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SILIZIUM-CHEMIE FÜR KLEBSTOFFANWENDER Grundlagen, Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten Die Veranstalter des 14. Kolloquiums „Gemeinsame Forschung in der Klebtechnik“ luden im Vorfeld zu einem praxisorientierten Workshop rund um die Silizium-Klebstoffchemie ein. Ziel war, bei Klebstoffanwendern das Verständnis für die in vielfältiger Form in der Klebtechnik eingesetzten siliziumorganischen Produkte zu vertiefen. Eine erfreulich hohe Anzahl von circa 100 Teilnehmern nutzte diese Möglichkeit. Der folgende Beitrag beschreibt in aller Kürze die wesentlichen Inhalte der einzelnen Vorträge. Horst Stepanski Die Grundlagen In seinem Eröffnungsvortrag behan- delte Prof. Dr. Andreas Hartwig vom Fraunhofer-Institut für Fertigungstech- nik und Angewandte Materialforschung (IFAM), Bremen, die Grundlagen der auf Silizium basierenden Chemie mit ihren vielfältigen Möglichkeiten, Verbindun- gen mit organischen Strukturbaustei- nen einzugehen. Silizium ist in Werkstoffen und auf Oberflächen omnipräsent. In der Kleb- technik schätzt man Silane als zuver- lässige Haftvermittler. Und Silikone nutzt man, um leicht abziehbare Trenn- papiere für haftklebrige Oberflächenbe- schichtungen herzustellen. Andererseits fürchtet man diese Trennwirkung auf zu verklebenden Substratoberflächen. Sili- kate, pyrogene Kieselsäure und Siloxa- ne sind beliebte Füllstoffe und Additive zum Einstellen des Fließverhaltens flüs- siger oder pastöser Klebstoffe und zur Verbesserung der Struktureigenschaf- ten im abgebundenen Zustand. Letzt- lich enthalten viele nicht-ionische Ten- side Silikonblöcke. Die Anwesenheit von Silizium an einer Oberfläche besagt also nichts darüber, wie gut die Haftung auf der Oberfläche sein wird. Die im Vortrag dargestellten Gründe für den unterschiedlichen Charakter der verschiedenen siliziumorganischen Ver- bindungen beschreibt ein ausführlicher Beitrag in der nächsten Ausgabe. Kontakt: [email protected] fer.de 1K-Silikon-Dichtstoffe (RTV-1) Günther Weinbacher, Hermann Otto GmbH, Fridolfing, stellte die Welt der Bau-Silikon-Dichtstoffe vor. Am weites- ten verbreitet sind die sauer vernetzen- den Acetat- bzw. Acetoxy-Systeme mit Bild 1: Gestaltung einer Bauwerksfugen-Abdichtung nach DIN 18540 ROHSTOFFE adhäsion 5/2014 20

Grundlagen, Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten

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SILIZIUM-CHEMIE FÜR KLEBSTOFFANWENDER

Grundlagen, Eigenschaften und EinsatzmöglichkeitenDie Veranstalter des 14. Kolloquiums „Gemeinsame Forschung in der Klebtechnik“ luden im Vorfeld zu einem praxisorientierten Workshop rund um die Silizium-Klebstoffchemie ein. Ziel war, bei Klebstoffanwendern das Verständnis für die in vielfältiger Form in der Klebtechnik eingesetzten siliziumorganischen Produkte zu vertiefen. Eine erfreulich hohe Anzahl von circa 100 Teilnehmern nutzte diese Möglichkeit. Der folgende Beitrag beschreibt in aller Kürze die wesentlichen Inhalte der einzelnen Vorträge.

Horst Stepanski

Die GrundlagenIn seinem Eröffnungsvortrag behan-delte Prof. Dr. Andreas Hartwig vom Fraunhofer-Institut für Fertigungstech-nik und Angewandte Materialforschung

(IFAM), Bremen, die Grundlagen der auf Silizium basierenden Chemie mit ihren vielfältigen Möglichkeiten, Verbindun-gen mit organischen Strukturbaustei-nen einzugehen.

