aktive Einbindung der E-Learning Verantwortlichen vor Ort

als ein wichtiger Erfolgsfaktor für die nachhaltige Kompetenzentwicklung und

für die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen. Ebenso war die Etablierung

einer Schlüsselperson vor Ort im Sinne des early adopters, der die Blended

Learning Idee vorantreibt, wichtig für die Motivation der Teilnehmenden und

die Akzeptanz des E-Learning als Lehr-/Lernform.

Abschließend ist jedoch zu bedenken, dass Kultur nur eine Ebene ist, die das

Lern- und Kommunikationsverhalten in den Qualifizierungsmaßnahmen be-

einflusst; andere sind z.B. die kognitiven Lernstile oder die individuellen Präfe-

renzen. Auch für die aktive Beteiligung an der Qualifizierung ist nicht klar, ob

hier – wie die Literatur nahe legt – das unterschiedliche Lern-, Kollaborations-

und Kommunikationsverhalten der beteiligten Kulturkreise, und somit verletz-

te Erwartungen auf beiden Seiten, ausschlaggebend sind, oder aber andere

Gegebenheiten wie z.B. die individuelle Motivation, das Interesse am E-

Learning, die Rahmenbedingungen wie Zeit und Infrastruktur, die Etablierung

von Schlüsselpersonen usw. die entscheidenden Erfolgsfaktoren darstellen.

Dieses kann sich im jeweiligen Projektkontext lediglich aus der Erfahrung zei-

gen, indem z.B. kulturspezifische Anpassungen im geschilderten Sinne an den

Qualifizierungsmaßnahmen vorgenommen werden, und das Ergebnis an-

schließend bewertet und verglichen wird.

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Vita Noëmi Fivat, M.A. in 'Relations Internationales' am Institut de Hautes Études

Internationales (HEI) in Genf und M.A. in 'Children's Rights' an der Freien

Universität Berlin. Anschließend Projektarbeit für UNICEF, Human Rights

Watch, Internationales Rotes Kreuz und die Deutsche Gesellschaft für interna-

tionale Zusammenarbeit (GIZ). Seit 2009 wissenschaftliche Mitarbeiterin und

Projektkoordinatorin an der Freien Universität Berlin, u.a. Koordination des

European Master in Children's Rights (EMCR) und des europäischen Netz-

werks (ENMCR) sowie Koordination des Erasmus Austauschprogramms und

eines EU-Hochschulprojektes zur Etablierung des Diploma in Public Policy and

Child Rights (DPPCR) in Ägypten und Jordanien. Schwerpunkte: Internationa-

le Politik, Entwicklungszusammenarbeit - und ökonomie, internationales und

humanitäres Recht.

Brigitte Grote, Dr. phil., Studium der Computerlinguistik und Anglistik, dann

wissenschaftliche Mitarbeiterin in Projekten zur automatischen Textverarbei-

tung (GMD Darmstadt, FAW Ulm, Otto-von-Guericke Universität Magde-

burg). 2004 Promotion an der Universität Bremen. Seit 2001 E-Learning Bera-

tung, seit 2005 am Center für Digitale Systeme (CeDiS), Kompetenzzentrum E-

Learning/ Multimedia, Freie Universität Berlin; verantwortlich für den Bereich

E-Learning Fortbildungen. Arbeitschwerpunkte: E-Kompetenzentwicklung, E-

Learning Beratung, E-Learning in den Geisteswissenschaften, Web 2.0 in Lehre

und Forschung.

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Liane Beuster, Albrecht Fortenbacher, Leonard Kappe, Boris Wenzlaff:

Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin,

{liane.beuster|albrecht.fortenbacher|kappe|boris.wenzlaff}@htw-berlin.de

Margarita Elkina, Andreas Pursian: Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin,

{margarita.elkina|andreas.pursian}@hwr-berlin.de

Agathe Merceron, Sebastian Schwarzrock: Beuth Hochschule für Technik Berlin,

{merceron|sschwarzrock}@beuth-hochschule.de

LeMo-Lernprozessmonitoring auf personalisierenden und nicht personalisierenden Lernplattformen

Zusammenfassung Die in diesem Projekt zu entwickelnde Anwendung ermöglicht es, Nutzungs-

daten verschiedener Lernplattformen mittels Methoden des Educational Data

Mining zu untersuchen, um daraus Erkenntnisse über Lernverhalten und Op-

timierungsmöglichkeiten der eLearning Angebote zu gewinnen. Besondere

Schwerpunkte bei der Entwicklung dieser Anwendung liegen in der Verein-

heitlichung der gewonnenen Daten, in der Auswahl geeigneter Data-Mining

Methoden, der Auswahl geeigneter Verfahren zur Anonymisierung und der

nutzerfreundlichen Visualisierung der ausgewerteten Daten.

Das Projekt Ziel dieses interdisziplinären Forschungsprojekts Lernprozessmonitoring auf

personalisierenden und nicht personalisierenden Lernplattformen (LeMo) ist

es, eine prototypische Anwendung zu entwickeln, die sowohl in der Forschung

zur Verifikation von Hypothesen zum Lernverhalten eingesetzt werden kann

als auch in der Lehre für das Monitoring von Lernprozessen. Dabei kooperie-

ren die drei Berliner Hochschulen - Beuth-Hochschule für Technik Berlin,

Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin und Hochschule für Wirtschaft

und Recht Berlin - sowie fünf Praxispartner aus dem Bereich eLearning – bbw

Hochschule, eLeDia GmbH, FIZ-Chemie GmbH, imc AG und Lesson Nine

GmbH miteinander.

Ziel der Anwendung Das Projekt lässt sich im Feld des Educational Data Mining [EDM] verorten.

Methoden des Data-Mining – Associations, Sequential Patterns, Regressions-

analyse, Clusteranalyse, Faktorenanalyse u.a. sowie Statistiken und Visualisie-

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LeMo – Lernprozessmonitoring

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rung - werden in der zu entwickelnden Anwendung genutzt, um basierend auf

den Nutzungsdaten von eLearning-Plattformen Informationen über das Ver-

halten der Anwender sowie über Qualität und Optimierungsmöglichkeiten der

eLearning-Angebote zu gewinnen.

Die zu entwickelnde Monitoring-Anwendung unterstützt Wissenschaftler,

Dozenten und eLearning-Anbieter durch eine benutzerfreundliche Oberfläche

bei der Beantwortung unterschiedlicher Fragestellungen. Die Ergebnisse der

Data-Mining Prozesse werden zudem mit Hilfe verschiedener Visualisierungen

dargestellt.

Lernplattformen als Datenlieferanten Als Datenbasis dienen hierbei die umfangreichen Datenbestände, welche in

den eLearning-Umgebungen (Moodle, eCampus (CLIX), ChemgaPedia, Bab-

bel) der beteiligten Hochschulen und Praxispartner u.a. in Form von Log-

Dateien erhoben werden. Die im Rahmen des LeMo-Projekts entwickelte Data-

Mining-Anwendung wird mit geringen Anpassungen auch für andere eLearn-

ing-Plattformen eingesetzt werden können.

Die Anwendung kann sowohl im Zusammenhang mit personalisierenden

Plattformen (ein Login ist erforderlich wie bei Moodle oder Babbel) oder nicht

personalisierenden Plattformen (Zugriff ohne Login wie bei ChemgaPedia)

angewendet werden.

Ein besonderes Merkmal der entstehenden Anwendung ist, dass Datenanaly-

sen unabhängig von den betreffenden Plattformen und damit plattformüber-

greifend und –vergleichend erfolgen können, was insbesondere für Firmen und

Hochschulen interessant ist, an denen mehrere Lernplattformen parallel einge-

setzt werden.

Forschungshypothesen und Fragen an das Lernprozess-Monitoring Als Leitlinie der Data-Mining-Analysen dient ein Katalog von über 80 For-

schungshypothesen und didaktischen Fragestellungen der Hochschulen und

Praxispartner zu Lernverhalten und Mediennutzung der Anwender.

Beispiele für Forschungshypothesen zu Lernverhalten und Medieneinsatz Es lassen sich aus den Nutzungsdaten Rückschlüsse auf typische Benut-

zergruppen ziehen.

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Liane Beuster et al.

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Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Nutzung bestimmter Ressour-

cen und den Ergebnissen von Tests.

Es gibt eine kritische Masse an Beiträgen, bei der die Aktivität im Forum

wechselt.

Beispiele für Fragestellungen zum Monitoring von Lernprozessen Wie verteilen sich die Forenbeiträge auf die Teilnehmer?

Lassen sich besonders „ausgetretene“ Pfade durch die Ausbildungsland-

schaft erkennen? Gibt es Pfade die nie beschritten werden?

Gibt es Übungen oder Tests, die fast alle Lernenden problemlos bestehen

oder solche die viele Lernende falsch beantworten?

Interdisziplinäre Forschungsthemen Bei der Entwicklung der hier beschriebenen Data-Mining-Anwendung ergeben

sich eine Reihe von interdisziplinären Forschungsthemen in den Bereichen

Didaktik, Informatik, Statistik und Datenschutz, wie z.B.:

Wie muss eine grafische Benutzeroberfläche beschaffen sein, so dass sie

den heterogenen Anforderungen der Zielgruppen gerecht werden kann?

Wie kann der Datenschutz gewahrt werden und zugleich möglichst viele

aussagekräftige Informationen gewonnen werden?

Welche Fragestellungen und Hypothesen sind für Aussagen über das

Lernverhalten relevant?

Schwerpunkte bei der Entwicklung der Anwendung Vereinheitlichung der Daten Die verschiedenen Lernplattformen sind sehr unterschiedlich aufgebaut und

speichern Daten über das Lernverhalten ihrer Nutzer in verschiedensten For-

maten. Personalisierende Systeme nutzen in der Regel Datenbanken zur Proto-

kollierung des Nutzerverhaltens. Bei nicht personalisierenden Plattformen

hingegen können Aktionen der Nutzer auch in Log-Dateien gespeichert wer-

den. Was in der einen Plattform „Kurs“ genannt wird, trägt möglicherweise in

einer anderen Plattform die Bezeichnung „Lerngruppe“ oder auch „Lernein-

heit“. In der LeMo-Anwendung werden Informationen, die Gleiches bezeich-

nen, einheitlich verarbeitet.

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LeMo – Lernprozessmonitoring

66

Um auf diese verschiedenen Datenquellen zugreifen zu können, besitzt das

Monitoring-System für jeden Plattform-Typ eine separate Schnittstelle, über die

relevante Daten geladen werden. Der Zugriff auf die Daten kann erfolgen,

ohne dass die Lernplattformen hierfür verändert werden müssen.

Die erhobenen Daten werden in ein gemeinsames Modell überführt und im

LeMo-System gespeichert. Somit stehen die Daten in einem allgemeinen, platt-

formunabhängigen Format für die Analyse durch Data-Mining-Verfahren zur

Verfügung. Sowohl personalisierende, als auch nicht personalisierende Syste-

me können auf diese Weise mit demselben Werkzeug untersucht werden.

Eine Besonderheit stellt bei LeMo die Möglichkeit dar, auch verschieden be-

triebene Lernplattformen gleichzeitig als Datenquellen des Monitoring-Systems

zu verwenden. Dies lässt den direkten Vergleich zwischen mehreren eingesetz-

ten Plattformen zu und hilft Fragen über deren Nutzung zu beantworten und

deren Effektivität einzuschätzen.

Fragen und Hypothesen beeinflussen die Wahl der Analyse-Methoden Die 80 Fragen des als Leitlinie dienenden Katalogs wurden gestellt ohne zu

berücksichtigen, ob und wie sie mit Hilfe der Anwendung zu beantworten

sind. Der Katalog lässt sich verschieden gliedern:

Eine erste Gliederung ergibt sich durch die Differenzierung der Fragen in (i)

Forschungshypothesen zu Lernverhalten und Medieneinsatz sowie (ii) Frage-

stellungen zum Monitoring von Lernprozessen wie oben gezeigt.

Eine zweite Gliederung ergibt sich, wenn beachtet wird, aus welchem Anwen-

dungshintergrund die Frage gestellt wurde: (i) Forscher, (ii) Content-Anbieter,

(iii) Bildungsanbieter, (iv) Dozent. Fragen von Forschern wurden schon er-

wähnt. Content-Anbieter stellen Fragen wie „Welche Ressourcen wurden viel

benutzt, welche Ressourcen wurden gar nicht oder kaum benutzt?“ oder „Gibt

es Seiten, die so gut wie nie angesprungen werden?“, „Lassen sich Gründe

hierfür finden (schlechte Keyword-Vergabe im Vergleich mit anderen Seiten,

keine Einbettung in populäre Pfade, ...)?“, „Gibt es besonders aufwändige/gute

Seiten im Material, die trotz ihrer Qualität nicht gefunden werden?“. Bildungs-

anbieter stellen Fragen wie „Wie viele Studierende gibt es in jedem Kurs?“,

„Mit welchem Kurs steigen die meisten Lernenden ein?“ oder „Welches sind

Kurse, bei denen ein starkes Abbruchsverhalten sichtbar wird?“. Dozenten

stellen Fragen wie „Lassen sich aus dem Einzelnutzerverhalten wie etwa der

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Liane Beuster et al.

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Bearbeitungsgeschwindigkeit Rückschlüsse auf das Verständnislevel des Nut-

zers ziehen?“ oder „Welche Unterschiede gibt es in berufsbegleitenden Studi-

engängen und in Präsenzstudiengängen in der Aktivität der Studierenden?“

Eine andere Gliederung ergibt sich, wenn die von Lernplattformen gespeicher-

ten Daten als Ausgangspunkt der Fragestellung genutzt werden. Wir haben

vier Schwerpunkte identifiziert: (i) Benutzung des Lernangebotes, (ii) Perfor-

mance der Lernenden, (iii) Verhalten und Entdeckung von Nutzer-Gruppen

sowie (iv) Lernpfade. Die Analyse der Benutzung des Lernangebotes beant-

wortet Fragen wie „Wann, wie oft, wie lange und von wie vielen Teilnehmern

wurde auf einzelne Lerninhalte zugegriffen?“. Die Analyse der Performance

der Lernenden sucht nach Antworten für Fragen wie „Welche Lernobjekte sind

hilfreich um einen Test zu bestehen?“. Die Analyse von Verhaltensmustern mit

dem Ziel der Identifikation spezifischer Nutzer-Gruppen sucht nach Antwor-

ten auf Fragen wie „Welche Unterschiede gibt es in berufsbegleitenden Studi-

engängen und in Präsenzstudiengängen in der Aktivität der Studierenden?“

oder „Lassen sich aufgrund der Nutzung multimedialer Applikationen Rück-

schlüsse auf Nutzertypen ziehen?“. Die Analyse der Lernpfade beantwortet

Fragen wie „Welche "ausgetretenen" Pfade durch das Lernmaterial gibt es?“.

Innerhalb jeder Gliederung ist die Verteilung der Fragen unscharf. Viele Fragen

können sowohl als Forschungshypothesen sowie als Fragestellungen zum Mo-

nitoring verstanden werden. Forscher, Content-Anbieter, Bildungsanbieter und

Dozenten stellen zum Teil gleiche oder sehr ähnliche Fragen wie zum Beispiel

„Welche Lernobjekte sind hilfreich um einen Test zu bestehen?“. Fragen zu

Nutzer-Gruppen sind mit Fragen der Benutzung des Lernangebotes verknüpft.

Zum Beispiel erfordert die Frage „Welche Unterschiede gibt es in berufsbeglei-

tenden Studiengängen und in Präsenzstudiengängen in der Aktivität der Stu-

dierenden?“ dass die Benutzung der gleichen Ressourcen für zwei verschiede-

ne Gruppen analysiert wird.

Die Analyse wird mit Methoden des Educational Data Mining (EDM) geführt.

Das Ziel von EDM ist es, Daten aus Lernsystemen zu untersuchen, um Lernen-

de und deren Lernumgebungen besser zu verstehen [BY][RV].

Zu den Methoden des EDM gehören zuerst die klassischen Data-Mining-

Verfahren. Data-Mining-Algorithmen können in zwei Hauptgebiete unterteilt

werden: beschreibende Algorithmen und prognostizierende Algorithmen.

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LeMo – Lernprozessmonitoring

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Mit beschreibenden oder deskriptiven Algorithmen werden Muster gesucht,

welche die Daten näher bestimmen: Associations, Sequential Patterns, oder

Clusteranalyse gehören zu diesem Feld. Diese Art von Algorithmen wird be-

nutzt, um zum Beispiel die Fragen „Lassen sich aufgrund der Nutzung multi-

medialer Applikationen Rückschlüsse auf Nutzertypen ziehen?“ oder „Welche

"ausgetretenen" Pfade durch das Lernmaterial gibt es?“ zu behandeln.

Regressionsanalyse, Entscheidungsbäume und Support Vector Machines sind

unter anderem prognostizierende Algorithmen. Mit ihnen werden Zusammen-

hänge zwischen Variablen gesucht, um den unbekannten oder zukünftigen

Wert einer Variablen mit Hilfe anderer Variablen vorherzubestimmen. Diese

Art von Algorithmen werden benutzt, um zum Beispiel die Frage „Welche

Lernobjekte sind hilfreich um einen Test zu bestehen?“ zu behandeln. Zu EDM

werden auch Methoden der Daten-Erkundung oder Statistiken und Visualisie-

rung gezählt. Diese Methoden werden für die Analyse der Benutzung des

Lernangebots eingesetzt, etwa bei Fragen wie „Welche Ressourcen wurden viel

benutzt, welche Ressourcen wurden gar nicht oder kaum benutzt?“. Die Visua-

lisierung der Antworten ist bedeutsam, damit Benutzer der Anwendung das

Ergebnis der Analyse verstehen und verwerten können.

Bei der Analyse der Daten zu den Fragestellungen ist die Trennung zwischen

den verschiedenen Methoden des EDM unscharf. Die Frage „Welche Lernob-

jekte sind hilfreich um einen Test zu bestehen?“ lässt sich am Besten mit einer

Kombination aus Statistiken, Associations und prognostizierenden Algorith-

men beantworten.

Die verschiedenen möglichen Gliederungen der Fragen eröffnen wiederum

verschiedene Möglichkeiten für die Gestaltung einer intuitiven benutzer-

freundlichen Oberfläche zur Formulierung von Fragestellungen.

Datenschutz und Anonymisierung Der Datenschutz ist ein weiterer wichtiger Aspekt, der die Entwicklung der

LeMo-Anwendung beeinflusst. Erhobene Daten der Anwender von Lernplatt-

formen, dürfen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen [BDS] nur anonymisiert

ausgewertet werden.

Das Ziel dieser Bestimmung ist der Schutz des Einzelnen vor der Beeinträchti-

gung des Persönlichkeitsrechts, durch den Umgang mit seinen personenbezo-

genen Daten.

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Liane Beuster et al.

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Anonymisierung bedeutet, dass Identifikatoren, die eine genaue Bestimmung

einer Person erlauben, wie zum Beispiel der Name oder die Matrikelnummer

eines Studenten dahingehend verändert werden, dass keine eindeutige Zuord-

nung zu einer Person möglich ist.

Da Anonymisierung immer mit einem Informationsverlust verbunden ist, steht

sie in einem direkten Widerspruch zur Auswertbarkeit der Daten.

Um einen geeigneten Mittelweg zwischen Datenschutz und wertvollen Aus-

wertungen zu finden, werden die zur Verfügung stehenden Datenstrukturen

und ihre Abhängigkeiten untersucht sowie verschiedene Algorithmen zur

Anonymisierung betrachtet und die jeweils resultierenden Ergebnisse anhand

von Beispieldaten verglichen.

Ein Verfahren der Anonymisierung stellt die Pseudonymisierung [PSE] dar, bei

der Indikatorfelder durch beliebige Muster, wie beispielsweise einem zufällig

gewählten Wert für den realen Namen ersetzt werden. Ein Datensatz ist

dadurch weiterhin einer Person zuzuordnen ohne diese jedoch explizit be-

stimmen zu können. Anders als beim ersatzlosen Steichen von Datenfeldern

bleiben bei der Pseudonymisierung die Bezüge verschiedener Datensätze, wel-

che auf dieselbe Art pseudonymisiert wurden, erhalten.

Visualisierung Da die zu entwickelnde Anwendung von Nutzern mit unterschiedlichen statis-

tischen Vorkenntnissen genutzt werden wird, ist die nutzerfreundliche Visuali-

sierung der Daten ein Schwerpunkt der Entwicklung dieser Anwendung. Da-

bei implizieren die Ziele der Analysen spezifische Visualisierungs-

möglichkeiten. Im Folgenden werden beispielhafte Visualisierungen zu aus-

gewählten Fragestellungen angeführt:

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LeMo – Lernprozessmonitoring

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Zu welchen Zeitpunkten wurde in welchem Umfang auf den jeweiligen Lerninhalt zugegriffen?

Abbildung 1

Klassische Fragestellungen aus dem Bereich Benutzung des Lernangebots sol-

len grafisch ansprechend visualisiert werden können. Hierbei kommen z.B.

Area- oder Bar-Charts zum Einsatz, die mittels frei wählbarer Parameter etwa

für die gewünschte Veranstaltung/Kurs, das Zeitintervall oder die Nutzer-

gruppe an die jeweiligen Fragestellungen angepasst werden können. Ziel ist es,

ein möglichst universelles Werkzeug für beliebige Fragestellungen aus dem

Bereich Benutzung des Lernangebots bereit zu stellen.

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Liane Beuster et al.

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Welches sind Kurse mit einer hohen, welches mit einer niedrigen Beteiligung?

Abbildung 2

Neben der detaillierten Analyse einer einzelnen Veranstaltung bzw. eines Kur-

ses liegt ein weiterer Schwerpunkt im Bereich Benutzung des Lernangebots auf

der grafischen Aufbereitung aggregierter Daten, die eine Vergleichbarkeit ver-

schiedener Veranstaltungen/Kurse über ein definiertes Zeitintervall ermögli-

chen. Hierfür werden Visualisierungen genutzt, die es erlauben, komplexe

Daten auf intuitive und verständliche Weise fassbar zu machen.

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LeMo – Lernprozessmonitoring

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Am hier gewählten Beispiel einer Heatmap (Abbildung 2) lässt sich die durch-

schnittliche Nutzerbeteiligung für den Zeitraum Dez. 2009 – Jan. 2012 für eine

Gruppe von Veranstaltungen/Kursen ablesen.

Welche ‚ausgetretenen’ Pfade durch das Lernmaterial gibt es?

Abbildung 3

Erkenntnisinteresse der Analyse der Lernpfade ist es, typische Nutzungsmus-

ter der Lernenden bei der Navigation auf einer Lernplattform zu erkennen und

zu analysieren. Hierbei steht neben der intuitiven Identifikation besonders

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Liane Beuster et al.

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stark nachgefragter Lernressourcen und gering frequentierter Inhalte, insbe-

sondere die Extraktion von Lernpfaden – oft wiederkehrende Navigationsmus-

ter einer Vielzahl von Nutzern - im Mittelpunkt. Durch die leichte Identifikati-

on von Navigationsbrüchen, können zudem Hinweise für

Optimierungsmöglichkeiten innerhalb der Navigationsstruktur gewonnen

werden.

Als vorrangiges Mittel zur Visualisierung dieser Fragestellungen werden Me-

thoden der Graphen-Repräsentationen genutzt. Das hier gewählte Beispiel

(Abbildung 3) zeigt anhand eines kreisförmig angeordneten Graphen exempla-

risch die Navigationsmuster für zwei vordefinierte Lernpfade.

Der Thementisch Der Thementisch verfolgt das Ziel, Anbieter und Anwender von eLearning-

Angeboten zusammenzubringen und einen Austausch über Konzepte und

Erfahrungen mit eLearning-Monitoring und –Evaluation zu ermöglichen und

unter dem Aspekt der nachhaltigen Verbesserung von eLearning ein Zu-

kunftsbild zu entwickeln.

Inhalte In einem multimedialen Impulsvortrag werden zentrale Ideen des Projektes

und ausgewählte Forschungsschwerpunkte vorgestellt.

Anschließend werden zur Verortung der Anwesenden mittels der Methode

Bühne einige Fragen an die Teilnehmenden gestellt, die diese in Form von

räumlichen Aufstellungen beantworten. Beispiele für solche Fragen: Setzen Sie

ein, zwei oder mehrere eLearning-Plattformen ein? Werten Sie Ihr Angebot gar

nicht, mit den Möglichkeiten der Plattform oder weiteren Analysetools aus und

wie zufrieden sind Sie dabei mit diesen Möglichkeiten?

Anschließend können sich die Anwesenden im World-Café für eines von drei

Themenfeldern entscheiden:

Visualisierungen für das Monitoring Zu ausgewählten Forschungsfragen werden mehrere Varianten für Visualisie-

rungen vorgestellt, die von den Teilnehmern diskutiert und bewertet werden.

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LeMo – Lernprozessmonitoring

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Datenschutz, Anonymisierung und Data-Mining In einem Rollenspiel werden unterschiedliche Positionen (Forscher, Anwender,

Anbieter, Dozent, Datenschützer) diskutiert, Argumente gesammelt und von

den Teilnehmenden abgewogen.

Vision für Monitoring Teilnehmende diskutieren in einem Rollenspiel mit den unterschiedlichen Rol-

len Träumer, Realist, Kritiker und Beobachter Eigenschaften ihrer Zukunftsvi-

sion einer Monitoring-Anwendung für eLearning.

Abschließend werden im Plenum die Ergebnisse der Aktivitäten aus den drei

Themenfeldern präsentiert.

Übersicht über den Ablauf 1. Impulsvortrag – 8 min

2. Fragestellungen an die Teilnehmenden - Aufstellungen – 3 min

3. Vorstellung der Themenfelder im World-Café und Gruppeneinteilung

– 3 min

4. World-Café – 30 min

a. Visualisierungen für das Monitoring

b. Datenschutz, Anonymisierung und Data-Mining

c. Vision für Monitoring

5. Vorstellung der Ergebnisse aus den drei Themenfeldern – 10 min

Fazit Bei der Entwicklung einer Monitoring-Anwendung für eLearning-Plattformen

besteht eine Herausforderung darin, gegenläufige Interessen unterschiedlicher

Akteure zu berücksichtigen, die Möglichkeiten und Grenzen technischer Mög-

lichkeiten auszuloten und sich im interdisziplinären Spannungsfeld zu positio-

nieren.

In Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Projektpartnern werden diese Her-

ausforderungen in einem Kooperationsprojekt der drei Hochschulen angegan-

gen. Mit LeMo werden die vielfältigen Anforderungen der Betreiber, Anwen-

der und Forscher im Bereich des eLearning zusammengeführt. Es wird eine

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Liane Beuster et al.

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Monitoring-Anwendung entwickelt, die sich durch ansprechende und aussa-

gekräftige Visualisierungen sowohl für intensives Data-Mining als auch zur

Optimierung einzelner Kurse eignet.

Referenzen [EDM] International Educational Data Mining Society.

http://www.educationaldatamining.org.

[BY] R. S. Baker and K. Yacef (2009). The state of educational data mining in

2009: A review and future visions. Journal of Educational Data Mining (JEDM),

1:1, pp.3-17.

[RV] C. Romero and S. Ventura (2010) Educational Data Mining: A Review of

the State of the Art. IEEE Transactions on Systems, Man, and Cybernetics, Part

C: Applications and Reviews, 40:6, pp. 601 – 618.

[BDS] Bundesdatenschutzgesetz. (14. Januar 2003). Bundesdatenschutzgesetz.

Abgerufen am 20. November 2011 von http://www.gesetze-im-internet.de/

bundesrecht/bdsg_1990/gesamt.pdf.

[PSE] Datenschutz-Lexikon. Abgerufen am 08. März 2012 von

http://www.datenschutz-praxis.de/lexikon/p/pseudonymisierung.html.

Vita Prof. Dr. Albrecht Fortenbacher lehrt an der HTW Berlin und beschäftigt sich seit

2002 mit eLearning, Lernplattformen und der Integration von Lernplattformen

und Hochschulverwaltungssystemen. Er hat maßgeblich die Lernplattform

eCampus (auf Basis des LMS CLIX) als zentrales Angebot der Hochschule (ne-

ben Moodle) aufgebaut. Gegenwärtig ist er Projektleiter bei „eKompetenz“,

einem ESF-geförderten Weiterbildungsprojekt auf den Gebieten eLearning und

Projektmanagement und leitet das Projekt LeMo.

Prof. Dr. Agathe Merceron lehrt an der Beuth Hochschule Berlin. Sie leitet den

Studiengang Medieninformatik Online und das Labor „Online-Learning“. Seit

2000 forscht sie im fachlichen Kontext technoligieunterstütztes Lernen mit dem

Schwerpunkt Educational Data Mining. Sie ist Mitglied in den Programmkomi-

tees der „Deutschen e-Learning Fachtagung 2012“ und der „International Con-

ference on Educational Data Mining 2012“.

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LeMo – Lernprozessmonitoring

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Prof. Dr. Margarita Elkina lehrt an der HWR Berlin. Der Schwerpunkt ihrer Tä-

tigkeit liegt bei der Verwaltung personenbezogener Daten sowie Informations-

daten, der Modellierung benutzerfreundlicher, graphischer Oberflächen und

den Definitionen der Schnittstellen zwischen verschiedenen Software-

Komponenten. Sie beschäftigt sich u.a. mit Erweiterungen der Moodle-

Software und XML-basierten Export/Import Funktionen für Lernraumsysteme.

M.A. Liane Beuster studierte Kommunikationspsychologie und Educational

Media. Sie war mehrere Jahre als Konzepterin, Autorin und Projektkoordinato-

rin für Lernmedien in einem Bildungsverlag tätig. An der HTW Berlin betreute

sie seit 2010 das eLearning-Förderprogramm und wechselte im Juli 2011 als

Koordinatorin in das Forschungsprojekt LeMo.

Dipl. Inf. (FH) Andreas Pursian studierte Angewandte Informatik und Politik-

wissenschaften, gefolgt von einer mehrjährigen Tätigkeit als IT-Koordinator bei

einer NGO. Zuletzt war er als IT-Consultant für eine Organisation der Interna-

tionalen Zusammenarbeit tätig. Seit Oktober 2011 verstärkt er als wissenschaft-

licher Mitarbeiter in den Bereichen Informationsvisualisierung und Usability

unser Team.

B. Sc. Sebastian Schwarzrock war nach dem Abschluss seines Bachelorstudiums

der Medieninformatik als Softwareentwickler tätig. Seit Oktober 2011 arbeitet

er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt "LeMo" im Bereich Data-

Mining.

B. Sc. Boris Wenzlaff studierte an der HTW Berlin Angewandte Informatik.

Während seines Bachelorstudiums arbeitete er zwei Jahre in dem Bereich For-

schung & Entwicklung der HiSolutions AG und wechselte 2011, im Laufe sei-

nes Masterstudiums, in das Forschungsprojekt LeMo.

B.Sc. Leonard M. Kappe studierte Angewandte Informatik an der HTW Berlin.

Nach dem Abschluss im Jahr 2011 folgte das konsekutive Master-studium mit

gleichzeitiger Beschäftigung als Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim For-

schungsprojekt LeMo.

Das Projekt wird aus EFRE-Mitteln der Europäischen Union und durch das

IFAF Berlin finanziert.

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Nadine Dembski, Georg Müller-Christ, Yildiray Ogurol, Alexander Hillmann:

Universität Bremen, [email protected]

Videobasierte Lehrveranstaltungen als neue Lernformate – Erfahrungen und Potentiale

Einleitung Viele Hochschulen bieten Live-Aufzeichnungen von Präsenzveranstaltungen

an, die den Studierenden zur Nachbereitung oder zur intensiven Prüfungsvor-

bereitung dienen. Mit gezielt in einem Studio produzierten, aufbereiteten und

didaktisch gestalteten Lernvideos lassen sich für Studierende und Hochschulen

weitere positive Impulse für den selbstbestimmten Lernprozess erschließen. Im

Folgenden wird kurz veranschaulicht, wie Videos als Medium zum Lernen

eingesetzt werden können, und anhand von zwei Praxisanwendungen werden

Erfahrungen und die Potentiale aufgezeigt.

Lernen mit videobasierten Lehrveranstaltungen Die Konzeption und Umsetzung guter videogestützter Lehre ist eine medien-

und hochschuldidaktische Herausforderung. Erfahrungen zeigen, dass an

eLearning-Arrangements größere Anforderungen bezüglich der Sicherung des

Lernerfolges gestellt werden, als an präsenzorientierte Lehr-Lern-

Arrangements. Die Frage, ob Videos außerhalb des klassischen Anwendungs-

gebiets der Unterhaltung auch gezielt als Lernmedium gestaltet und genutzt

werden können, wird im Folgenden angerissen.

Lernen mit digitalen Medien Das Lernen mit digitalen Medien ist als ‘pädagogische, technologiebasierte

Innovation’ zu verstehen, in der computerunterstützte Technologien mit neuen

didaktischen Möglichkeiten zum Einsatz kommen (vgl. Seufert & Euler, 2005).

Ein Ansatz des Lernens mit digitalen Medien, der dem Paradigma des situier-

ten, konstruktivistischen Lernens folgt, bietet eine Reihe von Anknüpfungs-

punkten für den Erwerb von Kompetenzen. Die Einbettung in authentische

Lernsituationen und die kontinuierliche Reflexion der Rolle von Lehrenden

und Lernenden stellen förderliche Rahmenbedingungen für den expliziten und

impliziten Erwerb einer Reihe von Kompetenzen dar (vgl. Caroli 2000). Damit

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Videobasierte Lehrveranstaltungen als neue Lernformate

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sind für die Ausgestaltung einer Lernumgebung Anforderungen verbunden,

die sowohl die technische als auch die didaktische Ausgestaltung beeinflussen.

Da sich das Individuum - verstanden als autopoietisches System - nicht ‘beleh-

ren’ lässt, gilt es, den Lernprozess an sich und die Umgebung, in der das Indi-

viduum handelt und lernt, in den Blick zu nehmen. Mit dem Konzept der offe-

nen Lernumgebung („learning environments“) wird diesem Umstand

Rechnung getragen (vgl. Duffy et al. 1993). Offene Lernumgebungen zielen auf

die Gestaltung von reichhaltigen und anregenden Lernwelten ab und machen

deutlich, dass der Lernprozess von vielfältigen Faktoren abhängig ist, die sich

sehr unterschiedlich gestalten lassen. Daher werden Lernsituationen geschaf-

fen, die explorative Lernprozesse ermöglichen und individuelle, lernerzentrier-

te sowie kollaborative Werkzeuge anbieten und in denen die Organisation des

Lernens durch die Lernenden selbst erfolgt (vgl. Schulmeister 2005).

Die große Beliebtheit von Online-Videoplattformen und die Beliebtheit bei den

14 bis 19 Jährigen wurden belegt (vgl. ARD/ZDF-Studie). Aber das Thema

Lernen mit Videos ist auch im Bildungskontext angekommen, vielfältige Veröf-

fentlichungen und Untersuchungen bestätigen den rasanten Zuwachs der Nut-

zung von Lernvideos im Bildungskontext (vgl. z.B. „Video Use and Higher

Education: Options for the Future”, 2009). Von Rathgeb wurde 2010 aufgezeigt,

dass Lernvideos auch zum Lernen genutzt werden und dass durch Rezeption

Lernprozesse stattfinden. Wolf & Rummler (2011) belegen, dass Videos auch

gezielt zum Lernen genutzt werden. Auf der Ebene der Rezeption führt das

Anschauen von Videos zu „Lernen am Modell“ und vertiefend zu „Lernen

durch Reflexion“ (vgl. Rummler & Wolf, 2012). Beim „Lernen am Modell“ kann

das Lernen anhand von Videos als ein Prozess des Nachahmens verstanden

werden. Eine weitere, für den Hochschulraum bedeutende Qualität, ermöglicht

das Lernen mit Videos durch das angeleitete Reflektieren und Analysieren der

dargebotenen Lerninhalte. Hier ist vertiefendes Lernen auf Hochschulniveau

möglich, denn über reine Instruktionen wie in Erklärvideos (z.B. „Wie binde

ich einen Krawattenknoten?“) können komplexe Inhalte didaktisch aufbereitet,

dargestellt, erläutert und für den Lerner angeleitet werden.

eLearning und Lernvideos in der Hochschullehre Der Blick in die Literatur zeigt, dass Online-Lernprozesse ein viel erforschter

Gegenstand sind. Es gibt zahlreiche mediendidaktische Vorschläge, wie eLear-

ning effektiv zu gestalten ist. Ein Blick in die Praxis zeigt, dass Lernvideos als

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Nadine Dembski, Georg Müller-Christ, Yildiray Ogurol, Alexander Hillmann

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Format des Distance-Learning von vielen Lehrenden als nicht sehr effektiv

eingeschätzt werden. Vielfach klingt hier aus schnellen Urteilen auch die Angst

hervor, dass Lehrende durch vermehrten eLearning-Einsatz wegrationalisiert

werden könnten. Auch der Vorwurf, dass die Hochschule nicht zu einer Fern-

Universität avancieren solle, sei an der Stelle erwähnt. Unbestreitbar bietet die

Erstellung anspruchsvoller videobasierter Lehrveranstaltungen Vorteile für

Studierende, Lehrende und die Hochschulen:

Studierende profitieren von videobasierten Veranstaltungen:

Lehrende u. Hochschulen profitieren von videobasierten Veranstaltungen:

Wegen der zeitlichen und räumli-

chen Flexibilität können Studie-

rende die Lehrveranstaltung in

geeigneten Freiräumen ihres

Studienverlaufs absolvieren1

Sie können sich die Creditpoints

für ihr Studium anrechnen lassen

Sie erhalten zu den vorhandenen

Präsenzveranstaltungen eine Er-

weiterung der Wahlmöglichkeiten

und können gemäß ihrer vor-

handenen Kompetenzen Veran-

staltungen aussuchen

Sie können Veranstaltungen

gezielt wiederholen, nachholen

oder vertiefen

Sie können in ihrem eigenen Lern-

tempo arbeiten

durch einen sichtbaren Beitrag

zum Konzept der familienfreundli-

chen Hochschule

durch einen deutlichen Beitrag

zur internationalen Sichtbarkeit der

Hochschule

fördern die Internationalisierung

der Universität

fördern die Flexibilisierung der

Bachelorstudiengänge

sind ein sichtbarer Beitrag zum

Diversity Management

Effizienter Einsatz von Lehrkapa-

zitäten für z.B. fachübergreifende

Themen

erhöhen deutlich die Sichtbarkeit

der Universität für Studienbe-

werber/innen

1 An dieser Stelle sei auf die Zeitlaststudie von Schulmeister et al. (2011) verwiesen.

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Videobasierte Lehrveranstaltungen als neue Lernformate

80

Sie erwerben für ihren lebens-

langen Lernprozess die notwen-

dige eLearning-Kompetenz.

ermöglichen eine offene Univer-

sität im Sinne des lebensbegleiten-

den Lernens

Didaktisches Konzept Neue Lernformate werden an härteren didaktischen Qualitätsmaßstäben ge-

messen als bestehende Formate wie beispielsweise die Frontalvorlesung. Im

Folgenden werden das didaktische Konzept der videobasierten Veranstaltun-

gen vorgestellt.

Struktur der Episoden Jede Veranstaltung hat gemäß der Dauer der Vorlesungszeit 14-15 Lerneinhei-

ten. Jede Lerneinheit wird in 3 Episoden á 30 Minuten unterteilt. Die Erfahrung

zeigt, dass Studierende einem 30 minütigen Vortrag konzentriert folgen kön-

nen. Jede der Lerneinheit besteht aus zwei Vortragsepisoden und einem Inter-

view, welches entweder von Studierenden mit dem Dozenten oder der Dozen-

tin geführt werden kann oder von einem Praktiker. Mit dem Interview wird die

Absicht verfolgt, Nachfragen aus studentischer Perspektive zu beantworten

und durch das Gespräch weitere relevante Themen anzudeuten.

Lernziele definieren Gemäß der neuen Anforderungen der Bachelor- und Mastereinführungen

werden nicht nur für die einzelnen Lehrveranstaltungen Lernziele in Form von

zu gewinnenden Kompetenzen formuliert, sondern auch Lernziele für jede

Episode. Die Studierenden haben so die Möglichkeit, den selbstgesteuerten

Lernprozess anhand der Ziele auszurichten und stets sich selbst zu überprüfen,

ob sie die Zielfragen der Episoden beantworten können. Mit der Entwicklung

strukturierter videobasierter Veranstaltungen können Studierende auch das

Lerntempo selbst bestimmen.

Aufgaben für das Selbststudium Abbildung 1 verdeutlicht, dass der Kompetenzgewinn der Lernvideos weit

über die deskriptiven Kompetenzen hinausgehen kann, wenn die Studierenden

aktiv mit dem Stoff der Lernvideos arbeiten. Deswegen werden am Ende jeder

Episode Aufgaben für das Selbststudium angeboten.

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Nadine Dembski, Georg Müller-Christ, Yildiray Ogurol, Alexander Hillmann

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Abbildung 1: Ausschnitt aus einer Episode eines Online-Vortrages

Prüfungen als eAssessment Um einer großen Anzahl an Studierenden die Möglichkeit zu geben, Prüfungen

in einem Online-Lehrmodul abzulegen, wurden die Erfahrungen der Universi-

tät Bremen in der Durchführung von eAssessments genutzt. Die Studierenden

können in einer Art on-demand Prüfung den Zeitpunkt für eine elektronische

Prüfung im Testcenter selbst aus regelmäßig angebotenen Terminen wählen.

Mit ihrem Wunschtermin vermeiden die Studierenden Kollisionen mit anderen

Prüfungen oder Prüfungsengpässe. Bei erfolgreicher Teilnahme werden 3 Cre-

ditpoints dem Studienkonto gutgeschrieben.

Betreuung der Studierenden Die Betreuung der Studierenden erfolgt in erster Linie über die Lernplattform

mit z.B. der gezielten Aufbereitung von Informationen und der Förderungen

des studentischen Austauschs. Auch auf der Internetseite für die Lernvideos

werden Informationen für die Studierenden bereitgestellt, wie z.B. häufig ge-

stellte Fragen oder Ansprechpersonen.

Technische Umsetzung Die videobasierten Veranstaltungen werden auf der Basis von „Mobile Lec-

ture“ in einem Studio aufgezeichnet. Der Produktionsprozess sieht die Unter-

stützung von mobilen Endgeräten vor und ermöglicht dadurch den Download

der Lernvideos als Alternative zum Live-Streaming.

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Videobasierte Lehrveranstaltungen als neue Lernformate

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Im Videostudio werden sowohl die Vortragsepisoden, als auch die Interviews

mit zwei oder mehreren Personen mit einer oder mehreren Videokameras auf-

gezeichnet. Die Aufnahmen erfolgen unter Einsatz des Greenscreen-

Verfahrens. Dabei werden die Lehrenden vor einem grünen Hintergrund auf-

gezeichnet, der später in der Postproduktion mit den Folien oder anderen Ma-

terialien überblendet werden kann. Die Überblendung des Greenscreen erfolgt

nach dem Keying-Verfahren. Als Keying bezeichnet man das Erzeugen von

Transparenz durch einen bestimmten Farb- oder Luminanzwert in einem Bild.

Damit ist es möglich, einen Hintergrund komplett durch eine andere Quelle

(Video, Animation oder Bild) zu ersetzen.

Im Rahmen von Mobile Lecture wird für die Produktion von Vortragsepisoden

auf das Greenscreen-Verfahren zurückgegriffen, um die Präsentationsfolien

der jeweiligen Lehrenden mit den Videoaufzeichnung synchronisiert in einem

Video abbilden zu können. Außerdem ist es möglich, verschiedene Aufnah-

meumgebungen zu simulieren, indem der Hintergrund durch ein entspre-

chendes Motiv ausgetauscht wird (z.B. Bibliothek, Hörsaal, etc.).

Abbildung 2: Aufnahme vor einem Greenscreen und spätere Einblendung der Folien

Qualitätsmanagement Die videobasierten Veranstaltungen sind zum großen Teil weltweit ohne Pass-

wortschutz über das Internet erreichbar und können von den Studierenden bei

Bedarf auf ihre mobilen Endgeräte heruntergeladen werden. Die Kontrolle

über die Verbreitung und Nutzung der Online-Inhalte ist kaum möglich. Der

Qualitätsanspruch ist dementsprechend sehr hoch zu setzen und damit als

Verfahren zur Qualitätssicherung unverzichtbar, um die Universität Bremen

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Nadine Dembski, Georg Müller-Christ, Yildiray Ogurol, Alexander Hillmann

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und das Zentrum für Multimedia in der Lehre (ZMML) als initiierende und

durchführende Einrichtung bestmöglich nach außen zu repräsentieren.

Das Qualitätsmanagement muss daher insbesondere Lösungen für folgende

Fragen bereitstellen:

Wer hat die Gesamtverantwortung für das Qualitätsmanagement?

Wie sieht das Auswahlverfahren für Online-Veranstaltungen aus?

Wie sind die Beteiligten beim Qualitätsmanagement einbezogen

(Lehrende, Studierende, ZMML-Vorstand, Uni-Leitung)?

Wie wird die Qualität der Inhalte, der Didaktik und der technischen

Umsetzung sichergestellt?

Wie wird die Qualität der Durchführung der Veranstaltung inkl.

Betreuung und der Prüfungsphase sichergestellt?

Wie sieht der kontinuierliche Verbesserungs- bzw. Anpassungsprozess

aus?

Entwicklungsprozess Im Folgenden werden die einzelnen Phasen des Entwicklungsprozesses einer

Veranstaltung beschrieben, in denen das Qualitätsmanagement eingreift und

die organisatorischen, inhaltlich-didaktischen sowie technischen Rahmenbe-

dingungen festlegt.

Die Entwicklung einer Veranstaltung von der Planung bis hin zur Durchfüh-

rung erfolgt in vier Phasen. Die folgende Tabelle zeigt die vier Phasen und die

jeweils generierten Ergebnisse:

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Videobasierte Lehrveranstaltungen als neue Lernformate

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Phase Ergebnis

Phase 1: Akquise

Themenvorschläge

Konzeptentwicklung

Referentenakquise

Projektskizze

Die Projektskizze enthält eine

Kurzbeschreibung, Angaben zur

Relevanz als Online-Veranstalt-

ung, geschätzter Ressourcenauf-

wand und geplante Referenten.

Phase 2: Planung

Vorbereitung und Betreuung der

Lehrenden

Abstimmung der Inhalte und

Anforderungen

Erstellung der Modul-

beschreibung

Studiobesichtigung

Terminplanung

Vorbereitung der Materialien

(Folien)

Projektplan

Der Projektplan enthält eine

detaillierte Modulbeschreibung,

Liste der Lehrenden, genauer

Ressourcenaufwand und Ter-

minplanung.

Phase 3: Produktion

Durchführung der Aufnahmen

Nachbearbeitung des Materials

Fertigstellung der Lernvideos

Veröffentlichung auf dem Video-

portal sowie anderen Distributi-

onskanälen (z.B. iTunes)

Lernmodul, eKlausur

Das Lernmodul ist in der Regel

das mit den Folien synchronisier-

te Video zusammen mit den Fo-

lien (PDF-Dokument) als Down-

load.

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Nadine Dembski, Georg Müller-Christ, Yildiray Ogurol, Alexander Hillmann

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Erstellung der elektronischen

Klausur

Testlauf

Die elektronische Klausur wird

in Kooperation mit dem Referen-

ten/der Referentin und dem eAs-

sessment-Team des ZMML er-

stellt.

Phase 4: Durchführung

Einpflegen der Veranstaltung im

Vorlesungsverzeichnis

Betreuung der Teilnehmer

(Stud.IP, E-Mail)

Organisation und Durchführung

der eKlausuren (Termine, Auf-

sicht, …)

Vergabe/Gutschrift der Studien-

leistung in Kooperation mit dem

Zentralen Prüfungsamt

Projektbericht

Der Projektbericht enthält u.a.

Informationen zur Teilnehmer-

zahl, Abbrecher- und Absolven-

tenquote der Online-

Veranstaltung.

Qualitätssicherung von Modulen Die Qualitätssicherung von Modulen betrifft zwei unterschiedliche Ebenen: die

pädagogisch-didaktische Ausgestaltung auf der einen Seite sowie die inhaltli-

che Ausrichtung auf der anderen Seite. Die Sicherung adäquater und hochwer-

tiger Inhalte bedingt wiederum zum einen die Auswahl und Abstimmung

geeigneter thematischer Ausrichtungen der Module sowie deren inhaltliche

Konkretisierung.

Die Qualitätssicherung der einzelnen Module wird sichergestellt. Dabei dienen

Leitfäden/Mindeststandards als Orientierungsrahmen für die Lehrenden der

Module und bieten einen Rahmen für den vorzunehmenden Qualitätscheck,

der neben inhaltlichen Aspekten ebenso didaktisch-methodische Überlegungen

mit berücksichtigt. Ein solches Qualitätsmanagement zielt u.a. auf

die Berücksichtigung didaktischer Schlüsselprinzipien,

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Videobasierte Lehrveranstaltungen als neue Lernformate

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eine konsequente Orientierung auf die Kompetenzentwicklung der Studie-

renden sowie

eine adäquate Aufarbeitung relevanter Wissensbestände des jeweiligen

Themas.

Die Studierenden haben die Möglichkeit (z.B. Online-Fragebogen) ihre Ein-

schätzung über die Qualität der Module abzugeben. Die Rückmeldungen wer-

den nach jeweils einem Semester ausgewertet.

Qualitätssicherung von E-Learning Angeboten Eine wichtige Komponente des Qualitätssicherungssystems bei der Entwick-

lung von E-Learning-Produkten ist die Festlegung von Mindeststandard sowie

die Verwendung internationaler eLearning-Standards (z.B. SCORM). Folgende

qualitätssichernde Ziele werden damit verfolgt:

Interoperabilität von Modulen

Wiederverwendbarkeit von Lernressourcen in variierenden Kontexten/

Lernszenarien

Übertragbarkeit von Lernressourcen in andere Lernplattformen

Effizienzsteigerung für Lernende und Lehrende bei der Erstellung und

Nutzung von Lernressourcen

Leichte Adaptierbarkeit von Lernressourcen

Flexibilität von Lernressourcen durch modularen Aufbau

Anwendungsbeispiele Die Gestaltung videobasierter Veranstaltungen und deren Einsatz im Hoch-

schulkontext sind vielfältig. Im Folgenden werden zwei Beispiele für den Ein-

satz videobasierter Lehrveranstaltungen vorgestellt:

eGeneral Studies

Virtuelle Akademie Nachhaltigkeit

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eGeneral Studies an der Universität Bremen Beschreibung Ergänzend zu den regulären Präsenzveranstaltungen bietet die Universität

Bremen seit dem Wintersemester 2009/10 allen Studierenden videogestützte

Veranstaltungen an. Diese sogenannten eGeneral Studies (www.egs.uni-

bremen.de) erweitern das Studienangebot für den Bereich offenes Studium und

sind ausschließlich als Selbstlernformat konzipiert.

Mit einem zentralen Angebot an reinen Online-Lehrangeboten für den Bereich

General Studies soll ein breites und beständiges Angebot geschaffen werden

für Veranstaltungen mit großen Teilnehmerzahlen. Studierende aller Studien-

gänge können zeit- und ortunabhängig Veranstaltungen über das eGeneral

Studies Portal belegen. Als Prüfungsform wird primär On-Demand-

Assessment in Form elektronischer Klausuren angeboten, wo Studierende fle-

xibel den Zeitraum ihrer Prüfung bestimmen können.

Umsetzung und besondere Anforderungen Es hat sich in der Vergangenheit bewährt, dass eLearning-Angebote zuerst als

Anschauungsmaterial fertiggestellt werden müssen, um diese neuen Lehr-

Lern-Arrangement an die Lehrenden vermitteln zu können. Aus diesem Grun-

de hat das ZMML der Universität Bremen für das SoSe2010 erste Module pro-

duziert und mit Studierenden getestet. Die eGeneral Studies Veranstaltungen

zeichnen sich durch ein hohes Maß an zeitlicher und räumlicher Flexibilität

aus. „Lerne wann und wo du willst.“ ist die Maxime mit der über Flyer, Poster

und andere Medien (z.B. Facebook) die Studierenden auf das Online-

Lehrangebot aufmerksam gemacht werden.

Studierende können die in Form von Lernvideos erstellten Veranstaltungen

über einen Standard Webbrowser betrachten oder aber auch auf ihre mobilen

Endgeräte (iPod, Smartphones, PDA, …) herunterladen. Die Lernvideos sind

mit den verwendeten Folien synchronisiert und es besteht die Möglichkeit die

Folien im PDF-Format herunterzuladen.

Zielgruppe und aktuelles Angebot Die Veranstaltungen richten sich an Studierende aller Fachrichtungen, sind

daher interdisziplinär ausgelegt und ermöglichen dadurch vielfältige und neue

Einblicke in die unterschiedlichen Themenbereichen. Es besteht keine Semes-

terbindung, d.h. das Angebot steht semesterübergreifend zur Verfügung. Im

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Videobasierte Lehrveranstaltungen als neue Lernformate

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SoSe 2012 werden auf dem Portal www.egs.uni-bremend.de insgesamt zehn

eGeneral Studies Veranstaltungen angeboten, die vom ZMML in Kooperation

mit Lehrenden verschiedener Fachbereiche und renommierten Instituten er-

stellt wurden. Zu den Veranstaltungen gehören:

1. Klimaschutz und Klimaanpassung – Ein Bremer Überblick

2. Schlüsselkompetenzen – Ein Reflexionsangebot

3. Interkulturelle Kompetenzen

4. Nachhaltige Entwicklung – Grundlagen und Umsetzung

5. Grundlagen des Managements – Instrumente und Strategien

6. Nachhaltigkeit und Unternehmensführung

7. Der Hohe Norden | The Far North | Le Grand Nord (Kanada, Quebéc)

8. Recht der digitalen Medien

9. eSTUDI

10. eTUTOR

Die Betreuung erfolgt über die Lernplattform Stud.IP, wo ein Austausch zwi-

schen Studierenden untereinander und den betreuenden Lehrenden stattfindet.

Für die Veranstaltungen mit jeweils 3 Creditpoints werden elektronische Klau-

suren (eKlausur) ganzjährig angeboten. Mit der Wahl der Prüfungstermine

haben die Studierenden die Möglichkeit ihren Prüfungsprozess zu steuern und

ggf. zu entzerren (On-Demand-Assessment).

Das Interesse der Studierenden an dem neuen Format und den Veranstaltungs-

inhalten lässt sich durch positive Rückmeldungen von Studierenden bestäti-

gen. Auch die Teilnehmerzahlen zeigen, dass der Bedarf vorhanden ist.

Virtuelle Akademie Nachhaltigkeit Beschreibung Im Ansatz des Lernens mit digitalen Medien wird die Möglichkeit gesehen, die

Grundprinzipien der Bildung für nachhaltige Entwicklung im Rahmen einer

didaktischen Konzeption und der Ableitung eines didaktischen Designs zu

konkretisieren. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) fördert das vorge-

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Nadine Dembski, Georg Müller-Christ, Yildiray Ogurol, Alexander Hillmann

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stellte skizzierte Konzept, in dem das Projekt „Virtuelle Akademie für Hoch-

schulbildung für Nachhaltige Entwicklung“ allen Studierende in Deutschland

die Gelegenheit bietet, Lehrveranstaltungen zum Thema Nachhaltigkeit zu

belegen, Creditpoints für das Studium zu erwerben und an der jeweiligen

Hochschule anerkennen zu lassen. Auf dem Portal der virtuellen Akademie

Nachhaltigkeit (www.va-bne.de) können sich Studierende über das Angebot

informieren, sich für Veranstaltungen registrieren und zeit- und ortsunabhän-

gig die Lernvideos durcharbeiten.

Umsetzung und besondere Anforderungen Die Didaktik der Virtuellen Akademie Nachhaltigkeit orientiert sich an der

akademischen Vorlesung und bietet so einen Rahmen an, der den Studierenden

aller Hochschulen sehr vertraut ist. Der akademische Vortrag mit seiner Bebil-

derung in einer Präsentation steht im Vordergrund und die Interaktion mit den

Studierenden erfolgt durch das Aufgreifen von Fragen in der Form eines Inter-

views.

Zielgruppe und aktuelles Angebot Mit der Umstellung der Studiengänge auf die Bachelor- und Masterabschlüsse

wird neben der Vermittlung fachspezifischer Qualifikationen auch Wert auf

den Erwerb von fachübergreifenden und berufsqualifizierenden Anteilen in

den Studiengängen gelegt. Dieser als General Studies ausgewiesene Bereich

nimmt in der Regel einen Anteil zwischen 18 und 45 Credit Points ein. Für

diesen Bereich und nach Abstimmung auch für bestimmte Module bietet die

Virtuelle Akademie Nachhaltigkeit Lehrveranstaltungen an.

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Videobasierte Lehrveranstaltungen als neue Lernformate

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Abbildung 3: Portal der Virtuellen Akademie Nachhaltigkeit www.va-bne.de

Seit April 2011 arbeitet das Team an der Konzeption und Umsetzung der Vir-

tuellen Akademie Nachhaltigkeit. Im Sommersemester 2012 werden fünf Ver-

anstaltungen angeboten und an den ersten drei Prüfungsstandorten in Koope-

ration mit den Hochschulen finden Prüfungen statt. Für das Wintersemester

sind 5 weitere Veranstaltungen zum Thema Nachhaltigkeit und weitere Prü-

fungsstandorte geplant. Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite der

Virtuellen Akademie Nachhaltigkeit (www.va-bne.de).

Erfahrungen und Potentiale Evaluationsergebnisse der eGeneral Studies Die Studierenden der sogenannten Y-Generationen gehen souverän mit der

Wissensaufnahme durch Lernvideos um. Sie schätzen insbesondere die räumli-

che und zeitliche Flexibilität und fühlen sich dann in der Durchführung der

Module gut betreut, wenn ihre Fragen zeitnah von einem Koordinator beant-

wortet werden. Dies haben die Evaluierungen der eGeneral Studies Veranstal-

tungen der Universität Bremen immer wieder gezeigt.

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Nadine Dembski, Georg Müller-Christ, Yildiray Ogurol, Alexander Hillmann

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Abbildung 4: Ausschnitt aus der Evaluation der eGeneral Studies

Da es sich bei den Veranstaltungen um Grundlagenvermittlung handelt, redu-

zieren sich die inhaltlichen Fragen der Studierenden deutlich, wenn sie trans-

parent über die Lernziele zu den Prüfungsanforderungen geführt werden.

Vorteilhaft für das Selbststudium aus Sicht der Studierenden sind:

Die klare Struktur der Lerneinheiten (mit der Einteilung in Episoden und

Interview)

Festsetzung der Lernziele und weiterführende Übungsaufgaben

Download der Materialien und Videos

Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklung der Prüfungsanmeldungen und

der Nutzer.

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Videobasierte Lehrveranstaltungen als neue Lernformate

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Abbildung 5: Entwicklung der Prüfungsanmeldungen und der Nutzer der eGeneral Studies

Ansätze zur Weiterentwicklung Vielfältige Weiterentwicklungsmöglichkeiten für den Einsatz videobasierter

Lehrveranstaltungen sind denkbar. Die Konzeption abgestimmter Blended

Learning Anwendungen bei Fachveranstaltungen werden zunehmend nachge-

fragt. Die Studieneingangsphase ist ein weiterer Bereich, in dem der Einsatz

von videobasierten Lehrveranstaltungen angestrebt wird, umsowohl den

Fachbereichen und als auch den Studierenden eine große Unterstützung zu

bieten. Die unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen von Studierenden beim

Wechsel auf die Hochschule kann dadurch mittels speziell konzipierter Lern-

videos (z.B. für Mathematik) aufgefangen werden. Dabei können sowohl reine

Online-Lehrveranstaltungen als auch Lehrveranstaltungen im Blended Learn-

ing-Format zum Einsatz kommen.

Die technologische Weiterentwicklung, die den Einsatz interaktiver Elemente

ermöglicht, birgt weitere Potentiale in sich. Lernvideos können dadurch bei-

spielsweise bei Bedarf und je nach Lernziel verschiedenste didaktisch gesteuer-

te Interaktionen integrieren, wie z.B. das gezielte Nachschlagen von Fachter-

mini oder Hintergrundinformationen, das Starten von Simulationen oder

Übungen. Das Lernvideo könnte abhängig vom Ergebnis einer Übung oder

Simulation, ähnlich wie mit einem Drehbuch eines Filmes, weitergeführt wer-

den.

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Nadine Dembski, Georg Müller-Christ, Yildiray Ogurol, Alexander Hillmann

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Literatur und weiterführende Quellen ARD/ZDF-Studie (2011) abrufbar unter http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/.

NYU-Studie (2009): Video Use and Higher Education: Options for the Future,

New York University, 2009.

Rathgeb, T. (Hrsg.) (2010): JIM-Studie 2010. Jugend, Information, (Multi-) Me-

dia. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19- Jähriger. Stuttgart:

Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest.

Rummler, K.; Wolf, K.D. (2012): Lernen mit geteilten Videos: Aktuelle Ergeb-

nisse zur Nutzung, Produktion und Publikation von Online-Videos durch Ju-

gendliche. Cultures and Ethics of Sharing, Conference Series. Gehalten auf der

Medien, Wissen & Bildung: Kulturen und Ethiken des Teilens, Innsbruck: In-

nsbruck University Press.

Schulmeister, R.; Metzger, C. (Hrsg.) (2011): Die Workload im Bachelor: Zeit-

budget und Studierverhalten - Eine empirische Studie, Waxmann 2011.

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Karin Gorges: Bauhaus-Universität Weimar, [email protected],

Thomas Bröker: Bauhaus-Universität Weimar, [email protected]

eLearning Bauphysik – Nachhaltigkeit durch Flexibilität

Zusammenfassung eLearning Bauphysik ist ein weiterbildendes, ECTS-bewertetes Fernstudium,

das konsequent nach modularen Gesichtspunkten aufgebaut ist.

Erfolgsgrundlage des Projekts war eine intensive Planungsphase zu Projektbe-

ginn. Aus der Bedarfs- und Zielgruppenanalyse wurde das didaktische und

organisatorische Konzept abgeleitet. Wesentliche Anforderungen aus dieser

Anfangsphase waren ein möglichst flexibler Aufbau des Studiums, um den

Studierenden zu ermöglichen, ihre Ausbildungsziele der jeweiligen Lebenssi-

tuation anzupassen und eine hohe Praxisrelevanz der Inhalte und Methoden.

Die eingeschränkte Kommunikation und die geringe soziale Präsenz, die ein

Fernstudium mit sich bringt, haben auch nachteilige Auswirkungen z.B. auf die

Motivation der Studierenden. Die Motivation muss daher Planungsbestandteil

sein. Aufgrund der teilweise hohen Spezialisierung der Module war eine Viel-

zahl unterschiedlicher Tutoren notwendig. Im Rahmen der Probeläufe entwi-

ckelten sich die Tutoren als zusätzliche wichtige Zielgruppe die in der An-

fangsphase nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Vor diesem Hintergrund

wurde ein flexibles Betreuungsmodell, basierend auf dem Split-Tutor-Konzept,

entwickelt.

Projektüberblick eLearning Bauphysik (eLBau) wurde 2005 durch ein Kernteam von drei Mitar-

beitern als Zertifikatsstudium geplant und im Rahmen eines Förderprogramms

der Bund-Länder-Kommission umgesetzt. 2007 ging es in den Regelbetrieb

über und wurde bis zum Wintersemester 2008 zu einem akkreditierten weiter-

bildenden Masterstudiengang mit 60 ECTS ausgebaut. Aufgrund seines modu-

laren, ECTS-bewerteten Aufbaus bietet das Studium unterschiedliche Ausbil-

dungsziele: Einzelne Modulbescheinigungen, verschiedene Zertifikate oder

einen akkreditierten Masterabschluss. Zwischen diesen Zielen können die Stu-

dierenden bei Bedarf jederzeit wechseln. Bereits anderweitig erworbenes

Fachwissen kann nach festgelegten Kriterien oder einer Gleichwertigkeitsprü-

fung durch den Prüfungsausschuss auf die Ausbildung anerkannt werden.

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Karin Gorges, Thomas Bröker

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Ausgewählte Module des Fernstudiums werden zudem auch in der grund-

ständigen Lehre des Fachbereiches, zur Anschlussqualifizierung für Doktoran-

den und als zusätzliches Angebot für Studenten im Auslandssemester einge-

setzt. In der semesterweisen Evaluierung erhält das Studium sowohl von

inhaltlicher Seite als auch hinsichtlich der Betreuung durchgehend positive

Bewertungen. Nach einer anfänglichen Förderphase trägt sich das Studium mit

etwa 40 Studierenden pro Semester selbst.

Grundlagenentwicklung: Ermittlung der Anforderungen Der Ursprung des Projekts lag in vermehrten Anfragen zu Weiterbildungsmög-

lichkeiten im Bereich der Bauphysik. Dieser relativ stark spezialisierte Fachbe-

reich im Bauingenieurwesen und der Architektur geht jedoch mit einer zah-

lenmäßig stark eingeschränkten Zielgruppe einher. Ausgangspunkt des

Projekts war daher eine intensive Planungsphase vor der eigentlichen Umset-

zung. Anhand einer sehr differenzierten Markt- und Zielgruppenanalyse wur-

de der tatsächliche Bedarf abgeschätzt. Es zeigte sich, dass aufgrund der ver-

schiedenen beruflichen und privaten Hintergründe der Zielgruppe von ganz

unterschiedlichen zeitlichen, organisatorischen und finanziellen Rahmenbe-

dingungen der Studierenden auszugehen ist. Auch hinsichtlich fachlicher

Kenntnisse und Fähigkeiten ist die untersuchte Zielgruppe sehr heterogen

[Gorges, Kornadt 2011]. Aus den Ergebnissen der Grundlagenermittlung wur-

den die wesentlichen Anforderungen für die Umsetzung des Studiengangs

entwickelt.

Die unterschiedlichen und veränderlichen Lebenssituationen der Ziel-

gruppe und die örtlich weite Verteilung potentieller Interessenten erfor-

dern eine hohe zeitliche und örtliche Unabhängigkeit des Studiums. Es

muss entsprechend flexibel aufgebaut sein, um auf diese Situation und auf

Veränderungen eingehen zu können.

Ein weiterbildendes Studium bringt Studierende mit sich, die bereits beruf-

liche Erfahrungen gesammelt haben und mit sehr konkreten Fragestellun-

gen in das Studium gehen. Sie erwarten in einem wesentlich höheren Maße

als grundständig Studierende Anknüpfungspunkte an die Praxis und eine

schnelle Anwendbarkeit neuen Wissens und neuer Fähigkeiten.

Trotz der insgesamt starken Spezialisierung des Studiums beinhaltet es

verschiedene Teilbereiche, die in Architektur und Bauingenieurwesen eine

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eLearning Bauphysik — Nachhaltigkeit durch Flexibilität

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bedeutende Rolle spielen. Dazu gehören zum Beispiel Themen im Bereich

der Energieeffizienz von Gebäuden. Solche Themen sollten auch einzeln

angeboten werden können.

Der geplante inhaltliche Umfang des Studiums machte die Einbindung

zusätzlicher Autoren bei der Umsetzung notwendig. Trotz einer Vielzahl

zusätzlicher Autoren sollte jedoch eine gleichbleibende Qualität der Inhal-

te, der Didaktik und der Betreuung sichergestellt werden.

Maßnahmen zur Umsetzung der Anforderungen Die beiden wichtigsten Schlussfolgerungen aus der Zielgruppenanalyse waren

eine größtmögliche Flexibilität des Studiums und eine hohe Praxisrelevanz der

Inhalte. Sowohl zeitlich, räumlich als auch organisatorisch musste das Studie-

ren in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen möglich sein. Inhalte und

Methoden mussten auf die Erwartungen der Zielgruppe ausgerichtet werden

und sollten sich an der beruflichen Praxis orientieren. Auf dieser Grundlage

wurde die weitere Umsetzung des Studiums geplant, entsprechende Maßnah-

men festgelegt und im Rahmen von Evaluationen und Probeläufen kontinuier-

lich überprüft. Die wesentlichen Maßnahmen waren hier:

ein einfaches Qualitätsmanagement, für ein geschlossenes Auftreten und

eine gleich bleibende Qualität der Inhalte,

die Umsetzung der Flexibilität auf der Basis eines modularen Aufbaus des

Studiums und eines blended-learning Konzepts,

die Realisierung praktisch orientierter Lerninhalte und Lernaufgaben

durch die Einbindung entsprechender Fachspezialisten und

eine Motivationsplanung um die Nachteile der eingeschränkten sozialen

Präsenz eines Fernstudiums auszugleichen.

Die ergriffenen Maßnahmen erwiesen sich grundsätzlich als erfolgreich, zeig-

ten jedoch in den Probeläufen verschiedene Rückkopplungen, die von uns so

nicht erwartet wurden. Auf der Basis des Split-Tutor-Konzepts wurde daher

ein angepasstes, dynamisches Betreuungskonzept entwickelt, um auf negative

Auswirkungen der bisherigen Maßnahmen zu reagieren.

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Karin Gorges, Thomas Bröker

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Qualitätsmanagement Je größer die Anzahl der Beteiligten bei der Umsetzung eines Projekts ist, desto

schwieriger wird es, eine gleich bleibend hohe Qualität und ein einheitliches

Gesamtbild sicher zu stellen. Sowohl aus didaktischer als auch aus Marketing-

Sicht ist ein einheitliches Erscheinungsbild jedoch wichtig. Die Studierenden

sollen sich innerhalb des gesamten Studiengangs auf die fachlichen Inhalte

konzentrieren können. Im Rahmen eines Fernstudiums spielt das eine noch

größere Rolle da sich die Studierenden in der Regel allein mit Aufgabenstel-

lungen und Lernmaterialien auseinander setzen müssen. Daher ist es wichtig,

dass Aufbau und Struktur von Inhalten und Aufgaben einem klaren Muster

folgen, um die Orientierung zu erleichtern.

Auf der Basis einer Gestaltungsrichtlinie und eines organisatorischen Leitfa-

dens wurde ein einfaches Qualitätsmanagement für die Umsetzung des Studi-

engangs aufgebaut. Die Gestaltungsrichtlinie musste ein einheitliches Gesamt-

bild sicherstellen und einen konsistenten Grundaufbau der Lernmaterialien

regeln und dabei einen Mittelweg zwischen Vorgaben und gestalterischer Frei-

heit gehen. Auch Ersteller von Inhalten mit wenig grafischer Erfahrung muss-

ten genügend Anleitung erhalten um gute Ergebnisse zu erzielen, gleichzeitig

musste der Umfang jedoch so begrenzt sein, dass eine schnelle Einarbeitung

möglich war. Grundlage dafür war daher ein Beispielkatalog für den Aufbau

von Lerninhalten, die Gestaltung von Grafiken, Animation und interaktiven

Medien sowie entsprechende Vorlagen für die jeweiligen Programme.

Ein organisatorischer Leitfaden regelte hierbei über ein zentrales Lektorat den

Umgang mit den verschiedenen Dateien und Dateibezeichnungen von der

ersten Skizze, über verschiedene Bearbeitungsstände bis hin zum fertigen Er-

gebnis.

Flexibilität Die Forderung nach einer größtmöglichen Flexibilität des Studiums betrifft die

zeitliche, räumliche und organisatorische Flexibilität. Deren Umsetzung war

nicht nur notwendig, um sich an die Lebenssituationen der Studierenden an-

zupassen. Ohne eine örtliche Unabhängigkeit war, aufgrund der fachlichen

Spezialisierung, eine kontinuierliche Auslastung des Weiterbildungsangebotes

nicht denkbar. Grundlage des gesamten Studiums ist daher ein blended-

learning Konzept mit hohem Fernlernanteil.

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eLearning Bauphysik — Nachhaltigkeit durch Flexibilität

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Durch den Einsatz verschiedener medialer Hilfsmittel ist es nicht mehr wichtig,

in der Nähe des Studienortes zu wohnen. Das Studium kann von überall her

realisiert werden. Die Studierenden von eLBau kommen aus ganz Deutschland

und dem deutschsprachigem Ausland. Auch Deutsche, die sich momentan in

anderen europäischen Ländern aufhalten, nutzen die Studienmöglichkeiten bei

eLBau. Gleiches gilt auch für die Fachbetreuer. Für die Verteilung der Lernma-

terialien und Arbeitsaufgaben, das Abgeben von Übungsaufgaben, das Geben

von Feedback, das Führen von (Fach-)Diskussionen und die meisten Kommu-

nikationsprozesse arbeiten wir mit einer Lernplattform. Für live-online Veran-

staltungen (Vorträge, Seminare, Konsultationen) verwenden wir ein virtuelles

Klassenzimmer.

Den Studierenden wird die individuelle Zeitplanung relativ frei gestellt. Das

wird realisiert über die Reduzierung der Präsenzzeiten bei einem gleichzeitig

hohen Selbststudienanteil. Bei der Festlegung der Präsenzzeiten werden immer

auch Samstage einbezogen um den erforderlichen Urlaubsaufwand der berufs-

tätigen Studierenden zu reduzieren. Bewusst gibt es in der Weiterbildung kei-

ne festgelegten Semesterferien. Die Studierenden nehmen nach familiären und

betrieblichen Randbedingungen Urlaub, sprechen die Zeiten mit den Studien-

betreuern ab und holen den zu bearbeitenden Studienstoff vor oder nach. Zu-

sätzlich haben die Studierenden die Möglichkeit über das Sammeln einzelner

Modulabschlüsse über jeweils individuelle Zeiträume ihre angestrebten Ab-

schlüsse zu erreichen. Gewisse Einschränkungen bei der freien Zeitplanung

bilden notwendige Präsenzzeiten (z.B. Praktika und Prüfungen), Abgabetermi-

ne bei Aufgaben oder auch abendliche Online-Seminare.

Auch organisatorisch muss die Weiterbildung in einem hohen Maße flexibel

sein, um den Bedürfnissen der Zielgruppe zu entsprechen. Grundlage dafür ist

die Gliederung des Studiums in ECTS bewertete Module. Die Module können

zu verschiedenen Abschlüssen kombiniert werden. Momentan werden 4 Zerti-

fikatsabschlüsse und ein Masterabschluss angeboten. Es besteht aber auch die

Möglichkeit, nur einzelne ausgewählte Module zu belegen. Module können in

der Regelstudienzeit oder über individuelle Zeiträume zu angestrebten Ab-

schlüssen gesammelt werden. Da sich die individuellen Randbedingungen der

Studierenden während der Studienzeit ändern können, besteht bei Bedarf auch

immer die Möglichkeit vom Masterstudiengang in die Zertifikatsstudien zu

wechseln und umgekehrt. Dafür werden für die Studierenden dann individuel-

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Karin Gorges, Thomas Bröker

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le Studienpläne erstellt. Diese hohe organisatorische Flexibilität ist aber auch

verbunden mit einem hohem Betreuungs- und Verwaltungsaufwand.

Praxisrelevanz Eine Befragung der Teilnehmer ergab, dass von den weiterbildenden Studien

sowohl wissenschaftlich als auch praktisch relevante Inhalte erwartet werden.

Aber auch bei eher wissenschaftlich ausgerichteten Inhalten muss der Bezug

zur Praxis erkennbar bleiben. In den meisten Modulen arbeiten die Studieren-

den in Projekten und häufig auch im Team. Das entspricht den Arbeitsmetho-

den, die sie auch im Alltag bewältigen müssen. Da alle Teilnehmer berufstätig

sind werden einerseits Probleme aus der täglichen Praxis in das Studium hin-

ein getragen, andererseits erwarten die Teilnehmer auch, ihr im Studium er-

worbenes Wissen möglichst zeitnah in der beruflichen Praxis einsetzen zu

können. In drei Probeläufen wurden die Studieninhalte an der realen Ziel-

gruppe getestet und über Feedbackschleifen verbessert. Sowohl die Entwick-

lung als auch die Betreuung aller Module konnte nicht durch das Kernteam

abgedeckt werden. Deshalb wurden von Anfang an auch Autoren und Fachbe-

treuer aus der Praxis in die Planung der Weiterbildung einbezogen. Dadurch

konnten Aufgaben und Projekte zur Anwendung des vermittelten Wissens

sehr praxisnah gestaltet werden. Einen weiteren Anknüpfungspunkt an die

Praxis bietet eine zusätzlich zum Studium angebotene Online-Vortragsreihe zu

aktuellen Fachthemen. Hier werden Referenten eingeladen, die Fallbeispiele

aus der Praxis vorstellen und im Anschluss mit den Teilnehmern darüber dis-

kutieren. Dieses Zusatzangebot ist kostenfrei und öffentlich. Es dient als Treff-

punkt für Fachleute, wo Referenten, Studierende, Absolventen und andere

Interessierte ins Gespräch kommen können.

Studierende bleiben auch nach Abschluss ihrer Studien eingeschrieben, haben

weiterhin Zugriff auf die jeweils aktuellen Lernmaterialien und können sowohl

das Forum als auch aktuelle Veranstaltungsangebote nutzen. Nicht selten flie-

ßen so auch praktische Erfahrungen der Absolventen wieder in das Studienan-

gebot zurück, sei es durch Kommentare auf Forenfragen oder durch aktive

Mitarbeit als Fachtutor oder Referent.

Motivation Mit Aufnahme eines weiterbildenden Studiums sind die Teilnehmer in den

allermeisten Fällen hoch motiviert. Diese Motivation wird nach unserer Erfah-

rung durch die erste Präsenzphase noch gesteigert. Mit zunehmender Studien-

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eLearning Bauphysik — Nachhaltigkeit durch Flexibilität

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dauer wird es jedoch immer schwieriger, die Eigenmotivation aufrecht zu er-

halten. Nicht selten werden die mit dem Studium verbundenen Belastungen

und das hohe Maß an Eigenverantwortung und Selbstdisziplin vor Beginn des

Studiums unterschätzt. Die hohe zeitliche und örtliche Flexibilität, die vielen

Studierenden das Fernstudium überhaupt erst ermöglicht, hat zudem den

Nachteil, dass sich schwer soziale Präsenz herstellen lässt. Aufgrund der ab-

sehbaren Nachteile eines Fernstudiums wurde daher ein Schwerpunkt auf die

Umsetzung einer durchgehenden Motivationsplanung gelegt. Sie legt sowohl

organisatorische als auch didaktische Maßnahmen fest und bildet einen festen

Rahmen innerhalb dessen sich die Studierenden aber frei bewegen können.

Dieser Rahmen unterstützt bei der Strukturierung des Lernprozesses und för-

dert gemeinschaftliches Arbeiten.

Der organisatorische Rahmen wird gebildet durch die Taktung der Module in

Kurse und durch obligatorische Präsenztermine, unabhängig davon, ob es sich

um Vor-Ort-Präsenzen oder Online-Termine im virtuellen Klassenzimmer

handelt. Neben den fachlich vermittelten Inhalten wird hier vor allem auch die

soziale Nähe gefördert, die für das Durchhaltevermögen im Fernstudium uner-

lässlich ist.

Motivation bei der Bearbeitung der Lerninhalte versuchen wir durch eine Viel-

falt didaktischer Methoden zu erreichen, die auf die jeweiligen Inhalte und

Lernziele eines Moduls abgestimmt sind. Grundlegende Zusammenhänge

können sehr gut durch Texte, Grafiken und Animationen vermittelt werden.

Übergreifende Zusammenhänge bieten wir eher in Form von Projektbearbei-

tungen an. Inhalte mit hohem Aktualisierungsgrad sind besser durch Online-

Seminare abzudecken.

Angeregt werden die Lernprozesse durch entsprechende Arbeitsaufgaben

unterschiedlichsten Formats: Selbsttests im Anschluss an theoretische Lernein-

heiten, projektbasierte Szenarien, Berechnungen, Ausarbeitungen oder auch

Diskussionsaufgaben im Forum. Besonderen Wert legen wir dabei auf Praxisre-

levanz und einen ausgewogenen Wechsel von Einzel- und Gruppenarbeiten.

Gibt es nur Einzelaufgaben kann das schnell zum Motivationsverlust durch

fehlenden persönlichen Kontakt führen. Werden nur Gruppenarbeiten angebo-

ten, kann die Motivation wegen des hohen Abstimmungsaufwandes schwin-

den. Zeitnahe und konstruktiv-kritische Feedbacks durch die Fachtutoren spie-

len in diesem Zusammenhang ebenso eine wichtige Rolle.

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Karin Gorges, Thomas Bröker

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Ein Gruppengefühl entsteht beim Fernstudium nicht automatisch. Das gemein-

same Arbeiten (auch im virtuellen Klassenzimmer) wird daher besonders in

den Grundlagenmodulen durch entsprechende Aufgabenstellungen gefördert.

Die Studierenden lernen sich gegenseitig besser kennen, erkennen die Vorteile

gemeinsamen Arbeitens und bauen Berührungsängste bei der Handhabung

der meist noch unbekannten Werkzeuge ab. Unsere Erfahrungen zeigen, dass

die Studierenden dann auch in den vertiefenden Semestern weiter zusammen-

arbeiten. Sowohl bei der Bearbeitung von Einzelaufgaben als auch bei der Prü-

fungsvorbereitung entwickeln sich meist feste Lerngruppen, die das Durchhal-

tevermögen wesentlich verbessern.

Ein weiterer wichtiger Motivationsfaktor ist der persönlich Kontakt zu den

Betreuern des Studienganges. Hier hat sich der Einsatz von Lerngruppentuto-

ren bewährt, die als persönliche, modulübergreifende Ansprechpartner über

die gesamte Studienzeit zur Verfügung stehen. Die Studierenden können mit

den Lerngruppentutoren jederzeit organisatorische, technische aber auch pri-

vate Probleme besprechen. Außerdem kümmern sich die Lerngruppentutoren

darum, dass alle Studierenden am Ball bleiben z.B. durch Erinnerungen an

Abgabetermine, Umplanen von Studienabläufen bei Problemen seitens der

Studierenden oder auch durch das Vermitteln bei Unstimmigkeiten zwischen

Fachtutoren und Studierenden.

Erfahrungen aus den Probeläufen Im Verlaufe des Projektes wurde anfangs ein exemplarisches Modul entwickelt

und anschließend in einem Probelauf getestet. Die Erkenntnisse daraus flossen

direkt in die Planung der nächsten Module mit ein. In Summe gab es drei Pro-

beläufe mit entsprechenden Feedbackschleifen, in denen die Mehrzahl der

Module getestet wurde. Die Entwicklungs- und Organisationsansätze wurden

während dieses Prozesses fortlaufend angepasst und weiter entwickelt. Neben

vielen kleineren Verbesserungen ergab sich auch ein größeres Probleme, das im

Vorfeld nicht ausreichend durchdacht war: Die Heterogenität der Gruppe der

Autoren und Fachbetreuer und das Fehlen eines darauf zugeschnittenen spezi-

fischen Betreuungsmodells.

Fachtutoren — Ein komplexes Problem Bei der Gruppe der Lehrenden erschien eine Zielgruppenuntersuchung zu-

nächst nicht erforderlich. Im Laufe der Projektentwicklung stellte sich das je-

doch als Irrtum heraus. Wissenschaftliche Weiterbildungen, die zu einem Mas-

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eLearning Bauphysik — Nachhaltigkeit durch Flexibilität

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terabschluss führen, gehen oft sehr stark in theoretische Tiefen. Gerade berufs-

begleitende Weiterbildungen verlangen aber immer auch einen Praxisbezug. In

modular sehr ausdifferenzierten Curricula ist es theoretisch möglich — und

wünschenswert — für jedes Modul einen eigenen inhaltlichen Spezialisten als

Betreuer einzusetzen; wenn man diesen denn findet und auch möglichst lang-

fristig binden kann. Diese Spezialisten sind in der Regel nicht an einer einzigen

Universität versammelt. So ist die Gruppe der Fachtutoren bei eLBau in einem

ähnlichen Ausmaß heterogen wie die Gruppe der Studierenden. Die Gruppe

der Fachtutoren ist geografisch weit verstreut und besteht sowohl aus Wissen-

schaftlern als auch aus Praktikern verschiedenster Altersgruppen. Ebenso sind

auch die überfachlichen Kompetenzen äußerst unterschiedlich ausgebildet.

Nur ein Teil der Fachtutoren hatte Lehrerfahrung und fast keiner hatte Erfah-

rungen in der Fernlehre und im Bereich e-Learning. In unserem Fall war die

fachliche Kompetenz oft bereits der begrenzende Faktor bei der Auswahl der

Fachtutoren.

Schlüsselfaktor Betreuung Die genannten Merkmale der Fachtutorengruppe führten zur Entwicklung

eines arbeitsteiligen dynamischen Betreuungsmodells, das auf dem Split-Tutor-

Konzept beruht. Grundlage hierbei ist die Trennung von fachbezogener und

personenbezogener Betreuung [Kerres, Nübel, Grabe 2005]. In unserem Modell

gibt es drei Rollen: Weiterbildungsträger, Fachtutoren und Lerngruppentuto-

ren. Die Aufgaben des Weiterbildungsträgers (Rechnungsstellung, Vertragsge-

staltung und Catering bei den Präsenztreffen) sind im Wesentlichen festge-

schrieben. Die Aufgabenbereiche der Tutorengruppen sind dagegen flexibler.

Für die beiden Gruppen gibt es einerseits festgelegte Kernaufgaben, anderer-

seits aber auch Aufgaben, die variabel zuzuordnen sind. Die Zuordnung hängt

dabei in erster Linie vom Grad der Ausprägung verschiedener überfachlicher

Kompetenzen der Fachtutoren ab.

Im Folgenden werden die Aufgaben der Tutorengruppen zusammengefasst

(nach [Gorges, Kornadt 2007]):

Aufgaben von Lerngruppentutoren: Technische Hilfe & Unterstützung

Unterstützung bei der Inhaltserstellung und -aktualisierung

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Karin Gorges, Thomas Bröker

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Administration der Lernplattform

Hilfe bei technischen Problemen (ggf. unter Hinzuziehung des

Plattformsupports)

Organisation

Modulübergreifende Inhaltskoordination

Organisatorische Betreuung der Lerngruppe (Studienberatung,

Koordination von Terminen, Motivation, Konfliktlösung)

Einstellen und Freigeben der Lernmaterialien, Aufgaben, Foren, etc.

Erstellen der Semester-Ablaufpläne

Planung des Ablaufes und Durchführung von Präsenzphasen

Kontrolle des Einhaltens von Abgabeterminen

Kommunikation

Bei Notwendigkeit Bindeglied zwischen Lerngruppe und Fachtutor

Strukturieren und Moderieren der Kommunikation im Lernprozess

sowohl online als auch offline

Beisitzer bei Prüfungen oder Präsentationen

Evaluation des Lernangebotes

Aufgaben von Fachtutoren: Erstellen (oder Zusammenstellen) der Lerninhalte und Lernaufgaben bzw.

Aktualisieren der Lerninhalte vor Semesterbeginn unter Berücksichtigung

der Evaluationsergebnisse des vorherigen Durchlaufs

Beantworten fachlicher Fragen im Forum, per Mail oder per

Sofortnachrichten

Fachlicher Ansprechpartner bei Onlineterminen

Geben von Feedback auf Einsendeaufgaben, Entwürfe, Gutachten

Erstellen und Korrigieren von Prüfungen

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Im Idealfall nehmen die jeweiligen Tutoren genau diese festgeschriebenen

Aufgaben wahr. Da das primäre Entscheidungskriterium für einen Fachtutor

aber die Fachkompetenz ist, müssen fehlende überfachliche Fähigkeiten durch

den Lerngruppentutor ausgeglichen werden. Er fungiert als Puffer zwischen

den Betreuungsanforderungen und den vorhandenen Fähigkeiten. Die Ver-

antwortung für die inhaltlich korrekte und erschöpfende Fragenbeantwortung

liegt aber in jedem Fall beim Fachtutor. Die Kommunikationswege sind jedoch

unterschiedlich (Beispiel 1).

Beispiel: Ein Student stellt eine Frage im Forum.

A. Der Fachtutor prüft das Forum, liest die Frage und beantwortet sie im

Forum.

B. Der Lerngruppentutor sieht die Frage beim täglichen Forencheck und

schreibt dem Fachtutor eine Hinweismail mit dem Betreff: Frage im Forum

XY, der Fachtutor beantwortet die Frage im Forum.

C. Der Lerngruppentutor sieht die Frage beim täglichen Forencheck und leitet

die Frage per Mail an den Fachtutor weiter. Dieser beantwortet die Frage

per Mail an den Lerngruppentutor, der die Antwort dann in das Forum

einstellt.

Beispiel 1: Unterschiedliche Kommunikationswege, abhängig von den Fähig-

keiten und Möglichkeiten des Fachtutors.

Um den Studierenden über Ihre gesamte Studienzeit eine gewisse Konstanz in

der Betreuung zu bieten werden bei eLBau als direkte Ansprechpartner zwei

Lerngruppentutoren eingesetzt. Diese stehen in Kontakt mit allen anderen

betreuenden Personen und bilden damit den zentralen Anlaufpunkt aller am

Lernprozess Beteiligten. Die Lerngruppentutoren sind Mitarbeiter der Profes-

sur Bauphysik und sind aus dem Kernteam des Projektes hervorgegangen. Sie

sind in jedem Fall zu den Präsenztreffen anwesend und führen auch die Ein-

führungsveranstaltung durch. So ist gewährleistet, dass Studierende und Lern-

gruppentutoren sich persönlich kennen. Das erleichtert den Aufbau eines Ver-

trauensverhältnisses erheblich.

Fazit Erfolgsbasis des Projekts war die Zielgruppen- und Bedarfsermittlung zu Pro-

jektbeginn. Darauf aufbauend wurde die Entwicklungsrichtung festgelegt und

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Karin Gorges, Thomas Bröker

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die Umsetzung geplant. Die aus dieser Phase hervorgegangenen Prognosen

haben sich im weiteren Projektverlauf bestätigt und wurden durch sehr früh-

zeitige Probeläufe fortlaufend angepasst und verbessert. Feedback seitens der

Studierenden konnte so unmittelbar in die parallel laufende Weiterentwick-

lung und Überarbeitung fließen. Diese agile Vorgehensweise hat sich bewährt,

da Erfahrungen bereits in der Entwicklungsphase gesammelt wurden und im

weiteren Verlauf darauf zurückgegriffen werden konnte.

Erfolgsfaktoren des Studiums sind seine hohe Flexibilität, die Relevanz für die

Praxis der Studierenden und eine auf die Nachteile eines Fernstudiums einge-

hende Motivationsplanung. Es hat sich gezeigt, dass diese Faktoren unterei-

nander in einem engen Zusammenhang stehen und sich gegenseitig beeinflus-

sen: Eine zu starke Flexibilität schränkt die limitierte soziale Präsenz eines

Fernstudiums weiter ein und beeinflusst die Motivation der Studierenden. Die

praktische Orientierung des Studiums lässt sich nur mithilfe entsprechender

Fachspezialisten erreichen. Eine Vielzahl unterschiedlicher Betreuer fragmen-

tiert jedoch das Betreuungsverhältnis, behindert den Aufbau eines Vertrauens-

verhältnisses und macht den Erfolg von den sehr unterschiedlichen überfachli-

chen Fähigkeiten der einzelnen Betreuer abhängig. Die Einflussnahme auf die

Motivation der Studierenden lässt sich zwar planen, jedoch von Betreuern mit

wenig oder keiner E-Learning-Erfahrung nicht oder nur bedingt umsetzen.

Alle Erfolgsfaktoren stehen in einem Zusammenhang mit der Betreuung. Von

ihr hängt maßgeblich ab inwieweit nachteilige Auswirkungen entstehen und

ausgeglichen werden können. Das Betreuungsmodell muss daher auf diese

Rahmenbedingungen reagieren, denn nur darüber lässt sich die Motivation

aktiv beeinflussen. Damit nimmt das Betreuungsmodell eine Schlüsselposition

für den Gesamterfolg ein. Diese Erkenntnis hat sich erst im Rahmen der Probe-

läufe durchgesetzt. Die Autoren- und Tutoren sind eine relevante Zielgruppe,

die im Rahmen der Grundlagenermittlung eines E-Learning-Projekts berück-

sichtigt werden muss. Sie spielt eine ebenso große Rolle für den Erfolg wie die

Betrachtung der Zielgruppe der Studierenden. Das Betreuungsmodell muss auf

die Gegebenheiten und begrenzenden Faktoren der verschiedenen Zielgruppen

eingehen. Die erforderliche Flexibilität und Praxisrelevanz für die Studieren-

den hat sich letztlich nur durch ein ebenso flexibles Betreuungsmodell umset-

zen lassen. Dieses Modell berücksichtigt die überfachlichen Kompetenzen auf

Betreuungsseite genau so individuell, wie die jeweiligen Lebenssituationen der

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eLearning Bauphysik — Nachhaltigkeit durch Flexibilität

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Studierenden. In Person der Lernguppentutoren erhält das Studium damit

gegenüber allen Beteiligten ‚ein Gesicht‘.

Referenzen Kerres, Michael; Nübel, Ilke; Grabe, Wanda (2005): Gestaltung der Betreuung

beim E-Learning. In: Euler, Dieter/ Seufert, Sabine (Hrsg.): E-Learning in Hoch-

schulen und Bildungszentren. München: Oldenbourg, S. 335-350.

Gorges, Karin; Kornadt, Oliver (2011): Student ist nicht gleich Student - die

Bedeutung der Zielgruppenorientierung bei der Konzeption und Durchfüh-

rung von eLearning-Weiterbildungsangeboten. In: Hambach, Sybille; Martens,

Alke; Urban, Bodo (Hg.): eLearning Baltics 2011. Proceedings of the 4th Inter-

national eLBa Science Conference. Stuttgart: Fraunhofer, S. 182–197.

Gorges, Karin; Kornadt, Oliver (2007): e-Learning Bauphysik - Erfahrungen aus

einem weiterbildenden Studiengang. In: Lange, Jörg (Hg.): Bauingeni-

eur(aus)bildung im 21. Jahrhundert Was soll gelehrt werden - wie soll gelehrt

werden? 1. Darmstädter Ingenieurkongress - Bau und Umwelt. Darmstadt:

Eigenverlag: Technische Universität Darmstadt, S. 19–28.

Vita Karin Gorges – Studium Bauingenieurwesen in Weimar, anschließend Mitarbeit

bei der Arbeitsvorbereitung und Bauleitung in einem Holzbauunternehmen

und Tragwerksplanung in einem Ingenieurbüro; seit 2002 wissenschaftliche

Mitarbeiterin am Lehrstuhl Bauphysik an der Bauhaus-Universität Weimar;

Entwicklung, Umsetzung und Betreuung des weiterbildenden Studiengangs

eLearning Bauphysik, berufsbegleitendes, weiterbildendes Masterstudium

Mediendidaktik in Duisburg, jetzt Studiengangsleiterin des weiterbildenden

Masterstudienganges ‚Bauphysik und energetische Gebäudeoptimierung’ an

der Bauhaus-Universität Weimar.