Silizium ist in Werkstoffen und auf Oberflächen omnipräsent. In der Kleb-technik schätzt man Silane als zuver-

lässige Haftvermittler. Und Silikone nutzt man, um leicht abziehbare Trenn-papiere für haftklebrige Oberflächenbe-schichtungen herzustellen. Andererseits fürchtet man diese Trennwirkung auf zu verklebenden Substratoberflächen. Sili-kate, pyrogene Kieselsäure und Siloxa-ne sind beliebte Füllstoffe und Additive zum Einstellen des Fließverhaltens flüs-siger oder pastöser Klebstoffe und zur Verbesserung der Struktureigenschaf-ten im abgebundenen Zustand. Letzt-lich enthalten viele nicht-ionische Ten-side Silikonblöcke. Die Anwesenheit von Silizium an einer Oberfläche besagt also nichts darüber, wie gut die Haftung auf der Oberfläche sein wird.

Die im Vortrag dargestellten Gründe für den unterschiedlichen Charakter der verschiedenen siliziumorganischen Ver-bindungen beschreibt ein ausführlicher Beitrag in der nächsten Ausgabe. Kontakt: [email protected]

fer.de

1K-Silikon-Dichtstoffe (RTV-1)Günther Weinbacher, Hermann Otto GmbH, Fridolfing, stellte die Welt der Bau-Silikon-Dichtstoffe vor. Am weites-ten verbreitet sind die sauer vernetzen-den Acetat- bzw. Acetoxy-Systeme mit

Bild 1: Gestaltung einer Bauwerksfugen-Abdichtung nach DIN 18540

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ihrem charakteristischen Essigsäure-Geruch. Daneben gibt es noch die alka-lisch abbindenden Aminsysteme sowie neutrale Produkte. Die Reaktion wird durch aus der Umgebung eindiffun-dierendes Wasser ausgelöst. Streng ge-nommen muss man das Wasser also als zweite Komponente ansehen. Fehlt die-se zweite Komponente, wird die Reakti-on unterbunden bzw. verzögert.

Dichtstoffhersteller formulieren auf Basis zugelieferter Rohstoffe eine Viel-zahl von auf den speziellen Einsatz-zweck abgestimmter Produkte. Wichti-ge Komponenten sind neben dem Poly-mer Füllstoffe, Weichmacher, Vernetzer und Additive.

Die Füllstoffe wie z. B. Kieselsäu-ren, Kreide, Quarzmehl, Eisenoxid und Ruß beeinflussen insbesondere die me-chanischen Vulkanisat-Eigenschaften. Farbpasten erlauben die Einstellung der vom Bauwerksnutzer gewünschten viel-fältigen Farbeinstellungen. Bei offenpo-rigen Natursteinen muss der Weichma-cher so ausgewählt werden, dass keine Wanderung erfolgt.

Bei Außenwandfugen im Hochbau ist die DIN 15540 zu beachten. Darin sind nicht nur die Anforderungen an die Dichtmassen beschrieben, sondern es werden auch die bauseitigen konstruk-tiven Regeln vorgegeben (Bild 1). Es ist leicht einzusehen, dass die Fugenbrei-te in Abhängigkeit der Temperaturaus-dehnung und der Bauelement-Abmes-sungen berechnet werden muss. Wichtig ist auch, dass man sich an die Empfeh-lungen für die Tiefe des Dichtstoffes hält und dies durch geeignetes Hinter-füllmaterial sicherstellt. Insbesondere muss jegliche Dreiflankenhaftung ver-mieden werden, damit die Deformation unbehindert bleibt. Damit wird deutlich, dass solche Arbeiten nur von Fachbetrie-ben mit gut geschultem Personal ausge-führt werden dürfen.

Insbesondere im Sanitärbereich ist auf die Vermeidung von Schimmelpilz-bildung ein Augenmerk zu legen. So ent-

halten Sanitärsilikone fungizide Wirk-stoffe. Wegen ihres toxischen Potenti-als ist die zulässige Konzentration aber begrenzt. Daher müssen Fugen fachge-recht ausgeführt werden, um Wasseran-sammlungen in Hohlkehlen zu vermei-den. Es dürfen nur zugelassene Glättmit-tel benutzt werden. Haushaltsspülmittel z. B. stören die Vernetzung und führen zu klebrigen Oberflächen, in die sich Pilzsporen einlagern können. Wie all-seits bekannt sein sollte, leistet natür-lich auch der Gebäudenutzer durch sein Heiz- und Lüftungsverhalten einen An-teil an der Schimmelpilz-Problematik.Kontakt: guenther.weinbacher@otto-che-

mie.de

Silanterminierte Polymere Dr. Björn Stecker, Henkel AG & Co. KGaA, Heidelberg, wendete sich den si-lanterminierten Polymeren (STP) zu, die ebenfalls als feuchtigkeitsreaktive 1K-Kleb- und -Dichtstoffe zum Einsatz kommen. Daneben gibt es aber auch 2K-Systeme.

Silanterminierte Polymere besitzen, ähnlich wie viele Polyurethane, im In-neren eine lineare Polyether-Ketten-Struktur (Bild 2). Anstelle von Isocya-nat-Endgruppen weisen sie silanhaltige Endgruppen auf, die analog zu den 1K-Silikon-Dichtstoffen mit Hilfe von Luft-feuchtigkeit über eine Kombination von

Hydrolyse und Kondensation unter Ab-spaltung von Methanol Molekül-Ketten-verlängerungen bewirken. Dabei entste-hen hoch verformungsfähige Elastome-re.

Bezüglich ihrer Polymereigenschaf-ten ähneln sie den ebenfalls auf - in der Regel - linearen Polyethern basierenden niedrigmoduligen Polyurethan-Kleb- und -Dichtstoffen. Silanterminierte Po-lymere sind überwiegend kennzeich-nungsfrei und frei von Isocyanaten. Sie können in der Praxis vielfältig einge-setzt werden, z B. als Unterfütterungs-klebstoffe in Konstruktionen mit gerin-gen Substratschichtstärken oder zum Einkleben von Fahrzeugscheiben und Solar-Modulen. Man findet sie aber auch als elastische Beschichtungsmassen für spezielle Behälter oder in der Nahtab-dichtung von Fahrzeugen.Kontakt: [email protected]

2K-Silikon-Dichtstoffe Dr. Bianka Paul, Wacker Chemie AG, Stuttgart, trug über bei Raum-Tempera-tur vernetzende Zweikomponenten Sili-kone (RTV-2) vor. Es gibt davon zwei Va-rianten (Bild 3).

Bei den kondensationsvernetzenden Typen wird, ähnlich wie bei RTV-1, ein Spaltprodukt erzeugt, das aus Gründen des chemischen Gleichgewichts an die Umgebung abgegeben werden muss. Die

Bild 2: Schematisierte Molekülstruktur von silanterminierten Polymeren (STP) und Abbindereaktion durch Hydrolyse und Kondensation der Siloxan-Endgruppen

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Bild 4: Silikon-Haftklebeband-Varianten

Diffusionsgeschwindigkeit des Spaltpro-dukts bestimmt daher die Abbindege-schwindigkeit mit. Diese ist allerdings deutlich höher als bei RTV-1-Silikonen. Durch Art und Konzentration des Ka-talysators kann man Topfzeit und Ab-bindeverhalten einstellen, erreicht aber nicht die deutlich größere Reaktivität der additionsvernetzenden RTV-2-Sili-kone.

Diese sind mit einem sehr wirksa-men Platin-Katalysator ausgestattet. Die benötigten Katalysator-Konzen-trationen sind dabei so gering, dass Be-fürchtungen bezüglich der Kosten un-begründet sind. Die Reaktivität lässt sich bei Bedarf durch Temperaturer-höhung sehr wirksam steigern, ohne dass man, wie bei der Kondensations-vernetzung, Reversionseffekte befürch-

ten muss. Da keine Spaltprodukte ab-geführt werden müssen, funktioniert das Abbinden problemlos auch in ab-geschlossenen Räumen, z. B. in groß-flächigen oder -räumigen Kavitäten. Al-lerdings sollte nicht verschwiegen wer-den, dass der Platin-Katalysator sehr empfindlich auf eine breite Anzahl von Katalysator-Giften reagiert, die sei-ne Funktion stören. Leider sind solche Stoffe in vielen Kunststoffen und Elas-tomeren weit verbreitet anzutreffen: Schwefel und Schwefel-Verbindungen, Amine und aminhaltige Stoffe wie vie-le Epoxidharze und manche Polyure-thane, Organometall-Verbindungen so-wie viele Öle, Fette, Wachse und Harze. Diese wirken sich häufig nur in unmit-telbarer Nähe der Grenzfläche des kon-taminierenden Substrates aus, sodass nicht selten fälschlich Benetzungspro-bleme unterstellt werden.Kontakt: [email protected]