Thomas Bröker — Studium der Architektur an der BTU Cottbus anschließende

Mitarbeit am dortigen Lehrstuhl für Bauphysik und Lehrauftrag am Lehrstuhl

Technischer Ausbau. Seit 2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl

Bauphysik; Entwicklung, Umsetzung und Betreuung des weiterbildenden

Studiengangs eLearning Bauphysik. Seit 2007 im InnoProfile Projekt ‚Intelli-

gentes Lernen’ mit Schwerpunkt spielbasiertes Lernen in den Ingenieurwissen-

schaften.

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Hans G. Müller: Universität Potsdam, [email protected]

Testtheoretische Methoden zur automatischen Leistungsdifferenzierung im E-Learning am Beispiel von Orthografietrainer.net

Zusammenfassung Eine der großen Chancen des E-Learnings besteht darin, die automatisch anfal-

lenden großen Datenmengen vieler Benutzer statistisch auszuwerten und zur

fachdidaktischen Forschung heranzuziehen. Ein Großteil dieser Auswertung

kann automatisch geschehen und zur sofortigen Optimierung des Lernangebo-

tes herangezogen werden. Mithilfe geeigneter testtheoretischer Verfahren lässt

sich bspw. eine automatische Leistungsdifferenzierung durch Zusammenstel-

lung individuell angepassten Lernmaterials realisieren. Diese Vorgehensweise

zeitigt dreifachen Nutzen: Sie führt bei den Lernenden zu einer besseren Ab-

stimmung von Leistungsniveau und Leistungsanforderung, sie unterstützt und

entlastet Lehrende bei ihren didaktischen und pädagogischen Entscheidungen

und ermöglicht schließlich empirisch fundierte fachdidaktische Untersuchun-

gen. Am Beispiel der Lernplattform Orthografietrainer.net werden in diesem

Beitrag grundlegende Verfahren vorgestellt und illustriert. Die Diskussion

wichtiger Möglichkeiten für die fachdidaktische Forschung schließt den Beitrag

ab.

Leistungsdifferenzierung als Chance des E-Learnings Im KMK-Beschluss zur Förderung leistungsschwächerer Schülerinnen und

Schüler vom 4. 3. 2010 wurde erneut auf das Problem leistungsheterogener

Lerngruppen durch die Forderung verstärkt leistungs- und binnendifferenzier-

ten Unterrichts reagiert: „Durch Entwicklung und Einsatz von Fördermateria-

lien, binnendifferenzierte Unterrichtsgestaltung [...] werden Lernsituationen

individualisiert und (leistungs-)differenziert gestaltet.“ (KMK 2010: 9).

Es besteht kein Zweifel, dass der Erfolg jedes schulischen Lernprozesses in

entscheidender Weise davon abhängt, inwieweit es gelingt, jeden Lernenden

genau dort abzuholen, wo er gerade steht. Dennoch ist individualisierte Leis-

tungs- und Binnendifferenzierung in der Unterrichtspraxis selten. Der dafür

notwendige erhebliche Mehraufwand in Nach- und Vorbereitung ist angesichts

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Testtheoretische Methoden zur automatischen Leistungsdifferenzierung

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steigender Klassenstärken und erhöhter Stundendeputate auch beim besten

Willen des Lehrenden kaum zu realisieren.

Doch auch aus diagnostischen Gründen kann die Bereitstellung leistungsdiffe-

renzierenden Fördermaterials an praktische Grenzen stoßen. Denn keineswegs

ist im Einzelfall immer eindeutig ersichtlich, auf welcher Leistungsstufe ein

Lernender steht und mit welchen Mitteln seine Entwicklung am günstigsten zu

fördern wäre. Die diagnostische Kompetenz des Lehrenden, die sich nur durch

langjährige Erfahrung erwerben und festigen lässt, spielt hier eine entschei-

dende Rolle. Leistungsdifferenzierung innerhalb heterogener Lerngruppen ist

daher in der Praxis ebenso selten wie notwendig – eine klassische Dilemmasi-

tuation.

Unter den vielen Vorzügen, die E-Learning anderen Lernformen gegenüber

besitzt, ist die Möglichkeit zur automatischen Leistungsdifferenzierung bisher

noch wenig in den Blick geraten. Dabei bieten viele E-Learning-Angebote

schon heute eine Reihe wichtiger Voraussetzungen, von denen die erfolgreiche

Erstellung individueller Kompetenzprofile abhängt, nämlich namentlich

a) einen nach didaktischen Kriterien strukturierten Pool von in Art und Ni-

veau heterogenen Arbeitsmaterialien,

b) einen in Schulart und Klassenstufe differierenden Pool von in Kompetenz

und Leistungsprofilen heterogenen Benutzern,

c) die zumindest theoretisch vorhandene Möglichkeit, a) und b) aufeinander

abzubilden und damit systematische Erkenntnisse über Lernstrategien und

Lernwege zu ermitteln.

Insbesondere durch den letzten Punkt eröffnen sich Möglichkeiten, die nicht

nur für den Unterrichtsalltag, sondern auch für die fachdidaktische Kompe-

tenzforschung von Belang sind. Grundlegende technische Voraussetzung ist

eine Datenbank, die es ermöglicht, die Lösungsversuche jedes Benutzers dau-

erhaft zu erfassen, sowie ein geeignetes statistisches Verfahren, um aus den

Daten Schwierigkeits- und Kompetenzprofile abzuleiten. Das dafür notwendi-

ge Verfahren soll im Folgenden an der E-Learning-Seite

www.orthografietrainer.net illustriert werden.

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Hans G. Müller

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Automatische Leistungsdifferenzierung am Beispiel von Orthografietrainer.net Grundgedanken der automatischen Leistungsdifferenzierung mithilfe der IRT Gesetzt den Fall, man wüsste von jeder Aufgabe eines klar umrissenen Kompe-

tenzbereichs wie etwa Orthografie die genaue Schwierigkeit, z. B. als einen

Messwert auf einer Skala von 0 bis 100, dann ließe sich aus dieser Kenntnis eine

natürliche Erwerbsreihenfolge vom Leichtesten hin zum Schwierigsten ablei-

ten. Individuelle Leistungsdifferenzierung wäre in diesem Falle nur noch eine

Frage der Einstufung jedes Lernenden anhand dieser Skala: Er würde genau

diejenigen Aufgaben bearbeiten, die knapp oberhalb seiner bereits erreichten

Kompetenz liegen. Abb. 1 stellt diese Situation grafisch dar: Der Erwerb der

dargestellten Kompetenz würde in natürlicher Weise von Aufgabe a über d

und b zu c fortschreiten. Person Z beispielsweise, die den Aufgabentyp a be-

reits beherrscht, sollte nun mit d weitermachen, noch nicht aber mit b und

schon gar nicht mit c. Person Y hingegen wäre mit a, d und b längst unterfor-

dert.

Abb. 1: Aufgabenschwierigkeiten und Personenkompetenzen auf einer Kompetenzskala

Den eben illustrierten hypothetischen Fall in die Praxis umzusetzen, ist mithilfe

der probabilistischen Testtheorie, auch bekannt als IRT (item response theory)

oder Rasch-Modell, möglich. Die IRT ist nicht nur in der Lage, eine solche

Kompetenzskala zu ermitteln und darauf sowohl die Schwierigkeiten einer

jeden Testaufgabe als auch die Kompetenzen eines jeden Testteilnehmers zu

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Testtheoretische Methoden zur automatischen Leistungsdifferenzierung

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verorten, sondern sie ermöglicht es ferner, zu prüfen, ob es eine solche Kompe-

tenzskala überhaupt gibt oder ob der scheinbar eindimensionale Lernbereich

nicht vielmehr in viele unterschiedliche Kompetenzen zerfällt.

Anhand des Lernbereichs Orthografie lässt sich dieses Problem gut vor Augen

führen: Die traditionelle Kompetenzbestimmung der Rechtschreibleistung

basierte auf der Berechnung von Fehlerquotienten – und zwar unabhängig

davon, ob ein Normverstoß ein einfaches Wort oder ein komplexes Satzgefüge

betrifft. Wäre orthografische Kompetenz ein eindimensionaler Lernbereich, so

wäre dieses Vorgehen vollkommen in Ordnung. Allerdings zeigt die Praxis,

dass es in der Verteilung von orthografischen Normverstößen deutliche indi-

viduelle Unterschiede gibt. Rechtschreibprobleme können sich auf ganz spezi-

fische Phänomene beziehen, etwa die Groß- und Kleinschreibung, die Ge-

trennt- und Zusammenschreibung oder die Kommasetzung. Orthografie ist

daher sehr wahrscheinlich kein eindimensionaler Kompetenzbereich. Um eine

sinnvolle Leistungsdifferenzierung zu ermöglichen, muss folglich von jedem

Lernenden ein Kompetenzprofil erstellt werden, das mehrere Teilkompetenzen

unterscheidet, für die ein je eigener Messwert vorliegt.

Die Aufgabe, die ein E-Learning-System bewältigen muss, um automatische

Leistungsdifferenzierung zu ermöglichen, besteht folglich darin, sowohl quali-

tative (Kompetenzart) als auch quantitative (Kompetenzhöhe) Kennwerte jedes

Übenden zu ermitteln und auf dieser Grundlage passende Aufgaben vorzu-

schlagen, die auf die individuellen Fähigkeiten und Defizite angepasst sind.

Qualitative Leistungsmessung – Kompetenzarten bestimmen Jeder schulische Fachbereich gliedert sich in Teilgebiete, deren Erwerb mehr

oder weniger unabhängig von anderen Bereichen erfolgen kann. Orthografie

beispielsweise gliedert sich in die vier Hauptgebiete Laut-Buchstaben-

Zuordnung, Getrennt- und Zusammenschreibung, Groß- und Kleinschreibung

sowie die Zeichensetzung. Für jedes dieser Gebiete kann eine lernende Person

eine eigene Kompetenz entwickeln und damit ein individuelles Kompetenz-

profil an den Tag legen. Die Bestimmung von Fehlerqualitäten scheint damit

auf den ersten Blick unproblematisch: Für jeden Lernenden sind auf allen vier

Kompetenzdimensionen Messwerte zu ermitteln, die sein Leistungsprofil be-

stimmen.

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Hans G. Müller

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So plausibel dieser Befund auf den ersten Blick erscheint, so problematisch ist

er auf den zweiten. Das liegt weniger an der Tatsache, dass die vier Leistungs-

dimensionen meist hoch miteinander korrelieren, sprich: dass Schülerinnen

und Schüler zwar nicht immer, aber doch häufig in allen Rechtschreibbereichen

mittlere, hohe oder niedrige Leistungen zeigen. Dieser Umstand ließe sich über

Personenvariablen wie Intelligenz, Häufigkeit des Umgangs mit Schriftsprache

oder einem bestimmten Lernertyp erklären. Schwieriger wird es, wenn Ler-

nende innerhalb eines orthografischen Teilbereichs bestimmte typische Fähig-

keiten bzw. Ausfälle zeigen, z. B. bei der Vokalschreibung Fehler machen, die

Großschreibung von Anredepronomen nicht beherrschen oder mit Infinitiv-

kommatierungen nicht zurechtkommen. In solchen Fällen ist es nicht genug,

von nur vier Kompetenzdimensionen auszugehen. Doch wie viele Dimensio-

nen müssen dann angenommen werden? Eine pro Rechtschreibregel? Diese

Annahme wäre plausibel, sofern man annimmt, dass Rechtschreibkompetenz

vorrangig auf Regelkenntnis beruht: Ein Lernender beherrscht eine bestimmte

Regel und folgt ihr damit – oder er beherrscht sie nicht und folgt ihr auch nicht.

Allerdings haben empirische Studien zeigen können, dass Regelkenntnis weder

eine notwendige, noch eine hinreichende Bedingung für Rechtschreibkompe-

tenz ist (vgl. Müller 2007: 182 ff). Viele kompetente Schreiber vertrauen im

Zweifelsfall ihrem Gefühl und liegen damit völlig richtig, ohne die oft komple-

xen Regelzusammenhänge dafür angeben zu können. Umgekehrt führt die

Vermittlung von Rechtschreibregeln keineswegs notwendig zum Verschwin-

den der entsprechenden Rechtschreibfehler – oft noch nicht einmal unmittelbar

im Anschluss an die Vermittlung (vgl. ebd.).

Darüber hinaus konnte exemplarisch gezeigt werden, dass Schreibende sich bei

der Rechtschreibung häufig an sprachlichen Gegebenheiten orientieren, die für

die Regeln gänzlich irrelevant sind. So spielen in der Kommasetzung etwa

nachweislich intonatorische, aber auch inhaltliche Faktoren eine wichtige Rolle,

während für die Regeln ausschließlich der Satzbau von Bedeutung ist (vgl.

Müller 2007: 136 ff). Dies zeigt, dass die mentalen Repräsentationen von Wis-

sen und Fertigkeiten nicht notwendig die gleiche Struktur aufweisen müssen

wie die zugrundegelegten Regeln.

Im Bereich Orthografie gilt dieser Befund aus zwei Gründen in besonderer

Weise: Erstens bilden die Rechtschreibregeln in weiten Teilen lediglich eine

Beschreibung und Modifizierung des geltenden Usus. Die Diskussion um die

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Testtheoretische Methoden zur automatischen Leistungsdifferenzierung

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Rechtschreibreform hat gezeigt, wie sehr die Meinungen von Experten über

Regelgültigkeiten auseinandergehen können. Zweitens handelt es sich bei der

orthografischen Kompetenz um eine Fertigkeit, die in hohem Maße automati-

siert ist und weitgehend unbewusst abläuft. Für automatisierte Fertigkeiten

nimmt die lernpsychologische Forschung in der Regel klare Strukturunter-

schiede zu deklarativen Wissensbeständen an (vgl. Anderson 2001: 281ff).

Die orthografiedidaktische Forschung hat eine Fülle von Fehlertypologien

hervorgebracht, die unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen und verschieden

viele Fehlerkategorien annehmen (für einen aktuellen Überblick vgl. Fay 2010:

29-35). Jede dieser Typologien könnte die Grundlage für die qualitative Leis-

tungsbestimmung auf Orthografietrainer.net bilden, doch obwohl sich in der

Regel in allen Modellen ein gemeinsamer Kern ausmachen lässt, kann derzeit

keine als allgemeiner fachwissenschaftlicher Konsens angesehen werden. Die-

ser Umstand ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass der Versuch bisher

unterblieben ist, die empirische Adäquatheit der verschiedenen Typologien

testtheoretisch zu bestimmen. Zwar werden bei den standardisierten Recht-

schreibtests wie etwa der HSP Gültigkeitstests durchgeführt (vgl. etwa May

2002: 60ff), diese beziehen sich aber nicht auf die Typologisierung der Fehler,

sondern auf globale statistische Gütekriterien. Hier liegt eine der großen fach-

didaktischen Chancen, die sich durch die Nutzung einer Lernplattform und

ihres Datenbestandes ergeben. Sie soll in Kap. 4.1 diskutiert werden.

Da über die Adäquatheit der existierenden Fehlertypologien bisher wenige

Aussagen getroffen werden können, erfolgt die qualitative Leistungserfassung

auf Orthografietrainer.net vorrangig auf der Grundlage der amtlichen Rege-

lungen. Damit ist aus den o. g. Gründen noch nicht notwendig das Optimum

der qualitativen Leistungsbestimmung erreicht, aber das Vorgehen hat ver-

schiedene praktische Vorteile: Zum einen ist eine regelbasierte Bestimmung

von Fehlern und Defiziten unmittelbar plausibel: Wer das Dehnungs-h fehler-

haft verwendet, sollte seinen korrekten Einsatz üben, wer Substantive klein-

schreibt, sollte lernen, sie zu erkennen und großzuschreiben etc. Zum anderen

lässt sich so das Übungsangebot sehr übersichtlich gliedern und auf die Einzel-

regeln der deutschen Rechtschreibung zurückführen. Schließlich ergeben sich

natürliche Parallelen zwischen Schulbuch und Lernplattform, sodass das

Übungsangebot unterrichtsbegleitend eingesetzt werden kann.

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Hans G. Müller

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Die Nachteile, die sich durch dieses Vorgehen ergeben, sind vergleichsweise

gering: Sie liegen v. a. darin, dass die Rückführung eines Fehlers auf ein ganz

bestimmtes Regeldefizit mitunter schwierig ist. Sollte ein Lernender, der „See“

mit „-eh“ schreibt, eher das Dehnungs-h oder eher Wörter mit Doppelvokalen

üben?

Die qualitative Fehlerbestimmung von Orthografietrainer.net weicht in einem

Bereich, nämlich der Zeichensetzung, von dem Grundsatz der Fehlertypologi-

sierung anhand der Rechtschreibregeln ab. Das liegt daran, dass in diesem

Bereich empirische Daten vorliegen, die zeigen, dass für den Schreibprozess

mindestens zum Teil andere Kriterien als für die Regelformulierung ange-

nommen werden müssen. So spielt etwa die Nebensatzart für die Schwierigkeit

einer Kommastelle eine erhebliche Rolle, während sie für die Regeln zur Kom-

masetzung gänzlich bedeutungslos ist (vgl. Müller 2007: 136 ff). Bei der Fehler-

typisierung der Lernplattform wird die Nebensatzart hingegen berücksichtigt,

was zur Folge hat, dass die Trainingseffekte in diesem Bereich besonders hoch

sind. (eine ausführliche Dokumentation ist derzeit in Vorbereitung).

Quantitative Leistungsmessung – Kompetenzhöhe bestimmen Leistungsmessung wird in der Regel vor allem als Messung des Leistungsni-

veaus und damit üblicherweise als Bestimmung eines intervallskalierten Zah-

lenwertes betrachtet. Nur selten wird dabei hinterfragt, ob es sich bei der zu

messenden Kompetenz überhaupt um eine (und nur eine) Kompetenz handelt

oder ob nicht möglicherweise Äpfel und Birnen addiert werden. Für den schu-

lischen Bereich gilt das in ganz besonderem Maße, da hier diskrete Kompeten-

zen oft ganz bewusst miteinander vermischt werden, etwa indem aus natur-

wissenschaftlichen, sprachlichen, künstlerischen und sportlichen Leistungen

ein gemeinsamer Durchschnitt errechnet wird. Dabei ist die Summierung von

Aufgabenlösungen oder die Bildung von Durchschnitten testtheoretisch nur

dann gerechtfertigt, wenn es sich bei den Summanden auch um gleichartige

Entitäten handelt.

Mithilfe der IRT kann man nicht nur Aufgabenschwierigkeiten und Personen-

kompetenzen eines Lernbereiches bestimmen, sondern es lässt sich auch prü-

fen, ob die Annahme, es handle sich um einen und genau einen Kompetenzbe-

reich, überhaupt haltbar ist. Dass diese Frage für die adäquate

Leistungsbeurteilung wie für daraus folgende didaktische Konsequenzen eine

wichtige Rolle spielt, liegt auf der Hand. Ihre Beantwortung ist ebenfalls ein

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Testtheoretische Methoden zur automatischen Leistungsdifferenzierung

114

Mehrwert, der durch den Einsatz der IRT im E-Learning erzielt werden kann.

(vgl. Kap. 4).

Die IRT geht von der Annahme aus, dass die Lösungswahrscheinlichkeit einer

Aufgabe von ihrer Schwierigkeit und der Kompetenz der Person abhängt, wel-

che die Aufgabe bearbeitet. Mit zunehmender Kompetenz steigt die Wahr-

scheinlichkeit der Lösung. Handelt es sich bei einer Menge von Aufgaben um

genau einen Kompetenzbereich, so ist zu erwarten, dass die leichteste Aufgabe

von den meisten Personen, die schwerste hingegen von den wenigsten Perso-

nen gelöst wird. Gleichzeitig sollte ein Lernender, der die Aufgabe X mit der

Schwierigkeit x lösen kann, auch all diejenigen Aufgaben lösen können, die

leichter sind als X. Es wäre unplausibel, wenn eine kompetente Person ausge-

rechnet an den leichten Aufgaben scheiterte bzw. eine Person geringer Kompe-

tenz ausgerechnet die schwierigsten Aufgaben lösen könnte. Die Testtheorie

hat Verfahren entwickelt, mit deren Hilfe entschieden werden kann, ob ein

bestimmtes Set von Aufgaben diesen Kriterien im Rahmen gewisser Schwan-

kungen entspricht und man folglich davon ausgehen kann, dass sie genau eine

Kompetenz messen, oder ob diese Annahme zurückgewiesen werden muss.

Eine Übersicht über die dazu verwendeten Verfahren findet sich bei Rost (2004:

330 ff).

Ohne näher auf die mathematischen Einzelheiten der Parameterschätzung in

der IRT einzugehen (vgl. dazu Rost 2004: 303 ff) liegt ein Problem darin, dass

sich aus den zugrundegelegten Modellgleichungen keine direkte Berechnung

von Personenkompetenzen und Aufgabenschwierigkeiten ableiten lassen.

Vielmehr müssen diese Parameter durch iterative Verfahren näherungsweise

bestimmt werden. Das ist für den E-Learning-Bereich insofern eine Hürde, als

für iterative Verfahren ein hoher Rechenaufwand benötigt wird, der zur Lauf-

zeit einer Onlineanwendung nur schwer zu realisieren ist. Gerade bei wach-

senden Datenmengen ist eine Ermittlung der Parameter auch bei modernster

Hardware eine Operation, die Stunden in Anspruch nehmen kann.

Erfreulicherweise gibt es Rechenalgorithmen, die wesentlich geringere An-

sprüche an die Rechenleistung stellen und zu äquivalenten Messwerten führen,

darunter der sog. Pair-wise-Algorithmus, der die Aufgaben eines Tests paar-

weise miteinander in Beziehung setzt, um zu Schwierigkeitsmesswerten zu

gelangen (vgl. Rost 204: 311, vgl. ebenfalls Stark 2005). Der Algorithmus ist

bezüglich des Rechenaufwandes wesentlich genügsamer und relativ leicht in

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Hans G. Müller

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ein E-Learning-System zu implementieren. Eine kurze Darstellung der mathe-

matischen Zusammenhänge ist im Exkurs unter 2.4 dargestellt.

Die Messwerte, die der Pair-wise-Algorithmus bereitstellt, sind unabhängig

von alters- und klassenstufenbedingten Präferenzen für bestimmte Aufgaben-

gruppen. Denn während man bei regelmäßig verteilten Lösungshäufigkeiten

als Schwierigkeitsmesswert einfach den Prozentsatz von richtigen oder fal-

schen Lösungen an der Gesamtmenge der Lösungsversuche heranziehen könn-

te, ist dies bei altersheterogenen Benutzergruppen nicht möglich. Andernfalls

würden beispielsweise Übungen zur Konsonanten- oder Vokalschreibung, die

vorrangig in der frühen Mittelstufe bearbeitet werden, im Gegensatz zu

schwierigen Kommasetzungsaufgaben für die Oberstufe einen übermäßig ho-

hen Schwierigkeitsparameter zugewiesen bekommen. Der Pair-wise-

Algorithmus hingegen erfüllt das Kriterium der spezifischen Objektivität, d.h.

seine Testwerte sind unabhängig von der Auswahl der Aufgaben, anhand

derer er bestimmt wird.

Während der Vorteil des Pair-wise-Algorithmus darin liegt, dass sich mit sei-

ner Hilfe Schwierigkeitsmesswerte für jede Aufgabe mit vertretbarem Auf-

wand bestimmen lassen, liegt sein Nachteil darin, dass er keine Messwerte für

die Personenkompetenz bereitstellen kann. Damit ermöglicht er zwar die Ord-

nung der Aufgaben ihrer Schwierigkeit nach und folglich eine Art natürliche

Erwerbsreihenfolge, nicht aber die Verortung jedes Lernenden auf diesem Kon-

tinuum – zumindest nicht direkt.

Dieses Manko lässt sich durch Überlegungen ausgleichen, die den Grundan-

nahmen der probabilistischen Testtheorie entsprechen: Da die Lösungswahr-

scheinlichkeit für eine Aufgabe immer mehr abnehmen sollte, je schwieriger

die Aufgabe ist, lässt sich die Kompetenz einer Person an demjenigen Punkt

verorten, wo der Prozentsatz ihrer richtig gelösten Übungen einen bestimmten

Schwellenwert über- bzw. unterschreitet. Für Orthografietrainer.net wurde

dieser Wert auf 90% festgelegt, das heißt, ein Lernender, dem eine Kompetenz

von x zugesprochen wird, hat 90% der Aufgaben die leichter als X sind, richtig

gelöst. Der hohe Wert von 90% wurde dabei aus zwei Gründen gewählt: Ers-

tens stellt Orthografie einen Lernbereich dar, der bei expliziten Aufgabenstel-

lungen einen hohen Grad von Sicherheit zeitigen muss, um auch in der weit-

gehend automatisierten Anwendung im freien Schreibprozess noch korrekte

Anwendung zu finden. Zweitens bildet die 90-Prozent-Marke auch in vielen

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Testtheoretische Methoden zur automatischen Leistungsdifferenzierung

116

Notenschlüsseln die Grenze zwischen „sehr gut“ und „gut“. Der Kompetenz-

wert kann damit als Grenzwert der vglw. sicheren Beherrschung gelten.

Exkurs: Grundgedanken des Pair-wise-Algorithmus’ Die Bestimmung von Aufgabenschwierigkeiten mithilfe des Pair-wise-

Algorithmus basiert auf der Auszählung von Antworthäufigkeiten bei je zwei

Aufgaben (Items). Dabei wird ermittelt, wie oft das Ereignis nji eingetreten ist,

dass eine Person die Aufgabe i lösen konnte, die Aufgabe j hingegen nicht, und

umgekehrt das Ereignis nij, in denen j gelöst werden konnte, i hingegen nicht.

Das Verhältnis dieser beiden Häufigkeiten ist proportional zum Verhältnis der

Exponentialfunktionen ihrer Schwierigkeitsparameter. Verallgemeinert man

diese Formel auf eine Anzahl von k Items und löst sie nach dem Schwierig-

keitsparameter auf, so erhält man die folgende Gleichung, nach der sich die

Aufgabenschwierigkeit σj berechnen lässt:

Pair-wise-Algorithmus: Berechnung des Schwierikgkeitsparameters für die Aufgabe j.

In der praktischen Umsetzung bedeutet das, dass lediglich die Ereignisse nij

und nji ausgezählt und ggf. in der Datenbank vorgehalten werden müssen, um

für die weitere Berechnung zur Verfügung zu stehen. Dieses Vorgehen hat

auch den Vorteil, dass für die Ereignisspanne zwischen dem Lösungsversuch i

und j ein bestimmter Grenzwert festgelegt werden kann. Schließlich arbeiten

viele Lernende über Monate und Jahre auf ein und derselben E-Learning-

Plattform. Dennoch sollen nur diejenigen Lösungen miteinander verrechnet

werden, die innerhalb einer gewissen Zeitspanne gemeinsam aufgetreten sind,

in der sich die Personenkompetenz noch nicht wesentlich verändert hat. Für

Orthografietrainer.net wurde mit einem Grenzwert von einem Monat ein ver-

gleichsweise großzügiger Zeitraum gewählt. Er beruht auf der Überlegung,

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Hans G. Müller

117

dass sich orthografische Kompetenz als vorrangig implizite Fertigkeit eher

langsam und stetig als schlagartig weiterentwickelt.

Die Generierung individueller Trainingspläne auf Orthografietrainer.net Nachdem in den letzten Kapiteln dargestellt worden ist, wie qualitative und

quantitative Kompetenzmessungen erfolgen können, welche Annahmen zu-

grundegelegt werden und welche Fragen sich dabei eröffnen, soll nun darge-

stellt werden, wie die praktische Umsetzung auf der Lernplattform erfolgen

kann.

Die Arbeit auf Orthografietrainer.net gliedert sich in Test- und Übungsphasen,

die einander abwechseln. Während der Testphasen ermittelt das Programm

Kompetenzart und -höhe des Lernenden im jeweils gewählten orthografischen

Teilbereich. Auf dieser Grundlage wählt es Aufgaben aus, die in Qualität und

Anspruchsniveau den Fähigkeiten des Lernenden entsprechen, und trägt sie

als Übungen in die Datenbank ein. Sobald diese Übungen abgearbeitet sind,

erfolgt ein neuer Test, der den neu erworbenen Kompetenzstand ermittelt und

erneut Übungen vorschlägt.

Zur Vorbereitung dieses Auswahlprozesses ist eine einmalige Einschätzung

des Testmaterials erforderlich. Dabei muss festgestellt werden, auf welche

Defizite welcher Fehler hinweist. Wie in Kap. 2.2 beschrieben wurde, erfolgte

diese Einschätzung bei Orthografietrainer.net auf der Grundlage des jeweiligen

Verstoßes gegen die amtlichen Regelungen zur deutschen Rechtschreibung

und wurde von Fachdidaktikern vorgenommen. Das Programm ist damit im-

stande, zu jedem im Test auftretenden Fehler entsprechendes Übungsmaterial

herauszusuchen, das den Umgang mit der nicht beherrschten Rechtschreibre-

gel trainiert. Die qualitative Leistungsermittlung erfolgt damit vergleichsweise

statisch und kann nur durch veränderte fachdidaktische Einschätzungen modi-

fiziert werden (vgl. Kap. 4.1).

Der quantitativen Leistungsbestimmung kommt im Auswahlprozess eine dop-

pelte Bedeutung zu. Zum einen werden auf der Grundlage der Aufgaben-

schwierigkeiten die Tests so zusammengestellt, dass jüngere Klassen auch

leichtere Testsätze bekommen, ältere hingegen schwerere. Zum anderen wird

die Personenkompetenz als Korrektiv für die qualitative Auswahl eingesetzt,

um diejenigen Übungen auszuschließen, deren Erledigung noch keinen hinrei-

chenden Trainingserfolg verspricht. Auch dabei spielen die Schwierigkeits-

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Testtheoretische Methoden zur automatischen Leistungsdifferenzierung

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kennwerte der Sätze, aus denen die Übung zusammengesetzt ist, eine wesentli-

che Rolle. Der Schwellenwert wurde so gewählt, dass die Lernenden mit 80-

prozentiger Wahrscheinlichkeit nicht mehr als fünf Fehler in der jeweiligen

Übung machen werden. Der scheinbar niedrige Fehleranteil ist dem speziellen

Trainingskonzept von Orthografietrainer.net geschuldet, durch das bei jedem

auftretenden Fehler eine bestimmte Menge äquivalenten Übungsmaterials

eingeschoben wird, sodass sich das Training an diesen Stellen nicht nur inten-

siviert, sondern auch zeitlich verlängert. Bei fünf Fehlern kann es für Schüle-

rinnen und Schüler der Sekundarstufe schon 30 Minuten und länger dauern,

die Übung zu absolvieren.

Der dreistufige Auswahlprozess –Testzusammenstellung – qualitative

Übungsauswahl – quantitative Nachselektion – führt nicht nur zu automatisch

leistungsdifferenzierten und auf das Kompetenzprofil angepassten Übungs-

plänen, sondern ermöglicht darüber hinaus auch weitere Einschätzungen, die

für den Unterrichtsalltag von Bedeutung sind. Dies betrifft zunächst den Ver-

gleich von Einzelleistungen mit entsprechenden Vergleichsgruppen, etwa der

Kompetenz des einzelnen Lernenden mit dem Durchschnitt der Klasse oder

dem Durchschnitt aller Lernenden der gleichen Klassenstufe. Die qualitative

Messung kann ferner Hinweise darauf geben, welche Fachgebiete bereits sicher

beherrscht werden und an welchen Stellen eine ggf. erneute didaktische Inter-

vention sinnvoll wäre. Dadurch kann die Arbeit mit der E-Learning-Plattform

auch Rückwirkungen auf den Lehrplan der Klasse erlangen.

Chancen für die Fachdidaktik Die letzten Kapitel haben gezeigt, wie mithilfe der IRT automatisch individua-

lisierte Übungspläne realisiert werden können. Die Art und Strukturierung der

dafür notwendigen Daten eröffnet darüber hinaus weitere Anwendungsberei-

che, die für den Fortgang der fachdidaktischen Forschung wie für die Optimie-

rung des E-Learning-Angebots von Belang sind. Sie sollen abschließend disku-

tiert werden.

Untersuchung der Adäquatheit fachdidaktischer Modelle Im Zusammenhang mit der qualitativen Leistungsmessung war zu sehen, dass

die Einschätzung der Fehlerqualität stets auf der Grundlage eines fachdidakti-

schen oder fachwissenschaftlichen Modells erfolgen muss. Dabei drängt sich

die Frage auf, welches der verschiedenen Modelle vorzuziehen ist. Auch muss

die Möglichkeit erwogen werden, dass kein Modell den Kompetenzerwerb

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adäquat wiedergibt. Dieser Umstand ist keineswegs spezifisch für den Lernbe-

reich Orthografie, sondern lässt sich auch für andere Fächer belegen, so etwas

für die Mathematik (vgl. Kunina-Habenicht et al. 2009: 67 f).

Die probabilistische Testtheorie ist in der Lage, die Auswahl oder Neuentwick-

lung fachdidaktischer Modelle empirisch zu fundieren. Mithilfe von Modellgel-

tungstests kann untersucht werden, welcher Ansatz den empirischen Daten am

besten entspricht (für eine Übersicht vgl. Rost 2004: 331 ff). Da für Untersu-

chungen dieser Art, insbesondere bei komplexeren Modellen, große Stichpro-

ben notwendig sind, war ihre Durchführung bisher stets mit erheblichem Ar-

beitsaufwand verbunden und wurde dementsprechend selten realisiert. Im E-

Learning-Bereich hingegen können große Stichproben auf Dauer ganz von

selbst entstehen, sofern ein geeignetes Speicherungssystem zugrundegelegt

wird. Die Daten müssen dabei weder manuell erhoben, noch manuell kodiert,

sondern lediglich zur Laufzeit der Plattform strukturiert abgespeichert werden.

Auf Orthografietrainer.net ist innerhalb von ca. drei Jahren ein Datenpool von

über 18 Mio. Lösungsversuchen von ca. 75.000 angemeldeten Benutzern ent-

standen. Auf dieser Basis lassen sich auch aufwändige Untersuchungen zur

Kritik der zugrundegelegten qualitativen Fehlermodelle realisieren. Diese kön-

nen zur Umstrukturierung der Leistungsermittlung wie zur Modellierung der

Rechtschreibkompetenz an sich genutzt werden.

Untersuchung der Struktur fachspezifischer Kompetenzen Noch weiter als die bis hierher dargestellten Möglichkeiten geht die Frage,

welche mentalen Repräsentationen für fachspezifische Kompetenzen ange-

nommen werden müssen. Auf der Grundlage eines empirisch bestätigten,

möglicherweise mehrdimensionalen Modells der fachlichen Kompetenz lässt

sich untersuchen, welche Faktoren für die Schwierigkeit einer jeden Aufgabe

verantwortlich sind. Diese Frage ist keineswegs bereits durch das zugrundege-

legte fachdidaktische Modell beantwortet, noch weniger durch einfache Plau-

sibilitätsargumente, zeigt es sich doch, dass das logisch Einfache oft das psy-

chologisch Schwere ist und umgekehrt.

Am bereits erwähnten Bereich Kommasetzung war bereits exemplarisch zu

sehen gewesen, dass für den Kompetenzerwerb sprachliche Faktoren eine Rolle

spielen können, die für die Regelformulierungen gänzlich irrelevant sind (vgl.

Kap. 2.2.). Ist dieser Umstand aber bekannt, sollte er in die Überlegungen zur

Entwicklung adäquaten Lehrmaterials einbezogen werden. Lernprozesse kön-

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Testtheoretische Methoden zur automatischen Leistungsdifferenzierung

120

nen nur dann optimal durch Lehre unterstützt werden, wenn diese sich an den

Verarbeitungsstrategien der Lernenden orientiert, statt ausschließlich an der

Zielkompetenz.

Zur Untersuchung möglicher Ursachen für die Schwierigkeit einer Aufgabe

werden die Schwierigkeitsparameter auf Eigenschaften der jeweiligen Aufgabe

zurückgeführt. Entsprechende statistische Verfahren sind zur Genüge etabliert.

Die Interpretation der Ergebnisse ermöglicht Hypothesen über Wissensstruk-

turen und Erwerbsmechanismen, die für die Modellierung des Erwerbsprozes-

ses wie für dessen didaktische Optimierung von Bedeutung sind.

Separierung unterschiedlicher Lernertypen Mehrdimensionalität bei den Aufgaben kann zur Annahme verschiedener

Lernertypen zwingen, die sich nicht nur in der Ausprägung des Kompetenz-

profils, sondern auch in der Wahl der Lösungsstrategien unterscheiden. So, wie

die IRT mehrere Kompetenzdimensionen unterscheiden kann, kann sie auch

die Hypothese untersuchen, ob sich in der Untersuchungspopulation verschie-

dene Lernertypen unterscheiden lassen. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist

wiederum eine hinreichend große Stichprobe, die durch ein gut frequentiertes

E-Learning-Angebot automatisch zustande kommen kann.

Lassen sich verschiedene Lernertypen unterscheiden, so kann die Ermittlung

des jeweiligen Typus Teil des Kompetenztests des E-Learning-Angebots sein,

sodass nicht nur auf Leistungsart und -höhe, sondern auch auf die spezifische

Erwerbsstrategie des Lernenden Rücksicht genommen werden kann.

Untersuchung des optimalen Anforderungsniveaus In Kap. 2.2 und 2.3 war dargestellt worden, nach welchen didaktischen Überle-

gungen die Festlegung verschiedener Schwellenwerte auf Orthografietrai-

ner.net erfolgte. Diese Schwellenwerte müssen bei aller Plausibilität noch kei-

neswegs bereits optimal gewählt sein.

Zum Beispiel stellt sich die Frage, wo das beste Anforderungsniveau einer

Aufgabe in Bezug auf die bereits erreichte Kompetenz einer Person liegt,

sprich: wie viel schwieriger die jeweils nächste Aufgabe im Vergleich zur be-

reits erreichten Kompetenz sein sollte. Die psychologische Forschung ist sich

einig, dass die besten Lerneffekte durch ein Anforderungsniveau erreicht wer-

den, das die aktuellen Fähigkeiten des Lernenden leicht übersteigt, ohne ihn zu

überfordern. Was dies im konkreten Fall bedeutet, ist nicht theoretisch be-

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121

stimmbar, kann aber empirisch ermittelt werden, indem die Steigerung der

Anforderung als Variable mit dem daraus resultierenden Lerneffekt in Bezie-

hung gesetzt wird. Auf diese Weise lässt sich das Übungsangebot den Bedürf-

nissen der Lernenden anpassen und der Trainingseffekt optimieren.

Untersuchung der Auswirkungen unterschiedlicher Lehrverfahren Schließlich lassen sich durch die Untersuchung des Lerneffekts auch Rück-

schlüsse auf die Unterrichtsmethodik ziehen. Gerade in der Rechtschreibdidak-

tik konkurrieren verschiedene methodische Ansätze, ohne dass ihre Erfolge

bisher in großem Maßstab empirisch verglichen worden sind. Auch dieser

Umstand lässt sich im E-Learning vergleichsweise leicht beheben, indem die

Unterrichtsmethode als Variable der Lernenden miterhoben wird. Messwerte

vor und nach der didaktischen Intervention geben bei hinreichender Beteili-

gung Hinweise darauf, welche Vorgehensweise welche Erfolge zeitigen kann.

Fazit E-Learning ist nicht nur ein Gebot der Zeit, um den aktuellen gesellschaftlichen

wie medialen Entwicklungen zu genügen. Es erschöpft sich weder in der Be-

reitstellung multimedialen Lernmaterials noch in der Arbeitserleichterung für

Lehrende, sondern eröffnet Möglichkeiten, die noch vor wenigen Jahren nur

mit höchstem Arbeitsaufwand zu ermöglichen gewesen wären. Eine dieser

Möglichkeiten, die von nicht überschätzbarer Relevanz für die Entwicklung

der modernen Unterrichtswissenschaft sein wird, ist die Entstehung großer

Mengen strukturierter Daten über Lernwege und Lernschwierigkeiten von

Schülerinnen und Schülern im Umgang mit verschiedenen Aufgabenformaten.

Für den Bildungsbereich eröffnet E-Learning damit die Chance, ohne übermä-

ßigen Aufwand Datenbestände zu erheben, deren automatische wie fachdidak-

tische Auswertung unmittelbare Relevanz für die Optimierung des Lernpro-

zesses jedes Einzelnen entwickelt und dadurch Anforderungen erfüllbar

macht, die seit langem an den Unterricht gestellt werden. Leistungs- und bin-

nendifferenzierter Unterricht bildet hierbei nur die Spitze des Eisberges.

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Hans G. Müller

123

Vita Dr. Hans G. Müller

Studium Germanistik und Geschichte an der Humboldt-Universität Berlin,

Staatsexamen 2003.

2003-2006 Promotion zum Dr. phil an der Humboldt-Universität Berlin, Lehr-

stuhl Prof. Dr. N. Fries.

2006-2008 Referendariat, 2. Staatsexamen am 2. SPS Spandau, Berlin.

Seit 2008 Lehrdienst für Deutsch und Geschichte in Berlin sowie Lehrbeauftrag-

ter an der Universität Potsdam, Lehrstuhl für Deutsche Sprache der Gegen-

wart.

Begründer, Entwickler und Administrator der Lernplattform Orthografietrai-

ner.net, ehrenamtlicher Mitarbeiter im Lernraum Berlin.

Lehr- und Forschungsgebiete: Deutsche Grammatik, Rechtschreibdidaktik,

DaF, E-Learning, empirische Bildungsforschung.

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Sebastian Abeck, Robert Reutter, Aleksander Dikanski, Philipp Schleier:

Karlsruher Institut für Technologie, {abeck|aleksander.dikansk}@kit.edu,

{robert.reutter|philipp.schleier}@student.kit.edu

Jürgen Biermann, Ingo Pansa: iC Consult GmbH,

{juergen.biermann|ingo.pansa}@ic-consult.de

IT-Sicherheitslabor – Ein praxisorientierter Ansatz zur Zusammenarbeit von Hochschule und Industrie in der Lehre

Zusammenfassung Das IT-Sicherheitslabor ist ein sowohl von Hochschulseite als auch von Indust-

rieseite aktiv unterstützter Ansatz, eine wissenschaftlich fundierte und praxis-

orientierte Ausbildung in einem bedeutenden Teilbereich der Informatik, der

Sicherheit von Informationstechnologie, voranzutreiben. Im Labor werden

praktische Fragestellungen, die in gemeinsamen Kooperationsprojekten ge-

sammelt wurden, in einer pädagogisch angemessenen Form aufbereitet. Die

am Labor teilnehmenden Studierenden werden so an die Praxis herangeführt.

Durch den Ansatz wird eine enge Verzahnung von Lehre und Praxis erreicht,

indem das in den Kooperationsprojekten erworbene Wissen wieder zurück in

das Labor und damit unmittelbar in die Lehre einfließt.

Einleitung Damit die universitäre Bachelorausbildung den Anforderungen eines berufs-

qualifizierenden Abschlusses in Zukunft auch tatsächlich gerecht wird, müssen

verstärkt praxisorientierte Elemente in die entsprechenden Studiengänge ein-

bezogen werden. Ein Beispiel eines solchen Angebots ist das am Karlsruher

Institut für Technologie (KIT) aufgebaute IT-Sicherheitslabor. Hierin werden

Informatik-Bachelor-Studierende im Rahmen eines Praktikums an konkrete

Sicherheitsfragestellungen herangeführt, die sich in realen Unternehmensum-

gebungen stellen. Das Innovative an diesem Labor ist die direkte Einbeziehung

eines Industriepartners in die Konzeption der zu lösenden Praktikumsaufga-

ben, wodurch der industrielle Praxisbezug von Anfang an hergestellt wird. Der

Industriepartner ist im Fall des IT-Sicherheitslabors das Unternehmen iC Con-

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Sebastian Abeck et al.

125

sult 1 , das als Integrationsdienstleister im Kontext komplexer Identitätsma-

nagement- und Zugriffskontrollfragestellungen jeweils die am besten geeigne-

ten Lösungen entwickelt. In der Vergangenheit hat der Lehrstuhl, an dem das

IT-Sicherheitslabor entwickelt wurde, in Kooperation mit dem Industriepartner

zahlreiche dieser Projekte im Rahmen von Diplom- bzw. Masterarbeiten

durchgeführt. Die aus pädagogischer Sicht besonders wertvollen Projektlösun-

gen werden für das Labor so aufbereitet, dass ein Bachelor-Studierender sys-

tematisch an die Problemstellung herangeführt wird und im Rahmen von Auf-

gaben Teile der Lösung entwickelt und praktisch anwendet.

Das IT-Sicherheits-Laborsystem ist ein Vorgehensmodell zur Überführung

konkreter industrieller Problemstellungen in die praxisorientierte Lehre. Durch

die Zusammenarbeit mit dem Partner iC Consult eröffnet sich die Möglichkeit,

aktuelle Problemstellungen zu beziehen, die die Industrie beschäftigen. Diese

werden dann innerhalb der C&M Forschungsgruppe2 als Praktikum angeboten.

Aufgrund der Komplexität derartig konkreter Problemstellungen ist es nötig,

diese zur Bearbeitung vom konkreten Anwendungsfall auf die übergeordneten

Fragestellungen zu abstrahieren. Die so entstandenen allgemeinen Fragestel-

lungen bilden jeweils ein im Sicherheitslabor zu bearbeitendes Sicherheitssze-

nario. Dieses wird zur Ausarbeitung in seine Kernpunkte unterteilt, die jeweils

den Ausgangspunkt für ein Lernziel bilden. Anhand praktischer Aufgaben

sollen die Studierenden die entsprechenden Kompetenzen zum Erreichen des

Lernziels aufbauen. Bei der Bearbeitung wird von Seiten der Betreuung ein

Lösungsleitfaden zur Verfügung gestellt, der die Studierenden bei der zielge-

richteten Lösung des gestellten Problems unterstützen soll. Dieser Leitfaden,

sowie die von den Studierenden zu erarbeitende Dokumentation, ist ein spezi-

elles wissenschaftliches Dokument, das von der Forschungsgruppe erarbeitete

Konventionen erfüllt. Diese wurden durch den Lehrstuhl entwickelt und sind

ein seit Jahren erprobtes Mittel, das im Bereich der Informatik zu hohem Lern-

erfolg führt und die Wiederverwendbarkeit der Dokumente gewährleistet.

1 iC Consult Gesellschaft für Systemintegration und Kommunikation mbH. Kooperations-

partner der C&M- Forschungsgruppe. Web-Adresse: http://www.ic-consult.com/ 2 Die Forschungsgruppe Cooperation und Management (C&M) ist Teil des Instituts für Te-

lematik an der Fakultät für Informatik der Universität Karlsruhe. Web-Adresse:

http://www.cm-tm.uka.de/

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IT-Sicherheitslabor

126

Eigenschaften und Einordnung des IT-Sicherheitslabors An das im IT-Sicherheitslabor verwendete Lehrmaterial wird die Anforderung

gestellt, dass es von den Laborteilnehmern weitestgehend im Selbststudium

bearbeitet werden kann. Daher wird bei der Beschreibung der durchzuführen-

den praktischen Aufgaben viel Wert auf eine präzise Darstellung der durchzu-

führenden Schritte gelegt, um den jeweiligen Versuchsaufbau selbstständig

durchführen zu können. Der Versuchsaufbau besteht dabei aus verschiedenen

Arten von (System-, Sicherheits- und Anwendungs-) Softwaresystemen, die auf

virtuellen Maschinen zu installieren und auf geeignete Weise zu konfigurieren

sind. Dieser Teil der Beschreibungen des IT-Sicherheitslabors weist Ähnlichkei-

ten mit den sowohl zu OpenSource-Softwareprodukten als auch zu kommerzi-

ellen Softwareprodukten bestehenden Tutorien auf. Beispiele solcher Tutorien

sind [Li05], [JB+07], [Ru02].

Dieser auf Selbststudium und selbstständigen Aufbau des Versuchsaufbaus

ausgelegte Teil des IT-Sicherheitslabors ist der virtuelle Anteil des Labors; das

Praktikum wird daher teilweise als eine virtuelle Lehrveranstaltung [Br03]

angeboten. Der Praktikumsteilnehmer soll dabei lernen, die notwendigen

Schritte zur Lösung des gestellten Sicherheitsproblems ausschließlich auf der

Grundlage der vorgegebenen Beschreibungen und zunächst ohne Inanspruch-

nahme eines Betreuers selbstständig durchzuführen – eine Fähigkeit, die von

jedem Ingenieur/ Informatiker in der industriellen Praxis als eine Selbstver-

ständlichkeit gefordert wird. Ein vergleichbarer Ansatz, der ebenfalls im Be-

reich der IT-Sicherheit angesiedelt ist und auf den Konzepten des Tele-

Tutoring und des virtuellen Labors aufsetzt, ist das in [HM+04] beschriebene

Tele-Lab.

Eine spezifische Eigenschaft des IT-Sicherheitslabors besteht darin, dass das

Konzept bereits in seinem Kern eine enge Verzahnung mit einem Industrie-

partner und den gemeinsam durchgeführten Industrieprojekten vorsieht. An

der Gestaltung des Lehr- und Lernkonzepts waren von Anfang an sowohl

Mitarbeiter des Lehrstuhls, der das Praktikum anbietet als auch Mitarbeiter des

Industriepartners beteiligt. Hierdurch wird sichergestellt, dass der Industrie-

partner aktiv zur praxisorientierten Ausbildung beiträgt. Die das Labor durch-

laufenden Studierenden werden an die sich in der Praxis stellenden Projekt-

aufgaben etappenweise herangeführt, wie Abbildung 1 des folgenden

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Sebastian Abeck et al.

127

Abschnitts verdeutlicht. Dies ist tatsächlich die große Stärke des verfolgten IT-

Sicherheitslabor-Ansatzes.

Einordnung des Labors in den Studiengang eines Studierenden Der Studierende kommt mit dem Labor in Kontakt, wenn er ein zur Vorlesung

"Web-Anwendungen und Serviceorientierte Architekturen" (WASA, [Ab12])

begleitendes Praktikum belegt und sich im Bereich der Sicherheit von Web-

Anwendungen vertiefen möchte.

Abbildung 1: Einordnung des Labors in die Arbeiten der Studierenden

Das Praktikum hat einen Umfang von 4 Leistungspunkten, wobei ein Leis-

tungspunkt einem Umfang von 30 Arbeitsstunden entspricht. Die Praktikums-

aufgaben sind Teil des sog. Lösungsleitfadens. Der Lösungsleitfaden wird zu

einem im Labor zu behandelnden Thema mit einem praktischen Szenario ein-

geführt. Außerdem werden Lernziele formuliert, zu denen Aufgaben gestellt

werden, die zur Erreichung dieser Lernziele beitragen. Ferner wird ein Weg

zur Lösung der Aufgaben angegeben, damit der Studierende die Aufgaben in

angemessener Zeit durchführen kann. Die Vorbereitung eines Studierenden

auf eine Bachelor-/Masterarbeiter auf dem Gebiet der IT-Sicherheit ist neben

der praxisnahen Ausbildung ein wesentliches Ziel des IT-Sicherheitslabors.

Ein Ziel des Konzepts ist, die Inhalte des IT-Sicherheitslabors ständig aktuell zu

halten, um die neuen Studierenden möglichst nahe an die in den aktuell lau-

fenden Projekten behandelten Fragestellungen heranzuführen. Die Rückfüh-

rung der Projektinhalte in das Labor gehört zu den Aufgaben der Bachelor-

/Masterarbeiter, die bei C&M die Rolle eines sog. SeniorStudents einnehmen

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IT-Sicherheitslabor

128

und eine Ko-Betreuung der Praktikanten (JuniorStudents) übernehmen. Die

Ergebnisse der Labor-Experimente sowie die gewonnenen Erfahrungen wer-

den dem Industriepartner (iC Consult) präsentiert. In Form einer Bachelor-

oder Master-Arbeit oder durch den Industriepartner selbst können die Ergeb-

nisse bzw. die analysierten Schlussfolgerungen in die reale Projektumgebung

und somit in das Projekt des Industriepartners zurückgeführt werden.

Die wesentlichen Bestandteile und Artefakte des Labors Das IT-Sicherheitslabor besteht aus einer Reihe von wiederverwendbaren Be-

standteilen, die in ihrer Gesamtheit das Labor bilden. Es ist eine Arbeitsstätte

für technische Arbeiten, Untersuchungen und Versuche. Die genaue Beschrei-

bung der einzelnen Komponenten, deren Einsatzmöglichkeiten und Zusam-

menspiel, sind Teil des sogenannten Laborsystems. Diese Beschreibungen,

zusammen mit einem Laborsystem-Entwicklungsprozess, bilden ein Vorge-

hensmodell zur Erstellung von Laboratorien [Re12]. Als Beispiel für konkrete

Komponenten ist hier das Laborthema "Sichere Java Web-Komponenten" (siehe

auch Kapitel 5) dargestellt. Dies ist das erste aufgestellte IT-Sicherheitslabor,

die Problemstellung ist in diesem Fall, anstatt wie im Regelfall von einem In-

dustriepartner überliefert, dem C&M-Umfeld entnommen worden.

Abbildung 2: Bestandteile des Labors

Die Problemstellung wird von dem Industriepartner des Labors gestellt. Neben

einer Beschreibung des Problems wird in der Regel eine Reihe von Anforde-

rungen beschrieben. Die Problemstellung wird zur Behandlung innerhalb des

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Sebastian Abeck et al.

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Labors in ein Sicherheitsszenario abstrahiert. Das Sicherheitsszenario ist eine

weiterführende Analyse der Problemstellung, die in der Regel bereits einen

Lösungsansatz beschreibt. Das Szenario kann durch Fließtext, Grafiken und

UML-Verhaltensdiagramme beschrieben werden. Innerhalb eines Labors kön-

nen mehrere Themen behandelt werden. So wird innerhalb des IT-

Sicherheitslabors das Thema "Sichere Java Web-Komponenten" behandelt,

dieses leitet sich direkt aus dem Sicherheitsszenario „KITCampusGuide – si-

chere POI-Verwaltung“ ab. Ein zu jedem Thema bestehender Lösungsleitfaden

beinhaltet die Beschreibung des Sicherheitsszenarios sowie die Ausformulie-

rung der Lernziele und der praktischen Aufgabenstellungen. Damit der Labo-

rant die Aufgaben korrekt und Zeitnahe lösen kann, sind die benötigten theore-

tischen Grundlagen im Lösungsleitfaden enthalten. Ebenfalls ist die

Dokumentation und Installationsanleitung des eingesetzten Softwaresystems

und der Entwicklungsumgebung enthalten. Der Laborant wird innerhalb des

Lösungsleitfadens durch eine Art Musterlösung der Aufgaben geleitet. Dabei

werden auch bestimmte Abschnitte des Leitfadens abstrahiert, damit der Labo-

rant gezwungen ist, eigenständige Lösungen zu erstellen. Passend zu dem

Sicherheitsszenario und dessen Problemstellung werden dem Laboranten klar

formulierte Lernziele vorgegeben. Sie beschreiben die Kompetenzen, die der

Laborant durch das Laborsystem erlernen oder verbessern soll.

Die Kapitelstruktur eines Lösungsleitfadens kann wie folgt aufgebaut werden

[Re12]:

1. Einführung: Diese beinhaltet eine Motivation, die Zielvorstellungen und

Einleitung in das Sicherheitsszenario.

2. Organisation: Dieses Kapitel beinhaltet einen Zeitplan, die geplanten Prä-

sentationen und Präsenzphasen, die Kommunikationsregeln, die eingesetz-

ten Teamprozesse und Dokumentationskonventionen.

3. Entwicklung: Hier wird die Entwicklungsumgebung des Labors vorge-

stellt, sowie die benötigten Werkzeuge und Konventionen zur Software-

entwicklung.

4. Aufgabenbeschreibung: Praktische Aufgaben werden einem übergeordne-

ten Lernziel zugeordnet. Eine Aufgabenstellung verweist gleichzeitig auf

eine Lösungsbeschreibung, eine geschätzte Bearbeitungszeit sowie die nö-

tigen Installationsanweisungen der benötigten Software-Komponenten.

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IT-Sicherheitslabor

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5. Evaluation: In diesem Kapitel werden die Laboranten dazu aufgefordert,

das abgehaltene Labor zu bewerten. Dabei sollen konkrete Verbesserungs-

vorschläge ausgearbeitet und die erlernten Fähigkeiten der Laboranten

dokumentiert werden.

6. Zusammenfassung und Ausblick: In diesem Kapitel werden die behandel-

ten Themen und die ausgearbeiteten Lösungen zusammengefasst. Den La-

boranten wird ein Ausblick präsentiert, wie die behandelten Themen und

die erlernten Fähigkeiten erweitert werden können bzw. wie sie in der In-

dustrie zum Einsatz kommen.

Abbildung 3: Beispielausschnitt - C&M-konformes Dokument

Das Format und das Vorgehen innerhalb des Lösungsleitfadens orientiert sich

an dem Konzept der praktischen Aufgaben der Vorlesung „Web-

Anwendungen und Serviceorientierte Architekturen" [Ab12]. Für das Format

wird als Grundlage ein C&M-konformes Dokument eingesetzt (siehe Abbil-

dung 3). Diese sind mittels Powerpoint erstellte Dokumente, die im Notizensei-

tenformat (DIN A4) erstellt werden, aber auch im Präsentationsmodus einge-

setzt werden können. Die obere Hälfte einer Seite beinhaltet eine

Präsentationsfolie, darin enthalten sind unter anderem Überschriften, Notizen,

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Sebastian Abeck et al.

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Stichwörter, Codezeilen, Grafiken und Screenshots. Die untere Hälfte einer

Seite beinhaltet Fließtext zur Beschreibung der Folieninhalte sowie Abkürzun-

gen und Quellenangaben. Diese Mischung aus Präsentationsfolie und wissen-

schaftlich aufbereitetem Fließtext wird bei C&M seit Jahren für die Dokumen-

tation der Vorlesungen, Seminararbeiten, Praktika usw. mit Erfolg eingesetzt.

Gerade im Bereich der Informatik, in dem Softwareartefakte wie UML-

Diagramme, Prozessdiagramme oder Programm-Screenshots eingesetzt wer-

den, können diese Grafiken mit ausgiebigen Zusatzinformationen in Textform

ergänzt werden. Der große Vorteil der Verwendung des C&M-konformen Do-

kuments besteht darin, dass die Dokumente innerhalb der Forschungsgruppe

im Format und den Konventionen einheitlich gehalten sind. Da die Folienseiten

jeweils Grafiken, Text, Kurzbeschreibungen und Referenzen enthalten, stellen

sie atomare Komponenten dar. Diese Komponenten können in den verschiede-

nen Dokumenten innerhalb der Forschungsgruppe mit minimalem Aufwand

wiederverwendet bzw. ausgetauscht werden. So kann z.B. eine ausgearbeitete

Komponente eines Praktikums in eine Präsentation für den Industriepartner

eingebaut oder etwa in ein Vorlesungsskript integriert werden.

Im IT-Sicherheitslabor behandelte Inhalte Zur Einführung des Laborsystems am Lehrstuhl wurden unter anderem Si-

cherheitsbetrachtungen an einer universitätsinternen Anwendung zur Naviga-

tion auf dem Campus durchgeführt. Unter dem Titel "Sichere Java Web-

Komponenten" wurden am sogenannten KITCampusGuide3 (KCG) Kernas-

pekte sicherer Verbindungen sowie der abgesicherten Identifizierung gegen-

über einer Java-basierten Web-Anwendung betrachtet. Der KCG ist eine zu

Lehr- und Forschungszwecken am Lehrstuhl eingesetzte Web-Anwendung auf

Java-Basis. Um den Fokus stärker auf die im Praktikum bearbeiteten Sicher-

heitsfragestellungen zu lenken, wurde speziell die Komponente „POI 4 -

Verwaltung“ des KCG betrachtet. Für die Erstellung des Themas wurde auf

eine frühere Arbeit am Lehrstuhl zurückgegriffen, die die Absicherung dieser

Komponente zum Inhalt hatte [Ho11]. Die POI-Verwaltungs-Komponente

bietet registrierten Benutzern unter anderem die Möglichkeit, die Zugriffsrech-

te erstellter POI´s zu bearbeiten. Dieses Szenario bietet eine Reihe von sicher-

heitsspezifischen Anforderungen, die durch eine Sicherheitsanforderungsana-

3 Der KITCampusGuide ist zu finden unter http://code.google.com/p/kitcampusguide/. 4 „POI“ steht für „Point of Interest“.

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IT-Sicherheitslabor

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lyse anhand von Missbrauchsfällen [SO04] identifiziert wurden. Den Laboran-

ten wurde eine eigens dafür erstellte Webanwendung namens „POIManager“5

bereitgestellt. Mithilfe des Lösungsleitfadens konnten die Laboranten die benö-

tigte Entwicklungs- und Anwendungs-Umgebung auf einen beliebigen Com-

puter installieren, um damit anschließend die praktischen Aufgaben (siehe

Abbildung 4) auszuarbeiten. Für das Erreichen des Lernziels „Absicherung von

Java Web-Komponenten“ wurde die praktische Aufgabe „Architektur- und

Code-Review“ gestellt. Die Aufgabe sah vor, verschiedene Sicherheitsmuster

wie z.B. das Secure-Channel-Muster (siehe [SN+05] und [SF+06]) zu identifizie-

ren und deren Funktionsweise am POIManager nachzuvollziehen. Anschlie-

ßend musste das Deklarative Sicherheitsmodell [Mo09] des POIManagers

überprüft und erweitert werden. Je nach Motivation und verbleibender Zeit

konnten die Laboranten entscheiden, die Web-Anwendung weiter zu entwi-

ckelt bzw. um ein programmatisches Sicherheitsmodell [Mo09] zu ergänzen.

Abbildung 4: Praktische Aufgabe - Leitfaden „Sichere Java Web-Komponenten“

Auf diesem Thema aufbauend wurde eine weitere, vom Industriepartner ein-

gebrachte, Problemstellung betrachtet. Diese ist im Cloud-Computing-Umfeld

5 Der POIManager ist zu finden unter http://code.google.com/p/icconsult-sicherheitslabor/.

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Sebastian Abeck et al.

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angesiedelt und befasst sich mit der sicheren Migration einer bestehenden

Web-Anwendung unter der Prämisse, dass Benutzerdaten weiterhin in einem

Active Directory lokal vorgehalten werden sollten. Das vom Industriepartner

eingebrachte Thema „Absicherung einer in die Cloud migrierten Web-

Anwendung“ [Pa11] wurde für die Lehre in ein Sicherheitsszenario umgewan-

delt [Si10]. Die theoretischen Hintergründe sowie die Analyse des Sicher-

heitsszenarios wurden den Laboranten in wissenschaftlicher Form aufbereitet

[Re12]. Aus dem vorbereiteten Szenario ließen sich wiederum die Lernziele

und die praktischen Aufgaben ableiten. Ziel war es, Methoden zur Absiche-

rung kritischer Unternehmensdaten bei der Migration eines Geschäftsprozesses

auf das Angebot eines Cloud-Plattform-Anbieters zu erarbeiten. Die prakti-

schen Aufgaben, also der Aufbau einer Testumgebung - was bei IT-Systemen

Installation und Einrichtung umfasst - wurden dabei jeweils vor Ort in den

Laborräumen des Lehrstuhls durchgeführt. Zu diesem Zweck wurde vonseiten

der Universität eine entsprechende Ausrüstung zur Verfügung gestellt, die es

ermöglicht, jeweils in Teams praktische Fortschritte im Labor zu erzielen.

Diese von den Studierenden durchgeführten Arbeiten wurden in einer entspre-

chenden Dokumentation festgehalten. Diese erfüllt mehrere Zwecke: Einerseits

bearbeitet nicht jeder Praktikant jede Aufgabe, sondern erweitert nach und

nach eine gemeinsame Plattform. Um trotzdem stets über den Gesamtfort-

schritt des Praktikums informiert zu sein, wird von den Praktikanten erwartet,

dass sie ihre geleisteten Arbeiten dokumentieren bzw. anhand der Dokumenta-

tion den aktuellen Stand nachvollziehen. Zum anderen dient die Dokumentati-

on als Grundgerüst für nachfolgende Praktika und somit als Grundlage für das

Verständnis der nachfolgenden Praktikanten. Die dokumentierten Lösungen

der Studierenden sowie Erfahrungen beim Umgang mit den eingesetzten

Technologien können ebenfalls vom Industriepartner als Grundlage weiterer

Betrachtungen genutzt werden. Neben der Funktion einer Ergebnisdokumenta-

tion für den Industriepartner repräsentiert die erarbeitete Dokumentation aber

auch die praktisch erbrachten Leistungen und den durch das Praktikum erziel-

ten Lernerfolg bei den Studierenden.

Die theoretischen Arbeiten werden, im Gegensatz zum praktischen Teil, von

jedem Studierenden durchgeführt, um das Verständnis sowohl für die prak-

tisch erbrachten Leistungen, als auch für die zugrunde liegenden Konzepte

und Vorgehensweisen sicherzustellen. Die Ergebnisse dieser theoretischen

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IT-Sicherheitslabor

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Betrachtungen werden ebenfalls in die gemeinsame Dokumentation eingear-

beitet, um zu gewährleisten, dass bei Fortsetzung des Praktikums durch andere

Studierende die bisher erarbeiteten Inhalte verstanden werden. Unter diesen

Bedingungen ist gewährleistet, dass sich die Laborthemen durch den Einsatz

der Studierenden ständig weiterentwickeln.

Ausblick Die Aufbau- und erste Erprobungsphase des IT-Sicherheitslabors hat gezeigt,

dass eine Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Industrie nicht nur in

der Forschung, sondern auch in der Lehre erfolgreich sein kann. Der Anreiz

des Industriepartners, in die Lehre zu "investieren", besteht darin, Studierende

heranzuziehen, die neben dem zwingend notwendigen theoretischen Rüstzeug

auch Praxiskenntnisse erworben haben, die für deren gezielten Einsatz in In-

dustrieprojekten benötigt werden.

Zur Förderung der Teamarbeit innerhalb des Praktikumsteams wurde von

Anfang an auf die durch die Internet-Technologie ermöglichten neuen Kom-

munikationsformen gesetzt. Den Studierenden steht ein Team-Server zur Ab-

lage aller laborbezogenen Dokumente zur Verfügung, außerdem werden re-

gelmäßig Video- und Audiokonferenzen mit dem Industriepartner iC Consult

abgehalten. Weiterhin werden fortlaufend innovative Technologien erprobt.

Diese Kommunikationsformen werden aber das persönliche Gespräch niemals

verdrängen. Das Konzept sieht im Gegenteil die persönliche Zusammenarbeit

zwischen Betreuer und Praktikanten bzw. zwischen den Praktikanten unterei-

nander als die Basis an, die durch die "Kommunikation über das Netz" ergänzt

wird.

Zentrales Ziel des Laborsystems ist es, erarbeitete Lösungen sowie deren Do-

kumentation als Grundlage für Folgepraktika oder Bachelor- und Masterarbei-

ten zu verwenden. So können die Studierenden erlernte Kompetenzen und

Erfahrungen in die weiteren Projekte und Industrielösungen des Partners mit

einbringen.

Auch wenn das Laborsystem zunächst am Lehrstuhl nur im Zusammenhang

mit IT-Sicherheit eingesetzt wird, eignet es sich auch zur Erarbeitung diverser

praxisorientierter Fragestellungen in anderen Bereichen der Informatik. Berei-

che, zu dem der Lehrstuhl weitere Labore plant, sind die Entwicklung von

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Sebastian Abeck et al.

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Web-Service-orientierten Softwaresystemen und das Projekt- und Portfolio-

Management.

Referenzen [Ab12] Sebastian Abeck: Web-Anwendungen und Serviceorientierte Architek-

turen, Lehrveranstaltung, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), C&M

(Prof. Abeck), 2012.

Web-Adresse: http://www.cm-tm.uka.de/study_wasa1.php.

[Br03] Claudia Bremer: Online Lehren leicht gemacht! Leitfaden für die Pla-

nung und Gestaltung von virtuellen Hochschulveranstaltungen, 2003.

[HM+04]: Ji Hu, Christoph Meinel, Michael Schmitt: Tele-Lab IT Security: An

Architecture for Interactive Lessons for Security Education, SIGCSE’04, March

3–7, 2004, Norfolk, Virginia, USA.

[Ho11] Hedayatollah Hosseini: Analyse und Entwurf von Sicherheitsmaß-

nahmen am Beispiel des KITCampusGuides, Studienarbeit, Karlsruher Institut

für Technologie (KIT), C&M (Prof. Abeck), 2011.

[JB+07] Eric Jendrock, Jennifer Ball, Debbie Carson, Ian Evans, Scott Fordin,

Kim Haase: The Java EE 5 Tutorial, Web-Adresse:

http://docs.oracle.com/javaee/5/tutorial/doc/.

[Li05] Y. Daniel Liang: Installing and Configuring JDK 1.6, Supplement for

Introduction to Java Programming

Web-Adresse:

http://cs.armstrong.edu/liang/intro7e/supplement/Supplement1bInstallingJDK

6.pdf.

[Mo09] Rajiv Mordani: Java™ Servlet Specification, Version 3.0, Java Commu-

nity Process, Sun Microsystems, Inc., 2009.

Web-Adresse:

http://jcp.org/aboutJava/communityprocess/final/jsr315/index.html.

[Pa11] Ingo Pansa: Szenario-Beschreibung: Migration einer Web-Anwendung

auf die Microsoft Azure Plattform, Szenario und erste Arbeitspakete, iC Con-

sult GmbH, 2011.

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IT-Sicherheitslabor

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[Re12] Robert Reutter: Entwicklung eines IT-Sicherheits-Laborsystems, Master-

arbeit, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), C&M (Prof. Abeck), 2012.

[Ru02] Brad Rubin: Java security, Part 2: Authentication and authorization,

developerWorks, IBM Web-Adresse: http://www.ibm.com/developerworks/

java/tutorials/j-sec2/.

[SO04] Guttorm Sindre, Andreas L. Opdahl: Eliciting security requirements

with misuse cases, Requirements Engineering, Springer-Verlag London Lim-

ited, 2004.

[Si10] Holger Sirtl: Cloud Computing mit der Windows Azure Platform:

Entwicklung, Integration und Betrieb Cloud-basierter Software, CTP Edition,

Microsoft Press, 2010.

Vita Sebastian Abeck hat an der TU München promoviert und habilitiert. Seit 1996

ist er Professor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Dort leitet er die

Forschungsgruppe Cooperation & Management, mit der er im Bereich der

serviceorientierten Web-Anwendungen Forschungs- und Industrieprojekte

durchführt. Eines dieser Projekte hat den Aufbau eines IT-Sicherheitslabors

zum Ziel, an dem Aleksander Dikanski im Rahmen seiner Dissertation und

Robert Reutter im Rahmen seiner Masterarbeit maßgeblich beteiligt sind. Phi-

lipp Schleier hat ein Praktikum im Rahmen des IT-Sicherheitslabors durchge-

führt und plant die Durchführung einer Bachelorarbeit in dem Industrieprojekt

„Lightweight and Flexible Identity Management LaFIM“, zu dem er sich im

Praktikum die notwendigen Kompetenzen erworben hat.

Jürgen Biermann hat Physik studiert, ist Mitbegründer der iC Consult und

leitet das Unternehmen erfolgreich seit nun 15 Jahren. Er begleitet verschiedene

Integrationsprojekte deutschlandweit und sucht darüber hinaus den direkten

Kontakt zu Hochschulen mit dem Ziel der Steigerung der Ausbildungsqualität.

Ingo Pansa hat am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) promoviert. In

seiner wissenschaftlichen Arbeit befasst er sich mit der dienstorientierten In-

tegration von IT-Management-Werkzeugen. Bei iC Consult ist er als Senior

Consultant tätig und fokussiert hierbei auf Identitätsmanagement- und Zu-

griffskontrollfragestellungen in komplexen verteilten Unternehmensanwen-

dungen.

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Reinhard Keil, Christian Schild, Felix Winkelnkemper: Universität Paderborn,

{reinhard.keil|christian.schild|winfel}@uni-paderborn.de

E-Learning-Strategien: Best Practice oder behutsame Strukturerneuerung?

Zusammenfassung Mit der Entwicklung von E-Learning-Infrastrukturen wird häufig die Forde-

rung nach einem grundlegenden strukturellen Wandel im Hochschulbereich

verbunden. Nicht zuletzt deshalb werden Projekte und Ansätze in diesem Feld

als „Best Practice“ oder als „Leuchttürme“ gekennzeichnet, um sie zur Nach-

ahmung zu empfehlen. Der Beitrag zeigt auf, dass ein solches Vorgehen – ab-

seits der Auszeichnung von Erfolgen – höchst problematisch ist. Am Beispiel

von 20 Jahren Forschung zum Thema E-Learning werden einige alternative

Konzepte vorgestellt und unter dem Begriff der behutsamen Strukturerneue-

rung zusammengefasst. Als „Good Practice“ verweisen sie auf Gestaltungsan-

sätze für den Aufbau nachhaltiger E-Learning-Infrastrukturen.

Einleitung Der Themenbereich Multimedia und E-Learning wurde etwa ab Mitte der 90er

Jahre durch große strategische Forschungsprogramme in den Vordergrund

gerückt. Große Stiftungen1 ebenso wie Landes- und Bundesministerien stellten

umfangreiche Mittel zur Verfügung, um die Forschung und den Einsatz digita-

ler Medien in der Lehre zu forcieren. Bereits ab 1990 legte die Landesregierung

von NRW das Aktionsprogramm „Qualität der Lehre“ auf, in dem ab 1995

Projekte gefördert wurden, die sich zum größten Teil mit Qualitätsverbesse-

rungen durch den Einsatz digitaler Medien befassten. Diese wurden explizit

„Leuchtturmprojekte“ genannt. Sie sollten mit Hilfe der neuen Medien innova-

tive Lehr- und Lernszenarien erschließen, damit auf andere Hochschulen aus-

strahlen und somit Licht zur Orientierung geben.2 In den folgenden Jahren der

1 http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/SID-16934992-2A170B61/bst/hs.xsl/

6926.htm 2 Siehe u. a. Himmel (2006), S. 17 ff. sowie Ehlert, Welbers (2004), S. 15 ff. sowie die Broschüre

des MSWF „Virtueller Hochschulraum Nordrhein-Westfalen“.

https://services.nordrheinwestfalendirekt.de/broschuerenservice/download/255/virtu-

hochschul-nrw.pdf.

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E-Learning-Strategien

138

Förderung wurde dann die Leuchtturmmetapher durch den Begriff der „Best

Practice“ ersetzt, der seither für so ziemlich alles stehen kann, dem Vorbildcha-

rakter zugeschrieben werden kann oder soll. So warb das NRW-

Kompetenznetzwerk Universitätsverbund Multimedia mit bereits geförderten

Projekten als Best-Practice-Beispiele für die Beteiligung an Förderprogrammen

zu neuen Medien in der Hochschullehre3, das Centrum für Hochschulentwick-

lung CHE vergab zwischen 2000 und 2004 jährlich den Titel „best pratice“-

Hochschule4und die Vorstellung von Best Practices auf Tagungen gehört mitt-

lerweile ebenso zum Alltag5 wie die Tatsache, dass Preisträger von E-Learning-

Wettbewerben „... sich hinfort mit dem Titel ‚Best Practice in E-Learning‘

schmücken dürfen“6. Tatsächlich ist dieser breite und teilweise wahllose Ge-

brauch des Begriffs darauf zurückzuführen, dass zwischen 1995 und 2005 von

der Politik enorme Mittel für Förderprogramme im Bereich E-Learning aus-

gebgeben wurden,7 um nachhaltige Strukturveränderungen zu bewirken. Der

Begriff „Best Practice“ scheint dabei ein notwendiges oder hilfreiches Mittel zu

sein, um mit vergleichsweise wenigen Projekten eine flächendeckende Verän-

derung zu bewirken bzw. anzustoßen. Die stärkste strategische Bündelung von

Fördermitteln erfahren „Best Practices“ in der Variante des Leuchtturmpro-

jekts. Diese sollen gezielt als innovatives Element durch die Förderung hervor-

gebracht werden. Als Best-Practice-Beispiele werden sie dann als Erfolg der

Förderpolitik vorgestellt oder im Rahmen von Preisen und Auszeichnungen als

nachahmenswert erkoren. Damit erfüllte dieser Begriff eine wichtige Funktion,

um die mit Multimedia (Wort des Jahres 1995) und dem World Wide Web

(Einsatz plattformübergreifender Browser ab 1994) aufkommenden Erwartun-

gen zu belegen, dass mit Hilfe der neuen Medien substanzielle Strukturrefor-

men in Hochschule und Bildung bewirkt werden könnten.

Tatsächlich haben sich trotz vieler Veränderungen die Erwartungen in weiten

Teilen nicht erfüllt. Messerschmidt und Grewe (2005) ziehen ein ernüchterndes

Fazit, indem sie die Entwicklung von Informations- und Bildungstechnologien

3 Vgl. Universitätsdienst Wissenschaft: http://idw-online.de:8008/pages/de/news21527. 4 Siehe http://www.che.de/bestpractice/. 5 z. B. die „2012 IIE Best Practices Conference“ des Institute of International Education 6 Zitat von der Preisverleihung des Europäischen E-Learning Award eureleA2006 (siehe

http://eurelea.ice-karlsruhe.de/). 7 Für eine Übersicht siehe Kerres, Stratmann (2004).

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Reinhard Keil, Christian Schild, Felix Winkelnkemper

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nicht nur für die Förderperiode des Bundes und der Länder zwischen 1995 und

2005, sondern für über die letzten 50 Jahre insgesamt als fortwährendes Wech-

selspiel von Euphorie und praktischer Ernüchterung beschreiben. Damit stellt

sich die Frage, welchen Stellenwert die so genannten Best-Practice-Beispiele für

die Entwicklung und Ausgestaltung von E-Learning haben und inwieweit

ihnen tatsächlich eine konstruktive Rolle in der Entwicklung zugeschrieben

werden kann. Um dies zu beleuchten, zeigen wir zunächst, dass ohne eine

vergleichende Bewertung (Benchmarking) der Begriff wenig tragfähig ist. Da-

ran anschließend zeigen wir anhand der langjährigen Paderborner Erfahrun-

gen Konzepte auf, die sich als Alternative zur Bestimmung von Erfolgsfaktoren

in der weiteren Entwicklung von E-Learning anbieten könnten.

Von „Best Practice“ zu „Good Practice“ Als erstes Auftreten des Begriffs „Best Practice“ wird allgemein ein Projekt der

Xerox Corporation angesehen. In diesem sollte eruiert werden, warum die

Produktion japanischer Kopierer so viel günstiger war als die Xerox-eigenen.8

Der Begriff „Best Practice“ ist demnach untrennbar verbunden mit dem Begriff

des Benchmarking, also der Messung von Erfolgsfaktoren mithilfe geeigneter

Kennzahlen. Anhand dieser Messungen können dann in der Folge eigene Pro-

zesse optimiert werden. Bhutaa und Huq benutzten später folgende Defini-

tion9: „The essence of benchmarking is the process of identifying the highest

standards of excellence for products, services, or processes, and then making

the improvements necessary to reach those standards - commonly called »best

practices«.“

Die Sinnhaftigkeit des Begriffs „Best Practice“ steht und fällt also mit der Mög-

lichkeit, geeignete Kennzahlen zu finden, die eine Vergleichbarkeit ermögli-

chen. Dass dies im Bereich der Bildung als problematisch angesehen wird,

zeigt sich neben vielen einzelnen Publikationen u. a. in der Tatsache, dass die

„Australian and New Zealand Comparative and International Education

Society ANZCIES“ ihre 33. Jahrestagung unter das Motto „Questioning ‘Best

Practice’ in Education: Benefits and Disadvantages, Debates and Dilemmas“

stellte.10

8 Yasin (2002), S. 218 9 Bhutaa und Huq S. 254 (1999) 10 Christie (2005)

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E-Learning-Strategien

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Unabhängig von den kritischen Hinterfragungen des Konzepts „Best Practice“

finden sich zahlreiche Sammlungen von Best-Practice-Guidelines, die ohne die

Angabe der Auswahlkriterien auskommen. Sie erscheinen eher als Sammlun-

gen von dem, was die beteiligten Organisationen als erfolgreich ansahen, ohne

dass dies explizit belegt wäre. So heißt es beispielsweise: „The practices come

from research and consulting projects across multiple industries, including

financial services, life sciences, automobiles, and oil and gas.“11

Unabhängig davon, ob „Best Practices“ im Nachhinein als Erfolgsmodell iden-

tifiziert oder prospektiv bei der Förderung hervorgebracht werden und inwie-

fern die Auswahlkriterien transparent sind, ist fraglich, inwieweit sie im Be-

reich E-Learning die intendierte Funktion der Übertragbarkeit überhaupt

erfüllen können.

Problembereich 1: Klonnebenkosten „Best Practices“ stellen bereits fertige Lösungen dar, die den Prozess ihrer Ent-

stehung nicht reflektieren. Dies hat zur Folge, dass Abwägungen und Irrwege,

die zur Ausarbeitung einer „Best Practice“ geführt haben, bei der Umsetzung

im eigenen Kontext neu erarbeitet werden müssen. Der erhoffte Effekt der

Kostenersparnis durch den Einsatz von „Best Practices“ stellt sich daher oft

nicht ein. Moldaschl nennt dies die „Klonnebenkosten“, die beim Kopieren von

„Best Practices“ meist unterschätzt werden. „Best Practice“ führe eher zu blin-

der Anwendung oder Nachahmung und nicht zu einer erprobenden reflexiven

Anwendung, in der die jeweiligen Kontextbezüge und die innewohnenden

Widersprüchlichkeiten vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen und Praxen

reflexiv erschlossen werden.12 Vor der Anwendung von Best Practices ist es

also erforderlich, die entstehenden Klonnebenkosten zu ermitteln. Die genaue

Ermittlung der Kosten setzt jedoch Erfahrungen im Bereich der jeweiligen Best-

Practice-Methoden und Kenntnisse über die Organisation voraus, in der die

„Best Practices“ eingesetzt werden sollen.

Problembereich 2: Leuchtturmkosten Seuffert (2006) verweist darauf, dass Leuchttürme im E-Learning häufig mit

hohen Fördersummen „erkauft“ sind. Die Rahmenbedingungen, in denen die

Leuchttürme strahlen, sind also oft ganz andere als die, in denen die Projekte

11 Edmonds (2006) 12 Moldaschl (2007), S. 35

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Reinhard Keil, Christian Schild, Felix Winkelnkemper

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hinterher adaptiert werden sollen. Damit Leuchtturmprojekte langfristig er-

folgreich sein können, müssen sie daher in eine Strategie eingebettet werden,

indem sie auf niederschwelligen Einstieg und alltagstauglichen Breitenansatz

zurechtgestutzt werden müssen, um langfristig erfolgreich zu sein.

Insgesamt kann man feststellen, dass aufgrund der komplexen und heteroge-

nen Infrastrukturen im universitären Bereich ein echtes Benchmarking, wie es

für die Identifizierung einer „Best Practice“ erforderlich wäre, auch in absehba-

rer Zukunft nicht möglich scheint. Damit reduziert sich die Ausweisung „Best

Practice“ auf eine momentane Qualitätszuschreibung, die weder eine Ver-

gleichbarkeit noch Übertragbarkeit, geschweige denn Nachhaltigkeit für sich in

Anspruch nehmen kann. Greift man dagegen den bereits angesprochenen Be-

griff einer „Good Practice“ auf, könnte es gleichwohl lohnend sein, Merkmale

zu identifizieren, die für eine nachhaltige Entwicklung im jeweiligen Bereich

maßgeblich sein könnten. Einige der in Frage kommenden Merkmale sollen am

Beispiel der nachfolgenden Entwicklung skizziert werden. Dabei möchten die

Autoren nochmals ausdrücklich darauf hinweisen, dass es hier um die Fragen

der angemessenen Gestaltung technisch-medialer Unterstützungssysteme geht.

Denn nur wenn technische Potenziale sauber identifiziert werden, ist es mög-

lich, auch das Zusammenwirken mit anderen Faktoren genauer zu untersu-

chen. Ob und inwieweit man in diesem Zusammenhang auch organisationale

oder strukturelle Veränderungen in der Hochschulbildung erzielen kann,

hängt von Faktoren ab, die in diesem Beitrag nicht Gegenstand der Betrach-

tung sind.

Prinzipien einer behutsamen Strukturerneuerung Der Ansatz der behutsamen Strukturerneuerung zielt auf die Einbettung von

Praktiken in den jeweiligen Kontext. Nicht die bestmögliche Einzelleistung, die

dann von anderen übernommen werden kann, steht im Vordergrund, sondern

das Wechselspiel von Entwicklung und Einsatzkontext.13 Durch diesen Ansatz

stehen die „Klonnebenkosten“ gewissermaßen im Vordergrund der Betrach-

tung. „Good Practice“ zielt darauf ab, diese möglichst gering zu halten. Er-

reicht wird dies durch eine hypothesengeleitete Technikgestaltung.

Eine hypothesengeleitete Technikgestaltung begnügt sich nicht damit, die Nut-

zeranforderungen zu erheben und umzusetzen. Vielmehr werden basierend

13 Keil-Slawik (2003)

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E-Learning-Strategien

142

auf einem theoretischen Rahmenwerk wohl begründete Hypothesen gebildet

und bei der Umsetzung berücksichtigt. Es gilt also, zunächst die theoretischen

und konzeptuellen Grundlagen für eine solche Gestaltung zu erarbeiten. Dies

ist einerseits erforderlich, um eine Abschätzung über den Nutzen auf eine soli-

de Grundlage zu stellen, zumindest sie aber einer systematischen Auswertung

zugänglich zu machen. Andererseits gilt es, sich durch eine solide Identifizie-

rung der technisch-medialen Mehrwerte vor nicht gerechtfertigten Erwartun-

gen zu schützen, die zu unkontrollierbaren Klonnebenkosten führen könnten.

Bezüglich der Hypothesen gilt es deshalb, in Bezug auf die Entwicklung von

Technik zunächst von der Maxime auszugehen, dass man mit Technik nur

technische Probleme lösen kann und deshalb zunächst den spezifischen Mehr-

wert der Technik in Bezug auf die Unterstützung der Lehr-Arbeit wie auch der

Lern-Arbeit richten muss.

Dies soll beispielhaft an der Definition des Mehrwerts neuer Medien erläutert

werden. Im Vordergrund steht hier meist die Betonung der Zeit- und Ortsun-

abhängigkeit, die mit Hilfe der digitalen Medien verbessert werden können.

Dies ist aber in Bezug auf codierte Medien kein wirklich neuer Vorteil, denn

jede fixierte symbolische Beschreibung erfüllt diesen Zweck, sei es ein Buch,

ein Brief oder ein Film. Der tatsächliche Vorteil digitaler Medien, der von kei-

nem traditionellen Medium erzielt werden kann, ist indes die zeit- und orts-

übergreifende Integration verschiedener Lehr- und Lernplätze.

Schon diese Identifizierung des Mehrwerts hat erhebliche Konsequenzen auf

die Frage, mit welchen Entwicklungszielen man an die Gestaltung von E-

Learning herangeht. Stehen bei der klassischen Definition der Zeit- und Orts-

unabhängigkeit die Fragen der Inhalte und der individuellen interaktiven Er-

schließung mit Hilfe von Hypermedia, Simulation und Berechnungen oder gar

intelligenten tutoriellen Systemen im Vordergrund, so geht es bei der Integrati-

on um die Anschlussfähigkeit sowohl einzelner Lehr- als auch Lernhandlun-

gen. Anschlussfähigkeit verweist dabei sowohl auf räumliche und zeitliche als

auch konzeptuelle und soziale Faktoren. Die durchgängige Verfügbarkeit ohne

Einschränkung technischer, ökonomischer oder politischer Hemmnisse steht

im Vordergrund. Ziel ist also die Schaffung offener Umgebungen, in denen

Objekte jedweder Art flexibel und situationsangemessen genutzt werden kön-

nen.

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Reinhard Keil, Christian Schild, Felix Winkelnkemper

143

Zum Beleg des Prinzips der behutsamen Strukturerneuerung werden im Fol-

genden die Phasen der Entwicklung des Einsatzes digitaler Medien am Lehr-

stuhl Kontextuelle Informatik der Universität Paderborn beschrieben.

Phase I Die Anforderungen an eine durchgängig verfügbare Lernumgebung schienen

zum ersten Mal mit der Entwicklung des Browsers Mosaic für das World Wide

Web gegeben. Die erste plattformübergreifende Fassung dieses Browsers mit

der Fähigkeit, Grafiken im Text einzubinden, war Ende 1993 verfügbar und

wurde von uns bereits im Sommersemester 1994 für die Durchführung einer

Lehrveranstaltung eingesetzt. Die Auswertung der Nutzung ergab eine Fülle

nützlicher Hinweise für die Weiterentwicklung. Den angestrebten Vorteilen

der durchgängigen Verfügbarkeit, der Verbesserung der Materialien und der

Verringerung der Kosten standen bedeutsame Nachteile in Bezug auf die ergo-

nomische Nutzung entgegen. Lehrmaterialien konnten zwar schnell und kos-

tengünstig erstellt und distribuiert werden, doch war ihre Lesbarkeit aufgrund

der Qualität der damaligen Bildschirme sehr eingeschränkt. Zusätzlich erwies

sich der Browser als mediale Einbahnstraße, da ein flexibles Rechtemanage-

ment fehlte, um das Schreiben von Texten auch durch die Studierenden zu

ermöglichen.14 Das Ergebnis war, dass die meisten Studierenden diese Ler-

numgebung auf ein „Printing on Demand“ reduzierten – ein Schicksal, das

noch heute viele Lernplattformen teilen, die abwertend als PDF-Schleudern

bezeichnet werden.

Die Konsequenz war, ein neues System zu nutzen, das besser für die Erforder-

nisse des E-Learning eingerichtet war. Die Wahl fiel auf Hyper-G (später Hy-

perwave), ein System, das an der Universität Graz entwickelt wurde und auf

denselben Prinzipien wie das World Wide Web beruhte. Mit diesem System

war es möglich, Arbeitsmaterialien so zur Verfügung zu stellen, dass sie von

den Studierenden online bearbeitet und verwaltet werden konnten. Dies wird

am deutlichsten an der Tatsache, dass die Verweise eines Hypertextes tech-

nisch getrennt von den Dokumenten verwaltet wurden und man somit den

Studierenden das Anbringen von Links erlauben konnte, ohne die Integrität

des Ursprungstextes zu verletzen. Zusätzlich konnten Kollektionen eingerich-

tet werden, in denen die Studierenden eigene Texte ablegen und mit den vor-

14 Siehe Brennecke, Keil-Slawik (1995).

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E-Learning-Strategien

144

handenen verknüpfen konnten. Mit diesen Möglichkeiten ließen sich bereits

einige neue Lernszenarien im Übungsbetrieb umsetzen.15

Bezüglich der Materialien wurde bewusst ein Ansatz gewählt, der die Mög-

lichkeiten des verteilten Schreibens in den Vordergrund stellte und nicht die

medial hochwertige Integration in ein multimediales Produktionssystem, wie

es zur damaligen Zeit von vielen Politikern, Stiftungen und profilierten Vertre-

tern der Wissenschaft propagiert wurde. Der „Alma Mater Multimedialis“16,

die mit mächtigen Sponsoren oder in großen Konsortien höchstwertige Lernin-

halte produziert und anbietet, stellten wir den „Steinbruch des Lernens“ ent-

gegen.17 Nicht geschlossene Produktionsumgebungen auf höchstem Niveau,

sondern offene Umgebungen, in denen Objekte jedweder Art flexibel und situ-

ationsangemessen genutzt werden konnten, waren das Ziel. Die Erhöhung der

Handlungsflexibilität für Lehrende und Lernende stand im Vordergrund –

nicht die Verlagerung von Kompetenz in Materialien war die Leitlinie für die

Ausgestaltung der Technik. Das Ziel, Lehrmaterialien ohne großen Aufwand

online wie offline je nach Situation selektieren, verknüpfen oder bearbeiten zu

können, musste, wie Schulmeister (2001, S. 331 ff.) zu Recht anmerkt, mit Qua-

litätseinschränkungen erkauft werden, doch ließen sich damit eine Fülle alltäg-

licher neuer Nutzungsformen auch für die Prüfungsvorbereitung der Studie-

renden erschließen.18 Damit war ein niederschwelliger Einstieg gegeben, der

aufgrund der niedrigen Klonnebenkosten zu weiteren Handlungen anregte.

Phase II Diese erste Phase hat gezeigt, wie vielfältig neue Medien in den Alltag inte-

griert werden können, wenn es das Ziel ist, für alle Beteiligten – Produzenten

wie Nutzer – neue Handlungsmöglichkeiten zu erschließen. Dies führt auf eine

weitere grundlegende Betrachtung, bei der im Vordergrund die Anschlussfä-

higkeit von Lehr- und Lernprozessen steht. In Bezug auf die technische Ent-

wicklung manifestiert sich dieses auf drei Ebenen:

Ökonomisch muss die Technik abseits von Projektförderungen bezahlbar

bleiben.

15 Siehe Brennecke, Keil-Slawik (1997), S. 86 ff. 16 Encarnação, Leithold, Reuter (2000), S. 8 ff. und Brockhaus, Emrich, Mei-Pochtler (2000) 17 Keil-Slawik (1998) 18 Grimm, Hoff-Holtmanns (1999) und Hampel et al. (2001)

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Technisch müssen offene Standards die Zugänglichkeit unabhängig von

speziellen Geräten und Softwaresystemen ermöglichen.

Medial müssen technische Unterstützungsfunktionen die Einbettung indi-

vidueller Lernhandlungen in kooperative Prozesse unterstützen.

Leider lassen sich diese drei Bereiche selten widerspruchsfrei integrieren. Mit

der zunehmenden Verbreitung des Word Wide Web in der zweiten Hälfte der

1990er Jahre etablierte sich zugleich die Auszeichnungssprache HTML für die

Repräsentation von Dokumenten und Verweisstrukturen im Netz. Da Hyper-G

zwar eine ähnliche Technologie, aber eine andere Auszeichnungssprache ver-

wendete, entstanden an vielen Stellen Medienbrüche. Diese waren umso gra-

vierender, je mehr sich Lehr- und Lernhandlungen über verschiedene Perso-

nen, Gruppen oder gar Institutionen erstreckten – eine in der Hochschullehre

nicht glückliche Situation. Um hier keine technologische Insel zu schaffen,

mussten wir auf die bereits angesprochenen Vorteile verzichten. Damit einher-

gehend war es abermals nötig sich zu überlegen, ob sich nicht auf der Basis des

neuen Standards Formen entwickeln ließen, die insbesondere in Bezug auf die

medialen Unterstützungsfunktionen eine neue Qualität beim Lehren und Ler-

nen ermöglichen könnten.

Dazu entwickelten wir das Konzept der virtuellen Wissensräume. Unter der

Bezeichnung HyperMUD versuchten wir, die Ereignisstrukturierung von

Mehrbenutzerdialogen, wie sie in rollenbasierten Abenteuerspielen vorherr-

schen, mit der Strukturierung von Dokumenten (Hypertext) zu verknüpfen.

Dies erlaubt neue Formen der Lehrorganisation und eröffnet neue Möglichkei-

ten, wie sich Lernende nicht nur individuell, sondern auch kooperativ Lehrma-

terialien erschließen können. 19 Mit Hilfe des DFN Vereins (Deutsches For-

schungsnetz) konnten wir dann diesen Ansatz unter der Bezeichnung sTeam

(Strukturieren von Information im Team) als Open-Source-Produkt bereitstel-

len.20

Wie Abbildung 1 verdeutlicht, geht es bei virtuellen Wissensräumen darum,

einen Handlungs- und Wahrnehmungsraum zu schaffen, der für die beteiligten

Personen als gemeinsames externes Gedächtnis fungieren kann. Der entschei-

19 Bollmeyer (1997) 20 Hampel, Keil-Slawik (2001)

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dende Gesichtspunkt bei virtuellen Wissensräumen liegt in der Abkehr von der

medialen Einbahnstraße, die vom Produzenten (Lehrender) zum Rezipienten

(Lernender) führt. Durch das Setzen von Rechten und das Kreieren von Räu-

men mit entsprechenden Verbindungen zu anderen Räumen, können Wissens-

strukturen von allen Beteiligten aufgebaut werden.

Auch hier steht das Prinzip der Handlungsflexibilität im Vordergrund. Leh-

rende und Lernende sollen in der jeweiligen Situation selbst entscheiden kön-

nen, wie sie den Umgang mit den Materialien gestalten wollen. Dabei können

unterschiedliche Formen der Kommunikation, Kooperation, Koordination,

Kollaboration etc. durch gemeinsames verteiltes (ko-aktives) Schreiben in ei-

nem Wissensraum realisiert werden. Die Technik soll nicht ein bestmögliches

Szenario implementieren und damit vorschreiben, sondern jede Form des ver-

teilten Umgangs mit Wissensressourcen ermöglichen.21

21 Eine systematisierende Betrachtung dieses Ansatzes findet sich in Selke (2008).

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Abbildung 1: Vom gedächtnislosen Transport von Wissensobjekten zum ko-aktiven Schreiben

Die Kernphilosophie von sTeam bestand darin, dass alle Nutzer mit einem

eigenen Raum ausgestattet sind und sie jeweils anderen Nutzern den Zutritt

gestatten können (Selbstadministration). Damit sich Nutzer auch finden konn-

ten, hatten sie die Möglichkeit, ein eigenes Profil anzulegen. Damit sind schon

Jahre, bevor der Begriff Web 2.0 geprägt wurde, die Grundlagen für E-Learning

2.0 gelegt worden.

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E-Learning-Strategien

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Auch auf dieser Entwicklungsstufe ging es darum, einen möglichst großen

Freiraum an situativer Ausgestaltung in Bezug auf die Nutzungsszenarien zu

ermöglichen. Wissensobjekte sollten möglichst frei miteinander kombiniert,

verknüpft, arrangiert, kommentiert, annotiert etc. werden können. Unter die-

sem Blickwinkel wären ein Wiki ebenso wie ein Blog lediglich unterschiedliche

Arrangements von Textobjekten in Kombination mit spezifischen Zugriffsrech-

ten und Anordnungsregeln. Flexibilität bedeutet dabei auch, dass zum Beispiel

bei einer entsprechenden Setzung der Zugriffsrechte auch die klassischen

Download-Mechanismen realisiert werden können, bei dem nur die Lehrenden

Schreibrechte erhalten und den Studierenden lediglich Leserechte zugestanden

werden.

Die Möglichkeit jedoch, auch jederzeit „private“ Wissensräume z. B. durch die

Studierenden anlegen zu können, führte in kurzer Zeit zu einer Explosion der

Nutzerzahlen und letztlich dazu, dass dieses System heute unter dem Namen

koaLA universitätsweit eingesetzt wird.22

Insofern verkörpern virtuelle Wissensräume zwar eine sehr flexible und uni-

verselle Umgebung für die Nutzung von „E-Learning 2.0“-Konzepten, doch

erfordern didaktische Konzepte mit spezifischen Abläufen in der Bearbeitung

von Wissensobjekten auch entsprechende Unterstützungsfunktionen. In der

Folge wurden spezifische Szenarien entwickelt, die vom Anschluss (virtueller)

Labore und Forschungsumgebungen23 über die Bereitstellung virtueller Semes-

terapparate für Seminare bis hin zu neuen Verfahren der Diskursstrukturie-

rung 24 reichen.

Phase III Konzepte wie virtuelle Wissensräume stellen eine Möglichkeit dar, integrierte

und durchgängig nutzbare Infrastrukturen für E-Learning aufzubauen. Die

zuvor beschriebene große Flexibilität und der niederschwellige Einstieg kön-

nen jedoch für die weitere Entwicklung zum Hemmschuh werden, wenn es

nicht gelingt, innovative Konzepte anzuschließen und sich herauskristallisie-

rende Handlungsmuster der Nutzer angemessen zu unterstützen. Mit der zu-

22 Roth et al. (2006) 23 Vgl. Eßmann et al. (2006) sowie Ferber et al. (2007). 24 Blanck, Schmidt (2005)

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149

nehmenden Nutzung neuer Medien verändern sich ihre Erwartungen und

Anforderungen.

Ein niederschwelliger Einstieg, wie er zuvor skizziert wurde, bietet jedoch in

der Regel nicht die Unterstützung, die für fortgeschrittene Nutzungskonzepte

und didaktische Szenarien erforderlich ist. Auf der anderen Seite erfordert das

Kriterium der Alltagstauglichkeit, dass neue Szenarien nicht ohne allzu großen

Aufwand in das vorhandene Repertoire aufgenommen werden können. Dazu

fehlen aber bislang geeignete Umgebungen, die es gestatten, zum Beispiel un-

terschiedliche Verfahren zur Diskursstrukturierung generativ zu beschreiben

und sie so durch die Nutzer erzeugen bzw. konfigurieren zu lassen. Zwar gibt

es hier erste Ansätze wie beispielsweise die IMS Learning Specification25, aber

diese ist nicht geeignet, Lernszenarien durch die Nutzer anzulegen und zu

strukturieren.

Ein weiteres Problemfeld liegt in der Tatsache begründet, dass bei der Nutzung

eines Browsers die Möglichkeiten des visuellen Arrangements bislang nur

unzureichend ausgeschöpft werden. Lernarbeitsplätze außerhalb des Compu-

ters sind in der Regel gekennzeichnet durch ein komplexes räumliches Arran-

gement von Wissensobjekten, in dem sich der Arbeitsstand für den jeweiligen

„Wissensarbeiter“ manifestiert. Solche räumlichen Arrangements sind dabei

hochgradig situativ und spezifisch. Das gilt sowohl für Gruppen- als auch für

individuelle Arbeitsplätze.

Verzeichnisse und Listen von Dokumenten sind auf Dauer nicht ausreichend,

da sie das technisch mediale Potenzial des Positionierens und Arrangierens

von Wissensobjekten nicht ausnutzen.26 Darüber hinaus entwickeln sich Wis-

senschaftlerarbeitsplätze ebenso weiter wie mobile Geräte und interaktive Dis-

plays.27

Neue Unterstützungsformen werden diese Entwicklungen aufgreifen müssen,

um die gestiegenen Erwartungen bedienen zu können. So ermöglichten z. B.

nomadische Desktops, in einer Browseransicht Dokumente aus unterschiedli-

chen Beständen (d. h. mit einer unterschiedlichen URL) in einem Browserfens-

25 Siehe dazu http://www.imsglobal.org/. 26 Vgl. Erren (2010). 27 Vgl. Schulte et al. (2011).

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E-Learning-Strategien

150

ter gemeinsam zu arrangieren.28 Entscheidend ist hier, dass die grundlegenden

Elemente einer lernförderlichen Infrastruktur bereits vorhanden sind und es

jetzt gewissermaßen um jeweils spezifische Innenarchitekturen virtueller Räu-

me geht.

Fazit Die hier skizzierte Entwicklung hat nur einen kleinen, aber kohärenten Aus-

schnitt aus dem Bereich E-Learning vorgestellt. Dabei war es das Ziel, dem

„Best Practice“-Ansatz Prinzipien einer behutsamen Strukturerneuerung ge-

genüberzustellen und zu dokumentieren, dass diese Prinzipien sich als Alter-

native anbieten, wenn man mit Forschungs- und Entwicklungsprojekten den

nachhaltigen Aufbau lernförderlicher Infrastrukturen verfolgt.

Das bedeutet nicht, dass allein diese Prinzipien ausreichend für eine erfolgrei-

che Implementierungsstrategie wären. Vielmehr ging es darum zu dokumen-

tieren, dass die Orientierung auf die Einbettung technisch-medialer Systeme in

den Nutzungskontext den Vorteil mit sich bringt, dass die Klonnebenkosten im

Vordergrund stehen. Hierdurch müssen Abstriche gemacht werden, sodass ein

Anspruch auf „Best Practice“ nicht mehr aufrecht erhalten werden kann.

Zur besseren Übersicht wurde dabei die fast 20-jährige Forschungsarbeit auf

drei Phasen reduziert:

1. Phase: Browserbasierte Distribuierung von Materialien und Kommunika-

tionsunterstützung (1993-1998),

2. Phase: Aufbau virtueller Wissensräume und Bereitstellung neuer Formen

der verteilten Interaktion (1999-2011),

3. Phase: Entwicklung von Innenarchitekturen für virtuelle Wissensräume

mit speziellen Nutzungspotenzialen (ab 2012).

Sowohl für die Phasen als auch für die Phasenübergänge war charakteristisch,

dass man sich bei der Gestaltung von E-Learning-Infrastrukturen in einem

komplexen Feld sich widersprechender Anforderungen bewegt. Wichtiger als

die Identifizierung einer „Best Practice“, die notwendigerweise klare Priorisie-

rungen setzen muss, um etwas als Bestes deklarieren zu können, zielen die

vorgestellten Prinzipien zur behutsamen Strukturerneuerung direkt auf die

28 Vgl. Keil, Schubert, Selke (2009).

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Reduzierung der Klonnebenkosten, da sie den Ausgleich widerstrebender

Anforderungen ins Zentrum der Betrachtung rücken.

Zumindest für den hier vorgestellten Ansatz kann man belegen, dass die Ver-

knüpfung von Innovation und Alltagstauglichkeit durchaus zu Lösungen

führt, die allein unter „Best Practice“-Gesichtspunkten nicht in der Gradlinig-

keit hätten entstehen können.

Ein Beleg für die Alltagstauglichkeit ist die Tatsache, dass die dabei entwickelte

Lernumgebung heute sowohl universitätsweit als auch in regionalen Bildungs-

netzen eingesetzt wird. Die Innovationskraft zeigt sich daran, dass die ent-

scheidenden Nutzungsszenarien und Technologien (browserbasiertes E-

Learning und virtuelle Wissensräume) ihrer Zeit jeweils deutlich voraus waren.

Gleichwohl muss abgewartet werden, ob sich die hier skizzierte dritte Phase

auch in derselben Form durchsetzen wird, wie das für die ersten beiden Phasen

der Fall war. Darüber hinaus gilt es zu konstatieren, dass eine nachhaltige

Entwicklung nicht notwendigerweise das Kriterium der Übertragbarkeit

gleichermaßen erfüllt. Zu viele Faktoren spielen eine Rolle, die in ihrem wech-

selseitigen Bedingungsgefüge bislang nur in Ansätzen erforscht sind. Er recht-

fertigt jedoch den kritischen Bick auf das Konzept „Best Practice“ und öffnet

die Diskussion für alternative Konzepte für die Forschung im Bereich E-

Learning, indem er neben einer zyklischen Entwicklung und klaren Zielvorstel-

lungen auf technisch-mediale Mehrwerte zugleich Perspektiven auf eine hypo-

thesengeleitete Technikgestaltung eröffnet.

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Vita Prof. Dr.-Ing. Reinhard Keil

Professor für Kontextuelle Informatik am Heinz Nixdorf Institut der Universi-

tät Paderborn. Forschungsschwerpunkte: Software-Ergonomie, E-Learning,

Kooperationsunterstützende Systeme, Gestaltung digitaler Medien, verteilte

Wissensorganisation.

Über 170 Veröffentlichungen, Herausgeber von 15 Büchern und der Zeitschrift

„Erwägen Wissen Ethik“. Auszeichnungen: Wissenschaftlermedaille Buenos

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Reinhard Keil, Christian Schild, Felix Winkelnkemper

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Aires (1986), Forschungspreis Software-Ergonomie der GI, Zürich (1991), Eh-

renpreis der Hypo Tyrol Bank des MeDiDaPrix, Innsbruck (2000), Computer-

world Honors Program Laureate, San Francisco (2002), Finalist des Mediendi-

daktischen Hochschulpreises Hamburg (2008).

Dipl.-Wirt.-Inf. Christian Schild

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Fachgruppe Kontextuelle Informatik am

Heinz Nixdorf Institut der Universität Paderborn. Forschungsschwerpunkte:

Software Ergonomie, E-Learning.

Dipl.-Inform. Felix Winkelnkemper

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Fachgruppe Kontextuelle Informatik am

Heinz Nixdorf Institut der Universität Paderborn. Forschungsschwerpunkte:

Software-Ergonomie, E-Learning

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Michael Herzog: Hochschule Magdeburg-Stendal, [email protected]

Elisabeth Katzlinger: Universität Linz, [email protected]

Cross Teaching mit interregionalen Lernteams: Szenarien, Werkzeuge und Lerneffekte

Abstract In länderübergreifender Kooperation wurde eine wirtschaftswissenschaftliche

Lehrveranstaltung zwischen zwei Hochschulen mit kollaborativen Medien

verschränkt und durch eine Studie mit 160 Teilnehmenden begleitet. Für die

Studierenden wurde eine Lernsituation kreiert, die der Realität von virtueller

Zusammenarbeit in globalisierten Unternehmen nahe kommt, die Medien-

kompetenz fördert und die gleichwohl einen akademischen Anspruch verfolgt.

In dem hauptsächlich durch asynchrone Medien begleiteten Lernsetting wur-

den Fallstudien zu E-Business-Themen in interregionalen Lerngruppen ausge-

arbeitet, in einem WIKI dokumentiert und am jeweiligen Standort präsentiert.

Dieser Beitrag stellt das Lernszenario und die Methodik der Studie vor. Die

Ergebnisdiskussion reflektiert sowohl den Nutzen dieses Lehrkonzepts für die

Studierenden, als auch für die Lehrenden hinsichtlich des Erfahrungsaustau-

sches, fachlicher Profilierung und Interkulturalität.

Cross Teaching neu interpretiert Ausgehend von einer zunächst sehr kritischen Sicht auf medien(-technisch)

vermitteltes Lernen, welches sich beginnend mit dem Bildungsfernsehen

(Brown 1987 [2]) über das Teleteaching (vgl. Mittendorfer 1995 [12], Bourdeau

& Bates 1997 [1]) bis hin zu komplexeren Vermittlungsansätzen beim Online-

Lernen entwickelt hat, waren die deutlichen Vorbehalte gegenüber den Tele-

teaching-Ansätzen solange virulent, bis die Interaktionskomponenten in virtu-

ellen Lernumgebungen gereift sind. Spätestens mit dem massiven Bedarf nach

virtueller Kommunikation in der globalisierten Wirtschaft erfährt auch das

virtuelle Lernen – meist als Bestandteil von Blended Learning Ansätzen – heute

eine große Akzeptanz. Da vernetztes Entwickeln von virtuellen Inhalten ge-

nauso wie die verschiedenen Formen der medialen Kommunikation für das

Management-Handeln unverzichtbar geworden sind, kommt der Vermittlung

von virtueller Medienkompetenz gerade für Studierende der wirtschaftsnahen

Studiengänge eine hohe Bedeutung zu.

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Michael Herzog, Elisabeth Katzlinger

157

Diesem Ziel fühlten sich bereits die ersten universitären Bildungsprojekte ver-

pflichtet, die den Begriff Cross-Teaching verwendet haben (Mittendorfer 2002

[13]) und welche seit dem Aufkommen der ersten Weblog-Technologien in

einen interaktiven Lehr- und Lernansatz mündeten, der Studierende verschie-

dener Fachdisziplinen an unterschiedlichen Lernorten zu kollaborativem Han-

deln über Medien angeregt hat (collabor 2003 [3]).

Dem Cross-Teaching Konzept folgend geht es in dem hier vorzustellenden

Lernszenario darum, den Ansatz mit heutigen Mitteln neu zu interpretieren

und empirische Erkenntnisse daraus zu gewinnen. Auf Basis des inzwischen

weit verbreiteten didaktischen Konzepts des Gemäßigten Konstruktivismus,

der „am besten durch die Bearbeitung von realitätsnahen Problemen und Pro-

jektaufgaben sowie durch kooperatives Lernen“ (Gerstenmaier & Mandl 1995

[5], S. 876) umgesetzt wird, sowie durch das Konzept des Problembasierten

Lernens mit der „Bereitstellung einer reichhaltigen, komplexen Lernumge-

bung, in der die Lernenden im sozialen Austausch selbständig lernen können“

(Issing 2009 [6], S. 31), wurde für diese Studie ein hochschulübergreifendes

Cross-Teaching Szenario entwickelt. Dieses Szenario sollte der Arbeitswelt von

Virtuellen Teams bzw. Virtuellen Gruppen nahe stehen, wie sie vor allem in

der Organisationslehre der BWL diskutiert werden. Hierbei spielt insbesondere

die Koordination und Steuerung von virtuellen Teams eine große Rolle, die

sich durch ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit auszeichnen (Wissmann

2010 [16], S. 332.), die von kulturellen value-in-diversity Effekten profitieren,

die aber auch von „höheren Konfliktniveaus, ineffektiver Kommunikation,

mangelnder Befriedigung sozialer Bedürfnisse und eingeschränkter Identifika-

tion und Motivation“ – im Vergleich zu direkter Interaktion – gebremst werden

(Köppel 2007 [9], S. 285f.). Eben diese Effekte konnten auch im entwickelten

Lernsetting gemessen werden, wie im Folgenden noch gezeigt wird.

Lernsetting Das Cross-Teaching Szenario wurde insgesamt aus drei starken Motiven als

Kooperation zwischen zwei Hochschulen länderübergreifend entwickelt.

Zunächst gab es den Bedarf der Lehrenden, ein neues Lehrkonzept für das

Fach „E-Business“ (Turban et al. 2010 [15]) zu entwickeln und dabei von den

Erfahrungen der jeweils anderen Einrichtung, der verschiedenen fachlichen

Profilierung und der Interkulturalität zu profitieren. So sollte das an der Jo-

hannes Kepler Universität Linz bereits etablierte Fach „Business und Internet“

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Cross Teaching mit interregionalen Lernteams

158

in einer aktualisierten Form für die Studienrichtungen Wirtschaftswissenschaf-

ten und Wirtschaftsinformatik angeboten werden. Für die Hochschule Magde-

burg-Stendal war dieses Fach für den Studiengang Betriebswirtschaftslehre im

Modul Wirtschaftsinformatik in neuer Form im WS 2010/2011 zu konzipieren.

Der Ansatz sah vor, durch die Verschränkung der Lehrveranstaltung und Nut-

zung der vorrangig betriebswirtschaftlichen Kompetenzen in Linz bzw. infor-

mationstechnischen Kompetenzen in Magdeburg, Schwerpunkte zwischen den

Einrichtungen aufzuteilen, um arbeitsteilig Ressourcen zu schonen und die

Qualität insgesamt zu heben. So wurde über das ERASMUS-Programm ein

Austausch der Lehrenden organisiert und die Lehre jeweils in einer Woche

direkt vor Ort an der Partnerhochschule von den Dozenten durchgeführt. Zu-

sätzlich wurden einige Vorlesungen aufgezeichnet und jeweils im anderen

Hörsaal direkt eingespielt oder als zusätzliches Lernmaterial online angeboten.

Weitere Online-Medien wie Videoclips oder Linklisten flankierten das Lernset-

ting.

Ein zweites Anliegen war die Schaffung eines Austausches für die Studieren-

den. Hierfür wurde eine Lernsituation kreiert, die der Realität von virtueller

Zusammenarbeit in globalisierten Unternehmen heute nahe kommt und die

gleichwohl einen akademischen Anspruch verfolgt, indem ein aktuelles E-

Business-Thema mit Praxisbezug in den Mittelpunkt gestellt wurde. Zudem

sollte als Lernziel auch Medienkompetenz in Bezug auf virtuelle Kommunika-

tion und kollaborative Medienerstellung entwickelt und trainiert werden. Als

Lernsetting wurde dafür die Fallstudien-Methode gewählt (Die Fallmethode

wird auch als Case Study Method, Harvard-Methode oder Fallstudienmethode

bezeichnet, vgl. Lasch et al. 2008 [10], S. 5; Matzler et al. 2006 [11], S. 241). Die

eingesetzten Fallstudien beschreiben betriebliche Situationen aus dem Themen-

feld E-Business, die je ein Entscheidungsproblem beinhalten. Verwendet wur-

den beispielsweise Fallstudien aus dem Harvard Business Manager wie „Der

gläserne Kunde“ [15] oder „Macht uns Open Source kaputt – oder stark?“ [16]

Insgesamt mehr als 160 Studierende wurden im WS2010/11 in möglichst inter-

regionale Gruppen von 4 bis 6 Personen organisiert und erhielten die Aufga-

benstellung, eine von sieben vorgegebenen Fallstudien anhand einer vorgege-

benen Struktur zu bearbeiten bzw. eine eigene Fallstudie mit E-Business-Bezug

zu belegen. Das Ergebnis der drei- bis vierwöchigen Zusammenarbeit sollte in

einem Wiki dokumentiert und an jedem Standort in einem kurzen Vortrag

präsentiert und anhand von Thesen diskutiert werden.

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Michael Herzog, Elisabeth Katzlinger

159

Für die interregionale Kommunikation wurde den Gruppen jeweils ein Forum

und ein Chatraum in einer gemeinsamen Lernplattform eingerichtet, sowie

insgesamt drei virtuelle Räume für die Videokommunikation zur Verfügung

gestellt, die ad hoc genutzt werden konnten. Für die Betreuung von etwa der

Hälfte der 30 Gruppen wurden 15 Studierende des Spezialisierungsfaches E-

Learning an der JKU Linz als Moderatoren eingesetzt, die wiederum durch die

Linzer Dozentin angeleitet wurden.

Das obige Lernsetting wurde in einer dritten Überlegung auch vor dem Hin-

tergrund kreiert, vergleichende empirische Erhebungen durchführen zu kön-

nen. Besonderes Forschungsinteresse bestand dabei in Fragen des Lernens in

virtuellen, interkulturellen Gruppen im Vergleich zu Gruppen mit Direktkon-

takt, in der Vermittlungsmöglichkeit von Medienkompetenz sowie auch in der

Einbeziehung von fremdsprachigen Studierenden. Zudem sollte es möglich

sein, Signifikanzen hinsichtlich der Korrelation von Lernstilen in Bezug auf die

Nutzung von und den Umgang mit virtuellen Medien zu ermitteln. Die in

Kapitel 4 vorgestellten Ergebnisse zeigen die Erkenntnisse der Mitte März 2011

abgeschlossenen Erhebungen zum Cross Teaching Ansatz.

Untersuchungsmethode Um die Erfahrungen der Studierenden mit der Zusammenarbeit in der interre-

gionalen Lerngruppe auszuwerten, wurden unterschiedliche quantitative und

qualitative Erhebungsmethoden verwendet. Die Studierenden wurden in der

Lernplattform Moodle mit einem Online-Fragebogen aus standardisierten und

offenen Fragen befragt. Der Rücklauf des Fragebogens war unterschiedlich, bei

der österreichischen Universitätsgruppe betrug der Rücklauf 24 von 31 (77%)

Studierenden, die die Lehrveranstaltung bis zur Prüfung besuchten. In der

deutschen Hochschulgruppe betrug der Rücklauf 56 von 114 (49%) Studieren-

den. Ausgewertet wurden 80 Fragebögen.

Die Studierenden der österreichischen Universitätsgruppe bekamen zudem die

Aufgabe gestellt, einen persönlichen Erfahrungsbericht über die Zusammenar-

beit in der interregionalen Lerngruppe und über die tutorielle Betreuung zu

verfassen.

Für die Auswertung des Ablaufes innerhalb der Lerngruppe wurde das Forum

in der Lernplattform verwendet. Jeder Lerngruppe stand ein eigenes Forum

zur Verfügung. Vor allem in der Startphase der Gruppenarbeit wurde dieses

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Cross Teaching mit interregionalen Lernteams

160

Kommunikationsmedium verwendet. Im weiteren Verlauf der Gruppenarbeit

wurden auch andere Medien verwendet, die für die Auswertung nicht zur

Verfügung standen.

In der Auswertung der Untersuchung wurden die regionalen Gruppen berück-

sichtigt. Dies ist insofern von Bedeutung, weil die Lehrveranstaltung in den

beiden Curricula unterschiedlich platziert ist. An der österreichischen Universi-

tät ist die Lehrveranstaltung der Einstieg in ein Spezialisierungsfach im Dip-

lomstudium Wirtschaftswissenschaften, die Studierenden belegen das Fach ab

dem 5. Semester. An der deutschen Fachhochschule ist es Teil des Faches Wirt-

schaftsinformatik im Bachlorstudium Betriebswirtschaftslehre und wird im

dritten Semester belegt.

Ergebnisse und Bewertung der Untersuchung Von den demografischen Daten unterscheiden sich die beiden Gruppen im

Durchschnittsalter und im Frauenanteil, wie in Tabelle 1 ersichtlich. Diese bei-

den Punkte lassen sich durch die unterschiedliche Position der beiden Lehrver-

anstaltungen im Curriculum erklären.

Tab. 1: Durchschnittsalter und Geschlechterverhältnis

Beim demografischen Vergleich der beiden Gruppen ist zudem auffällig, dass

der Anteil an berufstätigen Studierenden in Linz deutlich höher ist als bei den

Studierenden in Magdeburg-Stendal (Abb. 1)

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Michael Herzog, Elisabeth Katzlinger

161

Abb. 1: Berufstätigkeit der Studierenden

Die Studierenden wurden im Rahmen der Untersuchung danach befragt, wie

viele Stunden sie durchschnittlich im Internet verbringen. Hinsichtlich der

Internetnutzung ergeben sich keine auffälligen Unterschiede beiden Studieren-

dengruppen. Wie in Abb. 2 ersichtlich, fällt auf, dass das Internet in erster Linie

zur Kommunikation, zur Informationssuche und zum Download verwendet

wird. Die aktive Nutzung des Internet, beispielsweise zur eigenen Contenter-

stellung, steht in beiden Gruppen eher im Hintergrund.

Berufstätigkeit

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Linz-Ges

amt

Linz-män

nlich

Linz-weib

lich

Magdeb

urg/Stendal-

Gesam

t

Mb-St-män

nlich

Mb-St-weib

lich

Vollzeit Teilzeit Geringfügig beschäftig Nicht berufstätig

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Cross Teaching mit interregionalen Lernteams

162

Abb. 2: Internetnutzung

Bei der Dauer der Internetnutzung zeigte sich zwischen den Standorten wenig

Unterschied, deutliche Unterschiede gibt es aber zwischen den Geschlech-

tern.So finden sich in den Gruppen, die das Internet mehr als 20 Stunden pro

Woche nutzen, deutlich weniger Frauen.

Bei der Beantwortung der Frage, wie viel Zeit Mediennutzung insgesamt für

die Fallstudie aufgewendet wurden, schwankten die Angaben zwischen einer

und 150 Stunden, wobei der Median bei neun Stunden liegt. Die Schwan-

kungsbreite für die aufgewendete Zeit für die Fallstudie lag zwischen drei und

260 Stunden, der Median liegt hier bei fünfzehn Stunden.

Die verwendeten Medien verteilen sich, wie in Tab. 2 ersichtlich, mit Schwer-

punkt auf Wiki und Forum (100% bzw. 98,75% der Studierenden nutzten diese

Medien). Bei der Auswertung der Mediennutzung wurde nach regionalen und

interregionalen Lerngruppen unterschieden. In den interregionalen Lerngrup-

pen ist die Mediennutzung deutlich länger.

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Michael Herzog, Elisabeth Katzlinger

163

Tab. 2: Mediennutzung

Von Seiten der Studierenden wurden die Medien sehr unterschiedlich genutzt

und auch bewertet. In der Beurteilung der Kommunikationsmedien hinsicht-

lich der Bedeutung für die Bearbeitung der Fallstudie (1 – nicht geeignet/ 4 –

sehr nützlich) fällt auf, dass die Linzer Studierenden die Medien durchweg

schlechter bewerteten als die Stendaler, abgesehen von Videokonferenz und

Wiki. Als eindeutig wichtigstes Kommunikationsmedium wurde E-Mail ange-

geben (Abb. 3).

Mittelwert Interregional (in Stunden)

Mittelwert Regional (in Stunden) Mediennutzung

Videotime 0,38 0,00 21,25% Audiotime 2,84 1,82 61,25% Chattime 4,48 2,00 77,50% Forumtime 4,71 2,33 98,75% Wikitime 8,24 3,67 100,00% Texttime 6,25 1,27 86,25% PPT-Time 4,73 1,56 90,00% Mailtime 1,69 1,75 67,50% SocialMediaTime 1,33 1,00 45,00%

Sonstige Medien 0,91 1,45 46,25%

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Cross Teaching mit interregionalen Lernteams

164

Abb. 3: Bewertung der Kommunikationsmedien

Bei der Bewertung der Medien durch die Studierenden ist auffallend, dass die

interregionalen Lerngruppen die Medien als weniger wichtig einstuften als die

regionalen Lerngruppen. Auch in den qualitativen Beurteilungen wird den

asynchronen Kommunikationsmedien der Vorzug gegeben. Als Grund wurde

häufig die schwierige Terminkoordination für die synchrone Kommunikation

angegeben. In der Anfangsphase der Gruppenarbeit wurde aber Telefon bzw.

Videokonferenz (vorzugsweise Skype) als positiv für die Gruppenarbeit ange-

sehen. Hier einige Auszüge der Rückmeldung der Studierenden:

„E-Mail, Wiki, Forum erleichtern eine Kommunikation, jedoch kann dies

zeitraubend sein, da man auf Antworten warten muss. Chat ist eine gute

Alternative, wobei das Tippen sehr zeitaufwändig ist. Direktkontakt ist

immer noch die schnellste und effektivste Kommunikation um Probleme

zu bewältigen“ (Magdeburg-Stendal)

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Michael Herzog, Elisabeth Katzlinger

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„Ich denke, Videokonferenzen sind nicht nötig - hier ist Audiokommuni-

kation völlig ausreichend. Zur Dokumentation finde ich Foren, Wiki,

SocialMedia (z.B. Facebook Gruppe) sehr geeignet. Direktkontakt ist natür-

lich zur Ausarbeitung einer Teamarbeit immer am optimalsten!“ (Linz)

Die Studierenden wurden nach Konfliktsituationen innerhalb der Lerngruppe

gefragt. In ungefähr zwei Drittel der Rückmeldungen wurden entweder keine

Konflikte angegeben oder kleine Konflikte, die durch Kommunikation gelöst

werden konnten. In den anderen Gruppen kam es zu größeren Konflikten vor

allem bezüglich Themenwahl, Gliederung, Arbeitsverteilung und Einhaltung

von Terminen. Bei diesen Gruppen zeigt sich in den Rückmeldungen, dass die

Konfliktlinie zwischen den beiden regionalen Studierendengruppen verlaufen

ist.

„Uns Stendalern wurde keine Beteiligungen an der Wiki-Ausarbeitung

vorgeworfen, obwohl wir alles ausgearbeitet hatten und von den Linzern

so gut wie keine Beiträge gekommen sind!!!“ (Magdeburg-Stendal)

“… es gab Teilnehmer die sich kaum beteiligt haben, diese wurden durch

den Tutor und den anderen Teilnehmern zur Mitarbeit aufgefordert, dies

wirkte trotzdem nicht immer positiv.” (Magdeburg-Stendal)

“Leider wurden die zugeteilten Arbeitsbereiche von unseren Kollegen aus

Deutschland in einem nicht akzeptablen Ausmaß bearbeitet. Somit muss-

ten wir zwei Linzer Studenten letztlich die gesamte Fallstudie (Wiki und

Präsentation) alleine ausarbeiten.” (Linz)

Die Bedeutung der einzelnen Gruppenphasen wird bei den Lerngruppen un-

terschiedlich eingeschätzt, so finden die interregionalen Lerngruppen die Pha-

sen der Themenfindung, Gliederungserstellung und der Arbeitsverteilung sehr

wichtig. Überraschend ist, dass das Kennenlernen als weniger wichtig einge-

schätzt wurde.

Die Bearbeitung der Fallstudie wurde von den Studierenden durchweg als

positiv gesehen, auch wenn der Arbeitsaufwand für sie sehr hoch war (vgl.

auch Abb. 4).

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Cross Teaching mit interregionalen Lernteams

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Abb. 4: Durchschnittliche Bewertung der Fallstudie durch die Studierenden (n=51)

Bei der Bewertung der Fallstudie als Lernmethode unterscheiden sich die

Lerngruppen. Der persönliche Lerneffekt und die Fallstudie als Lernmethode

werden von den Studierenden der interregionalen Lerngruppen positiver be-

wertet als von den Studierenden der regionalen Gruppen.

„Grundsätzlich eine gute Idee, jedoch sicher noch verbesserungswürdig!

Gruppenarbeiten sind schon generell eher schwierig zu koordinieren, aber

natürlich besonders wenn 2/3 der Teilnehmer in einer anderen Stadt sitzen

und 2 Teilnehmerinnen grobe Sprachprobleme haben. ... Wenn man zu-

sätzlich im Prinzip die ganze Arbeit alleine machen muss (mein Linzer

Kollege und ich), weil die Ergebnisse aus Magdeburg absolut nicht

brauchbar sind. ... Aber trotzdem eine wertvolle Erfahrung, wenn auch

nicht ausschließlich positiv.” (Linz)

„Eine solche Art der virtuellen Arbeit und des virtuellen Lernens ist eine

prima Idee. Leider war der Zeitraum viel zu kurz um eine Arbeit abgeben

zu können, mit der man selbst wirklich zufrieden ist. ... Es war allerdings

hilfreich, einen Tutor zur Verfügung zu stellen, ohne ihn hätte die The-

menfindung um Einiges länger gedauert.“ (Magdeburg-Stendal)

In einem komplementären Teil dieser Studie wurden die unterschiedlichen

Lernstile der Studierenden erhoben. Die Lernstilanalyse stützte sich auf das

erfahrungsorientierte Lernmodell von Kolb (Kolb 1984 [7], Kolb et al. 1995 [8]).

Sein Modell sieht Lernen als Zusammenspiel mehrerer Teiltätigkeiten, wie

etwa die konkrete und direkte Auseinandersetzung der Lernenden mit einem

authentischen Lerngegenstand, die Reflexion, den Ausbau des persönlichen

Wissensnetzes durch abstrakte Begriffsbildung und die Anwendung dieses

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Michael Herzog, Elisabeth Katzlinger

167

theoretischen Wissens bei der Planung weiterer, konkreter Auseinanderset-

zungen mit demselben oder einem anderen Lerngegenstand. Diese vier Ele-

mente sind Teil einer Lernspirale, aus denen Kolb vier dominante Lernstile

ableitete. In dem konstruktivistischen Lernansatz wurde in dieser Studie ein

Lernvorteil für die Gruppe der »Macher« und »Kreativen« gegenüber den »In-

genieuren« und »Forschern« nachgewiesen (Abb. 5).

Abb. 5: Leistungsbewertung nach Lernstilen der Teilnehmer

In der Berücksichtigung von Diversität der Studierenden kann daraus die The-

se entstehen, dass eine methodisch abwechslungsreiche Didaktik, offenbar

mehr noch als ein Medienmix, auf die Leistungen der Studierenden als Ge-

samtheit zurückwirkt. Mit der Aufteilung von Gruppen nach Lernstilen liegt

jedoch möglicherweise eine Chance vor, die Methodenwahl gezielter und da-

mit insgesamt effektiver zu gestalten. Hierzu steht eine Gegenprobe mit alter-

nativen didaktischen Ansätzen noch aus.

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Cross Teaching mit interregionalen Lernteams

168

Organisatorische und technische Herausforderungen Die organisatorischen Hindernisse, das beschriebene interregionale Lernsetting

technisch umzusetzen, sollen hier nicht unterschlagen werden. Die geplante

Einrichtung eines gemeinsamen Kurses auf einer bereits bestehenden Lern-

plattform „Moodle“ an einer der beiden Hochschulen scheiterte zunächst an

der Restriktion, dass ausschließlich immatrikulierte Stu-dierende mit Hoch-

schulaccount zugelassen waren. Hier wurde der Weg gefunden, eine separate

Lernplattform für die Weiterbildung an einer Hochschule zu nutzen. Dafür

mussten die Studierenden beider Standorte ihre gewohnte Lernumgebung

verlassen und sich an einer zusätzlichen Plattform registrieren, was recht rei-

bungsfrei umgesetzt wurde. Die generelle Stabilität und Verfügbarkeit der

Umgebung (Moodle 1.8.8) war gegeben. Insbesondere die Stabilität des Wiki

und der Kommunikationsmittel waren entscheidende Voraussetzung für die

Umsetzbarkeit der interregionalen Zusammenarbeit. Probleme gab es lediglich

bei der Nutzung des Online-HTML-Editors „Erfurt“, einer Komponente der

Lernplattform. Hier haben einige Gruppen durch copy-and-paste Aktionen

unverträglichen HTML-Code aus anderen Anwendungen hineingetragen, der

die Anwendung zunächst verlangsamte und schließlich zum Erliegen brachte.

Abhilfe schaffte hier das Löschen von überflüssigem HTML-Code direkt im

HTML-Modus. Da dieses Problem erst die Schlussphase der Bearbeitung be-

hinderte, war die Kommunikation der Lösung sehr zeitkritisch und hat den

Unmut einiger Gruppen ausgelöst.

Diskutiert wurde auch im Vorfeld darüber, wie offen und frei die Kommunika-

tionsumgebung zu gestalten sei. Schließlich sollten die Gruppen bei der Wahl

der Kommunikationsmittel weder eingeschränkt noch bevormundet werden.

Auf der anderen Seite stand das Problem, den Studierenden eine stabile und

verlässliche Basis bieten zu müssen, die von den Lehren-den auch kompetent

betreut werden kann. In der Aufgabenstellung wurde letztlich der Kompro-

miss festgelegt, dass das Moodle-Wiki für die Dokumentation der Fallstudie

vorgeschrieben wird, die Kommunikationsmedien jedoch frei gewählt werden

können. Es hat sich dabei für die Gruppen jedoch als praktisch herausgestellt,

zumindest das Forum in Moodle hauptsächlich zu nutzen. Der Vorteil der

vorgegebenen technischen Umgebung bestand auch darin, dass die Lehrenden

die Kommunikation verfolgen und in kritischen Fällen intervenieren konnten.

Dass wenige Gruppen mit der Arbeit erst zu einem sehr späten Zeitpunkt star-

teten, wurde zwar vermutet, aber aufgrund der Freiheit der Kommunikati-

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Michael Herzog, Elisabeth Katzlinger

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onsmittel nicht definitiv erkannt. Dem schlechten Ergebnis und dem eher ge-

ringen Lernerfolg dieser Gruppen hätte möglicherweise entgegen gewirkt

werden können. Die Balance zwischen Freiheit und Vorgabe stellt sich durch-

aus auch in realen unternehmensinternen Kommunikations- und Kollaborati-

onsszenarien, wobei hier von größeren Konzernen aber auch von kleineren

Unternehmen aufgrund von Geschäftsinterna und Geheimhaltungsgeboten

meist enge Grenzen gesetzt werden (vgl. Turban 2010 [15], S. 454).

Auch wenn die Trends heute zu offenen Kommunikationsumgebungen wie

StudiVZ oder Facebook weisen, in einem künftigen Lernsetting dieser Art

würden die Lehrenden eher einer reglementierten technischen Lernumgebung

den Vorzug geben. Die Beobachtung des Lernprozesses und eventuell einer

Intervention ist in reglementierten Lernumgebungen leichter möglich, wenn

beispielsweise einzelne Gruppenmitglieder sich kaum beteiligen bzw. Gruppen

sehr spät zu arbeiten beginnen.

Fazit Die Zusammenarbeit in interregionalen Lerngruppen erwies sich als arbeits-

aufwändiges und zeitintensives Projekt sowohl für die Lehrenden als auch für

die Studierenden. Unterschiedliche Lern- und Arbeitskulturen an beiden Insti-

tutionen wurden bei der Gruppenarbeit offensichtlich und führten zu Konflikt-

situationen.

Durch die geforderte Arbeit mit kollaborativen Kommunikationsinstrumenten

haben die einzelnen Lerngruppen vor allem mit den asynchronen Medien ihre

Medienkompetenz auf einer technisch-praktischen wie auch arbeitspsychologi-

schen Seite weiterentwickelt. Sie konnten in einer dem Organisationsmodell

von virtuellen Teams entsprechenden realistischen Situation Erfahrungen

sammeln, die von den Studierenden insgesamt als nützlich bewertet wurden.

Die mit dem Cross Teaching Ansatz ursprünglich intendierten Ressourcenein-

sparungen konnten im ersten Anlauf nicht erreicht werden. Die beabsichtigten

Qualitätssteigerungen übertrafen in der Einschätzung der Lehrenden jedoch

deutlich die Erwartungen.

Bezogen auf die Wirksamkeit und Gestaltung der didaktischen Methodenwahl

für divergierende Lernstile der Studierenden wäre in einer Fortführung der

Studie zu klären, ob methodisch alternative Lernszenarien – etwa aus dem

kognitivistischen oder behavioristischen Portfolio – den Lerntypen der »For-

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Cross Teaching mit interregionalen Lernteams

170

scher« und »Ingenieure« mehr entgegen kommen, als die hier gezeigten kon-

struktivistischen Ansätze, von denen die »Macher« und »Kreativen« besonders

profitieren konnten.

Literatur [1] Bourdeau, J. & Bates, A. (1997). Instructional design for distance learning.

In: Dijkstra, S., Seel, N. M., Schott, F. & Tennyson, R. D. (Eds.). Instructional

design. International perspectives. Vol. 2. Mahwah, NJ: Erlbaum. pp. 396-397.

[2] Brown, G. (1987). Lectures and lecturing. In W. Dunkin (Ed.) The interna-

tional encyclopedia of teaching and teacher education. Oxford: Pergamon

Press.

[3] collabor (2003). Lerntagebücher? collabor:: Kooperatives Lernen und Publi-

zieren: Lerntagebücher (13.12.2003) http://collabor.idv.edu/course/stories/2937/

(2011-09-14)

[4] Davenport, T. H. & Harris, J. G. (2007) Der gläserne Kunde. In: Harvard

Business Manager. August 2007, S. 88 – 94.

[5] Gerstenmaier, J., Mandl, H. (1995). Wissenserwerb unter konstruktivisti-

scher Perspektive. Zeitschrift für Pädagogik Nr. 6/1995, S. 867ff.

[6] Issing, J. (2009). Psychologische Grundlagen des Online-Lernens. In Issing,

J., Klimsa, P.: Online-Lernen. Handbuch für Wissenschaft und Praxis. Olden-

bourg Wissenschaftsverlag 2009, S. 19 ff.

[7] Kolb, D A (1984): Experiential Learning: Experience as the Source of Learn-

ing and Development, Prentice-Hall, Inc., Englewood Cliffs, N.J, 1984.

[8] Kolb, D; Oslond, J; Rubin, I (1995): Organizational Behavior. An experiental

approach. Englewood Cliffs: Prentice Hall 1995.

[9] Köppel, P. (2007). Kulturelle Diversität in virtuellen Teams. In: Wagner, D.,

Voigt, B-F.: Diversity Management als Leitbild von Personalpolitik, DUV 2007,

S. 273-292.

[10] Lasch, R. & Schulte, G. (2008). Die Fallstudie als didaktische Methode.

Quantitative Logistik-Fallstudien. Gabler Verlag.

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Michael Herzog, Elisabeth Katzlinger

171

[11] Matzler, K., Bidmon, S. & Schwarz-Musch, A. (2006). Didaktische Aspekte

der Arbeit mit Case Studies. In: Engelhardt-Nowitzki, C. Ausbildung in der

Logistik. DUV. S. 241 – 274.

[12] Mittendorfer, H. (1995). NewMedia. Grundlagen, Konzepte, Techniken,

Medien, Anwendungsfelder. (10.10.1995).

http://newmedia.idv.edu/fhtw95/hans/NM_gliederung.html (2011-09-14).

[13] Mittendorfer, H. (2002). Crossteaching mit der FHTW Berlin, SS2002,

(10.7.2002). http://newmedia.idv.edu/thema/crossteaching_2/ (2011-03-14).

[14] Scott, W. & Kambil, A. (2008) Macht Open Source kaput – oder stark? In:

Harvard Business Manager, JULI 2008, S. 91 – 97.

[15] Turban, E. et al. (2010) Electronic Commerce 2010. A Managerial Perspec-

tive. 6th global edition, Prentice Hall.

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Cornelia Brückner, Jörg Hafer, Luise Henze: Universität Potsdam,

[email protected]

Das eTEACHiNG-Programm für Hochschullehrende in Brandenburg. Didaktische und methodische Bausteine einer Weiterbildung.

Zusammenfassung Die Entwicklung von Medienkompetenz ist ein Schlüsselthema in der Diskus-

sion über die Verbesserung der Studienqualität. Das erfolgreiche eTEACHiNG

Weiterbildungsprogramm der AG eLEARNiNG an der Universität Potsdam

richtet sich an Lehrende im Land Brandenburg und zielt auf die Entwicklung

akademischer E-Lehrkompetenz. Im Mittelpunkt unseres Weiterbildungspro-

gramms steht die Reflexion und Weiterentwicklung des Lehrhandelns und die

Gestaltung des Lehr/Lernprozesses mit digitalen Medien. Es stellt einen Ver-

such dar, die Widersprüchlichkeiten, in denen sich eine mediendidaktische

Weiterbildung von Hochschullehrenden befindet, produktiv zu lösen. Dabei

wurde ein Set von methodisch-didaktischen Vorgehensweisen entwickelt, das

sich für die Übertragung auf ähnliche Vorhaben eignen könnte. Der Artikel

gibt einen Einblick in die Praxis und Entwicklung des eTEACHiNG Konzepts

und erläutert die didaktische Ausrichtung und den theoretischen Bezugsrah-

men des Programms. Dabei kann die Frage nach den spezifischen Erfolgsfakto-

ren einer solchen Weiterbildung nur näherungsweise beantwortet werden.

Ausgangslage: Zur Entwicklung der E-Lehrkompetenz von Hochschullehrenden Workshops, Seminare und Beratungsangebote, die Hochschullehrende bei der

Umsetzung von E-Learning unterstützen, gibt es mittlerweile an vielen Hoch-

schulen und Universitäten im deutschsprachigen Raum. So hat sich eine rege

Diskussion über die relevanten Inhalte von mediendidaktischen Weiterbil-

dungsangeboten für Hochschullehrende entwickelt (vgl. u.a. Albrecht 2003;

Bett, Wedekind & Zentel 2004; Bremer & Kohl 2004, Euler et al. 2006). Die De-

batte ist dabei jedoch meist auf die Inhaltsaspekte der Angebote ausgerichtet –

geeignete didaktische Konzepte zur Unterstützung mediendidaktischer Kom-

petenzentwicklung der Lehrenden wurden nur ansatzweise behandelt.

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Cornelia Brückner, Jörg Hafer, Luise Henze

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So ist es nicht nur eine Frage der Auswahl der Inhalte, sondern vor allem auch

eine Frage geeigneter Lehr-Lernformen, ob und inwiefern Weiterbildungspro-

gramme fruchten: die „didaktische Innovation“ (vgl. u.a. Reinmann-Rothmeier

2003, Euler et al. 2006), die sich von der Integration von E-Learning verspro-

chen wird, sollte auch dessen Vermittlung auszeichnen. Ein mediendidakti-

sches Weiterbildungsprogramm zur Vermittlung von E-Kompetenz für Leh-

rende kann „nur dann als erfolgreich und nachhaltig gelten, wenn es einen

Prozess anregt, in dessen Verlauf die Teilnehmenden ihre bisherige Unter-

richtsweise in den eigenen Lehrveranstaltungen kritisch betrachten, Problem-

bereiche definieren, Lösungsansätze entwickeln, sich Wissen über geeignete

Medien […] aneignen und diese – kombiniert mit didaktisch-methodischem

Handlungswissen – sinnvoll in der Lehre einsetzen können.“ (Volk & Keller

2009, S.2)

Dem steht entgegen, dass häufig nur einzelne Workshops und Seminare (z.B.

zur jeweiligen Lernplattform oder zu bestimmter Software, bzw. Web 2.0 An-

wendungen) angeboten werden, es aber nur wenige Weiterbildungsprogram-

me gibt, die in einen größeren konzeptionellen Rahmen gebettet sind.1

Mit dem hier vorgestellten Konzept zum eTEACHiNG-Zertifikat hoffen wir,

zur Diskussion um die konzeptionelle Rahmung (mediendidaktischer) Kompe-

tenzentwicklung von Lehrenden beizutragen.

Kompetenzen für E-Learning und E-Teaching Mit der Fokussierung auf einzelne Themen zielen Weiterbildungsprogramme

im Bereich Mediendidaktik und E-Learning oft nur auf eine Entwicklung des-

sen hin, was gemeinhin als Medienkompetenz bezeichnet wird. Merkt und

Schulmeister (2004) weisen demgegenüber darauf hin, dass ein Medienkompe-

tenzbegriff im Hochschulbereich, der nur auf die Einführung in den Werk-

zeuggebrauch für E-Learning verstanden wird, zu kurz greift. Eine nachhaltige

Implementierung von E-Learning geht u.E. über eine Vermittlung so verstan-

dener Medienkompetenz hinaus. Schulmeister (2005) erweitert den gängigen

Medienkompetenzbegriff zu einer „akademischen Medienkompetenz“, die er

als „Spezialfall hochschuldidaktischer Kompetenz“ (S. 230) sieht. In Anlehnung

1 Positiv hervorzuheben sind hier z.B. das E-Learning-Zertifikat der Zürcher Hochschulen

und das E-Teaching-Zertifikat der Freien Universität Berlin.

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Das eTEACHiNG-Programm für Hochschullehrende in Brandenburg

174

an Schulmeister definiert Mayrberger (2008) akademische Medienkompetenz

als die Fähigkeit, digitale Medien „didaktisch begründet in die Hochschullehre

integrieren zu können, d.h. sie vorbereitend, begleitend oder integriert im Sin-

ne von Blended Learning in Präsenzveranstaltungen einzubinden.“ (S.14). In

Bezugnahme auf Schulmeister und Mayrberger möchten wir im Folgenden von

einer E-Lehrkompetenz sprechen, um die Integration digitaler Medien in die

Lehrangebote von Hochschulen zu kennzeichnen und die Erweiterung der

Medienkompetenz um die Dimensionen Didaktik und Lehrpersönlichkeit und

eine Einbettung in die Hochschuldidaktik zu verdeutlichen.

Bei der Entwicklung von E-Lehrkompetenz in unserer Weiterbildung ergeben

sich für uns zwei notwendige Anforderungen: Einerseits eine reflexiv-

analytische Vorgehensweise, die neben der kritisch-analytischen Betrachtung

von Medien auch als eine Betrachtung der eigenen Lehrtätigkeit der Teilneh-

menden verstanden wird, und sich auf die Entwicklung neuer Lernarrange-

ments, Formen des Wissenserwerbs sowie die Definition der eigenen wie auch

der Rolle von Studierenden bezieht. Diese Vorgehensweise ist uns wichtig, da

bei der Analyse, Auswahl und Darstellung des eigenen Fachinhalts Lehrende

zumeist auf das im Studium erworbene Fachwissen zurückgreifen, welches sie

durch ihre wissenschaftliche Tätigkeit kontinuierlich erweitern und vertiefen.

Die didaktisch-methodischen Kenntnisse und Kompetenzen, die zum erfolgrei-

chen Lehren nötig sind, erwerben Hochschuldozierende dagegen allerdings

„zumeist nicht im Rahmen ihres Fachstudiums, sondern erst später in erfah-

rungsgeleiteten Selbstreflexionen der eigenen Tätigkeit und im Austausch mit

anderen Dozierenden.“ (Volk & Keller 2009, S. 4). Damit die Konzeption, Pla-

nung und Umsetzung von Lehrveranstaltungen gelingt, sind daher neben den

Kenntnissen von didaktischen Modellen und Methoden auch Beratungsfähig-

keit, Qualifizierungs-, Prüfungs- und Evaluationskompetenz notwendig. Hoch-

schuldidaktische Angebote, die auf eine Förderung der Lehrkompetenz abzie-

len, sollten es den Lehrenden daher ermöglichen, ihre eigenen Lehr- und

Forschungsthemen einzubringen sowie eine Reflexion über die eigene Tätigkeit

– allein und in der Gruppe – mitberücksichtigen.

Diese kritische Betrachtung der eigenen Rolle und der eigenen (Lehr-)Tätigkeit

kann jedoch nicht ohne Berücksichtigung der jeweiligen Fachkultur geschehen,

da die thematische Spezialisierung eines Fachgebietes sich auch auf die Spezia-

lisierung bei der Mediennutzung und der didaktischen Gestaltung von Lehre

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Cornelia Brückner, Jörg Hafer, Luise Henze

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auswirkt. Ein fachspezifischer Zugang ist allerdings im Rahmen überfachlicher

Weiterbildungsangebote nur bedingt möglich. Weiterbildungsprogramme zur

Vermittlung von E-Lehrkompetenz müssen den Lehrenden also einen über-

fachlichen Rahmen bieten, in welchem sie individuelle Ideen für (fach-

)spezifische Einsatzszenarien entwickeln können. „Es geht letztlich darum,

Weiterbildungsprogramme für E-Kompetenz so zu gestalten, dass Dozierende

zu ihrem eigenen Fachgebiet abgeholt werden, ihre Besonderheiten und Prob-

leme der eigenen Lehrveranstaltungen in der Weiterbildung einbringen kön-

nen, gleichzeitig aber die Praxis aus anderen Fachgebieten kennen lernen, um

ihre eigenen Tätigkeiten zu reflektieren.“ (Volk & Keller 2009, S.7)

Für diejenigen, die Weiterbildungen planen und durchführen, stellt sich die

Frage, wie ein auf Reflexion und Entwicklung von Lehrpersönlichkeit abzie-

lendes methodisch-didaktisches Setting gestaltet und umgesetzt werden kann.

Diese anspruchsvolle Zielsetzung in Angriff zu nehmen und dazu eigene Lö-

sungsansätze zu entwickeln, ist eine Aufgabe mit der sich sowohl die Teilneh-

menden als auch das Team der Weiterbildung konfrontiert sehen. Mit dieser

Aufgabe verbindet sich eine Reihe von Anforderungen, die sich in ihren Ziel-

setzungen zum Teil entgegenstehen und sich anhand von folgenden Span-

nungsfeldern umreißen lassen:

die Notwendigkeit zur gleichzeitigen Entwicklung softwaretechnischer

und didaktisch-methodischer Medienkompetenz (und den entsprechenden

Erwartungen an eine E-Teaching-Weiterbildung),

die Notwendigkeit zur überfachlichen, auf allgemeine mediendidaktische

Kompetenzen abzielenden Orientierung im Handlungsfeld und der fach-

wissenschaftlichen und fachdidaktischen Konkretisierung sowie

der Zwiespalt zwischen einem auf Aktivität, Reflexion und Eigeninitiative

abzielenden, didaktischen Modell und den realen Restriktionen und Wi-

dersprüchlichkeiten in den Rahmenbedingungen und Sichtweisen der

Teilnehmenden.

Rahmenbedingungen und Struktur des eTEACHiNG-Programms Die angemessene Nutzung digitaler Medien zur Gestaltung moderner Lehr-

veranstaltungen ist das Ziel des eTEACHiNG-Projektes, mit dem die Arbeits-

gruppe eLEARNiNG der Universität Potsdam zum 1. April 2008 begonnen hat.

Im Vordergrund der Weiterbildung steht damit die didaktische Gestaltung von

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Das eTEACHiNG-Programm für Hochschullehrende in Brandenburg

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E-Learning (im folgenden auch "E-Teaching", wenn es sich hauptsächlich auf

die Aktivitäten von Lehrenden bezieht) als komplexe Lehr-/Lernszenarien. Wir

betrachten daher nicht nur den Medieneinsatz, sondern widmen uns der Ge-

staltung kompletter Lehr-/Lernprozesse sowie deren Verankerung in das jewei-

lige Curriculum und die Rahmenbedingungen der Hochschule. In organisato-

rischer Hinsicht wird dieser Ansatz dadurch unterstützt, dass die

Arbeitsgruppe eLEARNiNG als Geschäftsbereich des Zentrums für Qualitäts-

entwicklung in Lehre und Studium (ZfQ) in die Qualitätsstrategie der Univer-

sität Potsdam integriert ist. Dies wird auch durch eine Assoziierung mit dem

Lehrstuhl Erwachsenenbildung und dem Netzwerk Studienqualität Branden-

burg (sqb), dem hochschuldidaktischen Zentrum des Landes, gewährleistet.

Die Zusammenarbeit mit sqb spiegelt aber nicht nur die hochschuldidaktische

Ausrichtung des eTEACHiNG-Programms wider, sondern zeigt auch, dass E-

Learning in Brandenburg Bestandteil einer allgemeinen hochschuldidaktischen

Qualifizierung ist.

Zielgruppe des eTEACHiNG-Programms sind Lehrende an Hochschulen im

Land Brandenburg, dazu gehören 3 Universitäten und 5 Fachhochschulen so-

wie die Kunsthochschule HFF Potsdam. Das Programm war zunächst für drei

Jahre geplant und wurde durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesund-

heit und Familie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Lan-

des Brandenburg gefördert. Insbesondere Mitarbeiter/-innen mit befristeten

Arbeitsverträgen sollten damit die Möglichkeit einer umfassenden Berufsquali-

fizierung erhalten. In dieser ersten Phase konnten sich 87 Personen qualifizie-

ren. Während in den ersten Durchgängen die mögliche Teilnehmerzahl von 16

Personen pro Durchgang nicht immer ausgeschöpft wurde, hat das Angebot

inzwischen landesweit an Beachtung gewonnen, sodass in den letzten 3

Durchgängen alle Plätze vergeben werden konnten und die Zahl der Anmel-

dungen bei weitem die Zahl der Plätze übersteigt. Nach Auslaufen der ESF-

Mittel hat das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur daher

beschlossen, das Programm aus Kompensations- und Hochschulpaktmitteln

weiterzufördern.

Im November 2011 startete die Weiterbildung nach einer konzeptuellen Über-

arbeitung. Im Rahmen dieser Neukonzipierung wird zu jedem Semester eine

Weiterbildung zum Thema "Lehren und Lernen mit digitalen Medien" mit

einer Laufzeit von 4-5 Monaten (Ausschreibung, Akquise, Evaluation inbegrif-

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Cornelia Brückner, Jörg Hafer, Luise Henze

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fen) angeboten. Das Angebot wird als Blended-Learning-Szenario durchge-

führt, d.h. Präsenzveranstaltungen und Online-Phasen mit Aktivitäten im vir-

tuellen Raum wechseln sich ab. Einerseits wird dadurch ein relativ hoher An-

teil der Weiterbildung von Präsenzveranstaltungen unabhängig durchführbar.

Andererseits können sich die Teilnehmer/-innen selbst als Lerner in einem

teilvirtuellen Bildungsangebot erleben.

Die Weiterbildung erfolgt vor dem Hintergrund der veränderten Anforderun-

gen an Lehrende und Studierende im Rahmen der Einführung von Bachelor-

und Masterstudiengängen. Es werden weitgreifende Inhalte berücksichtigt, wie

bspw. Medien- und Urheberrecht, E-Assessment und der Umgang mit den

neuen Herausforderungen einer digitalen Wissenskultur. Die Weiterbildung

schließt mit dem "eTEACHiNG-Zertifikat für Hochschullehrende in Branden-

burg" ab.

Darüber hinaus wird der Aufbau eines fachlichen und medienpädagogischen

Netzwerkes für die weitere Arbeit der Teilnehmer/-innen unterstützt, um ge-

genseitigen Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer im Bereich „Onlinege-

stütztes Lehren und Lernen“ über die Hochschulgrenzen hinweg zu ermögli-

chen. Auf diese Weise wird zum Einen die Nachhaltigkeit der

Berufsqualifizierung so weit wie möglich sichergestellt. Zum Anderen kann

durch die Ausstrahlung des Netzwerkes der involvierte Personenkreis im Sin-

ne des Multiplikatorenprinzips ausgeweitet werden.

Didaktisch-methodisches Konzept der eTEACHiNG-Weiterbildung Der theoretische Rahmen des eTEACHiNG Weiterbildungskonzeptes bezieht

sich auf die Subjektwissenschaft. Wesentlich für den subjektwissenschaftlichen

Blick auf Lernen ist ein Paradigmenwechsel von einem lerntheoretischen „Be-

dingtheitsdiskurs“ zu einem „Begründungsdiskurs“. Es wird nicht mehr ge-

fragt: „Welche Bedingungen müssen gegeben sein, damit Menschen lernen?“

sondern: „Warum lernen Menschen?" (Vgl. Holzkamp, 1993, S.23-29).

Lernen wird demnach nicht als Reaktion verstanden, sondern als aus der Per-

spektive des jeweiligen Subjekts begründetes Handeln. Die jeweilige Lernbe-

gründung ist dabei in den Lebensinteressen der Lernenden zu suchen, nicht in

von außen vorgegebenen Lernanforderungen.

Daran schließt sich die didaktisch-methodische Aufgabenstellung an, subjektiv

relevante Handlungsproblematiken mit den Mitteln didaktischer Gestaltung

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Das eTEACHiNG-Programm für Hochschullehrende in Brandenburg

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quasi „planmäßig“ zum Inhalt von Lehr-/Lernsettings zu machen und so die

Chance zu erhöhen, dass Teilnehmende eigene Lerninteressen entwickeln und

verfolgen. Im Feld der E-Learning-Weiterbildungen kommt dabei hinzu, dass

Hochschullehrende sich oft nicht in der Lage sehen, gegenstandsbezogene

Handlungsproblematiken und damit weitergehend mögliche Lerninteressen zu

formulieren. Aussagen von Weiterbildungsveranstaltungen wie "Ich muss erst

mal wissen, welche Möglichkeiten mir E-Teaching bietet" und "Ich bin ja hier,

um mich nachher für eine bestimmte Anwendung von E-Teaching entscheiden

zu können" illustrieren diese Situation.

Die Umsetzung einer subjektwissenschaftlich begründeten Weiterbildung steht

damit vor der Aufgabe, eine für den oder die einzelne/n Hochschullehrende/n

relevante Handlungsproblematik als Referenzpunkt der Planung und Rahmen

der Durchführung zu ermitteln, zu thematisieren und im Verlauf durchgängig

zu berücksichtigen. Eine solche „Selbstverständigung ist immer auch Fremd-

und Weltverständigung“ (Ludwig & Müller 2004, S. 8) und schließt daher den

Versuch der Verständigung mit den "Anderen" implizit ein. Methodisch unter-

stützt werden kann dieser Prozess daher durch die Auseinandersetzung mit

Standpunkten und Handlungsbegründungen anderer Lehrender. Werden

fremde, authentische Sichtweisen von Hochschullehre sichtbar und verstehbar

und wird die eigene Sichtweise zur Diskussion gestellt, können Gestaltungs-

möglichkeiten und Handlungsziele für die eigene Lehre besser formuliert wer-

den. Die Chance steigt, dass Wissen und Kompetenzen für die Entwicklung

von E-Teaching-Szenarien an Handlungsproblematiken anknüpfen und sich

gegenstandsbezogene Lerninteressen entwickeln.

Inhaltliche Schwerpunkte Im Rahmen der Weiterbildung bieten wir nachfolgende inhaltliche Schwer-

punkte an. Je nach Interessenlage und Handlungsfeldern der Teilnehmer/-

innen bearbeiten wir einzelne Themen verstärkt bzw. erweitern das Spektrum

um weitere Fragestellungen.

Hochschuldidaktische Grundlagen im Hinblick auf einen sinnvol-

len/effektiven Einsatz digitaler Medien

Mediendidaktisches Handlungswissen zur Planung und Gestaltung von

computergestützten Lehrveranstaltungen, Forschungsprogrammen, Netz-

werken u.ä.

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Cornelia Brückner, Jörg Hafer, Luise Henze

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Methoden und Arbeitsformen zur Gestaltung virtueller Kommunikation

und Kooperation

Anwendungsfelder und Grundlagen ausgewählter E-Learning-Werkzeuge

(1) zur Organisation von Lehrveranstaltungen und Materialienbereitstel-

lung sowie (2) zur Gestaltung von virtuellen Lehr- und Forschungsszena-

rien (Online-Foren, Wiki, Blog, E-Portfolio etc., Stichwort "Web 2.0")

Good-Practice-Beispiele als Ideenfundus/Inspiration für eigenen Hand-

lungsbereich

Grundlagen für die Integration und Gestaltung von E-Assessments

Grundkenntnisse im Medien- und Urheberrecht

Didaktische Eckpunkte Folgende didaktische Leitideen haben sich herausgebildet: Die Reflexion und Weiterentwicklung des eigenen Lehrhandelns ist so-

wohl der zentrale inhaltliche Bezugspunkt wie auch der methodische "rote

Faden" der Weiterbildung. Die Auseinandersetzung mit anderen Sichtwei-

sen und Handlungsbegründungen wird dabei als besonders produktiv für

diese Aufgabe gesehen.

Die Einführung und Anwendung digitaler Medien in die Lehre wird als

eine Weiterentwicklung des gesamten Lehr-/Lernarrangements begriffen,

dass sämtliche didaktische Gestaltungsdimensionen und Handlungsfelder

berührt. Die Einführung von E-Teaching hat immer auch eine qualitative

Komponente hinsichtlich des gesamten Lehr-/Lernarrangements.

Mediendidaktische Gestaltungsmöglichkeiten werden in Form methodi-

scher Settings im Weiterbildungsgeschehen selber eingeführt und die ge-

machten Erfahrungen thematisiert. Die Gestaltung von Medientechnolo-

gien wird (günstigenfalls) aus der Perspektive eigener Bildungs-Erfahrung

und nicht im Sinne von „Software-Bedienung“ betrachtet.

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Das eTEACHiNG-Programm für Hochschullehrende in Brandenburg

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Methodische Bausteine Ermittlung individueller Erwartungen, Teilnehmer/-innenzentrierung und Beratung Die Teilnehmer/-innen werden bereits vor Beginn der Weiterbildung schriftlich

aufgefordert, ihre Kenntnisse zum Thema sowie ihre Interessen und Erwartun-

gen an der Weiterbildung mitzuteilen, sodass eine inhaltliche Planung passge-

nau geschehen kann. Durch eine tutorielle Online-Betreuung der Teilnehmen-

den während der gesamten Weiterbildung sowie durch Coaching und

Unterstützung bei der Realisierung eigener Vorhaben im Rahmen des Kompe-

tenznetzwerkes werden individuelle Probleme und Fragestellungen berück-

sichtigt. Ausgehend von den individuellen Handlungsproblematiken und

Lerninteressen sowie besonderen Anforderungen im Arbeitsbereich in der

Hochschule, steht die Entwicklung und Vorbereitung eigenen E-Teaching-

Vorhaben im Mittelpunkt.

Konzeption eigener Lehrveranstaltung, Ansetzen an eigener Handlungsproblematik Durch die Konzeption konkreter Lehrveranstaltungen kann praxisnahe, hand-

lungsorientierte E-Lehrkompetenz entwickelt werden. In der Gestaltung der

Weiterbildung wird dies berücksichtigt, indem die Entwicklung eines eigenen

E-Teaching-Szenarios den gesamten Ablauf strukturiert und den konzeptionel-

len Handlungsbogen beschreibt: In der ersten Phase werden die Teilnehmen-

den angeregt ihre Lehre zu beschreiben. Danach, in der zweiten Phase, sollen

sie sich aus ihrer Lehrerfahrung heraus – und durch den Austausch mit den

anderen Teilnehmenden hinsichtlich der Lehrerfahrungen jener – zur eigenen

Lehre positionieren. Diese Reflexion kann den Lehrenden helfen, Unzufrieden-

heit mit bzw. Schwierigkeiten in ihrer Lehre zu benennen und damit Hand-

lungsproblematiken zu formulieren. Aus dieser kritischen Position heraus soll

in der dritten Phase eine positive Umkehrung folgen: die Hochschullehrenden

bestimmen gemeinsam Formen einer guten, erstrebenswerten Lehre.

Learning-by-doing E-Learning-Szenarien werden als methodische Elemente der Weiterbildung

eingeführt und aus Lernenden- und Lehrenden-Perspektive unter didaktischen

Gesichtspunkten reflektiert. Der Inhalt eines Szenarios und die Form sind da-

bei nicht notwendig deckungsgleich: z.B. kann das Thema „Was ist gute Leh-

re?“ bearbeitet werden, indem die Teilnehmenden in Foren arbeiten. Die Erfah-

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Cornelia Brückner, Jörg Hafer, Luise Henze

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rungen mit dieser Form der asynchronen Online-Kommunikation werden spä-

ter reflektiert.

Idee ist es, eine authentische Erfahrung methodisch-didaktischer Settings zu

ermöglichen, die von den Teilnehmenden aus der Perspektive der Lernenden

erlebt werden (können). Im Verlauf der Online-Phasen werden so die verschie-

denen Möglichkeiten und Werkzeuge, wie z.B. Foren, Lernjournale, Selbsttests

oder virtuelle Seminarräume in einem konkreten Anwendungszusammenhang

eingeführt.

Zu jedem neuen Setting gehört es, die damit gemachten Erfahrungen, gerade

auch aus der Sicht „der Lernenden“, zu thematisieren und auf die Möglichkei-

ten der eigenen Anwendung hin zu überprüfen. Durch dieses Vorgehen be-

gegnen wir der Schwierigkeit, dass eine theoretisch-abstrakte Erörterung oder

Demonstration von möglichen Szenarien in der Regel nicht ausreicht, den Wert

solcher Szenarien für die Gestaltung der eigenen Lehre einzuschätzen. Die

beste Art und Weise methodische Varianten kennenzulernen und die größte

Wahrscheinlichkeit, dass neue Vorgehensweisen in die Lehrkonzepte der Teil-

nehmenden Eingang finden, liegt darin, die Möglichkeit zu schaffen, diese "am

eigenen Leib" zu erleben und zu bewerten. Dabei spielt die gemeinsame Re-

flektion des solchermaßen Erlebten eine wesentliche Rolle dafür, ob und wie

diese Szenarien und Methoden in das individuelle didaktische Handlungsre-

pertoire eingeordnet werden.

Medientechnik als Mittel für die Erweiterung didaktischer Gestaltungsspielräume Ein wesentliches Element von E-Teaching ist die Kenntnis der medientechni-

schen Grundlagen und deren Anwendung, in der Regel in Form von Software

und Software-Systemen. Daran schließt die Erwartung vieler Lehrender an,

dass die Bedienung und die Funktionsweise solcher Software im Mittelpunkt

einer Weiterbildung stehen oder mindestens ausgiebig Platz finden. In der

Regel geraten didaktische Gestaltungsfragen aber in Workshops zur Software-

Bedienung (z.B. von Lernplattformen) in den Hintergrund. Dies ist nicht dem

Desinteresse oder der Technikfixiertheit von Teilnehmenden geschuldet, son-

dern vor allem der Tatsache, dass die Aneignung von softwaretechnischer

Bedienfertigkeit gänzlich andere Handlungsproblematiken und Handlungszu-

sammenhänge aufwirft, als z.B. die Gestaltung von Lehrveranstaltungen.

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Das eTEACHiNG-Programm für Hochschullehrende in Brandenburg

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In der eTEACHiNG-Weiterbildung soll jedoch vermieden werden, dass diese

technikzentrierte Eigendynamik von Software-Trainings im Weiterbildungsge-

schehen dominiert. Unser Herangehen ist es daher, die Frage der Software-

Bedienung so weit, wie es möglich ist, aus der Weiterbildung auszulagern.

Medientechnologien werden als Mittel für die Erweiterung didaktischer Ge-

staltungsspielräume begriffen. Im Mittelpunkt stehen daher die Medienfunkti-

onen und deren Verwendung im didaktischen Zusammenhang, weniger die

konkrete Software. Medienfunktionen können zum Beispiel „Interaktion und

Kommunikation“, „Üben und Testen“ oder „Kooperation und Kollaboration“

sein. Dabei wird aufgezeigt, dass ein Tool verschiedene Funktionen erfüllen

bzw. ein Ziel mit verschiedenen Tools erreicht werden kann. Auf diese Weise

lernen die Teilnehmenden eine Bandbreite verschiedener E-Learning-

Anwendungen kennen. Es werden Vergleichsmöglichkeiten geschaffen, die

eine bewusste Auswahl von Werkzeugen und Software für die eigene Lehre

fördern.

Die softwaretechnische Umsetzung wird in der Regel im Rahmen von Online-

Phasen kennen gelernt (z.B. Arbeit mit der E-Learning-Plattform, mit Foren,

Wikis etc.). Es ist uns dabei wichtig, dass der Bedarf von Teilnehmenden nach

Einführung in Softwarebedienung durch ergänzende Workshop- und Trai-

ningsangebote, idealerweise an der eigenen Hochschule und in Verbindung

mit den örtlichen Support- und Servicestrukturen, gedeckt werden kann.

Durch den Zugang über Medienfunktionen soll eine Auffassung von Medien-

technologie befördert werden, die über einen Begriff des Mediums als „Ver-

mittlungswerkzeug“ deutlich hinausweist und den Blick für den Einsatz von

Medien unter Berücksichtigung des Kontextes und der Rück- und Wechselwir-

kungen auf das gesamte Lehr-/Lern-Szenario erweitert. Auf diese Weise wer-

den Aneignungsprozesse im Sinne der Entwicklung von E-Lehrkompetenz

besser unterstützt.

Bereitgestellte Materialien Die Vertiefung der Seminarinhalte durch Hintergrundwissen in Form von

Lehrmaterialien und Methodensammlungen wird durch die Bereitstellung

über die E-Learning-Plattform Moodle gewährleistet, die den Teilnehmenden

während der Weiterbildung und darüber hinaus auch zu Kommunikations-

und Kooperationszwecken zur Verfügung steht.

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Fazit Die Frage, warum ein Weiterbildungsangebot „funktioniert“ kann nicht alleine

aus den theoretischen Bezugspunkten, didaktischen Leitideen und methodi-

schen Bausteinen heraus erklärt werden. Das „didaktische Feld ist, als soziale

Situation, überdeterminiert.“ (Kerres & de Witt 2011, S.6). Eine mehrmonatige

Weiterbildung stellt ein zu komplexes Geschehen dar, um einzelne Erfolgsfak-

toren zu isolieren und darzustellen. Und natürlich haben auch wir die Erfah-

rung gemacht, dass Dinge, die in einer Veranstaltung erfolgreich waren, beim

nächsten Mal von den Teilnehmenden nicht angenommen wurden oder ein-

fach nicht wie geplant umgesetzt werden konnten. Oft sind es auch ungeplante

Ereignisse, die die Weiterbildung auf eine unerwartete Weise bereichert oder

den entscheidenden positiven „Kick“ gegeben haben. Die oben vorgestellten

didaktischen und methodischen Elemente stellen daher vor allem eine Verdich-

tung unserer Erfahrungen nach vier Jahren eTEACHiNG-Programm dar und

sind in zahlreichen Diskussionen, Vor- und Nachbesprechungen im Team ent-

standen. Dabei haben sich das Aufgreifen der individuellen Handlungsprob-

lematiken, die Reflexion des Lehrhandelns, die Ermöglichung von medien-

technischen Erfahrungen und das relative „Vermeiden“ von

softwaretechnischer Bedienungsanleitung aus unserer Sicht als brauchbare

Leitlinien für die Gestaltung der Weiterbildung herauskristallisiert.

Einzeln betrachtet stellen die Elemente und Leitideen des eTEACHiNG-

Programms wohl keinen methodischen oder didaktischen Innovationsschub

dar, zeigen aber in ihrem Zusammenwirken eine Möglichkeit auf, wie die Ent-

wicklung von E-Lehrkompetenz in der Hochschule erfolgreich unterstützt

werden kann.

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Vita Cornelia Brückner, geb. 1979, studierte Medienpädagogik an der Universität

Rostock und Komparatistik an der FU Berlin sowie an der Sorbonne in Paris.

Aktuell ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Arbeitsgemeinschaft

eLEARNiNG der Universität Potsdam. Davor war sie an verschiedenen Institu-

tionen Lehrbeauftragte und Referentin für Fremdsprachendidaktik und Medi-

enpädagogik. Auch heute liegt ihr Tätigkeitsschwerpunkt bei der Konzeptent-

wicklung und Durchführung von Weiterbildungsangeboten für

Hochschullehrende im Bereich E-Learning und der Weiterentwicklung und

Verankerung von Digitalen Medien im Fremdsprachenunterricht.

Jörg Hafer, geb. 1965, studierte Erziehungswissenschaft, Soziologie und Philo-

sophie an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt/Main. Seit

1999 Beratung, Konzeption und Leitung von E-Learning Projekten für Unter-

nehmen und Organisationen. Seit 2007 Mitarbeiter und Leiter der Arbeitsgrup-

pe eLEARNiNG der Universität Potsdam. Arbeitsschwerpunkte sind neben

mediendidaktischer Beratung und Weiterbildung E-Portfolios und Moodle.

Luise Henze, geb. 1984, studierte Erziehungswissenschaft, Psychologie und

Interkulturelle Wirtschaftskommunikation an der Friedrich-Schiller-Universität

Jena mit den Schwerpunkten Erwachsenenbildung, Personal- und Organisati-

onsentwicklung. Seit 2010 Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe eLEARNiNG an

der Universität Potsdam, wo sie sich mit Qualitätsentwicklung und Lehren-

denqualifizierung im Bereich E-Learning und Mediendidaktik befasst. In die-

Page 187: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

Das eTEACHiNG-Programm für Hochschullehrende in Brandenburg

186

sem Rahmen entwickelt und realisiert sie Weiterbildungsangebote und Work-

shops und berät Hochschullehrende zum Einsatz digitaler Medien in der Leh-

re.

Page 188: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

187

Nadia Juhnke: Freie Universität Berlin, [email protected]

Synergien von E-Learning und E-Research

Zusammenfassung In den letzten Jahren wurde E-Learning an den Hochschulen verankert und ist

mittlerweile vielerorts zu einem selbstverständlichen Bestandteil der Lehre

geworden. Durch diesen Prozess wurde umfangreiches Know-How zur Nut-

zung Digitaler Technologien aufgebaut, sowie technische und organisatorische

Strukturen geschaffen, die auch für die Unterstützung der Forschung genutzt

werden können. Kern dieser Strukturen sind die E-Learning Center.

Bei dem Thementisch „Synergien von E-Learning und E-Research“ wurde

darüber diskutiert, welche Rolle die E-Learning Center bei der Einführung und

Etablierung von E-Research spielen können. Aufgrund der großen Teilnehmer-

zahl wurden vier Teilgruppen (E-Learning Werkzeugen, E-Humanities, For-

schung und Lehre, E-Learning Center) gebildet und die Ergebnisse am Ende

der Veranstaltung zusammengeführt. Die zentralen Thesen der Teilneh-

mer/innen am Thementisch lassen sich so zusammenfassen:

E-Research ist ein wichtiges neues Aufgabenfeld der E-Learning Center

Auch im E-Learning gibt es weiterhin viele Herausforderungen und neue

Entwicklungen

Verlässliche organisatorische und technische Strukturen sind eine Voraus-

setzung für die Etablierung von E-Research

Um die zusätzlichen Aufgaben bei der Unterstützung der Forschung be-

wältigen zu können, benötigen die E-Learning Center zusätzliche Ressour-

cen

Einleitung Die Wissenschaftliche Forschung kann mit Digitalen Technologien in vielfälti-

ger Weise unterstützt werden:

Digitale Forschungsdaten: Bereitstellung von Forschungsdaten in Daten-

banken und digitalen Video- und Bild-Archiven; Vernetzung von Daten

aus unterschiedlichen Quellen; Werkzeuge zur kollaborativen Datener-

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Synergien von E-Learning und E-Research

188

schließung; sichere Archivierung von Rohdaten; Digitalisierung analog

vorliegender Alt-Daten und -Medien

Webbasierte Kooperation und Kommunikation: Mailing-Listen; Online-

Arbeitsumgebungen, z.B. Groupware, Wikis

Wissenschaftliches Rechnen: Numerische Simulationen, Analyse und Vi-

sualisierung

E-Publishing und Wissenschaftskommunikation: Wissenschaftliche Onli-

ne-Zeitschriften, Publikation von Forschungsergebnissen für die Fachwelt

und die allgemeine Öffentlichkeit, Plattform zur Unterstützung des Publi-

kationsprozesses von der Einreichung über Review und Redaktion bis zur

Veröffentlichung; Open Access; Blogs; Allgemeinverständliche Aufberei-

tung von Forschungsergebnissen.

Bei vielen dieser Themenfelder bestehen deutliche Überschneidungen zwi-

schen Forschung und Lehre, sowohl in technologischer Hinsicht als auch aus

Anwendungssicht. Schon deshalb ist es naheliegend, dass sich die E-Learning

Center auch mit der Unterstützung der Forschung befassen. Im Bereich E-

Learning wurden sowohl durch die Center als auch durch die Anwender/innen

umfangreiche Erfahrungen und Kenntnisse erworben. Die Universitäten haben

für E-Learning zentrale Organisationsstrukturen und technische Infrastruktu-

ren aufgebaut. Auf diesen Voraussetzungen kann die Einführung und Verbrei-

tung von E-Research aufbauen.

Zielsetzung dieses Thementisches war es, gemeinsam Perspektiven für die

Rolle der E-Learning Center beim Aufbau von E-Research Strukturen zu entwi-

ckeln.

E-Research E-Research, also die Unterstützung von Wissenschaftlicher Forschung durch

Digitale Medien und Technologien, erleichtert nicht nur bereits etablierte For-

schungsmethoden, sondern fördert auch völlig neue Herangehensweisen. Ins-

besondere durch die Verfügbarkeit und Vernetzung von Daten und Medien in

großen Mengen und über die Grenzen von Institutionen hinaus, wird ein neuer

Zugang zu vielen Gebieten und Methoden ermöglicht, so dass vielfach auch

von einem vierten Wissenschaftlichen Paradigma [1] gesprochen wird.

Page 190: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

Nadia Juhnke

189

An der Freien Universität Berlin hat CeDiS zusätzlich zu E-Learning auch zu-

nehmend Aufgaben im Bereich E-Research übernommen. Schwerpunkt sind

dabei bislang vor allem die Digitalen Videoarchive (VHA1, ZWAR2) und Elekt-

ronisches Publizieren/Open Access3. Auch an anderen Universitäten sind in-

zwischen zentrale Institutionen zur Unterstützung von E-Research etabliert

worden, z.B. das E-Science Center an der Universität Bremen4, das Center for E-

Humanities an der Universität zu Köln5 oder das E-Science Netzwerk Sachsen6.

Verbundprojekte zu E-Research werden im nationalen Rahmen durch das

BMBF und die DFG gefördert. Die BMBF-Förderung steht im Zeichen der D-

GRID Initiative7. Dabei werden neben Infrastruktur-Projekten auch fachspezifi-

sche Anwendungsprojekte gefördert, z.B. für die Geisteswissenschaften Text-

Grid8 oder für die Meteorologie C3Grid9. Die DFG fördert derzeit Projekte zu

Virtuellen Forschungsumgebungen und zum Elektronischen Publizieren im

Rahmen des Bereichs Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informati-

onssysteme10. Beispielsweise soll im Projekt QualiService11 eine Serviceeinrich-

tung für qualitative Forschungsprimärdaten der Sozialwissenschaften aufge-

baut werden. Im 7. Rahmenprogramm der Europäischen Union nimmt E-

Research ebenfalls einen wichtigen Platz ein. Die zentralen EU-Projekte sind

aktuell CLARIN12 (Common Language Resources and Technology Infrastruc-

ture), DARIAH13 (Digital Research Infrastructure for the Arts and Humanities)

und DRIVER 14 (Digital Repositories Infrastructure Vision for European Re-

search).

1 http://www.vha.fu-berlin.de/ 2 http://www.zwangsarbeit-archiv.de/index.html 3 http://www.cedis.fu-berlin.de/open-access/index.html 4 http://www.escience.uni-bremen.de/ 5 http://www.cceh.uni-koeln.de/ 6 http://www.escience-sachsen.de/ 7 http://www.d-grid.de/ 8 http://www.textgrid.de/ 9 http://www.c3grid.de/ 10 http://www.dfg.de/foerderung/programme/infrastruktur/lis/ 11 http://www.qualiservice.org/ 12 http://www.clarin.eu/external/ 13 http://www.dariah.eu/ 14 http://www.driver-repository.eu/

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Synergien von E-Learning und E-Research

190

Ablauf des Thementisches Aufgrund der großen Anzahl der Teilnehmer/innen wurden Teilgruppen ge-

bildet, in denen einzelne Aspekte von E-Research und E-Learning diskutiert

wurden:

E-Learning Werkzeuge: Technologische Aspekte der Unterstützung von

Forschung durch E-Learning Center.

E-Humanities: Besondere Aspekte von E-Research in den Geisteswissen-

schaften.

Forschung und Lehre: Digitale Aspekte der Wechselwirkungen zwischen

Forschung und Lehre.

E-Learning Center: E-Research als neues Aufgabenfeld für die E-Learning

Center.

Jede Teilgruppe erhielt drei Leitfragen zur Anregung und Strukturierung der

Diskussion. Die Diskussionsergebnisse dieser Gruppen sind in den folgenden

Abschnitten zusammengefasst.

E-Learning Werkzeuge In den vergangenen Jahren haben sich verschiedene E-Learning Werkzeuge

und Plattformen etabliert. Dabei wurde sowohl bei den E-Learning Centern als

auch bei den Lehrenden umfassendes Know-How aufgebaut. Von diesen Vo-

raussetzungen profitiert die Einführung von E-Research.

Die Leitfragen zu den technologischen Aspekten waren:

Welche E-Learning Tools sind auch nützlich zur Unterstützung der For-

schung?

Welche Rolle spielt Web 2.0 für die Forschung?

Brauchen Hochschulen eine zentrale E-Research Plattform? (analog zentra-

les LMS)

Grundsätzlich werden die aus dem E-Learning bekannten Werkzeuge zur On-

line-Kommunikation und -Kollaboration auch als nützlich für die Forschungs-

arbeit angesehen. So werden Skype, Adobe Connect, Diskussionsforen und

Wikis zur Diskussion und Entwicklung im Forschungsprozess genutzt. Tools

wie Blogs, Wikis, Foren und Social Bookmarking können zur öffentlichen Dar-

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Nadia Juhnke

191

stellung von Forschung und Forschungsergebnissen genutzt werden. Für die

eigentliche Forschungsarbeit kommen vor allem Datenbanken, aber auch Social

Bookmarking Dienste zur Recherche zum Einsatz.

Viele der genannten E-Learning Werkzeuge lassen sich als Web 2.0 Tools klas-

sifizieren, so dass eine spezielle Betrachtung von Web 2.0 in der Diskussion nur

am Rande stattfand. Als zusätzliche Web 2.0 Funktionen, z.B. einer E-Research

Plattform, wurden noch Tagging und Kommentare genannt.

Bei der Frage nach einer zentralen E-Research Plattform wurden vor allem

organisatorische Aspekte angesprochen. So wird ein Katalog aktueller For-

schungsprojekte an der Universität vorgeschlagen. Ebenso wird es als sinnvoll

eingeschätzt, Tools, Bedienungsanleitungen, FAQs und Beschreibungen von

Einsatzszenarien zentral zur Verfügung zu stellen. Die zentrale Ablage von

Forschungsdaten würde die Wiederverwendbarkeit von Daten erleichtern.

Eine E-Research Plattform könnte auch für die Lehre einen Mehrwert darstel-

len.

In der Diskussion wurde Support der Anwender/innen als entscheidend für

den Ausbau von E-Research eingeschätzt. Dafür sind weitere finanzielle und

personelle Ressourcen sowie strukturelle Maßnahmen (z.B. Beauftragte an

Instituten, Schulungen) erfoderlich.

E-Humanities Während in den Naturwissenschaften E-Research oftmals sogar noch vor E-

Learning Einzug gehalten hat, sind die E-Humanities, also die geisteswissen-

schaftliche Forschung mit Unterstützung durch digitale Technologien, noch ein

vergleichsweise neues Gebiet. Die zentrale Unterstützung der E-Learning Cen-

ter bei der Verbreitung von E-Research ist daher besonders für die geisteswis-

senschaftlichen Fachbereiche erforderlich.

Die Diskussion zu E-Humanities wurde anhand der Leitfragen geführt:

Welche spezifische Unterstützung brauchen die Geistes- und Sozialwissen-

schaften?

Welche Bedeutung haben Video und andere nicht-textuelle Medien für die

wissenschaftliche Arbeit?

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Synergien von E-Learning und E-Research

192

Wie müssen Digitale Archive konzipiert werden, um für Forschung und

Lehre nützlich zu sein?

Es wurde besonders der Bedarf der Geisteswissenschaften zur Archivierung

und Bereitstellung von Forschungsdaten hervorgehoben. Dies umfasst auch

Werkzeuge zur Datenauswertung und zur Recherche nach Daten. Neben der

technischen Unterstützung werden auch Kompetenzschulungen und Informa-

tionsangebote, z.B. zu E-Publishing, Open Access und Web 2.0 Communitites

als notwendig angesehen.

Ein wichtiger Aspekt bei Umgang mit nicht-textuellen Medien und mit Digita-

len Archiven ist das Rechtemanagement, also die Steuerung der Zugänglichkeit

entsprechend den Bedürfnisse der Wissenschaftler/innen, aber auch entspre-

chend den von Urheberrecht und Datenschutz gesetzten juristischen Rahmen-

bedingungen.

Bei der Konzeption multimedialer Archive sollte eine Indexierung der Daten

berücksichtigt werden.

Der Aufbau und Betrieb der Archive sollte in Kooperation verschiedener (auch

außeruniversitärer) Einrichtungen erfolgen.

Gerade für die E-Humanities werden ausreichende Ressourcen und eine ver-

lässliche Infrastruktur als wichtige Voraussetzungen angesehen.

Forschung und Lehre Über das Potenzial von digitalen Technologien, eine engere Verzahnung von

Forschung und Lehre zu unterstützen, wurde anhand dieser Leitfragen disku-

tiert:

(Wie) helfen Digitale Technologien dabei, die Lehre näher an die For-

schungspraxis zu bringen?

Wie beeinflusst der Einsatz Digitaler Technologien in der Forschung die

Lehre (und umgekehrt?)

Brauchen Hochschulen eine einheitliche Online-Umgebung für Lehre,

Forschung und Verwaltung?

In der Diskussion wurden einige Praxisbeispiele vorgestellt, z.B. aus dem Kon-

text des E-Science Netzwerk Sachsen, die zeigen wie E-Learning den Studie-

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Nadia Juhnke

193

renden einen direkten Zugang zu aktueller wissenschaftlicher Forschung er-

möglicht.

Die Wechselwirkungen zwischen E-Learning und E-Research ermöglichen

einen echten Mehrwert, nicht nur für die Studierenden, auch für die Lehren-

den.

Die Frage nach einer einheitlichen Online-Umgebung wurde in der Gruppe

kontrovers diskutiert. Die hohe fachliche Spezialisierung und die Vernetzung

der Forschung legen eher fachspezifische Umgebungen nahe, als solche die an

eine Institution gebunden sind. Für organisatorische Zwecke wird eine univer-

sitätsinterne Plattform hingegen als äußerst nützlich angesehen.

E-Learning Center Für die E-Learning Center ergeben sich aus dem Einsatz digitaler Technologien

in der Forschung neue Aufgaben und Herausforderungen.

Die Leitfragen zur neuen Rolle der E-Learning Center waren:

(Wie) sollten/müssen sich die E-Learning Center weiter entwickeln?

Wie kann der Einsatz Digitaler Technologien in der Forschung mit zentra-

len Angeboten gefördert werden?

Wo sind hochschulübergreifende Kooperationen sinnvoll oder notwendig?

Die Entwicklung von E-Learning wird noch nicht als abgeschlossen betrachtet,

es ergeben sich ständig neue Entwicklungen, aktuell beispielsweise bei der

Einführung von elektronischen Prüfungen (E-Exams). In der Diskussion wurde

außerdem deutlich, dass noch längst nicht an allen Universitäten ein E-

Learning Center langfristig etabliert ist. Somit stellt E-Research für die E-

Learning Centern ein zusätzliches Aufgabenfeld dar. Bei der Unterstützung der

Fachbereiche ist dabei noch mehr als bereits bei E-Learning zu berücksichtigen,

dass diese fachspezifisch erfolgt. Ein weiteres wichtiges Feld könnte Wissens-

management sein.

Die E-Learning Center sollten ihr Angebot ausweiten und Beratung und Schu-

lungen zum Einsatz digitaler Medien in Lehre, Forschung und Verwaltung

anbieten.

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Synergien von E-Learning und E-Research

194

Da Forschung meist hochschulübergreifend stattfindet, sollten die E-Learning

Center gemeinsam Plattformen und Werkzeuge für E-Research entwickeln.

Besonders für die Fachhochschulen ist darüber hinaus auch die Einbindung

von Unternehmen wichtig. E-Publishing wird von vielen E-Learning Centern

eher als eine Aufgabe der Universitätsbibliotheken angesehen.

Fazit Die Diskussion hat gezeigt, dass E-Learning und E-Research zwei zentrale

Themen für die Entwicklung der Hochschulen sind. Viele E-Learning Center

werden dabei zunehmend auch im Bereich der Forschungsunterstützung aktiv.

Mittelfristig werden hierfür jedoch zusätzliche Ressourcen erforderlich sein, da

ebenso wie im E-Learning auch für E-Research zentrale und verlässliche Struk-

turen eine wichtige Voraussetzung sind.