Silikon-HaftklebstoffeSilikon-Haftklebstoffe, die Rebecca Staf-fel, Lohmann GmbH & Co. KG, Neuwied, präsentierte, mögen aus manchem Blick-winkel als Nischenprodukte erschei-nen. Sie sind aber in vielen Anwendun-gen trotz des relativ hohen Preises we-gen ihrer einzigartigen Eigenschaften unverzichtbar. Im technischen Bereich schätzt man ihre herausragende Tempe-raturbeständigkeit im Bereich zwischen -100 und +260 °C sowie ihre hohe Sta-bilität gegenüber Sauerstoff, UV-Strah-lung und Feuchtigkeit sowie gegenüber Säuren und Laugen. Sie kleben auch auf vielen kontaminierten Oberflächen. Zu-dem sind sie elektrisch isolierend und können rückstandsfrei abgelöst werden.

In medizinischen Anwendungen be-währen sie sich aufgrund ihrer chemi-schen Inertheit, Gas- und Wasserdampf-durchlässigkeit sowie ihrer geringen To-xizität, sodass sie keine Hautirritationen hervorrufen.

Silikonhaftklebstoffe werden meist als lösemittelhaltige oder -freie Syste-

Bild 3: RTV-2-Silikone mit Kondensations- und Additionsvernetzung

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Bild 5: Beeinflussung der Temperaturbeständigkeit von wässrigen Klebstoff-Zubereitungen auf unterschiedlicher Polymerbasis durch die Zugabe von Kieselsol

me angeboten. Die Vernetzung kann über Kondensation, Addition oder radi-kalisch erfolgen.

Der Klebstoff wird meist auf einen Träger aufgebracht und dann in einem Durchlaufofen getrocknet und vernetzt. Auf diese Weise stellt man sowohl trä-gerhaltige als auch trägerlose Klebebän-der her (Bild 4).

Anwendungen finden solche Klebe-bänder in der Elektrotechnik zum Iso-lieren und Maskieren von Leiterplat-ten beim Schwalllöten sowie Ätz- und Plattier-Prozessen. In der Metallindus-trie verwendet man sie zum Maskieren beim Plasmaspritzen. Ähnliche Aufga-ben können sie beim Pulverlackieren und in der chemischen Prozesstechnik erfüllen. Medizinische Klebebänder mit Silikonhaftklebstoffen kommen in der Wundabdeckung, der Ostomie sowie im diagnostischen Bereich zum Einsatz.Kontakt: rebecca.staffel@lohmann-tapes.

com

Kieselsole für DispersionsklebstoffeWässrige Kieselsol-Dispersionen kön-nen in vielen Dispersionsklebstoff-

Formulierungen vorteilhaft einge-setzt werden, weil sie insbesondere die Temperaturbeständigkeit erhöhen. Dr. Dietrich Pantke und Dr. Rüdiger Musch, Akzo Nobel Chemicals GmbH, Düren, gaben einen Einblick in die Ei-genschaftsprofile solcher in Klebstof-fen noch wenig bekannten Kieselsole und in damit zu erreichenden Verbes-serungen wässriger Klebstoff-Formu-

lierungen auf unterschiedlicher Poly-mer-Basis.

Dabei werden Effekte erzielt, wie man sie sonst nur bei chemischen Ver-netzungen kennt. Bild 5 zeigt die bei einer großen Bandbreite von Klebstof-fen durch Kieselsole deutlich verbes-serte Temperaturbeständigkeit. Beson-ders ausgeprägt konnte das für Poly-chloropren-Dispersions-Klebstoffe (CR)

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nachgewiesen werden. Ähnlich positi-ve Testergebnisse liegen für auf Poly-vinylacetat basierende Holzleime vor. Zudem wird bei Haut bildenden Kleb-stoffformulierungen das Trocknen be-schleunigt.Durch ihre Herstellung ausschließ-lich in wässriger Phase unterscheiden sich Kieselsole von Redispergierungen von SiO2-Feststoffen wie z. B. pyroge-ner Kieselsäure durch das Vorliegen nicht vernetzter diskreter nano-skali-ger SiO2-Partikel mit entsprechend ho-her Bindekraft zu polaren Gruppen in organischen Polymeren.