Referenzen [1] Jim Gray: A Transformed Scientific Method (2007); http://research.

microsoft.com/en-

us/collaboration/fourthparadigm/4th_paradigm_book_jim_gray_transcript.pdf

(abgerufen am 2.5.12)

Vita Nadia Juhnke

Studium der Physik an der Universität Bremen

Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bremen, Promotion in

Theoretischer Physik 1996

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut FIT der GMD (heute Fraunhof-

er-Gesellschaft

seit 2002 Mitarbeiterin bei CeDiS an der Freien Universität Berlin

o 2002 - 2004: Projekt „Learning Net“

o 2004 - 2005: Einführungsprojekt zur zentralen Lernplattform

o 2005 - 2009: Projekt „FUeL“ (FU e-Learning)

o seit 2010: Bereich E-Research

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Daniela Pscheida: Technische Universität Dresden, [email protected]

Toni Tontchev: Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur,

[email protected]

Claudia Koschtial: Technische Universität Bergakademie Freiberg,

[email protected]

Empowering the future of Science

Das Projekt „eScience – Forschungsnetzwerk Sachsen“ sieht die Entwicklung

einer speziellen Online-Plattform vor, welche nicht nur Forscher bei ihrer Zu-

sammenarbeit sondern auch bei ihrer sozialen Vernetzung unterstützen soll.

Bevor man aber eine solche Plattform entwickelt und in die Welt setzt, sollten

einige wichtige Fragen beantwortet werden.

In erster Linie würden Skeptiker argumentieren: „Warum noch eine Plattform,

wo es schon so viele gibt?“. Aber Skeptiker sind nun mal so – sie haben immer

zwei Argumente parat, um Innovationen auszubremsen: „Das gibt es schon“,

wenn ihnen einige Stichwörter bekannt vorkommen, oder „Das wird nicht

funktionieren“, wenn sie ein Konzept nicht verstehen.

Visionäre dagegen haben keine Angst, „das Rad neu zu erfinden“, wenn es

darum geht dieses zu verbessern.

Um trotzdem eine rationale Antwort auf die Frage zu geben, haben wir beste-

hende soziale Online-Plattformen untersucht, um herauszufinden was diese

ausmachen. Sind es die Technologie, das Kommunikationskonzept oder eher

das, was auf solchen Plattformen geschieht, maßgeblich für den Erfolg und ihre

Popularität?

Viele Menschen glauben, dass „twitter“1 und „facebook“2 soziale Netzwerke

sind. In Wirklichkeit sind das nur Online-Plattformen. Genauer betrachtet han-

delt es sich dabei um das Phänomen einer Fusion von technischen mit sozialen

Systemen. Dabei bestimmt die Struktur und Funktionalität des technischen

Systems die Kommunikation im Sozialen.

1 http://twitter.com 2 http://facebook.com

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Empowering the future of Science

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Wie von Niklas Luhmann3 beschrieben, liefert das technische System Informa-

tionen und die Nutzer schreiben diesen einen bestimmten Sinn zu. Daraus

entstehen vielfältige Erlebens- und Handlungsalternativen für die Beteiligten.

Mit anderen Worten dirigieren gruppendynamische Prozesse das Geschehen

auf Online-Plattformen und sind somit der entscheidende Faktor für ihren

Erfolg.

Bei „twitter“ schickt der Slogan – „Finde heraus, was es bei den Leuten und

Organisationen, die Dich interessieren, Neues gibt.“ den Besucher auf die Su-

che nach neuen und interessanten Optionen, Neues zu erfahren und zu erle-

ben. Der treibende Motor der Kommunikation ist dabei die Neugier.

Die Plattform „facebook“ eröffnet mit dem Slogan – „Facebook ermöglicht es

dir, mit den Menschen in deinem Leben in Verbindung zu treten und Inhalte

mit diesen zu teilen.“ Die Motivation liegt hier in der Suche nach Nähe zu an-

deren Menschen aber auch in dem Finden von Zuspruch, Bestätigung und Lob

für Selbstdarstellung und Inhalte, die man mit Anderen teilt.

Beide Plattformen profitieren von Belohnungsmechanismen, die in der Kom-

munikation entstehen. Damit ist auch das Kommunikationskonzept einer Platt-

form weiterer Erfolgsfaktor.

Die Frage über die Nützlichkeit von sozialen Online-Plattformen, insbesondere

für die Forschung, führte uns zu einem anderen Aspekt der Untersuchung –

die Möglichkeit letztere als Instrument des organisierten Handelns zu nutzen.

Es ist bekannt, dass man sich auf „facebook“ zu einer Protestaktion oder einer

Party verabreden kann. Absprachen und Koordinierung des Verhaltens von

Nutzern sind also wichtige Eigenschaften der Kommunikation auf sozialen

Online-Plattformen. Dies beweist auch, dass Disziplin der Nutzer und Halten

an Regeln im Umgang nicht nur möglich, sondern auch beabsichtigt sind.

Soziale Online-Plattformen leben aber auch von modernen Ritualen, die zum

Teil zum Lebensablaufs ihrer Nutzer geworden sind. Das Checken der Neuhei-

ten auf der Plattform zusammen mit dem ersten Kaffee des Tages oder das

Hochladen der neusten Urlaubsfotos nach der Heimreise sind solche Abläufe.

3 Luhmann, N. (1984) Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie, Frankfurt

(Suhrkamp).

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Daniela Pscheida, Toni Tontchev, Claudia Koschtial

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Rituale werden auf den Plattformen beschrieben, praktiziert und angepriesen,

bis diese zum Bestandteil der Nutzung und zum Routineprozess werden. So

entsteht eine Selbstorganisation, die für die Produktivität einer Kommunikati-

on oder eines Arbeitsvorgangs eine zentrale Rolle spielt.

Um nun die Frage „Warum eine neue Plattform?“ zu beantworten, sollte die

Zielstellung des Projektes „eScience“ mit Erfahrungen aus anderen ähnlichen

Projekten verglichen werden. Dabei wurden Ergebnisse aus dem Projekt

„myExperiment“4 und des Portals „eSciDoc“5 untersucht.

Die Organisationsstruktur von „eScience“ sieht die Durchführung von mehre-

ren geförderten Forschungsvorhaben als Teilprojekte vor. Dies bedeutet, dass

mehrere parallel laufende und zum Teil sich gegenseitig ergänzende Aktivitä-

ten koordiniert werden und erzielte Ergebnisse für weitere Forschungsvorha-

ben zur Verfügung gestellt werden sollen.

Dabei handelt es sich um vielfältige generische Ansätze und Objekte, die erst

durch die Kommunikation auf einer Online-Plattform eine organisierte Form

annehmen. Einzelne Teilprojekte in „eScience“ werden Tools (Software-

Anwendungen) liefern, die als Komponenten und Bestandteile des Online-

Portals zur Nutzung von der Forschergemeinschaft zur Verfügung stehen und

damit die Funktionalität permanent erweitern. Eine neue Dimension technolo-

gischer Interoperabilität ist dafür gefragt. Das ist auch der wesentliche Unter-

schied zu Portalen wie „myExperiment“ und „eSciDoc“, welche eine technolo-

gisch einheitliche und funktional geschlossene Architektur besitzen. Diese

Plattformen unterstützen Forschungsprozesse in einzelnen und vorher defi-

nierten Disziplinen.

Positiv fallen die prozessorientierte Organisation durch Workflows bei „myEx-

periment“ (sorgt für Reduktion der Komplexität) und die serviceorientierte

Architektur von „eSciDoc“ (bietet eine Vielfalt von Services, die eingebunden

werden können) auf. Beide Vorteile können ansatzweise in „eScience“ genutzt

werden.

Negativer Effekt ist jedoch bei beiden Portalen die Bindung an eine zuvor aus-

gewählte Technologie, die mit anderen schlecht kommuniziert. Auch die hohe

4 http://www.myexperiment.org/ 5 https://www.escidoc.org/

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Empowering the future of Science

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Komplexität der funktionalen Verkettungen und die unübersichtliche Naviga-

tion machen diese Plattformen weniger benutzerfreundlich.

Aus dem Review von sozialen Online-Plattformen wie „twitter“ und „face-

book“ und der Auseinandersetzung mit online Service-Portalen wie „myExpe-

riment“ und „eSciDoc“ kann abschließend zusammengefasst werden, dass:

keine Plattform und kein Portal zugleich generische Selbstorganisation

durch gruppendynamische Prozesse und für die Forschungsexperimente

notwendige funktionale Tools und Services unterstützt,

die Kraft von kollektiven Ideen und Wissen spezifisch auf die Forschung

lenkt,

eine gemeinsame Kultur von Innovationsgeist und ein gezielter Austausch

für die praxisorientierte Forschung geschaffen wird.

Dies begründet die Notwendigkeit einer weiteren Entwicklung und Suche nach

neuen Formen sozialer Organisation, Forschungskompetenz und Bündelung

von Ressourcen in der Wissenschaft. Die Kopplung dieser neuen Formen der

Kommunikation im Sinne von N. Luhmann an einem neuartigen technischen

System (soziale Online-Plattform und Service-Portal zugleich) ist ein innovati-

ver und viel versprechender Ansatz.

Der Entwurf der „eScience“ – Online-Plattform beginnt mit einem Umriss der

Selbstorganisation in der Forschung.

Wissenschaftler, die von dem Interesse Neues zu entdecken getrieben sind,

verabreden sich für gemeinsame Forschungsaktivitäten. Dieser Prozess führt

zur Gründung von Gemeinschaften (Gruppen), die eigene Regeln der Kom-

munikation und Planung gemeinsamer Aktivitäten aufstellen. Als Hilfestel-

lung bekommen die Nutzer der „eScience“ – Online-Plattform:

gemeinsamen Kommunikationsraum, ausgestattet mit Werkzeugen zum

Suchen nach und Anbieten von Informationen (als Grundlage für das Statt-

finden einer Kommunikation), das Festhalten von Absprachen und aufge-

stellten Regeln in Dokumenten sowie die Planung von gemeinsamen Akti-

vitäten und Terminen (als Grundlage der Organisation),

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Daniela Pscheida, Toni Tontchev, Claudia Koschtial

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gemeinsamen Wissensraum, ausgestattet mit Wissensinhalten in drei For-

men – Dokumente, Metadaten und formale Wissensbasen, mit der Mög-

lichkeit von Recherchen, Wissenstransfer und Wissensanwendung,

gemeinsamen Raum für Entwicklung und Tausch von Werkzeugen und

Ressourcen zur Unterstützung von Forschungsexperimenten und –

vorhaben.

Ein weiterer Prozess der Selbstorganisation ist die Zusammenfassung und

Formalisierung von generischen Lösungsansätzen und ihre Verwandlung in

Routinen. Dies ermöglicht eine Steigerung der Produktivität von Forschungs-

aktivitäten indem Erfahrungen besser eingebunden werden, Komplexität redu-

ziert und Abläufe in Bezug auf Ressourcen und Zeit optimiert werden. Als

Hilfestellung bekommen die Nutzer der „eScience“ – Online-Plattform:

Werkzeuge zur Analyse, Clusterung/Klassifizierung und formalen Darstel-

lung/Spezifikation von generischen Lösungsansätzen, Methoden und

Tools,

Werkzeuge zum Entwurf und Darstellung von formalen Abläufen (Work-

flows, Tasklisten und Routinen) und

Werkzeuge / Dienste zur Sicherung einer mehrfachen Nutzung generischer

Ressourcen durch Skalierung und Interoperabilität innerhalb formaler Ab-

läufe

Neben der Selbstorganisation ist die Funktionalität zur Unterstützung der

Durchführung von wissenschaftlichen Experimenten und Forschungsaktivitä-

ten/-transaktionen ein wichtiger Schwerpunkt der Entwicklung in „eScience“.

Eine Grundfunktionalität sichert die Durchführung formaler Prozesse und eine

Fülle an generisch entstehenden Lösungen rundet dieses Profil auf.

Der Ausbau des Servicebereichs verfolgt als Ziel eine vielfältige Nutzung von

Ressourcen auf der „eScience“ – Online-Plattform.

Dies erfolgt durch:

eine offene serviceorientierte Architektur, die auch unterschiedliche Web

2.0 Technologien zulässt,

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Empowering the future of Science

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Interoperabilitätskonzept, das an generischen Objekten und Prozessen

orientiert ist

Empfehlungsdienste und Spezifikationen von Schnittstellen, die Interope-

rabilität im Daten- und Informationsaustausch ermöglichen

Der Umgang mit generischen Objekten und Prozessen auf der Online-

Plattform erfordert ebenfalls ein entsprechendes Sicherheitskonzept zum

Schutz von Daten und Urheberrechten, das im Rahmen des Projekts „eScience“

eine zentrale Rolle spielt. Hier werden ebenfalls innovative Lösungen erwartet,

die den Gesamtbetrieb der Dienste ermöglichen.

Neben klassischen Methoden der Nutzerauthentifizierung, Verschlüsselung

von Inhalten, Überprüfung von Zertifikaten usw. werden ebenfalls heuristische

und generische Methoden nach Auswertung von Session- und Transaktions-

protokollen eingesetzt.

Um die Funktionalität der „eScience“ – Online-Plattform besser zu erläutern,

werden nachfolgende Anwendungsszenarien vorgestellt.

1. Ausschreibung über Forschungsvorhaben/Forschungsaufträge

2. Planung/Beantragung eines Forschungsvorhabens (Teilprojekts), bzw.

Bewerbung um einen Forschungsauftrag

3. Erstellung von Gutachten über Forschungsvorhaben

4. Entscheidungen zu Forschungsanträgen und Benachrichtigung von An-

tragstellern

5. Organisation und Durchführung von Forschungsaktivitäten

6. Kontrolle durch Investoren und Auftraggeber

7. Einbindung von generischen Werkzeugen in formalen Prozessen

8. Akkumulation von Wissen in Wissensbasen

9. Wissenserwerb, Wissenstransfer und Wissensanwendung

Als Beispiel erläutern wir hier das Szenario über die Erstellung von Gutachten.

Experten, welche als Gutachter für Forschungsanträge auf der „eScience“ –

Online-Plattform gemeldet sind, bekommen einen eigenen Arbeitsbereich. Dort

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Daniela Pscheida, Toni Tontchev, Claudia Koschtial

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erhalten sie automatisch Nachrichten über eingehende Forschungsanträge auf

ihrem Spezialgebiet und können die Resümees der Anträge einsehen. In Ihrem

Arbeitsbereich finden sie auch die Konditionen zur Teilnahme am Gutachter-

verfahren und sie können sich für die Erstellung eines Gutachtens melden.

Nach Erhalt einer Auftragsbestätigung können sie mit der Erstellung des Gut-

achtens beginnen und haben Zugang zu den vollständigen Antragsdokumen-

ten und zum Gutachtenformular mit den Bewertungskriterien und –hinweisen.

Im Begutachtungsprozess können Gutachter die Cluster Koordinatoren kontak-

tieren und zusätzliche Informationen über den Antragsteller oder sein Vorha-

ben einholen. Nach Erstellung des Gutachtens können sie das Gutachten auf

die Online-Plattform hochladen und ihre Abrechnung (im Falle eines verein-

barten Honorars) versenden. Sie können nach Abschluss dieses Prozesses eben-

falls Rückfragen zu erstellten Gutachten von den Cluster Koordinatoren über

die Online-Plattform erhalten und beantworten.

Auf diese Weise werden alle Anwendungsszenarien spezifiziert. Die daraus

hervorgehende Funktionalität wird Funktionsgruppen (z.B. „Versenden von

Nachrichten“, „Hochladen von elektronischen Dokumenten“ usw.) zugeordnet

und es werden entsprechende Software-Anwendungen entwickelt oder unter

Nutzerlizenz installiert. Entsprechende Navigationsverfahren werden mit Prio-

rität an Workflows orientiert, um die Komplexität von Funktionsgruppen zu

verbergen. Man arbeitet praktisch mit einer ablauforientierten Navigation in

Anlehnung an Workflows (wie bei „myExperiment“). Dies verbessert die Be-

nutzerfreundlichkeit der Plattform.

Da im Projekt „eScience“ die ganze Entwicklung der Logik von generisch ent-

standenen zu formalisierten Prozessen folgt, ist die Evaluierung verschiedener

Anwendungskontexte auf der Online-Plattform sehr wichtig. Ermittelte

Schwächen können somit beseitigt und erfasste Vorteile besser genutzt werden.

Die Evaluierungsergebnisse sind ein wichtiges Ergebnis und Beleg für die

Entwicklung im Projekt „eScience“ und werden daher speziell veröffentlicht.

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Lydia Scholz: Freie Universität Berlin, [email protected]

Nadja Kaeding: Freie Universität Berlin, [email protected]

Neue e-learning Ansätze in den Rechtswissenschaften zur Verbindung von Forschung und Lehre

Einleitung Der Einsatz von e-learning (electronically supported learning) Methoden hat in

der Hochschullehre neue Wege eröffnet, die den Studierenden nicht nur Er-

kenntnisse vermitteln, sondern sie selbst zu eigenen Erkenntnissen motivieren.

Mit Hilfe von Wikis können sich Studierende gemeinsam Wissen erarbeiten,

aneignen und den Wissensstand durch Einträge im Wiki dokumentieren. Die

Dokumentation des Wissensstandes in einem Wiki enthält immer auch eigene

Erkenntnisse der Studierenden, die durch die Einträge anderen zugänglich

werden.

Diese Besonderheiten des Wikis macht sich ein e-learning-Projekt am Institut

für Deutsches und Europäisches Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Regulie-

rungsrecht am Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin

zunutze, um rechtswissenschaftliche Forschung und Lehre miteinander zu

verbinden.

Um die Gestaltung des Projektes zu erläutern, bedarf es eines kurzen Ausho-

lens: E-learning beschreibt Lernprozesse in Lernumgebungen, die mithilfe

elektronischer Medien gestaltet wurden.1 Es handelt sich um einen etwas kon-

turlosen Kunstbegriff; die unter dem Begriff des e-learnings versammelten

Lehr- und Lernmöglichkeiten reichen von der einfachen Nutzung des Internets

zur Informationsbeschaffung bis hin zur multimedialen Aufbereitung komple-

xer Stoffe.2 Fachspezifische Unterschiede, die eine Anpassung der einzelnen

Lern- und Lehrmethoden erfordern3, kommen hinzu.

1 Dichanz, Horst / Ernst, Annette, Begriffliche, psychologische und didaktische Überlegungen

zum „electronic learning“ in: MedienPädagogik 2001, 7/30, online unter:

http://www.medienpaed.com/00-2/dichanz_ernst1.pdf (abgerufen am 01.02.2012). 2 Ehlers, Qualität im e-learning aus Lernersicht, 2. Aufl. 2011, S. 24 3 Haug, Bedeutung von Fachspezifik in E-Learning Support & Praxis, S. 9, online unter

www.e-teaching.org

Page 204: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

Lydia Scholz, Nadja Kaeding

203

Ein erfolgreicher Einsatz von e-learning-Methoden entsteht nicht allein

dadurch, dass sie als Lern- und Lehrmedien bezeichnet werden oder sich prin-

zipiell als Mittel zur Wissensvermittlung eignen.4 Die Qualität als Lehr- und

Lernmittel entsteht erst durch die Wechselwirkung von Lehrendem und Ler-

nenden5 und hängt somit entscheidend von der Akzeptanz des Lernenden ab.6

E-learning und klassische Lehr- und Lernmethoden unterscheiden sich hierin

nicht voneinander. E-learning Methoden in einem blended-learning Konzept

müssen klassische und akzeptierte Lehr- und Lernmethoden sinnvoll unter-

stützen und fortführen. Diese Erkenntnisse sind der Ausgangspunkt für den

Umgang und den Einsatz von internetbasierten Mitteln in der Lehre. Für das

hier zu beschreibende Projekt kommt hinzu, dass diese Akzeptanz als Lehr-

und Lernmittel zugleich die Grundlage für die Darstellung neuer Erkenntnisse

in der Rechtswissenschaft ist.

Ausgangspunkt und Motivation für ein neues e-learning Projekt Im Rahmen des Masterstudiengangs zum Europäischen Wettbewerbs- und

Regulierungsrecht (MBL-FU), der am Institut für Deutsches und Europäisches

Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Regulierungsrecht stattfindet, wurde die Frage

nach der Verbesserung der Wissensvermittlung für die Studierenden aufge-

worfen und die aktuelle einer angestrebten Lehr- und Lernsituation gegenüber

gestellt.7

Der MBL-FU ist ein internationaler, weiterbildender Masterstudiengang. Die

Studierenden stammen aus verschiedenen Ländern der Erde, vornehmlich vom

asiatischen, europäischen und amerikanischen Kontinent. Die Studierenden,

die für den Studiengang ausgewählt und zugelassen werden, zeichnen sich

nicht nur durch sehr gute Zeugnisse aus, sondern stehen teilweise schon in

Berufen. Sie repräsentieren unterschiedliche Rechtstraditionen und damit ein-

hergehend unterschiedliches juristisches Denken. Sie müssen sich im Rahmen

des MBL-FU insbesondere mit dem Europäischen Recht auseinandersetzen,

das eigenen gesetzlichen Grundlagen und einer eigenen Methodik und Dog-

matik folgt. Der MBL-FU baut auf einem blended-learning Konzept auf und

4 Ehlers, Qualität im e-learning aus Lernersicht, 2. Aufl. 2011, S. 25 5 Ehlers, Qualität im e-learning aus Lernersicht, 2. Aufl. 2011, S. 27 6 Ehlers, Qualität im e-learning aus Lernersicht, 2. Aufl. 2011, S. 26 7 So auch der Ansatz für Lernstragieentwicklung in: Rosenberg, E-learning, Strategies for

Delivering Knowledge in the Digital Age, 2001, S. 292 ff.

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Neue e-learning Ansätze in den Rechtswissenschaften

204

verbindet die klassischen Lehrmethoden Vorlesung/ Tutorium/ Selbststudium

mit Wikis, internetbasierten Übungen und Blogs. Im Laufe des Studienganges

zeigte sich die Notwendigkeit, die Studierenden beim Studium des Europäi-

schen Wettbewerbs- und Regulierungsrechts nicht nur punktuell, sondern

kontinuierlich propädeutisch zu begleiten, um sie mit der Methodik des Euro-

päischen Rechts, dessen Rechtsquellen und dem Umgang mit ihnen vertraut zu

machen. Es sollte den Studierenden aber auch die Möglichkeit gegeben wer-

den, ihre eigenen Denkansätze darstellen zu können und so Wissen nicht nur

aufzunehmen, sondern selbst Vermittler von Wissen zu werden. Die angestreb-

te kontinuierliche propädeutische Begleitung des Studiums musste sich tech-

nisch und zeitlich in den Studienablauf einfügen. Ferner sollte es die Gruppen-

arbeit unter den Studierenden und somit ein kollaboratives Lernen fördern

sowie ein leichtes Feedback von seiten der Dozenten ermöglichen. Diesen An-

forderungen können Wikis gerecht werden.

Die Wiki-Idee - Vorteile und Grenzen in der rechtswissenschaftlichen Lehre Wikis sind der ursprünglichen Idee nach ein leicht nutzbarer Wissenspool, der

auf einer effektiven und effizienten Zusammenarbeit aufbaut.8 Seine Nutzer

können Beiträge zu diesem Wissenspool leisten und werden in die Gestaltung

des Wiki interaktiv und kollaborativ eingebunden; die Studierenden arbeiten

aktiv oder passiv mit den Inhalten, mit den Lehrenden und mit anderen Ler-

nenden.9 Wikis erlauben aber auch das Sammeln von Kenntnissen und Wissen

aus unterschiedlichen Bereichen. In der Rechtswissenschaft können sie daher

als Grundlage für rechtsvergleichende Studien, ebenso wie zur vertieften Be-

fassung mit einem Rechtsgebiet dienen. Wissensaufnahme und Wissensver-

mittlung zwischen Lehrenden und Lernenden werden so wechselseitig.

Die einem Wiki zugrundeliegende Struktur hat nur wenig mit der Struktur des

rechtswissenschaftlichen Lernens und Lehrens gemein. Die übliche Wiki-

Struktur entspricht den Anforderungen der juristischen Methodik nicht. Die

Einträge in einem Wiki folgen in der Regel Stichworten. Auch die Leser orien-

tieren sich an dieser Struktur, wenn sie Erläuterungen suchen. Verschiedene

8 Ebner, Kickmeier-Rust, Holzinger, Utilizing Wiki-Systems in higher education classes: a

chance for universal access, Univ Access Inf Soc 7/2008, S. 200. 9 Ebner, Kickmeier-Rust, Holzinger, Utilizing Wiki-Systems in higher education classes: a

chance for universal access, Univ Access Inf Soc 7/2008, S. 200.

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Lydia Scholz, Nadja Kaeding

205

juristische Wikis (z.B. Ipwiki, energywiki) wenden daher diese übliche Wiki-

Struktur an.

Die Rechtswissenschaft und ihre Lehre folgen jedoch nicht Stichworten, son-

dern sind nach Rechtsgebieten und ihren dazugehörigen Rechtsakten struktu-

riert. Jedes Rechtsgebiet hat eine begleitende Methodik einschließlich Rechts-

dogmatik. Stoff und Methode werden in der juristischen Lehre gleichzeitig

vermittelt; juristischer Stoff und Methodik bilden eine Einheit.10 So ist die Me-

thodik vergleichbar mit einem Handwerk, das angewendet werden muss, um

mit den Inhalten umgehen zu können. Wikis mit konventioneller Wiki-

Struktur, also mehr oder minder zusammenhangslos erläuterten Stichworten,

stellen zwar auch eine Wissenssammlung dar, können jedoch das vermittelte

Wissen in einer Lehrveranstaltung nicht ergänzen oder fortführen. Weder ver-

langen noch fördern sie die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Studierende der

Rechtswissenschaft erwerben sollen und müssen, um Inhalte richtig zu hand-

haben.

Das gilt auch für die passive Wiki-Nutzung: Die rechtswissenschaftliche Re-

cherche orientiert sich nicht an Stichworten wie in einem Lexikon, sondern

wiederum an den anwendbaren Rechtsakten und den jeweiligen Normen. Die

passive Nutzbarkeit eines Wikis wird ferner dadurch gemindert, dass die Of-

fenheit und Freiheit als Grundprinzipien eines Wikis nicht nur destruktive

Aktivitäten ermöglichen, sondern auch die Genauigkeit und Richtigkeit der

Informationen nicht garantiert sind.11 Dies gilt freilich für jedes Wiki, das den

beschriebenen Grundprinzipien folgt.

Wenn also das Wiki als ein Lehr- und Lernmittel in der rechtswissenschaftli-

chen Lehre eingesetzt und klassische Lehr- und Lernmethoden sinnvoll ergän-

zen und fortführen soll, muss es den Bedürfnissen der Rechtswissenschaft

angepaßt werden. Zu diesem Zwecke wurde die Wiki-Idee mehrfach adaptiert

und mit dem klassischen Wissenspool der Rechtswissenschaft, dem juristi-

schen Kommentar verbunden.

10 Rehbinder, Einführung in die Rechtswissenschaft, 8. Aufl. 1995, S. 4 11 Ebner, Kickmeier-Rust, Holzinger, Utilizing Wiki-Systems in higher education classes: a

chance for universal access, Univ Access Inf Soc 7/2008, S. 200.

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Neue e-learning Ansätze in den Rechtswissenschaften

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Kombination von juristischem Kommentar und Wiki Konventionelle Kommentare Juristische Kommentare sind normgeleitete Erläuterungen eines Rechtsakts. Sie

geben nicht nur die Erkenntnisse in Lehre, Forschung und Praxis wieder und

sind auch kein bloßes Sammelwerk. Sie stellen wissenschaftliche Erläuterungen

einzelner Gesetzes- oder Vertragsnormen unter Berücksichtigung der jeweils

aktuellen Rechtsprechung dar. Die Autoren der Kommentare geben darin auf-

grund eigener Analyse von Lehre und Rechtsprechung ihre Auffassung zu

einem Rechtsproblem eingebettet in die Struktur der Norm wieder. Teilweise

weichen die Autoren in ihrer Auffassung innerhalb eines Kommentars vonei-

nander ab. Das zeigt, wie sehr ein juristischer Kommentar ein Abbild der

Rechtswissenschaft und zugleich Beitrag hierzu sein kann. Jeder Kommentar

hat folgende Struktur, die durch die Rechtsakte vorgegeben sind:

Die einzelnen Normen des zu kommentierenden Rechtsaktes sind in der je-

weils aktuellen Fassung zum Zeitpunkt der Drucklegung im Kommentar ent-

halten. Die Erläuterung zur Norm (Kommentierung) schließt sich dem unmit-

telbar an. Die Kommentierung umfasst üblicherweise Ausführungen zu der

Struktur der Norm, dem Zusammenhang, in dem sie steht und ihrer Historie.

Vor allem aber erklärt sie deren wesentliche Begriffe, ihre Tatbestandsmerkma-

le und Rechtsfolge(n). Ergänzt werden diese Erläuterungen um Hinweise zu

weiterführender Literatur und Gerichtsentscheidungen, die der Auslegung

und dem Verständnis der Norm dienen. Kommentare werden vorwiegend als

gedrucktes Medium verwendet, die Verlage etablieren darüber hinaus eigene

Internet-Plattformen, in denen sie die von ihnen verlegten Kommentare zu-

gänglich machen. Teilweise entwickeln sie eigene Online-Kommentare.12 Die

Internetversionen gestatten eine schnellere Anpassung an gesetzgeberische

Änderungen oder neue Entscheidungen. Sie stehen aber nur einem einge-

schränkten Nutzerkreis zur Verfügung.

Kommentare werden von Experten auf dem jeweiligen Rechtsgebiet geschrie-

ben. Die kritische Auseinandersetzung mit und zu der Norm ist in deren Struk-

tur eingebettet; die Lektüre und Recherche in einem juristischen Kommentar

setzt daher ein sicheres Verständnis der Struktur der Norm, die Bedeutung und

12 Siehe z.B: den Münchener Kommentar zum BGB in www.beck-online.de oder auch die

Beck-online-Kommentare.

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Lydia Scholz, Nadja Kaeding

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Unterscheidung von Tatbestandsmerkmalen und Rechtsfolgen als Bestandteile

einer Norm sowie der juristischen Methodik voraus.

Online Kommentar als modifizierte Wiki-Idee Die Vorteile eines Wikis als kollaborativ entwickelte Wissenssammlung und

die beschriebenen Eigenschaften eines juristischen Kommentars lassen sich zu

einem an die Wiki-Idee angelehntes und für die rechtswissenschaftliche Lehre

geeignetes e-learning Instrument verbinden.

Das Wiki wird nicht nach Stichworten, sondern nach einer Kommentarstruktur

aufgebaut. Anders als bei juristischen Kommentaren üblich, wird der Text

nicht von einem Experten oder einer Gruppe von Experten geschrieben, son-

dern von den Studierenden selbst. Sie schreiben eigene Erläuterungen zu Nor-

men, können diese editieren und die so entstehenden Texte gegenseitig über-

arbeiten und mit anderen exitierenden Erläuterungen, Kommentierungen und

Fundstellen verlinken.13

Die Studierenden müssen als Autoren ihre Beiträge in ein so adaptiertes Wiki

systematisch einer Norm zu- und in deren Struktur einordnen. Sie trainieren so

das für die Rechtswissenschaft notwendige strukturierte Denken und die Me-

thodik. Für den passiven Nutzer, den Leser, wird die Nutzbarkeit dieses Wikis

und somit sein Wert erhöht, da die Recherche sich wie in der Rechtswissen-

schaft üblich an Normen orientieren kann. Sie lernen und üben das gemeinsa-

me, kontinuierliche und zielorientierte Arbeiten an einem Projekt. Die Studie-

renden erwerben so Fähigkeiten, die in einer Informations- und

Wissensgesellschaft als unabdingbar angesehen werden.14

Der OnComment – Beispiel des Einsatzes eines modifizierten Wikis Diese soeben dargestellte Idee einer Kombination bekannter Mittel zur Erfas-

sung und Darstellung von Wissen liegt dem OnComment Projekt zugrunde,

das auf dieser adaptierten Wiki-Idee aufbaut mit dem Ziel, einen online-

Kommentar zu entwickeln. Das wird derzeit am Fachbereich Rechtswissen-

schaft als Lehr – und Lerninstrument erprobt.

13 So das Wiki-Konzept, das Ebner, Kickmeier-Rust, Holzinger, Utilizing Wiki-Systems in

higher education classes: a chance for universal access, Univ Access Inf Soc 7/2008, S. 199,

200, zugrunde legen. 14 Vgl. hierzu Ebner, Kickmeier-Rust, Holzinger, Utilizing Wiki-Systems in higher education

classes: a chance for universal access, Univ Access Inf Soc 7/2008, S. 200.

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Neue e-learning Ansätze in den Rechtswissenschaften

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Inhalt und Struktur des OnComment-Projektes Der OnComment umfasst inhaltlich und rechtssystematisch nur das Europäi-

sche Wettbewerbs- und Regulierungsrecht und wird im Masterstudiengang

zum Europäischen Wettbewerbs- und Regulierungsrecht (MBL-FU) eingesetzt.

OnComment bezeichnet ein Projekt mit zwei parallel strukturierten Wikis: zum

einen der für jedermann sichtbare OnComment (im Folgenden: public On-

Comment); zum anderen das OnComment Editorial Office, in dem die Studie-

renden ihre Beiträge erstellen und überarbeiten, ehe diese in den public On-

Comment Eingang finden können.

Diese Zweiteilung ist Voraussetzung für den Einsatz eines Online-Kommentars

als Lern- und Lehrelement. Ein Online-Kommentar motiviert die Beteiligten

nur dann, wenn dieser - auch von Dritten - wegen seiner juristischen Qualität

anerkannt wird und zitierfähig ist. Nur mit einem zitierfähigen Kommentar

können und wollen sich die Studierenden als Autoren identifizieren. Das Edi-

torial Office des OnComment gestattet es, einen für den public OnComment

geeigneten Beitrag zu entwickeln, ohne dass der damit verbundene Lernprozeß

jedes einzelnen Studierenden extern erkennbar wird. Im Editorial Office wer-

den die von den Studierenden erstellten Beiträge überprüft. Es ist zugleich

Kommunikationsmedium und Mittel zur Qualitätsprüfung. Diese Qualitäts-

prüfung schränkt zwar das Prinzip der Freiheit ein und modifiziert die Wiki-

Idee ein weiteres Mal. Anders aber, als bei einem freien Wiki, treffen sich hier

nur Lernende. Es ist gerade das Ziel dieses Wiki, Selbststudium, Gruppenarbeit

und angeleitetes Lernen zu verbinden. Die Korrektur etwaiger Fehler wird

nicht durch eine große Wiki-Community geleistet, sondern durch die Dozen-

ten. Feedback an die Studierenden und damit verbundene Hinweise für eine

Verbesserung der Beiträge und Qualitätsprüfung gehen miteinander einher.

Dies wirkt den oben beschriebenen Nachteilen eines Wikis entgegen und er-

höht die passive Nutzbarkeit des public OnComment. Dort werden nur die

finalen Erläuterungen unter Angabe der Autorenschaft publiziert.

Aktive Arbeit mit dem OnComment Wie bereits erwähnt, sind die Studierenden des MBL-FU als Autoren des On-

Comment-Projektes deren aktive Nutzer (derzeit ca. 30 Personen). Orientiert an

den Lehrinhalten des Studienganges verfassen sie Beiträge zu den relevanten

Normen des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts der EU und schaffen so

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Lydia Scholz, Nadja Kaeding

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einen Wissenspool, der dem erworbenen gemeinsamen Grundwissen in dem

Studiengang entspricht.

Die Beteiligung der Studierenden als Autoren am OnComment Projekt ist Teil

des Studiums. Damit wurde die konventionelle Wiki-Idee noch einmal modifi-

ziert.15 Das läuft zwar der originären Wiki-Idee zuwider und könnte nach Eb-

ner, Kickmeier-Rust und Holzinger die Vorteile des Wikis sogar mindern.16 Nach

deren Auffassung schwäche ein solches Vorgehen den gegenseitigen Aus-

tausch sowie den meta-kognitiven Prozess, wie die Reflektion der eigenen

Beiträge und der anderer.17 Das mindere das Potential des Wikis, so dass es nur

noch ein Mittel zur Informationssammlung ohne jeglichen zusätzlichen Wert

sei.18

Diese Aussage trifft auf das OnComment-Projekt nicht zu. Es hat seinen zu-

sätzlichen Wert gerade in der stetigen propädeutischen Übung. Ohne das e-

learning Instrument „OnComment“ müsste eine solche propädeutische Übung

in anderer – konventionellerer - Form Bestandteil des Masterstudienganges

sein. Ein kontinuierliches Propädeutikum in Form von Vorlesungen oder

Übungen aber lässt sich nicht in den Studienablauf integrieren, wie ein Wiki.

Solche Lehrveranstaltungen haben eigene Rhythmen und der Stoff kann nie

gleichzeitig oder zeitnah den Inhalten der Vorlesung entsprechen. Der zeitliche

Abstand zwischen Vorlesung/ Tutorium und der dazugehörigen Aufgabe im

OnComment ist klein. Das Wiki zwingt die Studierenden, selbst aktiv zu wer-

den, um sich mit dem Stoff des Studiums auseinanderzusetzen und die Grup-

penarbeit zu organisieren. Es sind darüber hinaus die Vorteile des Internet, das

Inhalte jederzeit und von jedem Ort aus zugänglich macht, die hier bewußt

eingesetzt werden und die eine begleitende Propädeutik während des gesam-

ten Studienganges gestatten.

15 Es ist die dritte Modifikation der Wiki-Idee: Die erste Modifizierung stellt sich in einer

Struktur dar, die sich nicht an Stichworten, sondern an Normen und ihrem Aufbau orien-

tiert, die zweite Modifizierung in der die Freiheit einschränkenden Qualitätssicherung. 16 Ebner, Kickmeier-Rust, Holzinger, Utilizing Wiki-Systems in higher education classes: a

chance for universal access, Univ Access Inf Soc, 7/2008, S. 199, 201. 17 Ebner, Kickmeier-Rust, Holzinger, Utilizing Wiki-Systems in higher education classes: a

chance for universal access, Univ Access Inf Soc 7/2008, S. 199, 201. 18 Ebner, Kickmeier-Rust, Holzinger, Utilizing Wiki-Systems in higher education classes: a

chance for universal access, Univ Access Inf Soc 7/2008, S. 199, 201.

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Neue e-learning Ansätze in den Rechtswissenschaften

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Gruppenarbeit als Ausgangspunkt kollaborativen Zusammenwirkens Die aktive Arbeit am OnComment-Projekt beruht auf Gruppenarbeit. Grup-

penarbeit hat den Vorteil, dass die Studierenden, die sich zu Beginn eines aka-

demischen Jahres noch nicht kennen, nicht die Befürchtung haben müssen, als

erstes mit einem als nicht gut befundenen Eintrag für alle anderen Studieren-

den erkennbar zu sein; keiner der Studierenden muss sich bei einem kritischen

Feedback „vorgeführt“ fühlen. Die Gruppenarbeit dient somit der besseren

Akzeptanz bei den Studierenden. Gruppenarbeit zwingt ferner zu einer Dis-

kussion unter den Gruppenteilnehmern, die auf ein gemeinsames Ergebnis,

nämlich die Erläuterung einer Norm oder eines Tatbestandsmerkmals gerichtet

ist. Da bei der Einteilung der Gruppen auf deren Heterogenität im Hinblick auf

die Rechtstraditionen, aus denen die Studierenden stammen, geachtet wurde,

entsteht durch die Gruppenarbeit zugleich ein interkultureller Austausch, der

die Grundlage für eine rechtsvergleichende Betrachtung ist. Die Studenten

können untereinander die unterschiedlichen Herangehensweisen an eine Auf-

gabe und die unterschiedlichen Denkansätze diskutieren und so ihr Verständ-

nis für die Herangehensweise in anderen Rechtstraditionen schärfen.

Auf diese Weise üben sie nicht nur die dem Europäischen Recht zugrundelie-

gene Methodik, sondern setzen sich zugleich mit rechtsvergleichenden Aspek-

ten der jeweiligen Rechtsfrage auseinander.19

Leitfragen als Anleitung zur aktiven Nutzung Die Studierendengruppen werden mit der Aufgabe des Erläuterns nicht allein-

gelassen. Begleitend zum Curriculum erhält jede Gruppe pro Woche eine Auf-

gabe, die auf die Kommentierung einer im Rahmen des jeweils aktuellen Mo-

duls relevanten Rechtsfrage, einer Fallstudie oder auf die Auslegung eines

Tatbestandmerkmals gerichtet ist. Die Aufgabe gibt den Umfang und die

Struktur der erwarteten Erläuterung in Teilen vor. Der Studierende wird daher

nicht durch das Gefühl demotiviert, vor einer ausufernden Aufgabe zu stehen,

deren Beginn und Ende nicht erkennbar ist. Die Aufgaben sind nicht nur auf

die Anwendung und Wiedergabe des in der Vorlesung vermittelten Wissens

gerichtet. Sie regen vielmehr zu rechtsvergleichender Betrachtung an und ver-

19 Rechtsvergleichung ist auf die Beurteilung der in den verschiedenen Rechtsordnungen

gebräuchlichen Denkmethoden und Verfahrensweisen (Makrovergleichung) und der ein-

zelnen Rechtsinstitute oder Rechtsprobleme in den Rechtsordnungen (Mikrovergleichung)

gerichtet, so Zweigert, Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 3. Aufl. 1996, S. 4 f.

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Lydia Scholz, Nadja Kaeding

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langen von den Studierenden eigene Auffassungen und Sichtweisen darzule-

gen. Damit werden die Studierenden dazu animiert, ihre Rechtskenntnisse des

jeweils nationalen Rechts in Bezug zu den Erläuterungen zum Europäischen

Recht zu setzen und die Ausführungen zum europäischen Recht um rechtsver-

gleichende Erläuterungen zu ergänzen. Auf diese Weise wird der OnComment

zu einem Wissenspool ausgebaut, der Grundlage für rechtsvergleichende For-

schung sein kann.

Passive Nutzung des OnComment Der aktiven Nutzung des OnComment steht – wie bei jedem Wiki – die passive

Nutzung gegenüber, also das Abrufen von Informationen aus dem public On-

Comment, d.h. die Nutzung seiner Kommentarfunktion. Um den qualitativen

Standard eines konventionellen Kommentars zu gewährleisten, werden alle

Lösungen kritisch auf Publikationsfähigkeit durch wissenschaftliche Mitarbei-

ter (pre- und postdocs) überprüft und ggf. noch einmal final überarbeitet. Erst

nach dieser finalen Überarbeitung werden die Beiträge zur Veröffentlichung im

OnComment freigegeben und vom Editorial Office in den allgemein zugängli-

chen OnComment überführt. Die Rollenverteilung ist so festgelegt, dass die

Studierenden keine Möglichkeit haben, Beiträge selbst in den public OnCom-

ment zu übertragen. Externe Nutzer des public OnComment können die Ein-

träge nur ansehen, aber nicht verändern.

Die passive Nutzbarkeit wird zudem dadurch erhöht, dass die notwendigen

Bedingungen für eine Zitierfähigkeit des OnComment geschaffen werden.

Hierzu gehört, dass unter jedem Beitrag die Autorenschaft angezeigt wird. In

einer Änderungshistorie ist die Autorenschaft für frühere Versionen eines Bei-

trags erkennbar. Nach der Zitierempfehlung des public OnComment sind wie

bei konventionellen Kommentaren auch, die Autoren zu benennen. Auf diese

Weise wird hier ein weiterer Anreiz für die Mitarbeit am OnComment geschaf-

fen: Die Studenten können sich in ihren Haus- und Masterarbeiten selbst zitie-

ren. Sie können aber auch von Dritten zitiert werden, denn der public On-

Comment baut auf permanent Links auf und steht allen am Europäischen

Wettbewerbsrecht interessierten Personen zur Verfügung. Allgemein wird so

eine juristische Datenbank im Netz zur Verfügung gestellt, deren Nutzung

nicht durch finanzielle Schranken erschwert oder unmöglich gemacht wird.

Eine Befragung unter den Studenten hat gezeigt, dass die Zitierfähigkeit des

public OnComment ein wichtiger Anreiz für sie ist; alle Studierenden würden

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Neue e-learning Ansätze in den Rechtswissenschaften

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selbst den OnComment nur für Zitate heranziehen, wenn die Qualität der In-

halte es gestattet. Die schon erwähnte Einschränkung des der Wiki-Idee zu-

grundeliegenden Prinzips der Freiheit durch die Qualitätskontrolle wird dem-

nach von den Lernenden und aktiven Nutzern nicht nur toleriert, sondern

sogar mit Blick auf die passive Nutzbarkeit gewünscht.

Verbindung von Forschung und Lehre Die bisherigen Darstellungen haben vor allem erläutert, wie die Studierenden

propädeutisch durch das OnComment Projekt begleitet werden und es als

Mittel in der juristischen Lehre eingesetzt wird. Der Aspekt der Forschung ist

bisher nur am Rande erwähnt worden.

Die Einträge im Rahmen des OnComment-Projekts dienen nicht nur der Wie-

derspiegelung des bekannten und transferierten Wissens. Wie bereits erwähnt,

werden die Studierenden durch Leitfragen aufgefordert, eigene Auffassungen

aufgrund eigener Analyse zu entwickeln und zu formulieren. Sie leisten damit

– wie auch Doktoranden – einen Beitrag innerhalb der Rechtswissenschaft zur

Interpretation oder dem Verständnis des jeweiligen Rechtsgebiets. Die Studie-

renden reflektieren bei der Darstellung ihrer Auffassungen stets auch eigene

Erfahrungshintergründe und ihr eigenes Rechtsverständnis. So können neben

neuen Interpretationen bekannter Rechtsprobleme auch neue Denk- und Lö-

sungsansätze entstehen, weil ein anderes Rechtsdenken Blickrichtungen er-

möglicht, die denen, die mit dem Europäischen Recht und seiner Dogmatik

von Beginn ihres juristischen Denkens an vertraut werden, verschlossen sind.

Das können wichtige Beiträge zur rechtswissenschaftlichen Forschung sein.

Aber auch die Rechtsvergleichung spielt hier eine Rolle. Mit zunehmender

Sicherheit der Studierenden im Europäischen Recht werden diese gefordert,

darzustellen, wie im Vergleich zum Europäischen Recht das jeweils nationale

Recht einen gleichen Sachverhalt, z.B. einen Unternehmenszusammenschluss

als rechtlich relevanten Akt bewerten würde. Auf diese Weise schaffen sie eine

Grundlage für rechtsvergleichende Forschung.20 Das ist zugleich der nächste

20 Vgl. Fn. 19.

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Lydia Scholz, Nadja Kaeding

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Schritt zum Verständnis des Europäischen Rechts, soweit es Gegenstand des

OnComment Projektes ist.21

Nutzen des OnComment Der Einsatz des OnComment als Lehr- und Lernmittel hat Verbesserungen für

die Studierenden gebracht, die in Hausarbeiten und Tutorials sichtbar werden:

Die Studierenden

werden mit den Normen und deren juristischen Fragestellungen vertraut,

lernen/vertiefen die juristische Dogmatik und Methodik,

lernen/vertiefen wissenschaftliches Schreiben und

erkennen Zusammenhänge zwischen Regelwerken und Rechtsgebieten.

Das wirkt sich nicht nur auf die Noten der Studierenden, sondern auch auf die

Gestaltung von Vorlesungen aus: die Dozenten können auf ein verbessertes

Verständnis des Rechts aufbauen und die Studierenden intensiver in die Vorle-

sung einbinden. Gleichzeitig bietet die Arbeit am OnComment ihnen wichtige

Erkenntnisse:

über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den einzelnen

Rechtsgebieten,

über rechtsordnungsübergreifende Prinzipien,

über Differenzen in der Anwendung des Rechts in den einzelnen Rechts-

ordnungen und deren Auflösung bei internationalen Fragestellungen.

Die Studierenden gewinnen aber auch die Fähigkeit und die Erkenntnis, die

mit einer kontinuierlichen Projektarbeit, wie der hier beschriebenen, verbun-

den sind: Durchhaltevermögen bei der Arbeit an einem Projekt, Kritikfähigkeit

gegenüber eigenen Leistungen und sachliche Argumentation.

Die Kenntnisse und Erkenntnisse, die die Studierenden in ihren Einträgen fest-

halten, stellen zunehmend Beiträge zur Rechtswissenschaft dar, je sicherer der

21 Zur Frage, inwieweit die Rechtsvergleichung zur Auslegung von Normen fruchtbar ge-

macht werden kann, vgl. Zweigert, Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 3. Aufl.

1996, S. 16 ff.

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Neue e-learning Ansätze in den Rechtswissenschaften

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Umgang mit dem vermittelten europäischen Recht wird. Diese Beiträge stehen

wiederum allen, auch nachfolgenden Studierenden zur Verfügung.

Betreuungsaufwand des OnComment Das hier dargestellte Projekt gestattet einen Lehr- und Lernansatz, der auf kon-

ventionelle Weise nicht möglich wäre. Kommentare sind als anerkannte wis-

senschaftlich-praktische Werke in der Rechtswissenschaft dem Einsatz als akti-

ves Lehr- und Lernmittel in der hier beschriebenen Weise nicht zugänglich. Die

Anforderungen an einen juristischen Kommentar sind jedoch im Internet nicht

geringer als außerhalb des Internet. Der qualitativ hohe Standard, der die Zi-

tierfähigkeit des Kommentars gestattet und ihn damit auf die Ebene konventi-

oneller Kommentare hebt, bildet zwar eine Bereicherung für die Studierenden,

ist aber zugleich Verpflichtung für die Lehrenden.

Der Kommentar im public OnComment wird bereits durch die Aufgabenstel-

lung im Editorial Office vorbereitet. Das verlangt von den Lehrenden nicht nur

Kenntnisse über Aufbau und Struktur von Kommentaren, sondern auch über

die in jedem Modul vermittelten Inhalte. Gleichzeitig müssen die Aufgaben

kontinuierlich und zeitnah erstellt, überprüft, mit Hinweisen versehen, wieder

überprüft und schließlich final überarbeitet werden. Dieser Aufwand wird

durch das Internet und dessen Eigenschaften nicht kompensiert. Diese Leis-

tungen werden vornehmlich von post-docs erbracht, die dafür beschäftigt

werden müssen (d.i. als Angestellte oder über Werkverträge).22 Der Ertrag

jedoch für die Studierenden und den Studiengang insgesamt ist hoch und lohnt

den Aufwand.

Fazit Das hier dargestellte OnComment-Projekt am Fachbreich Rechtswissenschaft

der FU Berlin zeigt, dass es notwendig sein kann, bestehende e-learning In-

strumente so an die Erfordernisse der jeweiligen Disziplin anzupassen, dass sie

ihren vollen Nutzen erreichen können. Mit dem OnComment zum Europäi-

schen Wettbewerbs- und Regulierungsrecht wurde der juristische Kommentar

(eine in der Rechtswissenschaft anerkannte Wissenssammlung) mit den

Grundsätzen des Wikis verbunden. Der OnComment dient nicht nur dem Ler-

22 Dies zeigt, dass e-learning nicht zwingend kostensenkend ist, wie es Rosenberg, E-learning,

Strategies for Delivering Knowledge in the Digital Age, McGraw-Hill, 2001, S. 30, be-

schreibt.

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nen auf seiten der Studierenden. Er dient auch als ein Beitrag zur Rechtswis-

senschaft, soweit er Erkenntnisse darstellt, die sich aus anderen Rechtskreisen

oder aufgrund neuer Denkansätze ergeben. Kommentar und Wiki-Idee gehen

hier miteinander einher. Es entsteht ein online verfügbarer Wissenspool, der

von Studierenden aktiv aufgebaut und von diesen (ebenso wie anderen) passiv

genutzt werden kann.

Eine erste Befragung der Studierenden sowie eine Einschätzung aus Sicht der

Lehrenden haben den Erfolg eines so maßgeschneiderten E-learning Instru-

ments als propädeutisches Mittel für die Rechtswissenschaft bestätigt. Gleich-

wohl geht mit dem OnComment wie mit jedem Wiki nicht nur eine stetig

wachsende und durch Lernende geschaffene Wissensammlung einher, sondern

auch ein aufgrund der beschriebenen und erforderlichen Modifizierungen ein

erhöhter Betreuungsaufwand auf Seiten der Lehrenden. Der bisherige Erfolg

des Projektes zeigt, dass sich dieser Aufwand lohnt.

Referenzen Dichanz, Horst/ Ernst, Annette. Begriffliche, psychologische und didaktische

Überlegungen zum „electronic learning“ in: MedienPädagogik 2001, 7/30, onli-

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Neue e-learning Ansätze in den Rechtswissenschaften

216

Zweigert, Konrad/ Kötz, Heinz. Einführung in die Rechtsvergleichung, 3. Aufl.

1996, Verlag Mohr Siebeck.

Vita Dr. Lydia Scholz

Seit 2011: Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Deutsches und Euro-

päisches Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Regulierungsrecht, Fachbereich

Rechtswissenschaft, Freie Universität Berlin

2011: Postgraduate Certificate in Academic and Professional Practice, Universi-

ty of Warwick, UK

2010: Promotion zum Dr. jur. an der Freien Universität Berlin

2004: Zweites Juristisches Staatsexamen, Berlin

2001: Master of European Studies, Berlin

2000: Erstes Juristisches Staatsexamen, Mecklenburg-Vorpommern

Dr. Nadja Kaeding

Seit 2008: Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Habilitandin am Institut für

Deutsches und Europäisches Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Regulierungs-

recht, Fachbereich Rechtswissenschaft, Freie Universität Berlin

2001: Promotion zum Dr. jur. an der Freien Universität Berlin

Seit 2000: Rechtsanwältin

1999: Zweites Juristisches Staatsexamen, Berlin

1996: Erstes Juristisches Staatsexamen, Berlin

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Simone Henze, Michael Cramer: Ruhr-Universität Bochum,

{simone.henze|michael.cramer}@rub.de

Universitas: Lehrende lernen von Studierenden im Rahmen des Moduls eTutoring

Zusammenfassung Bereits seit etwa fünf Jahren werden an der Ruhr-Universität Bochum (RUB)

Studierende im Rahmen des Moduls eTutoring zu eTutorinnen und eTutoren

ausgebildet. Sie erwerben neben Creditpoints im Optionalbereich wertvolle

Einblicke in die Gestaltung von Lehre und erhalten die Möglichkeit, hinter die

Kulissen des Forschungs- und Lehrbetriebs zu blicken. Die eTutor(inn)en bera-

ten und unterstützen dabei in 2er-Teams Lehrende über ein Semester beim

Einsatz von E-Learning in deren Lehrveranstaltungen. Den Lehrenden wird

dadurch die Einbindung von E-Learning ermöglicht bzw. erleichtert. Sie geben

„ihren“ eTutor(inn)en die Gelegenheit, ihre Ideen und Kompetenzen in tragfä-

hige E-Learning-Projekte einfließen zu lassen. In dieser Gemeinschaft, in der

alle Beteiligten zugleich Lehrende und voneinander Lernende sind, konnten

bislang viele größere und kleinere innovative Projekte entwickelt und umge-

setzt werden.

Der Bericht liefert eine detaillierte Darstellung über die Entstehung und Wei-

terentwicklung eines erfolgreichen Studienmoduls. Er zeigt ein anschauliches

Beispiel für die „Gelebte Universitas“ und berücksichtigt dabei insbesondere

die studentische Perspektive.

Die Entstehung der Idee Die Idee zum Projekt eTutoring entstand im Frühjahr 2006 während eines Ge-

sprächs zwischen der damaligen Prorektorin für Studium und Lehre, Prof. Dr.

Notburga Ott, und dem Leiter der Stabsstelle des Rektorats eLearning, Holger

Hansen. Die Überlegung war, ein unterstützendes Angebot für Lehrende im

Bereich E-Learning anzubieten, welches möglichst niedrigschwellig ansetzt

und damit Dozentinnen und Dozenten mit ihren unterschiedlichen Vorerfah-

rungen beim Einsatz von E-Learning anspricht. Als Zielgruppe für dieses An-

gebot wurden aber nicht nur die Lehrenden der RUB in den Blick genommen,

sondern auch die Studierenden. Es sollte eine fachübergreifende Qualifizie-

Page 219: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

Universitas

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rungsmöglichkeit für Studierende entstehen, die im Optionalbereich1 angesie-

delt ist, so dass möglichst viele Studentinnen und Studenten von diesem Ange-

bot profitieren. In Anlehnung an die seit vielen Jahren an der RUB erfolgreich

ausgebildeten und eingesetzten Tutor(inn)en entstand der Begriff des „eTu-

tors“. Der Aufgabenbereich der eTutor(inn)en grenzt sich allerdings von dem

der klassischen Tutor(inn)en ab und liegt ausschließlich im E-Learning-Bereich

und bei der Betreuung von Lehrenden.

Für eine Konkretisierung der Idee wurden Kooperationspartner(innen) ge-

sucht, die das engagierte Projekt mit ihren Ressourcen und langjährigen Erfah-

rungen bereichern und unterstützen sollten. Zunächst wurden die Ziele des

Moduls festgelegt als auch die Inhalte für die Qualifizierungsphase konzipiert,

in welcher die Studierenden auf ihr bevorstehendes Praktikum bei ihren Be-

treuungsdozent(inn)en vorbereitet werden sollten. Neben den Mitarbeitenden

der Stabsstelle eLearning, die die technischen und didaktischen Lerneinheiten

übernahmen, unterstützten auch die Kolleginnen und Kollegen der Universi-

tätsbibliothek sowie der Zentralen Studienberatung.

Die erste Durchführung des Moduls erfolgte im Wintersemester 2006/07 und

kann als Testdurchlauf betrachtet werden – es war zu jenem Zeitpunkt noch

unklar, wie die Resonanz der Lehrenden, aber auch der Studierenden aussehen

würde. Nach Beendigung der ersten Durchführung wurde den Projektverant-

wortlichen bewusst, dass das Vorhaben sowohl von Studierenden- als auch

von Lehrendenseite angenommen werden würde. Die Nachfrage stieg im Lau-

fe der Semester beständig an, so dass es seither zum festen Leistungsangebot

der Stabsstelle eLearning gehört.

Ziele des Projekts Lehrende haben häufig nur wenig Zeit, sich mit neuen E-Learning-Tools zu

beschäftigen oder diverse E-Learning-Elemente auszuprobieren. Dies liegt

unter anderem daran, dass die didaktische Aufbereitung von Lehrmaterial, z.B.

in Form von webbasierten Trainingseinheiten (kurz WBTs) oder auch die Er-

stellung von Online-Testaufgaben, sehr zeitaufwendig sein kann – Zeit, die den

Lehrenden im Lehralltag oftmals nicht zur Verfügung steht. Das Modul eTuto-

ring kann diese Lücke schließen, indem Lehrenden qualifizierte eTutorinnen

1 Der Optionalbereich wurde als Bestandteil des B.A.-Studiengangs eingerichtet und dient

der Vermittlung von Schlüsselqualifikationen in Studium und Beruf.

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Simone Henze, Michael Cramer

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und eTutoren zur Seite gestellt werden, die diese ein Semester lang begleiten

und unterstützen. Ein Ziel des Projekts ist es daher, dass die eTutor(inn)en

während der Qualifizierungsphase eigene Ideen und Anregungen entwickeln,

diese den Lehrenden unterbreiten und mit ihnen abstimmen. So entstanden in

den vergangenen Semestern bereits viele interessante, innovative, aber auch

nachhaltige Blended-Learning-Konzepte2, deren Wirkung auch nach Beendi-

gung des eTutoring-Praktikums anhält. Eine weitere Intention, die mit der

Durchführung des eTutoring-Moduls verbunden ist, ist die Verbesserung der

Qualität in der Lehre. Vielfältige Forschungen zu Effekten von Medien auf das

Lernen zeigen, dass der Einsatz von E-Learning-Elementen nicht per se zu

einem besseren Lernergebnis führt.

Es spricht eher wenig für die Annahme, dass sich bestimmte Medien(-

techniken) grundsätzlich vorteilhaft auf das Lernen auswirken oder gar dem

‚konventionellen’ Unterricht überlegen sind. Insofern sind pauschale Behaup-

tungen über Vorzüge von Multimedia oder das Internet für das Lernen oder

über Notebooks im Klassenzimmer fraglich. Der Befund sagt umgekehrt jedoch

auch nicht aus, dass mit bestimmten Medientechniken ein schlechteres Lernen

einhergeht. (Voß & Kerres 2008, S. 14)

E-Learning-Elemente sollen daher nicht um ihrer selbst willen eingesetzt wer-

den, sondern nur an den Stellen, an welchen sie einen nachweisbaren Mehr-

wert gegenüber den klassischen Medien erzeugen. Den eTutor(inn)en wird von

Beginn an vermittelt, dass es der Einbettung in ein didaktisches Konzept be-

darf, damit die E-Learning-Anteile zur gewünschten Verbesserung der Lehre

führen.

Wichtiger erscheint es, verschiedene mediale Varianten (unter Einschluss von

Präsenzelementen) gezielt zu verknüpfen, um die Effektivität und Effizienz

von Lernangeboten zu erhöhen und den Lernenden eine an ihre Lernsituation

angepasste Umgebung zu bieten. (Voß & Kerres 2008, S. 15)

2 Zum Verständnis sei gesagt, dass E-Learning an der Ruhr-Universität als Präsenzhochschu-

le immer auch als Blended Learning verstanden wird. Laut dem Leitbild eLearning an der

RUB bedeutet dies eine enge Verzahnung von Präsenz- und Onlinephasen, mit der Syner-

gien verschiedener Medien und Vermittlungskanäle zur Optimierung der Lehre geschaffen

werden (http://www.rubel.rub.de/node/33 [Abrufdatum: 06.03.2012])

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Ausgestattet mit diesem Wissen werden die ausgebildeten eTutor(inn)en in

den verschiedenen Fachbereichen eingesetzt und setzen Erlerntes in Zusam-

menarbeit mit den Lehrenden um. So kann das Modul einen entscheidenden

Beitrag zur Weiterentwicklung, Verbreitung, aber auch Qualitätssicherung des

E-Learnings an der RUB leisten. Nicht zuletzt erweitern sowohl die Studieren-

den als auch die Lehrenden durch eine Modulteilnahme ihre Medienkompe-

tenz. Für die Studierenden bedeutet der sinnvolle Umgang mit neuen Medien

den Erwerb einer wichtigen Schlüsselqualifikation, die für den späteren Ein-

stieg ins Berufsleben bedeutsam ist. So belegen besonders die Rückmeldungen

von Lehramtsstudierenden, dass die im Rahmen des Moduls erworbenen Qua-

lifikationen als Wettbewerbsvorteil gegenüber Kommiliton(inn)en wahrge-

nommen werden. Aber auch viele Lehrende können ihre Medienkompetenz

ausbauen und erleben es als Bereicherung, technisches Know-how von den

Studierenden vermittelt zu bekommen, welches sie auch nach dem Einsatz der

eTutor(inn)en in ihrer Lehre erfolgreich anwenden können.

Umsetzung des Moduls Zielgruppe Studierende Das Modul eTutoring richtet sich vornehmlich an Studierende ab dem dritten

Semester des Bachelor-Studiums. Ab diesem Zeitpunkt kann davon ausgegan-

gen werden, dass eine erste Orientierung im Hochschulalltag und im eigenen

Studienfach stattgefunden hat. Das Modul ist inhaltlich so konzipiert, dass die

Studierenden keine technischen oder didaktischen Vorerfahrungen mitbringen

müssen. Erste Erfahrungen im Umgang mit einem PC werden aber vorausge-

setzt. Prinzipiell gibt es keine Teilnahmebeschränkungen für bestimmte Fach-

bereiche; allerdings ist die Modulteilnahme oftmals nur für die Bachelorstudie-

renden von Interesse, die Creditpoints im Optionalbereich benötigen. Immer

wieder nehmen Studierende aber auch wegen eines persönlichen Interesses am

Thema oder zur eigenen Weiterbildung am Modul teil. Das Modul ist so ange-

legt, dass Studierende möglichst in 2er-Teams Lehrende beraten und unterstüt-

zen. Für die Lehrenden entsteht daraus eine umfangreichere Betreuungssitua-

tion, in welcher auch größere Projekte und Konzepte umgesetzt werden

können. Zum anderen wird aber auch das Ziel verfolgt, Soft Skills wie z.B. die

Teamfähigkeit und das Selbst- und Zeitmanagement zu vermitteln.

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Simone Henze, Michael Cramer

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Zielgruppe Lehrende Am Modul teilnehmen können Lehrende aller Fachbereiche, die gerne ihre

Veranstaltungen mit E-Learning-Elementen anreichern wollen. Die Bandbreite

der möglichen Einsatzszenarien kann je nach Veranstaltungskonzept und Vor-

erfahrung der Lehrenden stark variieren. Die Dozent(inn)en profitieren zum

einen von der Unterstützung der eTutor(inn)en, werden zum anderen in die-

sem Prozess aber auch selbst zu Lernenden, indem die eTutor(inn)en ihr er-

worbenes Know-how an sie weitergeben.

Aufbau des Moduls Das Modul eTutoring besteht aus drei Bestandteilen, die alle erfolgreich abge-

schlossen werden müssen, um die angebotenen Creditpoints zu erhalten. Etwa

vier Wochen vor Semesterbeginn erwerben die Studierenden in einer einfüh-

renden, 6-tägigen Blockveranstaltung, der sogenannten Qualifizierungsphase,

didaktische und technische Kompetenzen. Diese Qualifizierung bereitet die

Studierenden auf das semesterbegleitende Praktikum in den jeweiligen Fach-

bereichen vor. Nach Abschluss des Praktikums ist ein Bericht anzufertigen, in

welchem die während des Praktikums gesammelten Erfahrungen reflektiert

werden. Seit dem Wintersemester 2011/12 werden anstelle eines abschließen-

den Berichts semesterbegleitende Blogbeiträge geschrieben. Im letzten Modul-

bestandteil, dem begleitenden Kolloquium, werden weitere Themen aufgegrif-

fen, die für die Tätigkeit als eTutor(in) wichtig sind, und der Zwischenstand

der Praktikumsprojekte präsentiert. Am letzten Kolloquiumstermin, der jeweils

kurz vor Ende der Vorlesungszeit durchgeführt wird, findet die Abschlussprä-

sentation der eTutor(inn)en statt.

Vorbereitungen zur Moduldurchführung Zur Planung der Qualifizierungsphase bedarf es einigen zeitlichen Vorlaufs, da

über verschiedene Kanäle auf das Modul aufmerksam gemacht wird. Ein Groß-

teil der Anmeldungen erfolgt mittlerweile auf Empfehlung von Kommili-

ton(inn)en, die selbst bereits am Modul teilgenommen haben. Auch Lehrende

werden in vielen Fällen von Kolleg(inn)en, die in den vorhergehenden Semes-

tern als Betreuungsdozent(inn)en teilgenommen haben auf das Modul auf-

merksam gemacht. Um Lehrende für das Modul zu gewinnen, hat sich aber

auch ein anderer Weg bewährt: Studierende haben die Möglichkeit, sich direkt

an Dozent(inn)en zu wenden. So können auch Lehrende für das Modul ge-

wonnen werden, die bislang noch nicht auf die Möglichkeit einer Unterstüt-

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zung durch das eTutoring aufmerksam geworden sind. Ein erster Kontakt

zwischen den Betreuungsdozent(inn)en und den studentischen eTutor(inn)en

sollte bestenfalls schon vor Beginn der Qualifizierungsphase zustande kom-

men. Die Erfahrungen zeigen, dass es für die Studierenden hilfreich ist, wenn

sie die Qualifizierungsphase bereits mit ersten Vorstellungen zu ihrem zukünf-

tigen Praktikumseinsatz beginnen – besonders hinsichtlich der Erstellung eines

ersten didaktischen Konzepts für die zu betreuende Lehrveranstaltung.

Die Qualifizierungsphase Die 6-tägige, einführende Blockveranstaltung soll den zukünftigen eTutoren

und eTutorinnen sowohl didaktisches als auch technisches Know-how an die

Hand geben und Beratungskompetenzen vermitteln, um die bevorstehende

Praktikumsphase erfolgreich durchzuführen. Jede Schulungseinheit ist so ge-

staltet, dass nach einem inhaltlichen Input eine Phase des eigenen Erprobens

und der selbstständigen Arbeit anschließt. Diese Phase nimmt innerhalb der

gesamten Qualifizierung einen bedeutenden Stellenwert ein, da die dargebote-

nen Inhalte nicht nur passiv rezipiert, sondern direkt in praktisches Handeln

umgesetzt werden. Die unmittelbaren Rückmeldungen der Studierenden zei-

gen, dass dieser Wechsel als motivierend und lernförderlich empfunden wird.

Abb.1: Themen der Qualifizierungsphase im zeitlichen Verlauf (1.- 3. Schulungstag)

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Simone Henze, Michael Cramer

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Zu Veranstaltungsbeginn findet ein erstes Kennenlernen statt. In vielen Fällen

treffen auch die Tandempartner(innen) zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal

aufeinander. Daher beginnt der Tag mit einer Aufwärmphase, d.h. einer Vor-

stellungsrunde, einer kurzen Einführung in das Thema E-Learning an der RUB

sowie einer E-Rallye, während der wichtige Anlaufstellen für eTutor(inn)en

besucht werden (u.a. das Rechenzentrum). Im weiteren Verlauf des ersten Ver-

anstaltungstags erfolgt eine umfangreiche Einführung in die Lernplattform

Blackboard oder alternativ in die Lernplattform Moodle. In welche Lernplatt-

form eingeführt wird, entscheidet in einem Vorgespräch der Lehrende, dessen

Veranstaltung betreut werden soll.

Der zweite Veranstaltungstag startet mit der Vermittlung lerntheoretischer und

mediendidaktischer Grundlagen. Mit diesen Kenntnissen entwerfen die Studie-

renden im Anschluss ein eigenes Kurzkonzept in Anlehnung an die Veranstal-

tung, die sie im Laufe der Praktikumsphase betreuen werden. Hierbei geht es

u.a. um die Erkenntnis, dass die Betrachtung des didaktischen Umfeldes und

der einzelnen Planungsschritte unerlässlich für den sinnvollen Einsatz von

eLearning-Elementen in der Lehre ist.

Die didaktische Konzeption von mediengestützten Lernangeboten beginnt mit

der Benennung eines Bildungsproblems, d.h. der Bestimmung einer Zielgruppe

und Lernsituation sowie der Spezifikation von Lehrzielen und Ausbereitung

der Lehrinhalte. Dabei sind auch die Funktionen der Medien sowie die Gründe

für ihren Einsatz zu benennen. (Petschenka & Kerres 2004, S.54)

Neben der didaktischen Struktur der Medien geht es im weiteren Schritt um

die Frage der Integration dieser Elemente in eine Lernumgebung unter Berück-

sichtigung der Lernorganisation (vgl. Kerres 2001).

Im Verlauf der Qualifizierung folgen nun größere Schulungseinheiten, die sich

mit der multimedialen Aufbereitung von Inhalten befassen. Zunehmend inte-

ressant ist auch der Einsatz von Web 2.0-Elementen wie Wikis und Weblogs,

die besonders in der Hochschullehre neue Formen der Zusammenarbeit und

Wissenskonstruktion ermöglichen. Zwei Lerneinheiten sollen den Studieren-

den einen Einblick in die Einsatzmöglichkeiten und Prinzipien von Wikis und

Weblogs vermitteln.

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Universitas

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Abb.2: Themen der Qualifizierungsphase im zeitlichen Verlauf (4.- 6. Schulungstag)

Als weiterer Themenbaustein wird innerhalb der Qualifizierungsphase die

synchrone und asynchrone Kommunikation behandelt. Besonders der Einsatz

von Diskussionsforen ist in der Lehre sehr verbreitet und steht daher in dieser

Lerneinheit im Vordergrund. Die Rückmeldungen von Studierenden, aber

auch Lehrenden zeigen oftmals, dass das Forum zwar angeboten, aber von den

Teilnehmer(inne)n der Lehrveranstaltung nur selten bis gar nicht genutzt wird.

In der Lerneinheit soll den Gründen dieser Entwicklung nachgegangen und

Szenarien erarbeitet werden, wie ein Forum sinnvoll eingesetzt und aktiv ge-

nutzt werden kann. Ein weiterer Themenschwerpunkt liegt auf der synchronen

Kommunikation. Durch die Einführung in das Programm Adobe Connect ste-

hen den eTutor(inn)en die Möglichkeiten eines Audio- und Videochats mit

integrierter, gemeinsamer Arbeitsoberfläche (Whiteboard und Bildschirmfrei-

gabe) zur Verfügung. Einsatzszenarien in der Lehre, wie zum Beispiel die Ein-

richtung einer Online-Sprechstunde, die Unterstützung von studentischer

Gruppenarbeit als auch die Einbindung von Vorträgen eines Gastreferenten,

werden mit den eTutor(inn)en gemeinsam entwickelt und diskutiert. Ergänzt

werden die bisherigen technischen und didaktischen Einheiten durch einen

weiteren Themenbereich, der für angehende eTutor(inn)en von großer Rele-

vanz sein kann. Die Einheit Beratungskompetenz wurde gemeinsam mit einer

Mitarbeiterin der Zentralen Studienberatung entwickelt. Im Mittelpunkt steht

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Simone Henze, Michael Cramer

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die Auseinandersetzung mit dem Rollenwechsel, den die Studierenden wäh-

rend ihrer Tätigkeit als eTutor(inn)en vollziehen müssen: sie sollen Lehrende

kompetent beraten und Inhalte vermitteln können und werden in dieser Situa-

tion für eine vorübergehende Zeit selbst zu Lehrenden. Um diese neue Rolle

auszuprobieren, werden Beratungsgespräche mithilfe von Rollenspielen simu-

liert und detailliertes Feedback gegeben. Die Qualifizierungsphase schließt am

letzten Veranstaltungstag mit vertiefenden Übungen ab. Jedes eTutor(inn)en-

Tandem erhält hierzu eine individuelle und auf das bevorstehende Praktikum

abgestimmte Aufgabenstellung, in welcher sowohl didaktische als auch techni-

sche Fragen zum Kurskonzept beantwortet und erste E-Learning-Elemente

umgesetzt werden sollen.

Die Praktikumsphase Die Praktikumsphase, die sich unmittelbar an die Qualifizierung anschließt,

nimmt im gesamten Modul den größten Workloadanteil ein. Je nach Modulva-

riante können die Studierenden 5 oder 10 Creditpoints erwerben, d.h. der

Workload liegt während der Praktikumsphase bei mindestens 80 bis maximal

140 Stunden und sollte nach Möglichkeit innerhalb eines Semesters erbracht

werden. Wie die Arbeitszeit verteilt wird, ob verstärkt auf den Semesterbeginn

oder auf bestimmte Arbeitsschwerpunkte, sprechen die Studierenden mit ihren

jeweiligen Betreuungsdozent(inn)en ab. Worin genau die Tätigkeiten der eTu-

torinnen und eTutoren bestehen, hängt von der jeweiligen Lehrveranstaltung

ab, in der E-Learning-Elemente eingesetzt werden sollen, und davon, welche

Technik(en) zum Einsatz kommen sollen.

Die Aufgaben erstrecken sich von der Erstellung digitaler Fachinhalte in Form

von WBTs oder Lehrvideos über das Entwickeln von Aufgaben zur Lerner-

folgskontrolle im Testbereich des Blackboard bis zur Online-Moderation in

Foren und Live-Meetings. (Thillosen & Hansen 2009, S. 138)

Während der Praktikumsphase stehen die Mitarbeitenden der Stabsstelle

eLearning bei allen Fragen und eventuellen Schwierigkeiten sowohl den Stu-

dierenden als auch den Lehrenden zur Seite. Obligatorisch ist auch ein Feed-

backgespräch mit den Betreuungsdozent(inn)en durch die Modulverantwortli-

chen ab Mitte des Semesters. Zu diesem Zeitpunkt konnten sich die Lehrenden

einen ersten Eindruck von der Arbeit „ihrer“ eTutor(inn)en verschaffen und

einige der geplanten E-Learning-Elemente bereits in der Lehre einsetzen. Schon

während der Praktikumsphase erstellen die Studierenden in vorgegebenen

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Schreibzeiträumen insgesamt vier Blogbeiträge, sogenannte Meilensteine. Im

Fokus dieser Meilensteine steht, neben einer allgemeinen und persönlichen

Einschätzung des Praktikums, vor allem die wissenschaftliche Reflexion ihrer

Tätigkeit. In jedem Meilenstein wird dazu ein Themenschwerpunkt, der für das

Praktikum von Relevanz ist, gewählt und anhand von Fachliteratur näher aus-

geführt. Die Blogbeiträge werden in den Workload des Moduls einbezogen

und am Ende des Semesters von den Modulverantwortliche auch benotet.

Das Kolloquium Über das gesamte Semester verteilt finden parallel zur Praktikumsphase vier

bis fünf Kolloquiumstermine statt, die für die eTutorinnen und eTutoren ver-

pflichtend sind. Das Kolloquium hat die Funktion, die Inhalte der Qualifizie-

rung zu vertiefen, aber auch neue Themenbereiche aufzugreifen, die für die

Tätigkeit als eTutor(inn)en von Relevanz sein können. So wird am Ende der

Praktikumsphase nochmals gezielt auf die Themen Qualitätssicherung, Evalua-

tion und Nachhaltigkeit der E-Learning-Projekte verwiesen.

Das Kolloquium erfüllt darüber hinaus den Zweck des Austausches und der

Kommunikation der Studierenden untereinander. Neben dem inhaltlichen

Input stellen die Teilnehmenden ihre Projekte in Form einer Zwischenpräsenta-

tion dar. Mögliche Fragen oder Unklarheiten können mit dem gesamten Ple-

num besprochen und geklärt werden.

Der letzte Kolloquiumstermin ist jeweils für die Abschlusspräsentationen der

eTutor(inn)en reserviert. Zu diesem Anlass werden auch die Betreuungsdo-

zent(inn)en eingeladen. Da die Präsentationen benotet werden und die Veran-

staltung in einem offizielleren Rahmen als bisher stattfindet, stellt die Ab-

schlussveranstaltung immer einen Höhepunkt im Rahmen des Moduls sowohl

für die eTutorinnen und eTutoren als auch für die Modulverantwortlichen dar.

Universitas: Studierende wechseln die Rolle Die „gelebte Universitas“ hat die Ruhr-Universität Bochum in ihrem Leitbild

verankert. Darunter wird eine Gemeinschaft verstanden, die die Menschen ins

Zentrum stellt. Alle Mitglieder dieser Gemeinschaft sind voneinander Lernen-

de. Das Modul eTutoring ist ein Beispiel dafür, dass diese Idee auch in der

Praxis verwirklicht wird: Lehrende nehmen gerne die Hilfe von Studierenden

an, um ihre Lehre zu verbessern. Studierende wiederum bringen ihr Potenzial

ein, um die Lehrenden bei der Realisation ihres E-Learning-Projektes zu unter-

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stützen. Wie dieser Rollenwechsel vom klassischen Studierenden zum Partner

des Dozierenden im Sinne des Universitas-Gedankens gelingt und wie dies

von den Studierenden wahrgenommen wird, soll im Folgenden im Mittelpunkt

stehen.

Vorbereitung auf den Rollenwechsel Laut der Rückmeldungen der eTutorinnen und eTutoren ist es gerade die Zu-

sammenarbeit mit den Lehrenden, die das Modul eTutoring so besonders

macht. Wird es in den alltäglichen Seminarkontexten häufig so erlebt, dass es

eine klare Distanz zwischen Lernenden und Lehrenden gibt, so bricht die Zu-

sammenarbeit an einem gemeinsamen Projekt diese häufig auf. Dies kann so

weit gehen, dass Studierende selbst zu Experten werden, die die Lehrenden bei

ihrem E-Learning-Einsatz beraten und zum Teil sogar schulen.

Dass solch ein Rollenwechsel immer unproblematisch erfolgt, darf jedoch nicht

vorausgesetzt werden. Dabei sind es häufig Vorbehalte der Studierenden, die

eine Zusammenarbeit „auf Augenhöhe“ erschweren. Hier setzt die Einheit

Beratungskompetenz der Qualifizierungsphase an, die den Studierenden dabei

helfen soll, sich in ihre neue Rolle besser einzufinden. Genau genommen kön-

nen es gleich mehrere Rollen sein, in der sich die eTutor(inn)en während ihrer

Praxisphase befinden: Sie sind Studierende, Teilnehmer(innen) an einem Opti-

onalbereichsmodul, Expert(inn)en für E-Learning, Berater(innen) einer/eines

Lehrenden und eventuell Tutor(inn)en von anderen Studierenden. Häufig

nehmen sie auch eine Mittlerposition zwischen den Lehrenden und den Studie-

renden ein. Kommen die eTutorinnen und eTutoren in ihrem eigenen Fachbe-

reich zum Einsatz, ist der Dozent bzw. die Dozentin eventuell auch schon aus

den eigenen Lehrveranstaltungen bekannt.

Damit aus den beiden Seiten eine „Gemeinschaft voneinander Lernender“

entstehen kann, werden die eTutorinnen und eTutoren zunächst ermutigt, ihre

eigenen Potenziale zu ermitteln. Durch die fiktive Einnahme der Lehrenden-

perspektive wird zudem verdeutlicht, dass beide Seiten ein gemeinsames Ziel

verfolgen, den Erfolg des Projekts. Zudem wird aber auch darauf abgezielt,

dass die Studierenden sich nicht bloß als ausführende Organe begreifen sollen,

sondern auch angehalten sind, eigene Ideen in das Projekt mit einzubringen.

Rollenspiele bieten den Studierenden schließlich die Möglichkeit, in einem

geschützten Raum das theoretisch Gelernte praktisch umzusetzen.

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Universitas

228

Um eine zielgerichtete Umsetzung im Praktikum zu gewährleisten, wird eine

Zielvereinbarung zwischen den eTutor(inn)en und ihren Betreuungsdo-

zent(inn)en abgeschlossen. Diese konkrete Planung und schriftliche Fixierung

der umzusetzenden Projekte hat den Vorteil der höheren Verbindlichkeit ge-

genüber der lose verabredeten Vereinbarung. Sowohl Studierende als auch

Lehrende haben so im Verlaufe der Umsetzung immer wieder eine Richt-

schnur, auch wenn diese Vereinbarungen im fortschreitenden Projekt noch

verändert werden können.

Aus Sicht der Studierenden Dass die eTutorinnen und eTutoren besonders den Erwerb neuer technischer

Kompetenzen positiv bewerten, liegt auf der Hand. Die Auswertung der Um-

fragen vor Antritt des Moduls ergeben, dass viele Tools, die den Studierenden

in der Qualifizierungsphase nahegebracht werden, zuvor in der Anwendung

unbekannt waren.3 Die durch die Qualifizierungsveranstaltung und die Vertie-

fung im Praktikum erworbene Medienkompetenz wird „begeistert“ aufge-

nommen, zumal das E-Learning als „zukünftig immer wichtiger werdendes

Element“ in der Hochschullehre angesehen wird. Und auch für den Übergang

in das Berufsleben wird der Stellenwert der Medienkompetenz von Seiten der

eTutor(inn)en hoch eingeschätzt. Zum Bereich der Medienkompetenz gehört

ebenfalls, dass die Studierenden „sensibler für die Probleme in der E-Learning-

Umsetzung“ wurden. So schrieb ein eTutor, dass er ein „größeres Verständnis

dafür entwickelt[e], wie schwierig es ist, die Waage zu halten zwischen unter-

stützenden Angeboten und zusätzlicher Belastung“. Durch die gewonnen Ein-

blicke „hinter die Kulissen der Uni“ wuchs auch das Verständnis für die Do-

zent(inn)en. Und dadurch dass die Studierenden ihre Erfahrungen aus dem

eigenen Lehralltag mit in die Projekte einbringen konnten, wuchs auf beiden

Seiten das Verständnis für die Gegenseite. Die Zusammenarbeit mit den Leh-

renden wurde als „tolle Erfahrung“ beschrieben, zumal diese die Ideen der

eTutor(inn)en „meist offen aufgriffen“. Ganz deutlich wird dies in folgendem

Blog-Eintrag einer eTutorin: „Besonders die Zusammenarbeit mit unserem

Dozenten empfinde ich als wirkliche Zusammenarbeit in dem Sinne, dass sich

jede Seite einbringt, Wünsche äußert oder Probleme anspricht, um dann eine

zufriedenstellende Lösung für beide Seiten zu finden.“

3 Die im Folgenden wiedergegebenen Zitate stammen sämtlich aus den Blog-Einträgen und

Praktikumsberichten der eTutorinnen und eTutoren.

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Simone Henze, Michael Cramer

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Aber auch die eigene Perspektive verändert sich bei vielen eTutor(inn)en durch

den Rollenwechsel. So wird das eigene Lernverhalten gerade dadurch ent-

scheidend reflektiert, dass nun Lehrmaterialien für andere Studierende lern-

förderlich aufbereitet werden sollen. Und auch die Bereitschaft, sich an den

Lehrveranstaltungen aktiv zu beteiligen, wird hinterfragt, wenn die eTu-

tor(inn)en selbst an deren Entwurf beteiligt sind, wie der Blog-Eintrag einer

eTutorin zeigt: „Ist es nicht so, dass alle Studierenden, vornehmlich die Master-

studierenden, per Grundsatz hochmotiviert und interessiert sind? Scheinbar

nicht!“ Bestärkt durch die Erfahrungen aus dem eTutoring wollen viele eTu-

tor(inn)en auch nach ihrem Einsatz ihre erworbenen Kenntnisse einbringen. So

gaben sie häufig an, sich von nun an offener an ihre Dozent(inn)en zu wenden

und ihnen Hilfe anzubieten, wenn den Studierenden z.B. die begleitenden

Online-Kurse oder Lehrmaterialien nicht optimal gestaltet erscheinen.

Erfahrungsbericht eines eTutors Die Motivation am eTutoring teilzunehmen, können sehr divergieren. In mei-

nem Fall war es meine Dozentin, die mich fragte, ob ich Interesse hätte, sie bei

der Umsetzung ihres E-Learning-Projekts zu unterstützen. Die Aussicht, im

eigenen Fach an einem Projekt eng mit Lehrenden zusammenzuarbeiten und

dadurch im besten Falle einen kleinen Beitrag zur Verbesserung der Lehre

beisteuern zu können, waren dabei meine zentralen Motive der Teilnahme.

Darüber sprach aber auch der erwartete Erwerb technischer und didaktischer

Kompetenzen eindeutig für die Teilnahme. Meine damaligen E-Learning-

Erfahrungen waren eher gering. Neben einigen computerunterstützten

Sprachkursen basierten meine Vorkenntnisse lediglich auf der bisherigen Ar-

beit mit der Lernplattform. In der Regel enthielten diese Kurse, die den Namen

„unterstützendes Online-Angebot“ nicht verdienten. Erst nach langer Suche

durch verwaiste Ordner fand man einige PDF-Dokumente. Hin und wieder

wurden Online-Tests eingesetzt, die in ihrer Aufbereitung die Frage aufkom-

men ließen, ob man sich tatsächlich an einer Universität eingeschrieben hat.

Dass diese Art des E-Learnings bei mir und meinen Kommilitoninnen und

Kommilitonen keine besonders hohe Erwartung an die computerunterstützte

Lehre im Hochschulbetrieb aufkommen ließ, bedarf keiner weiteren Erwäh-

nung. Dass E-Learning jedoch viel mehr umfassen kann als nur Tests, die man

stupide vom heimischen Schreibtisch durchklicken kann, wurde mir schnell in

der Qualifizierungsphase zum eTutoring klar. Neben der angenehmen Atmo-

sphäre sind mir besonders die aufgezeigten Möglichkeiten, die das E-Learning

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Universitas

230

an der Hochschule bieten kann, im Gedächtnis und die damit verbundene

Frage, warum mir all das, was mir in wenigen Stunden so eindrucksvoll prä-

sentiert wurde, in meinem bisherigen Unialltag nie begegnet war. Nach dem

kurzen Überblick über die E-Learning-Tools der RUB gab es dann noch am

ersten Tag die Einführung in das Blackboard. Hier war es besonders die Ein-

fachheit, die mich überraschte. Nach nur vier Stunden Einarbeitung schien ich,

gemessen am Ergebnis, die Lernplattform schon weit intensiver und umfas-

sender zu nutzen als die Vielzahl meiner bisherigen Dozentinnen und Dozen-

ten. Ähnlich informativ und abwechslungsreich gestaltete sich auch der Rest

der Woche, wobei mir auch die Grenzen des E-Learnings bewusst wurden.

Bedingt durch einen Streik der Verkehrsbetriebe wurde aus dem ursprünglich

als Präsenztermin konzipierten dritten Tag ein Experiment. Wir lernten nun E-

Learning per E-Learning. Was ich mir als gemütliches Lernen bequem von zu

Hause vorstellte, entpuppte sich als anstrengendes Szenario. Die konzentrierte

Arbeit am Computer erforderte viel Selbstdisziplin und ohne die konkreten

Arbeitsaufträge sowie Impulse und Rückmeldungen der Dozentin wäre die

Produktivität dieses Tages deutlich zurückgegangen. Auf diese Weise wurde

mir einschlägig bewusst, was mir am Tag zuvor in der didaktischen Einheit

noch theoretisch zu vermitteln versucht wurde: E-Learning ist kein Selbst-

zweck, sondern muss in ein größeres didaktisches Konzept eingebettet sein

und die Lerner benötigen viel Unterstützung von Seiten der Lehrenden. Gut

gerüstet und doch wissend, dass die großen Fragen wohl erst noch kommen

würden, ging es dann zur Dozentin. Gemeinsam mit ihr entwarfen meine

Teamkollegin, die ich in der Blockveranstaltung zum ersten Mal traf, und ich

ein Konzept für die blended Learning-Veranstaltung. Wir überprüften die Vor-

schläge der Dozentin dahingehend, was wir in der Qualifizierungswoche ge-

lernt hatten, und brachten auch selbst Ideen ein, die überwiegend begeistert

aufgegriffen wurden. Uns war schnell klar, dass viel Arbeit auf uns zukommen

würde, aber wir hatten erneut etwas über das E-Learning gelernt: Es kann auch

Spaß machen. Aus den Vorüberlegungen entwickelte sich eine Blended Learn-

ing-Veranstaltung, in deren Präsenzphase Online-Ressourcen präsentiert wur-

den, die der Erarbeitung des Lernstoffes dienlich waren, während online z.B.

Diskussionen weitergeführt wurden, für die in der Unterrichtseinheit selbst die

Zeit fehlte. Es wäre illusorisch zu sagen, dass alle Kommilitoninnen und Kom-

militonen durch unseren Einsatz zu begeisterten E-Learning-Anhängern ge-

worden wären. Deutlich war erkennbar, dass die Diskussionen im Forum, je

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Simone Henze, Michael Cramer

231

weniger sie gesteuert wurden, allmählich verflachten oder ganz zum Erliegen

kamen. Auf der anderen Seite bewiesen die Rückmeldungen, dass besonders

die multimediale Ausrichtung und die gute Verzahnung zwischen Präsenz-

und Onlineteil von den meisten Studierenden als großer Mehrwert empfunden

wurden. Für mich persönlich war die Teilnahme am Modul eTutoring ein gro-

ßer Gewinn. Neben dem Einblick in die Welt des E-Learnings war besonders

der Blick hinter die Kulissen einer universitären Lehrveranstaltung sehr inte-

ressant. Wenn der Optionalbereich seine Daseinsberechtigung dadurch erklärt,

dass hier neben der fachwissenschaftlichen Ausbildung berufsbildende Zusatz-

und Schlüsselqualifikationen vermittelt werden sollen, so ist dies im Modul

eTutoring bestens verwirklicht. Seit der Beschäftigung mit dem E-Learning ist

mein Blick für diese Art der Lehre geschärft. Viele E-Learning-Projekte haben

seitdem mein Studium bereichert und mir das Lernen erleichtert. Entscheidend

ist hierbei die Erkenntnis, dass es nicht zwangsläufig die großen Projekte seien

müssen, die die Lehre nachhaltig verbessern. Oft waren es gerade Kleinigkei-

ten, z.B. die Ermöglichung der Kollaboration durch die Schaffung von virtuel-

len Kommunikationsräumen oder der ermöglichte Perspektivwechsel durch

einen gut geplanten Einsatz des Diskussionsforums, die mir halfen, schwierige

Inhalte besser zu verstehen.

Die Entwicklung des Moduls Vom Projekt zur Daueraufgabe Das Modul eTutoring startete im Wintersemester 2006/07 mit 14 Teilneh-

mer/innen aus sechs Fachbereichen. Das Modul hatte zu diesem Zeitpunkt

noch Projektcharakter und befand sich in der Erprobung. Nach den sehr posi-

tiven Rückmeldungen wurde für das Sommersemester 2007 eine erneute

Durchführung geplant. Seit dem Start des Moduls bis zum Wintersemester

2011/12 konnten bislang 280 studentische eTutorinnen und eTutoren ausgebil-

det werden, die in 18 Fachbereichen tätig waren. Viele von ihnen wurden und

werden aufgrund ihrer Qualifikation als studentische Hilfskräfte an verschie-

denen Lehrstühlen sowie auch im E-Learning-Team (RUBeL-Team) der RUB

beschäftigt.

Seit dem Sommersemester 2009 werden aufgrund der hohen Nachfrage zwei

eTutoring-Durchgänge in jedem Semester angeboten. Dadurch erhöhen sich

nicht nur die Teilnehmerzahl, sondern auch der zu leistende Arbeitsaufwand

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Universitas

232

und der Personaleinsatz. Das Modul avancierte damit zur Daueraufgabe der

Stabsstelle eLearning.

Aufgrund der zunehmenden Nachfrage von Studierenden und Lehrenden und

der ausdrücklichen Befürwortung des Rektorats werden ab dem Sommerse-

mester 2009 die Kapazitäten für die Qualifizierung von eTutorinnen und eTu-

toren deutlich erhöht. (Thillosen & Hansen 2009, S. 140)

Abb. 3: Die Grafik zeigt den Verlauf der Teilnehmerzahlen seit dem Start des Moduls zum

Wintersemester 2006/07

Weiterentwicklung durch Feedback Für die Entwicklung und Fortführung des Moduls eTutoring sind den Modul-

verantwortlichen die Rückmeldungen der Teilnehmer(innen) besonders wich-

tig. Nach Abschluss der Qualifizierungsphase findet jeweils eine ausgedehnte

Feedbackrunde statt. Zudem werden Evaluationsbögen an die Studierenden

herausgegeben, um eine detaillierte Rückmeldung zur Veranstaltung zu erhal-

ten. Aufgrund dieses Feedbacks wurde die Qualifizierungsphase vor einigen

Semestern von fünf auf sechs Veranstaltungstage ausgeweitet. Dadurch konnte

die tägliche Schulungszeit um eine bis eineinhalb Stunden reduziert werden.

Ein Grund dafür war, dass auf der einen Seite die Konzentration und die Auf-

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Simone Henze, Michael Cramer

233

nahmefähigkeit der Studierenden in den Nachmittagsstunden rapide abnahm

und auf der anderen Seite viele Teilnehmer(innen) neben dem Studium und

vorwiegend in den Abendstunden Nebenjobs zur Finanzierung des Studiums

nachgingen. Stetig wird versucht, das Modul den sich verändernden Anforde-

rungen und neuen Entwicklungen im E-Learning-Bereich anzupassen. So wur-

de zum Beispiel in den vergangenen Semestern die Lerneinheit zum Thema

Web 2.0 ausgebaut und Konsequenzen aus den Veränderungen im Urheber-

recht in der Qualifizierungsphase thematisiert.

Literatur Kerres, Michael (2001): Multimediale und telemediale Lernumgebungen. Kon-

zeption und Entwicklung. 2., vollst. überarb. Aufl., München: Oldenbourg.

Petschenka, Anke & Kerres, Michael (2004): Mediendidaktische Konzeption

und Implementierung von Lernmodulen in die Hochschullehre. In: Kaule,

Giselher & Müller, Mark (Hrsg.): GIS-Anwendungen und e-learning. Heiddel-

berg: Wichmann Verlag.

Thillosen, Anne; Hansen, Holger (2009): Technik und Didaktik im E-Learning:

Wer muss was können? Ein Plädoyer für verteilte Medienkompetenz in Hoch-

schulen. In: Dittler, Ullrich; Krameritsch, Jakob; Nistor, Nicolae; Schwarz,

Christine; Thillosen, Anne (Hrsg.)(2009): E-Learning: Eine Zwischenbilanz.

Kritischer Rückblick als Basis eines Aufbruchs. Münster: Waxmann.

Voß, Britta & Kerres, Michael (2008): Didaktische Methoden und Medien. In:

Faulstich-Wieland, H. & Faulstich, P.: Grundkurs Erziehungswissenschaft,

Hamburg: Rowohlt.

Vita Dipl.-Päd. Simone Henze, seit Januar 2009 stellvertretende Leiterin der Stabs-

stelle des Rektorats eLearning der Ruhr-Universität Bochum (RUB), u.a. ver-

antwortlich für die Organisation und Durchführung des Studienmoduls eTuto-

ring. Studierte Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Personal- und

Organisationsentwicklung sowie Erwachsenenbildung an der Universität

Dortmund; 2004 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Weiterbildungszentrum

der RUB, 2004 bis 2007 wissenschaftliche Mitarbeit im Zentrum für Hochschul-

und Qualitätsentwicklung (Geschäftsbereich Hochschuldidaktik) der Universi-

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tät Duisburg-Essen, 2007 bis 2008 Mitarbeiterin bei der Handwerkskammer

Dortmund im Projekt „Komzet – Kompetenzzentrum Bürokaufleute online“.

Michael Cramer, studentischer Mitarbeiter der Stabsstelle eLearning der Ruhr-

Universität Bochum (RUB). Seit 2007 Studium der Geschichtswissenschaft und

Germanistik an der RUB, 2008 bis 2010 Tutor am Historischen Institut und seit

Mai 2009 studentischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Alte Geschichte. 2008

Teilnahme am Modul eTutoring und im Anschluss studentischer Mitarbeiter

der Stabsstelle eLearning mit den Schwerpunkten eTutoring und Blackboard.

Projektleiter des 5×5000-Gewinner-Projekts „Zeugen der Antike. Eine multi-

mediale Einführung in die Quellenarbeit und Hilfswissenschaften der Alten

Geschichte“ und der Ruhr-Campus-Online-Veranstaltung „Das antike Rom in

den Medien“.

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Gerrit Kalkbrenner, Timo Lotze, Oliver Neugebauer: Universität Bremen,

{gkalk|tlotze|olivern}@tzi.de

iStudent – Campusdienste für Studierende im Zeitalter von Smartphones und Pads

Zusammenfassung Die Entwicklung der iPhones, iTabs und Android Smartphones führt auch zu

neuen Anwendungen auf dem Campus. Die neue Mobilkommunikationstech-

nik verspricht, dass Studierende, Angestellte und Gäste der Hochschule etliche

ihrer Tätigkeiten zukünftig effizienter ausführen können.

Die Entwicklung der Technologie führte in den letzten Jahren zu folgen Neue-

rungen: iPADS, Android Smartphones, NFC (Near Field Communication),

Apps (neue Sichtweise für Programme), Gesten-Erkennung, Sprach-

Erkennung, Navigation sowie Cloud Computing.

Die Universität Bremen entwickelt daher im Rahmen des EU geförderten Pro-

jektes People (Smart Cities) für den Campus Bremen und die überregionale

Nutzung u.a. folgende Dienste: App für den Zugriff auf Stud.IP (Nachrichten,

Räume, Personen), Studiumsplaner, Handybasiertes Zugangssystem für Räu-

me, Handybasiertes Zugangssystem zu PCs (Single Sign On via Smartphone),

Terminabstimmung mit Kommilitonen per Handy. Weiterhin wurde eine App

für die Kleingruppen-Bildung mit NFC Handys entwickelt. Diese erlaubt es in

dezentraler Weise Kleingruppen (Lerngruppen) beizutreten und die wichtigen

Daten (Name, Telefonnummer, Email-Adresse) durch bloßes kontaktloses An-

einanderhalten der Smartphones auszutauschen. Der Dozent bekommt ab-

schließend eine Liste mit den Kleingruppen und Teilnehmern.

Dieser Beitrag gibt einen ausführlichen Eindruck der Neuentwicklungen im

Projekt und dokumentiert die Evaluation.

iPhones und Pads zur Unterstützung der Lehre Der Siegeszug der Smartphones [Gartner] [AndroLib] [Com] und Pads ist

kaum noch aufzuhalten. Die Notebook-Verkäufe haben die von stationären

PCs längst überholt, Tabletts boomen und Smartphones überholen alle: Vorhe-

riges Jahr wurden erstmals weltweit mehr Smartphones verkauft als Note-

books, Desktop-PCs, Tabletts und Netbooks zusammen (!). Dieses ist ein

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iStudent

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Zeitpunkt, um erneut darüber nachzudenken, ob und wie der aktuell verfüg-

bare Gerätepark auch Studierende, Dozenten und Mitarbeiter der Forschung

und Verwaltung in besonderer Weise unterstützen kann. Außer neuen Forma-

ten, Gewichtsklassen und Rechenleistungen weisen aktuelle Modelle aber auch

technologisch etliche Neuerungen auf:

Tabelle 1: Innovation aktueller Technologie (2012)

Technologie Genereller Nutzen Nutzen in der Lehre

1 Format Smartphone

Sehr lange Betriebszeit, Touchscren, intuitive Eingabe

Jederzeit mobil nutzbar, Campus Management Systems

2 Format Pad (Tablett)

Lange Betriebszeit, Touchscren, großer Bildschirm

Speziell Anwendungen nutzbar

3 Beschleunigungs-Sensoren

Intuitive Bedienung Speziell Anwendungen nuzbar

4 NFC (Near Field Communication)

Sichere Kommunikation über eine kurze Distanz (Bezahlfunktionen, Zugangskontrolle,..)

1. Austausch von Personeninformation

2. Zeitlich befristete Zugangsberechtigung zu Räumlichkeiten

3. Identifikation für z.B. Buchausleihe

4. Bezahlfunktion für Mensa und Cafeteria

5 Integration in Cloud Computing Infrastruktur

Ablage von Daten in zentralen Server-Farmen, transparente Nutzung von Compute-Servern

Jederzeit Zugriff auf umfangreiche persönliche Datenbestände.

Nutzung von Web-basierten Anwendungen.

6 Netzwerkzugang via WLAN, UMTS und LTE

Breitband-Netzwerkzugang über verschiedene Infrastruktuen

Da Eduroam an nahezu allen deutschen Hochschulen verfügbar ist, sind aktuelle Geräte permanent und überwiegend kostenfrei vernetzt.

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Gerrit Kalkbrenner, Timo Lotze, Oliver Neugebauer

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Bei jeder neu eingeführten Technologie ist der manisch-depressive Zyklus zu

beobachten. Zunächst werden hohe Erwartungen an eine neue Technologie

insbesondere in Hinblick auf ihre Nutzbarkeit für die Lehre gestellt. Die nach-

folgende depressive Phase evolviert die Mehrwerte der jeweiligen Entwicklun-

gen. Tabelle 1 zeigt aktuelle Innovationen von IT-Produkten. Insbesondere

NFC (Near Fild Communication) bietet viel Potenzial etliche Prozesse auf dem

Campus zu vereinfachen. Daher wurde in den aktuellen Entwicklungen hie-

rauf eine gewisse Wichtigkeit gelegt. Ein Problem ist der geringe Verbreitungs-

grad von NFC-fähigen Handys in Deutschland. In Korea z.B. sind bereits NFC-

basierte Bezahlsysteme üblich. Deutschland hat hier einen gewissen Nachhol-

bedarf. Die Hoffnung liegt auf den Studierenden, die als überwiegend technik-

affine Gruppe eine andere Herangehensweise innehat, als etwa Ältere.

Abbildung 1: NFC Smartphone für Türöffnung

EU-Programm Smart Cities Die Möglichkeit zu diesem Projekt gibt eine EU-Förderung im Rahmen des EU-

Rahmenprogrammes Smart Cities. Hierbei werden Vorhaben finanziert, die

das Leben in Städten durch Technologie attraktiver machen sollen [Smart Ci-

ties]. Das Vorhaben erstreckt sich auf die Bereiche Smart Economy, Smart Mo-

bility, Smart Environment, Smart People, Smart Living und Smart Governance.

Projekte wurden in einer harten Wettbewerbsphase ausgewählt, lediglich mit

50% und nur über 2 Jahre gefördert. Hier unterscheidet sich das EU-

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Förderinstrument von der bisherigen Praxis, da hier weniger Forschung son-

dern konkrete Lösungen gefördert werden.

Projektpartner Eingebettet in etliche Smart City Projekte besteht das People-Projekt aus fol-

genden Partnerprojekten:

Tabelle 2: Projektpartner

In jedem Pilotprojekt werden unabhängig Dienste für einen speziellen Bereich

exemplarisch entwickelt und erprobt, die dann anderen vergleichbaren Ein-

richtungen zugute kommen können. Es wird explizit nach Synergien gesucht.

Von zentraler Bedeutung ist die Schwerpunktsetzung auf das Open Innovati-

on-Konzept.

Konzept: Open Innovation Im Gegensatz zu anderen Projekten, die ein Wasserfall-Modell verfolgen, wird

hier ein Open Innovation Prozess angestrebt. Der Begriff Open Innovation ist

zurückzuführen auf Henry Chesbrough (Haas School of Business/University of

California, Berkeley) [Chesbrough 2003]. Open Innovation bezeichnet die Öff-

nung des Innovationsprozesses von Organisationen und damit die aktive stra-

tegische Nutzung der Außenwelt zur Vergrößerung des Innovationspotenzials.

Das Open Innovation-Konzept beschreibt die zweckmäßige Nutzung von in

das Unternehmen ein- und ausdringendem Wissen, unter Anwendung interner

und externer Vermarktungswege, um Innovationen zu generieren. Von zentra-

ler Bedeutung sind der Outside-In-Prozess und der Inside-Out-Prozess. Hierbei

wird Wissen und Erfahrung der Community abgefragt und genutzt. Ergebnisse

Land Stadt Einrichtung Vorhaben

1 Spanien Bilbao Anova IT Consulting, S.L. 3D Walking Tour, Allergieinformationssystem

2 Frankreich Paris EADS Bürgerportal, Verkehrsportal

3 Griechenland Thermi Logotech Parkleitsystem, Tourismus, Luftverschmutzung

4 Deutschland Bremen Uni Bremen, BIBA, TZI Smart Campus

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Gerrit Kalkbrenner, Timo Lotze, Oliver Neugebauer

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wiederum kommen direkt der Community zugute. Das Konzept geht von ca.

halbjährlichen Innovationszyklen aus, in denen Versionen herausgebracht

werden, von Nutzern getestet (Living Lab) und mit den Ergebnissen der Nut-

zerstudien weiterentwickelt werden.

Das Bremer Vorhaben Der Bremer Part fokussiert den Universitäts-Campus. Die inzwischen gute

Verfügbarkeit von Smartphones unter den Studierenden führt zu mehrwert-

trächtigen Erweiterungen der existierenden Festnetzinfrastruktur. Die kon-

zeptgemäße unmittelbare Einbeziehung der Bremer Studierenden führt zu

folgender Projektstruktur:

Abbildung 2: Bremer Projektstruktur

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Entsprechend der vorgesehenen Innovationszyklen kristallisierten sich in Um-

fragen und Interviews mit den späteren Nutzern folgende Dienste als techno-

logisch machbar (aktuelle Technologie) und sinnvoll (wünschenswert) heraus:

Tabelle 3: An der Universität Bremen entwickelte Dienste

Ein ausgewählter Dienst wird anschließend genauer vorgestellt. Über weitere

Dienste wird später getrennt berichtet.

Bildung und Verwaltung von Kleingruppen mit NFC Handys Studierende arbeiten oft in Lerngruppen. Dabei ist die Gruppenbildung oft ein

Problem, welches sich über die ersten Wochen eines Semesters hinziehen kann.

Ein App, das die Gruppenbildung erleichtert, kann diese Vorgänge vereinfa-

chen.

Die Kommunikation mit anderen Kursteilnehmern ist nicht mehr von einer

örtlichen Nähe abhängig und die Suche nach potentiellen Gruppenmitgliedern

kann beschleunigt werden. Zielsetzung der Arbeit ist die Suche nach einer

sinnvollen Möglichkeit für die Entwicklung und Umsetzung einer dezentralen

Lösung für eine Gruppenverwaltungs-App. Hierbei soll möglichst komplett

auf eine zentralisierte Server-Client-Architektur verzichtet werden.

Im Mittelpunkt stehen dabei die Analyse der Machbarkeit und die Entwick-

lung eines entsprechenden Konzepts zur Umsetzung. Ziel ist die prototypische

Implementierung dieser App für Android Smartphones. Dies soll auf der Basis

von E-Mail und Near Field Communication (NFC) geschehen. E-Mail wird

Dienst

1 App für den Zugriff auf Stud.IP (Lehrveranstaltungsverwaltungssystem) für Nachrichten, Räume, Treffen

2 Studiums-Planer auf dem Smartphone

3 Handybasiertes Zugangssystem für Räume

4 Handybasiertes Zugangssystem zu PCs (Single Sign On via Smartphone)

5 Terminabstimmung mit Kommilitonen per Handy

6 Bildung und Verwaltung von Kleingruppen mit NFC Smartphones

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Gerrit Kalkbrenner, Timo Lotze, Oliver Neugebauer

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hierbei zur Kommunikation, Synchronisation und Datenübermittlung einge-

setzt. NFC wird für die Übermittlung einzelner Datensätze benutzt.

Die Gruppenveraltungs-App soll dazu dienen studentische Arbeitsgruppen zu

organisieren und zu verwalten sowie Kommunikation und Informationsaus-

tausch zwischen den Gruppenmitgliedern zu erleichtern.

NFC Für die Datenübertragung auf kurze Distanz wurde in diesem Projekt NFC

[Langer10] verwendet. NFC arbeitet vergleichbar zu RFID. Über eine kurze

Distanz kann ein Smartphone im Active Mode ein RFID oder ein anderes

Smartphone im Passive-Mode abfragen. Ab Android 4.0 gibt es ein neues API,

das den bidirektionalen Datenaustausch zwischen zwei Smartphones wesent-

lich vereinfacht. Vorgesehen sind auch NFC-SIM-Karten, die für die Verschlüs-

selung der Datenübertragung zuständig sind.

Dezentrale und serverlose Architektur Von großer Bedeutung ist der vollständige Verzicht auf einen zentralen Server.

Ein Ergebnis aus früheren Projekten ist die Erkenntnis, dass es an Hochschulen

kaum möglich ist spezielle Server (nicht Email und WEB) und über einen län-

geren Zeitraum kostenfrei und zuverlässig zu betreiben.

Daher wird hier der Ansatz verfolgt vollständig auf spezielle Infrastruktur zu

verzichten. Abgesehen von WLAN (WiFi, EDUROAM) oder UMTS sowie all-

gemeine Server für die Kommunikation von Email wird keinerlei Infrastruktur

verwendet. Die Speicherung aller Daten erfolgt dezentral auf den Smartphones

der Teilnehmer sowie des Dozenten. Durch die Wahl der Architektur entstehen

Konsistenzprobleme, die durch entsprechende Maßnahmen gelöst werden.

Technisch wird für jede Lerngruppe ein „Sprecher“ (Head) ausgewürfelt, der

alle Gruppenmitglieder jeweils über Änderungen informiert. Der hierdurch

entstehende Kommunikationsaufwand ist vertretbar.

Den Richtlinien zum Schutz persönlicher Daten entsprechend wird lediglich

Name, E-Mail-Adresse und Telefonnummer nach Freigabe den Teilnehmern

der Gruppe und dem Dozenten kommuniziert.

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Nutzung der App Die App wird wie folgt verwendet:

Tabelle 4: Reihenfolge Gruppenverwaltung

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Gerrit Kalkbrenner, Timo Lotze, Oliver Neugebauer

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Abbildung 3: Beispiele von Bildschirmen der dezentralen Gruppenverwaltungs-App

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Folgende Graphik dokumentiert einige Kommunkationsvorgänge zwischen

den Teilnehmern (Abbildung 4). Ersichtlich ist, dass die Konsistenzprobleme

durch zusätzliche Kommunikation (Sync-Nachrichten) gelöst werden.

Abbildung 4: Kommunikation zwischen Teilnehmern

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Gerrit Kalkbrenner, Timo Lotze, Oliver Neugebauer

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Fazit Die Ergebnisse nach dem ersten Innovationszyklus sind vielversprechend.

Aktuell werden die entwickelten Dienste mit Probanden evaluiert. Interviews

halten Wünsche, Erwartungen und Nutzungsweisen fest. Der nächste Innova-

tionszyklus wird identifizierte Funktionen implementieren.

Das Open Innovation-Konzept scheint aufzugehen. Es formiert sich eine dau-

erhaft schlagkräftige Gruppe, die auch später unabhängig von EU-

Fördergeldern Dienste weiterentwickelt und ausbaut. Alle wichtigen Einrich-

tungen der Universität Bremen (ZfN-Zentrum für Netze, ZMML-Zentrum für

Multimedia in der Lehre, Studentenwerk, Bibliothek, Fachbereiche) sind invol-

viert. Diesen sei für Ihre Mitarbeit hiermit gedankt.

Referenzen [AndroLib] AndroLib: Statistics. Aktuelle inozielle Android Market Statistiken

von AndroLib. http://www.androlib.com/appstats.aspx., abgerufen 4.1.2012.

[Chesbrough 2003] Chesbrough, H.W. (2003): Open Innovation: The new im-

perative for creating and profiting from technology, Boston: Harvard Business

School Press.

[Com] comScore http://www.techbanger.de/2011/01/15/ 23-prozent-

smartphone-nutzer-in-deutschland/. abgerufen: 4.1.2012.

[Gartner] Gartner, Inc. Gartner Says Sales of Mobile Devices Grew 5.6 Percent

in Third Quarter of 2011 - Smartphone Sales Increased 42 Percent.

http://www.gartner.com/it/page.jsp?id=1848514. abgerufen: 3.1.2012.

[Langer10] Michael Langer, Dr. Josef und Roland. Anwendungen und Technik

von Near Field Communication(NFC). Springer-Verlag, Berlin, 2010.

[Smart Cities] http://www.smart-cities.eu/, abgerufen 8.3.12.

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iStudent

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Vita Gerrit Kalkbrenner ist derzeit Mitarbeiter am Technischen Zentrum Informatik

(TZI), Fachgruppe AGKI /Wearables der Universität Bremen. Dort bearbeitet er

in erster Linie Forschungsprojekte im Bereich Wearables und Medien. Er pro-

movierte 1996 zum Thema Computergestütztes Lernen und Teledienste. 2002

habilitierte er zum Thema Virtuelle Universität und Medien. 2008 erhielt er

einen Ruf an die Deutsche Universität Cairo. Ein wichtiger Arbeitsschwer-

punkt liegt im Bereich der Verbesserung der Lehre durch technologische Ent-

wicklungen.

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Schule 2.0: E-Learning in Action!?

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Michael Wilmes: Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft Berlin,

[email protected]

Peter Ganten: Univention GmbH, [email protected]

Verlässliche IT-Infrastruktur für die Anforderungen schulischer IT von morgen

Zusammenfassung Grundlage für den erfolgreichen Einsatz digitaler Medien in Schulen ist eine

leistungsfähige, robuste IT-Infrastruktur, die für alle Beteiligten beherrschbar

sein und gleichzeitig ein hohes Maß an Flexibilität aufweisen muss. Schulen

haben hier nur selten eine Vorreiterrolle eingenommen, was zu Frustration und

damit zur Verhinderung eines breiten, zielführenden Einsatzes digitaler Medi-

en geführt hat.

Eine solche robuste infrastrukturelle Grundlage – die durch gegenwärtig häu-

fig vordergründig diskutierte Versprechungen von reinen Weblösungen oder

Cloudcomputing keinesfalls überflüssig wird – fehlt als tatsächlich flächende-

ckende Lösung nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen Bundesländern.

Im Rahmen des Projektes "eGovernment@School" implementiert die Berliner

Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft eine zentral admi-

nistrierte IT-Infrastruktur zunächst für die Verwaltungen der Berliner Schulen.

In Modellprojekten werden darüber hinaus Lösungen für den schulpädagogi-

schen Bereich erprobt, die in der Infrastruktur bereits integriert sind. Strate-

gisch bestimmte Kennzeichen dieser Infrastruktur sind ein hohes Maß an In-

tegration der eingesetzten Komponenten miteinander, die Verwendung

erprobter und mit Herstellerhaftung und -support versehener Open Source

Software sowie die sorgfältige Abwägung der Vorteile zentraler Steuerung mit

den Anforderungen an Flexibilität vor Ort und Autonomie von Schulen.

Die damit verbundenen Aufgaben reichen von Auswahl, Beschaffung und

Integration von Hardware, Netzen und Software, über die Einführung eines

zentralen Identitymanagementsystems zur Integration zentraler oder externer

Dienste bis hin zur Datenaufbereitung, um Politik und anderen Bedarfsträgern

gesicherte Entscheidungsgrundlagen zu liefern. Eine weitere wichtige Aufgabe

ist die Entwicklung eines den Ansprüchen von Schulen gerecht werdenden

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Michael Wilmes, Peter Ganten

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Supportkonzeptes. Mit der derzeit laufenden Implementierung dieser Lösung

an den Berliner Schulen wird nicht nur die Grundlage für einen modernen und

effizienten IT-Betrieb an Schulen gelegt. Vielmehr werden dadurch die Grund-

lagen gelegt für die kontrollierte und wirtschaftliche Verwendung neuer An-

sätze wie die Integration Cloud-, bzw. Web 2.0-basierter Anwendungen in

Unterricht und Verwaltung sowie die Verwendung mobiler Geräte, die sich

auch im Besitz von Schülern oder Lehrern befinden können.

Die gesammelten Erfahrungen der Umsetzung des Projektkonzepts ermögli-

chen Lessons Learned und erlauben Ausblicke auf notwendige nächste Schrit-

ten und Überlegungen für die mittelfristige Zukunft des Themas schulische IT-

Infrastruktur, die über den Berliner Projektrahmen hinausreichen.

Die Schulische IT von morgen im Zeitalter des eGovernment Vorbemerkung Die folgenden Ausführungen basieren auf Grundlagen, die durch eine enge

Zusammenarbeit zwischen dem Berliner Senat, dem Land Bremen und dem

Lösungsanbieter Univention als „Work in Progress“ einer kontinuierlichen

Anpassung und Weiterentwicklung unterliegen. Zu verweisen ist insbesondere

auf das Whitepaper „Gemeinsames Arbeitspapier Verlässliche IT-Infrastruktur

für Schulen“ der Senatorin für Bildung und Wissenschaft in Bremen, der Se-

natsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung in Berlin und der

Univention GmbH vom 22.9.2010 sowie auf Einzelbeiträge der Autoren (siehe

Referenzen). Auf Einzelverweise im Text wurde verzichtet.

Das Projekt eGovernment@School Berlin In Berlin wird durch die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und For-

schung seit 2008 ein Projekt „eGovernment@School“ durchgeführt, das erstma-

lig den Rahmen für eine ganzheitliche Strategie der Informationstechnik (IT)

im Berliner Schulsystem schafft. Hintergrund ist die stetig zunehmende Bedeu-

tung moderner Informationstechnologien im Schulbereich, wobei verschiedene

Handlungsfelder gleichzeitig berührt sind:

eEducation: Der Trend zur Nutzung neuer Medien und IT-gestütztem

Unterricht ist ungebrochen und führt zu einem Grundanspruch auf eine

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Verlässliche IT-Infrastruktur

250

stetige Verfügbarkeit von entsprechenden Infrastrukturen und Systemen

im Schulalltag und auch ortsungebunden.

eServices&Communication: Im Zuge des Internetbooms steigen die Erwar-

tungen von Eltern und Schülern, aber z. B. auch von Bewerbern (Lehr-

amtsanwärtern etc.) und Öffentlichkeit an die Bereitstellung von allgegen-

wärtigen Online-Dienstleistungen und Kommunikationsumgebungen

auch im Schulbereich deutlich an.

eEvaluation: Die nicht zuletzt infolge der PISA-Diskussion deutliche Zu-

nahme an Daten und Informationsbedarf zur Qualitätssicherung und Eva-

luation bis hin zur „Verbraucherinformation“ über Schulen im Internet ist

ohne entsprechende IT-Lösungen kaum angemessen zu bewältigen.

eAdministration: Zur Verwaltung und Steuerung von Schule vor Ort aber

auch ganzen landesweiten Schulsystemen werden moderne, vernetzte und

funktional ausgebaute IT-Verfahren zur Ressourcensteuerung und Digita-

lisierung des Backoffice benötigt, wobei auch hier mobile Verfügbarkeit

der Systeme erwartet wird.

Neben den sich hier für die Akteure im Schulsystem ergebenden funktionalen

Möglichkeiten und Potenzialen der neuen Technologien ist ein zentraler As-

pekt ihrer Nutzbarmachung die „Vernetzung“ der IT-Systeme und Infrastruk-

turen. Anwender erwarten heute – häufig bereits geprägt durch private Nut-

zungsgewohnheiten - einen möglichst einfachen Zugriff auf verschiedene

Systeme und Datenbestände von einer Stelle aus z.B. in Form von Web-

Portalen. Im Hintergrund erfordert diese Vernetzung für die IT einen erhebli-

chen technisch-organisatorischen Koordinierungs- und Bereitstellungsauf-

wand. Der Siegeszug des Internets führt darüber hinaus auch dazu, dass die

Grenzen zwischen privater, öffentlicher und beruflicher Nutzung der neuen

Technologien verwischen. Fragen des Datenschutzes und der IT-Sicherheit

stehen deshalb ebenfalls im Raum und führen zu einer potenziellen Verunsi-

cherung der Beteiligten, wenn beispielsweise Lehrkräfte ihren Heimarbeits-

platz oder mobile Geräte sowohl für berufliche als auch für private Zwecke

nutzen wollen.

Ausgangsituation Bereits mit längerem Vorlauf wurde in Berlin die Nutzung neuer Medien und

Technologien für den Unterricht systematisch verfolgt und gefördert. Seit 2005

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Michael Wilmes, Peter Ganten

251

wurden die diesbezüglichen Maßnahmen in einem eEducation Masterplan

zusammengeführt. Der Masterplan setzte einen eindeutigen Schwerpunkt auf

die didaktische, lehr- und lernbezogene IT- und Mediennutzung, hatte aber

den Bereich der systematischen Bereitstellung einer geeigneten und standardi-

sierten IT-Infrastruktur bereits initial mit einbezogen. Zu nennen ist hier insbe-

sondere ein heute an mehr als 400 Schulen installierter standardisierter Schul-

server für den pädagogischen Bereich. Hinzu kommen zentral und

standardisiert beschaffte Ausstattungen mit PCs, Notebooks oder aktuell auch

Interactive Whiteboards. Zur berlinweiten professionellen Verankerung des

Masterplans im Schulsystem wurde eine Steuerungs-Struktur etabliert, die

unter zentraler Leitung durch die Senatsverwaltung sogenannte IT-

Regionalbetreuer für die zwölf Berliner Bezirke umfasste, die wiederum über

sogenannte IT-Betreuer in jeder Schule eine Gesamtkoordination der Umset-

zung des Masterplans unterstützten. Hierfür wurden Lehrerinnen und Lehrer

mit einer entsprechenden Stundenermäßigung eingesetzt. Ergänzt werden

diese Maßnahmen durch Leitprojekte, in denen z.B. Lernmanagementsysteme

wie Moodle mit zenraler Unterstützung genutzt werden können und die sich

auch auf die Bereitstellung von Content beziehen. Ein darauf abgestimmtes

Fortbildungsprogramm sichert den Kompetenzaufbau der Lehrkräfte ab.

Die Implementierung des Masterplans beruht steuerungssystematisch auf einer

„indirekt-spezifischen Anreizsteuerung“, indem für vorgegebene Themen und

Bereiche Mittel zur Finanzierung oder auch Co-Finanzierung bereitgestellt

wurden und eine Diffusion der Technologieaneignung im Zeitverlauf unter-

stützen. Die Ausrichtung auf die Bewilligung von entsprechenden Mitteln im

Rahmen einer Förderstrategie für schulische Initiativen und Projekte hatte den

Effekt, dass die Eigeninitiative und die jeweiligen Bedarfe, Ausgangsqualifika-

tionen und Bedürfnisse der Schulen vor Ort einen relevanten Einfluß für die

Einführung und Nutzung von IT im Schulalltag hatten, wobei die Qualifizie-

rung und Absicherung der lehrbezogenen IT im Unterrichtsgeschehen im Vor-

dergrund steht (siehe Beitrag von Nikolai Neufert in diesem Band). Die Förde-

rung ist an eine Selbstverpflichtung der Schulen geknüpft, die

Qualitätsansprüche des Masterplans zu erfüllen.

Einordnung im Gesamtrahmen Im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Infrastrukturen in der Fläche

und im Sinne eines „Grundanspruchs an Verfügbarkeit“ im gesamten Schul-

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Verlässliche IT-Infrastruktur

252

system, wie sie im Bereich der Schulverwaltung unumgänglich ist, stellte sich

die Fragen nach einer Gesamtbewertung der schulischen IT-Nutzung, die über

den Bereich eEducation in bisherigem Verständnis hinausgehen. Zur Vorberei-

tung des inhaltlich weiter gefassten Projekts eGovernment@School und einer

einheitlichen betriebenen IT-Architektur wurde in den Jahren 2008/2009 zu-

nächst sowohl in den Schulen als auch in den Abteilungen der Schulverwal-

tung auf der Grundlage vorliegender Informationen und Befragungen eine

Grundbewertung zum Status Quo der IT-Nutzung und Steuerung vorgenom-

men. Hierbei wurden die eingangs genannten vier „e´s“ insgesamt betrachtet.

Im Ergebnis musste eine Unterversorgung mit modernen Technologien sowohl

in der „Tiefe“ im Sinne der Vielfalt und Komplexität von IT-Funktionen als

auch in der Breite im Sinne der flächendeckenden Versorgung mit integrierten

Basisfunktionen konstatiert werden: Während größere Schulen zum Teil bereits

über ausgefeilte IT-Systeme für ihren Verwaltungsbereich, Websites, Online-

zugriffe für Lehrkräfte, Schüler/innen und auch Eltern etc. verfügten, war ein

erheblicher Teil insbesondere der kleineren Schulen noch nicht mit solchen

modernen IT-Systemen ausgestattet. Neben der Schulgröße hatte auch die in-

dividuelle Affinität von Schulleitungen oder engagierten Lehrkräften Einfluss

auf die IT-Versorgung der Schulen.

Bereitstellung, Betrieb und Administration von IT-Infrastruktur und -Anwen-

dungen in Schulen lagen häufig im direkten Verantwortungsbereich der Schu-

len selbst, insbesondere wenn nicht Teilentlastungen durch Förderprogramme

wie den eEducation-Masterplan eingetreten waren. Diese Schulen müssen

eigene Ressourcen (Personal, Geld und Zeit) aufwenden, um Netzwerke, Si-

cherheits- und Berechtigungskonzepte zu realisieren und um Computer und

Software anzuschaffen und diese zu installieren und zu administrieren. Die

primären Folgen davon sind, dass Lehrdeputate nicht vollständig für den Un-

terricht verwendet werden können, weil Lehrer Zeitbudgets für diese Aufga-

ben benötigen oder – im Falle des Einsatzes externen Supports – dass die ohne-

hin knappen finanziellen Ressourcen solcher Schulen in einem zu hohen Maße

belastet werden.

Während diese Primärfolgen durch die (häufig durch Förderprogramme nur

temporär ermöglichte) Aufstockung von Zeit- und Finanzbudgets noch lösbar

erscheinen könnten, führt die stark individualisierte Verantwortung der Schu-

len für die dort eingesetzte Informationstechnologie zu einer Reihe von weit-

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Michael Wilmes, Peter Ganten

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reichenden sekundären Problemen, insbesondere wenn der Gesamtrahmen

von eGovernment@School in Betracht gezogen wird:

Gerade kleinere Schulen verfügen nur in Ausnahmefällen über das für den

sicheren, effizienten und zuverlässigen Betrieb von IT-Infrastruktur not-

wendige Fachwissen. Auch verfügen sie nicht über die notwendigen Res-

sourcen, dieses Wissen dauerhaft aktuell und verfügbar zu halten oder um

externe Dienstleister effizient zu steuern. Die Folgen davon sind wenig ef-

fiziente, unzuverlässige und oft auch unsichere schulische IT-Umge-

bungen, die nur von wenigen „Experten“ bedient werden können und von

vielen Lehrerinnen und Lehrern wegen ihrer zunehmenden Komplexität

eher gemieden werden. Als weitere Folge von Kompetenz- und Ressour-

cenmangel existieren in vielen Fällen Sicherheits- und Datenschutzproble-

me etwa im Zusammenhang mit der eigenständigen Bereitstellung von

Diensten im Internet durch Schulen.

Eigenständig von Schulen realisierte Lösungen führen zu hochgradig indi-

vidualisierten IT-Infrastrukturen für den Schulbetrieb; jede Schule benutzt

für Standardproblemstellungen individuelle Lösungen, dies erschwert die

Einarbeitung von Lehrern, die neu an einer Schule unterrichten und macht

die Nutzung von IT-Ressourcen wie PC-Laboren durch Lehrer, die nur

vertretungsweise an einer Schule unterrichten, in vielen Fällen unmöglich.

Individuell realisierte Schul-IT-Lösungen sind im Vergleich zu Standardlö-

sungen teuer, ohne dass sie durch das Merkmal der individuellen Realisie-

rung einen zusätzlichen Mehrwert bieten. Es wird nicht effizient einge-

kauft, dieselben Probleme werden mehrfach gelöst, das heißt die ohnehin

knappen Ressourcen für Bildung werden nicht effizient eingesetzt.

In vielen Schulen können die dort realisierten Schul-IT-Umgebungen nur

durch ein hohes ehrenamtliches Engagement einzelner Lehrer, Eltern oder

Schüler sowie durch Spenden aus der lokalen Wirtschaft betrieben werden.

Dies stellt ein Risiko für einen dauerhaften und zuverlässigen Betrieb der

jeweiligen Infrastrukturen dar, weil die entsprechenden Ressourcen jeder-

zeit wegfallen können und dies im Fall von Eltern oder Schülern regelmä-

ßig mit dem Ausscheiden von Schülern tun.

Nur wenige administrative Aufgaben müssen aus pädagogischen Gründen

tatsächlich durch die Schule bzw. durch Lehrkräfte selbst übernommen

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Verlässliche IT-Infrastruktur

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werden. Zu diesen Aufgaben kann beispielsweise das Sperren einzelner

Schüler von der Nutzung des Internets, das Verteilen von digitalen Ar-

beitsinhalten und -aufgaben, die Entscheidung darüber, welche Internetin-

halte für eine Unterrichtssituation oder Schülergruppe angemessen sind

oder darüber, ob Unterrichtsergebnisse tatsächlich ausgedruckt werden

dürfen, gehören. Das Anlegen neuer Benutzer oder die Zuordnung zu

Klassen und Kursen kann automatisiert geschehen und soll keine wertvol-

len Lehrerressourcen in Anspruch nehmen.

Trotz der in Berlin durch den eEducation-Masterplan deutlich verbesserten

Situation, stehen die Schulen vor erheblichen Herausforderungen durch

die hohe Eigendynamik der aktuellen Innovationsdynamik der IT inbe-

sondere in Fragen der Konvergenz der Systeme und Mobilitätsansprüche

der Nutzer.

Grundlagen zur Erfüllung der Anforderungen an schulische IT-Infrastruktur von morgen In der Informationstechnologie gibt es zwei langanhaltende Mega-Trends, die

auch vor Schule nicht halt machen und die Art und Weise, wie wir zukünftig

mit IT arbeiten, grundlegend und nachhaltig verändern werden. Diese beiden

Trends sind die Ablösung des klassischen PC durch unterschiedliche – zum

Teil heute noch gar nicht bekannt – Geräte wie Smartphones, Tablet-PCs oder

Thin Clients sowie das Cloud-Computing.

Cloud-Computing Durch die zunehmende Verfügbarkeit von Internetverbindungen mit hohen

Bandbreiten sowie durch ein hohes Maß an Standardisierung im Bereich der

Internettechnologien sind die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, nicht

nur einzelne Anwendungen sondern ganze IT-Infrastrukturen nicht mehr dort

wo sie benötigt werden, sondern zentralisiert für eine große Zahl von Nutzern

zu betreiben. Ergebnisse wie Bildschirmanzeigen, Druckdateien oder Multime-

diainhalte werden dann über das Netz an das Endgerät geliefert und dort aus-

gegeben. Genauso werden Benutzerinteraktionen vom Endgerät entgegenge-

nommen und an die zentral betriebene Anwendung geliefert. Der Wandel zu

diesem als „Cloud-Computing“ bezeichneten Produktions- und Auslieferungs-

modell von IT wird allgemein auch als Industrialisierung von IT bezeichnet.

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Michael Wilmes, Peter Ganten

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Neben Herausforderungen insbesondere in den Bereichen Netzverfügbarkeit,

Datenschutz und Datensicherheit sowie Herstellerabhängigkeiten, bietet Cloud

Computing für Anwender erhebliche Vorteile:

Ein hoher Standardisierungsgrad, bessere Hardwareausnutzung und ins-

besondere Skaleneffekte ermöglichen eine deutlich wirtschaftlichere Be-

reitstellung von IT.

Gerade im Vergleich zur Produktion von IT in sehr kleinen Einheiten wie

in Schulen ermöglicht Cloud-Computing eine deutlich höhere Qualität,

weil die Produktion so erfolgt, wie sie nur beim Betrieb großer Rechnen-

zentren möglich ist.

Schließlich ermöglicht Cloud-Computing die verbrauchsbezogene Abrech-

nung von Leistungen. Anwender müssen nicht mehr in Hardware, Soft-

ware oder Personal investieren und das Risiko erfolgreichen Betriebs tra-

gen sondern zahlen nur für die von ihnen genutzten Leistungen.

Das Ende der PC-Ära Die zunehmende Verbreitung von Smartphones, Tablets und anderen Endgerä-

ten, die hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit vielen PCs nicht mehr nachstehen,

aber jederzeit verfügbar sind, der zeitgleich zunehmende Anteil von Anwen-

dungen, die nicht mehr auf einem PC installiert, sondern lediglich mit Hilfe

eines Webbrowsers aufgerufen werden, führt mittelfristig dazu, dass der klas-

sische (Microsoft Windows basierte) PC, der heute das dominierende Endgerät

ist, seine Bedeutung verlieren und durch eine Vielzahl unterschiedlicher Geräte

mit unterschiedlichen Betriebssystemen und Softwareausstattungen abgelöst

werden wird. Dabei gibt es eine schon heute sichtbare Selbstverstärkung dieses

Trends: Weil immer mehr Nutzer beispielsweise mit iPads oder Android-

basierten Geräten auf Anwendungen und Daten zugreifen, setzen Anwen-

dungshersteller zunehmend auf plattformunabhängige Bereitstellungstechno-

logien wie HTML5, was die Bedeutung des Windows-PCs weiter herabsetzt

und zu einer zusätzlichen Diversifizierung der Endgerätelandschaft bei gleich-

zeitiger Standardisierung der Bereitstellungswege für Anwendungen führen

wird.

Konsequenzen Für die Zukunft kann deswegen erwartet werden, dass Anwender – unabhän-

gig davon, ob es sich dabei um Lehrer, Verwaltungsmitarbeiter, Schüler oder

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Verlässliche IT-Infrastruktur

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Eltern handelt – auf die für sie wichtigen Anwendungen und Daten jederzeit,

von jedem Ort und jedem Gerät aus zugreifen und damit arbeiten können wol-

len. In einer Welt, in der dies insbesondere mit allen Endverbraucher- und

vielen eGovernment-orientierten Anwendungen möglich ist, werden Lehrer

und Schüler zu Recht nicht mehr akzeptieren, in der Schule auf den jederzeit

möglichen Zugriff auf Wissen zu verzichten und Anwendungen nur deswegen

nicht benutzen zu können, weil sie auf einem PC gerade nicht installiert sind

oder Daten sich in einem nicht erreichbaren Netzwerk befinden.

Eine verlässliche IT-Infrastruktur, die schulische Anforderungen an IT von

morgen erfüllen will, muss sich diesem Paradigmenwechsel stellen und die

Voraussetzungen dafür schaffen. Gleichzeitig soll sie die Handlungs- und Ent-

scheidungsfähigkeit von Schulen nicht unnötig einschränken und muss insbe-

sondere die im Bereich von Datenschutz und Herstellerabhängigkeiten liegen-

den Herausforderungen von Cloud-Computing adressieren.

Notwendig ist deswegen zunächst eine verlässliche, zentral verwaltete und

sichere Netzwerkinfrastruktur mit zeitgemäßen Bandbreiten zu allen Schulen,

um den Zugriff auf Ressourcen im Internet, auf zentral betriebene Anwendun-

gen oder Cloud-basierte Dienste überhaupt zuverlässig zu ermöglichen. Not-

wendig ist aber auch ein verlässliches „Ende“ dieser Infrastruktur in den Schu-

len, das ihnen den Betrieb nicht nur von Anmeldediensten, Datenablagen oder

Druckern unabhängig von zentralen Diensten, sondern auch die Zwischen-

speicherung bandbreitenintensiver Inhalte ermöglicht, wie sie beispielsweise

bei der Verteilung von Software oder der Darstellung von Multimediainhalten

anfallen.

Eine wesentliche Voraussetzung für den sicheren Betrieb von zentralen An-

wendungen oder Cloud-Diensten sowie für die Kontrolle des Zugriffes darauf

und die Abrechnung ist außerdem ein schulübergreifendes Identitymanage-

mentsystem. Schon ein zentral betriebener E-Mailserver macht es erforderlich,

dass dieser Zugangsinformationen der zugreifenden Benutzer überprüfen

kann. Und insbesondere bei von externer Seite angebotenen Anwendungen

wird sich die Abrechnung ggf. danach richten, wieviele Benutzer wie lange mit

den entsprechenden Anwendungen arbeiten, so dass hier ein Zuordnung zu

den entsprechenden Schulen notwendig wird.

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Michael Wilmes, Peter Ganten

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Bemerkungen zur Architektur der IT-Infrastruktur für die Berliner Schulen Aus den beschriebenen Anforderungen ergeben sich die folgenden Eckpunkte

für die Architektur der zurzeit im Roll-Out befindlichen IT-Infrastruktur, die

als Ausgangspunkt für die Integration weiterer Bereiche dienen kann:

1. Im Mittelpunkt der Lösung stehen zentrale Benutzerdatenbanken. Diese

werden mit einem Verzeichnisdienst realisiert und enthalten im wesentli-

chen die für Identifikation, Authentifizierung und Autorisierung von Be-

nutzern benötigten Informationen sowie Informationen zur Zuordnung

dieser Personen zu Gruppen und Rollen. Dadurch wird ein Konzept reali-

siert, welches bestimmte Rollen (Gast, Schüler, Lehrer, Schuladministrator,

Administrator etc.) bereits definiert und einfach erweiterbar ist.

2. Zentral im Bereich der Senatsverwaltung ist eine Infrastruktur bestehend

aus Verzeichnisdienst und zentral bereitgestellten Anwendungen (im

Schulverwaltungsbereich beispielsweise die Schulverwaltungssoftware

und im edukativen Bereich perspektivisch zentrale Dienste wie Lernporta-

le) realisiert.

3. Die sichere Kommunikation von Systemen, Diensten und Anwendungen

mit dem Verzeichnisdienst erfolgt zertifikatsbasiert. Hierzu wird eine ei-

gene - über den Verzeichnisdienst gesteuerte - Public-Key-Infrastructure

(PKI) realisiert. Daneben werden jedoch auch Sicherheitskontexte mit ei-

nem geringeren Sicherheitsniveau unterstützt. Dies wird durch selektive

Replikation dafür geeigneter Datenteilmengen auf weitere Verzeichnis-

dienstserver, die nur einen lesenden Datenzugriff ermöglichen, realisiert.

Solche Sicherheitskontexte können beispielsweise dem mobilen Zugriff auf

Lerninhalte aus dem Internet dienen.

4. Für die Bereitstellung schulspezifischer Dienste und Daten werden Schul-

server realisiert. Diese befinden sich entweder in den Räumen der betref-

fenden Schule selbst oder in einem Rechenzentrum und können als physi-

kalische oder virtuelle Server realisiert sein. Die Schulserver erhalten

ebenfalls durch selektive Replikation die für die betreffende Schule rele-

vante Teilmenge der Benutzerdaten aus dem Verzeichnisdienst (beispiels-

weise also nur die Benutzerdaten der an der betreffenden Schule angemel-

deten Benutzer). Sie sind damit unabhängig von der Erreichbarkeit des

zentralen Verzeichnisdienstes voll funktionsfähig und sichern durch die

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Verlässliche IT-Infrastruktur

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Möglichkeit der lokalen Datenablage das Selbstbestimmungsrecht der

Schulen über ihre Daten. Gleichzeitig wird über den zentralen Verzeich-

nisdienst eine logische Gesamtsicht auf alle Daten und Systeme ermöglicht.

5. System- und Infrastrukturmanagement sind eng mit der Benutzerdaten-

bank verbunden und nutzen denselben Verzeichnisdienst. Alle Systeme

und viele Dienste benutzen eigene Benutzerkonten mit denen sie sicher,

zertifikatsbasiert und authentifiziert auf die Infrastruktur zugreifen. Über

Benutzerberechtigungen wird dabei sichergestellt, dass die betreffenden

Systeme nur die für sie zugelassenen Funktionen und Daten verwenden

können. So wird beispielsweise gewährleistet, dass ein Schulserver, der ja

Teile der Benutzerdatenbank hält, nur die ihm zugeordneten Benutzerkon-

ten sehen kann, weil die Berechtigungen seines Benutzerkontos keine wei-

teren Rechte beinhalten. Im Fall einer Entwendung des betreffenden Schul-

servers werden somit keine Daten anderer Schulen entwendet.

6. Aus Sicherheitsgründen erfolgt der Zugriff auf Daten und Dienste aus dem

Internet ausschließlich über ein zentrales Gateway. Dieses Gateway ge-

währleistet einen sicheren und authentifizierten Zugriff, es ermöglicht au-

ßerdem eine schnelle und einfache Implementierung von Sicherheitspolici-

es und eine verhältnismäßig einfache Pflege dieser sicherheitskritischen

Systemkomponente. Schulen müssen sich deswegen nicht mit den stren-

gen Sicherheitsanforderungen für die Bereitstellung von Daten und Diens-

ten im Internet auseinandersetzen.

7. Ebenso soll der Zugriff aus den Schulen in das Internet über ein zentrales

Gateway erfolgen. Über dieses Gateway lassen sich grundlegende, für alle

Schulen geltende Sicherheits- und Filterregeln realisieren, an dieser Stelle

werden außerdem zentrale Viren-, Spam- und Contentfilter realisiert.

Diese Architektur bietet die Möglichkeit, auf einfache und standardisierte Wei-

se alle an Schulen benötigten Basisdienste wie beispielsweise Rechnerverwal-

tung, Softwareverteilung, Netzwerk- und IP-Management, Druckeradministra-

tion, Anmelde- und Domänendienste oder Datenablagen zentral verwaltet

bereit zu stellen. Sie stellt außerdem die sichere Plattform für den Datenaus-

tausch dar. Den Schulen kann dabei im Rahmen eines vordefinierten Rollen-

und Berechtigungskonzeptes die Möglichkeit zur Administration der für sie

relevanten System- und Benutzereigenschaften ermöglicht werden. Beispiele

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Michael Wilmes, Peter Ganten

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dafür sind das Anlegen neuer Datenfreigaben oder Drucker oder das Zurück-

setzen des Passwortes eines Benutzers.

Die Infrastruktur stellt gleichzeitig die Plattform für die Realisierung von

eGovernment-Anwendungen und weiteren schulspezifischen Applikationen

und Diensten dar, die in der Regel zentral bereitgestellt werden können. Diese

Anwendungen sind mit dem Identitymanagementsystem integriert und kön-

nen ebenfalls zentral gepflegt werden. Zu solchen Anwendungen und Diensten

gehören:

1. die Internet-Gateways mit Firewalls, Content-, Spam- und Virenfiltern

sowie ggf. Intrusion Detection

2. E-Mail- und Collaboration-Plattformen

3. Lernplattformen

4. Portale für den mobilen Zugriff auf Anwendungen und Daten sowie für

den Zugriff von zuhause.

Auswahl und Bereitstellung vieler Anwendungen kann für die Schulen Portfo-

lio-orientiert erfolgen. Das bedeutet, dass die Schulen aus einem Angebot

(Portfolio) geprüfter und standardisierter Pakete wählen können. Beispiele

dafür sind Joomla (Content-Managementsystem, beispielsweise für den Auf-

bau von Internet-Auftritten von Schulen), Mediawiki, Moodle oder ein digita-

ler Lehrerkalender.

Abschließend sei auch noch ein weiterer, häufig unterschätzter Vorteil einer

einheitlichen Plattform hervorgehoben: In Berlin ist es gelungen mit den Be-

schäftigtenvertretungen eine Dienstvereinbarung über den Aufbau von

eGovernment@School abzuschließen und auch der Datenschutzbeauftragte des

Landes ist in den Prozess eng eingebunden. Hierdurch entsteht eine völlig

neue Qualität der gemeinsamen Handlungsfähigkeit der verschiedenen Stake-

holder beim gemeinsamen Aufbau der bei der Aneignung der neuen Techno-

logien notwendigen organisatorisch-technischen Kompetenzen.

Referenzen Hinze, Ralf-Peter (Senatorin für Bildung und Wissenschaft, Bremen)/Wilmes,

Michael (Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Ber-

lin)/Ganten, Peter (Univention GmbH, Bremen): Whitepaper „Gemeinsames

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Arbeitspapier Verlässliche IT-Infrastruktur für Schulen“ Bremen und Berlin,

22.09.2010.

Wilmes, Michael: Professionalisierung im Prozess: IT-und Projektsteuerung im

Berliner Projekt eGovernment@School. In: Knoke Andreas/Durdel, Anja

(Hrsg.): Steuerung im Bildungswesen. Zur Zusammenarbeit von Ministerien,

Schulaufsicht und Schulleitungen. Wiesbaden, 2011. S. 69-78.

Vita Michael Wilmes

Leiter des IT-Kompetenzzentrums der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend

und Wissenschaft und Leiter eGovernment@School Berlin.

Zuvor nach verschiedenen Controllingfunktionen ab 2001 Führungsverantwor-

tung als Leiter des Bereichs Verwaltungs-IT an der Freien Universität Berlin;

darunter bis 2007 die Konzeption und Gesamtleitung der Einführung von SAP

R/3 und eAdministration an der Freien Universität. Schwerpunkte im Bereich

Bildungsmanagement, IT-gestützte Ressourcensteuerung und Prozessgestal-

tung. Weitere Schwerpunkte in den Bereichen IT-Governance und IT-

Controlling von Bildungsinstitutionen.

Peter Ganten

Geschäftsführer Univention GmbH

Studium der Physik und Psychologie, Mitarbeit in verschiedenen Open Source

Projekten, Gründer und Geschäftsführer der Univention GmbH, Vorstandsvor-

sitzender der Open Source Business Alliance (OSB Alliance).

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Maren Risch: medien+bildung.com, [email protected]

MyMobile – Mobiles Lernen mit dem Handy: Herausforderung und Chance für den Unterricht oder das Smartphone als „digitales Schweizer Taschenmesser“ verstehen

Zusammenfassung / Projektziele: Handys und Smartphones spielen im Alltag von Kindern und Jugendlichen

eine immer größere Rolle. Dabei ist die Funktion des Telefonierens nur eine

von vielen Nutzungsmöglichkeiten an den mobilen Geräten (siehe JIM-Studie

2011). Mit dem Einsatz des Handys in der Schule ging medien+bildung.com

das Experiment MyMobile - Handy im Unterricht ein. Ziel des Projekts ist es,

die Möglichkeiten und Einsatzbereiche für den Unterricht und das individuelle

Lernen auszuloten.

Im Zentrum des pädagogischen Ansatzes des Projekts steht die Frage, welchen

Beitrag das Handy im Hinblick auf verschiedene Aspekte des schulischen

Handelns leisten kann. Diese Aspekte sind die Integration des informellen

Lernens in den Unterricht, die Nutzung der Alltagskompetenzen der Schüler/-

innen als sog. „naive Experten“, das Einbeziehen der Handlungs- und Medien-

räume der Schülerinnen und Schüler sowie die technischen Ressourcen der

kleinen Multimedia-Geräte.

Das Projekt MyMobile hat sich das Ausleuchten von unterschiedlichen Unter-

richtssituationen vorgenommen und beschreibt didaktische Möglichkeiten bei

der Verwendung des Handys. Die technologischen Innovationen unterliegen

heute einer ständigen Veränderung und zeigen deutlich das rasante Wachstum

im Bereich Mobiles Lernen. Vermutlich wird in weiteren fünf Jahren die

Smartphone-Vollausstattung bei Schülern erreicht sein. Heute liegt sie laut JIM-

Studie 2011 des Medienpädagogischen Forschungsverbunds bei 96% für Han-

dys und 25% bei Smartphones. Die im Projekt hauptsächlich genutzten Projekt-

bzw. Schülergeräte waren mehrheitlich „Handys“ und würden bei einem jetzi-

gen Projektstart wahrscheinlich durch Smartphones abgelöst werden. Mobiles

Lernen ist dabei ein umfassender Begriff, der technisch betrachtet alle tragba-

ren Geräte mit einbezieht. Von Buch bis Tablet-PC nutzt diese Form des Ler-

nens die Möglichkeit „immer und überall“, eben mobil, auf Wissensarchive

zuzugreifen und zwar unabhängig vom Gerät (Friedrich 2012).

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MyMobile – Mobiles Lernen mit dem Handy

262

Das Projekt MyMobile hat u.a. in den Unterrichtsfächern Mathematik, Natur-

wissenschaften und Deutsch Entwicklungs- und Lernkontexte der Schüler/-

innen entdeckt und konnte damit an das Unterrichtsgeschehen andocken.

Ziel des Projekts war es, „Kommunikationsbrücken“ in die Alltagswelten zu

bauen und sinnvoll für Lernprozesse zu nutzen. Dabei beziehen sich die Ak-

teure auf das Konzept von „conversational threads“ im Sinne von Diana Lau-

rillard und die didaktischen Eckpunkte zum Mobilen Lernen nach Bachmair.

Die wissenschaftliche Betreuung erfolgte durch Prof. Ben Bachmair. Diese Zu-

sammenarbeit ermöglichte ein Projekt, in der sich Theorie und Praxis auf Au-

genhöhe begegnen und voneinander lernen konnten.

Die Umsetzung des Projektvorhabens Bereits mit dem Projekt taschenfunk hat medien+bildung.com vor allem die

kreativen Möglichkeiten des Handys in der Ganztagsschule erprobt, mit My-

Mobile hält das Handy Einzug in den Fachunterricht. Das Projekt MyMobile

sah vor, dass der Einsatz von Handys im Unterricht im Schuljahr 2009/2010 an

sechs verschiedenen Schulen erprobt und in einer Publikation dokumentiert

wurde.

Für Schüler/-innen sind Handys ein ständiger Begleiter, Kommunikationsmittel

und auch Statussymbol. Schulleitungen und Lehrkräfte empfinden das Handy

in der Schule hingegen meist als Störfaktor. Ein aktuelles Konzept von Medi-

enkompetenz muss jedoch das Thema Handy berücksichtigen und durchaus

kritisch die damit einhergehenden Probleme beleuchten. Handys sind eine Art

„Schweizer Messer“ der digitalen Medientechnik. MyMobile zielt darauf, diese

Eigenschaften als mediales Universalwerkzeug für den Fachuntericht fruchtbar

werden zu lassen. Das Projektteam konnte Lehrer/-innen dafür interessieren

und hat mehrere Partnerschulen zur Umsetzung in Rheinland-Pfalz gewinnen

können. Die Praxisaktivitäten von MyMobile starteten im September 2009 und

werden in verschiedenen Kooperationen auch nach dem Pilotprojekt fortge-

führt (www.mymobile-online.de).

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Maren Risch

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Abb. 1: Beim Betreten des Schulgeländes gelten meist „eigene Regeln“.

Mit dem Handy können sich Schülerinnen und Schüler nicht nur Handlungs-,

Lern- und Entwicklungsräume erschließen, sondern sie selber generieren und

gestalten. Wenn der Unterricht dafür offen ist, können diese Materialien an die

Lernaufgaben des Lernplans andocken. Bachmair beschreibt dieses Material als

sog. Nutzer generierten Kontext. Die Erfahrung aus MyMobile zeigen dabei

gute Ergebnisse, beispielsweise beim Bezug von Mathematik in den Lebensall-

tag. Die Schüler haben Videos zu verschiedenen Winkelgrößen gedreht und

konnten in einer späteren Unterrichtsphase das Thema „Kugelkoordinaten“

mit GPS-Aktivitäten wie Geocaching verbinden.

Abb. 2: Handy und Cache liegen bereit, um Kugelkoordinaten mit GPS-Daten sinnvoll zu

verbinden.

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MyMobile – Mobiles Lernen mit dem Handy

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Hier kann es gelingen zwischen dem informellem Alltagslernen und den schu-

lischen Lernthemen eine Verbindung herzustellen. Die einfachste Weise dafür

ist das Fotografieren einer Alltagssituation mit dem Handy, die dann im Unter-

richt reflektiert wird. Der Fremdsprachenunterricht an der Förderschule kann

neben den Vokalen aus dem Heft auch mit Begriffen aus dem Alltag ergänzt

werden. Die Schüler/-innen fotografieren Begriffe, die ihnen auf dem Schulweg

und in der Freizeit begegnen. Die Foto-Vokabeln wie „Sale“, „Download“ oder

„Coffee to go“ werden in das Vokabelheft aufgenommen. Die Fremdsprache

gewinnt so einen Alltagsbezug und erweitert den Wortschatz.

Womit wird gearbeitet? Das Handy ist bereits ein multimedialer Mini-Computer, eine Schnittstelle der

Medienkonvergenz und dabei höchst mobil im Einsatz. Das Smartphone bietet

vergleichsweise noch mehr Möglichkeiten und ist mit einer funktionsfähigen

Internetverbindung und entsprechenden Apps ein „Alles-Könner“.

Diese Funktionen und Schnittstellen sind im Alltäglichen und in der Schule

vielfältig einsetzbar. Für Lernzwecke eignet sich das Handy als mobiler Multi-

media-Computer und bietet sich mit seiner ständigen persönlichen Verfügbar-

keit an. Die JIM-Studie 2011 zeigt, dass die Medienausstattung mit Handys

sehr hoch ist. Inzwischen bieten diese Geräte Medienfunktionen mit sehr guter

Qualität an. Video-, Foto- und Musikanwendungen können aktiv eingesetzt

werden. Die Schüler/-innen werden Produzenten von medialen Produkten. Als

Alltagsexperten nutzen sie Anwendungen auch für die Alltagsorganisation.

Kalender, Wecker und Navigation können aber auch für schulische Zwecke

genutzt werden, um beispielsweise Kleingruppenarbeit zeitlich zu strukturie-

ren.

Neben diesen Anwendungen und Apps stehen interne Speicher oder zusätzli-

che Karten mit hoher Kapazität zur Verfügung. Die vielfältigen Möglichkeiten

zur persönlichen Kommunikation per SMS, MMS oder Internet können eben-

falls zum Einsatz kommen. Besonders beim Einsatz mit Schülern sind dabei die

anfallenden Kosten zu bedenken. In dem Projekt MyMobile kamen daher nur

kostenlose Anwendungen zum Einsatz. Das Recherchieren im Internet konnte

beispielsweise über das vorhandene Schulnetzwerk praktiziert werden.

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Maren Risch

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Abb. 3: Das Handy mit den Funktionen eines „digitalen Schweizer Messers“

(Bach/ Friedrich/ Risch 2011)

Die Leitlinien des Projekts Das Handy als Kulturressource in der mobilen, individualisierten und vernetzten Welt Aus Sorge um die Persönlichkeits- und Lernentwicklung der Kinder und Ju-

gendlichen verbieten die meisten Schulen die Nutzung des Handys im Unter-

richt oder auf dem Schulhof. Mobbing mit dem Handy oder Zugang zu ent-

wicklungsbeeinträchtigenden Websites per Handy sind dafür einige der

Gründe. Dies sind jedoch auch für die Schule relevante Erziehungsaufgaben

und sollten von den Fachkräften offen angegangen werden. Die ständige Ver-

fügbarkeit informeller Kommunikation wie SMS oder What´s-App-

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MyMobile – Mobiles Lernen mit dem Handy

266

Nachrichten scheint eine zielgerichtete Auseinandersetzung mit dem Lernthe-

ma schwer zu machen. Zuviel Ablenkung durch mediales Dauerrauschen sind

Gründe, das allgegenwärtige Handy aus der Schule herauszuhalten.

MyMobile beschreibt den Einsatz des Handys jedoch auch als eine Chance zum

kritischen Umgang mit Medien und Teil der Medienkompetenzförderung.

Schließlich ist das Handy/ Smartphone immer stärker auch der Zugang zu

webbasierten Informationsquellen. Es erscheint mir daher widersinnig, dass

selbstverständliche Nutzen in Familien und Freizeit aus dem Bildungsbetrieb

Schule auszusperren. Die Funktionen des Handys/ Smartphones müssen

selbstverständlich von Fach zu Fach, von Klassenstufe zu Klassenstufe auf ihre

Sinnhaftigkeit zum Lernen geprüft werden. Diese Aufgaben können Fach-

gruppe oder Stufenteam gemeinsam erarbeiten.

Die Funktionsvielfalt der mobilen Geräte, besonders der individuelle und ver-

netzte Zugang zur Massenkommunikation, sind entscheidende Ressourcen für

das Hineinwachsen in die Informationsgesellschaft. Auch hier ist die Schule ein

Begleiter, ein Wegweiser zur kompetenten Nutzung und Lernraum zum Er-

proben von Kompetenzen. Dafür sind zwei Zielrichtungen wichtig. Zum einen

geht es um das Handy als Lernressource. Zum anderen ist das Handy eine

Ressource für die Teilhabe an Gesellschaft und Kultur. Für die Schule steht die

Teilhabe an Bildung und formellem Lernen im Vordergrund.

Handy als Lern-Ressource: Alltagsexperten bringen informelles Wissen ein Der Einsatz des Handys/ Smartphones kann als eine Kommunikationsbrücke

zwischen informellem Alltagslernen und dem Lernen, das der Lehrplan vor-

gibt fungieren. Die Öffnung des Unterrichts für dieses Alltagswerkzeug ermög-

licht didaktisch die Chance, die vielfältigen Lernprozesse von Kindern und

Jugendlichen zu ergänzen, zu verbinden, zu „assimilieren“ (Bachmair/Fried-

rich/Risch 2011).

Bereits Piaget betonte die Entwicklungs- und Lernchancen indem neu Erlerntes

und Unbekanntes in vertraute Zusammenhänge hineingebracht werden. Hier

setzt auch Bachmair´s Assimilationsansatz im Unterricht an. Er beschreibt da-

mit, wie Kinder und Jugendliche heute ständig vor Entwicklungsaufgaben

gestellt sind, die der Fähigkeit der Assimilation bedürfen. Webbasierte Ange-

bote ändern heute ständig ihren „Look“, bieten neue Funktionen an oder füh-

ren neue Datenschutzrichtlinien ein. Hier sind Kompetenzen gefragt, die den

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Maren Risch

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Alltagsexperten fordern. Die Schule darf sich nicht als isolierte Lerninsel sehen,

die keine Anbindung zu der digital vernetzten Welt hat. Eine assimilative Di-

daktik der Schule bietet Anschlussmöglichen an informelles Lernen des All-

tags. Als eine Leitlinie dafür beschreibt Bachmair das „Bauen“ von Kommuni-

kationsbrücken. Werkzeug und Lern-Ressource ist dabei das Handy bzw.

Smartphone. Hier sind Fachkräfte gefordert, die ihren Schüler/-innen den Wis-

sensvorsprung in Sachen Handytechnik ggf. zugestehen, aber als kritischer

Begleiter für das Erreichen der Lernziele zur Verfügung zu stehen. Schülerin-

nen und Schüler werden dabei als Experten der Alltagswelt anerkannt.

Situiertes Lernen als Raum für den Alltagsexperten Die sog. Native Experts, die Alltagsexperten benötigen Raum zum Entfalten

ihres Wissens. In einer 45-Minuten Taktung des üblichen Schulalltags ist das

nicht optimal, aber möglich. Stichworte sind hier das Situierte Lernen, koopera-

tiver Wissensaufbau und Wochenplan-Unterricht.

Im Unterricht sollen auf diese Weise Räume eröffnet werden, in denen Schüle-

rinnen und Schülern die Bedeutung eines Sachverhalts wie beispielsweise

„rechte Winkel messen“ selber entwickeln. Diese Situationen bieten Lernpha-

sen, in denen neue, vernetzte, mobile und individualisierte Massenkommuni-

kationsmöglichkeiten zum Einsatz kommen können. Hier bieten sich Handy

und Smartphone an, da die Funktionen optimal in einem Gerät zusammen

geführt werden.

Beispielsweise kann ein Text im Fach Deutsch mit einer Bildreihe von fünf

Fotografien zusammengefasst werden. Die Schüler/-innen können eine Textin-

terpretation mit grafischen Elementen untermauern und einen Bezug zur eige-

nen Lebenswelt herstellen. In dem Projekt MyMobile konnte dies im Rahmen

des Unterrichtsthemas „Zeitalter der Aufklärung“ in einer zwölften Klasse

(Leistungskurs Deutsch) erarbeitet werden.

Der Einsatz des Handyvideos ist ebenso simpel. Schüler/-innen erarbeiten kur-

ze Erklärstücke nach dem Prinzip „one minute, one take“. In einer Einstellun-

gen werden in 60 Sekunden die wichtigsten Informationen in einem Kurzbrie-

fing formuliert und auf einer Lehr-Lern-Plattform wie Moodle abgelegt. Eine

Plattform wie Moodle kann als digitaler Aktenschrank zur Materialsammlung

und als Klassen-Archiv dienen. Auf diese Weise können sich Schülerinnen und

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MyMobile – Mobiles Lernen mit dem Handy

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Schüler nicht nur Handlungs-, Lern- und Entwicklungsräume erschließen,

sondern sie selber generieren und anderen zur Verfügung stellen.

Das Situierte Lernen macht es möglich, dass diese Nutzer generierte Kontexte

thematisch an die Lernaufgaben des Lehrplans anschließen. Das Projekt My-

Mobile zeigt, dass diese Arbeitsform auch innerhalb einer Schulstunde reali-

sierbar ist, wenn die Beteiligten diese Arbeitsform kennen. Dabei wird der

lehrergeleitete Unterricht gezielt geöffnet und episodisch gearbeitet. Das heißt,

das Handy wird für eine bestimme Phase eingeschaltet und eingesetzt.

Diese Form der Aneignung und des selbststeuerten Lernens wurde in anderen

pädagogischen Feldern eingesetzt und wesentlich anerkannt. Was im Rahmen

der außerschulischen (Medien-)Pädagogik umgesetzt wird, kann in den schuli-

schen Kontext übertragen werden. Ein ansprechendes Beispiel dafür ist die

Ausstellung „Moving Types“ im Mainzer Gutenberg Museum. Der Besucher

kann mit einem kostenlos ausleihbarem iPad verschiedene Filmsequenzen und

Erklärstücke abrufen, indem der entsprechende QR-Code eingescannt wird.

Die Form der Aneignung ermöglicht eine individuelle Auswahl der Inhalte

und bietet Chancen zur selbstbestimmten Wiederholung bzw. Zeiteinteilung.

Auch für den Unterricht können solche Phasen mit handygestützten Episoden

eine Chance sein, Lernen selbstgesteuert zu ermöglichen. Die Materialien stellt

der Lehrer bereit, eigene Materialien können diesen Fundus jedoch ergänzen

und wiederum geteilt werden.

Abb. 4 und 5: Selbstgesteuertes Lernen mit mobilen Geräten in der Ausstellung „Moving

Types“ des Gutenberg Museums in Mainz.

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Maren Risch

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Eckpunkte einer Didaktik des mobilen Lernens (nach Bachmair) Ein Ziel des Handy-Einsatzes im Unterricht ist es, die typische Medienkultur

der Schüler/-innen in die Lernformen der Schule zu integrieren. Dazu gehört

auch die außerhalb der Schule erworbene Kompetenz im Umgang mit den

vernetzten digitalen Medien, die vom Computer bis zum Internet (Medienkon-

vergenz) reichen. Das Handy kann zudem den Lernerfolg in der Schule mit

neuen Lernformen fördern.

Warum? Mobiles Lernen ist die didaktische Antwort auf die veränderte Medien- und

Lernkultur vieler Kinder und Jugendlicher. Die neue und sehr dominante Me-

dienkultur des Alltags ist individualisiert, mobil und konvergent.

Mobiles Lernen ist daher eine didaktische Antwort auf den aktuellen Individu-

alisierungsschub mit der mobilen und vernetzten Massenkommunikation. Eine

spezifische Didaktik des mobilen Lernens reagiert auf den aktuellen sozialkul-

turellen und technologischen Wandel, bei dem das alltägliche Handy den all-

gegenwärtigen und individuellen Zugang zu Kommunikation, Unterhaltung,

Konsum, Internet, Medienangeboten oder auch zu Wissensarchiven liefert. Mit

dem Einsatz des Handys im Rahmen von Unterricht und curricularem Lernen

trägt Schule der immer bedeutsamer werdenden Alltagsfunktion des Handys

als Multimediagerät Rechnung. Wichtig sind auch die Funktionen des Handys

als Zugangsmedium zum Web 2.0 und zu den verschiedenen sozialkulturellen

Milieus.

Zunehmende Bedeutung erhält das informelle Lernen ebenso durch die ab-

nehmende Reichweite schulischen Lernens. Mobiles Lernen ist eine didaktische

Antwort auf die wachsende Bedeutung des informellen Lernens und des

„Überall-Lernens“ außerhalb der Schule sowie auf die hohe Zahl bildungsfer-

ner Risikolerner in der Schule. Gerade für bildungsferne Schülerinnen und

Schüler lässt sich mit dem Handy das informelle Lernen ihres Alltags in den

Schulunterricht integrieren. Das Handy eröffnet Chancen für die Assimilation

von informellem und formalem Lernen, indem es die vielfältigen Themen und

unterschiedlichen Erlebnisweisen von Schülerinnen und Schülern einer frag-

mentierten Gesellschaft unterstützt. Ziel ist es, den schulischen Lernerfolg zu

fördern.

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MyMobile – Mobiles Lernen mit dem Handy

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Die Strukturmerkmale des mobilen Lernens (vgl. Bachmair/Friedrich/Risch 2011, S.5) 1. Mit dem Handy informelles Lernen in die Schule integrieren.

Das Alltagsmedium Handy bietet die Möglichkeit, informelles Lernen und

Wissen des Alltags in die Schule zu einzubinden. Es kann als Schnittstelle zwi-

schen der Kinder- bzw. Jugendkultur und dem gezielten Lernen im Unterricht

funktionieren.

2. Mit dem Handy Episoden situierten Lernens schaffen.

Das Handy und seine Nutzungsmöglichkeiten bieten neue Formen des situier-

ten Lernens. So lässt sich der vom Lehrer geleitete Unterricht mit Episoden

handygestützter Schüleraktivitäten verbinden. Bildlich formuliert, erweitern

die Lernplätze der Schüler (= Episoden des situierten Lernens) die Lernstraße

des Lehrers (= Phasen des lehrergeleiteten Lernens)

3. Mit dem Handy Lern- und Medienkontexte generieren.

Das Handy ist ein Instrument, mit dem Schüler und Lehrer neue Lernkontexte

schaffen. Diese Lernkontexte entstehen an der Schnittstelle der Medienkonver-

genz von Internet, Unterhaltungsmedien der Lebenswelt und der Schule. Die

mit dem Handy generierten Kontexte sind weit über die Schule hinausgreifen-

de Situationen. In diesen Situationen lernen Schüler, indem sie selber ihr Wis-

sen schaffen können und Wissen nicht nur übernehmen müssen. Handy gene-

rierte Kontexte sind Gelegenheiten zum situierten Lernen, die die Lernstraßen

der Schule zu Lernplätzen erweitern. Diese Lernplätze verbinden sie mit der

vernetzten Medienwelt.

4. Mit dem Handy Kommunikationsbrücken schaffen.

Das Handy und seine Nutzungsmöglichkeiten bieten Kommunikationsbrücken

zwischen Alltag und Schule. Kommunikationsbrücken sind Verbindungslinien

zwischen dem richtigen Leben außerhalb der Schule und dem schulischen

Lernen.

Mit dem Handy die Schülerinnen und Schüler als Experten ihres Alltagslebens

in der Schule individuell aktiv werden lassen.

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Im Prozess der Individualisierung und Fragmentierung unserer Gesellschaft

werden Schülerinnen und Schüler zu vielfältigen Alltagsexperten. Dabei spielt

das ständig verfügbare Handy eine wichtige Rolle. Mit der Nutzung des Han-

dys auf den Lernstraßen des geleiteten Lernens und in den Episoden des situ-

ierten Lernens (Lernplätze) wird es möglich, die vielfältigen Handlungs- und

Lernmuster der Schülerinnen und Schüler auch für den Lernerfolg in der Schu-

le fruchtbar zu machen.

MyMobile – Handyeinsatz im Unterricht - Ein Fazit Das Pilotprojekt MyMobile – Mobiles Lernen mit dem Handy zeigt die Ergeb-

nisse des mobilen Lernens mit dem Handy in der Schule. Der Einsatz des

Smartphones und entsprechender Apps wurde bis 2010 aus Kostengründen

vermieden. Die rasante Entwicklung zeigt jedoch deutlich, dass die Schüler/-

innen zunehmend über Smartphones verfügen und die Ausstattung sehr rasch

sehr gut wird.

Mit MyMobile konnte das Handy in verschiedenen Fächern erfolgreich einge-

setzt werden. Das Projekt bezieht Grund- und Hauptschulen, IGS und Gymna-

sium mit ein; auch eine Berufsbildende Schule ist mit dabei. Die Didaktik des

mobilen Lernens, besonders der Einsatz des Handys, konnte dabei neue Lern-

räume für die Schüler/innen schaffen.

Insgesamt wurde das Projekt von den teilnehmenden Schüler/-innen und Leh-

rern als sehr positiv wahrgenommen und bewertet. Die Schüler waren anfäng-

lich überrascht, dass der Einsatz des Handys wirklich erlaubt war. Nach und

nach trauten sie sich „ihr Handywissen“ in die Umsetzung der schulischen

Aufgaben einzubringen. Sie beraten sich gegenseitig bei der Anwendung von

Software und geben sich Tipps zum Übertragen von Daten auf den PC. Die

unterschiedlichen filmischen Ergebnisse, Fotos und Texte wurden innerhalb

der Klasse sehr interessiert aufgenommen und wirkten motivierend auf die

Stimmung innerhalb des Unterrichts. Auch technische Hürden wurden ge-

meinsam angegangen. Die Lehrer/-innen waren erstaunt, was für eine Vielfalt

an technischen Funktionen und Gestaltungsmöglichkeiten tatsächlich genutzt

werden konnten. Besonders die Kamerafunktion konnte schon in der Grund-

schule aktiv eingesetzt werden. Hier war es wichtig, die Eltern in das Projekt-

vorhaben einzubinden. Die beteiligten Medienpädagogen/-innen konnten in

dem Projekt neue Einblicke in den Unterricht gewinnen und die Lehrer/-innen

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MyMobile – Mobiles Lernen mit dem Handy

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in ihrer Unterrichtsplanung unterstützen. Auch diese Erfahrung war für alle

Beteiligten wertvoll und wird in andere Projekte weitergetragen.

Die methodischen Ergebnisse aus MyMobile wurden in der Publikation Mobi-

les Lernen mit dem Handy: Herausforderung und Chance für den Unterricht

zusammengetragen. Fünfzig Lernszenarien beschreiben das praktische Vorge-

hen zu Handyeinsatz im Unterricht, die Anbindung an die Theorie des mobilen

Lernens und geben Anregungen für die Umsetzung im Unterricht. Der QR-

Code (Abb. 6) führt zu Materialien und Anleitungen, die auf www.mymobile-

online.de zur Verfügung stehen. Dies sind u.a. „10 goldene Regeln“ zu ver-

schiedenen Funktionen des Handys und die Anleitung zu einem eigenen Kin-

derstadtplan im Netz.

Die Erfahrungen und didaktischen Innovationen aus sechs rheinland-

pfälzischen Schulen können auf weitere Bildungsträger transferiert werden,

sowie zusätzliche Technologien einbinden. Insbesondere die Didaktik des mo-

bilen Lernens kann hier als ein theoretisches Konzept zur Gestaltung von Lern-

szenarien herangezogen werden und die handlungsorientierten Konzepte in

der Praxis unterstützen. Hier werden die Bereiche Kompetenzentwicklung und

didaktische Innovation angesprochen. Bei dem Einsatz des Handys im Unter-

richt geht es nicht um neue Technik um der Technik Willen, sondern vielmehr

darum, neues Lernen zu ermöglichen. Das Handy und seine Nutzungsmög-

lichkeiten bieten u.a. Kommunikationsbrücken zwischen Alltag und schuli-

schem Lernen. Diese Aspekte schaffen dem Lernenden neue Zugangsmöglich-

keiten zu den Lerninhalten.

Referenzen Katja Friedrich, Ben Bachmair, Maren Risch (Hrsg.): Mobiles Lernen mit dem

Handy: Herausforderung und Chance für den Unterricht. Beltz Verlag, Wein-

heim und Basel, 2011. ISBN 978-3407627650.

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www.mymobile-online.de

medienundbildung.com/weitere-projekte/taschenfunk/.

Bachmair, Ben, Cook, John, Pachler, Norbert (2008): Mobile phones as cultural

resources of learning, an educational analysis of structures, mobile expertise

and cultural practices. In: MedienPädagogik Feb. 2009. www.medienpaed.com

Bachmair, Ben: Medienwissen für Pädagogen. Medienbildung in riskanten

Erlebniswelten. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2009, Wiesbaden Piaget; 3.

Teil: Kulturell situiertes Lernen, Chancen mobilen Lernens mit dem Handy. S.

197 ff.

Friedrich, Katja (2012): Mobiles Lernen in der Schule – das Handy als „kulturel-

le Ressource“ für Bildung nutzen, In: Lauffer, Jürgen; Röllecke, Renate

(Hrsg.)(2012): Neue Kommunikationskultur? Internet, Handy & Co., Beiträge

aus Forschung und Praxis - Prämierte Medienprojekte, Schriftenreihe Dieter

Baacke Preis Handbuch, Band 7, München.

Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, JIM-Studie 2011,

http://mpfs.de/index.php?id=239

Partnerprojekte:

www.mymobile-project.eu

Blogs:

www.mit80appsumdiewelt.blogspot.com

www.whiteboardpraxis.blogspot.com

Vita Maren Risch, Jahrgang 1976, Ausbildung: M.A. Medien- und Kommunikati-

onswissenschaften/Pädagogik.

Zusatzqualifikationen: Dipl.-Sozialpädagogin/ -arbeiterin (FH)

aktuell: Promotionsstudentin an der Universität Koblenz

Medienpädagogin mit Vorlieben für Trickfilm und für das Erproben neuer

Medien, Verknüpfen von Praxis und Wissenschaft, Lomographin.

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MyMobile – Mobiles Lernen mit dem Handy

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Maren Risch arbeitet seit August 2007 als Medienpädagogin für m+b.com. Sie

ist aktiv in den Lernwerkstätten Schule, Universität und KiTa. Fachhochschul-

Studium für Sozialwesen (Hildesheim), sowie Medien- und Kommunikations-

wissenschaft und Pädagogik an der Universität Göttingen. Die Arbeit in der

Jugendhilfe war für sie der Einstieg in die Medienarbeit mit Jugendlichen.

Nach dem Uni-Abschluss erfolgte eine Zeit als selbstständige Referentin für

Medienpädagogik im gesamten Bundesgebiet. In den Fortbildungen für Erzie-

her/innen und Lehrkräfte konnte sie ihre langjährige praktische Erfahrung und

die Kenntnisse um die Lebenswelt der Kinder einbringen. Medienpädagogi-

sche Projekte in Thailand, Luxemburg und den Vereinigten Arabischen Emira-

ten erweiterten ihre Kompetenzen im interkulturellen Bereich, der für die Situ-

ation an den Ganztagsschulen besonders wertvoll ist.

Als Teil des Mainzer Teams ist sie mit Lehraufträgen in der Lehrerausbildung

an der Universität Mainz beauftragt. In die Seminare fließen die Erfahrungen

aus der Ganztagsschulpraxis ein und geben zukünftigen Lehrkräften die Medi-

en als Werkzeug für den Unterricht in die Hand. Die Durchführung zeigt einen

wunderbaren Synergieeffekt. Ergebnisse aus der Uni werden in andere Lern-

werkstätten getragen und Ergebnisse aus den Schulen bringen die Studieren-

den zur Entwicklung von Unterrichtseinheiten. Der medienpädagogische Er-

zieherinnen Club wird von Maren Risch im Rahmen einer Promotion zur

Medienkompetenz in der frühkindlichen Bildung evaluiert.

Schwerpunkte: Erprobung Mobiler Medien im Unterricht, Video- und Trick-

filmarbeit, Fotografie, Promotionsvorhaben: „Medienkompetenz in der vor-

schulischen Bildung“, Konzeption und Evaluierung eines Verbundprojektes.

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Boris Kraut: Entropia e.V., [email protected]

Freie Bildung: Web 2.0-Tools als Türöffner für die Wirtschaft

Zusammenfassung Flickr, Prezi, Mixxt, Twitter, oder Facebook – das ganze natürlich per iPad. Wir

haben uns bereits die moderne Wunderwelt der so genannten Web 2.0-Tools

zu Nutze gemacht; die Vorteile und Möglichkeiten sind überwältigend. Doch

kann man sie wirklich bedenkenlos im Bereich der Bildung – insbesondere der

Schule – einsetzen? Sind diese Dienste wirklich nur „Tools“, also reine Werk-

zeuge, oder doch eher gefährliche Lockangebote? Wie steht es um das verstärk-

te Engagement von großen IT-Konzernen z.B. auf dem Schulbuchmarkt?

Ausgehend von den Erfahrungen während des Studiums an der Pädagogi-

schen Hochschule Karlsruhe und der langjährigen Tätigkeit im Rahmen des

Projekts „Chaos macht Schule“ [0] des Chaos Computer Clubs soll dieser Be-

richt als eine Art Warnung vor einem unkritischen Umgang der Pädagogen –

und in Folge auch der Kinder – mit Hard- und Software sein. Zudem dient er

der Vorüberlegung, wie und ob das Thema für eine mögliche wissenschaftliche

Ausarbeitung dienen kann.

Was ist ein Werkzeug? Jede wissenschaftliche Disziplin hat ihre eigene Fachsprache. Es lässt sich da-

her nicht vermeiden, dass es zu begrifflichen Unklarheiten kommt, wenn zwei

Fachgebiete – hier die Informatik und die Pädagogik – zusammentreffen. Im

vorliegenden Fall reicht allerdings ein grobes Alltagsverständnis aus, um die

obige Frage zu klären. Sie lässt sich leicht mit einem Beispiel beantworten: Ein

Hammer ist ein Werkzeug.

Einen Hammer zeichnen einige interessante Eigenschaften aus. Er eignet sich

hervorragend um Nägel in ein Brett zu schlagen, aber zum Sägen ist er unge-

eignet. Wenn man also eine Holzhütte bauen will, benötigt man mehrere unter-

schiedliche Werkzeuge. Glücklicherweise braucht man meist jeweils nur ein

Werkzeug einer Sorte, denn ein Hammer verschwindet – bis auf Verschleiß –

nicht einfach, er verändert den Ausgangsstoff, wird nicht Teil des Ergebnis, des

Produkts. Das Produkt ist daher auch unabhängig vom Werkzeug, d.h. der

Nagel fällt nicht aus dem Brett, wenn der Hammer beispielsweise verloren

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Freie Bildung: Web 2.0-Tools als Türöffner für die Wirtschaft

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wird. Zu guter Letzt muss ein Werkzeug immer benutzt werden. Ein Hammer

macht nichts von sich aus; weder ändert er sich selbst, noch die Produkte ohne

einen initialen Anstoß von außen.

Diese grundlegenden Eigenschaften finden sich auch bei Softwarewerkzeu-

gen/-tools. Programme werden teilweise explizit nach diesem alltäglichen

Werkzeugbegriff modelliert. So schreibt Douglas McIlroy [1] beispielsweise:

“This is the Unix philosophy: Write programs that do one thing and do it well. Write

programs to work together. Write programs to handle text streams, because that is a

universal interface.”

Rückübersetzt in das Alltagsverständnis bedeutet das, dass Werkzeuge genau

eine Aufgabe erledigen sollen, eben die, für die sie geschaffen wurden. Ist die

Aufgabe größer, so braucht man mehrere Werkzeuge, die reibungslos zusam-

menarbeiten. Um das zu garantieren benötigt man eine „universelle Schnittstel-

le“. Hier ist die Analogie problematisch, weshalb zum besseren Verständnis

folgende Gedanken wichtig sind:

Nach der Anwendung eines Werkzeugs kann das Produkt fertig sein oder

weiterverarbeitet werden.

Nach der Verarbeitung bestehen keine Abhängigkeiten zwischen dem

Produkt und dem genutzten Werkzeug, d.h. eine Änderung am Werkzeug

hat keine Auswirkungen mehr auf das schon verarbeitete Produkt.

Die Funktion von Werkzeugen bleibt gleich, es sei denn sie wird aktiv

geändert.

Zusammenfassend lassen sich also folgende Merkmale sowohl im Alltagsge-

brauch, wie auch bei Programmen festhalten:

Spezialisierung auf eine Aufgabe

mögliche Weiterverarbeitung des Produkts

Produkt und Werkzeug sind nach der Verarbeitung unabhängig

Das Werkzeug wird nicht verbraucht

Werkzeug verändert sich nicht unbeabsichtigt

Verwendungszweck ist nicht vorbestimmt

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Aktivierung durch den Nutzer

Warum sind viele Web 2.0-Tools keine Werkzeuge? Wenn Trent Batson [2] die Frage stellt, ob ein Auto ein Werkzeug ist, ist die

Antwort eigentlich klar: Ein Gabelstapler mag als Werkzeug gelten, aber ein

eigenes Auto ist viel mehr: Es steht für Mobilität und Unabhängigkeit. Ihm

geht es nicht um die Technik, sondern um deren Bedeutung und Nutzen. Ana-

log argumentiert er im Rahmen von ePortfolios, dass diese ebenfalls kein

„Tool“ sind, sondern für viel mehr stehen.

Auch aus einem weiteren Grund ist der Werkzeugbegriff für ePortfolios prob-

lematisch. Für Pädagogen ist zwar in erster Linie die Verwendung der Technik

in einem Lehr-Lern-Kontext und die daraus resultierenden Ergebnisse interes-

sant, doch darf die darunter liegende technische Schicht nicht ausgeklammert

werden – erst dort kann man nämlich das eigentliche Werkzeug verorten. Lässt

man diese tieferen Schichten zu, fächert sich der Begriff des ePortfolios weiter

auf. Da eine scharfe Trennung der Begrifflichkeiten kaum möglich ist, folgt der

Versuch einer Begriffsklärung anhand einer Beispielgeschichte:

John Doe hat von ePortfolios gehört und will sie selbst in Form eines Blogs

ausprobieren. Er entscheidet sich daher für einen der vielen kostenlosen Anbie-

ter und erstellt sich ein Weblog bei wordpress.com. Hinter diesem Angebot

steht das Unternehmen Automattic. Die eingesetzte Software heißt ebenfalls

Wordpress; man kann sie sogar kostenlos unter einer freien Lizenz auf word-

press.org herunterladen.

Blog beschreibt hier die übergeordnete Kategorie, die grundlegende technische

Idee. Die eigentliche Software ist eine Implementierung dieser Idee, sie ist im

technischen Sinne die Anwendung bzw. Application. Die eigentliche Anwen-

dung der Technik, also im Sinne eines Einsatzzwecks, ist das ePortfolio. Die

Technik wird in diesem Beispiel von einem Unternehmen als eine Dienstleis-

tung angeboten. Hier geschieht das in der Basisversion kostenlos, aber prinzi-

piell ist jedes Geschäftsmodell denkbar.

Blog Idee, Begriff, Technik

Wordpress-Software Implementierung (IT: Anwendung)

ePortfolio Anwendung, Sinn, Nutzung, Einsatzzweck

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Wordpress.com Service

Automattic Unternehmen

Der Werkzeugbegriff taucht hier gar nicht auf; er lässt sich am ehesten noch für

die konkrete Software-Implementation verwenden. Diese kann man als eine für

einen Einsatzzweck gerichtete Bündelung von Tools auffassen – im Gegensatz

zu einzelnen Tools, die zwar eine bestimmte Arbeit erledigen, deren Einsatz-

zweck allerdings nicht vorbestimmt ist.

Problem des Werkzeugbegriffs im Bereich der Bildung Der Toolbegriff verbirgt Komplexität, was durchaus legitim sein kann. Proble-

matisch wird es allerdings dann, wenn diese Vereinfachung das kritische Hin-

terfragen rein auf die Funktion einengt. Gerade da die meisten „Tools“ in

Wirklichkeit Dienstleistungen eines Unternehmens sind und meist komplexe

AGB und Datenschutzbestimmungen mit sich bringen, lohnt es sich hier ge-

nauer hinzusehen:

Viele der Angebote sind in einer Basisversion kostenlos verfügbar, bieten aller-

dings auch kostenpflichtige Premiumdienste an. Können diese die laufenden

Kosten für die vielen nicht zahlenden Nutzer wirklich decken? Wenn nein, wie

finanziert sich der Dienst? Werbung? Nutzeranalyse?

Ein weiteres Themenfeld ist die Kontrolle über die Inhalte. Wer erstellt sie und

sind sie wirklich verlässlich bzw. vertrauenswürdig? Was passiert mit eigenen

Inhalten, die man beim jeweiligen Dienst einstellt? Darf der Betreiber diese

verwenden, sie ohne Ankündigung löschen oder sie gar verkaufen?

In der heutigen Zeit geht man meist von ständiger Verfügbarkeit der Dienste

aus, doch selbst größer Anbieter haben durchaus Probleme diese zu gewähr-

leisten [3]. Und was ist, wenn der Betreiber aufgekauft wird, bankrott geht oder

schlicht seinen kostenfreien Zugang einstellt?

Für die letzteren Fälle sollte man vorgesorgt haben und die benötigten Daten

regelmäßig lokal abspeichern. Doch kann man das überhaupt? Bekommt man

diese nur in einem proprietären Format, das nur der Anbieter lesen kann? Oder

erhält man nur die jeweiligen Endprodukte und muss beim Export auf die

Rohdaten verzichten?

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Das könnte zu einem Vendor-Lock-In führen, also der ungewollten Bindung an

einen Anbieter, da man die Daten ggf. nach langer Nutzung nicht zu einem

anderen Anbieter mitnehmen kann. Aber gibt es überhaupt Alternativen? Wo

liegen deren Stärken und Schwächen? Vergleichen lohnt sich!

Dies sollen nur einige der Fragen sein, die man sich bei einer wirklichen kriti-

schen Betrachtung stellen sollte und die bei der Vorstellung dieser Dienste als

„Tool“ gar nicht aufkommen. Es ist wichtig, dass man jetzt nicht im Umkehr-

schluss alle dieser Dienste verteufelt. Es geht um eine sachgemäße Überprü-

fung und Einordnung. Dafür ist zudem noch ein weiterer Punkt essentiell:

Es gilt zu klären, wer die Angebote nutzen soll. Wenn man als Privatperson

sich für den einen oder anderen Dienst entscheidet, ist das größtenteils unprob-

lematisch. Doch schon wenn die Nutzung als Lehrperson, d.h. im Rahmen von

Lehrveranstaltungen, erfolgt, gibt es weitere zu klärende Fragen: Welchen

Einfluss hat die eigene Auswahl auf die Lernenden? Kann es als Werbung

missverstanden werden? Sollen die Lernenden gar selbst aktiv werden, wird es

noch problematischer. Da Schule nicht optional ist, kann es hier schnell passie-

ren, dass man die Lernenden zur Nutzung – und damit zur Zustimmung zu

AGB und Datenschutzbestimmungen – nötigt.

Unter dem Deckmantel des Toolbegriffs verbreitet sich zunehmend Soft- und

Hardware im Bildungsbereich, deren AGB und Lizenzen nur selten gelesen

und verstanden werden. Es muss daher genau beobachtet werden, ob und wie

privatwirtschaftliche Unternehmen dies zur Einflussnahme auf Inhalte nutzen

oder sich eine Abhängigkeit von einzelnen Anbietern ergibt.

Fazit Der Werkzeugbegriff ist meist unpassend und verharmlosend, weil damit die

heutige Hard- und Softwarewelt rein auf die Funktion und den momentanen

Nutzwert reduziert wird. Damit werden viele Fragen ausgeblendet, die für

eine kritische Reflexion nötig sind. Erst wenn Funktionen und – nicht nur mo-

netäre – Kosten gegeneinander abgewogen wurden, kann man die Entschei-

dung darüber treffen, ob der private Einsatz, der Einsatz als Lehrperson oder

gar der Einsatz durch Schulpflichtige zu rechtfertigen ist.

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Referenzen [0] https://ccc.de/schule

[1] http://www.faqs.org/docs/artu/apb.html

[2] http://www.aaeebl.org/tbb?mode=PostView&bmi=746168

[3] http://money.cnn.com/2011/04/22/technology/amazon_ec2_cloud_

outage/index.htm

Vita Boris Kraut ist Student an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Er ist

Mitglied im Entropia e.V. (CCC Karlsruhe) und engagiert sich dort im Rahmen

des Projekts „Chaos macht Schule“ an Schulen und in der Lehrerbildung.