Diese SiO2-Partikel können optio-nal an ihrer Oberfläche mit z. B. Alu-miniumsalzen oder Silanen modifi-ziert werden. Die Chemie ist relativ einfach. Der physikalische Zustand ist hingegen deutlich komplexer und für die Anwendung bedeutsamer. Wichti-ge Eigenschaftsmerkmale sind die Io-nizität, der pH-Wert, die Teilchengröße und die damit verbundene spezifische Oberfläche. Die Stabilität der Kolloide ist bei anionischen SiO2-Typen nur bei niedrigen und moderat alkalischen pH-Werten gegeben. Kationische Varian-ten sind nur im Bereich von pH 3 bis 5 stabil. Mit Silan oder Aluminat modifi-

zierte Produkte sind dagegen über ei-nen weiten pH-Bereich wesentlich un-empfindlicher.Kontakt: [email protected]

Silanprimer und -haftvermittlerJürgen Fritz, Evonik Industries AG, Rheinfelden, vertiefte das Themenge-biet der organofunktionellen Silane in ihrer Funktion als haftvermittelnde Klebstoffadditive und als Primer. Ih-re Wirkung beruht auf ihrer chemi-schen Struktur, bei der die Welten der organischen und der anorganischen Chemie miteinander kombiniert wer-den (Bild 6). Ihre hydrolisierbare sili-ziumfunktionelle Alkoxysilyl-Gruppe kann mit anorganischen Oberflächen von Füllstoffen und Fügeteilen reagie-ren und dauerhaft ankoppeln. Der or-ganofunktionelle Teil hingegen lässt sich so aufbauen, dass ein guter Ein-bau in die Polymerstruktur des Kleb-stoffes ermöglicht wird. Dem entspre-chend wird die chemische Struktur des organischen Teils an die Chemie des Klebstoffes angepasst. Aminosila-ne z. B. können der Härterkomponente von Epoxidharz-Klebstoffen oder der Polyolkomponente von Polyurethan-Klebstoffen zugegeben werden. Da-

bei sind oft nur kleine Mengen zwi-schen 0,3 und 2 Gew.-% erforderlich. Andererseits kann daraus auch eine wässrige oder alkoholische Primerlö-sung hergestellt werden. Deren Wirk-samkeit zeigt sich insbesondere auch in der Alterungsbeständigkeit der ad-häsiven Anbindung.

Zusätzlich zur Haftverbesserung setzt die Kleb- und Dichtstoffindustrie organofunktionelle Silane auch als Ver-netzer, Trocknungsmittel, Rheologie-hilfsmittel usw. ein. Ein weiterer Ein-satzbereich ist die Modifikation von Polymeren. Lässt man z. B. speziel-le Aminosilane mit den Isocyanat-End-gruppen von Polyurethan-Prepolymeren reagieren, kann man isocyanatfreie si-lanterminierte Polyurethane herstellen, die als Bindemittel in Kleb- oder Dicht-stoffen einsetzbar sind. Sie vernetzen analog zu den Silikonen unter Feuchtig-keitseinwirkung durch Hydrolyse sowie Kondensation und Abspaltung von z. B. Essigsäure oder Ethanol.Kontakt: [email protected]

Plasma und die zwei Seiten der Silikonchemie Dr. Uwe Lommatzsch, Fraunhofer-Ins-titut für Fertigungstechnik und An-

Bild 6: Silane kombinieren Eigenschaften aus der organischen und der anorganischen Chemie