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Marcel Jakoblew, Dominik Niehus, Harald Selke: Universität Paderborn,

{mjako|niehus|hase}@uni-paderborn.de

Lernszenarien für die Schule 2.0

Zusammenfassung Um den schulischen Alltag zu unterstützen, wurde die Bildungsplattform

»Bildung im Dialog« über einen Zeitraum von nunmehr gut zehn Jahren in

einem evolutionären Prozess unter Benutzerbeteiligung entwickelt und konti-

nuierlich verbessert. In diesem Beitrag soll gezeigt werden, wie eine nachhalti-

ge Unterstützung gelingt, indem nicht die prinzipiellen Möglichkeiten netzba-

sierten Arbeitens in den Mittelpunkt gestellt werden, sondern die Alltagspraxis

als Ausgangspunkt dient. Um zu entscheiden, wie in einer konkreten Ausge-

staltung der schulische Einsatz optimal unterstützt werden kann, entwickeln

wir »Lernszenarien«. Ausgehend von einer didaktischen Vorgehensweise wer-

den dazu ein technisches Konzept sowie ein Nutzungsleitfaden konzipiert.

Einleitung Im Schulumfeld werden netzbasierte Dienste zu verschiedensten Zwecken

genutzt, die über die reine Präsentation einer Schule durch Webseiten weit

hinausgehen. Neben dem Einsatz im Unterricht selbst spielen dabei die schul-

interne und auch öffentliche Kooperation, Kommunikation und Koordination

eine wichtige Rolle, also Aktivitäten, die über das Lernen im engeren Sinne

hinausgehen und beispielsweise die Vorbereitung der nächsten Klassenfahrt

oder Informationen für die Eltern von Kindern einer bestimmten Klasse unter-

stützen. Seltener im Unterricht als beim heimischen Lernen, den Hausaufga-

ben, der Nachbereitung oder individueller Förderung kommen auch Lernplatt-

formen zum Einsatz.

Um den schulischen Alltag durchgängig zu unterstützen, wurde die Bildungs-

plattform »Bildung im Dialog« (kurz: bid) über einen Zeitraum von nunmehr

gut zehn Jahren in einem evolutionären Prozess unter Benutzerbeteiligung

entwickelt und kontinuierlich verbessert. Unsere Erfahrungen legen nahe, dass

eine nachhaltige Unterstützung gelingt, indem nicht die prinzipiellen Möglich-

keiten netzbasierten Arbeitens in den Mittelpunkt gestellt werden, sondern die

Alltagspraxis als Ausgangspunkt dient. Sowohl die Basisfunktionen des Sys-

tems als auch die weiteren Entwicklungen orientierten sich daher immer an

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den Erfordernissen, die sich aus der schulischen Situation ergaben. Wenn auch

dieser Ansatz zunächst konservativ anmutet, ergeben sich dennoch innovative

Lösungen für den Unterricht und die Betreuung von Schülern, da sich die von

der Plattform zur Verfügung gestellten Instrumente sehr flexibel nutzen lassen

und von Lehrern so kombiniert werden, dass eine Unterrichtssequenz entspre-

chend des gewünschten didaktischen Ansatzes durchgeführt werden kann.

Die Erfahrungen zeigen allerdings, dass es auch Lehrern, die über eine umfas-

sende Methodenkompetenz im Bereich der Didaktik verfügen, nicht leicht fällt,

die konkreten Unterstützungspotentiale der von der Plattform bereitgestellten

Möglichkeiten für ihren Unterricht zu nutzen. Das Zusammenspiel aus einem

didaktischen Ansatz mit einer oder mehreren technischen Komponenten sowie

einem Handlungsleitfaden zur Durchführung bezeichnen wir als ein »Lernsze-

nario«. Ein solcher Handlungsleitfaden kann als Dokument vorliegen oder in

Teilen der Anwendungsstruktur modelliert sein.

Im Folgenden soll zunächst dargestellt werden, auf welche Weise die Anforde-

rungen aus der Alltagspraxis erhoben wurden und wie die Plattform konzi-

piert und weiterentwickelt wurde. Im Anschluss daran werden beispielhaft

zwei Lernszenarien vorgestellt und gezeigt, wie die von der Plattform bereitge-

stellten Funktionalitäten durch den Lehrer so konfektioniert werden, dass sein

Unterricht wie gewünscht unterstützt wird. Abschließend wird skizziert, wie

die Erkenntnisse aus diesen konkreten Beispielen allgemein zur Entwicklung

von Lernszenarien genutzt werden können und die Perspektive auf einen Bau-

kasten für Lernszenarien eröffnet, der eine vereinfachte Umsetzung einer di-

daktischen Methode auf Basis einer geeigneten Bildungsplattform ermöglichen

soll.

Bildung im Dialog: Gestaltung einer Plattform für den Schulalltag Die erste Version der Plattform »Bildung im Dialog« (bid) entstand aus dem

Bedarf, Fortbildungsmaterialien für Lehrer nicht nur für die Unterrichtsvorbe-

reitung, sondern auch für den Einsatz im Unterricht selbst sowie die Schülerar-

beit bereitstellen zu können. Nachdem sich existierende Content-Management-

Systeme als zu komplex für diese Aufgabe erwiesen, wurde eine eigene Platt-

form entwickelt, die von Lehrern wie Schülern gleichermaßen als eine Art

»elektronische Schultasche« verwendet werden konnte. Auf diese Weise wur-

den Medienbrüche vermieden, da die Materialien – insbesondere im Rahmen

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der mustergültigen Infrastruktur der Lernstatt Paderborn (vgl. Michaelis

(2006)) – durchgängig verfügbar waren.

Wissensarbeit in der Schule Von Beginn an sollte keine mediale Einbahnstraße umgesetzt werden, die zwar

die schnelle und flexible Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien bei allen

Lehr- und Lernaktivitäten ermöglicht, jedoch die erweiterten (technischen)

Möglichkeiten, die mit digitalen Medien einhergehen nicht ausschöpfen. Be-

trachtet man den Alltag von Lehrern und Schülern, stellt man fest, dass die

aktive Bearbeitung und das Ausarbeiten von Materialien durch alle beteiligten

Akteure erfolgt. Lehrende wie Lernende arbeiten mit selbst erstellten und vor-

gefertigten Materialien, die sie miteinander in Beziehung setzen, auswählen,

kommentieren, ergänzen, modifizieren usw. Wichtig ist dabei, dass von ande-

ren Autoren erstelltes Material nicht die semantischen Zusammenhänge ver-

körpert, die beispielsweise die Lehrenden zur Unterstützung des Lernprozes-

ses benötigen. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn auf die aktuelle

Situation und auf die individuelle Verständnislage der jeweiligen Lernenden

Bezug genommen werden soll. Das Gleiche gilt für die Lernenden, die sich

selbst aktiv gestaltend Inhalte erschließen müssen und dies nicht nur in rein

rezeptiv lesender Form, sondern auch in Form von Übungen, Ausarbeitungen,

Recherchen, Kommentierungen etc.

Als einfaches Beispiel zur Verdeutlichung sei die Analyse eines historischen

Dokuments angeführt. Der Lehrer wird den Text ggf. nicht vollständig, son-

dern in gekürzter Form bereitstellen. Er wird ihn außerdem mit Fragestellun-

gen oder Aufgaben versehen wollen und eventuell Erläuterungen für den

Schülern unbekannte Begriffe oder Personen hinzufügen. Schließlich möchte er

möglicherweise zunächst nur den Anfang des Texts herausgeben und erst im

Laufe des Unterrichts weitere Passagen ergänzen – oder verschiedene Schüler-

gruppen sollen sich mit unterschiedlichen Abschnitten des Texts beschäftigen,

das Ergebnis jedoch anschließend für alle zusammengeführt werden.

Eine solche Prozesssicht auf Lernen und Wissensarbeit wird in Keil (2007) dar-

gelegt. Sie bildete die Grundlage für den bei der Gestaltung der bid-Plattform

verfolgten Ansatz, bei dem von vornherein die Schüler nicht nur als Rezipien-

ten, sondern auch als Produzenten von Material angesehen wurden und früh-

zeitig Konzepte des späteren Web 2.0 in die Schule gebracht wurden. Die in der

ersten Entwicklungsstufe umgesetzte Funktionalität der »elektronischen Schul-

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tasche« ermöglichte die Ablage und damit den Transport von Dokumenten, die

so – sofern ein Internet-Anschluss zugänglich war – an jedem Ort zur Verfü-

gung standen, wo sie benötigt wurden. Gleichzeitig jedoch wurden bereits

verschiedene Möglichkeiten zur Kooperation angeboten, die dem Bereich Soci-

al Software zugerechnet werden können. Über die Referenzen zu WWW-

Adressen konnten beispielsweise in einem Gruppenarbeitsbereich gemeinsame

Lesezeichen-Listen (Social Bookmarks) gepflegt werden. Mit einem speziellen

Ordnertyp war eine arbeitsteilige Erstellung von Texten möglich, indem ein-

zelnen Schülern (oder Gruppen) ein Textteil zugeordnet wurde, an dem ledig-

lich diese Schreibrechte besaßen. So war es möglich, ein gemeinsames Doku-

ment zu erstellen, wobei der aktuelle Arbeitsstand jederzeit für alle Beteiligten

dokumentiert war.

Orientierung auf Alltagspraxis Für die Entwicklung des Systems wurden die Anforderungen erhoben, indem

zunächst ein Content-Management-System als Prototyp diente. In regelmäßi-

gen Sitzungen einer Gruppe, der neben Lehrern verschiedener Schulformen

auch der für die Medienbildung verantwortliche Referent der Bezirksregierung

Detmold und weitere Personen angehörten, konnten die unmittelbaren Erfah-

rungen der Mitglieder und deren Kollegen sowie Rückmeldungen im Rahmen

von Schulungen berücksichtigt werden. Prototypische Umsetzungen wurden

zunächst in dieser Gruppe geprüft, modifiziert und anschließend zunächst

einem kleinen Benutzerkreis vorgestellt. In dem von der Heinz Nixdorf Stif-

tung und der Bertelsmann Stiftung durchgeführten Projekt „School Wide Web

– Intranets in Schulen“ (Dankwart, 2005) wurde das System an drei Schulen

systematisch eingeführt und evaluiert. Zahlreiche Anforderungen des Katalogs

wurden bereits in dieser Version des Systems erfüllt, insbesondere die Funkti-

onen zum Dokumentenmanagement, zur Rechtevergabe sowie zur Suche. De-

fizite hingegen wies das System bei den Funktionen auf, die in jenem Projekt

als Groupware bezeichnet, jedoch zumindest in der Anfangsphase des Projekts

als weniger wichtig angesehen wurden. Genannt wurden hier Diskussionsfo-

ren, eine Chat-Funktion, E-Mail-Verteiler sowie Terminkalender für Einzelper-

sonen und Gruppen.

Für die weitere Entwicklung wurden jedoch nicht technische Aspekte in den

Vordergrund gestellt, sondern stets der Unterrichtsalltag als Ausgangspunkt

gewählt. Die Frage lautete daher nicht, wie man Diskussionsforen im Unter-

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richt einsetzen kann, sondern welche Kommunikationsprozesse im Unterricht

oder auch im schulischen Umfeld von einer technischen Unterstützung profi-

tieren können. So bestand das Ziel weniger darin, neue Unterrichtsformen zu

entwickeln, die durch neue Technologien wie Foren, Wikis, Blogs oder Po-

dcasts ermöglicht werden, auch wenn entsprechender Bedarf aus der Schüler-

und Lehrerschaft gemeldet wurde. Die Erfahrungen aus dem universitären

Umfeld (vgl. Keil-Slawik, Selke (1998)) zeigten uns, dass Ansätze, die einen

fortwährend erhöhten Aufwand für die Lehrenden bedeuteten, weniger nach-

haltig wirkten als solche, die auf eine Rationalisierung des Mediengebrauchs

zielten und bei denen Technik, Didaktik und curriculare Entwicklung mitei-

nander verzahnt werden.

Anhand des im vorangegangenen Abschnitt angeführten Beispiels soll der

Prozess der Entwicklung und Konzeption illustriert werden. Ausgangspunkt

sind die beteiligten Personen (in diesem Fall ein Lehrer sowie die Schüler einer

Klasse) sowie die benötigten Materialien: Zu Beginn liegen der zu analysieren-

de Text sowie vom Lehrer entworfene Fragestellungen oder Aufgaben vor. Bei

der Durchführung des Unterrichts erstellen die Schüler einzeln oder in Grup-

pen eigene Texte oder auch Illustrationen. Am Ende der Unterrichtseinheit

schließlich soll eine Ergebnissicherung mit allen relevanten Beiträgen stehen.

Als Basisfunktionalität wird daher ein Ordner benötigt, in dem der Lehrer den

Text sowie die Fragestellung ablegen kann und auf den die Schüler der Klasse

lesenden Zugriff haben. Da die Schüler eigene Beiträge verfassen sollen, die

ihnen anschließend zugeordnet werden können, dürfen andere Benutzer oder

die Öffentlichkeit keine Zugriffsrechte erhalten. Zusätzlich benötigen die Schü-

ler die Möglichkeit, ihre eigenen Beiträge in einem gemeinsam genutzten Ord-

ner abzulegen. Da diese Beiträge eventuell auch in Gruppenarbeit erstellt wer-

den sollen, benötigen mehrere Schüler Schreibrechte für diese Beiträge. Je nach

Zielsetzung des Lehrers und Zusammensetzung der Klasse können die Berech-

tigungen auf technischer Ebene umgesetzt werden (was zumeist eine aufwän-

dige manuelle Vergabe von Zugriffsrechten erfordert) oder durch soziale Kon-

ventionen. Nach Abschluss der Unterrichtseinheit sollten die erarbeiteten

Ergebnisse nicht mehr verändert werden, was ebenfalls technisch oder durch

Vereinbarung umgesetzt werden kann.

Was auf den ersten Blick so aussieht, als ginge es ausschließlich um Rationali-

sierung, bietet tatsächlich neue unterrichtliche Potentiale. Zunächst wäre die

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Möglichkeit zu nennen, das Ergebnis am Ende auch für andere Benutzer frei-

zugeben, so dass ein (schul-)öffentlich sichtbares Produkt entsteht. Aber auch

der Entstehungsprozess selbst kann je nach gewählter Umsetzung neue Quali-

täten gewinnen. Wird beispielsweise ein Editor verwendet, der die kollaborati-

ve Texterstellung in Echtzeit (WYSIWIS) ermöglicht, kann die Erstellung ge-

meinsamer Texte statt in Arbeitsteilung auch in Kooperation erfolgen. Auch

ohne einen solchen Editor ist es möglich, dass die Schüler über den Fortschritt

der anderen informiert sind, wenn Zwischenergebnisse bereits in dem gemein-

samen Ordner abgelegt werden und diese auch für die anderen sichtbar sind.

Bei Verwendung eines Versionierungssystems schließlich werden alle Zwi-

schenversionen gespeichert, so dass der Entstehungsprozess der einzelnen

Dokumente anschließend wiederum zum Gegenstand des Unterrichts werden

kann – und natürlich auch zur Bewertung herangezogen werden kann, wenn

der Lehrer diesen zusätzlichen Aufwand auf sich nehmen möchte.

Bei der technischen Umsetzung steht nun nicht die Abbildung aller dieser

Möglichkeiten im Vordergrund. Vielmehr wird der Möglichkeitsraum so ein-

geschränkt, dass die aus didaktischer Sicht wünschenswerten Aspekte und die

Handhabbarkeit mit den technischen Möglichkeiten in Einklang gebracht wer-

den. Es zeigt sich, dass es häufig nicht sinnvoll ist, die »Maximallösung« anzu-

streben. So wird beispielsweise die Vergabe von Zugriffsrechten zum optima-

len Schutz vor unabsichtlicher Veränderung eines Dokuments durch andere

Benutzer in kooperativen Szenarien zu aufwändig, um sie im Unterrichtsalltag

durchzuführen. Auch kann die Transparenz des Bearbeitungsprozesses (wer

hat wann welche Änderungen an welchem Dokument vorgenommen) Daten-

schutzprobleme verursachen oder dazu führen, dass Schüler Vorabversionen

aufgrund befürchteter Fehler nicht bereitstellen.

Die Plattform »Bildung im Dialog« wurde vor diesem Hintergrund so entwi-

ckelt, dass sie eine Vielzahl von technischen Komponenten bereitstellt, die

sowohl von den Lehrenden wie von den Lernenden genutzt werden können.

Die meisten bislang umgesetzten Komponenten umfassen dabei keine spezifi-

schen Handlungsabfolgen (im Gegensatz beispielsweise zu einer programmier-

ten Unterweisung). In welcher Weise die Komponenten in einem konkreten

Lehr- oder Lernkontext genutzt werden, bleibt daher den Handelnden überlas-

sen. Im folgenden Abschnitt werden zwei solcher Komponenten vorgestellt.

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Lernszenarien Um zu entscheiden, wie in einer konkreten Ausgestaltung der schulische Ein-

satz optimal unterstützt werden kann, entwickeln wir »Lernszenarien«. Aus-

gehend von einem didaktischen Ansatz werden dazu ein technisches Konzept

sowie ein Handlungsleitfaden konzipiert. Lernszenarien sind damit hochgra-

dig auf den Kontext bezogen.

Im schulischen Umfeld wird der didaktische Ansatz zunächst üblicherweise

durch den Lehrenden vorgegeben. Beispielsweise wählt er die Methode, nach

der der Unterricht durchgeführt werden soll. Dabei fließen fachliche Erforder-

nisse ebenso ein wie die Kompetenzen der Schüler und die Größe der Gruppe,

die unterrichtet werden soll. Bei Schüleraktivitäten, wie beispielsweise der

Erarbeitung eines Texts, können ebenfalls verschiedene Methoden zum Einsatz

kommen, die sich von Schüler zu Schüler unterscheiden können. Im Unterricht

werden daher didaktische Methoden sowohl durch den Lehrer wie auch durch

die Schüler verwendet (vgl. dazu beispielsweise Mattes, 2002).

Um einen didaktischen Ansatz zu unterstützen, kann bei einem Lernszenario

technische Unterstützung verwendet werden. Diese kann z. B. Arbeitsabläufe

organisieren oder die Handhabung von Dokumenten vereinfachen, die bei der

Durchführung der didaktischen Methode verwendet werden. Das Problem

besteht darin, dass es Lehrern nicht möglich ist, die geeigneten Funktionen

auszuwählen, die den gewählten didaktischen Ansatz bestmöglich unterstüt-

zen, da sie nicht vollständig abschätzen können, welche Potentiale und Be-

schränkungen eine konkrete technische Komponente zur Unterstützung eines

didaktischen Ansatzes besitzt. Die Entwickler andererseits sind nicht in der

Lage, alle denkbaren Nutzungsszenarien zu antizipieren.

Einen Lösungsweg, wie der didaktische Ansatz mit den technischen Kompo-

nenten kombiniert werden kann, zeigt der Handlungsleitfaden auf. Dieser wird

in enger Kooperation zwischen Didaktik-Experten und Entwicklern erstellt

und beschreibt detailliert, wie mit den gegebenen technischen Komponenten

eine Unterrichtseinheit durchgeführt werden kann. Dazu gehört eine Beschrei-

bung, welche Funktionen dem Lehrenden zur Verfügung stehen um die Lerni-

nhalte zu vermitteln, welche Organisationschritte nötig sind und welche Schrit-

te die Lernenden ausführen sollen. Die folgende Abbildung zeigt den

schematischen Aufbau eines Lernszenarios.

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Abbildung 1: Schematischer Aufbau eines Lernszenarios

Das kooperative Schreiben eines Textes im Schulunterricht mit Hilfe eines Wi-

kis ist ein Beispiel für ein Lernszenario. Der didaktische Ansatz ist in diesem

Fall die Aufgabe an eine Gruppe von Schülern, ein Thema zu erarbeiten und

dieses arbeitsteilig aufzuschreiben. Geübt werden in diesem Fall z. B. das Erar-

beiten eines Themas mit vorgegebenen Quellen, die Bewertung der Informati-

onen sowie die Koordination des Arbeitsprozesses und das Aufschreiben der

Ergebnisse.

Wird bei dieser Aufgabe ein Wiki für das Aufschreiben eingesetzt, so kann die

Arbeit an einigen Stellen vereinfacht werden. Die Schüler können parallel das

Wiki bearbeiten und an mehreren Aspekten des Themas gleichzeitig schreiben.

Bei einem Dokument in einer Textverarbeitung können nicht mehrere Personen

zum selben Zeitpunkt schreiben. Das Wiki, auf einer Lernplattform eingesetzt,

ermöglicht es weiter, dass die Schüler auch verteilt schreiben können, z. B. in

der Schule oder zu Hause.

Die Vorgehensweise, wie ein Wiki bei der Erarbeitung eines Themas eingesetzt

werden soll, beschreibt der Handlungsleitfaden. In diesem wird die Brücke

zwischen didaktischem Ansatz und technischer Komponente geschlagen. Im

vorgestellten Wiki-Beispiel könnte der Handlungsleitfaden beschreiben, dass

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bei der Erarbeitung eines Themas zuerst Stichpunkte in einem Wiki-Dokument

gesammelt werden sollen; diese werden im Anschluss an das Sammeln in ei-

nem weiteren Wiki-Dokument sortiert und gruppiert, um daraufhin in einem

dritten Wiki-Dokument in einem Text ausformuliert zu werden. Jeder Gruppe

wird ein eigener Abschnitt in dem Dokument zugewiesen, in dem ausschließ-

lich sie schreibt. Jeder von der Gruppe gespeicherte Zwischenstand kann von

allen anderen Schülern eingesehen werden, so dass schon bei der Erstellung

des gemeinsamen Texts Bezüge zu anderen Abschnitten hergestellt werden

können.

Hier beschreibt der Handlungsleitfaden sowohl technische Aspekte wie die zu

verwendenden Wiki-Dokumente, als auch didaktische Aspekte, nämlich den

Arbeitsablauf. Die drei Bestandteile technische Komponente Wiki, didaktischer

Ansatz Thema erarbeiten und der Handlungsleitfaden ergeben somit ein Lern-

szenario. Im Folgenden werden zwei in der Plattform »Bildung im Dialog«

umgesetzte Lernszenarien erläutert.

Lernszenario Fragebogen Das erste Szenario, das hier vorgestellt werden soll, ist eine für die Plattform

entwickelte Komponente zur Erstellung und Auswertung von Fragebögen.

Seinen Ursprung hat das Lernszenario Fragebogen in klassischen auf Papier

auszufüllenden Fragebögen. Im Unterricht kann ein Fragebogen beispielsweise

im Physikunterricht genutzt werden, indem verschiedene Gruppen von Schü-

lern ein Experiment durchführen sollen und die Ergebnisse in dem Fragebogen

eintragen. Nach Abschluss der Experimente und Erfassen der Ergebnisse wer-

den diese zusammengetragen, entweder in einer Gruppendiskussion zur Ver-

tiefung der Inhalte oder durch den Lehrer zur Bewertung.

Für einen Fragebogen sind generell also das Erfassen von Ergebnissen und

deren Auswertung wichtig. An genau diesen beiden Punkten kann man mit

einer technischen Komponenten ansetzen, die das Erfassen von Ergebnissen

sowie deren Auswertung verbessert oder vereinfacht. Für diese beiden Aspekte

haben wir eine technische Komponente entwickelt, die das Erstellen, Bearbei-

ten und Auswerten von Fragebögen auf einer Lernplattform ermöglicht.

Das Erstellen eines Fragebogens durch den Lehrer erfolgt dabei mit Standard-

bausteinen für verschiedene Fragetypen, z. B. für Freitext oder Auswahlfragen.

Nach der Erstellung des Bogens wird dieser auf der Lernplattform für die

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Schüler zur Bearbeitung freigegeben. Die Schüler tragen auf der Lernplattform

die Ergebnisse ein und nach Abschluss werden die Ergebnisse durch das im

Fragebogen mitgelieferte Auswertungswerkzeug analysiert. Der Lehrer kann

dabei konfigurieren, ob der Fragebogen durch jeden Schüler nur ein einziges

Mal oder auch mehrfach ausgefüllt und abgegeben werden kann, um mehrere

Messungen in unterschiedlichen Datensätzen zu erfassen. Er kann außerdem

einen Zeitpunkt angeben, nach dem der Fragebogen den Schülern nicht mehr

zur Verfügung steht, und festlegen, ob ein Schüler seine eigenen Antworten in

dem Fragebogen nach der Abgabe, aber vor Erreichen dieses Zeitpunkts noch

modifizieren darf, um eventuelle falsche Einträge zu korrigieren.

Ein physikalisches Experiment, das mit Hilfe der Fragebögen bearbeitet wer-

den kann, ist die Messung der Erdanziehungskraft durch einen Fallversuch. Bei

der Messung durch die Schüler werden Messungenauigkeiten auftreten, die

beim Zusammentragen der Ergebnisse mit Hilfe der Fragebögen deutlich wer-

den. Diese Ergebnisse befinden sich jedoch in einem Bereich um den realen

Wert für die Erdanziehung herum. Mit der Auswertung durch die Fragebögen

können also die Berechnung der Erdanziehung sowie die auftretende Proble-

matik der Messungenauigkeit erläutert werden. Für dieses Experiment wird

ein Fragebogen in der Lernplattform erstellt, Ergebnisse werden durch Schüler

eingetragen und die Auswertungsfunktion ermittelt automatisch den Mittel-

wert über die gemessenen Ergebnisse, die dann im Fortlauf des Unterrichts

diskutiert werden können.

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Abbildung 2: Fragebogen für einen Grammatik-Test

Für den konkreten Anwendungsfall der Messwerterfassung ließe sich auch ein

spezialisiertes Werkzeug erstellen, das genau dieses Szenario optimal unter-

stützt. Gemäß dem hier gewählten Ansatz wurde jedoch eine Komponente

entwickelt, die zu verschiedenen Zwecken genutzt werden kann. So wird der

Fragebogen beispielsweise auch genutzt, damit Schüler ihre eigenen Kompe-

tenzen in einem Unterrichtsfach einschätzen und individuellen Förderbedarf

melden können. Damit die Fragebögen auch dort genutzt werden können, ist

dieser lediglich anders zu konfigurieren. Wie die Konfiguration in den jeweili-

gen Anwendungsfällen am besten vorgenommen wird und was dabei zu be-

achten ist (ob z. B. Daten anonym erhoben werden und welche Daten zwar

erfasst, aber nicht in die Auswertung übernommen werden sollen), wird in den

Handlungsleitfäden zu den entsprechenden Szenarien wie »Messwerterfas-

sung« oder »Meldung von individuellem Förderbedarf« beschrieben.

Die technische Komponente des Fragebogens liegt durch Weiterentwicklung

mittlerweile in zwei Versionen vor. In der ersten Version wurden Basisfunktio-

nalitäten wie die Erstellung, Bearbeitung und Auswertung umgesetzt. Durch

Erprobung im Alltag in der Lernplattform mit Lehrern und Schulklassen wur-

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den diese Funktionen evaluiert und führten dann zu einer zweiten Version, die

in Rückkopplung mit den Lehrern entstand und Lösungen für die im Alltag

aufgetretenen Anforderungen integrierte. Verbessert wurden in der zweiten

Version insbesondere die Bedienbarkeit sowie die Auswahl an Fragetypen und

die Auswertungsmöglichkeiten. Darüber hinaus wurde die technische Kompo-

nente der Fragebögen für andere Szenarien modifiziert: Die Arbeitsblätter-

Online unterstützen ein Szenario, in dem für Schüler multimediale Arbeitsblät-

ter bereitgestellt und bearbeitet werden; das Rapid-Feedback ist ein aus der

Universität stammendes Szenario, bei dem Dozenten Kurzumfragen in Vorle-

sungen durchführen.

Lernszenario Portale In der Plattform »Bildung im Dialog« dienen sogenannte Portale der Aufberei-

tung und Präsentation von Inhalten. Seinen Ursprung hat dieses Szenario im

schulischen Umfeld in der Präsentation von Inhalten z. B. auf Postern oder in

Collagen, mit denen Schüler erarbeitete Inhalte präsentieren. Durch die Ver-

breitung des Internets sowie der Vorteile der digitalen Medien, hat sich die

Erstellung und Präsentation von Inhalten in Richtung digitaler Medien ver-

schoben. Es können jetzt auch Webseiten anstelle von Postern für die Erstel-

lung und Präsentation von Inhalten verwendet werden. Die Erstellung von

Webseiten setzt jedoch ein gewisses technisches Verständnis bei Lehrern und

Schülern voraus, insbesondere wenn neben Texten und Bildern auch Tondo-

kumente und Filme oder auch interaktive Komponenten Bestandteil der Seite

sein sollen. Oft sind Defizite hier eine Hürde, die den Einsatz von Webseiten

zur Präsentation von Inhalten im Schulunterricht verhindert.

Das Lernszenario Portale und die dazugehörenden technischen Komponenten

setzen genau an dieser Stelle an, indem sie die Erstellung von öffentlichen und

nicht-öffentlichen Webseiten ohne tiefgreifende technische Kenntnisse ermögli-

chen. Ein Portal kann durch die Auswahl von Elementen, sogenannten Portlets,

aus einem Standardbaukasten gestaltet werden. Das Portal ist dabei in ein bis

drei Spalten aufgeteilt, in die jeweils mehrere Portlets eingesetzt werden kön-

nen. Der Gestalter wählt ein Portlet aus, befüllt es mit Inhalt und setzt es in

eine Spalte ein. Der Gestalter kann dabei nur Spalte und Reihenfolge der Port-

lets innerhalb der Spalten auswählen und beeinflussen, komplexe Gestal-

tungsmöglichkeiten wie z. B. durch Cascading Stylesheets stehen nicht zur

Verfügung. Diese Einschränkung der Funktionalität ermöglicht genau die Ver-

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einfachung der Bedienung und eröffnet die Gestaltung von Webseiten durch

Portale einem breiten, technisch nicht so versierten Benutzerkreis.

Abbildung 3: Portal für den Fremdsprachenunterricht

Bei den Portlets gibt es verschiedene einfache Grundbausteine für Überschrif-

ten, Text, Bilder und Medienelemente, die von komplexen aktiven Portlets z. B.

RSS-Feedreader oder interaktiven Abstimmungskomponenten ergänzt werden.

Bei der Entwicklung des Portals wurde dabei insbesondere auf Erweiterbarkeit

wert gelegt, so können modular neue Portlets entwickelt werden, womit der

Funktionsumfang des Portals kontinuierlich erweitert werden kann.

Ein Beispiel für den Einsatz der Portale ist die Bearbeitung von Themen im

Religionsunterricht. Der Religionslehrer erstellt ein Portal, das nur Elemente

mit Schlagworten zu einem bestimmten Thema enthält. Die Schüler müssen

dann dieses Portal um Inhalte ergänzen, indem sie diese Begriffe auf der

Grundlage eines zuvor besprochenen theologischen Texts ausformulieren. Die

Arbeitsaufgabe, wie dabei vorzugehen ist, wird nicht im Portal abgelegt son-

dern im Unterricht besprochen. Den Schülern, die in verschiedenen Gruppen

verschiedene Themen bearbeiten, stehen dabei alle Portlets im Portal für die

Inhaltsausgestaltung zur Verfügung, die der Lehrer zuvor dort bereitgestellt

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hat; der Lehrer kann die Zugriffsrechte jedoch auch so vergeben, dass auch die

Schüler selber weitere Portlets hinzufügen können. Die verschiedenen Grup-

pen können gleichzeitig an einer Portalseite arbeiten, wobei die Zwischener-

gebnisse aller Gruppen schon während der Bearbeitung für die anderen Grup-

pen einsehbar sind. Nach Abschluss der Bearbeitung kann die gemeinsame

Portalseite sehr einfach auch für andere Leser freigegeben und im Internet

präsentiert werden.

Die technische Komponente für die Portale wurde genauso wie die Fragebögen

durch Rückkopplung mit den Nutzern weiterentwickelt. Die in der ersten Ver-

sion bestehenden Einschränkungen, wie die beschränkte Menge an Portalele-

menten und deren eingeschränkte Funktionalität wurden in einer zweiten Ver-

sion verbessert. In der zweiten Version der Portale sind die drei Portalspalten

frei mit Elementen aus dem Baukasten befüllbar und konfigurierbar. Die dritte

Version der Portale, die sich zurzeit in der Entwicklung befindet, vereinfacht

die Gestaltung und Bedienung der Portale weiter. In dieser kommen interakti-

ve Ajax-basierende Elemente zum Einsatz, die z. B. Funktionen für automati-

sches Speichern bieten.

Vom Lernszenario zum Lernszenariobaukasten Das Konzept der Lernszenarien im Gegensatz zu Werkzeugen auf anderen

Lernmanagementsystemen besteht darin, dass bei den Lernszenarien auch

immer ein Handlungsleitfaden mitgeliefert wird. Ein Lernszenario ist also nicht

nur ein Werkzeug, mit dem ein didaktischer Ansatz umgesetzt werden kann,

sondern beinhaltet zusätzlich auch immer ein Konzept, wie ein didaktischer

Ansatz umgesetzt werden kann. Der Handlungsleitfaden kann neben der Do-

kumentation auch in das Werkzeug integriert sein.

Dass die Erarbeitung eines Handlungsleitfadens sehr komplex und aufwendig

sein kann, zeigt beispielsweise die ebenfalls von uns als Lernszenario umge-

setzte Pyramidendiskussion (vgl. Blanck, 2006). Die Pyramidendiskussion ist

ein Diskursstrukturierungsverfahren, das in Kursen verwendet wird, um die

Fähigkeiten der Teilnehmer im strukturierten Durchführen von Diskussionen

zu fördern.

Der erste Schritt der Pyramidendiskussion ist das Aufteilen der Teilnehmer in

Gruppen. Alle Gruppen erhalten die gleiche Problemstellung, zu der sie eine

gemeinsame Position erarbeiten sollen. Dann werden jeweils zwei Gruppen

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zusammengefügt, mit dem Ziel festzustellen, ob die Positionen vereinbar sind.

Gelingt dies, kann die Pyramide weitergeführt werden. Im Prozess werden

dann so lange Gruppen zusammengefügt und Positionen erarbeitet, bis alle

Teilnehmer der Pyramidendiskussion in einer Gruppe eine gemeinsame Positi-

on erarbeitet haben.

Abbildung 4: Ablauf einer Pyramidendiskussion

Bei der Pyramidendiskussion werden Elemente wie Gruppenverwaltung und

Texteditor verwendet, die sich auch in anderen Lernmanagementsystemen

wieder finden. Die Verbindung und Vorstrukturierung der Gruppenstruktur

geht aber über diese Standardkomponenten hinaus und ist Teil des Hand-

lungsleitfadens, die dem Lehrer vorgibt, wie eine Pyramidendiskussion konk-

ret durchzuführen ist. In diesem Szenario gibt die Anwendungsstruktur die

wesentlichen Teile des Ablaufs vor. Für die Durchführung notwendig ist zu-

sätzlich eine Dokumentation, die den Ablauf erklärt.

Fazit Die mehrjährige Entwicklung und Evaluation von Lernplattformen unter all-

tagspraktischen Bedingungen hat gezeigt, dass die Kombination von techni-

schen Komponenten mit didaktischen Ansätzen zu Problemen führt, die weder

von Didaktikern noch von Technikern allein gelöst werden können. Erfolgrei-

ches Lernen mit technischer Unterstützung setzt voraus, dass Didaktiker und

Techniker gemeinsam Lösungen für die Probleme erarbeiten. Deutlich wurde

dies durch unsere Forschung im Bereich der Lernplattformen, die zu der Ent-

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wicklung der Lernszenarien geführt hat. Handlungsleitfäden bilden dabei eine

Brücke, die bei der Lösung dieser Probleme hilft.

Lernszenarien haben also den Vorteil, dass sie spezifisch auf einen didakti-

schen Ansatz angepasst sind und diesen korrekt durch Anwendungslogik und

Dokumentation unterstützen. Jedoch braucht man für die Entwicklung von

Lernszenarien Techniker und Methodenexperten, die zusammenarbeiten, um

genau diesen Handlungsleitfaden und die Anpassung der Standardkomponen-

ten zu entwickeln.

Da der Prozess zur Erstellung eines solchen Lernszenarios zum einen aufwen-

dig ist und zum anderen insofern unflexibel, als nur vorab entsprechend ent-

wickelte Szenarien zur Verfügung stehen, ist für die Zukunft geplant, einen

Methodenbaukasten zu schaffen, mit dem Methodenexperten ohne die Hilfe

von Technikern Lernszenarien entwickeln können. Um dies zu erreichen, muss

der Methodenbaukasten alle technischen Probleme lösen, die aus der Kombina-

tion von Komponenten zum Lernszenario entstehen. Dazu ist es zunächst er-

forderlich, die Grundbausteine für die Entwicklung von Lernszenarien zu

identifizieren und eine geeignete Modellierungstechnik zu finden, die es Me-

thodenexperten ermöglicht, Lernszenarien auf dieser Basis umzusetzen.

Referenzen Blanck, B.: Diskutieren mit der Methode der »erwägungsorientierten Pyrami-

dendiskussion« – ein Beispiel für computerunterstütztes erwägendes Lernen.

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Vita Dipl.-Inform. Marcel Jakoblew, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Fachgruppe

Kontextuelle Informatik am Heinz Nixdorf Institut der Universität Paderborn.

Forschungsschwerpunkte: E-Learning und Knowledge Management.

Dipl.-Inform. Dominik Niehus, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Fachgruppe

Kontextuelle Informatik am Heinz Nixdorf Institut der Universität Paderborn.

Forschungsschwerpunkte: E-Learning und Knowledge Management.

Dr. Harald Selke, Diplom-Mathematiker mit Erstem Staatsexamen für das Lehr-

amt in den Fächern Mathematik und Informatik. Promoviert im Fachgebiet

Kontextuelle Informatik am Heinz Nixdorf Institut der Universität Paderborn.

Forschungsschwerpunkte: Unterstützung von Lehr- und Lernprozessen durch

digitale Medien, Entwicklung ko-aktiver Systeme, Gebrauchstauglichkeit von

Web-Applikationen.

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298

Karin Ernst: LIFE – Bildung Umwelt Chancengleichheit – e.V., [email protected]

eXplorarium – eLearning im Unterricht von Anfang an

Experimentieren mit Strom in einer 1. Klasse/ Foto: Miriam Asmus, LIFE e.V.

Zusammenfassung Das Projekt eXplorarium wurde 2005 vom Berliner Bildungssenat begründet,

um ausgewählte Schulen in sozialen Brennpunkten an den Umgang mit digita-

len Medien heranzuführen und sie dabei zu unterstützen, die Ziele des neuen

eEducation Berlin Masterplan zu verwirklichen.

Das Projekt wurde praktisch von Anfang 2006 bis Ende 2011 durchgeführt. Es

haben sich insgesamt 19 Schulen mit unterschiedlicher Laufzeit und unter-

schiedlichen Typs, wenn auch überwiegend Grundschulen, beteiligt. Bisher

sind rund 5000 Kinder und Jugendliche (Anfangsunterricht bis Abitur) und

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Karin Ernst

299

mehr als 500 Erwachsene auf den Lernplattformen des Projekts aktiv gewesen.

Es wurden über 500 Kurse zu Unterrichtsthemen entwickelt und durchgeführt.

Das Projekt hat sich anfangs an bereits erprobten Strategien aktiven und kolla-

borativen Lernens im Netz orientiert (Webquests, Internet-Kooperationen wie

„Journey North“) und dann zunehmend eine große Breite an Unterrichtsideen

entwickelt, die sich am Konzept des „Inquiry based learning“ orientieren und

reale und virtuelle Welt miteinander verbinden. Entdeckendes Lernen, Freinet-

Pädagogik und Lernwerkstatt-Arbeit standen dabei Pate. Kinder und Jugendli-

che haben die Lernanreize mit Begeisterung aufgenommen, Lehrkräfte zeigten

sich oft erstaunt darüber, wie interessant und ideenreich Unterricht doch sein

kann – unabhängig von der neuen Technik.

Das Projekt konnte zeigen, dass eLearning erfolgreich zum alltäglichen Unter-

richt beitragen kann. Darüber hinaus wurde deutlich, dass sich eLearning auf

der Lernplattform „Moodle“ hervorragend als Lernwerkzeug eignet, um inno-

vative didaktische Ideen zu realisieren und Kinder und Jugendliche zum ei-

genständigen Lernen zu motivieren, auch über den Rahmen der Schulklasse

hinaus.

Wie im eXplorarium kann an allen Schulen gearbeitet werden, vorausgesetzt

es gibt eine Basis interessanter, gut ausgearbeiteter Blended-Learning-

Kurse, die an die jeweilige Unterrichtssituation angepasst werden können,

auf einer nutzerfreundlichen Lernplattform wie Moodle, die auch von zu

Hause aus zu erreichen ist,

die Lehrkräfte begrüßen die neuen Möglichkeiten und haben genügend

Zeit für anspruchsvolle Fortbildungen

und werden bei den ersten Schritten der Realisierung durch Coaching

direkt im Unterricht unterstützt.

Ausgangssituation und Ziele der eXplorarium-Projekte Das erste eXplorarium-Projekt wurde 2005 von LIFE e.V. im Auftrag des Berli-

ner Bildungssenats und gefördert vom Europäischen Sozialfonds begründet,

um ausgewählte Schulen in sozialen Brennpunkten in Kreuzberg und Neukölln

an den Umgang mit digitalen Medien heranzuführen und sie dabei zu unter-

stützen, die Ziele des zu diesem Zeitpunkt veröffentlichten eEducation Berlin

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eXplorarium – eLearning im Unterricht von Anfang an

300

Masterplan zu verwirklichen. Dazu sollten Lernangebote für Kinder entwickelt

und durchgeführt und Lehrkräfte und Eltern fortgebildet werden. Langfristi-

ges Ziel war die Übernahme der entwickelten Angebote und Strategien in den

normalen Schulalltag.

Zum damaligen Zeitpunkt waren die Schulen dafür in der Regel technisch

nicht gut ausgestattet und insbesondere in Grundschulen zeigte man sich von

der ersten Welle der IT-Orientierung, bei der es vor allem um Office-

Programme und Lernspiele gegangen war, eher enttäuscht. Gab es einen PC-

Raum an der Schule, so wurde er für Übungsprogramme, gelegentliche Inter-

net-Recherchen und Computer-AGs genutzt, gab es PCs in der Klasse, so wur-

den an ihnen Texte geschrieben. Engagierte Lehrkräfte gestalteten daraus Pro-

jekt-Websites für die Schule. Einige Grundschulen führten Kinder ab der 3.

Klasse in die Nutzung des PC zum Schreiben, an die Internet-Recherche und

das Schreiben von e-Mails heran. Die erworbenen Qualifikationen spielten im

Unterricht selten eine Rolle. Für die Kinder verband sich ein Computer vor

allem mit Spielen.

Durch den eEducation Masterplan war es möglich, die Schulen nach und nach

mit moderner Hardware auszustatten. Dies sollte jedoch nicht alles sein – der

Masterplan konzipierte auch ein umfangreiches, gestuftes Fortbildungspro-

gramm für alle Lehrkräfte und rief „Leitprojekte“ ins Leben, die neue Wege des

IT-gestützten Lernens in der Schule erproben sollten. Eins davon war das eX-

plorarium. Angesiedelt bei der Bildungsorganisation LIFE e.V. konnte bei der

Konzipierung des Projekts auf Erfahrungen mit Blended Learning unter Nut-

zung der Lernplattform Moodle zurückgegriffen werden – wenn auch für Er-

wachsene. Gleichzeitig gab es einen reichhaltigen Schatz von Erfahrungen im

aktiven und entdeckenden Lernen zu naturwissenschaftlichen Themen mit

Schülerinnen und Schülern – allerdings ohne Nutzung digitaler Medien. Ob

sich aus diesen beiden Ansätzen innovative Angebote für die Schulen würden

entwickeln lassen, war zunächst eine offene Frage. Die EU-Förderung machte

es möglich, ihr nachzugehen.

Die Projektgruppe kam mit interessierten Schulleiter/innen und Lehrkräften ins

Gespräch und nach und nach wurden die Ziele konkretisiert:

Die Lernangebote sollten zeigen, auf welche Weise Computernutzung und

eLearning Teil des normalen Unterrichts sein können. Es sollten demzufol-

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ge keine Freizeit-, Wahl- oder Zusatzangebote entwickelt werden und es

sollte auch nicht nur um die Medien „an sich“ gehen, sondern um einen

neu gestalteten Unterricht.

Um dies zu erreichen, sollten eLearning-Angebote modellhaft in Koopera-

tion von externer eLearning-Expertin und Lehrkraft durchgeführt werden.

Die Angebote sollten didaktisch innovativ sein und weitere Strategien der

Berliner Schulreform unterstützen (JüL, Kompetenzerwerb, problemorien-

tiertes und kollaboratives Lernen).

In umfangreichen Fortbildungen sollten pro Schule einige Lehrkräfte ler-

nen, selbst Kurse zu entwickeln, und anschließend ihr Wissen im Kollegi-

um weitergeben.

Weitere Fortbildungen zu PC-Basisqualifikationen sollten bei Lehrkräften

und Eltern für mehr Aufgeschlossenheit gegenüber der Nutzung digitaler

Medien sorgen.

Organisatorische Umsetzung Projekt- und Finanzierungsphasen Das Projekt wurde praktisch von Anfang 2006 bis Ende 2011 in unterschiedli-

chen Finanzierungsphasen durchgeführt. Es wurden nicht nur Kurse entwi-

ckelt und angeboten und vielfältige Fortbildungen durchgeführt, sondern auch

zwei wissenschaftliche Studien in Auftrag gegeben, ein Katalog von Qualitäts-

kriterien für eXplorarium-Kurse entwickelt und ein Modell zur rechtssicheren

Kurslizenzierung und –weitergabe erarbeitet.

In weiteren Phasen des Projekts kamen neue Schulen aus Neukölln und Fried-

richshain-Kreuzberg, aus Mitte und aus Reinickendorf zum Projekt hinzu,

während andere sich verabschiedeten. In der Projektphase ab 2009 wurde die

Fortbildungsstrategie geändert. Teil des Projekts wurde die Entwicklung von

Fortbildungsmodulen zum „Advanced Multimedia Teacher“ laut Masterplan,

die möglichst viele Lehrkräfte durchlaufen sollten. Über diese Fortbildungen

konnten inzwischen Lehrkräfte aus ganz Berlin erreicht werden.

Während die Schulen seit Anfang 2012 selbständig, aber gut mit dem eXplora-

rium vernetzt weiterarbeiten, konzentriert sich das eXplorarium aktuell auf die

Konzeption und Begleitung multimedialer Lernwerkstätten an Schulen.

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eXplorarium – eLearning im Unterricht von Anfang an

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Am Projekt haben sich bis Ende 2011 insgesamt 19 Schulen mit unterschiedli-

cher Laufzeit und unterschiedlichen Typs, überwiegend Grundschulen, betei-

ligt. Bisher sind rund 5000 Kinder und Jugendliche vom Anfangsunterricht bis

zum Abitur und mehr als 500 Erwachsene als Lehrkräfte und in Fortbildungen

auf den Lernplattformen des Projekts aktiv gewesen. Es wurden über 500 Kur-

se zu Unterrichtsthemen entwickelt und durchgeführt. Sechs Schulen haben

durch das eXplorarium inzwischen mehr als die Hälfte ihrer Schülerinnen und

Schüler mit eLearning vertraut gemacht.1

Vorgehen bei der Einführung des Projekts Im ersten Projektjahr wurde eine idealtypische Strategie für die Verbreitung

der Projektangebote im Schulalltag entwickelt:

1. Interessierte Lehrkräfte arbeiten im Unterricht mit den externen Dozentin-

nen zusammen und beschließen, über den eLearning-Ansatz mehr zu ler-

nen.

1 Zahlen und Fakten sind in den verschiedenen Projektberichten nachzulesen, die über die

Website des eXplorarium zu erreichen sind:

http://www.explorarium.de/veroeffentlichungen.html

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2. Falls nötig, frischen sie ihre IT-Basis-Kenntnisse auf.

3. Sie nehmen an der Fortbildung zur Kursentwicklung teil und lernen, eige-

ne eLearning-Angebote zu entwickeln.

4. Bei ihrem ersten eigenen Angebot werden sie von einer Dozentin unter-

stützt und gecoacht.

5. Währenddessen hat bereits eine andere Lehrkraft zeitversetzt diesen Pro-

zess begonnen.

6. An der Schule entsteht ein Netzwerk von Interessierten, die sich nach und

nach gegenseitig unterstützen.

7. Im Gesamt-Netzwerk entstehen immer mehr Kurse, die untereinander

weitergegeben werden können.

8. Die externe Dozentin wird allmählich zur Begleiterin und kann sich

schließlich aus der Schule zurückziehen.

Dieser Prozess erfuhr in den sechs Jahren der geförderten Projektaktivität viel-

fältige Abwandlungen. Parallel eingeführte weitreichende Veränderungen in

der Berliner Schullandschaft wie das jahrgangsübergreifende Lernen und die

Schulstrukturreform banden engagierte Lehrkräfte an anderer Stelle, das Fort-

bildungsprogramm „Advanced Multimedia Teacher“ bot den Lehrkräften

weniger Unterstützung bei der eigenen Kursentwicklung als das projektinterne

Programm der ersten Jahre, und vielen Lehrkräften reichte die Tandem-Arbeit

über ein halbes Schuljahr und einen Kurs nicht aus, um sich anschließend bei

eigenständigen eLearning-Angeboten sicher genug zu fühlen. Der Verände-

rungsprozess verlief demnach nicht immer so schnell wie erhofft. Das Projekt

erweiterte deshalb seine Begleitangebote im Unterricht und entwickelte neue

Fortbildungsformen, die Schulen setzten eigene Mittel ein, um mehr Lehrkräf-

ten Unterstützung bieten zu können.

Trotz der dadurch erreichten Kompetenz und Selbständigkeit möchten die

Schulen aber nicht auf das eXplorarium verzichten:

Die externen, aber in Absprache entwickelten eLearning-Kurse sind gut

durchdacht und pädagogisch innovativ, während für eine derartige Kurs-

entwicklung innerhalb der Schule meist die Zeit fehlt.

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eXplorarium – eLearning im Unterricht von Anfang an

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Das eXplorarium unterstützt aufgrund seiner vielfältigen Verbindungen

dabei, ungewöhnliche, über den Unterricht hinausgehende Ideen zu reali-

sieren, z.B. die Zusammenarbeit mit Kulturprojekten.

Es reizt die Möglichkeiten der internationalen Zusammenarbeit

(COMENIUS, Austausch mit den USA) aus und zeigt ihre Machbarkeit,

weil dies ein genuiner Vorteil von eLearning ist.

Aufgrund der direkten praktischen Umsetzbarkeit sind Fortbildungen und

Coaching-Angebote hochgradig wirksam.

Die Zusammenarbeit mit vertrauten Außenstehenden sorgt in den Schulen

für Verbindlichkeit und Mut zur Innovation.

LIFE e.V. arbeitet deshalb an Möglichkeiten, das eXplorarium auch nach dem

Ende der EU-Förderung zu einer verlässlichen Einrichtung zu machen.

Technische Realisierung des Projekts Die meisten Kursangebote werden in der Schule als normaler Unterricht

durchgeführt, die Lernplattform ist dabei ein Lernwerkzeug unter anderen.

Um im eXplorarium arbeiten zu können, sind eine schnelle und belastbare

Internet-Verbindung und ein aktueller Browser nötig. Einfache Programme

zum Schreiben, Zeichnen und für die Bildbearbeitung sind hilfreich.

Im Laufe der Jahre sind drei grundlegende Organisationsmodelle entstanden:

Wöchentlicher Kurs im PC-Raum: Die Kinder bzw. Jugendlichen arbeiten

in zwei Teilungsgruppen jeweils 90 Minuten in einem Kurs, der sich über

mehrere Wochen, oft über das Schulhalbjahr, zieht. Die Fortsetzung der

Aktivitäten in anderen Unterrichtsstunden an den klasseneigenen PCs ist

erwünscht, manchmal nötig. Viele Kinder bzw. Jugendliche schätzen es,

auch von zu Hause aus an den Kursaktivitäten arbeiten zu können. Man-

che Schulen betrachten den Teilungsunterricht mit Skepsis, weil er viele

personelle Ressourcen bindet.

Arbeit in der Notebook-Klasse (Grundstufe): Jedem Kind steht in der Klas-

se ein Notebook zur Verfügung. In der Regel wird differenziert gleichzeitig

an verschiedenen Aktivitäten und oft auch Themen gearbeitet. Die Lern-

begleitung durch schriftliches Feedback und dynamische Kursanpassung

ist intensiv, der Grad der Selbständigkeit der Schülerinnen und Schüler

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hoch. Sie arbeiten auch zu Hause in den Kursen. Im Unterricht nimmt die

Arbeit mit Notebooks 30-50% der Unterrichtszeit ein.

Arbeit mit dem Notebook-Pool (Sekundarstufe): Für eine Jahrgangsstufe

bzw. eine andere Organisationseinheit steht ein beweglicher Notebook-

Pool zur Verfügung, der nach Absprache durch die verschiedenen Klassen

genutzt wird. Der Einsatz ist auf einzelne Fächer mit ihrem in der Regel

geringen Stundenumfang bezogen. Hausaufgaben werden oft in die Kurse

integriert, um die Arbeitsmöglichkeiten zu erhöhen. Viele Lehrkräfte

schätzen inzwischen die Möglichkeit, Lernprozesse auf diese Weise detail-

liert wahrzunehmen und den Schüler/-innen individuelles Feedback geben

zu können.

Die größere organisatorische Flexibilität des Grundschulunterrichts hat in Ver-

bindung mit innovativen Lehrkräften und modernen didaktischen Konzepten

dazu geführt, dass das eXplorarium besonders viele Beispiele guter Praxis in

der Grundschule vorweisen kann.

Didaktische Umsetzung Das Projekt hat sich anfangs an bereits erprobten Strategien aktiven Lernens im

Netz orientiert (Webquests, Internet-Kooperationen wie „Journey North“) und

dann zunehmend eine große Breite an Unterrichtsideen entwickelt, die sich am

Konzept des „Inquiry based learning“ unter Einbeziehung des Freien Aus-

drucks orientieren. Entdeckendes Lernen, Freinet-Pädagogik und Lernwerk-

statt-Arbeit standen dabei Pate.

Moodle ist ein virtuelles Lernwerkzeug, das nicht nur material- und produkt-

orientiert ist, sondern den Prozess Entdeckenden Lernens abbilden und gestal-

ten hilft. Es gibt viele andere Lernplattformen und viele von ihnen verlagern

den Frontalunterricht in die Online-Welt – Texte werden gelesen, Hausaufga-

ben eingereicht, Verständnis wird abgetestet. Moodle ist als Gegenentwurf

entstanden. Die pädagogische Basis wird von der Inquiry-orientierten natur-

wissenschaftlichen Bildung und den Grundannahmen konstruktiven Lernens

geprägt, ein wesentliches Lernmittel in Moodle ist der erkenntnisbildende Dia-

log und das reflektierende Schreiben. Es war deshalb leicht für uns, Moodle als

Werkzeug für unser „Entdeckendes eLernen” auszuwählen.

Im Folgenden einige Beispiele für exemplarische Konzeptionen von Blended-

Learning-Kursen im eXplorarium:

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eXplorarium – eLearning im Unterricht von Anfang an

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Kursidee: Probleme lösen Ein besonders häufig angebotener Kurs im eXplorarium ist die „Strom-

Werkstatt“. Der Ablauf orientiert sich an der Idee des „Webquest“, einem ame-

rikanischen Ansatz, der zum Ziel hat, aktives Lernen mit dem Internet möglich

zu machen.2 Der Inhalt entspricht dem aktuellen Rahmenplan für den Sachun-

terricht der ersten beiden Klassen. Inzwischen gibt es Versionen der Strom-

werkstatt auch für höhere Klassen.

Die Strom-Werkstatt hat in der Version für Schulanfänger-/innen folgende

Stadien:

Durch erkundende Experimente machen sich die Kinder mit wichtigen Phä-

nomenen des elektrischen Stroms vertraut. Die Aufgaben finden sie auf der

Lernplattform, das Material in der Klasse.

Sie notieren Beobachtungen und Fragen im Online-Lerntagebuch und erhalten

dazu ein Feedback. Ihnen wird Grundlagenwissen zum besseren Verständnis

und zum Verfolgen eigener Fragen mit Hilfe des Internets angeboten.

Sie werden aufgefordert, ihre Erkenntnisse in die Erfindung eines eigenen

„Leuchtobjekts“ umzusetzen, das sie entwerfen und bauen.

Sie präsentieren ihre Erfindung real und digital.

Ihren persönlichen Bezug zum Thema beschreiben sie in eigenen Texten, etwa

dazu, wie sie sich Strom vorstellen oder was ihre Erfindung bedeutet.

Da das Lernen über elektrischen Strom seit langem Gegenstand wissenschaftli-

cher Forschung zu „Alltagsvorstellungen“ ist, enthalten weitere Versionen des

Kurses und vor allem auch Versionen für ältere Kinder Diskussionsmöglichkei-

ten, um den Alltagsvorstellungen auf die Spur zu kommen, und Aktivitäten,

um sich mit ihnen auseinander zu setzen.3

Die Grundstruktur

sich mit einem Phänomen (oder einem Thema, einer Frage) vertraut ma-

chen

2 Vgl. http://webquest.org/ 3 Anregungen kommen zum Beispiel vom Lehrstuhl für Didaktik der Physik der Universität

München, vgl. http://www.edu.uni-muenchen.de/supra/sachunterricht_home_gesamt.htm

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es gründlicher kennenlernen

etwas Eigenes dazu entwickeln oder erfinden

das Ergebnis beschreiben, präsentieren und persönlich erläutern

findet sich inzwischen auch in vielen anderen Kursen und macht die Kinder

schnell zu selbstbewussten Lernenden.

Kursidee: Dialoge mit Insekten – und anderen Tieren, Pflanzen und Sachen

Ausschnitt aus einer Forumsdiskussion, 3. Klasse

In Afrika hat Jos Elstgeest, ein bekannter niederländischer Didaktiker, ein

grundlegendes Prinzip Entdeckenden Lernens auf den Begriff gebracht: Die

Aufforderung „Ask the Ant Lion“ regt afrikanische Kinder dazu an, einem in

ihrer Umgebung häufig vorkommenden Insekt „Fragen zu stellen“. Da Amei-

senlöwen die menschliche Sprache nicht verstehen, kommt es darauf an, sie so

zu fragen, dass sie sie mit ihren eigenen Mitteln beantworten können. Die Fra-

ge „Was fressen Ameisenlöwen?“ stellt man also, indem man ihnen ganz un-

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eXplorarium – eLearning im Unterricht von Anfang an

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terschiedliche Nahrungsmittel anbietet und über längere Zeit beobachtet, was

sie annehmen und was nicht.4

Dieses Prinzip, eine wissenschaftliche Fragestellung und eine Methode zu ihrer

Beantwortung zu entwickeln, ist universell und heute ebenso im Unterricht

anwendbar wie zur Zeit seiner Erfindung. In dem darauf aufbauenden Kurs-

konzept sind wir beim Thema Insekten geblieben und widmen uns dem Le-

benszyklus der Mehlwürmer. Hier die wichtigsten Elemente des Kursverlaufs:

Die Kinder lernen Mehlwürmer kennen und finden auf der Lernplattform

Foren, in denen sie u.a. nach ihren Vermutungen gefragt werden, was ein

Mehlwurm zum Leben brauche.

Sie entwickeln Experimente, mit denen sie den Vermutungen nachgehen,

und beobachten dabei die Mehlwürmer über längere Zeit. Was sie sehen

und sich fragen, wird in einem Wiki gesammelt. Der Lebenszyklus vom

Mehlwurm zum Mehlkäfer und wieder zu neuen Mehlwürmern wird nach

und nach dokumentiert.

Wenn interessante neue Fragen aufkommen, werden neue Arbeitsmög-

lichkeiten angelegt.

Die durch die Beobachtungen von Mehlwürmern gewonnenen Erkenntnis-

se werden mit Hilfe von Internet-Material und realen Exkursionen auf In-

sekten ausgeweitet.

Das Kursprinzip ist durch alle Klassenstufen hindurch anwendbar, selbstver-

ständlich für die unterschiedlichsten Themen.

Kursidee: Beteiligung und Zusammenarbeit Aktives Lernen mit digitalen Werkzeugen funktioniert im Alltag inzwischen

mit großer Vielfalt:

In unserem „Zeitungsprojekt“ 5 haben Fünftklässler/-innen veröffentli-

chungsreife Artikel geschrieben, sich von einer Redakteurin beraten lassen

und an Kinderpressekonferenzen teilgenommen.

4 African Primary Science: Ask the Ant Lion. Newton, MA o.J., übernommen durch Kenya

Primary Science 1978. Karin Ernst, Frag’ die Bohne, sie hat immer recht. In: Die Grund-

schulzeitschrift 11/1988, S. 24f.

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Für Klassenfahrten werden Untersuchungsfragen für die Arbeit vor Ort

entwickelt und später online dokumentiert.

Es werden Zeitmesser erfunden und schon Erstklässler/innen philosophie-

ren online über Zeiterfahrungen.

Mit Abstimmungen und Umfragen zu interessanten Themen kommen

Kinder und Jugendliche Diagrammen und Kurven auf die Spur.

Kinder und Jugendliche entwickeln in der Lernwerkstatt und anderswo

eigene „Forschungsfragen“ und dokumentieren ihren Arbeitsprozess in

Blogs und Online-Büchern

Wichtig ist dabei, die Kinder bzw. Jugendlichen ernst zu nehmen und ihnen

Beteiligung und eigenständige Ideen zu ermöglichen, statt ihnen Aufgaben

aufzudrängen, die allein die Lehrkraft wichtig findet.

Herausforderungen der verschiedenen Schulstufen Dass eLearning bereits von der 1. Klasse an möglich sein könnte, wurde zu

Beginn des eXplorariums bezweifelt. Müssen Kinder nicht wenigstens lesen

können? Und das 10-Finger-Tippsystem beherrschen?

Einer der ersten Moodle-Kurse im Projekt, der kurz nach Projektstart zum 2.

Schulhalbjahr begann, bewies schnell das Gegenteil. Er fand an einer Schule in

Neukölln-Nord statt, die Kinder waren nicht-deutscher Herkunftssprache.

Weil noch kein Kind richtig lesen konnte, wurden alle Texte auch per MP3-File

vorgelesen. Den Kindern gefiel das. Sie begannen selbständig, die vorgelesenen

Worte zu entziffern, und wollten in ihr Lerntagebuch schreiben. Die Versuche

in der Stromwerkstatt waren spannend, die Erfindung eines eigenen Leuchtob-

jekts machte sie kompetent und stolz. Sie dachten sich eigene Erklärungen zum

Strom aus, versuchten sie aufzuschreiben und lasen sie vor. Ihre eigenen

Soundfiles wurden Teil des Kurses, ebenso wie die Bilder und Beschreibungen

ihrer Leuchtobjekte.

Sie lernten schneller lesen als die Parallelklassen. Mit 10 Fingern tippen konn-

ten und brauchten sie nicht. „Die Stromwerkstatt“ verbreitete sich über mehr

5 In Zusammenarbeit mit der „Berliner Morgenpost“ im Projekt „Schüler machen Zeitung“,

vgl. http://www.morgenpost.de/schueler/article737306/

Die_Welt_der_Medien_entdecken.html

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eXplorarium – eLearning im Unterricht von Anfang an

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und mehr Klassen. Im jahrgangsübergreifenden Lernen wird inzwischen auf

die Soundfiles verzichtet, denn es finden sich immer Kinder, die denen, die es

noch nicht können, Texte vorlesen und Aufgaben erklären.

Lerntagebuch 2. Klasse

Ab der 3., spätestens 4. Klasse sind eXplorarium-Kinder kompetent in der Nut-

zung von Computern, insbesondere in Notebook-Klassen. Viele schreiben lei-

denschaftlich gern, wenn auch nicht immer richtig, alle können ihre Texte mit

Fotos illustrieren und Paint-Zeichnungen anfertigen. Die verschiedenen Modu-

le der Lernplattform sind ihnen vertraut. Untereinander und mit den Lehrkräf-

ten tauschen sie sich per Moodle-Mitteilung aus. Viele Kinder sagen, dass

ihnen die ernsthafte Arbeit, die sie mit dem Computer „wie die Erwachsenen“

tun können, besonders gut gefällt.

Die Arbeit auf der Lernplattform bietet den „kleinen“ Kindern vor allem Auf-

gaben mit konkreten Experimenten und Beobachtungen, leicht verständliche

Arbeitsmaterialien, Lerntagebücher für eigene Notizen und Gedanken, Mög-

lichkeiten zur Dokumentation und Präsentation der Arbeit in einfachen Daten-

banken und möglicherweise Audio-Files, mit denen die Texte vorgelesen wer-

den. Die Kursoberfläche ist übersichtlich und enthält nur wenige Seitenblöcke.

Es ist Aufgabe der Lehrkraft, wichtige Ereignisse beim Lernen mit Bildern und

kleinen Texten zu dokumentieren.

Für ältere Kinder und Jugendliche bietet die Lernplattform Aufgaben mit

Rückmeldung und Korrektur, vielfältige Arbeitsmaterialien, die auch über

Links eingebunden werden können, umfangreiche Möglichkeiten zum Aus-

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tausch in Foren und zur Sammlung von Ergebnissen in Glossaren und Daten-

banken, dazu, wenn man möchte, selbst entwickelte Übungen und Tests. Die

Arbeitsoberfläche kann durch mehr Seitenblöcke bereichert werden, z.B. durch

RSS-Feeds zum Thema des Kurses.

In der Mittelstufe ist eLearning für manche Jugendlichen zu schulisch, soziale

Netzwerke, Computerspiele und Chatrooms kommen ihren Interessen eher

entgegen. Selbstverständlich gibt es trotzdem interessante Kurse für die Mittel-

stufe, die von Lehrkräften mit großem Engagement durchgeführt werden. Im

Rahmen der Schulstrukturreform ist hier noch viel Entwicklungsarbeit nötig,

wobei sich eLearning für die sich etablierenden neuen, partizipativen und

kompetenzorientierten Lernmethoden geradezu anbietet.

In der Oberstufe kennen wir bisher nur wenige Einsatz-Beispiele, erarbeiten

aber derzeit die eLearning-Grundlagen für ein umfangreiches Projekt zu den

Wahlen in den USA im Auftrag der amerikanischen Botschaft. Oberstufen-

Schüler/-innen sind durchaus in der Lage, selbst Moodle-Kurse zu gestalten,

die Lernplattform ist eines von mehreren digitalen Werkzeugen, das sie im

Alltag nutzen.

Auswirkungen und Veränderungen Die Probleme, Wirkungen und Erfolge des Projekts wurden durch Beobach-

tungen und viele Gespräche auf Netzwerktreffen, Fachtagungen, im Qualitäts-

ausschuss und in den regelmäßigen Gesprächsrunden der Dozentinnen ge-

sammelt und aufbereitet. Die Ergebnisse unterstreichen die innovativen

Möglichkeiten des eLearning und lassen sich folgendermaßen zusammenfas-

sen:

eLearning sorgt für mehr Kommunikation: Alle Kinder und Jugendlichen wer-

den „gehört“, Schwächere haben mehr Chancen und es gibt mehr Gelegenhei-

ten zur individuellen Lernbegleitung, weil es dafür leicht zu nutzende digitale

Werkzeuge gibt.

eLearning trägt damit zur Sprachförderung bei: Texte überwiegen auf Lern-

plattformen, aber sie sind auf Kontexte bezogen, die für die Kinder Sinn ma-

chen und ihren sprachlichen Möglichkeiten angepasst wurden. Die Kommuni-

kation und das dahinter stehende Denken werden sichtbar und bleiben

erhalten. In eXplorarium-Kursen schreiben die meisten Kinder viel und gern.

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eXplorarium – eLearning im Unterricht von Anfang an

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Sie finden ihre eigenen Ausdrucksformen und lernen, so zu schreiben, dass sie

verstanden werden.

Durch die Dokumentationsmöglichkeiten der Lernplattform stehen für alle

mehr Lernergebnisse zur Verfügung: Alles wird ordentlich an einem auf vielen

Wegen erreichbaren Ort gesammelt und steht für die Weiterarbeit zur Verfü-

gung. Die Arbeitsergebnisse sind transparent, die Lernprozesse können ein-

schließlich ihrer Umwege nachverfolgt werden. In vielen Kursen ist das reine

Faktenwissen weniger wichtig als das Denken und Argumentieren, aber die

Kinder und Jugendlichen schätzen auch die automatisch bewerteten Tests als

Übungsmöglichkeiten. Da die eXplorarium-Kurse über die Schulzeit erhalten

bleiben, können Kinder und Jugendliche ein Verhältnis zur eigenen Lernge-

schichte entwickeln.

Das Lernen ist nachhaltiger als herkömmlicher Unterricht: Die immer wieder

eingeplanten Begegnungen mit der Wirklichkeit machen das Lernen sinnvoll,

echte Fragen und interessante Probleme führen zum Behalten des Erarbeiteten

und zu grundlegendem Verstehen und viele Erkenntnisse sind meist unmittel-

bar nützlich. Häufig wird exemplarisch gelernt und in Gruppen gearbeitet, was

die Informationsfülle reduziert, aber das Verstehen fördert.

Die Beteiligten erfahren eine große Wertschätzung, denn alle Kinder können

sich äußern und ihre Gedanken werden ernst genommen, bis ein Kurs am Ende

schließlich das Gemeinschaftswerk aller Akteure geworden ist.

Fazit Das Projekt eXplorarium konnte zeigen, dass eLearning zum Teil des alltägli-

chen Unterrichts werden kann. Darüber hinaus wurde deutlich, dass sich

eLearning auf der Lernplattform „Moodle“ hervorragend als Lernwerkzeug

eignet, um innovative didaktische Ideen zu realisieren und Kinder und Jugend-

liche zum aktiven Lernen zu motivieren. Altersjahrgänge und Schulstufen

stellen keine Grenzen dar, denn die Lernmöglichkeiten können auf die Lern-

gruppe abgestimmt werden. Das Bündeln des Lernens in gemeinsamen Kurs-

räumen macht es durchschaubarer als die Nutzung diverser Web-2.0-

Techniken nebeneinander, die aber selbstverständlich in Moodle eingebunden

werden können bzw. auf ihre eigene Weise dort schon seit langem vorhanden

sind.

Page 314: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

Karin Ernst

313

Berliner Schulen sind inzwischen, wenn sie es denn wollten, technisch sehr gut

dafür ausgestattet. Moodle ist nicht nur in Berlin, sondern auch in vielen ande-

ren Bundesländern die Lernplattform der Wahl.

Derzeit fehlt es – trotz langjähriger Entwicklungsarbeit im Projekt – an Kurs-

beispielen für jede mögliche Lernsituation oder aber an qualifiziert fortgebilde-

ten Lehrkräften, die diese auf hohem didaktischen und technischen Niveau

entwickeln, erproben und weitergeben können. Auch wäre es hilfreich, wenn

das im eXplorarium erfolgreiche „Training-on-the-job“ durch von außen kom-

mende eLearning-Expert/-innen zu einer anerkannten und finanzierten Stan-

dard-Fortbildungsmöglichkeit würde.

Der besondere Wert des eXplorariums liegt aber vor allem in seinem pädagogi-

schen Ansatz, den wir als Projektgruppe und Bildungsorganisation weiterge-

ben wollen: Das eXplorarium ermöglicht Kindern und Erwachsenen ein Ler-

nen, das von Neugier, der Lust am Experimentieren und dem Erfinden

erfolgreicher Untersuchungsmethoden getragen ist. Es verbindet erfolgreich

eLearning und Entdeckendes Lernen in Lernprozessen, an denen alle teilhaben

und die sie mitgestalten können. All das sind Erfolgsfaktoren für gelingendes

Lernen über alle Altersstufen hinweg.

Referenzen Website des Projekts: www.explorarium.de

Dort stehen die folgenden und andere Veröffentlichungen als PDF-Dateien zur

Verfügung:

Karin Ernst: eLearning - von der realen in die virtuelle Lernwelt und wieder

zurück. Vortrag auf der Fachtagung "Alles virtuell? - Neue Lernformen in der

Bildung" des Projekts "Bildungsnetz Berlin", Juni 2005, S. 10 - 19. (Eigendruck

LIFE e.V.).

Karin Ernst: eXplorarium - der innovative Ansatz des Projekts. Vortrag auf der

Fachtagung "eXplorarium auf dem Weg ins Netz", September 2007, S. 8 - 11.

(Eigendruck LIFE e.V.).

Karin Ernst: Entdeckendes Lernen mit Moodle. Vortrag auf der Fachtagung

"eXplorarium - eLearning entdecken", September 2008, S. 18 - 25. (Eigendruck

LIFE e.V.).

Page 315: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

eXplorarium – eLearning im Unterricht von Anfang an

314

Karin Ernst: eXplorarium, Moodle und Web 2.0. Vortrag auf der Fachtagung

"eXplorarium - die eLearning-Werkstatt“, September 2009, S. 9 - 15. (Eigen-

druck LIFE e.V.).

Karin Ernst und Mitarbeiter/-innen: Abschlussbericht über die erste Phase des

Projekts "eXplorarium - eLearning-Werkstatt für die Schule" (Januar 2009 bis

März 2011). Eigendruck LIFE e.V. Juli 2011.

Online-Newsletter des Projekts: http://www.explorarium.de/component/

communicator/listFull/193.html

Druck-Newsletter des Projekts: http://www.explorarium.de/newsletter.html

Video: http://vimeo.com/17763022

Vita Dr. Karin Ernst, geb. 1949,

arbeitet seit 2002 bei LIFE e.V. im Bereich eLearning, seit 2005 als Projektleiterin

für die eXplorarium-Projekte.

Karin Ernst hat Erziehungswissenschaften, Germanistik und Geschichte in

Bochum und Berlin studiert und sich mit einer Magisterarbeit zum „Projekt-

studium in der Lehrerbildung“ zunächst als Wissenschaftliche Mitarbeiterin

für die Hochschulplanung – die Reform der Lehrerausbildung und die Integra-

tion der Pädagogischen Hochschule in die Berliner Universitäten – qualifiziert.

Ihr Interesse an innovativen Lernformen und am „Forschenden Lernen“ führte

sie bald über das Planerische hinaus. Sie spezialisierte sich auf Offenen Unter-

richt und Entdeckendes Lernen an Schulen, worüber sie später auch promo-

vierte, gründete die erste deutsche Lernwerkstatt an der TU Berlin und baute

zusammen mit anderen daraus ein bundesweit vorbildliches Modellprojekt für

Aus- und Fortbildung von Lehrkräften und für die konzeptionelle Entwicklung

veränderten Unterrichts auf. Nach und nach wurde daraus ein Netzwerk von

Lernwerkstätten. Studienreisen zu englischen Community Schools und ameri-

kanischen Schulprojekten, vor allem zum Workshop Center für Open Educati-

on in New York verbanden das Modell mit der internationalen Schulreform-

Diskussion, die langjährige Kooperation mit dem Workshop Center bereicherte

es theoretisch und praktisch.

Page 316: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

Karin Ernst

315

Als gegen Ende der 90er Jahre die Lehrerausbildung an der TU Berlin weitge-

hend eingestellt wurde und auch ein Großteil der fast 300 bestehenden Lern-

werkstätten schließen musste, erschloss sich Karin Ernst den Bereich des Com-

puter-gestützten Lernens mit dem Ziel, diese Werkzeuge für Entdeckendes

Lernen – Inquiry Based Learning – nutzbar zu machen. Der Weg dorthin war

zunächst steinig, letztlich aber sehr erfolgreich.

Derzeit fügen sich für sie die langjährige Erfahrungen mit einem inzwischen

wieder im Mittelpunkt der Schulreformdiskussion stehenden pädagogischen

Ansatz – Inquiry Based Science Education (IBSE) – und mit dem komplexen

Einsatz digitaler Medien als Lernwerkzeugen zusammen – zu eLearning-

Projekten und multimedialen Lernwerkstätten im eXplorarium.

Page 317: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

316

Kristina Richter, Regina Bruder, Johannes Konert, Stefan Göbel:

Technische Universität Darmstadt,

{richter|bruder}@mathematik.tu-darmstadt.de,

{johannes.konert|stefan.goebel}@kom.tu-darmstadt.de

Formatives Assessment durch Peer Review? Eine peer-basierte Diagnose- und Lernumgebung für den Mathematikunterricht (PEDALE)

Zusammenfassung Unterrichten im Klassenraum erfordert komplexe Prozesse von Classroom

Management, Diagnose und daraus resultierender individueller Förderung

und sozialem Lernen. In digitalen Lernumgebungen kommen diese Aspekte

bisher zu kurz.

Ziel des Projektes PEDALE (Peer-Based Diagnostic and Learning Environment)

ist es, das für den Unterricht zentrale Anliegen von Diagnose und Förderung

mit dem Potenzial diskursiver Prozesse zu verbinden und in einer digitalen

Lernumgebung umzusetzen. Dabei wird ein adaptives Design für offene Auf-

gabenformate verwendet um formatives Assessment im Unterricht zu unter-

stützen. Durch Einbindung des Klassennetzwerks in die digitale Lernumge-

bung sollen zusätzlich binnendifferenzierende, kooperative Lernformen

gefördert werden. Nach einem kurzen Überblick über den Forschungsstand

wird der Ansatz der digitalen Lernumgebung beschrieben. Der Beitrag schließt

mit einer Vorstellung des Untersuchungsdesigns und ersten Ergebnissen.

Problemstellung Im Schulunterricht stehen Lehrende vor der Herausforderung komplexe Pro-

zesse von Classroom Management, Initiieren von Lernprozessen durch kogni-

tive Aktivierung, Diagnose und daraus resultierende individuelle Förderung

einzuleiten und durchzuführen. Aus didaktischer Perspektive wird diesen

Herausforderungen mit verschiedenen Ansätzen begegnet u.a. mit formativem

Assessment (vgl. insbes. Black, 2009) und darunter besonders mit zeitnahem

und situationsspezifischem Feedback (Bangert-Drowns, 1991, Shute, 2008).

Zudem werden Methoden zur Binnendifferenzierung einschließlich Methoden

zum kooperativen Lernen (vgl. insbes. Krause et al., 2007) eingesetzt. Dennoch

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Kristina Richter, Regina Bruder, Johannes Konert, Stefan Göbel

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sind die Anforderungen an Lehrer diesbezüglich hoch und im Schulalltag oft

nicht leistbar (vgl. Wischer, 2007). Unterstützung durch digitale Werkzeuge

wäre hier willkommen. In digitalen Lernumgebungen kommen diese Aspekte

bisher allerdings zu kurz. Digitale Lernumgebungen, insbesondere im Bereich

Mathematik, scheinen dabei entweder auf detaillierte Diagnose und zeitnahe

Rückmeldung zu fokussieren (vgl. Ritter et al., 2007) oder offene Lern- und

Experimentierumgebungen zur Untersützung binnendifferenzierender Förde-

rung anzubieten (Kortenkamp, 2005, Hohenwarter, 2006). Während die einen

geschlossene Aufgabenformate zur Unterstützung von Diagnose und zeitna-

hem Feedback zugrunde legen, setzen die anderen auf offene Aufgabenstel-

lungen und Lerngelegenheiten. Geschlossene Aufgabenformate haben dabei

den Vorteil der unmittelbaren und automatisierten Auswertbarkeit und an-

schließenden Adaptation, auf Kosten des diagnostischen Gehalts. Offene Auf-

gabenformate liefern hingegen reichhaltige diagnostische Informationen ohne

die entsprechende Förderung anzuschließen. Studien verweisen jedoch zum

einen auf den engen Zusammenhang zwischen aussagekräftiger Diagnose und

individueller Förderung (Prediger et al. 2008). Zum anderen ist bekannt, dass

zeitnahes, situationsspezifisches Feedback lernförderlich ist und dass Feedback

wirksamer ist je spezifischer und je elaborierter die Rückmeldung ausfällt

(Bangert-Drowns et al., 1991; Shute, 2008; Narciss/Huth, 2002). Die größte Be-

deutung des Feedbacks für das Lernen liegt dabei darin Fehler zu korrigieren

(Bangert-Drowns, 1991). Die Ergebnisse der Feedbackforschung zeigen sich

auch bei Untersuchungen zum adaptiven Feedback wie sie seit der Entwick-

lung Intelligenter Tutorieller Systeme durchgeführt werden. Auch hier konnte

gezeigt werden, dass eingabespezifische Rückmeldungen ein großes Potential

für Lernprozesse haben (Ritter et al., 2007). Dies konnte bisher allerdings nur

für wohldefinierte Inhaltsbereiche und durch vorab definierte umfangreiche

Fehlerdatenbanken zu beispielweise mathematischen und informatischen

Themengebieten umgesetzt werden. Eine Integration von reichhaltiger Diagno-

se, Förderung und Feedbacksystemen wurde unseres Wissens hingegen noch

nicht erreicht. Gründe hierfür liegen in der besonderen Schwierigkeit offene

Aufgabenformate in computergestützte Lernumgebungen zu integrieren und

auch hier Adaptivität zu gewährleisten.

Weitere didaktische Methoden zum Umgang mit der komplexen Unterrichtssi-

tuation beziehen das Klassennetzwerk ein und nutzen dessen diskursives Po-

tential. Für die Methoden „Lernen an Lösungsbeispielen“ und „Lernen durch

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Formatives Assessment durch Peer Review?

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Lehren“ (vgl. insbes. Renkl et al. 2003) konnte gezeigt werden, wie Leistungs-

unterschiede im Klassenraum für das Lernen genutzt werden können. Auch

hier kann inhaltsorientiertes Peer Feedback gewinnbringend für kooperatives

Lernen und gegenseitigen Austausch gesehen werden (vgl. insbes. Damon

1984). Aus Untersuchungen zu Sozialen Netzwerken ist bekannt, dass auch die

Kommunikation in digitalen Netzwerken zum Wissenserwerb und –austausch

beiträgt (Constant et al. 1996). Die Untersuchung der Motivation und Leis-

tungsbereitschaft in Abhängigkeit von der Aufgabenschwierigkeit wurde ne-

ben bekannten psychologischen Studien auch im Bereich der Serious Games

Forschung nachgewiesen (u.a. Chen 2007). Des Weiteren ist bekannt, dass beim

Medieneinsatz im Unterrichtsalltag ein Bruch wahrgenommen wird. Während

Software zum Lernen in vielseitiger und aktivierender Weise eingesetzt wird,

wird sie kaum zum Zweck des Assessment verwendet (Howell 2003).

Für die Entwicklung einer digitalen Lernumgebung zur Unterstützung forma-

tiven Assessments im Klassenraum ergibt sich folgende Fragestellung: Wie

können bestehende Methoden zur Diagnose und zur individuellen Förderung

in computergestützte Lernumgebungen integriert werden, um Lernende zu

fördern und Lehrende in ihrer Arbeit zu unterstützen und zu entlasten?

Lösungsansatz Ziel des Projektes PEDALE (Peer-Based Diagnostic and Learning Environment)

ist es, das für den Unterricht zentrale Anliegen von Diagnose und Förderung

mit dem Potential diskursiver Prozesse zu verbinden und in einer digitalen

Lernumgebung umzusetzen.

Szenario Die Lernumgebung ist entwickelt für den Einsatz im Mathematikunterricht der

9. Klasse im Bereich Darstellungswechsel bei Funktionalen Zusammenhängen.

Sie ist für die Übungs- und Wiederholungsphase ausgelegt und kann vor dem

Einstieg in weiterführende Stoffgebiete, etwa Trigonometrie eingesetzt werden.

In der Lernumgebung werden sowohl geschlossene als auch offene Aufgaben-

formate in einem adaptiven Design integriert um Prozesse formativen Assess-

ments zu unterstützen. Die Lernenden durchlaufen dabei vier Phasen, die je

nach Bedarf und Unterrichtssituation variabel oft wiederholt werden können

(s. Abb. 1). In einer ersten Phase (1. Aufgaben lösen) werden Aufgaben in ver-

schiedenen Formaten bearbeitet. Geschlossene Aufgabenformate werden durch

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Kristina Richter, Regina Bruder, Johannes Konert, Stefan Göbel

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Multiple Choice-Auswahl per Mauseingabe bearbeitet. Offene Aufgabenforma-

te werden mit einem digitalen Stift auf normalem Papier bearbeitet und als Bild

mit der entsprechenden Aufgabenstellung gespeichert. Die Lösungen der ge-

schlossenen Aufgabenformate werden automatisch ausgewertet und sofort

rückgemeldet. Lösungen zu offenen Aufgabenformaten werden zunächst ge-

speichert und algorithmisch einem Feedbackpartner (Peer) aus dem Klassen-

netzwerk zugeordnet. Der jeweils zugeordnete Peer wird in Phase 2 (2. Gelöste

Aufgaben ansehen und eine Rückmeldung dazu schreiben) aufgefordert zur

vorliegenden Aufgabenlösung mithilfe eines Feedbackleitfadens ein konstruk-

tives Feedback zu schreiben. In Phase 3 (3. Rückmeldungen zu eigenen Aufga-

ben ansehen) bekommen die Lernenden alle Feedbacks angezeigt, die für sie

geschrieben wurden und können diese einzeln durchsehen und bewerten. Sie

werden außerdem aufgefordert, in eigenen Worten aufzuschreiben, wie sie

diese Aufgabe beim nächsten Mal besser lösen können. In Phase 4 (4. Rück-

meldungen anwenden) lösen die Lernenden erneut Aufgaben verschiedenen

Formaten und können die erhaltenen Rückmeldungen bei ähnlichen Aufgaben

anwenden.

Die Eingabe des Feedback erfolgt über ein Feedbackfeld, das sowohl geschlos-

sene als auch offene Eingabeformate enthält (s. Abb. 2.) Für die Formulierung

der Feedbacks können die Lernenden jederzeit auf einen auf dem Arbeitsplatz

bereitliegenden Feedbackleitfaden zurückgreifen (s. Abb. 3). Der Feedbackleit-

faden gibt, ausgehend von der vorgefundenen Ausgangssituation (Aufgaben-

lösung falsch/ Aufgabenlösung nicht vorhanden/ Aufgabenlösung richtig)

Hinweise, wo eine Rückmeldung ansetzen kann. Bei falscher Lösung soll der

fehlerhafte Teil identifiziert werden und Hinweise aufgeschrieben werden, wie

die Aufgabe besser gelöst werden kann. Bei nicht vorhandener Lösung sollen

allgemeine Hinweise gegeben werden wie die Aufgabenbearbeitung angegan-

gen werden kann, der Lösungsweg kurz beschrieben werden o.ä. Bei korrekter

Lösung sollen Hinweise gegeben werden, ob der Lösungsweg noch vereinfacht

oder die Aufgabe auch auf andere Art gelöst werden kann.

Durch Einbindung des Klassennetzwerks in die digitale Lernumgebung soll

zusätzlich das Potential binnendifferenzierender, kooperativer Lernformen für

Lernprozesse genutzt werden.

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Formatives Assessment durch Peer Review?

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Abb. 1: Ablauf der Aufgabenbearbeitung

Abb. 2: Feedbackfeld mit geschlossenen und offenen Aufgabenformaten

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Abb. 3: Feedbackleitfaden

Abb. 4: Lehrerversion des Tools

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Formatives Assessment durch Peer Review?

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Technischer Aufbau Um eine nachhaltige und flexible Lernumgebung bereitzustellen müssen -

abgesehen vom hier vorgestellten Szenario - die Inhalte und Parameter je nach

den spezifischen Anforderungen im Unterricht durch die Lehrenden veränder-

bar sein. Die zugrundeliegende Software ist so gestaltet, dass sie intuitives

Editieren gewährleistet (s. Abb. 5). Die Beschreibung der verwendeten Soft-

ware kann Konert et al. 2011 entnommen werden.

Aus technischer Sicht besteht PEDALE aus drei Komponenten:

die Autorensoftware StoryTec, welche zur Erstellung oder Aktualisierung

der Aufgabestellungen und der Ablaufparameter dient. Sie wird in der

Regel von Lehrkräften in der Vorbereitung einer PEDALE-Anwendung

eingesetzt. Ein konfiguriertes Szenario wird in einem XML-Format gespei-

chert, welches die Playersoftware verarbeitet.

die Playersoftware StoryPlay, welche die Aufgabenstellungen anzeigt, die

Eingabe unterstützt und den Datenaustausch mit der Datenbank vor-

nimmt. Anhand der Benutzer-Logins werden Lehrkräfte identifiziert und

erweiterte Funktionen für die Übersicht und Filterung des aktuellen Ab-

laufes (zur Diagnose und Förderung) werden angezeigt.

die zentrale Datenbank, in welcher die Player Software die Aufgabenlö-

sungen und Feedbacks ablegt und lädt. Sie dient als zentraler Austausch-

punkt zwischen den Lernenden, welche am gleichen Szenario arbeiten.

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Kristina Richter, Regina Bruder, Johannes Konert, Stefan Göbel

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Abb. 5: Intuitives Editieren in StoryTec

Evaluation Forschungsfragen Grundlegende Untersuchungsfragen für das vorgestellte Szenario sind:

(1) Inwieweit wirkt sich das gegenseitige Feedbackgeben und -erhalten

auf das weitere Aufgabenlösen aus?

(2) Inwieweit hilft die entwickelte Lernumgebung Lehrenden unterrichts-

begleitendes formatives Assessment durchzuführen und diagnostische

Informationen mit gezielter individueller Förderung zu verbinden?

Weiterhin stehen die Akzeptanz und kritische Designkriterien der digitalen

Lernumgebung, etwa die Anonymität der Aufgabenlösungen und der Feed-

backs, im Fokus der Evaluation.

Untersuchungsvariablen sind dabei das Feedbackgeben und –erhalten (unab-

hängige Variable) und der Lernerfolg (abhängige Variable). Erhoben werden

außerdem Feedbackqualität, Selbsteinschätzung der gegebenen und erhaltenen

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Formatives Assessment durch Peer Review?

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Feedbacks, wahrgenommene Usability, wahrgenommene Anforderung und

Akzeptanz als Störvariablen.

Zur Beantwortung der Forschungsfragen werden qualitative und quantitative

Daten mit schriftlichen und mündlichen Erhebungsmethoden erhoben.

Untersuchungsdesign Die Evaluation findet im Frühjahr 2012 an sieben gymnasialen Klassen der

Klassenstufe 9 statt. Die erwartete Stichprobe umfasst 196 Lernende und 7

Lehrende. Pro Klasse wird eine Doppelstunde und pro SchülerIn ein Rechner

und ein digitaler Stift benötigt. Zunächst werden die Lernenden im Umgang

mit Feedback geschult und arbeiten dann wie in Abschnitt 2 beschrieben

selbstständig mit der Lernumgebung.

Das Unterschungsdesign zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage folgt

einem einfaktoriellen Design mit einer Experimentalgruppe, die den Kreislauf

wie in Abb. 2 beschrieben durchläuft und einer Kontrollgruppe, die die Feed-

backphase erst nach einer zweiten Aufgabenbearbeitung durchläuft und somit

das Feedbackgeben und –erhalten keinen Einfluss auf die Bearbeitung der

Aufgaben hat.

Feedback

während der Auf-gabenbearbeitung

nach der Aufgabenbearbei-tung

Lernende N= 98 N=98 Lehrende N=7

Tabelle 1: Untersuchungsdesign für Forschungsfrage 1

Die übrigen Variablen werden in einem anschließenden Fragebogen und in

einer Gruppendiskussion erhoben. Der Fragebogen umfasst Einschätzungen

der Lernenden zu ihren Erfahrungen mit der Lernumgebung (wahrgenomme-

ne Schwierigkeit, Zuordnung der Feedbackpartner) und zum sonstigen Ma-

thematikunterricht sowie Angaben zur sonstigen Computernutzung. Im An-

schluss an die Fragebogenbearbeitung findet eine moderierte

Kleingruppendiskussion mit den Lernenden zu Designfragen statt.

Zur Beantwortung der zweiten Forschungsfrage werden die Lehrenden jeweils

in einem 20-minütigen leitfadengestützten Experteninterview zu Ihren Erfah-

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Kristina Richter, Regina Bruder, Johannes Konert, Stefan Göbel

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rungen befragt, nachdem sie mit der Lernumgebung gearbeitet haben. Das

Interview umfasst Fragen nach Erfahrungen mit der Lernumgebung und nach

Nutzens und Akzeptanz der Lernumgebung.

Vorstudie und erste Ergebnisse Vor Beginn der Evaluation wurde eine Vorstudie mit Experten für Mathema-

tikdidaktik, darunter 5 MitarbeiterInnen des Lehrstuhls für Mathematikdidak-

tik und zwei GymnasiallehrerInnen, an der Technischen Universität Darmstadt

durchgeführt. Ziel der Vorstudie war es Experteneinschätzungen einzuholen,

inwieweit die Lernumgebung den intendierten Anwendungen genügen kann.

Die TeilnehmerInnen bearbeiteten die Lernumgebung wie oben beschrieben

aus der Perspektive der Lernenden und wurden dann gebeten die didaktische

Eignung der Lernumgebung einzuschätzen. Die TeilnehmerInnen der Vorstu-

die diskutierten zunächst paarweise Fragestellungen zu ihren Erfahrungen mit

der Lernumgebung. Die Fragestellungen wurden durch die Leitung der Vor-

studie vorgegeben und beinhalteten Rückfragen zur Einschätzung der Anfor-

derungen an die Lernenden sowie zum Potential der Lernumgebung für for-

matives Assessment. Anschließend wurden ihre Einschätzungen in einer

moderierten Gruppendiskussion besprochen.

Im Ergebnis wurde das Potential der Lernumgebung hervorgehoben. Die Ler-

numgebung sei auf zweifache Weise geeignet um relevante diagnostische In-

formationen zu erlangen, einerseits über die Schülerlösungen und andererseits

über die gegebenen Feedbacks. Dafür sei allerdings eine übersichtliche Darstel-

lung der einzelnen Schülerlösungen und der gegebenen Feedbacks unerläss-

lich, mit der zwischen Überblicksdarstellung und Einzelleistungen einzelner

SchülerInnen gewechselt werden kann. Ein weiteres Ergebnis der Expertenbe-

fragung war, dass die SchülerInnen durchaus als kompetent eingeschätzt wer-

den sich gegenseitig Feedback zu geben und dieses Feedback neben der fachli-

chen verschiedene andere Ebenen (soziale, motivationale Ebenen) umfassen

könne. Ein kritisch diskutierter Aspekt war vor allem die Zuordnung der

Feedbackpartner, die aufgrund bestehender Klassendynamiken und sozialer

Beziehungen der Lernenden zueinander problematisch werden könne. Hier

wurde angeraten, Feedbackpartner für jede Aufgabe zu wechseln. So könne

auch gesichert werden, dass möglicherweise erhaltene schlechte Feedbacks

oder persönliche Kritik neben besseren und konstruktiven Rückmeldungen

stehen. Diskutiert wurde außerdem inwieweit sich die namentliche Kenn-

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Formatives Assessment durch Peer Review?

326

zeichnung positiv oder negativ auf das Feedbackgeben und –erhalten auswir-

ken würde. Die Frage konnte nicht abschließend geklärt werden und wurde in

die Forschungsfragen zum Design der Lernumgebung aufgenommen.

Zusammenfassung und Fazit Die vorgestellte digitale Lernumgebung versucht eine Lösung für die Entwick-

lung computergestützter Werkzeuge für den Unterrichtseinsatz beizutragen.

Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Verknüpfung von Diagnose und Lern-

förderung durch formatives Assessment. Die Lernumgebung setzt dabei auf

die Methode des Peer Review. Die Besonderheit der technischen Umsetzung

liegt in der Verwendung eines Autorenwerkzeugs um Flexibilität und Kontrol-

le für die Lehrenden zu gewährleisten. In der Vorstudie konnte ein hohes Po-

tential aufgezeigt werden und kritische Designkriterien wurden festgestellt.

Offene bleibt inwieweit die Lernumgebung zur Lernförderung und zur Unter-

stützung der Lehrenden für formatives Assessment beitragen kann und in

welchem Maße die Lernumgebung auf Akzeptanz sowohl seitens der Lehren-

den als der Lernenden trifft.

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Vita Kristina Richter studierte bis 2009 Erziehungswissenschaft, Angewandte Lingu-

istik und Kunstgeschichte an der Technischen Universität Dresden. Seit Okto-

ber 2009 ist sie an der Technischen Universität Darmstadt zunächst Stipendia-

tin und seit 2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitgruppe Didaktik

der Mathematik. Forschungsschwerpunkte sind Didaktik und Methodik des E-

Learning, sowie formatives Assessment und Feedback zur Lernförderung.

Johannes Konert studierte bis 2006 Informatik und das Begleitstudium der An-

gewandten Kulturwissenschaften an der Technischen Universität Karlsruhe

(heute KIT). Nach dreijähriger Mitarbeit an der Gründung und Entwicklung

des Online Social Networks friendcafe als Geschäftsführer und Software-

Entwickler, ist er seit Juni 2010 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Multimedia

Communication Lab (KOM) der Technischen Universität Darmstadt und

forscht an der Verbindung von Serious Games und Online Social Networks.

Forschungsschwerpunkte sind Methoden und Konzepte zur Nutzung von Peer

Education zum Lernen in Serious Games.

Page 330: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

329

Herbert Dutzler: Pädagogische Hochschule Oberösterreich, [email protected]

Sagen aus Oberösterreich

Zusammenfassung Das Unterrichtsprojekt beschäftigt sich in Form eines moodle-Kurses mit dem

Ausbauen von Erzählkernen. Ausschnitte aus regionalen Sagen sollen span-

nend und lebendig erzählt werden. Das Schreiben wird als Prozess verstanden,

der vom Entwurf bis zum fertigen Text durch Feedback und Überarbeitung

begleitet wird. Dabei werden IT-Tools als Werkzeuge sowohl für die Überar-

beitung als auch das Geben von Feedback verwendet. Darüber hinaus werden

Schüler/innen ermutigt, in Form von Podcasts und/oder Photostories auch

multimediale Produkte zu gestalten.

Link: http://www3.edumoodle.at/brgsw/course/view.php?id=203

Schulstufe und Gegenstände

Deutsch, 7. Jahrgangsstufe (12-13 Jahre)

Unterrichtsthemen Traditionelle Sagen aus dem regionalen Umfeld der Schüler/innen lesen und

kennen lernen, Erlebniserzählung schreiben, Erzählkerne ausbauen, Feedback

geben, Dramatische Szenen schreiben, Audioaufnahme durchführen.

Abb.: Traun bei Lambach, Vituskirche Oberregau, Höllenloch bei Anzenau, Bad Goisern

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Sagen aus Oberösterreich

330

Methodik/Didaktik/Ablauf Die Schüler/innen erhalten drei Sagen – in diesem Fall zu Orten aus ihrer nähe-

ren Umgebung – in einer Textversion, in einer Audio-Version – gesprochen

von Schüler/innen – samt einer Karte, die ihnen die Orte der Handlung ver-

deutlicht. Die Sagen sind kurz und gerafft erzählt.

Erzählkerne, die handlungsreiche Aspekte der jeweiligen Sage enthalten, wer-

den nochmals als Texte zur Auswahl angeführt: Jede/r Schüler/in wählt einen

Erzählkern aus und erhält den Auftrag, ihn zu einer spannenden Erzählung (in

der 1. Person) auszubauen. Merkmale spannenden Erzählens werden zuvor

wiederholt.

Die Entwürfe für die Erzählungen werden an Mitschüler/innen weitergegeben,

um eine erste Rückmeldung zur Textqualität zu erhalten. Die Rückmeldung

erfolgt in der Form, dass Rückmeldebögen ausgefüllt werden, die die Auf-

merksamkeit der rückmeldenden Schüler/innen auf wesentliche Textaspekte

lenken.

Die Schüler/innen überarbeiten ihre Texte und legen sie dem Lehrer/ der Leh-

rerin für eine weitere Rückmeldephase vor. Rückmeldung der Lehrperson

erfolgt in Form eines Kommentars zum Text, nicht in Form traditioneller „Rot-

stiftkorrektur“.

Die Schüler/innen erarbeiten einen endgültigen Text und legen ihn Leser/innen

vor. Die mehrmalige Überarbeitung erfolgt, um einen Schreibprozess abzubil-

den, der in der Realität von professionell Schreibenden in ähnlicher Form

durchzuführen ist (Redaktion, Lektorat etc.).

Schüler/innen gestalten eine dramatische Szene zu ihrer Sage sowohl schriftlich

als auch als Audio-File und geben beides ab.

IT-Aspekte der Aufgabenstellung Die gesamte Aufgabenstellung und Rückmeldung wird über einen moodle-

Kurs verwaltet.

Die Sagen werden – sowohl in Text- als auch als Tondokument – den Schü-

ler/innen digital vorgelegt, ebenso alle Illustrationen.

Das Hochladen der Entwürfe erfolgt in eine Datenbank, sodass alle Schü-

ler/innen darauf Zugriff haben und einen Text auswählen können.

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Herbert Dutzler

331

Die Organisation der Schüler/innenrückmeldung erfolgt über ein Wiki, in

das die Schüler/innen alle nötigen Daten eintragen können.

Die Rückmeldebögen werden digital vorgelegt, können in Textverarbei-

tungssoftware bearbeitet werden und dem Autor/der Autorin digital

übermittelt werden (verwendeter online-Speicher: soup.io). Die Rückmel-

dung umfasst dezidiert Aspekte des Layouts, das nur unter Verwendung

von Textverarbeitungssoftware in dieser Form gestaltet werden kann.

Für die Gestaltung eigener Audiobeiträge ist das Verwenden geeigneter

Audio-Recorder-Software nötig. Zum Zeitpunkt des Erstellens dieses Bei-

trages bieten sich dafür nicht nur der PC, sondern auch zahlreiche mobile

Endgeräte an, die Schüler/innen häufig selbst besitzen (Smartphones,

Headsets etc.)

Die Schüler/innen werden ermutigt, ihre Text- bzw. Podcast-Produkte

auch in einem „Drop“ den Mitschüler/innen, eventuell auch anderen po-

tentiellen Leser/innen aus dem Familien- und Freundeskreis zur Verfü-

gung zu stellen.

Sozialkompetenz/Selbstkompetenz Die Schüler/innen wählen ihr eigenes Arbeitstempo, die Arbeitsunterlagen

stehen jedem/r jederzeit zur Verfügung, sodass unabhängiges Arbeiten in der

Schule wie auch zu Hause möglich wird (Hardware vorausgesetzt). Ein mehr-

stufiges Rückmeldeverfahren (peer-evaluation, Lehrer/innenkommen-tar) si-

chert eine individualisierende Vorgangsweise.

Die Kooperation zwischen den Schüler/innen wird gefordert bzw. gefördert

durch

das gegenseitige Verfassen von Feedback,

Einträge in Foren und

das Teilen der Arbeitsergebnisse über für alle sichtbaren Glossare

Eine Differenzierung erfolgt durch das Erreichen verschiedener Anspruchsni-

veaus: Umfang, Gestaltung, Illustration bei schriftlicher Arbeit, Arbeit mit Ge-

räuschkulissen und Effekten bei Audiodatei.

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Sagen aus Oberösterreich

332

Die Eigenverantwortung wird besonders dadurch gestärkt, dass jede/r Schü-

ler/in Verantwortung für ein eigenes Produkt für Leser/innen und für die Texte

anderer durch Partner/innenrückmeldung trägt.

Methodenvielfalt Die Schüler/innen müssen lesen/schreiben/hören/mit Software arbei-

ten/kommentieren und sind daher in vielfältiger Weise abwechslungsreich

beschäftigt. Mehrere Sinne kommen zum Einsatz.

Fazit Die Unterrichtssequenz wurde bereits mehrmals erprobt und in den letzten

Jahren erst auf die Verwendung digitaler Medien ausgeweitet.

Erfolgserlebnisse:

Fantastische Ergebnisse vor allem im Bereich der dramatischen Szenen bei

besonders engagierten Schüler/innen.

Stolpersteine:

Partner/innenrückmeldungen sind nicht in allen Fällen ergiebig, manche Schü-

ler/innen beschränken sich – trotz Lehrer/innenhilfe und guten Beispielen – auf

wenig hilfreiche ja/nein Antworten. Schwierig ist mitunter, geeignete Rück-

meldepartner/innen für sehr motivierte Schüler/innen zu finden.

Erfahrungen:

Schüler/innen erproben in der Mehrheit motiviert eigenständiges, eigenver-

antwortliches Lernen und erwerben Kenntnisse in IT „nebenbei“, ohne dass sie

als eigenständiges Unterrichtsziel definiert werden mussten.

Oft genügen oberflächliche Hinweise auf Möglichkeiten, die IT bietet. Diese

werden von Schüler/innen eigenständig ausgelotet.

Erkenntnisse:

Es ist auch in Klassen durchführbar, die nicht oder nur sporadisch Zugang zu

EDV-Räumen haben, da in unserem Umfeld nahezu 100% aller Schüler/innen

über Internetzugang zu Hause verfügen.

Die Sagen können/sollen bei Verwendung in anderen Regionen dem Umfeld

der Schüler/innen angepasst werden, sodass sie in die Lage versetzt werden,

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Herbert Dutzler

333

die genannten Orte selbst zu sehen und eventuell fotografisch/auf Video zu

dokumentieren. Es erschließen sich weitere Möglichkeiten der Gestaltung.

Referenzen Sagen von www.sagen.at aus folgenden Quellen:

Lambach, Höllenloch: Nach Auguste Marguillier, "A travers le Salzkammer-

gut", 1896 in: Hans Commenda, Zur Volkskunde des Salzkammergutes vor

fünfzig Jahren. In: Volkskundliches aus Österreich und Südtirol, Hermann

Wopfner zum 70. Geburtstag dargebracht, Hg von Anton Dörrer und Leopold

Schmidt, Wien 1947.

Vituskirche: Der Bau der Vituskirche in Oberregau. In: Das Hausruckviertel in

seinen Sagen, herausgegeben von Erich Weidinger, Weitra 1996, S. 118.

Vita Herbert Dutzler arbeitet als Lehrer und seit 1990 in der Lehrer/innenfortbildung

vor allem in den Bereichen IT, Internet und e-Learning. Zahlreiche Veröffentli-

chungen von IT-gestütztem Unterrichtsmaterial auf verschiedenen Lernplatt-

formen. Seit 2010 verantwortlich für Lehrer/innenfortbildung im Bereich IT an

der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich. Die vorliegende Unterrichtsse-

quenz wurde mit dem „L@rnie-Award des österreischischen Bildungsministe-

riums ausgezeichnet und auf dem“ Microsoft Partners in Learning European

Forum“ in Moskau 2011 präsentiert.

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Nikolai Neufert: Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft Berlin,

[email protected]

Der „eEducation Berlin Masterplan“ – Einsatz der Digitalen Medien in den Berliner Schulen

Zusammenfassung Bereits 1984 und 1987 sowie mit einer entsprechenden Erklärung im Jahre 1995

zum Medieneinsatz in der Bildung, waren die Länder der Bundesrepublik

aufgerufen worden, in ihren Schulen einen Beitrag zur Ausbreitung der infor-

mationstechnischen Bildung und zur Entwicklung von Medienkompetenz zu

leisten. Im Jahre 2004 entschloss sich die Berliner Senatsverwaltung für Bil-

dung, ein Gesamtkonzept für die IT-gestützte Bildung zu erarbeiten, den

„eEducation Berlin Masterplan“. Der Titel ergibt sich aus seiner integrativen

Konzeption, bestehend aus kostenfreier Fortbildung, kostenfreier Bereitstel-

lung der erforderlichen technischen Infrastruktur und der betreuten Bereitstel-

lung von Medienprojekten für den Einsatz im Unterricht.

Die Umsetzung des Masterplans war von Anfang an als Kampagne geplant.

Die Schulen mussten nicht nur informiert werden, es wurde auch aktiv für die

Teilnahme an der Umsetzung des Masterplans geworben. Zusätzlich waren

Ressourcen bereitgestellt worden, um Schulen bei der Entwicklung eigener

Medienprojekte inhaltlich, methodisch und finanziell zu unterstützen. Insge-

samt wurden für die Umsetzung des Masterplans in der Zeit von 2005 bis 2011

mehr als 43 Mio. EURO aufgewendet, davon waren über 80% der Gelder als

Drittmittel von der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin und dem Europäi-

schen Fonds für Regionale Entwicklung eingeworben worden.

Nach über fünf Jahren der Durchführung des Masterplans in Berlin liegen nun

die ersten Ergebnisse aus der Evaluation vor.

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Nikolai Neufert

335

Einleitung

Der Vorläufer des „eEducation Berlin Masterplan“ war das „Pädagogische

Rahmenkonzept für den Einsatz von Informations- und Kommunikationstech-

nik in der Berliner Schule“, mit dessen Erarbeitung bereits Mitte der neunziger

Jahre des vergangenen Jahrhunderts begonnen worden war. Anfang 2003 ent-

schloss sich die Berliner Bildungsverwaltung, das Rahmenkonzept zu überar-

beiten. Das war auch dringend notwendig, denn im Jahr 2000 hatte es in Lissa-

bon den „eEurope-Sondergipfel“ [1] gegeben, auf dem sich die Staats- und

Regierungschefs der damaligen EU ehrgeizige Ziele für den Einsatz von IT in

allen Bereichen gesetzt hatten. Seit 2002 gab es in Berlin bereits den „eGovern-

ment Masterplan“ des Berliner Senats [2], der die Möglichkeiten der „digitalen

Governance“ aufzeigte. Was lag also näher, als sich bei der Überarbeitung des

Pädagogischen Rahmenkonzepts am „eEurope-Sondergipfel“ und am Berliner

„eGovernment Masterplan“ zu orientieren.

Dass schließlich der Auftrag, einen „eEducation Berlin Masterplan“ zu erstel-

len, in der vorgegebenen Zeit von nur sechs Monaten erfolgreich abgeschlossen

werden konnte, ist dem Engagement Vieler zu verdanken, die der Bitte des

Autors des hier vorliegenden Beitrags um Unterstützung bei der Erarbeitung

dieses Plans gern folgten [3].

Die Erarbeitung eines solchen Plans war auch deshalb dringend erforderlich,

weil die Informations- und Kommunikationstechnologien als Schlüsseltechno-

logien unserer Epoche gelten. Nach allgemeiner Einschätzung kann Deutsch-

land einen zukunftsträchtigen Spitzenplatz im Bildungswesen und damit die

Standortvorteile für die Wirtschaft nur sichern, wenn in einer lernenden Ge-

sellschaft die Chancen der neuen informations- und kommunikationstechni-

schen Werkzeuge und Medien für das Lernen konsequent erkannt und genutzt

werden. Wird dieses Ziel nicht erreicht, kann die „Digitale Spaltung“ der Ge-

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Der „eEducation Berlin Masterplan“

336

sellschaft drohen, wie der Bundestag bereits in seiner 14. Legislaturperiode[4]

festgestellt hat. Auch dieser Herausforderung musste der „eEducation Berlin

Masterplan“ in angemessener Weise Rechnung tragen. Leitgedanke des Mas-

terplans ist daher, die Voraussetzungen zu schaffen, unter denen in unserer

Informations- und Wissensgesellschaft für Lernende – aber auch für Lehrende

– eine angemessene Teilhabe an den Zugängen zu den aktuellen Informations-

und Kommunikationsmitteln sichergestellt werden kann.

Bei der Erarbeitung des Planes wurden ebenfalls neue Wege beschritten. Da

Wikis und Blogs zu diesem Zeitpunkt kaum bekannt waren, wurden andere

Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation und Kooperation genutzt.

Mit Ausnahme weniger realer Arbeitssitzungen in Form von Präsenzveranstal-

tungen entstand der Plan so im Wesentlichen online über Newsgroups und

Foren. Hier war für die beteiligten Partner „der Weg das Ziel“, es wurde kon-

zeptionell auf dem gleichen Wege gearbeitet, wie dies später in den Zielgrup-

pen umgesetzt werden sollte.

Im Herbst des Jahres 2005 stellte Berlins damaliger Bildungssenator Klaus Bö-

ger den „eEducation Berlin Masterplan“ der Öffentlichkeit vor. Dieser Master-

plan ist seither das zentrale Planungs- und Umsetzungsinstrument der Senats-

verwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft für die Ausbreitung der

informationstechnischen Bildung und zur Entwicklung von Medienkompetenz

bei Lehrenden und Lernenden. Der Masterplan sowie weitere Materialien und

Informationen im Netz unter: http://www.masterplan.be.schule.de/

Aufbau des Masterplans Mit dem „eEducation Berlin Masterplan“ wurde die Situation des IT-Einsatzes

im Unterricht der Berliner Schule „wieder vom Kopf auf die Füße gestellt“, wie

es seinerzeit ein Hochschullehrer der FU Berlin zutreffend formulierte. Im

Vordergrund stand nicht die IT-Ausstattung, sondern die inhaltliche und stra-

tegische Ausrichtung für einen medienkonzeptionellen Ansatz. Bei der Erarbei-

tung des Masterplans wurde in folgenden Schritten vorgegangen:

Als erstes wurden die IT-Kompetenzprofile als Mindeststandards für Ler-

nende erarbeitet (Lernzielstellung für Lernende),

daraus ergab sich die Notwendigkeit der Erarbeitung der IT-

Anforderungsprofile für das pädagogische Personal[5] (Lernzielstellung

für Lehrende).

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Nikolai Neufert

337

Im nächsten Schritt wurde ein modulares, vierstufiges Fortbildungskon-

zept für das pädagogische Personal ausgeformt.

Um IT-gestütztes Lernen nachhaltig in der Berliner Schule zu implementie-

ren, bedurfte es der Erarbeitung von Strukturmodellen für den Einsatz und

die effiziente Nutzung von IT im Bildungsbereich, einschließlich der Nut-

zung von Lernplattformen und der Erarbeitung von Content[6] sowie wei-

terer flankierender Maßnahmen für eine erfolgreiche Umsetzung.

Und ganz zum Schluss folgte die Erarbeitung von Modellen für die techni-

sche Infrastruktur, einschließlich ihrer telekommunikativen Anbindung

und der erforderlichen IT-Ausstattung.

Tatsächlich gliedert sich der Masterplan in einen konzeptionellen und in einen

operativen Teil, der die strategische Umsetzung der angestrebten Bildungsziele

mit einem Zeit-/Maßnahmenplan begleitet und auch eine Evaluation vorsieht.

Dazu kommen mehrere Anlagen.

Die Umsetzung des Masterplans seit 2005 Wie eingangs erwähnt, waren der Start des „eEducation Berlin Masterplan“

sowie seine Umsetzung durch die Schulen von Anfang an als Kampagne ge-

plant. Gleichwohl war nicht zu erwarten, dass die öffentlichen allgemein bil-

denden Schulen Berlins nach der Veröffentlichung des Masterplans im August

2005 sich mit Begeisterung seiner Umsetzung widmen würden. Um trotzdem

erfolgreich zu sein, war der Masterplan als „Rundum-Sorglos-Paket“ für das

pädagogische Personal konzipiert worden. Initiator, Realisator, Finanzierer

und Begleiter bei der Umsetzung des Masterplans war und ist die Senatsver-

waltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft, von dort erhalten die Schulen

und das pädagogische Personal, wie bereits erwähnt, alles mittelbar oder un-

mittelbar aus einer Hand:

1. Fortbildung

2. IT-Ausstattung und Vernetzung

3. Unterstützung durch Medienprojekte

Zusätzlich können punktuell im Rahmen der vorhandenen personellen und

finanziellen Ressourcen weitere Unterstützungen geleistet werden, z. B. bei der

Entwicklung eines schulischen Medienkonzepts oder bei der Planung und

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Der „eEducation Berlin Masterplan“

338

Durchführung eigener Medienprojekte. Es blieb den Schulen daher unbenom-

men, eigene Anstrengungen zu unternehmen, um den „eEducation Berlin Mas-

terplan“ umzusetzen, z. B. auch im Regelunterricht und damit einen Beitrag

zur Ausbreitung der informationstechnischen Bildung und zur Erhöhung der

Medienkompetenz zu leisten. Nach vierjähriger Laufzeit des Masterplans wur-

de vom Autor bereits eine Zwischenbilanz gezogen und veröffentlicht[7] [8].

Ein Jahr später, am 17.11.2010, fand im Berliner Rathaus die Festveranstaltung

„5 Jahre eEducation Berlin Masterplan“ statt, auf der der bisherige Stand bei

der Umsetzung des Masterplans dargestellt und von Berlins Staatssekretärin

für Bildung, Jugend und Familie, Claudia Zinke, gewürdigt wurde [9].

Obwohl mittlerweile in den Rahmenlehrplänen fast aller Bundesländer der

Einsatz von IT im Unterricht vorgesehen ist, bedarf es einer inhaltlich und

methodisch kontextuierten Unterstützung des pädagogischen Personals, um

zum Einen die Entscheidung für den IT-Einsatz zu erleichtern und zum Ande-

ren vorstrukturierte, auch von anderen Unterrichtenden genutzte, im Unter-

richt einsetzbare Projekte anzubieten.

Dazu wurden in Berlin Masterplan-Leitprojekte entwickelt, bzw. bereits vor-

handene Projekte eingebunden. Sie stellen den konzeptionellen und operativen

Kern der Umsetzung des Masterplans dar. Nicht alle Masterplan-Leitprojekte

sind jedoch nur auf den Unterricht bezogen, sie stehen auch für die Fortbil-

dung, die technische Infrastruktur und für weitere Maßnahmen zur Umset-

zung des Masterplans.

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Nikolai Neufert

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Seit dem Herbst 2005, dem Zeitpunkt der Inkraftsetzung des Masterplans,

wurde bzw. wird seine Umsetzung durch die oben genannten Masterplan-

Leitprojekte getragen. In den vergangenen sechs Jahren sind Masterplan-

Leitprojekte hinzugekommen, andere wurden beendet, wiederum andere Pro-

jekte befinden sich im Planungsstadium. In diesem Beitrag soll kurz angerissen

werden, wie sich einzelne Leitprojekte entwickelt haben und welchen Anteil

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Der „eEducation Berlin Masterplan“

340

ihnen bei der Umsetzung des Masterplans, bezogen auf seine Zielrichtung,

zugeschrieben werden kann.

Masterplan-Leitprojekt „Fortbildung des pädagogischen Personals“ Neben der anteiligen Fortbildung in den Masterplan-Leitprojekten werden den

Lehrerinnen und Lehrern sowie den Erzieherinnen und Erziehern („pädagogi-

sches Personal“) Fortbildungskurse im IT-Bereich nach dem Modulkonzept des

Masterplans angeboten, die von der Senatsverwaltung für Bildung, Wissen-

schaft und Forschung beauftragt und finanziert und im Wesentlichen von den

Berliner Volkshochschulen berlinweit koordiniert und durchgeführt wer-

den[10]. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der schulinternen Lehrerfortbildung

(SchiLF). Der Vorteil dieser Art der Fortbildung besteht u. a. darin, dass die

Teilnehmerinnen und Teilnehmer

in ihren Schulen,

in ihren Räumen,

mit ihren Kolleginnen und Kollegen,

an ihren Computern,

mit ihrer Software,

zu ihnen genehmen Zeiten lernen können.

Die Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer müssen nicht zu einem Schu-

lungsort anreisen, der Dozent/Betreuer kommt in die Schule[11]. Die Kurse

können online gebucht werden. Die Wahl der zu buchenden Kurse wird den

Teilnehmerinnen und Teilnehmern („pädagogisches Personal“) durch eine

Inhaltsdarstellung im Internet erleichtert, so dass nur die unbedingt notwendi-

gen Kurse besucht zu werden brauchen.

Während der Erstellung des „eEducation Berlin Masterplan“ hatten bereits die

Experten, die an seiner Erstellung mitgewirkt hatten, darauf hingewiesen, dass

in der Qualifizierung des pädagogischen Personals der Schlüssel zum Erfolg

bei der Umsetzung des Masterplans läge. Gleichzeitig hatten sie betont, dass

der Erfolg der Qualifizierung – und damit der Erfolg des Masterplans – in ho-

hem Maße von der Qualität des Fortbildungsangebotes abhinge. Dieser Emp-

fehlung wurde Rechnung getragen.

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Nikolai Neufert

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Qualität und Nutzen der besuchten Masterplan-Fortbildungsveranstaltungen Mit Beginn der Masterplanfortbildungen wurden durch die Volkshochschu-

leinrichtungen in den 12 Berliner Bezirken, die die Fortbildung vor Ort durch-

führten, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der einzelnen Fortbildungsver-

anstaltungen anonym mit Hilfe eines Evaluationsbogens zu ihrer eigenen IT-

Nutzung und auch zur Qualität der Veranstaltungen befragt. Die ausgefüllten

Bögen wurden von der VHS-Leitstelle IT gesammelt und dem Autor für die

Evaluation zur Verfügung gestellt. In der sehr umfangreichen Evaluation wur-

de zum Einen der Grad der Akzeptanz und der Umfang der Nachfrage des

Fortbildungsangebotes untersucht, zum Anderen auch erhoben, in wieweit die

Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Fortbildung als nützlich und hilfreich

empfunden haben. Da die Auflistung der überwiegend positiven Ergebnisse zu

den einzelnen Fragestellungen den Umfang dieses Beitrags sprengen würde,

wird auf die nachfolgende Zusammenfassung verwiesen.

Zusammenfassung Der große und über mehrere Jahre anhaltende Zulauf des pädagogischen Per-

sonals zu den Masterplankursen war nicht vorhersehbar gewesen. Sowohl der

Autor, als auch die Mitakteure bei der Umsetzung des Masterplans waren

davon überrascht worden. Von August 2005 bis Ende 2010 wurden nach An-

gaben der VHS-Leitstelle IT insgesamt 27.176 Teilnehmerinnen und Teilnehmer

in 2.330 Kursen mit einem Umfang von 537.398 Kursteilnehmerstunden ge-

schult. Besonders beeindruckend ist dabei die Tatsache, dass diese Kurse, die

sich in der Regel über 20 Unterrichtseinheiten erstrecken, von den Teilnehme-

rinnen und Teilnehmern in ihren unterrichtsfreien Zeiten freiwillig besucht

werden. Hinzu kommt die Schulung von 807 Lehramtsanwärterinnen und

Lehramtsanwärtern in 99 Kursen mit einem Umfang von 22.950 Kursteilneh-

merstunden.

Im Hinblick auf die Zielrichtung des Masterplans kann festgestellt werden:

1. Die vorliegenden Teilergebnisse rechtfertigen als Gesamtergebnis die Ent-

scheidung, das Fortbildungsprogramm nach dem Modulkonzept des Mas-

terplans fortzuführen und weiter zu entwickeln.

2. Die vorliegenden Ergebnisse rechtfertigen die Annahme, dass die Fortbil-

dungsveranstaltungen nach dem Modulkonzept des Masterplans geeignet

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Der „eEducation Berlin Masterplan“

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sind, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu befähigen, ihren Anteil zur

Ausbreitung der informationstechnischen Bildung in der Schule zu leisten.

3. Die vorliegenden Ergebnisse rechtfertigen die Annahme, dass die Teil-

nehmerinnen und Teilnehmer an den Fortbildungsveranstaltungen nach

dem Modulkonzept des Masterplans bei der Entwicklung eigener Medien-

kompetenz in den Dimensionen „Medienkunde“, „Mediennutzung“, „Me-

dienkritik“ und „Mediengestaltung“ zumindest unterstützt wurden.

Entwicklung der technischen Infrastruktur an Berliner Schulen Wie in den übrigen Bundesländern, so ist auch in Berlin für die Ausstattung

mit IT, die Vernetzung, die Wartung („technische IT-Betreuung“) und Pflege,

Verschrottung und Wiederbeschaffung der kommunale Sachaufwandsträger

zuständig, in dessen regionaler Zuständigkeit (in Berlin: Verwaltungsbezirk)

sich die Schule befindet. Gleichwohl übernimmt die Senatsbildungsverwaltung

im Rahmen des „eEducation Berlin Masterplan“ Teile dieser Aufgaben.

Entwicklung der IT-Ausstattung seit 2005/2006 Seit dem Schuljahr 2005/2006 hat sich die IT-Ausstattung an den öffentlichen

allgemein bildenden Schulen kontinuierlich verbessert. Der weitaus überwie-

gende Teil der Geräte wurde durch die Senatsbildungsverwaltung im Rahmen

der Umsetzung des Masterplans für die Schulen auf deren Antrag oder auf

Antrag ihrer Schulträger oder im Zusammenhang mit einem Leitprojekt für

den IT-gestützten Unterricht beschafft. Wie aus der nachfolgenden Tabelle zu

ersehen ist, stieg die Anzahl der PCs in den Schulen von einem Bestand im

Schuljahr 2004/2005 mit 27.412 PCs um 23.342 PCs auf 50.754 PCs im Schuljahr

2011/12 (In den Schuljahren 2008/2009 und 2010/2011 fand keine Erhebung

statt.) Gleichzeitig verbesserte sich die Relation „Schülerinnen/Schüler pro PC“.

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Nikolai Neufert

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Schuljahr Schülerinnen/

Schüler PC

Schülerinnen/

Schüler pro PC

2004/2005 321.978 27.412 11,7

2005/2006 321.187 32.476 9,9

2006/2007 313.222 36.751 8,5

2007/2008 305.280 41.784 7,3

2009/2010 294.538 46.770 6,3

2011/2012 292.267 50.754 5,8

Diese Zahlen sind für die Zielerreichung des Masterplans nach sechs Jahren

Laufzeit von wesentlicher Bedeutung. Im Masterplan wurden zwei mögliche

Ziele, bezogen auf die IT-Ausstattung an den Schulen, im Kapitel 6.2 „Bedarf

an technischer Infrastruktur in den Schulen (allg. bildend)“ formuliert. Bei

einem angestrebten Verhältnis „Schülerinnen/Schüler pro PC“ von 6 zu 1 wäre

die Beschaffung von über 22.000 PCs erforderlich gewesen, bei einem ange-

strebten Verhältnis von 8 zu 1 hätte sich der zu beschaffende Bedarf auf knapp

10.000 PCs verringert.

Vernetzungsmaßnahmen seit 2005/2006 Für den Datentransfer der Computerarbeitsplätze in den Schulen untereinan-

der sowie für den Zugriff auf einen Server und den Zugang zum Internet ma-

chen die dafür erforderlichen Datennetzwerke Vernetzungsmaßnahmen erfor-

derlich. Sie sind entsprechend dem Anhang 1 in der Anlage 2 des Masterplans

(„Hinweise für den Auf- und Ausbau von Datenkommunikationsnetzen an

Berliner Schulen“) durchzuführen. Verantwortlich für die Durchführung dieser

Maßnahmen ist nach dem „Allgemeinen Zuständigkeitsgesetz“ (AZG) der

Schulträger. Den Schulträgern war im Rahmen der Umsetzung des Master-

plans die Möglichkeit eingeräumt worden, sich Vernetzungsmaßnahmen an

ihren Schulen auf Antrag ganz oder teilweise durch die Senatsbildungsverwal-

tung finanzieren zu lassen. Von dieser Möglichkeit wurde seitens der Schulträ-

ger für 600 Schulstandorte Gebrauch gemacht.

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Der „eEducation Berlin Masterplan“

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Zusammenfassung Seit der Veröffentlichung des „eEducation Berlin Masterplan“ hat sich die

technische Infrastruktur an den Berliner öffentlichen allgemein bildenden

Schulen bezogen auf die Ausstattung mit IT-Endgeräten und IT-Peripherie

sowie im Hinblick auf die innerschulische Vernetzung und die Ausstattung mit

Standardservern kontinuierlich verbessert. Es ist erkennbar, dass dies ohne das

Vorhandensein des Masterplans als Grundlage für IT-Ausstattungsstandards

und der finanziellen Mittel nicht möglich gewesen wäre. Somit kann als nach-

gewiesen angesehen werden, dass mit Hilfe des Masterplans die erforderlichen

Infrastrukturmaßnahmen geschaffen werden konnten, die für die Ausbreitung

der informationstechnischen Bildung und die Erhöhung der Medienkompetenz

die unabdingbaren technischen Voraussetzungen darstellen.

Einsatz des Computers in den Lernbereichen der Berliner Schulen Obwohl mittlerweile, wie bereits erwähnt, in den Rahmenlehrplänen fast aller

Bundesländer der Einsatz von IT im Unterricht vorgesehen ist, gehört der Ein-

satz der Digitalen Medien immer noch nicht zum Alltag in den deutschen

Schulen, auch nicht in Berlin. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und

Wissenschaft erhebt in Abständen von ein bis zwei Jahren den IT-Bestand an

allen Schulen, darunter auch den Einsatz des Computers (und des Internet) in

den einzelnen Fächern bzw. Lernbereichen.

Es liegen seitens der Senatsbildungsverwaltung die erhobenen Daten aus den

Schuljahren 2005/2006 bis 2007/2008 sowie durch eine „Blitzumfrage“ auch

Daten vom August 2011 (genannt: Schuljahr 2010/2011) vor. Diese Daten wur-

den dahingehend untersucht, ob an den Schulen der Computer in den fünf

ausgewählten Lernbereichen Deutsch, Mathematik, Naturwissenschaften, Ge-

sellschaftswissenschaften und Sprachen überhaupt eingesetzt wird (Ermittlung

des Nutzungsgrades) und wenn ja, von wie vielen Unterrichtenden in den

Lernbereichen der Schulen (Ermittlung der Einsatzbreite).

Nutzungsgrad der Computer in den Lernbereichen der Schulen Aus der Tabelle wird erkennbar, dass nach den vorliegenden Daten der Com-

puter am häufigsten in den Fächern Deutsch, Mathematik und in den Natur-

wissenschaften eingesetzt wurde, gefolgt von Fremdsprachen und Gesell-

schaftswissenschaften. Der durchschnittliche Nutzungsgrad lag nach fünf

Jahren Masterplan bei 95,87%.

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Nikolai Neufert

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Zusammenfassung Der Nutzungsgrad des Computers hat sich in den Schuljahren 2005/2006 bis

2010/2011 in allen Lernbereichen der Schulen positiv entwickelt, wie aus der

nachfolgenden Übersicht hervorgeht.

Lernbereich Kürzel Nutzungsgrad des Computers

2005/2006 2006/2007 2007/2008 2010/2011

Deutsch D 91,96% 95,45% 96,98% 99,43%

Mathematik M 93,20% 96,02% 97,70% 98,66%

Naturwis-

sensch. NAT 90,43% 93,46% 96,12% 98,28%

Gesellschafts-

wissensch. GES 67,27% 73,54% 78,30% 86,04%

Fremdsprachen FS 85,30% 89,90% 92,10% 96,94%

Durchschnitt 85,63% 89,67% 92,24% 95,87%

Über den Zeitraum von 2005/2006 bis August 2011 ist ein kontinuierlicher An-

stieg des durchschnittlichen Nutzungsgrades des Computers in den Lernberei-

chen zu beobachten.

Einsatzbreite der Computernutzung in den Lernbereichen der Schulen Aus den vorliegenden Daten der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und

Wissenschaft lassen sich auch Schlüsse über die Einsatzbreite des Computers

an den Berliner Schulen in den einzelnen Lernbereichen (Fächern) ziehen. Dazu

wurden wiederum die vorliegenden Daten ausgewertet, die die Bewertung in

den einzelnen Lernbereichen durch die Schulen in vier Kategorien ermögli-

chen:

Kategorie 0: nicht (keine Nutzung),

Kategorie 1: durch wenige Unterrichtende im Lernbereich (Fach),

Kategorie 2: durch die Mehrheit der Unterrichtenden im Lernbereich

(Fach),

Kategorie 3: durch alle Unterrichtenden im Lernbereich (Fach)

Es wurde untersucht, ob sich in der Kategorie 3 eine Veränderung ergeben hat,

die über die Schuljahre 2005/2006 bis 2010/2011 betrachtet, möglicherweise

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Der „eEducation Berlin Masterplan“

346

sogar eine Entwicklung erkennen lässt. Die nachfolgende Tabelle zeigt die

Entwicklung in der Kategorie „Nutzung durch alle Unterrichtenden im Lern-

bereich (Fach)“.

2005/2006 2006/2007 2007/2008 2010/2011

Entwick-

lung

3: alle 3: alle 3: alle 3: alle 2005-2011

Kürzel n % n % n % n % E %

D 25 3,47% 35 4,98%

3

9 5,60%

10

1 19,31% 15,84%

M 31 4,30% 38 5,41%

5

1 7,33%

11

0 21,03% 16,73%

NAT 25 3,47% 47 6,69%

7

1 10,20%

15

4 29,45% 25,98%

GES 5 0,69% 9 1,28%

1

4 2,01% 81 15,49% 14,79%

FS 43 5,96% 53 7,54%

5

5 7,90%

11

1 21,22% 15,26%

Durch-

schnitt: 3,58% 5,18% 6,61% 21,30% 17,72%

In der Spalte „Entwicklung 2005-2011“ ist zu erkennen, dass die stärkste pro-

zentuale Zunahme in der Kategorie 3 „Einsatz des Computers durch alle Un-

terrichtenden im Lernbereich (Fach)“ in den Naturwissenschaften stattgefun-

den hat, gefolgt von den Fächern Mathematik, Deutsch, Fremdsprachen und

Gesellschaftswissenschaften.

Es ist in keinem Fall eine rückläufige Entwicklung zu erkennen. Ab dem Schul-

jahr 2005/2006 bis zum Schuljahr 2010/2011 hat sich der Einsatz des Computers

durch alle Unterrichtenden im Lernbereich im Durchschnitt um 17,72% erhöht.

Page 348: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

Nikolai Neufert

347

Zusammenfassung 1. In den Schuljahren 2005/2006 bis 2010/2011 haben sich sowohl der Nut-

zungsgrad als auch die Einsatzbreite des Computers in den fünf ausge-

wählten Lernbereichen (Fächern) an den allgemein bildenden Berliner

Schulen positiv entwickelt.

2. Es kann davon ausgegangen werden, dass die positive Entwicklung des

Nutzungsgrades und der Einsatzbreite des Computers in den Lernberei-

chen der Schulen mit der Verbesserung der technischen Infrastruktur so-

wie der erfolgreich durchgeführten Qualifizierungsmaßnahmen des päda-

gogischen Personals in den Schulen zusammenhängen.

3. Da den Schulen sowohl für die Qualifizierung des pädagogischen Perso-

nals als auch für den Aufbau und Ausbau der technischen Infrastruktur

keine andere wesentliche Bezugsquelle als die mit der Umsetzung des

Masterplans befasste Senatsbildungsverwaltung zur Verfügung stand,

rechtfertigen die vorliegenden Ergebnisse die Annahme, dass sich die hier

dargestellte positive Entwicklung auf die Nutzung der Möglichkeiten des

Masterplans durch die Schulen zurückführen lässt.

4. Die vorliegenden Ergebnisse rechtfertigen die Annahme, dass sowohl die

Ausbreitung der informationstechnischen Bildung als auch die Entwick-

lung von Medienkompetenz durch die Umsetzung des Masterplans in den

Schulen befördert wurden.

Der „eEducation Berlin Masterplan“ und seine Medienprojekte In der hier beschriebenen Evaluation wurde auch untersucht, in wieweit die

medienpädagogischen, mediendidaktischen und medienmethodischen Leitpro-

jekte des „eEducation Berlin Masterplan“, die „Medienprojekte“, die Ausbrei-

tung der informationstechnischen Bildung und die Entwicklung von Medien-

kompetenz in den verschiedenen Dimensionen (Medienkritik, Medienkunde,

Mediennutzung, Mediengestaltung) haben unterstützen können und welchen

Nutzen sie für die Umsetzung des Masterplans haben. Aus forschungspragma-

tischen Gründen entschied sich der Autor für die Masterplan-Leitprojekte

„eTwinning – europäische Schulpartnerschaften“

„Roberta – Mädchen erobern Roboter“

„Internet-Seepferdchen“

Page 349: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

Der „eEducation Berlin Masterplan“

348

„Lernraum Berlin – die Berliner Lernplattform“

Zu den Projekten wurden die betreffenden Projektleiterinnen bzw. Projektlei-

ter, beim Projekt „eTwinning“ ergänzend die Landesmoderatoren, befragt. Sie

waren im Vorfeld vom Autor gebeten worden, den Grad der Zustimmung zu

den in den entsprechenden Befragungsbögen dargestellten Aussagen ggf. mit

den von ihnen betreuten Schulen und den dort aktiv tätigen Projektleiterinnen

und Projektleitern abzustimmen. Den Kreis der Befragten für die Projekte

„eTwinning“, „Roberta“ und „Lernraum Berlin“ auf diese Personen einzugren-

zen, erschien als vertretbar und auch als ausreichend. Diese Personen sind

auch eher als „Peers“, also auch als Meinungsbildner und Multiplikatoren

anzusehen.

Beim Projekt „Internet-Seepferdchen“ wurden die 71 Berliner Schulen ange-

schrieben, die zu diesem Zeitpunkt ihre erfolgreiche Teilnahme am Projekt

dokumentiert hatten und um Bearbeitung des Befragungsbogens gebeten. In-

nerhalb der gesetzten Frist von nur 8 Werktagen gingen beim Autor 40 ausge-

füllte Befragungsbögen ein, das entspricht einer Rücklaufquote von über 50%.

Aussagen zur Ausbreitung der informationstechnischen Bildung und zur Unter-stützung der Entwicklung von Medienkompetenz Die nachfolgende Übersicht zeigt den Grad der Zustimmung zu den Aussagen

über die Ausbreitung der informationstechnischen Bildung (außer: „Internet-

Seepferdchen“) und die Entwicklung von Medienkompetenz durch die Projekt-

leiterinnen, den Projektleiter, die Landesmoderatoren sowie durch weitere

Befragte („Internet-Seepferdchen“).

Auswertungsergebnis (Ausbreitung der informationstechnischen Bildung):

Projekte

Aussage eTwin-

ning Roberta

Lernraum

Berlin

Durch-

schnitts-

wert

Projekt ist geeignet, die Aus-

breitung der informations-

technischen Bildung zu be-

fördern.

91,7% 100,0% 100,0% 97,2%

Page 350: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

Nikolai Neufert

349

Der Durchschnittswert von 97,2% im Auswertungsbereich „Ausbreitung der

informationstechnischen Bildung“ rechtfertigt die Annahme, dass die drei

Medienprojekte geeignet sind, entsprechend der Zielrichtung des „eEducation

Berlin Masterplan“ die Ausbreitung der informationstechnischen Bildung zu

befördern.

Auswertungsergebnis (Medienkompetenz):

Projekte

Dimension eTwinning Roberta

Internet-

Seepferd-

chen

Lern-

raum

Berlin

Medienkritik 82,6% 66,7% 77,2% 75,0%

Medienkunde 86,1% 100,0% 78,5% 66,7%

Mediennutzung 93,8% 100,0% 87,1% 83,3%

Mediengestaltung 91,7% 100,0% 82,8% 75,0%

Durchschnittswerte 88,6% 91,7% 81,4% 75,0%

(gesamt) 84,2%

Der Gesamtdurchschnittswert von 84,2% im Auswertungsbereich „Medien-

kompetenz“ rechtfertigt die Annahme, dass die vier Medienprojekte geeignet

sind, entsprechend der Zielrichtung des „eEducation Berlin Masterplan“, bei

Schülerinnen und Schülern die Entwicklung von Medienkompetenz in allen

vier Dimensionen zu unterstützen.

Zusammenfassung Die Evaluation der vier Masterplan-Leitprojekte (Medienprojekte)

„eTwinning – europäische Schulpartnerschaften“

„Roberta – Mädchen erobern Roboter“

„Internet-Seepferdchen“

„Lernraum Berlin – die Berliner Lernplattform“

Page 351: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

Der „eEducation Berlin Masterplan“

350

in Form einer ersten Bilanzierung nach fünfjähriger Laufzeit des „eEducation

Berlin Masterplan“ rechtfertigt durch die vorliegenden Ergebnisse die Annah-

me, dass diese Projekte nicht nur die Ausbreitung der informationstechnischen

Bildung und die Entwicklung von Medienkompetenz unterstützen. Sie leisten

einen wesentlichen Beitrag zur Akzeptanz des Einsatzes der Digitalen Medien

durch Lehrende und Lernende bei der Umsetzung des Masterplans. Die Durch-

führung von Projekten ist für Lehrende und Lernende stets mit einem höheren

Aufwand im Unterricht verbunden. Die Ergebnisse rechtfertigen jedoch die

Annahme, dass es mit Hilfe der Masterplan-Medienprojekte gelungen ist, den

Lehrenden zunehmend den Blick dafür zu öffnen, dass der Einsatz der Digita-

len Medien die Qualität des Lernens erhöhen kann und damit auch einen per-

sönlichen Mehrwert für alle Beteiligten darstellt.

Fazit Am 07.03.2012 wurden dem Autor die Daten aus einer Erhebung der Senats-

verwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft zugeleitet, die nicht nur den

aktuellen IT-Bestand in den Berliner Schulen erfasst hat, sondern auch Fragen

zum Masterplan und seiner Wirksamkeit enthielt. An dieser Erhebung nahmen

mit 554 der öffentlichen allgemein bildenden Berliner Schulen (TN) über 85%

teil.

73,5% der TN bewerteten die Unterstützung bei der IT-Ausstattung durch den

Masterplan als sehr gut/gut/zufriedenstellend, 26,5% beurteilten die Unterstüt-

zung als „unzureichend“. Trotzdem meldeten nicht nur diese 26,5% der TN,

sondern 97,3% der TN bei der nächsten Frage einen weiter gehenden Bedarf an

Computerausstattung (PCs, Server, Notebooks, Interactive Whiteboards usw.)

an.

Bei der Frage, ob sich die Lernergebnisse in den Schulen durch den Einsatz von

IT verbessert hätten, konnten 71,8% der TN dies bestätigen, 28,2% sahen keine

Veränderung, in keinem Fall wurde eine Verschlechterung festgestellt.

Die Frage, ob sich durch den Masterplan die Medienkompetenz beim pädago-

gischen Personal verbessert habe, beantworteten 89,5% der TN mit „Ja“, bei der

Frage nach der Verbesserung der Medienkompetenz bei den Schülerinnen und

Schülern wurde dies sogar mit 93,7% bestätigt.

Da schmerzt es wenig, dass „nur“ 96,4% der TN den Masterplan als hilfreich

und notwendig bezeichnet haben.

Page 352: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

Nikolai Neufert

351

Der Autor dieses Beitrags ist der Überzeugung, in der von ihm durchgeführten

Evaluation, auf die hier nicht vertiefend eingegangen werden konnte, aufge-

zeigt zu haben, dass der „eEducation Berlin Masterplan“ sowohl die Ausbrei-

tung der informationstechnischen Bildung, als auch die Entwicklung von Me-

dienkompetenz befördert und unterstützt hat. Dazu trug ohne Zweifel bei,

dass die Umsetzung des Masterplans als „Rundum-Sorglos-Paket“ konzipiert

und auch konsequent realisiert wurde. Die vorliegenden Daten und ihre Aus-

wertung machen deutlich, dass sowohl die durchgeführte Fortbildung des

pädagogischen Personals gem. dem Modulkonzept des Masterplans als auch

die IT-Ausstattung und Vernetzung an den Schulen im Rahmen der Master-

plan-Leitprojekte erfolgreich waren. Die hohe Nachfrage und die positive Be-

wertung der Masterplan-Medienprojekte ergänzen diesen positiven Gesamt-

eindruck.

Referenzen [1] „eEurope Sondergipfel“ in Lissabon. Drucksache des Bundesrates 28/00

vom 17.01.2000.

[2] „eGovernment im Land Berlin - Masterplan -“, V 1.4 vom 13.08.2002, Hrsg.

SenInn.

[3] An der Erstellung des „eEducation Berlin Masterplan“ waren beteiligt: Se-

natsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, Landesinstitut für Schule und

Medien, FU Berlin, TU Berlin, Apple Deutschland, Microsoft, Deutsche Tele-

kom AG, Cornelsen, Klett, Siemens, LIFE e.V. (Träger), die Berliner Volkshoch-

schulen, Vertreter der Berliner Bezirke (Schulträger).

[4] Deutscher Bundestag Drucksache 14/6374, 14. Wahlperiode.

[5] Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Lehramtsanwärterin-

nen und Lehramtsanwärter, Kursleitende, Schulleitung und Schulaufsicht.

[6] Für die Umsetzung des „eEducation Berlin Masterplan“ wurde eine eigene

Lernplattform unter „moodle“ entwickelt, der „Lernraum Berlin“ unter

http://www.lernraum-berlin.de/.

[7] Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung (Hrsg.):

eEducation Berlin Masterplan - Ziele, Strategie und Handlungsfelder für den

Einsatz digitaler Medien in der Berliner Bildung. Zwischenbericht Juli 2009.

Berlin 2009.

Page 353: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

Der „eEducation Berlin Masterplan“

352

[8] Neufert, Nikolai: Vom Plan zur Durchführung – Der eEducation Berlin

Masterplan und seine Realisierung (Teil 1/2). In: Log In, Nr. 162, 163/164 Seite

74 ff./127 ff. Berlin 2010.

[9] Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung (Hrsg.): IT-

gestützte Bildung in Berlin – Zwischenbilanz nach 5 Jahren „eEducation Berlin

Masterplan“. Pressemitteilung vom 17.11.2010.

Im Netz unter http://www.berlin.de/landespressestelle/archiv/2010/11/17/

319250/index.html.

[10] Die Koordinierung erfolgt durch die VHS-Leitstelle IT an der Volkshoch-

schule Neukölln. Die Berliner Volkshochschulen betreiben eine entsprechende

Masterplan-Fortbildungsplattform unter http://www.berliner-vhs.de/start/).

[11] Voraussetzung ist, dass sich mindestens 10 Teilnehmerinnen/Teilnehmer

für einen bestimmten Kurs anmelden. Diese Mindestanzahl gilt nicht für fach-

spezifische Kurse, die dann schul- und standortübergreifend angeboten wer-

den, aber auch wieder in einer Schule stattfinden.

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und Lernens - E-Kooperationen und E-Praxis. Berlin 2010.

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Nikolai Neufert

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Nikolai Neufert

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Wernstedt, Rolf; John-Ohnesorg, Marei (Hrsg.): Neue Medien in der Bildung -

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Vita Nikolai Neufert

Geboren 1947 in Berlin

Lehrerstudium in Berlin

1972 Eintritt in den Schuldienst

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Der „eEducation Berlin Masterplan“

356

Gesamtschulrektor und Fachbereichsleiter für Informatik ab 1992

Pädagogischer Leiter des Berliner „CidS!“-Projekt ab 1998.

Leiter der „Koordinierungsstelle für Bildung und Informationstechnologie“

(KorBIT) im Landesschulamt Berlin ab 2001.

Ab 2003 Schulrat und Referent für den IT-Einsatz im Schulbereich, eLearning

und Medien bei der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport.

Seit 2009 Oberschulrat bei der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wis-

senschaft und zuständig für die Umsetzung des „eEducation Berlin Master-

plan“.

Page 358: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

357

Andreas Hoffmann, Fritjof Kollmann, Michael Schuhen: Universität Siegen,

[email protected], {kollmann|schuhen}@zoebis.de

Revolution im Klassenzimmer? Erfindet Apple das Schulbuch wirklich neu?

Zusammenfassung "Der amerikanische Elektronikkonzern Apple Inc. will den Markt für Lehrbü-

cher an Schulen aufmischen"1. Meldungen wie diese bestimmen die aktuelle

Diskussion um iPad, iBooks und Co. Dabei wird vernachlässigt, dass eine al-

leinige Übertragung der Schulbuchinhalte in digitale Form noch nicht zur Re-

volution des Schulunterrichts beiträgt2. Auch wird die Hoffnung vieler Fachdi-

daktiker und Pädagogen, einen interaktiveren und aktuelleren Unterricht

durchführen zu können, bisher durch die existierenden Apps (für den Bil-

dungsbereich existieren bislang über 15.000 iPad-Apps, allerdings für den Be-

reich der Ökonomischen Bildung bisher nur Quiz-Apps oder aber E-Books)

nicht bzw. nur eingeschränkt eingelöst3.

Apple erhofft sich durch den Einzug von iPads in den Schulunterricht die Er-

schließung eines neuen, großen Marktsegmentes, aber inwieweit aus fachdi-

daktischer Perspektive eine Verbesserung von Unterricht mit dem Einsatz sol-

cher Endgeräte erreicht werden kann, ist bisher ungeklärt.

Der nachfolgende Beitrag diskutiert am Beispiel der Domäne Wirtschaftswis-

senschaften und dem Inhaltsfeld „Marktwirtschaft“ eine exemplarische Umset-

zung schulischer Inhalte in einem interaktiven Schulbuch. Deshalb wird in

einem ersten Schritt das Inhaltsfeld kurz umschrieben. In Kapitel 2 werden die

auftretenden Vermittlungsprobleme, exemplarisch an der Umsetzung in

Schulbüchern diskutiert, um dann Lösungsansätze zu präsentieren. In Kapitel

3 wird das Projekt beschrieben und u.a. auch die verschiedenen technischen

Lösungsmöglichkeiten diskutiert, bevor in Kapitel 4 die Umsetzung, exempla-

1 FAZ 20.01.2012, S. 17, ebenso SpiegelOnline vom 20.01.12 oder Der Tagesspielgel vom

21.01.12 2 siehe zu den Defiziten von Schulbüchern im Bereich der Ökonomischen Bildung Hofmann/

Schuhen/ Schürkmann 2011 3 zu den Chancen und Möglichkeiten des Lernens an mobile devices siehe Ally 2009 sowie

Ryu/ Parsons 2009

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Revolution im Klassenzimmer?

358

risch an der App „Pit Market“ diskutiert werden soll. Abschließend fast ein

Fazit die Ergebnisse der Arbeit zusammen.

Das Inhaltsfeld „Marktwirtschaft“ Das Inhaltsfeld „Marktwirtschaft“ gehört zu den Basiselementen ökonomisch

geprägter Curricula. In diesem Bereich werden Fragen diskutiert, angefangen

mit den Fragen „Wie funktionieren Märkte“ und „Wie bilden sich Preise auf

Märkten?“ bis zu deutlich elaborierteren Fragestellungen wie „Wieso kommt es

zu Marktversagen oder zu Staatsversagen?“ oder „Brauchen wir einen gesetzli-

chen Mindestlohn?“. Eine intensive Auseinandersetzung mit diesen Problem-

stellungen setzt bereits ein vertieftes Verständnis von marktwirtschaftlichen

Prozessen und den Chancen und Grenzen eines marktwirtschaftlichen Wett-

bewerbs voraus. Dies wird auch in den Lehrplänen für die entsprechenden

Fächer so formuliert und inhaltlich in die Bereiche

Marktsystem (Preisbildung, Marktungleichgewichte, Marktgleichgewicht)

wesentliche Ordnungselemente des Marktsystems (Privateigentum, Ver-

tragsfreiheit und Wettbewerb)

Funktionen des Preises und des Wettbewerbs, normative Basis der Sozia-

len Marktwirtschaft, optimale Ressourcen-Allokation

Probleme der Leistungsfähigkeit des Marktsystems: Unternehmens- und

Vermögenskonzentration, Wirtschaftskrisen, ökologische Fehlsteuerungen,

strukturelle Ungleichheiten

Rolle des Staates in der Sozialen Marktwirtschaft: Möglichkeiten und

Grenzen im Streit der Meinungen von Parteien, Verbänden und Wissen-

schaft (Überblick), Leistungen und Fehlleistungen staatlicher Interventio-

nen

aufgegliedert4.

Aktuelle Vermittlungsprobleme in Schulbüchern Schaut man sich gängige Schulbücher zum Thema „Marktwirtschaft“ an, äh-

nelt die Herangehensweise doch sehr. So werden die Lebensdaten der „Grün-

dungsväter“ der Idee der Marktwirtschaft samt einiger vermeintlich wichtiger

4 Vgl. exemplarisch MSWWF NRW 1999: 16 und 18, Zusammenstellung von Schuhen/ Wey-

land 2011: 388

Page 360: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

Andreas Hoffmann, Fritjof Kollmann, Michael Schuhen

359

und aussagekräftiger Textpassagen dargestellt, so z.B. die unsichtbare Hand

von Adam Smith. Dabei sind die angebotenen Textpassagen aber häufig nicht

in der Lage, die Schülerinnen und Schüler in ordnungspolitisches Denken ein-

zuführen. Dies könnte auch daran liegen, dass z.T. recht willkürlich ausge-

wählte Textauszüge aus gängigen universitären Lehrbüchern für Erstsemester

(wie z.B. das VWL-Lehrbuch von Mankiw) vorgelegt werden, die das Verhält-

nis von Markt und Staat auf theoretisch-abstrakter Ebene beleuchten. Bereits

dieser kurze Überblick zu den aktuellen Schulbüchern macht deutlich, dass sie

den aktiv-entdeckenden Zugang der Lernenden zu den Grundlagen unserer

Wirtschaftsordnung nicht ermöglichen, aber zum Teil auch nicht ermöglichen

können und sich deshalb auf Textanalyse und die Reproduktion bereits vor-

formulierter Informationen beschränken. Das eigentliche Ziel einer sozialwis-

senschaftlichen/ wirtschaftswissenschaftlichen Textanalyse kann so nicht reali-

siert werden. Vielleicht noch entscheidender für die schulische Praxis: Von

einer textreproduzierend akzentuierten Unterrichtsgestaltung geht für die

meisten Schülerinnen und Schüler auch kein besonderer Lernanreiz aus. Sie

unterfordert einerseits die Schüler, weil sie über Dinge schreiben, die sie so

oder so ähnlich schon häufig gehört haben. Andererseits sind sie überfordert,

da sie den Kern der Sachverhalte nicht für sich zu erschließen vermögen.

Ferner lassen die analysierten Schulbücher die geforderte Schülerorientierung

und Handlungsorientierung (Schuhen 2012) vermissen. Die unter Schülerorien-

tierung diskutierte Problem- und Adressatenorientierung fehlt besonders im

Bereich der Aufgabengestaltung. So wurde innerhalb der qualitativen Analyse

zu den Arbeitsaufträgen im Themenfeld der Sozialen Marktwirtschaft eine

Differenzierung der Aufgaben in die Kategorien Förderung trägen Wissens

und Aktivierung vorgenommen. Unter allen Schulbüchern der Sekundarstufe I

finden sich im Bereich Markt sechsmal so viele reproduktive Aufgaben zu

trägem Wissen wie aktivierende Aufgaben. Zudem werden in keinem Buch

problemorientierte Aufgaben generiert. Ein Großteil der Aufgaben bewegt sich

auf einem relativ niedrigen Anspruchsniveau (Hofmann/ Schuhen/ Schürk-

mann 2011).

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Revolution im Klassenzimmer?

360

Lösungsvorschläge: Ökonomische Experimente und Simulationen Um diese Kritikpunkte kreativ zu wenden, sollen exemplarisch Lösungsmög-

lichkeiten dargestellt werden5, die nachfolgend als interaktive und neue me-

thodische Elemente in der Umsetzung aufgegriffen werden. Folgende Leitfra-

gen stehen dabei im Mittelpunkt: Wie kann das Thema „Marktwirtschaft“

adressaten- und handlungsorientiert konkretisiert werden, so dass Schülerin-

nen und Schüler das Fundament unserer Wirtschaftsordnung „wirklich“ ver-

stehen?

Vor allem im Inhaltsfeld „Marktwirtschaft“ kann die bereits beschriebene, text-

orientierte Erschließung durch den Einsatz spielerischer Lernformen ersetzt

werden. Besonders bewährt haben sich Ökonomische Experimente, die es er-

lauben, mikroökonomische Modelle nicht nur spielerisch zu erkunden, sondern

auch kritisch zu prüfen. Dabei hat sich gezeigt, dass durch die Einbeziehung

mikroökonomischer Experimente in den Unterricht zwei zentrale Ziele erreicht

werden können: Zum einen werden vertiefte Einsichten in die Funktionslogik

des Marktsystems vermittelt; zum anderen erfolgt diese „Vermittlung“ spiele-

risch, aktiv-entdeckend und schülerorientiert. Der große Erfolg dieses metho-

dischen Ansatzes in der Ausbildung von Wirtschaftswissenschaftlern lässt sich

sowohl an den durchgeführten Studien6 als auch an der in den letzten zehn

Jahren erschienenen Reihe von Lehrbüchern und der noch größeren Zahl an

Aufsätzen ablesen, die Experimente als Zusatzmaterial anbieten. Hinzu kom-

men die inzwischen publizierten Unterrichtsmaterialien für den Ökonomieun-

terricht7.

Was lernen Schülerinnen und Schüler im Rahmen solcher Experimente? Im

Unterschied zur klassischen passiven Textreproduktion haben die Lernenden

sich aktiv-handelnd und empirisch mit ökonomischen Problemstellungen aus-

einander gesetzt. Im Anschluss können dann die Ergebnisse des Experiments

mit den Vorhersagen der klassischen Wirtschaftstheorie verglichen und Ge-

meinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet werden. Insgesamt handelt

es sich bei diesem experimentellen Vorgehen daher um eine wissenschaftspro-

pädeutisch ausgerichtete Form des entdeckenden Lernens – bspw. ideal geeig-

5 siehe ausführlich Schuhen/ Weyland 2011 6 Becker/ Watts 1998; Gemmen, Potters 1997; Ebbers/ Macha/ Schlösser/ Schuhen 2012 7 u.a. Schlösser/ Schuhen/ Macha/ Niederschlag/ Schäfer 2009; Schuhen; Niederschlag/ Schu-

hen 2009; Schäfer/ Schuhen 2009; Schlösser/ Schuhen 2011.

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Andreas Hoffmann, Fritjof Kollmann, Michael Schuhen

361

net also für einen Einsatz in der gymnasialen Oberstufe des Gymnasiums oder

an Berufsschulen. Ökonomische Experimente sind zudem sehr gut geeignet,

um kontroverse wirtschaftsethische Fragestellungen zu provozieren.8

Simulationen helfen darüber hinaus, die Marktmodelle kritisch zu hinterfra-

gen. Wenn also Schüler lernen sollen, wie eine Marktwirtschaft funktioniert, so

gilt es im Unterricht die Funktionslogik von Märkten zu beleuchten. Daher

erscheint es unverzichtbar, den Preisbildungsmechanismus unter Wettbe-

werbsbedingungen und dessen Folgen für den technischen Fortschritt, Produk-

tinnovationen und den Konsumenten als positive soziale Auswirkungen

marktwirtschaftlichen Wettbewerbs für Schüler im Unterricht erfahrbar zu

machen.

Ferner sind wirtschaftspolitische Entscheidungen und deren Auswirkungen,

verlässt man die rein mikroökonomische Perspektive, zu reflektieren und zu

diskutieren. Simuliert werden volkswirtschaftliche Subsysteme, aber auch

wirtschaftspolitische Entscheidungen und deren Folgen innerhalb von Plan-

spielen, deren Tradition als handlungsorientierte Methode deutlich länger ist

als die der Ökonomischen Experimente9 und deren Effektivität ebenfalls als

hoch eingeschätzt wird.10

Diese beiden Beispiele sollen exemplarisch den Anspruch an einen zeitgemä-

ßen Ökonomieunterricht umreißen. Für weitergehende Ausführungen sei auf

den Beitrag von Schuhen/ Weyland 2011 hingewiesen, der weitere Anforde-

rungen aufführt und ein exemplarisches neues Curriculum darstellt.

Umsetzung am Beispiel der App „Pit Market“ Die inhaltliche Realisierung Zur Einführung in die Mikroökonomie bieten sich etablierte Standardlehrexpe-

rimente, wie das Marktexperiment Pit Market an11. In diesem übernehmen die

Lernenden eine aktive Rolle als Anbieter oder Nachfrager mit dem Lernziel,

ein Verständnis für das Zustandekommen des Gleichgewichtspreises auf ei-

8 Schuhen 2008. 9 Schuhen 2008a: 106. 10 Vgl. Leutner 1995; Geilhardt/ Mühlbradt 1995; Sonntag 2004: 851; Schüßler 2004: 53; Nijoo/

de Jong 1993; Trautwein 2011: 91-123.; Raffoul 2010: 202-209. 11 Vgl. Holt 1996

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Revolution im Klassenzimmer?

362

nem Markt zu entwickeln. Im Pit Market wird ein vollkommener Markt kon-

struiert, auf dem ein homogenes Gut gehandelt wird und eine festgelegte An-

zahl von Anbietern und Nachfragern agieren. Den Anbietern und Nachfragern

wird ein Reservationspreis zugeordnet, mit dem diese auf dem Markt Transak-

tionen durchführen können. Anbieter und Nachfrager versuchen einen pas-

senden Transaktionspartner zu finden und gleichzeitig ihren Tauschgewinn zu

maximieren. Aus den Transaktionen ergibt sich eine Angebots- und Nachfra-

gekurve, deren Schnittpunkt das Marktgleichgewicht darstellt. Zum Pit Market

liegen umfassende Untersuchungen und didaktische Einbettungen vor12, auf

deren Grundlagen die App Pit Market für den schulischen Einsatz entwickelt

wurde.

Aus didaktischer Sicht wurde für die App Pit Market ein in mehrere Phasen

strukturiertes Lehr-Lern-Arrangement konzipiert. Die Phasen Einführung,

Durchführung, Diskussion und Modifikation bilden einen klaren Aufbau des

Lernprozesses, der den individuellen Erfahrungen der Lernenden angepasst

werden kann. Ist die Marktform der vollständigen Konkurrenz beispielsweise

erarbeitet, so kann die Lehrperson das Lehr-Lernarrangement in einen mono-

polistischen Markt verändern und die Schüler sind in der Lage, die erspielten

Erkenntnisse in einem neuen Rahmen zu testen.

12 Vgl. Berg/ Rott 2001, Frank/ Haus 2003

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Andreas Hoffmann, Fritjof Kollmann, Michael Schuhen

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Abbildung 1: Spielstart

Zu Beginn des Marktexperimentes informiert die Lehrperson die Lernenden

über den allgemeinen Ablauf und legt entsprechend der gewünschten Markt-

form die Anzahl der Anbieter und Nachfrager fest (siehe Abbildung 1). Die

Lernenden, die sich zuvor angemeldet haben, wählen das Lernmodul Pit Mar-

ket und den von der Lehrperson erstellten Markt aus. Darauf wird den Ler-

nenden automatisch die Rolle des Anbieters oder des Nachfragers zugeordnet.

Zum schnellen Hineinfinden der Lernenden in die Rollen stehen diesen Rol-

lenanweisungen zur Verfügung (siehe Abbildungen 2 und 3).

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Revolution im Klassenzimmer?

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Abbildung 2: Käuferinformationen

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Abbildung 3: Verkäuferinformationen

Nachdem die Lernenden die Rollenanweisungen gelesen haben, startet die

Lehrperson das Marktexperiment. Die Lernenden bewegen sich frei im Klas-

senraum und müssen einen Transaktionspartner unter Berücksichtigung der

Rollenanweisungen finden. Dazu stehen drei Sichten in der App zur Verfü-

gung, die für die Interaktionen im Marktexperiment notwendig sind. In der

ersten Sicht (Handelsverlauf) kann der Lernende die Transaktionen durchfüh-

ren (siehe Abbildung 4).

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Revolution im Klassenzimmer?

366

Abbildung 4: Handelsübersicht Verkäufer

Hierzu muss ein Marktpartner gefunden und ein Preis vereinbart werden.

Werden sich Käufer und Verkäufer über den Preis einig, dann scannt der Käu-

fer den QR-Code des Verkäufers und führt die Transaktion durch. Nach Ab-

schluss der Transaktionen wird dem Lernenden eine Feedbackmeldung ange-

zeigt, die über den Tauschgewinn und den aktuellen Handelspreis informiert.

Mit der zweiten Sicht (Markt) können die Lernenden alle Markttransaktionen

anhand eines Graphen nachvollziehen, der anzeigt zu welchem Preis das Gut

gehandelt wurde. In der dritten Sicht wird die Angebots- und Nachfragekurve

dargestellt. In dieser Sicht werden die eigenen Transaktionen durch einen

Punkt hervorgehoben. Durch Berührung mit dem Finger werden Informatio-

nen zur Transaktion angezeigt. Nachdem die Lehrperson das Marktexperiment

beendet hat, werden die Ergebnisse im Plenum besprochen. Hierzu steht der

Lehrperson eine weitere Sicht zur Verfügung, mit der die Angebots- und Nach-

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fragegraphen und die einzelnen Markttransaktionen mit dem Beamer darge-

stellt werden können (siehe Abbildung 5).

Abbildung 5: Rundeninformationen

Um nicht auf der Ebene der Datenerhebung und -auswertung stehen zu blei-

ben, sollte die notwendige Diskussion mit gezielten Fragen zu den einzelnen

Markttransaktionen beginnen (Holt 1996). Wer würde bei einem Preis von 5 Euro

mehr Güter handeln. Die Anbieter oder die Nachfrager? Alternativ kann ein Ler-

nender sein Marktverhalten vorstellen und mit Hilfe des jeweiligen Transakti-

onspartners das eigene Handeln erläutern. Das Ziel der Diskussion ist, dass die

Lernenden eine Vorstellung von dem Konzept des Gleichgewichtspreises ent-

wickeln und sie dieses in den Angebots- und Nachfragekurven wieder erken-

nen. Nach Abschluss der Diskussion kann das Marktexperiment erneut durch-

geführt werden. Die Lernenden haben nun die Möglichkeit die Annahmen aus

der Diskussion zu überprüfen und theoretische Aspekte wiederzuerkennen,

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Revolution im Klassenzimmer?

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die dann mit den Aussagen der Wirtschaftswissenschaften verglichen werden

können.

Grundlage dieses Vorgehens ist die Spieltheorie. Sie versucht, das Verhalten

einer Person in einer gegebenen Entscheidungssituation aus den jeweiligen

Rahmenbedingungen dieser Situation heraus zu erklären. Eine wesentliche

Annahme ist hierbei, dass ein Spieler seine eigene individuelle Nutzenmaxi-

mierung zum Ziel hat. Dabei richtet sich der Spieler nach den jeweiligen Vor-

und Nachteilen, die aus seinem Handeln in der speziellen Situation resultie-

ren.13 Die in ökonomischen Experimenten eingesetzten strategischen Entschei-

dungssituationen sind Situationen, in denen das Ergebnis von den Entschei-

dungen mehrerer Entscheidungsträger abhängig ist, sodass es einem Einzelnen

nicht möglich ist, das Ergebnis unabhängig von der Wahl der anderen Mitspie-

ler zu bestimmen. Diese Interdependenz ist jedem Entscheidungsträger be-

wusst und er kann auch davon ausgehen, dass sein Gegenüber sich ebenfalls

der Interdependenz bewusst ist. Grundannahme aller Spiele ist die Berücksich-

tigung dieser drei Aspekte.14 In diesen Entscheidungssituationen treten gewoll-

te Interessenkonflikte und/ oder Kooperationsprobleme auf, die in der Reflexi-

onsphase durch den Lehrer aufgegriffen werden sollten.

So bietet es sich an, im weiteren Verlauf des Experimentes, dieses so zu modifi-

zieren, dass neben vollständiger Konkurrenz auch die Marktformen Oligopol

und Monopol und ihre „Gesetzmäßigkeiten“ erlebt werden.

Technische Anforderungen Die beschriebenen fachdidaktisch motivierten Anforderungen an ein neues,

interaktives Curriculum ziehen technische Anforderungen nach sich. Diese

sind:

1. Experimente und Planspiele beinhalten Rechenkerne, d.h. die Daten, die

eingegeben werden, müssen verarbeitet werden können. Somit scheiden

Reader aus der weiteren Betrachtung aus. An dieser Stelle wird noch ein-

mal deutlich, dass die Übertragung von Inhalten aus einem „traditionel-

len“ Schulbuch in eine elektronische Form keine Revolution darstellt, son-

dern nur ein neues Träger- und Darstellungsmedium nutzt.

13 Vgl. Jost 2001: 10f. 14 Vgl. Holler/ Illing 2006: 1

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2. Marktprozesse, also das Anbieten und Nachfragen von Produkten, sind

hoch kommunikativ und dynamisch. Die Schüler übernehmen Rollen und

müssen z.B. Preise untereinander aushandeln. Auch weitere denkbare

Anwendungen wie beispielsweise Kartellspiele oder das Ultimatum-Spiel,

die im Rahmen einer Einführung in die Marktformenlehre eingesetzt wer-

den können, erfordern einen barrierefreien Kommunikationsprozess mit

dem Gegenüber. Deshalb wurden um ein möglichst flexibles Lehr-

Lernarrangement zu erhalten, PC-Terminals und Notebooks aus der weite-

ren Diskussion ausgeschlossen. Die Verwendung von Tablet-Computern

kann diese Anforderung erfüllen, da Tablet-Computer durch ihr geringes

Gewicht und die intuitive Bedienbarkeit ein freies Handeln ermöglichen,

ohne den Lernprozess zu stören. Die Lernenden sind so in der Lage ein re-

alistisches Rollenempfinden zu entwickeln.

3. Um die Unterrichtszeit möglichst effektiv zu nutzen15 und mögliche Unru-

he16, die dadurch entsteht, dass Daten (verhandelte Preise und Mengen)

durch die Schüler zum Lehrer übermittelt und in ein Programm übertra-

gen werden müssen, zu vermeiden, wurde des Weiteren gefordert, dass

die in Frage kommende Geräteklasse Daten automatisiert austauschen

kann. Durch das Einscannen des QR-Codes, der alle Daten zur Transaktio-

nen beinhaltet, kann das Handeln der Lernenden auf die relevanten Inhalte

des Marktexperimentes fokussiert werden. Die Lernenden können sich auf

das Finden eines Marktpartners und das Aushandeln eines Preises kon-

zentrieren. Zur Integration von QR-Codes in Lernanwendungen (siehe

Abbildung 4) ist allerdings eine Kamera erforderlich, mit der ein Aus-

tausch von Daten über QR-Codes stattfinden kann.

4. Eine weitere, unterstützende Funktion von Tablet-Computern stellt der

haptische Umgang der Lernenden mit den Graphen des Marktexperimen-

tes (siehe Abbildung 4) dar. Im Handelsverlauf werden die einzelnen

Transaktionen der Marktteilnehmer durch Punkte dargestellt. Die Lernen-

den können durch Berührung dieser Punkte Informationen zu den einzel-

nen Transaktionen erhalten, was einen explorativen Zugang ermöglicht.

15 Vgl. Helmke 2009: 73 16 Vgl. Kuonin 2006

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Revolution im Klassenzimmer?

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5. Aber nicht nur die Schülersicht stellt neue Anforderungen. Auch für die

Lehrperson ergeben sich neue Möglichkeiten: Zum einen kann durch ein

schnelles Hochfahren der Geräte und eine intuitive Bedienung das Markt-

experiment ohne technische Verzögerungen gestartet werden. Auch ent-

fällt ein Raumwechsel (z.B. ins PC-Labor der Schule). Zum anderen kann

der Wunsch vieler Lehrer nach einer gezielten adaptiven Unterstützung

der Lehr-Lernprozesse dahingehend verwirklicht werden, dass die Lehr-

person während der Experimente jederzeit die einzelnen Transaktionen

durch die Lehrersicht (siehe Abbildung 5) beobachten kann.

Fazit Ein "interaktives erleben" der Ökonomie findet aktuell auf dem Markt für mo-

bile Geräte nicht statt, dabei zeigen erste Studien17, dass methodengestützte

Lernarrangements in der Ökonomie zu einem vertieften Verständnis und zu

einem deutlichen Kompetenzzuwachs führen können. Die Machbarkeitsstudie

zeigt am schulischen Beispiel der Marktformenlehre, dass es möglich ist, basie-

rend auf einer Neuerarbeitung des bisher üblichen Curriculums18, einen inter-

aktiven, schülerorientierten und kompetenzfördernden Unterricht auf dem

iPad zu implementieren.

Dies wurde exemplarisch an der App "Pit-Market" erläutert. In der App "Pit

Market" haben die Lernenden die Möglichkeit die Funktionsweisen der Preis-

bildung auf Märkten als Anbieter oder Nachfrager aktiv zu erleben und die

Marktbegegnungen strategisch zu beeinflussen. Grundsätzlich werden durch

die App zwei Sichten bereitgestellt. Die Lehrperson kann einen neuen Markt

mit einem beliebigen Gut erstellen und die Interaktionen zentral beobachten,

um das Handeln der Lernenden nachzuvollziehen. Die Lernenden agieren in

der Rolle des Anbieters oder Nachfragers und erhalten jeweils spezifische Rol-

lenanweisungen.

Ob das iPad eine Revolution im Klassenzimmer auslösen wird, hängt wesent-

lich davon ab, inwieweit die technischen Möglichkeiten nutzbar für den Unter-

richt gemacht werden. Werden die zu den curricular geforderten Inhalten not-

wendigen interaktiven Elemente wie bspw. Ökonomische Experimente,

Planspiel aber auch Votings oder Podcasts nicht von Fachdidaktikern und Leh-

17 Bspw. Ebbers/ Macha/ Schlösser/ Schuhen 2012. 18 Siehe Schuhen/ Weyland 2011.

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Andreas Hoffmann, Fritjof Kollmann, Michael Schuhen

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rern entwickelt, wird die Revolution ausbleiben. Apple hat mit seinem iPad die

Tür geöffnet, jetzt sind die Fachdidaktiker und Lehrer gefordert, diese geöffne-

te Tür zu nutzen.

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Vita Dr. Andreas Hoffmann ist seit 2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl

Betriebssysteme und verteilte System der Naturwissenschaftlich- Technischen

Fakultät der Universität Siegen. Seine Arbeitsgebiete sind vor allem Software-

systeme für elektronische Prüfungs- und Übungssysteme an Hochschulen und

die Entwicklung von mobilen Anwendungen im Bildungskontext.

Dr. Michael Schuhen ist seit 2007 akademischer Rat und Geschäftsführer des

Zentrums für ökonomische Bildung an der Universität Siegen

(www.zoebis.de). Seine Arbeitsgebiete sind Economic and Financial Literacy

sowie handlungsorientierte Lernumgebungen wozu u.a. Planspiele und Öko-

nomische Experimente gehören.

Fritjof Kollmann ist seit 2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für

ökonomische Bildung an der Universität Siegen (www.zoebis.de). Seine Ar-

beitsgebiete sind Informatiksysteme zur Modellbildung und Simulation in der

ökonomischen Bildung.

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Angela Thiele: Grundschule am Koppenplatz, [email protected]

Lernarchitekturen gestalten

Das Schulkonzept Ausrichtung Ausgangspunkt unserer Überlegungen zur Konzeption der Grundschule am

Koppenplatz ist die Suche nach konkreten Umsetzungen von veränderten

Formen von Lehren und Lernen und damit einer Neuorientierung von Schule

und Unterricht.

Die Ausrichtung ist dabei, eine flexible, dem individuellen Lernstand eines

jeden Kindes angemessene Lernsituation zu gestalten, in der es dem Grad sei-

ner Schulfähigkeit entsprechend gefördert wird.

Ein mathematisch-naturwissenschaftlicher Schwerpunkt, Englisch ab Klasse 1,

und die Integration digitaler Medien in den Unterricht wird als Entwicklungs-

schwerpunkt gesehen. Der musisch-ästhetische Bereich hat in allen Unter-

richtsbereichen einen hohen Stellenwert.

Die Ausrichtung der Konzeption der Schule liegt im entdeckenden, selbst or-

ganisierten und konstruktiven Lernen, das den Schülerinnen und Schülern

ermöglicht, auf ihrer individuellen Lernebene zu lernen, dabei Wissen, Lern-

strategien und Methoden zu erwerben. In unterschiedlichen Sachzusammen-

hängen bauen sie Kompetenzen auf z. B. durch Forschen, Entdecken, Mathe-

matisieren, Recherchieren und Präsentieren.

Sowohl fachspezifische als auch fachunabhängige Kompetenzen werden inte-

griert, um anschluss- und entwicklungsfähiges Wissen innerhalb einer Domäne

aufzubauen, das auf fachspezifischen Basiskonzepten beruht, aber auf konkrete

Lebenssituationen anwendbar und auf neue Situationen transferierbar ist und

nicht träge bleibt.

Diese Konzeption bezieht sich nicht nur auf den Erwerb bestimmter Wissens-

bestände, sondern auch auf die Struktur dieses Wissens, die Methoden der

Wissensproduktion und die Verbindungen zwischen Entdeckung und Anwen-

dung, d. h. auf die Wissenschaft, ihre Methoden und deren kritische Reflexion.

Page 376: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

Angela Thiele

375

Pädagogische Grundsätze Leitmotiv der pädagogischen Arbeit ist die individuelle (Begabungs-) Förde-

rung.

Didaktisch-methodische Lehr- und Lernformen orientieren sich an individuali-

sierenden und differenzierenden Gestaltungsansätzen. Planung und Gestal-

tung des Unterrichts ist gezielt auf die Förderung der einzelnen Schülerinnen

und Schüler sowie auf Gruppen ausgerichtet.

Ziel ist es stets, leistungsschwächere und leistungsstärkere Schülerinnen und

Schüler angemessen zu fördern und ebenfalls zu fordern. In individuellen

Lernplänen werden der aktuelle persönliche Lernweg und die jeweilige situa-

tive Lernebene berücksichtigt. Geschlossene und offene Differenzierungsfor-

men werden sinnvoll auf die entsprechenden Unterrichtsinhalte ausgerichtet.

Die Entwicklung von allgemeinen Lernvoraussetzungen wie Selbstständigkeit,

Selbstorganisation des eigenen Lernens und Selbstverantwortlichkeit wird

nachhaltig aufgebaut und weiterentwickelt. Selbstgesteuertes Lernen der Schü-

lerinnen und Schüler, gemeinsame Lernprozesse in der Lerngruppe oder der

Klasse und angeleitetes Lernen stehen in einem ausgewogenen Verhältnis zu-

einander.

Schülerinnen und Schüler lernen miteinander zu arbeiten, aber auch mit Rück-

sicht auf andere ihren Aufgaben nachzugehen. Jede differenzierte und indivi-

duelle Förderung ist unabhängig von der konkreten Organisationsform einge-

bettet in die Lerngruppe oder in den Klassenverband mit gemeinsamen

Lernsituationen und –prozessen und in das Klassenleben mit seinen Ritualen.

Bei allem kommt dem selbst gesteuerten Lernen eine besondere Bedeutung zu.

Schülerinnen und Schüler lernen auf diese Weise ihrem Lernalter und Lern-

stand entsprechend, sich richtig einzuschätzen, sich selbst anspruchsvolle Auf-

gaben und Ziele zu setzen, ihr Lernen zu planen und auch zu überprüfen. Sie

entwickeln effiziente Lernstrategien und Lernkompetenz.

Dabei ist der Unterricht nicht einseitig auf offene Formen und ausschließlich

selbst gesteuertes Lernen ausgerichtet, auch angeleitetes Lernen hat nach wie

vor seine Berechtigung.

Die sukzessive Sicherung von Grund- und Orientierungswissen rückt in den

Mittelpunkt des Lernens sowie den Aufbau von Fähigkeiten und Fertigkeiten

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Lernarchitekturen gestalten

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einschließlich der Übernahme von Bewertungs- und Handlungsverantwor-

tung. Aktives und intelligentes Wissen ist auf Zuwachs und Veränderung aus-

gerichtet.

Konsequenzen für die Gestaltung von Unterricht Ein wichtiger Aspekt einer effektiven Lern- und Lehrkultur stellt die Individu-

alisierung von Lernprozessen dar. Heute erwerben die Schülerinnen und Schü-

ler – neben ihren unterschiedlichen Begabungen und Lernhaltungen – auch bei

anderen Bildungsanbietern (besonders auch durch die Medien) bestimmte

Grundlagen und auch Spezialwissen (z. T. von guter und sehr guter Qualität).

Das bedeutet für den Unterricht:

Unterschiedliche Lernvoraussetzungen werden konstitutiv für die Gestal-

tung von Lernumgebungen berücksichtigt.

Lernprozesse finden in einer veränderten organisatorischen und zeitlichen

Struktur statt.

Räumlichkeiten und Materialien sowie Medien lassen individualisiertes

Lernen zu und fördern es.

So wandelt sich das Rollenverständnis der Lehrkräfte, die es den Kindern er-

möglichen, ihr Wissen selbst zu erwerben.

Eine notwendige Voraussetzung zur Individualisierung und Differenzierung

stellen Lernaufgaben dar, die den Lerner in den Mittelpunkt seines eigenen

Lernprozesses stellt und ihm ermöglichen, sein Wissen individuell aufzubauen.

Diese Aufgabenkultur unterstützt das Bestreben, Stärken und Schwächen der

Schülerinnen und Schüler zu erkennen und damit individuell (soweit möglich)

zu fördern und zu fordern.

Derartig differenzierende Lernaufgaben gehen von den unterschiedlichen Vo-

raussetzungen der Lerner aus und können mit unterschiedlichen Mitteln oder

Medien und auf unterschiedlichem Niveau bearbeitet werden. Dabei entsteht

auf ganz natürliche Weise Spielraum für Kreativität und Eigeninitiative. Ge-

stellte Probleme können abgewandelt werden, die Lernenden können sich

selbst Probleme stellen oder sie in ihrer Umwelt entdecken. Dabei sind die

Lösungswege nicht vorgegeben. Die Lehrerin oder der Lehrer nimmt die indi-

viduellen Lernwege der Schülerinnen und Schüler wahr und lässt sie zu. Sinn-

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Angela Thiele

377

volle Lösungsversuche können die Lehrkraft bewusst unterstützen und den

Austausch unter den Lernern anregen.

Entstehung von Lernarchitekturen In der Weiterentwicklung der neuen Lehr- und Lernkulturen entsteht die Ge-

staltung von Lernarchitekturen. Sie sind insbesondere u. a. geprägt durch:

die Verknüpfung realer, mentaler und virtueller Räume

den Wandel von Lernschritten auf Lernwegen hin zu Lernräumen (2D –

3D)

ein hohes Maß an Gestaltungsprozessen

einen modularen Aufbau von Unterrichtseinheiten

Lehren im Team/ kollaboratives Lehrerhandeln

Partizipation von Experten (Künstler, Wissenschaftler...) und Eltern

Die Gestaltung von Lernarchitekturen folgt dem Wandel in allen Bereichen des

Lebens und Arbeitens. Sie greift die Anforderungen in Bildung und Qualifizie-

rung auf und zieht Konsequenzen in einer geänderten Gestaltung von Lehren

und Lernen, insbesondere durch die Integration digitaler Medien und virtuel-

ler (Lern)-Räume. Darin wird Wissen nicht mehr primär über abgeschlossenes

und abrufbares „Vorratswissen“ definiert, sondern orientiert sich an Leitvor-

stellungen wie die Befähigung zum Auffinden, Auswählen, Bewerten und

Anwenden von Wissen.

Menschliches Wissen, das Emotion, Kreativität, Initiative, Kontaktfreudigkeit

und komplexe Wahrnehmung nutzt, ist eine wertvolle Ressource, die sich

durch ihren Verbrauch nicht verzehrt. Je mehr Gebrauch davon gemacht wird,

desto mehr kommt nach. Es geht darum, diese Wertschöpfung zu entfalten und

ihr eine tragende Rolle zuzuweisen.

Besondere Fähigkeiten oder individuelle (Hoch)begabungen werden im Rah-

men eines integrativen Konzepts gefördert, das schwerpunktmäßig in geöffne-

ten selbst differenzierenden Lernsituationen realisiert wird. Dabei werden

individuelles Lernen und qualitativ unterschiedliche Zugänge ermöglicht.

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Lernarchitekturen gestalten

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Die Lehrkraft als Lernarchitekt Die Rolle der Lehrkräfte im Unterricht entwickelt sich immer mehr zum

Lernarchitekt. Die verbindlichen Anforderungen der neuen Lehrplangenerati-

on geben dabei klare Vorgaben, welche Lernziele von den einzelnen Schülerin-

nen und Schülern erreicht und welche Kompetenzen erworben werden müs-

sen.

Dabei erwerben sie konzeptionelles Wissen, verknüpft mit den jeweiligen

Kompetenzen, Möglichkeiten der Unterrichtsgestaltung zu schaffen, die die

vermehrte Heterogenität der Lernenden berücksichtigt und gleichzeitig vom

Lehrenden in effektiven, professionellen und leicht durchführbaren Prozessen

erfolgreich geleistet werden können.

Dazu muss eine realisierbare zeitgemäße Lehrerarbeit entwickelt und realisiert

werden. Dieser Veränderungsprozess bedarf einer klar strukturierten Entwick-

lungsarbeit.

Um die Komplexität von Lernprozessen im Unterricht aufzugreifen und für die

Individualität der Lerner zu nutzen, werden lineare Planungssysteme durch

eine klar strukturierte hypermediale Planungsarbeit schwerpunktmäßig er-

gänzt. Dabei werden individuelle, adaptive Lernwege zugelassen, um den

situativen, individualisierenden und sozialen Wissensstrukturen der einzelnen

Lernenden gerecht zu werden.

Die Nutzung von digitalen Medien wird in sinnvoller Weise in diese pädago-

gisch-didaktische Ausrichtung eingeflochten. Dabei eröffnet die Multimediali-

tät vielfältige didaktische Gestaltungsoptionen. Entscheidend ist dabei aus

didaktischer Sicht die mediale Variation, nicht die Realisierung aller Medien-

typen in jeder Lernsituation. Den methodischen Kern bilden beim Erwerb von

Handlungskompetenz die kommunikative Verständigung und das Lernen im

lebendigen Kontext.

Planung von Unterricht mit digitalen Medien in realen und in virtuellen Wel-

ten bedarf ebenso einer veränderten Planungskonzeption. Die Strukturen, in

denen Schülerinnen und Schüler lernen, verknüpft mit komplexen Lernsituati-

onen in Selbstlernprozessen müssen klar, eindeutig und transparent sein.

Die Planungsstruktur von Lernarchitekturen ermöglicht Schülerinnen und

Schülern, ihr Wissen mit persönlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu gestal-

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Angela Thiele

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ten. Dazu recherchieren sie, informieren sich, dokumentieren, stellen dar, mo-

dellieren, argumentieren, präsentieren usw. Sie gehen eigene Lernpfade auf

unterschiedlichen Lernebenen. Erworbene Kompetenz wird sichtbar, von Leh-

renden und Lernenden an sie zurückgemeldet, kontinuierlich weiter ausge-

baut.

Freude am eigenen Lernen, Anforderungen erkennen, Herausforderungen zu

meistern und den Erfolg erleben, das sind Grundausrichtungen des Lehr- und

Lernansatzes.

Zur Planung dieser Lernarchitekturen wird ein digitales Planungstool zur Un-

terrichtsvorbereitung (Uvo) genutzt. Dieses Werkzeug bzw. ein Softwaretool

unterstützt Lehrende dabei, allein oder in einem Team Unterricht effektiver zu

gestalten und ihre Schule als lernende Organisation zu begreifen. Durch pro-

zessorientierte Entwicklungsarbeit und transparente Zielsetzungen wird die

Qualität von Unterricht kontinuierlich gesichert.

Das Tool ermöglicht eine Gestaltung von Lernarchitekturen, die an der indivi-

duellen Kompetenz des einzelnen Kindes ausgerichtet ist. In der Komplexität

dieser Lernszenarien schafft es die notwendige Orientierung durch eine klare

Struktur. Sie stellt eine notwendige Voraussetzung für die Qualität von Unter-

richt dar.

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Sven Hofmann, Wolf Spalteholz: Technische Universität Dresden

{Sven.Hofmann|Wolf.Spalteholz}@tu-dresden.de

Webbasiert Studieren lernen – Wie E-Learning neue Erfahrung und Chance zur Studienvorbereitung für Schüler in der gymnasialen Oberstufe sein kann

Zusammenfassung Webbasierte Lehr-Lernformen sind Gegenstand zahlreicher Forschungsprojek-

te, die häufig auf den technischen Hintergrund und den didaktischen Einsatz

im Kontext der Ausbildung an Universitäten und Hochschulen fokussieren. In

den Schulen befindet sich der Einsatz von E-Learning im Unterricht vorwie-

gend im Erprobungsstatus, da didaktische Szenarien, die Lehrer zu einem

sinnvollen, lernzielorientierten Einsatz dieser Lehr-Lernmethode im Schulun-

terricht befähigen, erst noch zu entwickeln sind.

So treffen die Abiturienten als Studienanfänger auf eine Hochschullandschaft,

in der webbasierte Lernumgebungen weitgehend etabliert sind. Selbstbestimm-

tes webbasiertes Lernen, das Organisieren des eigenen Studienablaufes via

Webportal aber auch die im Vergleich zum Schulunterricht veränderte Metho-

dik der Inhaltsvermittlung in den gewählten Studienfächern bedeuten für die

jungen Studentinnen und Studenten neue Herausforderungen, denen sie teil-

weise unzureichend vorbereitet gegenüber stehen. Die Diskrepanz zwischen

den praktizierten, oft noch Lehrerzentrierten Lehr-Lernformen in der gymnasi-

alen Ausbildung und der zunehmend webbasierten Lehre an den Hochschulen

ist eine der Ursachen für die hohe Rate der Studienabbrecher an den Universi-

täten.

Die Etablierung geeigneter, didaktisch aufbereiteter E-Learning-Szenarien in

den Schulen kann einen Beitrag dazu leisten, künftige Studierende auf den

Übergang zur Hochschule vorzubereiten und sie mit den Studienanforderun-

gen vertraut zu machen.