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gewandte Materialforschung, Bremen, stellte Ergebnisse der Forschungsar-beiten auf dem Gebiet der Plasmatech-nik unter Einsatz von Hexamethyldisilo-xan (HMDSO) als „Precursor“ vor (Bild 7). Dabei wird das HMDSO entweder in den energiereicheren oder energieärme-ren Bereich einer Atmosphärendruck-Plasma-Düse eingebracht. Je nach zuge-führter Energie stellen sich sehr unter-schiedliche Effekte ein. Bei einer hohen Energieeinbringung scheidet sich auf der Substratoberfläche vorwiegend eine SiO2-ähnliche Schicht ab. Diese wirkt haftvermittelnd. Bei geringerem Ener-gieumsatz bilden sich hingegen poly-merähnliche Strukturen aus, die wie ein Trennmittel fungieren.Kontakt: [email protected]

fer.de

Silikonbasierte Trennmittel Mit der provokanten Schlagzeile „Vom Beelzebub zum Heilsbringer“ eröffnete Dr. Holger Klyszcz-Nasko, Acmos Che-mie KG, Bremen, seinen Vortrag über silikonbasierte Trennmittel. Diese wer-den häufig als Beelzebub der Kunststoff-Verarbeitung angesehen. Neben ihrer Grundfunktion, ein zerstörungsfreies Entformen von Bauteilen aus Formkavi-

täten zu ermöglichen, kann ein Trenn-mittel-Übertrag auf die Bauteiloberflä-che das Haften von Klebstoffen und Be-schichtungen beeinträchtigen.

Es gibt zwei verschiedene Wege, um das Entformen zu erleichtern. Möglich ist zum einen die Ausrüstung der Werk-zeugoberfläche mit einer Beschichtung, deren kohäsiver Zusammenhalt höher ist als die Adhäsion zwischen Formteil und der Beschichtungsoberfläche. Sol-che Schichten können z. B. aus dreidi-mensional vernetztem Silikonharz oder PTFE bestehen. Je nach Dicke der Be-schichtung können Feinstrukturen der Werkzeugoberfläche überdeckt werden. Kommt es trotzdem zu örtlichen Anhaf-tungen, muss beim Entformen eine Be-schädigung der Bauteiloberfläche be-fürchtet werden.

Besser ist die Trennwirkung, wenn man das Trennmittel chemisch so mo-difiziert, dass es als geschlossener Film sowohl auf der Werkzeug- als auch auf der Formteiloberfläche haftet. Durch eine hinreichend niedrige Viskosi-tät erzwingt man ein kohäsives Versa-gen innerhalb der Trennmittelschicht. Zwangsläufig verbleibt nach dem Ent-formen eine Trennmittelschicht auf der Bauteiloberfläche.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, um zu erreichen, dass solche Beläge beim Kleben nicht stören:1. Entfernen des Trennmittels durch ei-

nen Waschprozess2. Aufnahme der Trennmittelschicht

durch Lösemittel oder Lösevermitt-ler des verwenden Klebstoffs

3. Erhöhung des polaren Anteils der Kunststoffoberfläche: Ein polarer Klebstoff hat dann das Potential, ein niedrig viskoses Trennmittel zu klei-nen Inseln zusammenzuschieben.

4. Entwicklung nachbearbeitungs-freundlicher Trennmittel

Silikone als Entformungsmittel bieten den besten Kompromiss aus Trennwir-kung, Produktivität, Oberflächenqua-lität, Nachbearbeitung und Kompatibi-lität. Kunststoffverarbeitung funktio-niert heute nur mit Silikonverbindungen – nicht ohne. ¢

Kontakt: [email protected]

Bild 7: Plasmapolymerisation von Hexamethyldisiloxan in stark vereinfachter Darstellung

Der Autor

Dr.-Ing. Horst Stepanski

([email protected],

Tel. +49 (2171) 58 11 34) unterhält

das Ingenieurbüro für Kunststoff-

und Klebtechnik Stepanski

Engineering in Leverkusen.

AusblickDer nächste Workshop „Chemie

für Klebstoffanwender“ wird am 2.

März 2015 stattfinden und fokus-

siert auf Polyurethan-Klebstoffe.

Experten, die im nächsten Jahr ihr

Wissen auf diesem Gebiet weiter-

geben möchten, sind eingeladen,

per Mail oder telefonisch Kontakt

mit dem Autor aufzunehmen.

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