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Sven Hofmann, Wolf Spalteholz

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Das Projekt „UnIbELT1“ Die Anwendung digitaler Medien insbesondere im Kontext der Unterrichtsge-

staltung nimmt im Bereich der Schulbildung einen zunehmenden Stellenwert

ein. Webbasierte Lehr- und Lernformen stehen im Mittelpunkt zahlreicher

Forschungsprojekte, die sich hinsichtlich der Etablierung des E-Learnings an

Schulen vielfach im Erprobungsstatus befinden. Die Nutzung des Computers

in der Schule bewegt sich vom Gebrauch als Werkzeug zum Verfassen von

Textdokumenten und Präsentationen sowie zur Informationssuche im Internet

hin zur Nutzung von Lernprogrammen, die mehr als 60% der Schüler im

Schulunterricht nutzen (vgl. Abbildung 1).

Hinsichtlich der didaktischen Aspek+te bei der Nutzung von Lernplattformen

im Schulunterricht beschränken sich die Einsatzszenarien häufig auf den Da-

teiaustausch und die Kommunikation zwischen Lehrern und Schülern. Weni-

ger als 30% befragter Lehrer nutzen Lernplattformen für Projektarbeiten, ca.

40% gelegentlich oder regelmäßig für das selbständige Lernen außerhalb des

Unterrichts ([KB11]).

Abbildung 1: KIM-Studie 2010 [MF10]

1 „Übergang Schule-Hochschule mit Unterstützung Internet-basierter E-Learning-Tools“

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Webbasiert Studieren lernen

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Dieser Tatsache steht eine Vielzahl innovativer und didaktisch vielfältiger Bei-

spiele webbasierter Lehr-Lern-Szenarien im Hochschulbereich gegenüber. Die

Organisation des Studienablaufs und die Präsentation von Lerninhalten mittels

webbasierter Lernumgebungen als zusätzliches Angebot sind in vielen Studi-

enrichtungen inzwischen fester Bestandteil des Studiums. Einer Studie zur

aktuellen Situation des E-Learnings an sächsischen Hochschulen zufolge nut-

zen 93% der Studenten lehrveranstaltungsbegleitende digitale Materialien, 86%

Portale zur Studierendeninformation, zur Anmeldung für Lehrveranstaltungen

und Prüfungen sowie zur Notenabfrage ([FH09]).

Der signifikante Unterschied zwischen den erst im Anfangsstadium befindli-

chen webbasierten Lehr-Lernformen in den Schulen und der intensiven An-

wendung von Lernplattformen in den Hochschulen kann als eine der Ursachen

angesehen werden, die zu einer Rate von 20% Studienabbrechern an den Uni-

versitäten führt.

Die an den Schulen nur selten vorhandene Möglichkeit zur webbasierten Stu-

dienorientierung und zum Kennenlernen von in den Hochschulen angewende-

ten Lernplattformen führen dazu, dass nur etwa jeder zweite Absolvent vor

Studienbeginn über klare Berufsvorstellungen verfügt. 46% der Studienabbre-

cher gaben zu geringe Informationen über die Studienanforderungen ihres

jeweiligen Studienfaches an ([HE10]).

Eines der Ziele des ESF-geförderten Projekts UnIbELT besteht darin, die Schü-

ler auf den Übergang von der methodisch vielfältigen aber verhältnismäßig

stark gesteuerten Lernumgebung in der Schule zum selbstbestimmten, zuneh-

mend webbasierten Lernen an den Hochschulen und Universitäten vorzuberei-

ten. Es wird untersucht, inwiefern E-Learning-Szenarien als ergänzendes An-

gebot für eine langfristige Studienvorbereitung geeignet sind. Die

Projektvorgaben begrenzen die Zielgruppe auf Schülerinnen und Schüler der

Sekundarstufe II an allgemeinbildenden Gymnasien des Freistaates Sachsen.

Für die Etablierung der E-Learning-Szenarien in den Schulen liegt der Fokus

der Projektaktivitäten auf folgenden drei Wirkungsbereichen:

1. Webbasierte Studienorientierung:

Die Schüler erhalten bereits vor Eintritt in ein Hochschulstudium Zugang

zur Lernplattform OPAL, auf der alle sächsischen Hochschulen und Uni-

versitäten vertreten sind ([RM09]). Damit wird die Möglichkeit geboten,

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Sven Hofmann, Wolf Spalteholz

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neben den im Projekt entwickelten Kursen auch auf alle anderen frei zu-

gänglichen Lehrinhalte der Hochschulen zuzugreifen und sich einen Über-

blick über die Studienangebote im avisierten Studienfach zu verschaffen.

2. Studienvorbereitung:

Die Schüler erhalten einen Einblick in das zu erwartende Anfangsniveau in

ausgewählten Studienfächern. Die Grundlage hierfür bilden Interviews mit

Hochschullehrkräften sowie Materialien und Video-Mitschnitte aus Lehr-

veranstaltungen des ersten Studienjahres.

3. Entwicklung der Selbstlernkompetenz:

Im Rahmen der Bearbeitungszeit eines E-Learning-Kurses reflektieren die

Schüler ihre Kompetenzen hinsichtlich der eigenverantwortlichen Organi-

sation des Lernens, des Zeitmanagements sowie zur selbständigen Prob-

lemlösung und entwickeln diese weiter. Sie werden dabei zur Nutzung un-

terschiedlicher Kommunikationskanäle wie Foren oder Chaträume im

Problemlöseprozess angehalten.

Es ist gelungen, speziell für diesen Einsatzkontext entwickelte E-Learning-

Kurse an den Gymnasien Sachsens zu etablieren. Seit dem Projektstart im Sep-

tember 2009 wurden mehr als 60 E-Learning-Kurse erprobt, an denen über 900

Schüler teilnahmen.

Vorgehensweise bei der Kurserstellung In einigen E-Learning-Projekten mit Orientierung auf die Schule (z.B. ELeaS

und eLBe) wurde sichtbar, dass im Kontext der Arbeitsbelastung der Lehrkräf-

te in den Schulen die Erstellung von E-Learning-Szenarien als zusätzliche Leis-

tung nicht in einer vertretbaren Kurserstellungszeit realisierbar ist. Einer Stun-

de realer Lernzeit steht für die Erstellung der Lernsequenz ein Zeitbedarf von

20 Stunden gegenüber (vgl. [CD10], S. 207, Berechnung nach niedrigstem Auf-

wand je Lernzeit). Im Projekt UnIbELT wird pro Kurs von einer Lernzeit von

10 bis 15 Stunden ausgegangen, so dass mit einem Entwicklungsaufwand von

über 200 Stunden zu rechnen ist.

Folglich ist es notwendig, für die Kurserstellung andere in Frage kommende

Gruppen in Betracht zu ziehen. Die Anforderungen, die dabei an Kursautoren

gestellt werden, lassen sich klar umreißen: Autoren müssen über ein ausrei-

chend großes Zeitbudget verfügen, um Kurse in einem akzeptablen Zeitrah-

men erstellen zu können. Neben der fachlich-inhaltlichen Sicherheit muss das

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Webbasiert Studieren lernen

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vorauszusetzende Ausgangsniveau der Schüler bekannt sein, um bei der

Kurserstellung an die Schulinhalte anknüpfen zu können. Es ist elementar,

dass der Lernalltag an Hochschulen bekannt ist, um ein adäquates Zielniveau

der Kurse sicherstellen zu können. Für den Übergang zwischen Ausgangs- und

Zielniveau sollen Erfahrungen im didaktischen Aufbereiten von Lerninhalten

vorhanden sein und letztlich sind Fertigkeiten im Erstellen von E-Learning-

Sequenzen wünschenswert, um den sicheren Umgang mit den Werkzeugen

zur Kurserstellung zu gewährleisten.

Für die Kurserstellung im Projekt UnIbELT wurde daher die Gruppe von exa-

minierten Lehramtsstudenten zur Kurserstellung favorisiert, die dem darge-

stellten Anforderungsprofil weitgehend entspricht. Es konnten an der TU

Dresden ausreichend Kursersteller für ein breites Spektrum an Kursinhalten

gefunden werden, die als examinierte Studenten über Erfahrungen in der Nut-

zung des eingesetzten Lernmanagementsystems OPAL verfügen, welches an

den sächsischen Hochschulen und Universitäten inzwischen breit etabliert ist

([RM09]).

Sicherzustellen bleibt, dass die Erstellung der E-Learning-Sequenzen für die

Autoren aus technischer und didaktischer Sicht so praktikabel wie möglich

gestaltet wird. Dazu wurde im Rahmen des Projektes ein Verfahren zur Erstel-

lung der Lerninhalte entwickelt, welches an die Erfahrungen der Kursersteller

im Umgang mit Office-Systemen anknüpft. Dieses wird den Kurserstellern als

Sammlung von vorkonfigurierten Werkzeugen zur Verfügung gestellt (vgl.

[DS10]).

Richtlinien für Autoren als Hilfe und Führung bei der Kurserstellung Zu Beginn des Projektes wurde analysiert, welche didaktischen und techni-

schen Mittel für die Kurserstellung zur Verfügung stehen. Aufbauend auf diese

Untersuchung konnten die „Richtlinien für Kursersteller“ als Initialversion

erstellt werden. Ziel der Richtlinien ist es, den Kurserstellern bei der Planung

von Kursen und bei deren Umsetzung Hilfe zu leisten. Das Richtlinien-

Dokument umfasst u.a. Angaben zu den Kursinhalten, zur Leistungsüberprü-

fung, zur Kursstruktur, zum Gruppen- und Rechtemanagement sowie zur

Lernwegsteuerung.

Somit wird sichergestellt, dass alle Kurse einem grundlegenden inhaltlichen

Bauplan und einer einheitlichen Navigationsstruktur folgen. Es entstand ein

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Dokument, welches die Kursautoren sowohl vor der Erstellung als Handbuch,

als auch während der Arbeit am Kurs im Sinne eines Nachschlagewerkes un-

terstützt.

Anhand von zwei Beispielen soll die Notwendigkeit eines festgelegten Rah-

mens exemplarisch erläutert werden.

Beispiel 1: „Nach Abgabe bitte weiter!“ Die Richtlinien für Kursersteller sehen drei verschiedene Bausteine zur Leis-

tungsüberprüfung in Kursen vor:

Bei Abgaben werden Aufgaben zum Download bereitgestellt und Schüler la-

den die Lösungen elektronisch in einen Abgabeordner hoch. Diese werden

vom Betreuer korrigiert, bevor der Status „bestanden“ oder „nicht bestanden“

gesetzt wird.

Bei Tests handelt es sich um elektronisch auswertbare Aufgabensammlungen,

die sofort nach dem Absolvieren von der Lernplattform ausgewertet werden

und deren Ergebnis einen Einfluss auf den weiteren Lernweg hat.

Letztlich bieten Selbsttests in Form von Übungen dieselben Möglichkeiten wie

Tests, haben jedoch weder Einfluss auf die Lernwegsteuerung noch auf die

vom Lerner erreichte Punktzahl im Kurs. Die Lerner haben mit diesen die

Möglichkeit, jederzeit ihre Leistung zu überprüfen und zusätzliche Übungs-

aufgaben zu erhalten.

Zu Beginn der Kurserstellungsphase wurde die Lernwegsteuerung so umge-

setzt, dass Lernende alle Tests und Abgaben des vorhergehenden Kapitels

bestehen mussten, um zur Bearbeitung der nachfolgenden Lerninhalte überge-

hen zu können. Dies hatte zur Folge, dass die Schüler auf die Bewertung der

Abgaben durch den Lehrer warten mussten. Im Ergebnis der Aussagen der

Schüler in den Auswertungsgesprächen wurde das Konzept der Lernwegsteu-

erung angepasst, indem Tests weiterhin bestanden, Abgaben aber lediglich

eingereicht werden müssen, um im Kurs weiterarbeiten zu können.

Beispiel 2: „Tests reichen nicht.“ Die verwendete Lernplattform OPAL unterstützt in Bezug auf Tests die Forma-

te IMS QTI 1.2 (in sogenannten OPAL-Eigenen Tests) und IMS QTI 2.1 (via der

Testsuite ONYX), welche im Sinne von Schulmeisters viertem Imperativ auch

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für die Lernwegsteuerung genutzt werden und demnach „(…) für das selbstge-

steuerte Lernen eingerichtet (…)“ sind ([RS01], S. 229).

Abbildung 2 zeigt die Gegenüberstellung zweier korrekter Lösungswege einer

Aufgabe aus einem UnIbELT-Kurs. Sowohl am Rechenweg, als auch der Dar-

stellung des Endergebnisses wird deutlich, dass eine solche Aufgabenstellung

nicht automatisiert ausgewertet werden kann.

Abbildung 2: Gegenüberstellung von Musterlösung und Schülerlösung

einer UnIbELT-Aufgabe

Nach den Richtlinien im Abschnitt „Leistungsüberprüfung“ sind sowohl au-

tomatisch auswertbare Tests als auch vom Kurstutor zu bewertende Abgaben

im Kurs vorzusehen. Damit wird gewährleistet, dass die Lernenden jederzeit

die Möglichkeit haben, ihre Kompetenzen zu prüfen. Andererseits kann durch

Abgabeaufgaben das zur Studienvorbereitung nötige Niveau bei der Leis-

tungsüberprüfung erreicht und der Individualität von Schülerlösungen Rech-

nung getragen werden. Daher wurde der reine E-Learning-Charakter der er-

stellten Kurse zu Gunsten von Blended-Learning-Sequenzen aufgegeben, da

ein Eingriff der Betreuer im Sinne der Bewertung von Abgabeaufgaben nötig

ist.

Die den Kurserstellern an die Hand gegebenen Richtlinien unterstützen sie

dabei, die Anforderungen an E-Learning-Sequenzen für die Studienvorberei-

tung sicherzustellen und Kurse zu entwickeln, deren Struktur und Inhaltsdar-

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stellung uniform ist. Dabei wird durch den Richtliniencharakter vermieden,

aufgrund zu restriktiver Anforderungen lediglich Inhalte in vorgegebene Mus-

ter „einzufüllen“. Durch die Richtlinien werden Rahmenbedingungen - nicht

aber starre Vorgaben für die Kurserstellung gesetzt. Die Verwendung von

Templates würde dies durch die „(...)einheitliche Struktur in Form einer

‚Schablone‘ (...)“([DD10], S. 249) unmöglich machen und einen drastischen

Einschnitt in die didaktische Freiheit der Kursersteller bedeuten.

Die Hilfestellungen für Kursersteller können jedoch nur unterstützenden Cha-

rakter haben. Die Qualitätssicherung bezüglich der Inhalte und der Aufberei-

tung dieser für den Einsatz in der Schule muss durch eine Evaluation gesichert

werden. Diese hat neben der Überarbeitung der Kurse auch Auswirkungen auf

nachfolgende Kurserstellungen, indem im Bedarfsfall Anpassungen an den

Richtlinien für Kursersteller vorgenommen werden.

Die Zusammenarbeit mit den Kurserstellern, die wachsende Erfahrung bei der

Betreuung der Schüler und nicht zuletzt die weiterentwickelten Funktionen in

der Lernplattform machen es unabdingbar, dass die Richtlinien für Kurserstel-

ler kein statisches Dokument darstellen, sondern iterativ verbessert und er-

gänzt werden müssen.

Mehrstufige Evaluation der Kurse zur Qualitätssicherung Die Anforderungen an Qualität, Start- und Zielniveau, Inhalte und Leistungs-

prüfungen der Kurse machen es nötig, die Evaluation in mehr als nur einem

Iterationsschritt durchzuführen: Die Kluft zwischen Schul- und Hochschuller-

nen soll geschlossen und nicht durch das Absolvieren von E-Learning-Kursen

auf Hochschulniveau lediglich in die Schulzeit verschoben werden. Aus den

Projektzielen ergibt sich, dass an das Endniveau der Kurse nahtlos der Beginn

eines Hochschulstudiums angeknüpft werden kann. Die Kurse bilden hoch-

schulrelevante Inhalte ab, damit sie repräsentativ für ein Studium sind und die

Studienorientierung umgesetzt werden kann.

Die Evaluation und in deren Folge die Nachjustierung der Kurse vor dem Start

in der Schule werden in wenigstens drei Schritten realisiert: Erstens durch

fachfremde E-Learning-Experten, zweitens mittels einer inhaltlichen Prüfung

durch Fachspezialisten und drittens durch eine methodisch-didaktische Evalu-

ation, die von Lehrern vorgenommen wird.

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Im ersten Schritt werden unter anderem die Länge der Lernsequenzen, die sich

von Präsenzlehrformen unterscheidenden Formen der Leistungsüberprüfung

und die Ausgestaltung der Lernwegsteuerung durch die E-Learning-Experten

evaluiert und gegebenenfalls Vorschläge zu Alternativen gemacht.

Die in der Regel durch Hochschulangestellte durchgeführte inhaltliche Evalua-

tion prüft nicht nur die Richtigkeit der Inhalte und die Passfähigkeit der zu

erreichenden Kompetenzen zu einem Hochschulstudium. Auch Lernformen,

Abstraktionsniveau und Formulierungen werden dahingehend kritisch be-

trachtet, ob sie dem Alltag im Hochschullernen entsprechen.

Sowohl die E-Learning- als auch die Inhaltsexperten können sich zu den Inhal-

ten und deren Umsetzung formlos äußern, erhalten jedoch auch einen standar-

disierten Kriterienkatalog ([SB01]), damit die zu prüfenden Bereiche vollstän-

dig abgedeckt werden.

Letztlich macht es die Zielgruppe Schüler erforderlich, dass die Kurse an ein

Niveau anknüpfen, welches den Erfahrungen der Schüler aus dem Schulalltag

entspricht. Aus diesem Grund werden die methodische Umsetzung der Lerni-

nhalte sowie die Formen der Leistungsüberprüfung von Fachlehrern evaluiert.

An die drei Evaluationsstufen schließen sich die Kursdurchläufe an, die mit

Auswertungsgesprächen mit Schülern und beteiligten Lehrern abschließen. Die

Ergebnisse der Gruppeninterviews fließen ebenfalls in die Überarbeitung der

Kurse ein.

Die Etablierung der Kurse an den Schulen Die Projektvorgaben bestimmen allgemeinbildende Gymnasien des Freistaates

Sachsens als Zielgruppe für die Erprobung der erstellten E-Learning-Szenarien.

Zunächst richtete sich der Schwerpunkt der Akquise mitwirkender Schulen auf

das nähere Umfeld der TU Dresden bzw. die Einsatzschule des Projektkoordi-

nators, um im Bedarfsfall auftretende Probleme persönlich vor Ort lösen zu

können. In der ersten Phase konnten so sieben Schulen für die Mitwirkung am

Projekt gewonnen werden.

Nach der Erweiterung des Aktionsrahmens auf die Bereiche der Bildungsagen-

turen Dresden, Chemnitz und Leipzig erklärten 16 Gymnasien die Mitwirkung

am Projekt ([FK10]). Mit der Ausdehnung der Akquise-Tätigkeit auf den Be-

reich aller fünf Bildungsagenturen wurden alle allgemeinbildenden Gymnasien

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Sven Hofmann, Wolf Spalteholz

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Sachsens postalisch kontaktiert. Dies hatte zur Folge, dass gegenwärtig 30

Gymnasien in Sachsen ihre Mitwirkung am Projekt bekunden.

Abbildung 3: Mitwirkende Gymnasien [UnIbELT]

Sobald an den mitwirkenden Schulen Fachlehrer als Kursbetreuer gefunden

wurden, werben diese anhand des Themenkatalogs interessierte Schüler für

einen E-Learning-Kurs. Nach den Projektvorgaben ist ein Kursdurchlauf erst

bei einer Mindestzahl von 12 Schülern zulässig.

Die aktuellen Schülerzahlen in der Sekundarstufe II durchlaufen aufgrund der

demografischen Entwicklung derzeit ein Minimum. Im Jahr 2000 schlossen

noch 15.480 Absolventen die allgemeinbildenden Schulen Sachsens mit der

allgemeinen Hochschulreife ab, 2011 nur noch 6.370 ([SL11]). Waren an den

sächsischen Gymnasien vor 10 Jahren mehr als 100 Schüler in der Jahrgangsstu-

fe 11 oder 12 vertreten, sind es gegenwärtig oft weniger als 50. Dies erschwert

das Erreichen der Mindest-Teilnehmerzahl, um einen E-Learning-Kurs an der

Schule starten zu können.

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Der Kursstart an der Schule erfolgt unter Anwesenheit des Projektkoordina-

tors. Hierbei wird den Schülern das Anliegen des Projekts erläutert sowie eine

Einführung in die Lernplattform OPAL gegeben. Möglichkeiten der Lerner-

gebniskontrolle durch in die Kurse integrierte Tests, Übungen und Abgabeauf-

gaben sowie zur webbasierten Kommunikation werden demonstriert. Die

Schüler melden sich auf OPAL an und schreiben sich in die zugewiesene Lern-

gruppe des jeweiligen E-Learning-Kurses ein. Sie lernen damit eine praktizierte

Form der Einschreibung in Lehrveranstaltungen an den Hochschulen und

Universitäten kennen.

Die gemeinsame Veranstaltung zum Kursstart an der Schule wird durch die

Beantwortung des Online-Fragebogens abgeschlossen, der anonymisiert die

Nutzerdaten der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler erfasst und aus

folgenden Bestandteilen zusammengesetzt ist:

Anschreiben und Instruktion

Demografische Daten

Fragen zu PC-Nutzung, PC-Anwendungen

Fragebogen zur Lernmotivation

Fragebogen zur inhaltlich differenzierten Erfassung von computerbezoge-

nen Einstellungen

(FIDEC2)

Fragebogen zur lernbezogenen Selbstwirksamkeitserwartung

Nutzung E-Learning-Angebote

Bis Dezember 2011 nahmen 813 Schüler an UnIbELT-Kursen teil, von denen

591 den Fragebogen vollständig beantworteten.

Mit fortschreitender Projektlaufzeit ergibt sich immer häufiger die Situation,

dass Schüler bereits einen oder mehrere Kurse im Projekt UnIbELT absolviert

haben. Besteht ein neu zu startender Kurs zu mehr als 75% aus Schülern mit

Erfahrungen in der Bearbeitung von UnIbELT-Kursen, so wird derzeit eine

verkürzte Startvariante via Online-Konferenz erprobt. Kursstarts per Webkon-

2 Fragebogen zur Inhaltlich differenzierten Erfassung computerbezogener Einstellungen

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Sven Hofmann, Wolf Spalteholz

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ferenz zwischen dem Projektkoordinator an der TU Dresden und Gymnasien

in Leipzig und in Rodewisch stellten hierbei für Schüler und Kursbetreuer eine

neue Erfahrung hinsichtlich der webbasierten Kommunikation dar.

Die Phase der Kursbearbeitung erstreckt sich über eine durchschnittliche Lauf-

zeit von 8 Wochen, in der die Schüler vorwiegend zu Hause oder in Lerngrup-

pen in der Schule außerhalb der regulären Unterrichtszeit arbeiten. Die Gym-

nasien in Mittelzentren oder im ländlichen Raum verfügen teilweise über große

Einzugsbereiche. Daher war mit Problemen hinsichtlich der Verfügbarkeit

ausreichend ausgelegter Netzzugänge insbesondere im ländlichen Raum zu

rechnen. Die Netzanbindung der privaten Haushalte und der Schulen über

schnelle Zugänge hat sich in den letzten Jahren jedoch so weit verbessert, dass

technische Probleme nur marginal auftreten. 77% der Haushalte in den neuen

Bundesländern verfügen über mindestens einen Computer, 72% besitzen einen

DSL- oder einen anderen Breitbandanschluss ([SB11]).

In der Kursbearbeitungszeit betreut der Lehrer die Schüler vor Ort bei inhaltli-

chen Problemen und korrigiert die online einzureichenden Lösungen. Für

technische Fragen steht den Schülern und den Kursbetreuern ein Projektmitar-

beiter der TU Dresden via Skype oder Mail zur Verfügung. Ein Ticketsystem

zur effizienten Bearbeitung der Anfragen von Schülern und Kursbetreuern ist

derzeit im Aufbau.

Die pädagogische Herausforderung für die Kursbetreuer besteht in dieser Pha-

se darin, einerseits die Kursbearbeitung nicht zu stark zu führen, um die Selbst-

lernkompetenz der Schüler weiter zu entwickeln. Andererseits zeigt die Erfah-

rung aus den absolvierten Kursdurchläufen, dass eine differenzierte Betreuung

der Schüler durch den Lehrer vor Ort vor allem hinsichtlich der Motivation zur

konsequenten Bearbeitung des gesamten E-Learning-Kurses vorteilhaft ist.

Szenarien, in denen ein Lehrer die Schüler einer Schule zu unterschiedlichen

Themen betreut, sind derzeit in der Erprobungsphase. Die Betreuung von

Schülern mehrerer geografisch entfernter Schulen durch einen Lehrer wurde

bisher nur in Ausnahmefällen realisiert, soll aber im Hinblick auf die Nachhal-

tigkeit der Kursdurchführung nach Projektende zunehmend praktiziert wer-

den.

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Webbasiert Studieren lernen

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Abbildung 4: Kursdurchläufe nach SBA-Bereichen

Die Kursbearbeitung wird durch ein gemeinsames Abschlussgespräch beendet,

bei dem die Projektmitarbeiter vor Ort mit den Schülern und dem Kursbetreuer

ein leitfadengesteuertes Interview führen. Hierbei werden die erreichten Er-

gebnisse im Kurs aus Sicht des Projekts analysiert sowie die Schüler zu den

Erfahrungen hinsichtlich ihrer Selbstlernkompetenz, ihres Zeitmanagements

und des Umgangs mit der Lernplattform OPAL befragt.

Fazit Im Rahmen des Projekts UnIbELT sind bisher 24 Kursmodule erstellt worden,

die in mehr als 60 Kursdurchläufen an den Schulen erprobt wurden. Über 900

Schüler haben an E-Learning-Kursen unter Betreuung eines Kurslehrers teilge-

nommen.

UnIbELT gehört zu den ersten Projekten, welche E-Learning in diesen Größen-

ordnungen an den Gymnasien des Freistaates Sachsen in Zusammenarbeit mit

den Lehrern praktisch erproben.

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Sven Hofmann, Wolf Spalteholz

393

Die Entwicklung von 24 Kursen im Rahmen des Projekts UnIbELT hat die

Notwendigkeit gezeigt, Methoden zu entwerfen, zu dokumentieren und zu

erproben, um den spezifischen Anforderungen der Kurserstellung für Schulen

gerecht zu werden.

Durch technische Hilfestellungen (Kurserstellerwerkzeuge, vgl. [DS10]), durch

methodische und strukturelle Führung, wie sie durch die Richtlinien für

Kursersteller gewährleistet wird und durch eine Evaluierung, die die verschie-

denen Perspektiven von Zielgruppe, Autoren und Studienvorbereitung auf-

greift, konnte dies erreicht werden.

Die Kurserstellung begleitete ein iterativer Entwicklungsprozess der Kurser-

stellerrichtlinien, welche als nachhaltiges Produkt für die weitere Entwicklung

von E-Learning-Szenarien speziell für den Einsatz in der Schule zur Verfügung

stehen.

Aus der Durchführung von mehr als 60 Kursdurchläufen an sächsischen Gym-

nasien ergab sich, dass eine tutorielle Betreuung der Schüler zwingend erfor-

derlich ist: Die Schüler benötigen in der Zeit der Kursbearbeitung tutorielle

Betreuung nicht nur zur Kontrolle und Bewertung von Aufgabenlösungen

sowie bei inhaltlichen Fragen, sondern auch zur angeleiteten Weiterentwick-

lung ihrer Selbstlern-Kompetenzen und zur Motivation für die konsequente

Bearbeitung des jeweiligen Kurses.

Die erfolgreichen Kursdurchläufe haben zu der Erkenntnis geführt, dass die

Schulen das Management und die Administration der Kursdurchläufe nicht

allein bewerkstelligen können. Demzufolge muss eine zeitbeständige Infra-

struktur geschaffen werden, um sowohl die Organisation der Kursdurchläufe

als auch das Entstehen neuer Lernsequenzen zu ermöglichen.

Referenten Sven Hofmann, Technische Universität Dresden, Fakultät Informatik,

[email protected]

Sven Hofmann, Jahrgang 1966, Studium Diplomlehrer Mathematik/Physik, ab

1990 Lehrer am Lessing-Gymnasium Döbeln, 2007 berufsbegleitendes Studium

Lehramt Informatik an Gymnasien, seit 2009 Projektkoordinator Projekt „UnI-

bELT“ an der TU Dresden.

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Webbasiert Studieren lernen

394

Wolf Spalteholz, Technische Universität Dresden, Fakultät Informatik,

[email protected]

Wolf Spalteholz, Jahrgang 1981, Studium Gymnasiallehramt Mathema-

tik/Informatik, seit 2009 Projektmitarbeiter Projekt „UnIbELT“ an der TU Dres-

den; Verantwortlichkeitsbereiche Kurserstellung und Lernplattform.

Literatur [CD10] Clauß, M. et al.: Towards a Framework for Developing Standardized E-

Learning Modules - A Report on Methods and Tools in a Distributed Content

Production Project. In: Cordeiro, J. et al.: CSEDU 2010. Proceeding of the 2nd

International Conference on Computer Supported Education, Volume 1, Valen-

cia, Spain, 7.-10.4.2010, S. 202-207.

[DD10] Döring, S.; Dietsch, S.: Zwischen Standardisierung und didaktischer

Freiheit – Kooperative Erstellung eines E-Learning-Angebotes. In: Hambach, S.

et al. eLearning Baltics 2010. Proceedings of the 3rd International eLBa Science

Conference., Rostock, 2010, S. 246-256, 78-3-8396-0135-8.

[DS10] Dietsch, S.; Spalteholz, W.: Auf dem Weg von "E-Learning für die Schu-

le" zu "E-Learning in der Schule": Kurserstellung im Projekt UnIBELT In: He-

ring, K. et al.: Wissenslandschaften gestalten. Tagungsband zum Workshop on

e-Learning 2011, Leipzig, 2011, S. 61-70.

[FH09] Fischer, H.: E-Learning aus Perspektive von Hochschulakteuren: Be-

funde und Studien zur aktuellen Situation. In Fischer, H.; Schwendel, J.: E-

Learning an sächsischen Hochschulen. TUDpress, Dresden 2009.

[FK10] Friedrich, S.; Köhler,T.: 2. Sachbericht im Projekt „UnIbELT“. Dresden

2010.

[HE10] Heublein, U. et al.: Ursachen des Studienabbruchs in Bachelor- und in

herkömmlichen Studiengängen. HIS Hochschul-Informations-System GmbH.

Hannover 2010.

[KB11] Karbautzki, L.; Breiter, A.: Organisationslücken bei der Implementie-

rung von e-Learning in Schulen In Rohland, H. et al.: DeLFI 2011 – Die 9. e-

Learning Fachtagung Informatik der Gesellschaft für Informatik e.V.. Dresden

2011.

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Sven Hofmann, Wolf Spalteholz

395

[MF10] Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest: KIM-Studie 2010.

Stuttgart 2011.

[SB01] Benkert, S.: Erweiterte Prüfliste für Lernsysteme (EPL): Kriterienkatalog

zur (vergleichenden) Beurteilung multimedialer Lernsysteme. URL:

http://benkert-rohlfs.de/Promotion/EPL.htm. (Stand: 29.03.2010).

[SB11] Statistisches Bundesamt: Private Haushalte in der Informationsgesell-

schaft – Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien. Wies-

baden 2011.

[SL11] Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen: Absolventen/Abgänger

an allgemeinbildenden Schulen. Kamenz 2011.

[RM09] Richter, F.; Morgner, S.: OPAL - Die Lernplattform sächsischer Hoch-

schulen. In Fischer, H.; Schwendel, J.: E-Learning an sächsischen Hochschulen.

TUDpress, Dresden 2009.

[RS01] Schulmeister, R.: Virtuelle Universität, Virtuelles Lernen. Oldenbourg-

Verlag, München 2001, 3-486-25742-0.

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Beiträge der Poster- und Multimediaausstellung

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Liste der Ausstellenden

Projekt KoMMA online – Kommunikative Mit-mach-Aktionen

für Kinder mit Migrationshintergrund

Christine Achenbach, Eika Auschner: Verein KoMMA online

LeMo – Lernprozessmonitoring auf personalisierenden

und nicht personalisierenden Lernplattformen

Liane Beuster, Albrecht Fortenbacher, Leonard Kappe, Boris Wenzlaff:

Hochschule für Technik und Wirtschaft, Berlin; Andreas Pursian,

Margarita Elkina: Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin;

Sebastian Schwarzrock, Agathe Merceron: Beuth Hochschule für Technik Berlin

Ein Robotikkurs zur Förderung der Fähigkeiten räumlicher

Vorstellung bei Grundschülern

Katja Biermann, Stephan Heldt, Lars Knipping: Technische Universität Berlin

Das eScience – Forschungsnetzwerk Sachsen

Carsten Felden, Claudia Koschtial: Technische Universität Bergakademie Freiberg;

Klaus Hering, Toni Tontchev: HTWK Leipzig; Thomas Köhler, Daniela Pscheida:

Technische Universität Dresden

Strategien zur nachhaltigen Umsetzung und Weiterentwicklung

multimedialen Lehrens und Lernens an der Universität Hamburg

Silke Günther, Alexander Unger: Universität Hamburg

Hamburger eLearning-Magazin

Britta Handke-Gkouveri, Angela Peetz: Universität Hamburg

TuMult: ein Blended-Learning-Verfahren mit der MUMIE

Michael Heimann, Katherine Roegner: Technische Universität Berlin;

Ruedi Seiler: Integral Learning

Lernszenarien für die Schule 2.0

Marcel Jakoblew, Dominik Niehus, Harald Selke: Universität Paderborn

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Virtuelle Mikroskopie in der Lehre – Konzeption und Evaluation

didaktischer Szenarien

G. Klauer, S. Rothe, M. Pfeiffer, M. Fingerhut, D. Krömker, P. Dierkes:

Goethe-Universität Frankfurt am Main

Schülerinnen und Schüler studieren Werkstoffwissenschaft –

Ein E-Learning-Kurs

C. Klümper: Technische Universität Dresden, Gymnasium St.

Christophorus, Werne; U. Wegmann; U. Joos: WWU Münster,

International Medical College, Münster, H.P. Wiesmann: Technische

Universität Dresden

Multimediale Archive am Center für Digitale Systeme

Bernd Körte-Braun: Freie Universität Berlin

Schule 2.0? Neue Medien in der Lehrendenaus- und -weiterbildung

Elke Lackner: Universität Graz

Lernraum Berlin – die Lernplattform für Berliner Schulen

Gladys Mandok, Karsten Bergmann, Lutz Westphal: Senatsverwaltung

für Bildung, Jugend und Wissenschaft, Berlin

Experten für das Lesen – Blended Learning für BibliothekarInnen

und Lehrkräfte: Ein Online-Angebot und seine Akzeptanz

Gudrun Marci-Boehncke, Anja Hellenschmidt: Technische

Universität Dortmund

UnterrichtsMitschau 2.0 – interaktives Lernen mit

Vorlesungsaufzeichnungen im sozialen Kontext

Robert Meyer, Dennis Spitzhorn: LMU München

Das europäische eTwinning-Netzwerk: Anregungen für

Medienprojekte mit Partnerschulen

Nikolai Neufert, Heike Kroll, Christiane Meisenburg,

Kai-Uwe Gösicke: Schulen ans Netz e. V. – Nationale Koordinierungsstelle

eTwinning, Bonn

Softwareentwicklung spielen?! Simulation und Digital Game-Based

Learning in der Software Engineering – Ausbildung

Jöran Pieper: Fachhochschule Stralsund

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aim – Coach für Medienkompetenzentwicklung

Jeannette Rester, Andrea Lampe: aim Akademie für Innovative Bildung

und Management Heilbronn-Franken gemeinnützige GmbH,

Ambitious Coaching & Beratung

NOVICE: Soziales Online-Netzwerk für Veterinärmediziner

Elisabeth Schaper, Andrea Tipold, Jan P. Ehlers: Stiftung

Tierärztliche Hochschule Hannover

Hybride Lernarrangements im Kontext der Hochschullehre:

Implikationen für die Vertrauensbeziehung zwischen

Lehrenden und Lernenden

Martin K.W. Schweer, Karin Siebertz-Reckzeh, Eva Petermann:

Universität Vechta

Online-tutorielle Begleitung der Vorlesung Medienpädagogik

Karla Spendrin, Katarina Riesner, Anett Hübner,

Julia Glade: Universität Leipzig

Berufliche Weiterbildung im Gartenbau mit dem Online-Kurs FiPs-Net

Magdalena Tauch, Thomas Lohrer, Georg Ohmayer: Hochschule

Weihenstephan-Triesdorf

Ferienschule 3.0: Die Schule ist aus, aber das Lernen geht weiter.

Herbert Teichmann, José Gutierrez: Volkshochschule Berlin Mitte;

Ulrike Mußmann: Freie Universität Berlin

Umwandlung eines Vollzeitstudiengangs zu einem berufsbegleitenden

Studiengang an der TH Wildau [FH]

Ulrike Tippe, Susanne Lutz: Technische Hochschule Wildau

Programmieren für Kinder

Chris Wegmayr: ARGE VS EDV Salzburg

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Christine Achenbach, Eika Auschner

Projekt KoMMA online – Kommunikative Mit-mach-Aktionen für Kinder mit Migrationshintergrund

„KoMMA online“ ist ein computerbasiertes Lernspiel für Kinder mit Migrati-

onshintergrund. Es ermöglicht den Kindern, einerseits durch Einsatz im Schul-

unterricht, andererseits durch den individuellen Einsatz in der Freizeit, der

Nachhilfe und dem Förderunterricht, an den persönlichen Schwierigkeiten im

Bereich der Sprachkompetenz zu arbeiten. Gleichzeitig beinhalten die Aufga-

ben landeskundliche und interkulturelle Komponenten, so dass die Kinder

auch in diesen Aspekten gefördert werden. Um das Interesse von Kindern an

deutscher Grammatik und Landeskunde zu wecken, ist ein Computerspiel sehr

gut geeignet, da sie häufig mit dem Medium „Computer“ vertraut sind, gerne

Zeit online verbringen und daher besonders motiviert sind. Auf der Internet-

seite www.komma-online.eu wird den Besuchern ein virtuelles Spielfeld in

Form einer Landkarte des deutschen Sprachraums zur Verfügung gestellt. Man

tritt eine „Reise“ an und klickt auf einen beliebigen Ort. Dort sind Aufgaben

hinterlegt, die der Besucher lösen muss (zu Grammatik, Orthografie, Konzent-

ration, Merkfähigkeit etc.). Gleichzeitig erhalten die Besucher durch Fotos,

Texte und kurze Comic- und Videosequenzen Einblick in den Alltag verschie-

dener im deutschen Sprachraum lebender Familien und ihrer Kultur, regionale

Besonderheiten, Sehenswürdigkeiten und allgemeines Kulturgut.

Zusätzlich gibt es zeitlich begrenzte Aktionen, bei denen die Kinder aufgefor-

dert werden, in Gruppen (z.B. im Klassenverband) an Wettbewerben teilzu-

nehmen. Die Gewinner bekommen einen Gutschein für einen Event, das im

engen Zusammenhang mit der betreffenden Aktion steht. Die Schüler erhalten

zusätzlich ein Lehrbuch, das aus landeskundlichen und grammatikalischen

Inhalten besteht. Die Übungen und Erweiterungen finden die Schüler dann auf

der Internetseite. Das Buch dient der Orientierung; dort können die Schüler

bspw. eintragen, wie viele Punkte sie bei den einzelnen Themen gesammelt

haben und so ein Lerntagebuch führen.

Das Spiel kann zudem auf dem „Smartboard“ eingesetzt werden und bietet so

der Lehrkraft eine Hilfe beim Einsatz der neuen Technik im Unterricht.

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Liane Beuster, Margarita Elkina, Albrecht Fortenbacher, Leonard Kappe,

Agathe Merceron, Andreas Pursian, Sebastian Schwarzrock, Boris Wenzlaff

LeMo – Lernprozessmonitoring auf personalisierenden und nicht personalisierenden Lernplattformen

In diesem interdisziplinären Forschungsprojekt Lernprozessmonitoring auf perso-

nalisierenden und nicht personalisierenden Lernplattformen (LeMo) wird eine proto-

typische Anwendung entwickelt, die sowohl von Forschenden zur Verifikation

von Hypothesen zum Lernverhalten eingesetzt werden kann als auch von

eLearning-Anbietern und -Dozenten zum Monitoring von Lernprozessen. Da-

bei kooperieren die drei Berliner Hochschulen – Beuth Hochschule für Technik

Berlin, HTW Berlin und HWRecht Berlin - sowie fünf Praxispartner aus dem

Bereich eLearning –bbw Hochschule, eLeDia GmbH, FIZ-Chemie GmbH, imc AG

und Lesson Nine GmbH miteinander. Das Projekt wird aus EFRE-Mitteln der

Europäischen Union und durch das IFAF Berlin finanziert. Methoden des Edu-

cational Data Mining1 werden hierbei eingesetzt, um aus Nutzungsdaten von

eLearning-Plattformen Informationen über das Verhalten von Anwendern

sowie über die Qualität und die Möglichkeit von Optimierungsmöglichkeiten

der eLearning-Angebote zu gewinnen. Als Leitlinie dient ein Katalog von über

80 didaktische Fragestellungen und Forschungshypothesen der Projektbeteilig-

ten zum Lernverhalten und zur Mediennutzung der Anwender. Die Aufberei-

tung der Nutzungsdaten erfolgt in drei Schritten, beginnend bei der Datenge-

winnung aus den eLearning-Plattformen über die Datenverarbeitung bis hin zur

Visualisierung. Schwerpunkte bei der Entwicklung der Anwendung liegen in

der Datenzusammenführung, da verschiedene Plattformen Nutzerdaten in unter-

schiedlichen Formaten speichern, in der Berücksichtigung des Datenschutzes, da

die erforderliche Anonymisierung Auswertungsmöglichkeiten wesentlich beein-

flusst, in der Auswahl der geeigneten Methoden des Educational Data Mining

und in der Visualisierung der Daten in zugleich nutzerfreundlicher wie inhalt-

lich aussagekräftiger Weise. Eine Besonderheit der Anwendung ist die Mög-

lichkeit, vergleichende Datenanalysen für unterschiedliche Plattformen durch-

zuführen.

1 Vgl. http://www.educationaldatamining.org/

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Katja Biermann, Stephan Heldt, Lars Knipping

Ein Robotikkurs zur Förderung der Fähigkeiten räumlicher Vorstellung bei Grundschülern

Ein dreitägiger Kurs zur Förderung der räumlichen Fähigkeiten wurde entwi-

ckelt, durchführbar beispielsweise als Exkursion oder Projekt. In Anlehnung an

das Roberta-Kurskonzept des Fraunhofer Institutes werden die Inhalte unter

Einsatz von Roboterbaukästen vermittelt. Eine verbreitete Faszination für das

Thema Roboter und schnelle Erfolgserlebnisse mit den Baukastensystemen

sorgen für eine hohe Motivation. Zudem ist die Ansteuerung von Robotern

hervorragend geeignet, um räumliche Konzepte sowohl abstrakt zu behandeln

(in der Programmierung) als auch mit konkreten Erfahrungen zu verbinden

(die Bewegungen der Roboter).

Im Kurs arbeiten Schülerinnen und Schüler paarweise in Teams mit je einem

Rechner und Baukasten. Für den Kurs wurde ein „Forscherbuch“ zum selbst-

ständigen Arbeiten erstellt, welches an jeden der Teilnehmer zu verteilen ist. Es

beinhaltet auf Papier auszufüllende Aufgaben, solche zum Konstruieren der

Roboter, zu deren Programmierung sowie alle notwendigen Anleitungen und

Hilfen. Sowohl Aufgaben zur Bearbeitung in den Zweierteams als auch in grö-

ßeren Gruppen werden gestellt.

Der Kurs beginnt mit einer Einführung zu Robotern, dem Bauen der Modelle

und dem Erlernen der zugehörigen grafischen Programmierumgebung. Ein

Spiel, in dem ein Teampartner die Rolle des Roboters und einer die des Pro-

grammierers mit Zurufen der Steueranweisungen übernimmt, soll für die Be-

schränkungen bei der Programmierung sensibilisieren. Es folgen Programmie-

rungen der Modelle, um Pfade abzufahren und um ein Labyrinth mit den

Wänden als zu erkennenden Hindernissen zu durchqueren. Das Kurskonzept

wurde mit 23 Schülerinnen und Schülern der 5. Klasse getestet. In schriftlichen

Tests wurden die Fähigkeiten der Teilnehmer im Bereich Raumorientierung

vor und nach dem Kurs überprüft. Im Schnitt ergab sich eine leichte Verbesse-

rung der Ergebnisse, wobei aber ein gewisser Übungseffekt durch den Vortest

selbst nicht ausgeschlossen werden kann. Feedbackbögen zufolge war der Kurs

darüber hinaus bei den Teilnehmern sehr beliebt.

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Carsten Felden, Klaus Hering, Thomas Köhler, Claudia Koschtial, Daniela Pscheida,

Toni Tontchev

Das eScience – Forschungsnetzwerk Sachsen

Das eScience – Forschungsnetzwerk Sachsen ist ein Verbund aller sächsischen

Hochschulen für die grundlegende und differenzierte Erforschung der Ansätze

und Methoden von E-Science.

Was prägt die Wissenschaft von morgen? Ziel des eScience – Forschungsnetzwerks ist die Verknüpfung und Weiterent-

wicklung bestehender E-Science-Forschungsaktivitäten im Freistaat Sachsen

durch die Implementierung gemeinsamer Standards.

Forschung strukturieren und profilieren Zur Gewährleistung exzellenter, innovativer und nachhaltiger Forschung wur-

den im eScience -Forschungsnetzwerk Sachsen drei Forschungscluster mit

unterschiedlichen Schwerpunkten etabliert. Angesiedelt sind diese an drei

verschiedenen sächsischen Hochschulen. In jedem Cluster forschen bis zu fünf

Projekte parallel. Verbunden werden die Einzelvorhaben über eine Plattform.

Diese vernetzt die beteiligten Forscherinnen und Forscher und ermöglicht den

Zugang zu digitalen Forschungstools ebenso, wie das Teilen von Daten oder

die gemeinsame Arbeit an Texten. Darüber hinaus dient die Plattform auch der

themenbezogenen öffentlichen Information anderer Wissenschaftlerinnen und

Wissenschaftler, interessierter Unternehmen und politischer Institutionen.

Das Cluster E-Business (TU Bergakademie Freiberg) konzentriert sich inner-

halb des Forschungsnetzwerks auf verteilte Problemlösungsverfahren und

Entscheidungsunterstützung. Das Cluster E-Learning (TU Dresden) themati-

siert die Rolle elektronisch unterstützter Lehr- und Lernprozesse im Kontext

der Digitalisierung von Wissenschaft. Das Cluster E-Systems (HTWK Leipzig)

verbindet Forscherinnen und Forscher auf den Gebieten der IKT und der digi-

talen Medien.

Weitere Informationen zum eScience – Forschungsnetzwerk Sachsen unter:

www.escience-sachsen.de

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Silke Günther, Alexander Unger

Strategien zur nachhaltigen Umsetzung und Weiterentwicklung multimedialen Lehrens und Lernens an der Universität Hamburg

Der Ausstellungsbeitrag ist eine Kombination aus einem Poster und einem

Multimediabeitrag. Dargestellt wird ein Ergebnis des Projekts ePush1 der Uni-

versität Hamburg. Im Zuge des Projekts kam es zu strukturellen Weiterent-

wicklungen auf verschiedenen Ebenen. In diesem Beitrag wird ein kleiner Aus-

schnitt der vollzogenen Entwicklung, d.h. die Anreicherung der Lehr- und

Lerninfrastruktur, anhand der Ausgestaltung und der Ergebnisse eines Semi-

nars zum spielbasierten Lernen dargestellt. Den Rahmen für ePush bilden die

ICT-Strategie der Fakultät, die eLearning-Strategie der Universität sowie die

Ziel- und Leistungsvereinbarungen zwischen Fakultät und Präsidium. Im Zuge

dieses Projekts wurden u.a. zwei mobile Notebookcenter angeschafft, die ein-

gesetzt werden, um Seminarstrukturen mittels der 1:1-Nutzung der Rechner

durch die Studierenden anzureichern. Der Multimediabeitrag wird genutzt um

die Ergebnisse eines Seminars zu demonstrieren, in dem digitale Lernspiele

durch Lehramtsstudenten konzipiert, programmiert und evaluiert wurden. Die

Anreicherung der Lehr- und Lerninfrastruktur wird auf der Grundlage der

Ergebnisse von ePush fortgeführt. Als weiteres Element des multimedialen

Lernens und Lehrens wird derzeit eine Digital Game Lab aufgebaut. Mit dem

Game Lab soll die Nutzung und Erforschung von digitalen Spielen im pädago-

gischen Kontext als ein weiterer Schwerpunkt in der Lehre und Forschung

etabliert werden. Hierzu gehören u.a. der Einsatz sowie die Erstellung von

Computerspielen im Unterricht und in außerschulischen Einrichtungen (u.a.

Medienzentren) sowie die empirische Erforschung der digitalen Spielekultur.

Derzeit wird ein Forschungsprojekt zur Erforschung der Moddingkultur (Jun.

Prof. Dr. Alexander Unger) vorangebracht. Das Game Lab bietet so die Mög-

lichkeit, die Auseinandersetzung mit multimedialem Lernen zu erweitern und

über ein enges Lernverständnis hin zu einem Ansatz von „Media Literacy“ zu

erweitern.

1 vgl. http://mms.uni-hamburg.de/blogs/epush/was-ist-epush [zuletzt zugegriffen am

15.1.12].

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Britta Handke-Gkouveri, Angela Peetz

Hamburger eLearning-Magazin

Ende Dezember 2011 wurde die siebte Ausgabe des „Hamburger eLearning-

Magazins“ durch das Zentrale eLearning-Büro der Universität Hamburg veröf-

fentlicht. Der Schwerpunkt für diese Ausgabe war das Thema "eAssessment

auf dem Prüfstand". Es konnten wieder viele Autoren und Institutionen, da-

runter CeDiS der FU Berlin und das prämierte Testcenter der Universität Bre-

men, gewonnen werden. Aber auch die „hauseigene“ Kategorie „Seminare ans

Netz der Universität Hamburg“ zeigt erneut, wie vielfältig die Ideen und Um-

setzungen von eLearning und Blended Learning an der Universität Hamburg

sind. Die bereits über 95.000 Downloads zeigen das große Interesse an unserem

aktuellen Magazin. Über alle bisherigen Ausgaben verzeichnen wir bereits

über 665.000 Downloads. Dabei war das bisher erfolgreichste Magazin die

Ausgabe zu „eLearning in den Naturwissenschaften“. So wechseln wir im

Schwerpunktthema jeweils ein globales Thema mit einem fachlichen Bereich

ab. In der nächsten Ausgabe soll es um „eLearning in der Medizin und den

Gesundheitswissenschaften“ gehen. Hier ein Überblick über die bisherigen

Ausgaben und die erzielten Downloadzahlen (Stand Ende Februar 2012):

Seminare ans Netz: 46.305

eAssessment, ePrüfungen, ePortfolios: 114.560

OLAT im Einsatz: 75.358

eLearning in den Naturwissenschaften: 114.754

eLearning in Massenveranstaltungen: 112.577

WiSo eLearning? 106.178

eAssessment auf dem Prüfstand: 95.414

Sicher liegt der große Erfolg des Magazins auch darin, dass die Artikel Anre-

gungen für die eigene Lehrpraxis geben. Es bietet eine Plattform über Lehr-

Lern-Szenarien zu berichten, die sonst nicht den Weg in die Öffentlichkeit fin-

den würden.

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Michael Heimann, Katherine Roegner, Ruedi Seiler

TuMult: ein Blended-Learning-Verfahren mit der MUMIE

Die multimediale Open-Source-Lern- und Lehrplattform MUMIE bietet eine

Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten für Kurse in MINT-Fächern an. Mit die-

sem Beitragen zeigen wir eine Möglichkeit anhand des Kurses „Lineare Algeb-

ra für Ingenieure“ an der TU Berlin mit 1200-2600 Teilnehmern pro Semester.

Hierfür wurde das Blended-Learning-Verfahren TuMult entwickelt. Das

grundlegende Ziel dieses didaktischen Konzepts ist es, nicht nur die Studie-

renden beim Erlernen der Mathematik sondern auch beim Übergang von der

Schule zur Hochschule zu unterstützen.

Typische Probleme im ersten Semester sind eine starke Fokussierung der Stu-

dierenden auf Schemen statt Verständnis, unverständliche Darstellung ihrer

Ideen in Wort und Schrift, zu wenig Erfahrung mit Zeitmanagementtechniken

und schlechte Lerngewohnheiten. Nur wenige können selbstständig lernen. Ein

Ziel von TuMult ist es, den Fokus im Tutorium auf die eigentlichen Probleme

der Studierenden zu legen, um so die Effizienz der Tutorien zu erhöhen und

gleichzeitig das selbstständige Lernen sowohl innerhalb als auch außerhalb der

Tutorien zu fördern und zu unterstützen. Der für viele Studierende besonders

im Selbststudium schwierige und zeitaufwändige Zugang zu den mathemati-

schen Konzepten wird zum Schwerpunkt im Tutorium, während Rechenübun-

gen (Anwendung von Algorithmen usw.), bei denen die Betreuung durch ei-

nen Tutor i.A. weniger erforderlich ist, mit vergleichsweise geringem

Zeitaufwand in Selbstarbeit mithilfe der interaktiven MUMIE-Online-

Trainingsmodule auch außerhalb des Tutoriums erledigt werden können.

Mumie-Kursinhalte und andere begleitende Materialien, welche z.T. im Rah-

men des UNITUS-Projektes erstellt und weiterentwickelt wurden, um Studie-

rende, Tutoren und Assistenten zu unterstützen, werden vorgestellt und in

ihrem Kontext zum Gesamtkonzept gezeigt.

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Marcel Jakoblew, Dominik Niehus, Harald Selke

Lernszenarien für die Schule 2.0

Die mehrjährige Entwicklung und Evaluation von Lernplattformen unter all-

tagspraktischen Bedingungen hat gezeigt, dass die Kombination von techni-

schen Komponenten mit didaktischen Ansätzen zu Problemen führt, die weder

von Didaktikern noch von Technikern allein gelöst werden können. Erfolgrei-

ches Lernen mit technischer Unterstützung setzt voraus, dass Didaktiker und

Techniker gemeinsam Lösungen für die Probleme erarbeiten. Deutlich wurde

dies durch unsere Forschung im Bereich der Lernplattformen, die zu der Ent-

wicklung der Lernszenarien geführt hat. Handlungsleitfäden bilden dabei eine

Brücke, die bei der Lösung dieser Probleme hilft.

Lernszenarien haben also den Vorteil, dass sie spezifisch auf einen didakti-

schen Ansatz angepasst sind und diesen korrekt durch Anwendungslogik und

Dokumentation unterstützen. Jedoch braucht man für die Entwicklung von

Lernszenarien Techniker und Methodenexperten, die zusammenarbeiten, um

genau diesen Handlungsleitfaden und die Anpassung der Standardkomponen-

ten zu entwickeln.

Da der Prozess zur Erstellung eines solchen Lernszenarios zum einen aufwen-

dig ist und zum anderen insofern unflexibel, als nur vorab entsprechend ent-

wickelte Szenarien zur Verfügung stehen, ist für die Zukunft geplant, einen

Methodenbaukasten zu schaffen, mit dem Methodenexperten ohne die Hilfe

von Technikern Lernszenarien entwickeln können. Um dies zu erreichen, muss

der Methodenbaukasten alle technischen Probleme lösen, die aus der Kombina-

tion von Komponenten zum Lernszenario entstehen. Dazu ist es zunächst er-

forderlich, die Grundbausteine für die Entwicklung von Lernszenarien zu

identifizieren und eine geeignete Modellierungstechnik zu finden, die es Me-

thodenexperten ermöglicht, Lernszenarien auf dieser Basis umzusetzen.

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G. Klauer, S. Rothe, M. Pfeiffer, M. Fingerhut, D. Krömker, P. Dierkes

Virtuelle Mikroskopie in der Lehre – Konzeption und Evaluation didaktischer Szenarien

Das Erlernen funktionsmorphologischer Konzepte in der Biologie und der

Medizin sowie die Identifizierung relevanter Strukturen an Gewebeschnitten

ist ein iterativer kognitiver Lernprozess, der ein passgenaues Feedback erfor-

dert. Der klassische Unterricht der mikroskopischen Anatomie basiert auf akti-

vem mikroskopieren und zeichnen histologischer Präparate. Dieser kognitive

Aneignungsprozess fachspezifischer visueller Mustererkennung wird in der

aktuellen Hochschulausbildung immer weniger unterstützt und zunehmend

durch „abstraktes“ Lehrbuchwissen ersetzt. Gründe hierfür sind steigendende

Studierendenzahlen und eine zeitliche Limitierung in neuen Ausbildungs-

strukturen. Die „Virtuelle Mikroskopie“ bietet die Möglichkeit, dieser Entwick-

lung effektiv entgegenzuwirken. Es handelt sich hierbei um ein Scanning-

Verfahren, bei dem mikroskopische Schnitte komplett hochauflösend digitali-

siert und auf einem Server gespeichert werden. Die virtuellen Präparate er-

möglichen einer großen Nutzerzahl die Mikroskop- und ortsunabhängige Aus-

einandersetzung mit mikroskopischen Strukturen. In der medizinischen

Ausbildung wird diese Technik bereits seit mehreren Jahren erfolgreich in der

Histologie und Pathologie angewandt. Lernende durchlaufen dabei den Pro-

zess einer aktiven visuellen Mustererkennung und vollziehen somit die grund-

legenden Vorgehensweisen beim Mikroskopieren handlungsorientiert nach.

Die noch ausstehende Einführung im biologischen Bereich erscheint ebenfalls

attraktiv, da die Biologie sowohl an der Hochschule als auch im schulischen

Bereich eine wichtige Rolle einnimmt. Um die Relevanz in diesem Anwen-

dungsfeld zu testen, wurde auf der Basis einer eigenen, nutzerfreundlichen

Oberfläche verschiedene Anwendungsszenarien mit Lehramtsstudierenden

des Faches Biologie erprobt und evaluiert. Die Evaluationsergebnisse zeigen,

dass die virtuelle Mikroskopie geeignet ist, Interesse, Autonomieerleben und

Zusammenarbeit zu fördern. Vorteile der virtuellen Mikroskopie werden im

direkten Vergleich zur klassischen Mikroskopie erkannt und als wichtig erach-

tet.

Page 411: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

410

Christian Klümper, Ute Wegmann, Ulrich Joos, Hans Peter Wiesmann

Schülerinnen und Schüler studieren Werkstoffwissenschaft – Ein E-Learning-Kurs

Der Übergang von der Schule zur Universität fällt vielen Studierenden der

MINT-Fächer sehr schwer, da das Anforderungsprofil einer Universität sich

erheblich von dem einer Schule unterscheidet. Andererseits können naturwis-

senschaftlich interessierte Schülerinnen und Schüler nur im Rahmen eines Ju-

niorstudiums universitäre Inhalte studieren und gegebenenfalls erste Leis-

tungsnachweise erwerben, wobei hierfür eine vom Wohnort erreichbare

Hochschule Voraussetzung ist. Vor diesem Hintergrund kann der Weg des E-

Learnings oder Blended-Learnings für Schülerinnen und Schüler eine gute

Einstiegs- und Übergangsmöglichkeit in das universitäre Lernen und eine Al-

ternative zum Schüler-Präsenzstudium darstellen.

In dieser Studie wurde untersucht, wie sich Schülerinnen und Schüler universi-

täre Inhalte in einem E-Learning-Kurs aneignen. Die Durchführung der Studie

umfasste mehrere Aspekte: Bereitstellung, Konfiguration und Parametrierung

der E-Learning-Plattform e-med; Auswahl und Aufbereitung der zu vermit-

telnden Lerninhalte aus dem Grundstudium der Werkstoffwissenschaft; Ak-

quise von Physikschülerinnen und -schülern der Jahrgangsstufe 12; Durchfüh-

rung des Projekts an zwei Nachmittagen im Umfang von insgesamt 6 Stunden

in den Computerräumen des Gymnasiums St. Christophorus.

Es wurden folgende Evaluationsmethoden zur Sicherung der Ergebnisse ver-

wendet: Klickstatistik, Online-Evaluationsbögen, Online-Abschlussklausur,

Beobachtungen des Projektleiters. Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse,

dass die 7 Schülerinnen und 9 Schüler in der Lage waren, sich in einem Selbst-

studium universitären Lernstoff anzueignen, ein Lernzuwachs verzeichnet

werden konnte und diese Art der Wissensvermittlung im Hinblick auf die

Verbindung zur Universität sehr gut angenommen wurde. Auf Grundlage der

Ergebnisse der Evaluation soll das E-Learning–Konzept weiterentwickelt wer-

den und in einem Blended-Learning Kurs, der dann auch einen praktischen

Anteil beinhalten wird, zum Einsatz kommen.

Page 412: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

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Bernd Körte-Braun

Multimediale Archive am Center für Digitale Systeme

Visual History Archive (www.vha.fu-berlin.de) Das Visual History Archive des USC Shoah Foundation Institute for Visual

History and Education ist mit über 50.000 Video-Interviews von Überlebenden

und Zeugen des Holocaust das weltweit größte historische Video-Archiv. Die

Interviews wurden in 56 Ländern und in 32 Sprachen aufgenommen.

Zwangsarbeit 1939-1945 (www.zwangsarbeit-archiv.de) Das Online-Archiv Zwangsarbeit 1939-1945 bewahrt die Erinnerung an über

zwölf Millionen Menschen, die für das nationalsozialistische Deutschland

Zwangsarbeit geleistet haben. Knapp 600 ehemalige Zwangsarbeiterinnen und

Zwangsarbeiter aus 26 Ländern erzählen ihre Lebensgeschichte in ausführli-

chen Audio- und Video-Interviews.

Refugee Voices (www.refugeevoices.fu-berlin.de) Refugee Voices ist das Oral-History-Projekt der Association of Jewish Refugees

(AJR). Die Sammlung enthält 150 ausgewählte englischsprachige Video-

Interviews mit vorwiegend aus Deutschland und Österreich nach Großbritan-

nien geflüchteten Juden.

Angebote für die schulische Bildung: Online-Plattform für Schulen Zeugen der Shoah mit 950 Interviews, Tran-

skriptionen und Übersetzungen

Video-DVD’s- und Lernsoftware

Themenhefte, Lehrer- und Schülerhandreichungen, Website mit Experten-

interviews, Filmen u.v.m.

Kooperationen mit Sekundar- und Oberschulen in Berlin und Brandenburg

Projektschultage

Fortbildungen für Lehrkräfte und Multiplikatoren

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Elke Lackner

Schule 2.0? Neue Medien in der Lehrendenaus- und -weiterbildung

Der Einsatz neuer Medien zur Förderung von Kooperation und Binnendiffe-

renzierung, Lerntypenunterstützung und Lernendenzentrierung sowie der

Aufbau und die Forcierung von Medienkompetenz stellen zentrale Forderun-

gen der verschiedenen Lehrpläne österreichischer Schulen, nicht nur der Se-

kundarstufe, dar. Um die Umsetzung dieser Forderungen gewährleisten zu

können, müssen sowohl im Schuldienst stehende als auch zukünftig im Schul-

dienst stehende Lehrpersonen auf diese neuen Aufgaben und Anforderungen

vorbereitet werden. Gleichzeitig ist es für sie erforderlich, den Spagat zwischen

Forderungen des Lehrplans und schulischem Alltag zu bewältigen.

Erfahrungen der Lehrendenaus- und -weiterbildung zeigen jedoch, dass gerade

durch die aktuell vorhandenen – teilweise eingeschränkten – infrastrukturellen

und inhaltlichen Gegebenheiten an Schulen von Lehrenden mitunter besonders

kreative Einsatzszenarien und Methoden gefragt sind, um einen nachhaltigen

und ansprechenden, mediengestützten Unterricht gestalten zu können. Eine

flächendeckende Ausstattung mit Beamern ist genauso wenig gegeben, wie

ausreichende Computerarbeitsplätze. Indirekt proportional hierzu ist die Be-

reitschaft der Lehrenden sich weiterzubilden: Fortbildungen im Bereich neuer

Medien sind gerne besucht. Es stellt sich folglich die Frage, ob es zurzeit über-

haupt schon möglich ist, von einer Schule 2.0 zu sprechen. Wie sieht es mit

dem Einsatz neuer Medien im schulischen Alltag aus?

Ziel des Posterbeitrages ist es, auf der einen Seite die aktuelle schulische Situa-

tion in Österreich darzustellen, auf der anderen Seite jedoch auch zukünftige

Anforderungen – auch im Hinblick auf die Lehrendenaus- und -weiterbildung

– und ihre Realisierbarkeit im schulischen Alltag zu beleuchten.

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Gladys Mandok, Karsten Bergmann, Lutz Westphal

Lernraum Berlin – die Lernplattform für Berliner Schulen

Das Projekt "Lernraum Berlin" ist ein Leitprojekt des Berliner e-Education-

Masterplanes der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft. Seit

sechs Jahren bieten wir den Berliner Schulen eine Lernplattform (basierend auf

der Software moodle) an.

Lernraum Berlin stellt allen Berliner Lehrer/- innen kostenfrei online Kursräu-

me, Lerninhalte und Unterrichtsprojekte für Unterricht, Fortbildung und

Schulorganisation zur Verfügung.

Wir bieten seit fünf Jahren regelmäßige Fortbildungen und Projekte zu ver-

schiedenen Themen rund um unser Lernmanagementsystem speziell für Leh-

rer/- innen an. Dabei steht für uns eine effektive Verwendung im Unterricht im

Mittelpunkt.

Aktuelle Projekte Zur Ermittlung der Lernausgangslage in Klassenstufe 7 bieten wir einen diag-

nostischen Test in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik an. Dazu

wurde die vom Landesinstitut für Schule und Medien entwickelte Lernstand-

serfassung auf Lernraum Berlin online umgesetzt. Zur Vorbereitung des Mitt-

leren Schulabschlusses in Mathematik bieten wir den Schüler/-innen auf Lern-

raum Berlin Übungsaufgaben auf verschiedenen Niveaus an.

Selbstverantwortlich können hier gezielt Kompetenzen trainiert werden, die in

der Prüfung zum Mittleren Schulabschluss (MSA) Mathematik abgefragt wer-

den. Die Online-Plattform unterstützt das Organisieren von Schule, Unterricht

und Fortbildung. Wir stellen zahlreiche e-Learning-Werkzeuge zur Verfügung,

die vom einfachen Anbieten von Lerninhalten bis hin zu kooperativen bzw.

kollaborativen Lernformen unterstützend wirken. Individuelles und selbstver-

antwortliches Lernen ist intendiert. Individuelle Rückmeldungen und ein

transparentes Kommentieren und Bewerten sind möglich. Unterricht und Pro-

jekte können evaluiert werden. Unsere Lernplattform ermöglicht Präsenzunter-

richt und onlinebestimmten Unterricht in einer didaktisch begründeten Mi-

schung - die kommende Unterrichtsform des 21. Jahrhunderts.

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Gudrun Marci-Boehncke, Anja Hellenschmidt

Experten für das Lesen – Blended Learning für BibliothekarInnen und Lehrkräfte: Ein Online-Angebot und seine Akzeptanz

In Anlehnung an die Empfehlungen der Enquete-Kommission „Kultur in

Deutschland“ Bibliotheken zu stärken und in die Bildungskonzepte der Länder

einzubinden, wurden die Problembereiche für die Zukunft von Bibliotheken

zur Grundlage für die Entwicklung dieser Blended-Learning-Einheit genom-

men. 2011 im Auftrag des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur

und Sport NRW und der Medienberatung NRW entwickelt, wird sie dual so-

wohl als Weiterbildung für BibliothekarInnen als auch in der universitären

Ausbildung angehender Deutschlehrkräfte eingesetzt. Mit einer doppelten

Evaluierung verzahnt sie somit die Bereiche Forschung, Lehre, Weiterbildung

und Netzwerkbildung. Die Fortbildung für Bibliothekare, wie sie hier Gegen-

stand ist, wird über eine betreute Lernplattform - begleitet von mehreren Prä-

senzterminen durchgeführt vom Entwicklerteam - in den beruflichen Alltag

integriert. Ziel ist neben der Vermittlung aktuellen lesedidaktischen Wissens

und praxisrelevanter Kenntnisse zur Leseförderung, die Sensibilisierung für

weniger gut erreichte Zielgruppen. In der Auseinandersetzung mit den Le-

bens- und Medienwelten von Kindern und Jugendlichen sind für die Teilneh-

mer Medien also zum einen selbst Arbeitsmittel, zum anderen Lerngegenstand.

Ferner soll die Kreativität zu extern geförderter und kooperativer Projektarbeit

geweckt werden. In der bibliothekarischen Ausbildung nehmen diese Inhalte

bislang keinerlei Raum ein, womit sie für eine gelingende Leseförderung aller

Milieus ein Desiderat darstellen. Die Kopplung von Blended Learning und

eResearch bietet viele Vorteile: für die Teilnehmer, deren Vorgesetzte, aber

auch forschungspraktisch.

Literatur und URL: Deutscher Bundestag (Hg.): Schlussbericht der Enquete-Kommission "Kultur in

Deutschland". Drucksache 16/7000 vom 11.12.2007 (512 S.); http://dip21.

bundestag.de/dip21/btd/16/070/1607000.pdf

Experten für das Lesen: Blended Learning für BibliothekarInnen. Unter:

http://www.bibliothek.schulministerium.nrw.de/Qualifizierung/

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Robert Meyer, Dennis Spitzhorn

UnterrichtsMitschau 2.0 – interaktives Lernen mit Vorlesungsaufzeichnungen im sozialen Kontext

Die Einrichtung „UnterrichtsMitschau und didaktische Forschung“ der LMU

München zeichnet seit dem Jahr 2003 Vorlesungen zur Unterstützung der Leh-

re auf. Über ein Videoportal haben die Studierenden Zugriff auf ca. 2.000 un-

terschiedliche Aufzeichnungen aus verschiedenen Fachbereichen, die jeweils

mit den vom Dozenten gezeigten Folien dargestellt werden und in Kapitel

unterteilt sind.

In einer wissenschaftlichen Studie wurde theoriegeleitet untersucht, wie das

Lernen mit Vorlesungsaufzeichnungen aus der Perspektive der gemäßigt kon-

struktivistischen Lerntheorie ohne Einflussnahme auf das didaktische Konzept

des Dozenten verbessert werden kann. Als zentraler Aspekt wurde hierbei das

interaktive Lernen im sozialen Kontext identifiziert. Um diese Form des Ler-

nens besser zu unterstützen, wurde eine neue Anwendung entwickelt, deren

zentrale Neuerungen das Arbeiten mit Notizen und die Möglichkeit zum ko-

operativen Lernen mit Vorlesungsaufzeichnungen sind.

Notizen ermöglichen eine Interaktion mit dem Lehrmaterial, indem die Ler-

nenden eigene Ergänzungen zur Vorlesung zeit- und inhaltsbezogen hinzufü-

gen können. Neben der individuellen Nutzung für den eigenen Lernprozess

können die angelegten Notizen auch für andere Lernende zur Diskussion frei-

gegeben und somit im sozialen Kontext gemeinsam weiterentwickelt werden.

Das Anlegen von Notizen wird inzwischen sehr intensiv genutzt: Alleine im

Verlauf des Wintersemesters 2011/2012 wurden ca. 15.000 Notizen von den

Lernenden erstellt.

Noch weitergehende Interaktionsmöglichkeiten bietet ein synchroner koopera-

tiver Lernmodus, der sich derzeit noch in einer experimentellen Phase befindet.

Dieser entspricht dem klassischen Nutzungskontext einer „offline“-

Lerngruppe: Dabei stehen die Gruppenmitglieder während des Lernens direkt

miteinander in Kontakt und können eine Vorlesungsaufzeichnung synchron

bearbeiten.

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Nikolai Neufert, Heike Kroll, Christiane Meisenburg, Kai-Uwe Gösicke

Das europäische eTwinning-Netzwerk: Anregungen für Medienprojekte mit Partnerschulen

eTwinning ist ein EU-Programm, das inzwischen mehr als 150 000 Lehrkräfte

nutzen, um Kontakte zu Partnerschulen in ganz Europa zu knüpfen und inter-

netgestützte Unterrichtsprojekte zu verwirklichen.

Diese Form der Schulpartnerschaft bietet Lehrenden und Lernenden viele

Möglichkeiten der Kompetenzentwicklung: Der in den Unterricht integrierte

Austausch mit Partnerklassen fördert Toleranz und Verständnis für andere

Kulturen, verbindet die Entwicklung von Medienkompetenz und Fachwissen

und begünstigt auf authentische Weise den Erwerb von Fremdsprachenkennt-

nissen. Die teilnehmenden Lehrkräfte können darüber hinaus interessante

Fortbildungsangebote nutzen und vom fachlichen Austausch mit den europäi-

schen Kolleginnen und Kollegen profitieren.

eTwinning bietet eine geschützte Lernumgebung mit vielen Werkzeugen für

die Umsetzung von Medienprojekten. Lehrkräfte aller Fächer, Schulformen

und Jahrgangsstufen können sich kostenlos beteiligen und Unterrichtsprojekte

mit europäischen Partnerklassen gestalten.

Die Ausstellung gibt Einblick in die pädagogische Arbeit mit eTwinning. Er-

fahrene Experten zeigen Beispiele und bieten Anregungen für die konkrete

Umsetzung von eTwinning-Projekten. Sie informieren die Besucherinnen und

Besucher darüber, wie Themen des Lehrplans mit dieser Form der kollaborati-

ven Projektarbeit behandelt werden können. Außerdem stellen sie die eTwin-

ning-Plattform www.eTwinning.net und die geschützte Lernumgebung für die

Zusammenarbeit mit den Partnerschulen (TwinSpace) vor.

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Jöran Pieper

Softwareentwicklung spielen?! Simulation und Digital Game-Based Learning in der Software Engineering-Ausbildung

Die Entwicklung komplexer Softwaresysteme verlangt nach wohlausgebildeten

Softwareingenieuren, welche in der Lage sind, die passenden Werkzeuge, Me-

thoden und Prozesse auszuwählen, um dynamische Anforderungen in der

gewünschten Qualität wirtschaftlich zu erfüllen. Unterschiedliche Rahmenbe-

dingungen erfordern dabei verschiedene Herangehensweisen für ein erfolgrei-

ches Vorgehen.

Vorgehensmodelle im Software Engineering beschreiben Prozesse für die Pro-

duktion und Evolution von Software. Vereinfacht formuliert beschreiben sie,

wer wann was im Entwicklungsprozess tun sollte, um Probleme während der

Softwareentwicklung weitestgehend zu vermeiden, Nachvollziehbarkeit zu

gewährleisten und eine effiziente Zusammenarbeit im Team zu ermöglichen.

Für verschiedene Rahmenbedingungen existiert eine Vielzahl von Vorgehens-

modellen. Ihre unterschiedlichen Definitionen und Beschreibungsformen er-

schweren einen einheitlichen Zugang. In Vorlesungen allein bleiben Vorge-

hensmodelle häufig zu abstrakt. Ihre Notwendigkeit erschließt sich für

Studierende nicht zwingend intuitiv. Begleitende Kursprojekte sind häufig zu

limitiert, um typische Zielkonflikte und Phänomene hinreichend zu verdeutli-

chen. Simulation und Digital Game-Based Learning (DGBL) bereichern an

dieser Stelle die Lehre um eine neue Dimension. Losgelöst von der operativen

Erfordernis, selbst Projekt-Artefakte zu erstellen, um das Projektziel zu errei-

chen und Software Engineering-Prozesse „live“ zu erleben, kann die Perspek-

tive auf größere Zusammenhänge eröffnet werden. In simulierten Softwarepro-

jekten übernehmen die Studierenden aktiv und spielerisch deren Steuerung

und lernen so Softwareprozesse, ihre Bestandteile und deren Bedeutung ken-

nen. Alternative Strategien können dabei erprobt, analysiert und reflektiert

werden. Dieser Posterbeitrag stellt bisherige Erfolge des Einsatzes vor, benennt

Erfolgsfaktoren und erweitert die bestehenden Ansätze um neue Ideen, um das

enorme Potential weiter auszuschöpfen und zu einer noch breiteren Nutzung

anzuregen.

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Jeanette Rester, Andrea Lampe

aim – Coach für Medienkompetenzentwicklung

Nachhaltige Medienbildung in Schulen durch Prozessbegleitung ist die Devise

des Projekts „aim – Coach für Medienkompetenzentwicklung“ ein Kooperati-

onsprojekt von Ambitious Coaching & Beratung (eine Ausgründung der TU

Darmstadt) und der aim. Durch die Unterstützung von hierfür speziell ausge-

bildeten Coaches sollen Schule in die Lage versetzt werden, ihre Ideen und

Konzepte zum pädagogisch sinnvollen Einsatz neuer Bildungsmedien so zu

realisieren und weiter zu entwickeln, dass sie im Anschluss Medienbildung als

integralen Bestandteil von Schulentwicklung wahrnehmen und auch leben. Im

Rahmen des Projekts wurden in einem ersten Schritt durch Ambitious

Coaching & Beratung Coaches ausgebildet. Die Coaches, die selbst als Leh-

rer/innen oder im schulnahen Kontext arbeiten, stehen nach ihrer Ausbildung

allen Schulen in der Bildungsregion Heilbronn zur Verfügung, um diese in der

Arbeit mit neuen Medien zu unterstützen. Die Aufgabe der Coaches bezieht

sich auf die Begleitung von Schulen. Hier geht es darum, an den besonderen

Fähigkeiten und Stärken anzusetzen und die jeweiligen Entwicklungsbedin-

gungen zu berücksichtigen. Den Schulen wird hierbei bewusst kein „Ange-

botskatalog“ vorgelegt, da die Schulen individuell zu betrachten und keine

vorgefertigten Konzepte an sie heranzutragen sind. Zu Beginn erarbeitet der

Coach mit den Schulen Ziele, die sie im Bereich Arbeit mit neuen Medien ver-

folgen. Im Anschluss an die Zielbestimmung ist die Begleitung der Schulen

sehr unterschiedlich. In einem ersten Schritt qualifiziert eine Schule sein Kolle-

gium (Personalentwicklung), eine andere schreibt ein Medienkonzept (Organi-

sationsentwicklung) und eine dritte erprobt erste Unterrichtseinheiten mit

neuen Medien (Unterrichtsentwicklung). Die Wege sind so unterschiedlich, wie

es die einzelnen Schulen sind. Im Zentrum des Projekts steht, dass die Coaches

sich selbst überflüssig machen. Um dies zu erreichen ist es besonders wichtig,

dass sich eine Schule als Ganzes auf den Weg macht. Schulleitung und Kollegi-

um müssen hinter dem Projekt stehen und es leben.

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Elisabeth Schaper, Andrea Tipold, Jan P. Ehlers

NOVICE: Soziales Online-Netzwerk für Veterinärmediziner

Ausgangssituation An der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) werden seit mehre-

ren Jahren den Studierenden vielfältige E-Learning-Angebote bereitgestellt. Ein

wichtiger Punkt im Curriculum der Veterinärmedizin ist die Vermittlung der

Kompetenz für lebenslanges Lernen.

Methodik Im Rahmen des Programms „Lebenslanges Lernen“ wird das Projekt „NO-

VICE“ (Network of Veterinary ICT in Education) durch die Europäische Union

gefördert. Durch die Zusammenarbeit von fünf europäischen veterinärmedizi-

nischen Bildungsstätten wurde ein soziales online Netzwerk („NOVICE“) für

Tiermediziner geschaffen. NOVICE ist mit Hilfe der Open Source Software

„Elgg“ aufgebaut worden, so dass den Nutzern eine Vielzahl von Web 2.0-

Werkzeugen zur Verfügung gestellt werden konnte (vgl.1, 2, 3)

Ergebnis Das Netzwerk NOVICE ist seit dem 01. September 2010 online mit einer aktuel-

len Mitgliederzahl von annähernd 1800 Nutzern, die weltweit aus mehr als 70

Ländern kommen. Mit der aktuellen Mitgliederzahl ist die „kritische Masse“

noch nicht erreicht, bei der sich das Netzwerk in Bezug auf Diskussionen und

anderen Aktivitäten eigenständig trägt. Noch müssen die Projektpartner Un-

terstützung leisten und viel Energie aufwenden, um die Tiermediziner mit dem

Netzwerk vertraut zu machen und ihnen die Vorteile aufzuzeigen.

1 Baillie S, Kinnison T, Forrest F, Dale VHM, Ehlers JP, Koch M, Mándoki M, Ciobotaru E, de

Groot E, Boerboom TBB, van Beukelen P. Developing an Online Professional Network for

Veterinary Education: The NOVICE Project. Journal of Veterinary Medical Education 2011;

38(4). 2 Ciobotaru E, Ionita M, Kinnison T, Militaru M, Predoi G, Baillie S. Face-to-face and online

professional communities for veterinarians and veterinary students - a focus group study.

Scientific Works, C series 2010; LVI 56 (3), 39–49. 3 Mándoki M. NOVICE: egy nemzetközi szakmai közösségi oldal létrehozásanak tapasztala-

tai - NOVICE: observations during the development of an international professional veteri-

nary network, Hung.Vet.J. 2011; 133, 307-314

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Martin K.W. Schweer, Karin Siebertz-Reckzeh, Eva Petermann

Hybride Lernarrangements im Kontext der Hochschullehre: Implikationen für die Vertrauensbeziehung zwischen Lehrenden und Lernenden

Mit dem WS 2011/12 ist das zunächst auf fünf Jahre angelegte BMBF-geförderte

Verbundprojekt „eCompetence and Utilities for Learners and Teachers“ (eCult)

gestartet. Das Projekt vereint elf Hochschulen aus Niedersachsen, die damit am

Bund-Länder-Programm für bessere Studienbedingungen und mehr Qualität

in der Lehre teilnehmen. An der Universität Vechta ist es eines der Ziele, aus-

gehend von den Modulen der Psychologie bereits bestehende eLearning-

Elemente im Sinne hybrider Lernarrangements auszubauen und in die Breite

der Lehre zu tragen. Dabei wird auf den Ergebnissen vorauslaufender Projekte

aufgebaut. Ferner wird Vertrauen als eine Basisvariable effizienter und effekti-

ver Lehr-/Lernprozesse in die Betrachtung hybrider Lernarrangements inte-

griert. Anders als im Kontext der Hochschullehre ist die Bedeutung von Ver-

trauen als für den schulischen Bereich bereits empirisch sehr gut fundiert. In

diesem Posterbeitrag wird daher die bestehende Konzeption hybrider Lernar-

rangements vorgestellt, weiterhin werden vertrauensrelevante Aspekte unter

Berücksichtigung erster empirischer Befunde aufgezeigt und wesentliche Im-

plikationen diskutiert.

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Karla Spendrin, Katarina Riesner, Anett Hübner, Julia Glade

Online-tutorielle Begleitung der Vorlesung Medienpädagogik

An der Universität Leipzig beschäftigen sich MA-Studierende der Kommuni-

kations- und Medienwissenschaft im Schwerpunkt Medienpädagogik mit der

Konzeption und Durchführung eines Blended-Learning-Tutoriums für BA-

Studierende. Die MA-Studierenden eignen sich in einem dreisemestrigen Pro-

jekt didaktische Kompetenzen zur Konzeption, Gestaltung, Durchführung und

Evaluation von Blended-Learning-Angeboten an. Die BA-Studierenden vertie-

fen und hinterfragen die Inhalte der Grundlagenvorlesung „Medienpädago-

gik“ in einem begleitenden Tutorium, erwerben Medienkompetenz im Bereich

des Lernens mit neuen Kommunikationstechnologien und reflektieren zudem

die Möglichkeiten und Grenzen des E-Learning.

Für die MA-Studierenden bietet das Projekt einen komplexen Ausbildungspro-

zess in Lehre und Forschung in mehreren Phasen: Im ersten Semester beschäf-

tigen sie sich mit Theorien zum Lehren und Lernen mit Neuen Medien und

sammeln Erfahrungen mit Lernplattformen und Online-Kommunikations-

formen. Das erworbene Wissen wird in die Konzeption und Planung des Tuto-

riums einbezogen.

Im zweiten Semester wird das Tutorium von den MA-Studierenden durchge-

führt, betreut und evaluiert. Sie eignen sich Fähigkeiten in der (Online-)

Moderation von Lehr- und Lernprozessen an und reflektieren die eigenen di-

daktischen Planungen.

Beide Projektebenen, das Projekt als Seminar im MA-Studium und das Tutori-

um im BA-Studium, werden kontinuierlich evaluiert und verbessert. In jedem

Wintersemester steigen neue MA-Studierende in das Projekt ein. Diese erfah-

ren eine optimierte Form der TutorInnenausbildung, an der die Studierenden

des dritten Semesters aktiv beteiligt sind. Durch die Diskussion der gesammel-

ten Erfahrungen werden die theoretischen Überlegungen vertieft und implizite

Erkenntnisse reflektiert. Damit einher geht die gemeinsame (Re-)Konzeption

des Tutoriums. Dabei werden insbesondere auch die Ergebnisse der Evaluation

einbezogen.

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Magdalena Tauch, Thomas Lohrer, Georg Ohmayer

Berufliche Weiterbildung im Gartenbau mit dem Online-Kurs FiPs-Net

Der Online-Kurs FiPs-Net (Fachqualifikation im Pflanzenschutz - Netzwerk),

der von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) angeboten wird,

macht es Mitarbeiter/innen aus Baumschulen, Gartencentern sowie dem Gar-

ten- und Landschaftsbau möglich, sich berufsbegleitend zu Themen des Pflan-

zenschutzes fortzubilden.

Über einen Zeitraum von sechs Monaten werden 24 Themen zum Pflanzen-

schutz an Gehölzen bearbeitet, wobei den Teilnehmern wöchentlich neue

Selbstlernelemente mithilfe der Lernplattform Moodle zur Verfügung gestellt

werden. Neben klassischen bebilderten Textbeiträgen kommen auch Audiose-

quenzen, Videos oder Animationen zum Einsatz. Darüber hinaus sind Lern-

kontrollen in Form von Abfrage-Tests oder Recherche-Übungen und nachbe-

reitende Diskussionen ins Konzept integriert.

Neben dem eigentlichen Wissenstransfer des Online-Kurses war ein Hauptziel

des Projekts der Aufbau eines Netzwerks zwischen den Personen, die in den

Betrieben für den Pflanzenschutz zuständig sind. Über betreute Foren stehen

die Teilnehmer auch im Anschluss an den Kurs untereinander in Kontakt,

wodurch ein effizienterer Umgang mit Expertenwissen möglich wird.

Besondere Herausforderung des Weiterbildungsprojekts war es, die Zielgrup-

pe der Gärtner mit ihren speziellen Voraussetzungen zu berücksichtigen. Für

Teilnehmer mit geringer IT-Erfahrung war beispielsweise eine möglichst be-

nutzerfreundliche Systemumgebung wichtig.

Die Vorteile des Online-Lernens sind in der Gartenbau-Branche besonders

deutlich spürbar. So kommt den in der Regel kleinen und mittelständischen

Unternehmen entgegen, dass durch verminderte Anfahrtswege zu Schulungen

und durch verringerte Fehlzeiten während der Arbeitszeit deutlich Kosten

eingespart werden können. Die flexible Struktur des Online-Kurses ermöglicht

die Weiterbildung auch während des sehr saisongeprägten Arbeitsalltags.

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Herbert Teichmann, José Gutierrez, Ulrike Mußmann

Ferienschule 3.0: Die Schule ist aus, aber das Lernen geht weiter.

Ferienschule 3.0 ist ein Kooperationsprojekt zwischen der Volkshochschule

Berlin Mitte, dem Center für Digitale Systeme (CeDiS) der Freien Universität

Berlin, vier Oberschulen und einem Gymnasium im Berliner Bezirk Mitte.

Als schulbegleitendes Angebot sowie als Feriencampus bietet das Projekt Schü-

lerinnen und Schülern der Klassen 7 bis 13 die Möglichkeit, die für den Schul-

abschluss und das anschließende Berufsleben notwendigen Kompetenzen aus-

zubauen und damit ihre Chancen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu

verbessern. Innerhalb des Ferienangebots im Sommer finden zusätzlich ge-

meinschaftsfördernde Aktivitäten statt (Medienprojekte so wie kreative, sport-

liche und spielerische Angebote).

Projektschwerpunkt ist die Entwicklung neuer Arbeits- und Lernformen durch

den Einsatz von E-Learning- und Web 2.0-Anwendungen in und außerhalb der

Schule, um die sozialen, fachlichen und kommunikativen Fähigkeiten von

Jugendlichen zu stärken und zu verbessern. Der selbstverständliche Umgang

der Zielgruppe mit Medien, PC, Internet und Online-Portalen soll für Bil-

dungsprozesse fruchtbar gemacht werden.

Das Projekt fokussiert auf eine stärkere Verzahnung zwischen schulischen und

außerschulischen Lernphasen. In Zusammenarbeit zwischen Lehrer/innen,

VHS-Dozent/innen und wissenschaftlichem Begleitpersonal werden compu-

tergestützte Unterrichtssequenzen zur Förderung individualisierter und ko-

operativer Lernformen entwickelt und in den Schulalltag implementiert.

Die Initiative baut auf den Projekten „Ferienschule“ und „Ferienschule 2.0“ auf

und wird seit 2007 vom Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert.

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Ulrike Tippe, Susanne Lutz

Umwandlung eines Vollzeitstudiengangs zu einem berufsbegleitenden Studiengang an der TH Wildau [FH]

Aktuell studieren mittlerweile bereits über 20% der insgesamt 4000 Studieren-

den der TH Wildau [FH] in dieser berufsbegleitenden Form, die somit auch

einen wesentlichen strategischen Pfeiler in der Strategie der Hochschule dar-

stellt und in Zukunft noch weiter ausgebaut werden soll.

Methodisch/ didaktisch hat die Umstellung von Diplom auf Bachelor in der

hier betrachteten Studienform einige Neuerungen und Umstellungen nach sich

gezogen. Dies wurde vor allem durch ein zielgerichtetes Blended-Learning-

Konzept und der Einbindung der Lernplattform Moodle erreicht.

Das Poster soll dieses angewandte Blended-Learning-Konzept darstellen, die

Erfahrungen der ersten zwei Jahre Studienbetrieb schildern und dabei u.a. die

folgenden Fragen behandeln:

Wie ist das Verhältnis "Präsenzunterricht : Selbststudium"?

Welche Funktionalitäten sollen die Kursräume auf der hochschulweiten

Lernplattform zu den einzelnen Modulen erfüllen und welche Medien

werden auf welche Art und Weise miteinander kombiniert (Online-

Module, Printmedien, E-books, kollaborative Lernformen...)?

Welche didaktischen Konzepte finden in dieser Studienform verstärkt

Anwendung?

Wie werden die Lernenden und Lehrenden systematisch in der Arbeit mit

der Lernplattform vorbereitet und unterstützt?

Wie wird das Thema "E-Learning" bzw. "Blended Learning" an der TH

Wildau institutionalisiert (Projekt "ServiceZentrum für Lernen und Lehren

[SeL²]") und wie groß ist der zusätzlich benötigte Personalaufwand?

Welche Konsequenzen können aus den bisherigen Erfahrungen gezogen

werden?

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Chris Wegmayr

Programmieren für Kinder

Die KIM-Studie 2008 (http://www.mpfs.de/index.php?id=13) und BIMEZ 2010

(http://www.bimez.at/index.php?id=5918) belegen eindeutig, dass Kinder und

Jugendliche das Internet hauptsächlich passiv als Konsument nutzen. Um die-

sem Phänomen entgegenzuwirken, entwickelt die ARGE VS EDV Salzburg seit

2003 Projekte, die kooperativ mit aktiven PädagogInnen konzipiert und in den

jeweiligen Grundschulen und ASO praktisch umgesetzt werden. Dabei entsteht

ein handlungsorientierter Unterricht mit digitalen Medien, der Austausch über

das Internet und die Teilnahme an Communities ergeben sich dabei fast von

selbst. Die 12 Lernprinzipien des Kooperativen Lernens nach Norm Green

spielen eine zentrale Rolle. Emotionale Lernprozesse nach Vester werden be-

rücksichtigt. Viele der angesprochenen Programme werden in Ateliers nach

der Arbeitsweise von Freinet umgesetzt, aber es sind alles österreichische Re-

gelschulen. In der Stadt Salzburg wurde im Jahr 2000 durch den Bürgermeister

Heinz Schaden eine IKT-Offensive im Pflichtschulbereich gestartet, so sind fast

alle Schulen technisch bestens ausgestattet.

Die Programme 1. Scratch basiert auf Squeak und ist von der Useability ähnlich wie die Pro-

grammierumgebung von Flash. Als Einstieg wird die umfangreiche Mediathek

von Scratch genutzt. Programmierung und Design einfacher Spiele ist möglich.

http://scratch.mit.edu/ 2. JClic ist ein Autorenprogramm, das eigentlich für

LehrerInnen entwickelt wurde, um interaktive Lernprogramme zu entwerfen.

Für JClic sind keinerlei Programmierkenntnisse notwendig, es ist nur ein ge-

wisser Workflow notwendig. Weil die Handhabung des Programms so einfach

ist, können Kinder ab 8 Jahren gut damit umgehen. http://clic.eduhi.at/ 3.

Rocks'n'Diamonds (RND) baut auf dem Spieleklassiker Boulderdash auf. Es

gibt eine deutsche Version von RND. Das Spiel ist sehr vielfältig, zuerst müs-

sen die SchülerInnen einige Levels selbst durchspielen, um die Spieloberfäche

kennen zu lernen. Dann kommt der eingebaute Leveleditor zum Einsatz. 4.

Puzzlemaker: Dieser Onlinegenerator ist für Rätsel, die in Schülerzeitungen

abgedruckt werden gut verwendbar. Wordsearch, Crisscross und Mazes sind

besonders empfehlenswert.

Page 427: Grundfragen Multimedialen Lehrens und Lernens · nierte Nutzung von Ressourcen und die gemeinsame Lösung von Problemen innerhalb virtueller Forschungsorganisationen. Aufgabe ist

ISBN: 978-3-8309-2686-3

Tagungsband

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Veranstaltet im Rahmen des Stiftungs-Verbundkollegs„Informationsgesellschaft“ der Alcatel-Lucent Stiftungfür Kommunikationsforschung

Ausgerichtet vomCenter für Digitale Systeme (CeDiS)der Freien Universität Berlin

In Zusammenarbeit mit derGesellschaft für Medien in derWissenschaft e.V. (GMW)

Grundfragen MultimedialenLehrens und Lernens

Von der Innovation zur Nachhaltigkeit

15. – 16. März

Nicolas Apostolopoulos, Ulrike Mußmann,Wolfgang Coy, Andreas Schwill (Hrsg.)